Rechtsfragen der Publizität im kommunalen Unternehmensrecht [1 ed.] 9783428547012, 9783428147014

Die Darstellung widmet sich der für Kommunen in der Praxis bedeutsamen und theoretisch äußerst komplexen Thematik der »P

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Rechtsfragen der Publizität im kommunalen Unternehmensrecht [1 ed.]
 9783428547012, 9783428147014

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1297

Rechtsfragen der Publizität im kommunalen Unternehmensrecht

Von

Otto K. Dietlmeier

Duncker & Humblot · Berlin

OTTO K. DIETLMEIER

Rechtsfragen der Publizität im kommunalen Unternehmensrecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1297

Rechtsfragen der Publizität im kommunalen Unternehmensrecht

Von

Otto K. Dietlmeier

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regenburg hat diese Arbeit im Jahr 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14701-4 (Print) ISBN 978-3-428-54701-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84701-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und meiner Familie

Vorwort Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Udo Steiner, Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D., bin ich für seine stets hilfreichen Hinweise und Vorschläge und seine motivierende Unterstützung in den entscheiden­ den Phasen der Bearbeitung zu herzlichem Dank verpflichtet. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Gerrit Manssen für die rasche Erstellung seines Zweitgutachtens. Ich möchte auch nicht versäumen, meinem verehrten Hochschullehrer, dem leider früh verstorbenen Herrn Prof. Dr. Franz Mayer, ehemaliger Rektor der Universität Regensburg, posthum zu danken. Er hat mir als wissenschaftlichem Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl für meine be­ rufliche Tätigkeit erhebliche juristische Kenntnisse vermittelt. Bei meiner Gattin und meinen beiden Töchtern möchte ich mich für Ihr Verständnis und ihre Nachsicht während der Promotion von Herzen bedan­ ken. Ohne ihre aufmunternde Hilfe zur rechten Zeit hätte ich die Disserta­ tion nicht so zügig, zielorientiert und mit Freude an ihrem Entstehen fertig­ stellen können. Amberg, im Februar 2015

Otto K. Dietlmeier

Inhaltsübersicht Kapitel 1

Einführung und Begriffsdefinitionen 

31

A. Aufgabenstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Kapitel 2

Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen 

121

A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen  . 176 C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen  . . . . . 251 Kapitel 3

Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung 

313

A. Ausgliederung und Deregulierung durch Privatisierung und Liberalisierung . 313 B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl . . . . . . . . . . . . 353 Kapitel 4

Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen 

404

A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner . . . . . . . . . . 404 B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune . . . . . . . . . . . . . . 480 C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

10 Inhaltsübersicht Kapitel 5

Gesellschaftsbezogene Publizität und Ingerenzansprüche der Bürger 

545

A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 616 Kapitel 6

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 

646

Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1

Einführung und Begriffsdefinitionen 

31

A. Aufgabenstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Publizität, Information und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Die mehrdeutigen Inhalte des Publizitätsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Die sprachgeschichtliche Entwicklung des Publizitätsbegriffs . . . 37 b) Die unterschiedlichen Inhalte des Publizitätsbegriffs der Gegen­ wart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Öffentlichkeit als Synonym für Zugänglichkeit und Wahr­ nehmbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 bb) Publizität in Bezug auf den Staat und andere öffentliche Rechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (1) Publizität als Ausdruck für das Sonderrecht des Staates . 48 (2) Publizität in der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . 50 (3) Publizität von Institutionen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . 51 (4) Publizität von Aufgaben als Synonym für staatliche An­ gelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (5) Publizität als personenbezogener Wertbegriff staatlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 cc) Publizität im demokratischen Rechtsstaat als Teilhabe des Volkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 dd) Publizität im gesellschaftlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (1) Publizität der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (2) Öffentliche Meinung als Publizität zwischen Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (3) Publizität als politische Forderung an die Wirtschaft . . . 64 (4) Publizität der gesellschaftlichen Rolle der Sozialpartner . 65 (5) Publizitätsstatus politischer Parteien, Fraktionen und Wählergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Die Relevanz der Begriffsinhalte von Publizität für das kommu­ nale Unternehmensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Die Grundbedeutung als Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit 68 bb) Die Bedeutung des Kernbereichs der staatsbezogenen Publizi­ tät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

12 Inhaltsverzeichnis cc) Die Bedeutung von Publizität im Randbereich zwischen Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Information als Voraussetzung für Publizität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Informationsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Beschaffung von Information als Steuerungsressource . . . . . . . . . 75 c) Informationsprivatisierung durch Deregulierung und bei De­ zentralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) Zugang zu Behördeninformationen und Datenschutz Betroffener . 80 3. Transparenz als Ziel von Publizität in Staat und Gesellschaft . . . . . . 85 II. Kommunale Unternehmen und Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Die verschiedenen Unternehmensbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Betriebswirtschaftliche Merkmale eines Unternehmens . . . . . . . . 87 b) Die Rechtsbegriffe des Unternehmens und des Unternehmers . . . 88 2. Öffentliche Unternehmen im nationalen und europäischen Recht . . . 92 3. Kommunale Unternehmen im institutionellen Sinne  . . . . . . . . . . . . . 96 a) Öffentlich-rechtliche Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Regiebetriebe und kostenrechnende Einrichtungen. . . . . . . . . 97 bb) Eigenbetriebe und gleichgestellte öffentliche Einrichtungen  . 99 cc) Kommunalunternehmen – Anstalt des öffentlichen Rechts . . 101 b) Privatrechtliche Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Unterscheidung nach der Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Unterscheidung in Unternehmensträgerschaft und bloße Be­ teiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Kommunale Unternehmen als Eigengesellschaften und gemischt-öffentliche Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Gemischt-wirtschaftliche kommunale Unternehmen und institutionelle Public Private Partnerschafts-Modelle . . . 110 (3) Abgrenzung zu funktionaler und materieller Privatisie­ rung und zur Konzessionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Zwischenergebnisse zum Begriff des kommunalen Unternehmens und der unternehmerisch tätigen Kommune . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Kapitel 2

Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen 

121

A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Historische Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . 121 1. Dezentralisation und Partizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Partizipation und Demokratie auf kommunaler Ebene . . . . . . . . . . . . 123 3. Kommunale Selbstverwaltung und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4. Zwischenergebnis zur Publizität als Teilhabe des Gemeindevolks an kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Kommunale Selbstverwaltung im Spannungsverhältnis zum Staat . . . . . 132

Inhaltsverzeichnis13 1. Öffentliche Aufgaben der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Verfassungsrechtliche Garantie kommunaler Selbstverwaltung . . . . . 135 a) Rechtsnatur der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Umfang und Grenzen der Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . . . . 139 c) Schutzgegenstände der Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . . . . . . . 146 d) Vertikale und horizontale Schutzwirkung der Selbstverwaltungs­ garantie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 e) Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und supranationales Recht. 153 3. Zwischenergebnis zur Bedeutung der Publizität im Rahmen des kom­ munalen Selbstverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Kommunale Leistungsverwaltung im Spannungsverhältnis zur Privat­ wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Daseinsvorsorge als prägendes Element der Leistungsverwaltung . . . 157 a) Der nationale Begriff der Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Daseinsvorsorge als nichtwirtschaftliche oder wirtschaftliche Be­ tätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Daseinsvorsorge bei Organisations- und Aufgabenprivatisierung . . . . 168 3. Zwischenergebnis zur Publizität kommunaler Daseinsvorsorge . . . . . 174 B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen . 176 I. Wirtschaftliche Betätigung und kommunale Unternehmen . . . . . . . . . . . 176 1. Historische Grundlagen und landesrechtliche Varianten der Schranken­ trias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Öffentlicher Zweck als Abgrenzungs- und Steuerungselement . . . . . 180 a) Positive Bestimmung des öffentlichen Zwecks als „Wertbegriff“ . 182 b) Landesrechtliche Regelungsvarianten zum öffentlichen Zweck . . 190 c) Öffentlicher Zweck bei fiskalischen Interessen und Hilfsgeschäf­ ten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 d) Abgrenzung des öffentlichen Zwecks von der Gewinnerzielungs­ absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 e) Kommunale Erwerbswirtschaft mit Annextätigkeiten und Neben­ geschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Verfassungsrechtliche Grenzen kommunaler Erwerbswirtschaft 197 bb) Zulässige erwerbswirtschaftliche Nebenzwecke und Annex­ tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Örtlichkeitsprinzip und überörtliche wirtschaftliche Betäti­ gung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 dd) Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen im Ausland . . . . 213 f) Zwischenergebnis zum Regelungsgehalt des öffentlichen Zwecks . 216 3. Leistungsfähigkeit der Gemeinde und voraussichtlicher Bedarf . . . . 218 4. Landesrechtliche Subsidiaritätsklauseln als „Funktionssperre“ . . . . . . 219 5. Zwischenergebnis zur Bedeutung der kommunalrechtlichen Schran­ kentrias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

14 Inhaltsverzeichnis II. Schutz privater Konkurrenten vor kommunaler wirtschaftlicher Betäti­ gung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Schutzwirkung kommunalrechtlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Drittschützende Wirkung von Subsidiaritätsklauseln . . . . . . . . . . . 225 b) Abweichende Regelungen und Judikatur zum Konkurrenten­ schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Bisher ungeklärte Rechtslage zum Drittschutz der Subsidiaritäts­ klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Grundrechtsschutz für private Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Art. 12 Abs. 1 GG und Schutz der Berufsfreiheit privater Konkur­ renten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Art. 14 Abs. 1 GG und das Recht am eingerichteten und ausge­ übten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Art. 2 Abs. 1 GG und der Schutz der Wettbewerbsfreiheit . . . . . . 235 d) Beachtung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . 236 e) Grundrechtliche Schutzpflichten als Schranke wirtschaftlicher Be­ tätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Schutzwirkung durch Lauterkeitsrecht und Missbrauchskontrolle . . . 239 a) Wettbewerbskonformität kommunaler Wirtschaftstätigkeit . . . . . . 239 b) Lauterkeitsrecht und unternehmerisches Marktverhalten im Wett­ bewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Verquickung von hoheitlicher Tätigkeit und Erwerbswirtschaft . . 244 d) Pflicht zu maßvoller Interessenverfolgung bei Teilnahme am Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 e) Kartellrechtliche Missbrauchskontrolle bei Wettbewerbsteilnahme . 247 4. Zwischenergebnis zum Konkurrentenschutz vor kommunaler Wirt­ schaftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen  . . . . . 251 I. Daseinsvorsorge und Wettbewerb im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Daseinsvorsorge im Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Dienstleistungen von allgemeinem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Dienste / Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Inte­ resse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Unionsrechtliche Vorgaben des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 257 a) Der Unternehmensbegriff des europäischen Wettbewerbsrechts . . 257 b) Das Erfordernis der Binnenmarktrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Der Begriff der öffentlichen Unternehmen im Unionsrecht . . . . . 261 d) Geltung der Wettbewerbsregeln für öffentliche Unternehmen . . . 261 e) Unionsrechtliche Vorgaben für Monopole öffentlicher Unterneh­ men  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 f) Sekundärrechtliche Rechtsakte sektoraler Marktöffnung . . . . . . . . 268 II. Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Inhaltsverzeichnis15 1. Anforderungen der Beihilfenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Der Beihilfebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Altmark-Trans-Kriterien zum Beihilfebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Begünstigung durch den Einsatz staatlicher Mittel . . . . . . . . . . . . 272 c) Anforderungen an den Betrauungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 d) Anwendung des Beihilferechts nach dem bisherigen Monti-Paket . 276 e) Modifizierungen des Beihilferechts durch das Almunia-Paket . . . 277 aa) Mitteilung über die Anwendung der Beihilfevorschriften . . . . 277 bb) Freistellungsbeschluss für bestimmte Ausgleichsleistungen . . 278 cc) EU-Rahmen für notifizierungspflichtige staatliche Beihilfen . 279 dd) De-minimis-Verordnungen zur Notifizierungsfreiheit . . . . . . . 280 III. Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Rechtsrahmen für Dienstleistungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Kommunen als öffentliche Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Im „Allgemeininteresse“ liegende Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) Nichtgewerbliche öffentliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 cc) Der Gründungszweck des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . 287 dd) Sektorentätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Anwendbarkeit des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 aa) Vergaben nach europäischem Vergaberecht. . . . . . . . . . . . . . . 288 bb) Öffentlicher Dienstleistungsauftrag und Dienstleistungskon­ zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 cc) Vergaben unterhalb der europäischen Schwellenwerte . . . . . . 292 2. Inhouse-Vergaben von Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 a) Das Kontrollkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Das Wesentlichkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3. Interkommunale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 4. Kommunale Unternehmen als Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 IV. Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberecht im Sektor ÖPNV . . . . . . . . . 299 1. Rechtsrahmen für den öffentlichen Personenverkehr . . . . . . . . . . . . . 300 2. Obligatorischer Inhalt von Betrauungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 3. Öffentlicher Dienstleistungsauftrag und allgemeine Vorschrift  . . . . . 303 a) Eigenproduktion und Direktvergabe an internen Betreiber . . . . . . 303 b) Direktvergabe an kleine und mittlere Unternehmen . . . . . . . . . . . 304 c) Vergabe als Dienstleistungskonzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 d) Vergabe an Dritte im wettbewerblichen Verfahren . . . . . . . . . . . . 305 4. Gewährung ausschließlicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 V. Folgerungen für Kommunen aus der europäischen Rechtsordnung . . . . 309

16 Inhaltsverzeichnis Kapitel 3

Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung 

313

A. Ausgliederung und Deregulierung durch Privatisierung und Liberalisierung . 313 I. Ziele und Motive einer Ausgliederung von Verwaltungseinheiten . . . . . 314 1. Ordnungs- und gesellschaftspolitische Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . 314 2. Unternehmerische Gestaltungsziele einer Ausgliederung . . . . . . . . . . 318 a) Flexibilität und Effizienz als Ausgliederungsziele . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Flexibilität der Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 bb) Effizienz der Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 cc) Flexibilität der Personalwirtschaft und der Kostenstrukturen . 324 (1) Bindung an das Dienstrecht oder Geltung des Arbeits­ rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (2) Gründungskosten und Preisgestaltung für Dienstleistun­ gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Wettbewerbsteilnahme und Kooperationsfähigkeit  . . . . . . . . . . . . 327 c) Finanzierungsmöglichkeiten und Begrenzung von Haftungsrisi­ ken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 d) Rahmenbedingungen des Steuer-, Beihilfe- und Vergaberechts . . 332 aa) Steuerrecht und Bewertungsvorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . 332 bb) Beihilfe- und vergaberechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . 333 II. Steuerungsinstrumente bei Unternehmensgründung und Beteiligung . . . 334 1. Beteiligungsmanagement als Steuerungsinstrument der Kommune . . 337 a) Organisatorische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Effizientes Aufgabenspektrum des Beteiligungsmanagements . . . 339 2. Zweckprogrammierung von Unternehmenssatzung und Gesellschafts­ vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 3. Public Corporate Governance Kodex als Leitlinie für Transparenz . . 346 B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl . . . . . . . . . . . . 353 I. Grundsatz der Wahlfreiheit der Organisations- und Handlungsform . . . 354 1. Rechtsgrundlagen der Wahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 2. Umfang und Grenzen der Wahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 a) Verfassungsrechtliche Grenzen für die Wahl der Organisations­ form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 aa) Kompetenzordnung und Schutzwirkung des Art. 28 Abs. 2 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 bb) Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG als Regelvorgabe . 365 cc) Verfassungsgrundsätze als Schranken der Wahlfreiheit . . . . . 367 (1) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (2) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 (3) Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 dd) Grundrechtsbindung als Schranke für die Wahlfreiheit  . . . . . 374

Inhaltsverzeichnis17 b) Einfachgesetzliche Schranken für die Wahl der Organisations­ form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 c) Schranken für die Wahlfreiheit der Handlungsform . . . . . . . . . . . 379 aa) Öffentlich-rechtliche Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 bb) Privatrechtliche Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 II. Lösungsansätze zur Vermeidung von Zielkonflikten bei Ausgliederungs­ vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1. Strategien zur Konfliktprävention in der Entscheidungsphase . . . . . . 391 a) Einrichtung und Ausgestaltung von Steuerungsinstrumenten . . . . 391 b) Ausrichtung des Auswahlermessens an den Bürgerinteressen . . . 393 c) Bindung des Auswahlermessens durch Konkurrentenschutz . . . . . 396 2. Vorschläge zur Unternehmensgestaltung bei wirtschaftlicher Betäti­ gung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) Verstärkung bürgerschaftlicher Partizipationselemente . . . . . . . . . 397 b) Landesgesetzliche Ermächtigungen zu öffentlich-rechtlicher Hand­ lungsform für kommunale Unternehmen in Privatrechtsform . . . . 399 c) Minderheitsbeteiligung als Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . 402 Kapitel 4

Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen 

404

A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner . . . . . . . . . . 404 I. Zugang zu Steuerungsressourcen als Voraussetzung für Publizität . . . . . 404 1. Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht von Organen öffentlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 2. Rechtfertigungsbedürftigkeit der Verschwiegenheit im Unterneh­ mensinteresse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 a) Vom Unternehmensträger abgeleitete Verschwiegenheitspflicht gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 b) Regelung der Verschwiegenheitspflicht durch den Gesetzgeber . . 410 II. Informationsbeschaffung durch kommunale Unternehmensträger . . . . . . 413 1. Öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 a) Regie- und Eigenbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 b) Kommunalunternehmen (rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 2. Eigengesellschaft und kommunal beherrschte Gesellschaft . . . . . . . . 420 a) Informationsbeschaffung bei Organen der Aktiengesellschaft . . . . 421 aa) Eigenverantwortlichkeit des Vorstands und Information der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 (1) Vorstand als Herr über die Unternehmensgeheimnisse . . 423 (2) Informationsbeschaffung der Aktionäre in der Hauptver­ sammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428

18 Inhaltsverzeichnis bb) Verschwiegenheitspflicht und Unabhängigkeit des Aufsichts­ rates  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 cc) §§ 394, 395 AktG als Ausnahme von der Verschwiegenheits­ pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 (1) Bestehende Berichtspflichten als Voraussetzung für Aus­ nahmen nach § 394 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 (2) Zulässige Berichtsadressaten nach § 395 AktG . . . . . . . . 438 b) Informationsbeschaffung bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 aa) Pflicht der Geschäftsführung zur Information der Gesellschaf­ ter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 bb) Informationsbeschaffung durch die Gesellschafterversamm­ lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 cc) Verschwiegenheitspflicht eines GmbH-Aufsichtsrates . . . . . . 451 (1) Obligatorischer Aufsichtsrat der GmbH . . . . . . . . . . . . . . 455 (2) Fakultativer Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 (3) Zwischenergebnis zur Verschwiegenheitspflicht des GmbHAufsichtsrats  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 3. Kommunale Konzernstrukturen und Beteiligungsunternehmen . . . . . 460 a) Zulässigkeit eines kommunalen Vertragskonzerns . . . . . . . . . . . . . 463 b) Faktischer kommunaler Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 aa) Aktiengesellschaften im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . 469 bb) Faktischer GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 c) Kommunale Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen . . . . . . . . 472 aa) Freiwillige gesellschaftsvertragliche Regelungen . . . . . . . . . . 474 bb) Nutzung von Minderheitsbeteiligungen als Kapitalanlage . . . 476 4. Zusammenfassung zur Beschaffung steuerungsrelevanter Unterneh­ mensinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune . . . . . . . . . . . . . . 480 I. Legitimation der Unternehmensorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 1. Organisatorisch-personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 2. Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 II. Steuerungsinstrumente der Kommune . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 1. Weisungsrechte gegenüber Unternehmensorganen . . . . . . . . . . . . . . . 489 a) Öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen  . . . . . . . . . . . . . . . 489 aa) Regie- und Eigenbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 bb) Kommunalunternehmen (Anstalt des öffentlichen Rechts) . . . 492 b) Privatrechtlich organisierte Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 aa) Landesrechtliche Regelungen zu Weisungen an kommunale Vertreter in Gesellschaftsorganen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 (1) Gesetzliche Weisungen an Vertreter im Anteilseigner­ organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 (2) Weisungsregelungen gegenüber Mitgliedern von Auf­ sichtsräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500

Inhaltsverzeichnis19 (3) Gesetzliche Regelungen zu Weisungen an Leitungsorgane 504 (4) Zwischenergebnis zu gesetzlichen Weisungsbefugnissen und Weisungsbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 bb) Rechtsnatur von Weisungen nach Kommunal-(verfassungs-) recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 (1) Rechtsnatur von Weisungen an Vertreter im Anteilseig­ nerorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 (2) Rechtsnatur von Weisungen an Aufsichtsratsmitglieder . 508 (3) Rechtsnatur von Weisungen gegenüber Mitgliedern von Leitungsorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 c) Zwischenergebnis zur Unternehmenssteuerung durch Weisungen . 513 2. Sonstige Formen einer Einwirkung auf Unternehmensorgane . . . . . . 515 a) Stimmbindungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 b) Zielvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 c) Konsortialvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 d) Konzessionsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 e) Informelle Einflussnahme auf Unternehmensorgane . . . . . . . . . . . 519 3. Inhaltliche Grenzen steuernder Einwirkung auf Unternehmen . . . . . . 522 C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 I. Umfang und Grenzen der Kommunalaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 1. Kommunalaufsicht bei Unternehmensgründung und Beteiligung . . . . 527 2. Unternehmensbegleitende Kommunalaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 II. Kontrolle der Unternehmenstätigkeit durch externe Prüfungen . . . . . . . 531 1. Prüfung der kommunalen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 a) Jahresabschlussprüfung nach §§ 264 ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . 532 b) Erweiterte Jahresabschlussprüfung (§ 53 HGrG) . . . . . . . . . . . . . . 534 2. Betätigungsprüfungen bei der Trägerkommune . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 a) Gesellschaftsrechtliche Betätigungsprüfung nach § 54 HGrG  . . . 537 b) Kommunalrechtliche Betätigungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 3. Mitwirkung der Beteiligungsverwaltung an der Kontrolle . . . . . . . . . 542 4. Zwischenergebnis zur externen Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . 543 Kapitel 5

Gesellschaftsbezogene Publizität und Ingerenzansprüche der Bürger 

545

A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 I. Rechnungslegungs-, Bekanntmachungs- und Registerpflichten . . . . . . . . 545 1. Rechnungslegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 2. Bekanntmachungs- und Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 a) Bekanntmachungspflicht bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen . 548 b) Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . 549

20 Inhaltsverzeichnis 3. Registerpflichten und sonstige Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 552 4. Public Corporate Governance Kodex und Beteiligungsbericht . . . . . 553 II. Informationsmanagement für kommunale Unternehmen gegenüber ge­ sellschaftlichen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 1. Sitzungsöffentlichkeit und Sitzungsteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 a) Vorab-Veröffentlichung der Tagesordnung von Aufsichtsratssit­ zungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 b) Teilnahme von Nichtmitgliedern an Aufsichtsratssitzungen . . . . . 563 2. Interessenkonflikte innerhalb von Unternehmensorganen . . . . . . . . . . 567 a) Interessenkonflikte von Repräsentanten der Belegschaft . . . . . . . . 568 b) Verschwiegenheitspflicht und Informationsbedürfnis der Beleg­ schaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 c) Interessenkonflikte durch Nutzung von Insider-Informationen . . . 571 3. Teilhaberechte von Ratsmitgliedern, deren Fraktionen und Wähler­ gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 a) Subjektiv-öffentliche Auskunfts-, Frage- und Akteneinsichtsrechte. 572 b) Teilhaberechte kommunaler Fraktionen und Wählergruppen . . . . 576 aa) Rechtnatur der Fraktion nach den jeweiligen Gemeindeord­ nungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 bb) Mitwirkungs-, Auskunfts- und Antragsrechte von Fraktionen und Wählergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 4. Auskunftsanspruch der Medien und Publizitätspflichten von Behör­ den . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 a) Auskunftsanspruch der Medien gegenüber Behörden . . . . . . . . . . 588 b) Auskunftsanspruch gegenüber kommunalen Unternehmen . . . . . . 593 aa) Eigenständiger presserechtlicher Behördenbegriff . . . . . . . . . 594 bb) Grenzen zulässiger Presseauskünfte von Unternehmensorga­ nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 (1) Presseauskünfte zur Geschäftstätigkeit des Unterneh­ mens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 (2) Presseauskunft zu den Bezügen von Unternehmensorga­ nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 5. Informationsfreiheitsregelungen und sektorale Informationsansprüche . 602 a) Informationsfreiheitsgesetze der Länder und kommunale Informa­ tionsfreiheitssatzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 b) Sektorale Regelungen der Informationsfreiheit und von Informa­ tionspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 aa) Völkerrechtlich vereinbarter freier Zugang zu Umweltinfor­ mationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 bb) Aktive Informationspflichten im Umwelt- und Verbraucher­ schutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 c) Verfassungsrechtliche Begründungen für allgemeine Informa­ tionszugangsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 616

Inhaltsverzeichnis21 I. Kollektive Teilhaberechte (Bürgerbegehren, Bürgerentscheid) . . . . . . . . 617 1. Landesverfassungsrechtliche Grundlagen kommunaler Teilhaberechte . 617 2. Kommunalrechtlich ausgestaltete kollektive Teilhaberechte an Sach­ entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 II. Die Subjektivierung von Staatsstrukturprinzipien durch Art. 38 GG . . . 620 1. Bisherige Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 38 GG . . . . . . . . . . . . 620 2. Bedeutung der BVerfG-Rechtsprechung zu Art. 38 Abs. 1 GG für die kommunale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 a) Staatsbürger und Unionsbürger als kommunale Legitimationssub­ jekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 b) Wahlrechtsgrundsätze und deren Schutz in den Ländern . . . . . . . 626 c) Vergleichbarkeit der Pflichtenstellung von Gesetzgebungs- und kommunalen Selbstverwaltungsorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 aa) Pflicht zur Erhaltung eines kommunalen Aufgabenbestandes . 628 bb) Ingerenzpflicht als Schutzpflicht gegenüber dem Wähler . . . . 630 cc) Wähleranspruch auf funktionsfähige kommunale Selbstver­ waltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 III. Grenzen des Rechts auf Schutz des Wahlaktes vor Sinnentleerung . . . . 634 1. Freies Mandat und Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltungs­ organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 2. Funktionsfähigkeit der Kommunalverwaltung als Schranke . . . . . . . . 636 3. Abgestufte Stringenz als Maßstab für die Einwirkungspflicht . . . . . . 638 4. Legitimationsverbund als Gegenstromprinzip zum Modell der abge­ stuften Stringenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 a) Schutz vor der Überschreitung der Grenzen materieller Privatisie­ rung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 b) Schutz vor der Wahl ungeeigneter Organisationsstrukturen . . . . . 643 c) Schutz vor unzureichenden Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen. 644 Kapitel 6

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 

646

Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723

Abkürzungsverzeichnis A. A., a. A.

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a. a. O.

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Amberger Congress Marketing- Anstalt des öffentlichen Rechts

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Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AfP

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AG Aktiengesellschaft AG

Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, für deutsches, europäisches und internationales Unternehmensund Kapitalmarktrecht

AktG Aktiengesetz AllMBl

Allgemeines Ministerialblatt der Bayerischen Staatsregierung

ALR

Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten

Amtsbl. Amtsblatt ANAV

Associazione Nazionale Autotrasporto Viaggiatori

Anm. Anmerkung AnstG

Anstaltsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt

AöR

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AP

Arbeitsrechtliche Praxis

Art. Artikel AS RP-SL

Amtliche Sammlung von Entscheidungen der Oberverwaltungs­ gerichte Rheinland-Pfalz und Saarland

Aufl. Auflage BAG Bundesarbeitsgericht BAGE

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BAT Bundes-Angestelltentarifvertrag BayGO

Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern

BayGVBl

Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt

BayKommZG

Bayerisches Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit

BayRS

Bayerische Rechtssammlung

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Abkürzungsverzeichnis23 BayVBl

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BbgKVerf

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Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BerlBG

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BFH Bundesfinanzhof BgA

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BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt

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BHO Bundeshaushaltsordnung BKR

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DGO

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24 Abkürzungsverzeichnis DStT

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Europäische Charta der Kommunalen Selbstverwaltung

endg. Endgültig ENeuOG Eisenbahnneuordnungsgesetz EnWG Energiewirtschaftsgesetz EnWZ

Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft

Ergl. Ergänzungslieferung ESVGH

Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

EU

Europäische Union

EuG

Gericht der Europäischen Union

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Union

EuGHE

Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union

EuGRZ

Europäische Grundrechte Zeitschrift

EuR

Zeitschrift Europarecht

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

EWS

Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht

FdStBay

Die Fundstelle Bayern

FMG

Flughafen München GmbH

G. Gesetz GBl. Gesetzblatt GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

geänd. Geändert GemHVO-NRW Gemeindehaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen GemO BW

Gemeindeordnung für Baden-Württemberg

Abkürzungsverzeichnis25 GemO Rhl-Pf.

Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz

GenG Genossenschaftsgesetz GewArch Gewerbearchiv GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

GKBay

Gemeindekasse Bayern

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR GmbH-Rundschau GO LSA

Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt

GO NRW

Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen

GO SH

Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein

GrRCh

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GRUR-RR

Gewerblicher Rechtsschutz- und Urheberrecht-Rechtsprechungs­ report

GV. NRW

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG Gerichtsverfassungsgesetz GVOBl. M-V

Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern

GVOBl. SH

Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

h. M.

herrschende Meinung

Hg. Herausgeber HGB Handelsgesetzbuch HGO

Hessische Gemeindeordnung

HGrG Haushaltsgrundsätzegesetz HGZ

Hessische Städte- und Gemeindezeitung

Hs. Halbsatz IDW PS

Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer

ILO

International Labour Organization

IR InfrastrukturRecht JA

Juristische Arbeitsblätter

JBl

Juristische Blätter

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

Juris

Juris Online

JurisPR Juris-PraxisReport

26 Abkürzungsverzeichnis jurisPR-ArbR

Juris-PraxisReport Arbeitsrecht

JuS

Juristische Schulung

JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kommanditgesellschaft KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KOM

Europäische Kommission

KommHV Bayerische Kommunalhaushaltsverordnung-Kameralistik  Kameralistik KommJur Kommunaljurist KommunalPraxis Zeitschrift für Verwaltung, Organisation und Recht  BY KomZG

Rheinland-Pfälzisches Landesgesetz über die kommunale Zusam­ menarbeit

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswis­ senschaft

KrWG Kreislaufwirtschaftsgesetz KStZ

Kommunale Steuerzeitschrift

KV M-V

Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern

LG Landgericht LHO Landeshaushaltsordnung LKRZ

Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen / RheinlandPfalz / Saarland

LKV

Zeitschrift Landes- und Kommunalverwaltung

LT-Drs. Landtags-Drucksache LTTG

Landestreuegesetz Rheinland-Pfalz

LVerfGE

Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder

LVwG

Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein

M. d. F.

Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg

M. f. F. u. W.

Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MfG

Bayerisches Mittelstandsförderungsgesetz

Mitbestimmung

Die Mitbestimmung, Magazin der Hans-Böckler-Stiftung

MittNWStGB

Mitteilungen, Nordrhein-Westfälischer Städte- und Gemeinde­ bund

Nds.GVBl.

Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt

NdsVBl

Niedersächsische Verwaltungsblätter

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Abkürzungsverzeichnis27 NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungsreport Zivilrecht NJW-Spezial Neue Juristische Wochenschrift, Spezial NKomVG Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz NKomZG Niedersächsisches Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit NordÖR Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungsreport NWVBl Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NZBau Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht OECD Organization for Economic Co-operation and Development OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr ÖPP Öffentlich-Private Partnerschaft OVG Oberverwaltungsgericht OVGE MüLü Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Nieder­ sachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs NRW und des niedersächsischen Staatsgerichtshofs PBefG Personenbeförderungsgesetz PCGK Public Corporate Governance Kodex PPP Public Private Partnership PublG Publizitätsgesetz Rdnr. Randnummer RDV Recht der Datenverarbeitung RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rz. Randziffer Saarl.KSVG Saarländisches Kommunalselbstverwaltungsgesetz SächsEigBG Sächsisches Eigenbetriebsgesetz SächsGemO Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen SächsGVBl. Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt SächsVBl Sächsische Verwaltungsblätter

28 Abkürzungsverzeichnis Slg.

Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union

StabG

Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirt­ schaft

StG

Zeitschrift Stadt und Gemeinde

StGR

Zeitschrift Städte- und Gemeinderat

StSenkG Steuersenkungsgesetz SZ

Süddeutsche Zeitung

ThürKO

Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung

ThürVBl.

Thüringer Verwaltungsblätter

TVgG-NRW

Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen

TVöD

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst

Tz. Textziffer UIG Umweltinformationsgesetz UPR

Umwelt- und Planungsrecht

UrhG Urheberrechtsgesetz UStG Umsatzsteuergesetz UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VBlBW

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg

VerfG

Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

VerfGH Verfassungsgerichtshof VerfGHE BY

Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungs­ gerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungs­ gerichtshofs – Teil 2

VergabeR

Zeitschrift Vergaberecht

VersR Versicherungsrecht-Rechtsprechung Verw

Die Verwaltung

VerwArch Verwaltungsarchiv VerwRspr. Verwaltungsrechtsprechung VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof VGHBW-Ls

VGH-Rechtsprechungsdienst Baden-Württemberg

VGHE BY

Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungs­ gerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungs­ gerichtshofs – Teil 1

VgV Vergabeverordnung VKU

Verband Kommunaler Unternehmen e. V.

VO Verordnung VOB / A

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A: Allge­ meine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen

Abkürzungsverzeichnis29 VOBl. Verordnungsblatt VOF Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen VOL / A Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen VR Verwaltungsrundschau VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechts­ lehrer VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WiVerw Wirtschaft und Verwaltung WPg Die Wirtschaftsprüfung WRP Wettbewerb in Recht und Praxis WRV Weimarer Reichsverfassung WuM Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuW Wirtschaft und Wettbewerb ZBR Zeitschrift für Beamtenrecht ZfBR Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergabe­ recht ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis ZKF Zeitschrift für Kommunalfinanzen ZögU Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unterneh­ men Zparl Zeitschrift für Parlamentsfragen ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZSchR Zeitschrift für schweizerisches Recht zul. Zuletzt ZUM-RD Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht-Rechtsprechungsdienst ZUR Zeitschrift für Umweltrecht

Kapitel 1

Einführung und Begriffsdefinitionen A. Aufgabenstellung und Gang der Untersuchung Rechtsfragen der Publizität bilden den Gegenstand der vorliegenden Un­ tersuchung. Der auf das kommunale Unternehmensrecht fokussierten Bear­ beitung muss eine terminologische Klärung der verwendeten Begriffe vo­ rausgehen. Hierzu zählen die Begriffe Publizität, Information und Transpa­ renz ebenso wie der Terminus (kommunales) öffentliches Unternehmen. Die Vielgestaltigkeit der Selbstverwaltungsaufgaben der Kommunen, die aus unterschiedlichen Gründen und Motiven dezentral in öffentlich-rechtlichen Rechtsformen oder in Organisations- und Handlungsformen des Privatrechts wahrgenommen werden, erfordert eine Begrenzung der Bearbeitung auf die praxistypischen Varianten. Die Darstellung konzentriert sich deshalb bei den öffentlich-rechtlichen Organisationsformen in Abgrenzung zu den Regiebetrieben auf den Eigen­ betrieb und auf Kommunalunternehmen als selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts in den zum Teil unterschiedlichen Ausprägungen nach den kommunalrechtlichen Vorschriften der einzelnen Länder der Bundesre­ publik Deutschland. Auf die Sonderstellung der Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg wird hierbei nur am Rande Bezug genommen. Bei den kom­ munalen Unternehmen in Privatrechtsform bilden die Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung und die Aktiengesellschaft als die in der kommunalen Praxis weitaus häufigsten Organisationsformen die Grundlage für die Dar­ stellung von Rechtsfragen der Publizität, und zwar auch, soweit unter dem Begriff Public Private Partnership („PPP-Modelle“) gemeinsam mit Privaten in institutionalisierter Form kommunale Verwaltungsaufgaben wahrgenom­ men werden. Der Begriff der „Publizität“ in seiner historischen Entwicklung und in seiner Relevanz als Rechtsbegriff unter der Geltung des Grundgesetzes be­ darf einer näheren Untersuchung. Eine solche Analyse ist der Mehrdeutig­ keit des Begriffs auch in seiner deutschen Übersetzung mit „Öffentlichkeit“ als Bezeichnung für „Zugänglichkeit“ wie für „Publikum“ geschuldet. Vor allem die Vielschichtigkeit des Adjektivs „öffentlich“ im Sinne von einer­

32

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

seits „staatlich“, ja sogar von „rechtmäßig“, und zum anderen auf gesell­ schaftliche Gruppierungen bezogen, wie etwa auf Medien, politische Partei­ en oder Tarifpartner, erfordert eine nähere Betrachtung. Dies gilt auch für die Antonyme von Publizität, nämlich für das „Geheimnis“ in Form der Verschwiegenheitspflichten von Amtswaltern oder Mandatsträgern oder für die „Nichtöffentlichkeit“ von Verwaltungshandeln. Die „Privatheit“ des Einzelnen, dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf den Schutz persönlicher Daten einschließlich der Wahrung seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse markieren gleichfalls Publizitätsgrenzen. Teilhabean­ sprüche der Wahlbürger gerade an kommunalen Selbstverwaltungsangele­ genheiten sind Ausdruck des gewandelten Publizitätsbegriffs im demokrati­ schen Rechtsstaat. Als Partizipation Betroffener ergänzen sie das Modell der repräsentativen Demokratie und fördern seine Akzeptanz mit dem Ziel weitgehender „Transparenz“ von Entscheidungsprozessen und Beratungser­ gebnissen. Gemeinsamer Gegenstand der unterschiedlichen Begriffsinhalte von Pub­ lizität ist die „Information“. Ohne deren möglichst umfassende Beschaffung, Verarbeitung und Verwendung, aber auch deren gebotene Beschränkung, Verwahrung und gewährleistetem Schutz, ist Kommunikation als Steue­ rungsressource für juristische und administrative Entscheidungen zwischen den staatlichen und mit gesellschaftlichen Akteuren zur Vermittlung von Wissen für die Vorbereitung, Findung und Begründung von Entscheidungen nicht möglich. Die Beteiligung des Volkes als Souverän an der Gestaltung des Gemeinwesens setzt gleichfalls umfassende Information voraus. Zudem haben die mit dem Begriff der Informationsgesellschaft verbundenen Er­ scheinungsformen die Bedeutung freier Zugänglichkeit von Informationen als Handlungs- und Steuerungsressource, aber auch als Kontrollinstrument, erheblich gesteigert. Kapitel 1 dient deshalb der Inhaltsbestimmung dieser Begriffe als Voraus­ setzung für die Ableitung der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Rechtsfragen. In Kapitel 2 sind die verfassungsrechtlichen Grundlagen und komplexen Rahmenbedingungen einer unternehmerischen Betätigung von Kommunen Gegenstand der Darstellung. Rechtsfragen kommunaler Publizität entstehen dabei in dreifachen Rechtsbeziehungen: Einerseits aus dem Spannungsver­ hältnis kommunaler Selbstverwaltung als verfassungsrechtlich geschützter Freiheit von hoheitlichen Eingriffen und deren normativen Grenzen. Ande­ rerseits aus dem Spannungsverhältnis zwischen der Erfüllung kommunaler Daseinsvorsorgeaufgaben, insbesondere bei wirtschaftlicher Betätigung mit wettbewerbskonformen Verhaltensweisen auf liberalisierten Märkten, und der Sicherung der Grundrechte und unionsrechtlichen Grundfreiheiten pri­



A. Aufgabenstellung und Gang der Untersuchung 33

vater Wettbewerber. Drittens ergeben sich Rechtsfragen der Publizität für die Organe der Kommune und ihrer Unternehmen aus der Fundierung der kommunalen Selbstverwaltung und deren partizipatorischer Elemente im „Teilvolk“ als dem Souverän und Zuordnungssubjekt, von dem sie ihre Legitimation ableiten. Eine Schlüsselposition kommt dem Begriffsinhalt des „öffentlichen Zwecks“ in der jeweiligen Ausprägung kommunalrechtlicher Regelungen der deutschen Flächenstaaten für die Abgrenzung der Publizität kompetenz­ gebundener Kommunalwirtschaft zur grundrechtsgeschützten Privatwirt­ schaft zu. Auch mögliche grundrechtliche Schutzpflichten zugunsten von Wettbewerbern und deren Abwehrrechte aus der Subsidiarität kommunaler wirtschaftlicher Betätigung gegenüber der Privatwirtschaft sind Gegenstand der Darstellung. Schließlich enthalten auch die Wettbewerbsregeln des UWG und GWB besondere Verhaltenspflichten zur Vermeidung unlauterer Verquickung geschäftlicher Handlungen mit publizistischer Aufgabenerfül­ lung. Das wirtschaftsliberale Konzept der Europäischen Union zielt mit eigen­ ständiger Begrifflichkeit durch seine Wettbewerbsregeln und die flankieren­ den Beihilfe- und Vergabevorschriften auf die Sicherstellung der Gemein­ wohlbelange durch „öffentliche Unternehmen“ mittels fairer, diskriminie­ rungsfreier und die Grundfreiheiten sichernder transparenter Regelungen für publizistische Marktteilnahme und modifiziert damit in seinem Geltungsbe­ reich das demokratisch-partizipatorische Daseinsvorsorgekonzept des Kom­ munalrechts. Einerseits fördert Unionsrecht Privatisierungsbestrebungen kommunaler Unternehmenstätigkeit und begrenzt mit seinen Beihilfe- und Vergaberegelungen die Einwirkungsbefugnisse ihrer Träger. Andererseits kann es auch zu einer Rekommunalisierung von Aufgaben beitragen, wie das Beispiel des Rechtsrahmens für den Öffentlichen Personennahverkehr zeigt. Kapitel 3 untersucht die Entscheidungskriterien zur Rechtsformwahl und geeignete Steuerungsinstrumente zur Sicherung der Publizität bei Ausglie­ derung und Deregulierung durch Privatisierungs- und Liberalisierungsvorha­ ben der Kommune und bietet hierfür Lösungsansätze zur Vermeidung von Zielkonflikten. Die sog. Wahlfreiheit der Kommunen bei Organisations- und Handlungsformen zur Erfüllung von kommunalen Selbstverwaltungsaufga­ ben ist auf ihre Eignung zur Gewährleistung ausreichender Publizität vor allem bei privatrechtlich organisierten Unternehmen zu überprüfen. Da jede Rechtsform der Aufgabenerfüllung zu dienen hat, kommt einer aufgaben­ adäquaten Rechtsformwahl unter den Gesichtspunkten des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips wesentliche Bedeutung für die Rechtmäßigkeit des auszuübenden Auswahlermessens der Kommune zu.

34

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

In Kapitel 4 werden die Anforderungen an die Informationsbeschaffung und an die Legitimationskette zur Gewährleistung von Publizität bei der Einwirkung der Kommune auf Unternehmensorgane durch Weisungen oder andere Steuerungs- und Kontrollinstrumente untersucht. Durch Dezentrali­ sierung von Verwaltungsaufgaben und deren Wahrnehmung in verselbststän­ digten Organisationseinheiten, juristischen Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, sowie durch partielle oder gar vollständige Aufgaben­ verlagerung auf Private findet eine Publizitätsbeschränkung bis hin zum Publizitätsverzicht und damit verbunden auch ein „Informationsexport“ mit Informationsprivatisierung statt. Dagegen verbleibt die Aufgabenverantwor­ tung gegenüber dem Souverän bei der Kommune mit nur noch einge­ schränkter Informationshoheit. Es bedarf deshalb geeigneter Instrumente zur ausreichenden Informations­ gewinnung und -verarbeitung, zur effektiven Wahrnehmung der Steuerungs­ pflichten des demokratisch legitimierten Aufgabenträgers sowie von Kon­ troll- und Überwachungsbefugnissen gegenüber dezentralisierten und teilpri­ vatisierten Organisationseinheiten. In der Informationsgesellschaft kommt der Verfügbarkeit der bei öffentli­ chen Unternehmen konzentrierten Informationen als Handlungs- und Steue­ rungsressource für die Kommunen zur Wahrnehmung ihrer Daseinsvorsor­ geaufgaben gesteigerte Bedeutung zu. Für die Unternehmensorgane sind deshalb Grundlagen und Reichweite von Verschwiegenheitspflichten zu untersuchen, die sie im Unternehmensinteresse zu wahren haben. Wer auf Seiten des kommunalen Aufgabenträgers zulässiger Adressat von Informa­ tionen sein darf, ist in diesem Kontext zu erörtern. Die damit zusammen­ hängenden Rechtsfragen stehen nicht nur bei den kommunalen Eigenunter­ nehmen, sondern vor allem bei der Steuerung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen des Privatrechts im Vordergrund. Der Einfluss privater Mitge­ sellschafter auf das Unternehmensinteresse kann hierbei ebenso wie bei mitbestimmten Unternehmen sowie kommunalen Konzernen mit privater Beteiligung und PPP-Modellen der Erfüllung des öffentlichen Zwecks ent­ gegenwirken. Kapitel 5 behandelt schließlich die Publizität kommunaler Unternehmen in Bezug auf die Gesellschaft allgemein mit Publizitätspflichten ihrer Orga­ ne und einem geeigneten Informationsmanagement gegenüber Informations­ ansprüchen gesellschaftlicher Gruppen sowie die Einflussnahme der Wahl­ bürger durch kollektive und ggf. individuelle Rechte auf die Sicherstellung einer wirksamen Ausübung von Einwirkungs- und Kontrollpflichten durch die Trägerkommune. Hierbei wird den Informationsansprüchen von Mitgliedern der Beleg­ schaft, von Fraktionen und Wählergruppen in kommunalen Vertretungsorga­



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe35

nen sowie den Auskunftsansprüchen der Medien gegenüber kommunalen Unternehmen und den Trägerkommunen nach den Landespressegesetzen nachgegangen. Mit dem Begriff des Informationsverwaltungsrechts verbin­ den sich auch subjektive Informationszugangsrechte für die von den Ent­ scheidungen der Kommune und deren Unternehmen berührten Bürger. Ne­ ben den Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetzen der meisten Bun­ desländer sowie einzelner kommunaler Informationsfreiheits-Satzungen werden auch die verfassungsrechtlichen Grundlagen von allgemeinen Infor­ mationszugangsrechten der Bürger und sektorale Informationsansprüche der Nutzer von Dienstleistungen bzw. Kunden kommunaler Unternehmen im Umwelt- und Verbraucherschutz betrachtet. Die Untersuchung widmet sich schließlich der bisher, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Literatur nicht bzw. nur ansatzweise thematisierten Frage, ob ein Wahlbürger aus dem vom Bundesverfassungsgericht entwi­ ckelten grundrechtsähnlichen „Anspruch auf Demokratie“ gegenüber dem kommunalen Aufgabenträger die Gewährleistung angemessenen kommuna­ len Einflusses bereits bei der Errichtung von und der Beteiligung an kom­ munalen Unternehmen einfordern kann. Ob und ggf. unter welchen Voraus­ setzungen er bei bestehenden Unternehmen auch einen Anspruch auf effek­ tive Wahrnehmung der Ingerenz- und Kontrollpflichten durch den Aufga­ benträger gegenüber den verselbstständigten Organisationseinheiten oder deren Organen besitzt, wird abschließend geprüft. In Kapitel 6 werden die wesentlichen Ergebnisse der Bearbeitung zusam­ mengefasst.

B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe I. Publizität, Information und Transparenz Publizität hat Information zur Voraussetzung und Transparenz zum Ziel. Gemeinwohlorientierte Publizität als Teil eines gesetzesgebundenen Wer­ tesystems steht im Gegensatz zu rechtsneutralem Effizienzdenken im Dienst von Profitabilität, Machbarkeit und Ergebnisorientierung. In diesem Span­ nungsverhältnis bewegt sich auch eine Kommune bei wirtschaftlicher Betä­ tigung als dem Souverän verpflichteter kompetenzgebundener Hoheitsträger, der sich zugleich als Marktteilnehmer dem von Autonomie geprägten Regu­ lierungsregime des Unternehmensrechts unterwirft. Dieses Spannungsver­ hältnis ist mit Regeln des Rechts und nicht mit Mechanismen des Marktes zu lösen.

36

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

1. Die mehrdeutigen Inhalte des Publizitätsbegriffs Die präzise Inhaltsbestimmung des Begriffs „Publizität“ begegnet nicht nur mit dem deutschen Wort „Öffentlichkeit“, das sich im ausgehenden 19. Jahrhundert als Übersetzung des französischen „publicité“ etabliert hat, augenscheinlichen Schwierigkeiten. Im Englischen wird der Begriff häufig mit „publicity“ oder „public sphere“ übersetzt. Er bringt damit – alltags­ sprachlich durch einen Bedeutungswandel im Bereich von Werbung, Mar­ keting oder Medien überlagert1 – eine zentrale Bedeutung der modernen Idee der „Öffentlichkeit“ zum Verschwinden, nämlich, dass sie nicht nur eine Kategorie,2 sondern vor allem auch ein Prinzip gesellschaftlicher Or­ ganisation bezeichnet und damit einen zentralen Modus ihrer Organisation und Konstitution bildet.3 „Öffentlichkeit“ und „öffentlich“ in diesem Sinne sind rechtliche Schlüsselbegriffe,4 die für den bürgerlichen Verfassungsstaat so zentral sind, dass sich an ihnen auch der strukturelle Wandel der Gesell­ schaft explizieren lässt.5 Als Rechtsprinzip ist Publizität, wie es dem Wesen von Prinzipien entspricht, grundsätzlich abwägungsfähig und abwägungsbe­ dürftig.6 Bei einander widersprechenden Prinzipien ist nicht etwa eines 1  Zur rechtlichen Relevanz auch dieses Begriffsinhalts vgl. BVerfG v. 02.03.1977, 2 BvE 1 / 76, BVerfGE 44, 125, 147: Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung vor Bundestagswahlen mit abw. Meinung der Richter Dr. Geiger und Hirsch, 167 ff.: Verfassungswidrige „Wahlwerbung“ sowie Dr. Rottmann, 181 ff., 191: „Reklamever­ öffentlichungen“; vgl. auch: BVerfG v. 23.02.1983, 2 BvR 1765 / 82, BVerfGE 63, 230, Ls. 2 und 242 f. 2  Die Kategorien „öffentlich“ und „privat“ gehen auf den griechischen Stadtstaat der Antike zurück, in dem die Sphäre der jedem Bürger frei zugänglichen Polis von dem „oikos“, der Hausgemeinschaft als Mittelpunkt des Lebens, die jedem freien Bürger zu eigen war, streng getrennt wurde. Vgl. Söhner, Entwicklung der Massen­ medien und Strukturwandel der medialen Öffentlichkeit bei Habermas, http: /  / www. grin.com / de / e-book / 77715 / entwicklung-der-massenmedien-und-strukturwandel-dermedialen-oeffentlichkeit, 17.08.2012, 7. 3  Novotny, Die Bedingung des Öffentlich-Werdens, http: /  / eipcp.net / transversal /  1203 / nowotny / de, 08.08.2012, 1. 4  Smend, Staat und Kirche nach dem Bonner Grundgesetz 1951, 13, zitiert nach Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff 1969, 17: „Öffentlich ist das, was in die den modernen Staat rechtfertigende Fülle seines Sinns … und damit zugleich in den Bereich irgendwelchen bestimmenden oder doch billigenden Anteils des Volks an diesem Sinngehalt gehört, damit auch von Rechts wegen einen bestimmten Gel­ tungsanspruch hat.“ 5  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit 2. Aufl. 1965, 61 f. 6  Koch, Die normtheoretische Basis der Abwägung, in: Erbguth (Hg.), Abwägung im Recht: Symposium und Verabschiedung von Werner Hoppe am 30. Juni 1995 in Münster aus Anlaß seiner Emeritierung, 1996, 9, 17. Dadurch unterscheiden sich Prinzipien nach Alexy, Theorie der Grundrechte 1. Aufl. 1986 in Anlehnung an Dworkin, Taking rights seriously 2013, 58 von Rechtsregeln. Das Demokratieprinzip



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe37

gültig und das andere ungültig, sondern für die Entscheidung ist das „rela­ tive Gewicht“ des jeweiligen Prinzips maßgeblich.7 „Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, desto größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein.“8 Einen bedeutenden Beitrag zur Interpretation des Begriffs „öffentlich“ stellt die Arbeit von Wolfgang Martens dar.9 Er leitet den Begriff „öffent­ lich“ aus dem allgemeinen Sprachgebrauch her, der ihn seit dem 18. Jahr­ hundert unverändert als Gegensatz zu „geheim“, in der Eigenschaft als „allgemein zugänglich“ definiert. Damit bildet er zugleich das Gegenstück zu „privat“ im Sinne einer Beziehung auf Viele oder das ganze Publikum und auch bezogen auf eine große bürgerliche Gesellschaft, eine Gemeinde, ein Land, den Staat betreffend und davon ausgehend.10 Der Rückgriff auf die Allgemeinsprache liefert jedoch zwei wichtige Er­ kenntnisse: Erstens, dass das Wort „öffentlich“ mehrdeutig ist und keinen einheitlichen und feststehenden Sinngehalt besitzt. Diese Mehrdeutigkeit beruht, wie sich zeigen wird, auf seiner besonderen sprachgeschichtlichen Entwicklung. Zweitens, die Erkenntnis von der Unbestimmtheit des Aus­ drucks, der zwar einen festen Vorstellungskern besitzt, aber gegen die Rän­ der hin von einem immer mehr zerfließenden Vorstellungshof umgeben ist.11 a) Die sprachgeschichtliche Entwicklung des Publizitätsbegriffs Schon das lateinische Wort „publicus“ als von „populus“, dem deutschen Wort „Volk“, abgeleitetes Adjektiv12 besitzt keine einheitliche und festste­ hende Bedeutung. Den rechtlich wichtigsten „populus“-Begriff stellt die des Grundgesetzes allerdings erklärt das BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 343, für nicht abwägungsfähig, sondern im Hin­ blick auf die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar (vgl. auch BVerfG v. 12.10.1993, 2 BvR 2134 / 92 u. a., BVerfGE 89, 155, 182). 7  Schuppert, Gemeinwohldefinition im pluralistischen Verfassungsstaat, GewArch 2004, 441, 446. 8  Alexy (Fußn. 6), 146. 9  Mayer, Rezension der Habilitationsschrift von Wolfgang Martens, DVBl 1970, 334. 10  Martens (Fußn. 4), 22 m. w. N. in Fußn. 46. 11  Martens (Fußn. 4), 23, Fußn. 49 unter Bezugnahme auf Heck, Gesetzesausle­ gung und Interessenjurisprudenz, Archiv für die civilistische Praxis Bd. 112, um ein Register erweitert, 24, 36 f. 12  Vgl. die altlateinischen Formen populicus, poblicus: Stark, „Res publica“, In­ augural-Dissertation 1937, 17 ff.; Meyer, Römischer Staat und Staatsgedanke. (Zwei­ te durchgesehene und ergänzte Auflage) 1961, 516.

38

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Bürgerschaft im Sinne der Gesamtheit der Vollfreien13, „populus Romanus“ als die offizielle Bezeichnung für das römische Gemeinwesen14, dar.15 Wenn nun „publicus“ mit „staatlich“ übersetzt wird, so bleibt damit ein folgenreicher Bedeutungswandel verborgen, der sich in nach-republikani­ scher Zeit Roms unter der Bezeichnung „curator rei publicae“16 vollzogen hat.17 Die „res populi“ ist zur „res imperantis“ geworden.18 Der Kaiser hat das Volk verdrängt,19 „res publica“ und Herrscher sind nun identisch.20 Die „utilitas (necessitas, salus) publica“ wird in späterer Zeit zur Motivation und Legitimation im Namen der Staatsräson erhoben.21 Die Gegenbegriffe zu „publicus“ in diesem Bedeutungszusammenhang bilden die Ausdrücke „privatus“, „res privata“, „ius privatum“, „utilitas privata“, „usus privatus“. Sie kennzeichnen damit die Zugehörigkeit zum Individuum in Bezug auf die Sphäre von Haus und Familie, und damit den Bereich, der vom „dominium“ und der „patria potestas“ beherrscht wird.22 „Privatus“ heißt jetzt einerseits jeder, der nicht Kaiser ist, während der Bereich der Privatautonomie seine Konturen verliert und man beginnt, „uti­ litas publica“ neuer Prägung und „utilitas privata“ als Maßstab für die Ab­ grenzung von „ius publicum“ und „ius privatum“ zu verwenden.23 In einer weiteren Bedeutung bleibt der Wortsinn von „publicus“ allerdings stets unverändert, und zwar in dem Komplex, in dem er sich auf die einzel­ nen Mitglieder des populus in ihrer natürlichen Existenz bezieht, nämlich dem „usus publicus“, insbesondere bei „res publica in uso publico“.24 13  Martens (Fußn.  4), 26, Fußn.  70: Eingehend dazu Lübtow, Das römische Volk 1955, 469 ff. 14  Suerbaum, Vom Antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff 1961, 3, m. w. N. in Fußn. 10. 15  Martens (Fußn.  4), 27, Fußn.  74: Neben oder über diesem Personenverband gibt es kein abstraktes Gebilde „Staat“ mit eigener Rechtspersönlichkeit: vgl. Cicero, De re publica 2. Aufl. 1960, 1, 39, (Ausgabe Büchner) 126: „Est igitur res pu­ blica res populi. populus autem non omnis hominum coetus quoquo modo congre­ gatus, sed coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione sociatus.“ 16  Suerbaum (Fußn. 14), 71 ff. passim. 17  Martens (Fußn. 4), 28. 18  Jellinek, Allgemeine Staatslehre 3. Aufl. 1960, 130. 19  Martens (Fußn. 4), 28. 20  Lübtow (Fußn. 13), 471. 21  Martens (Fußn. 4), 29: Steinwenter, Utilitas publica – utilitas singulorum, Fest­ schrift Paul Koschaker I. Bd. 1939, 84 ff., 93–96, 97 f. 22  Martens (Fußn.  4), 29, Fußn.  98: Meyer (Fußn. 12), 257 ff. 23  Martens (Fußn.  4), 30, Fußn.  100: Lübtow (Fußn. 13), 619, 622. 24  Martens (Fußn.  4), 29: Fußn.  92: Savigny, System des heutigen Römischen Rechts / Friedrich Carl von Savigny. Bd. 1–8 1840, 60.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe39

Als das Wort „publicus“ in den germanisch-deutschen Rechtsraum ein­ dringt, werden römischrechtliche Begriffe im Gefolge der lateinischen Ter­ minologie der Rechtsaufzeichnungen der fränkischen Zeit mit genuin deut­ schen Rechtsvorstellungen einfach in die fremde Sprache übersetzt. „Man schreibt zwar lateinisch, aber man denkt deutsch.“25 „Öffentlich“ ist etymologisch eine Weiterbildung des Adjektivs „offen“, wie seine alt- und mittelhochdeutschen Formen „offanlich“ und „offenlich“ bezeugen.26 Dieser Herkunft verdankt der Ausdruck auch seinen ursprüng­ lichen Sinngehalt in der Allgemein- wie in der Rechtssprache. Viele Jahr­ hunderte lang verwenden ihn die Rechtsquellen vor allem zur Bezeichnung eines Offenseins von Zuständen und Vorgängen in der Weise, dass sie für eine Mehrheit, d. h. eine beliebige Anzahl unbeteiligter Personen, wahr­ nehmbar oder zugänglich sind.27 In dieser Primärbedeutung und mit der ihm eigentümlichen Ambivalenz hat der Begriff „öffentlich“ auch Eingang in die Rechtssprache der Gegenwart gefunden.28 Im Verlauf seiner sprachgeschichtlichen Entwicklung nimmt das Wort „öffentlich“ auch in der Allgemeinsprache als Ergebnis eines Sprachwandels jedoch neue Begriffe in sich auf. „Öffentlich“ tritt an die Seite und sogar an die Stelle des Begriffs „gemein“, der bevorzugt zur Übersetzung des ebenfalls mehrdeutigen lateinischen Wortes „publicus“ verwendet wird und in dessen Rolle der Begriff „öffentlich“ bei der Eindeutschung von „publi­ cus“ eintritt.29 Die Glossen geben die deutschrechtlichen Begriffe, die mit „publicus“ verbunden sind, in zweifacher Hinsicht wieder, nämlich einerseits als Eigen­ schaft, zugänglich bzw. nicht geheim („liutlih“, „offinpare“30) zu sein, an­ dererseits auf den König hinweisend („chuniglich“), also der herrscherlichen Sphäre31 zugehörig. Damit ist der Begriff „publicus“ nicht in seiner ur­ sprünglichen, sondern in der spätantiken Bedeutung in das Mittelalter tra­ diert worden.32 Während das Wort „publicus“ im Verlauf der Rezeption zunächst in der Übersetzung als Begriff für „gemein“ in den deutschen Rechtskreis einge­ 25  Martens

(Fußn. 4), 30, Fußn. 102 m. w. N. (Fußn. 4), 24, Fußn. 51 m. w. N. 27  Martens (Fußn. 4), 24 und Fußn. 53 m. w. N. 28  Martens (Fußn. 4), 25. 29  Martens (Fußn. 4), 25. 30  Kirchner, Beiträge zur Geschichte der Entstehung der Begriffe „öffentlich“ und „öffentliches Recht“ 1950, 22. 31  Schlesinger, Herrschaft und Gefolgschaft in der germanisch-deutschen Verfas­ sungsgeschichte, Herrschaft und Staat im Mittelalter, 186. 32  Martens (Fußn. 4), 31. 26  Martens

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

drungen ist, wird es im 16. Jahrhundert vereinzelt für „gemein öffentlich“33 benutzt. Erst seit Beginn des 18. Jahrhunderts tritt das Wort „öffentlich“ gleichberechtigt mit „gemein“ auf und wird schließlich allein als Überset­ zung für „publicus“ verwendet, wie sich am Beispiel des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (ALR) von 1794 zeigt,34 das im Hinblick auf seinen Wortschatz als Summe der deutschsprachlichen juristi­ schen Terminologie des 18. Jahrhundert gelten darf.35 „Öffentlich“ meint auch hier zunächst wieder die Eigenschaft tatsäch­ lichen Offenseins im Sinne von Zugänglichkeit, Wahrnehmbarkeit für eine Mehrheit unbestimmter Personen, nämlich das „Publikum“. Das ALR ver­ wendet „öffentlich“ allerdings auch noch in einem weiteren Zusammen­ hang, nämlich bei der Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und der Sicherheit des gemeinen Wesens.36 Damit erfasst der Terminus sowohl die Mitglieder der „bürgerlichen Gesellschaft“ in ihrer Gesamtheit als auch Einrichtungen der organisierten Staatlichkeit hinsicht­ lich ihres Bestandes und ihrer Funktionsfähigkeit.37 In anderen Zusammen­ hängen aber wird „öffentlich“ zum Prädikat für dasjenige, was von Rechts wegen in die staatliche Organisation, d. h., die Herrschaftsapparatur des Monarchen, eingefügt ist, in dem sich „alle Rechte und Pflichten des Staats … vereinigen“.38 Bis heute hat sich an diesen zum ALR dargestell­ ten unterschiedlichen Bedeutungen des Rechtswortes „öffentlich“ nichts geändert.39 Die damit hergestellte Kongruenz von „öffentlich“ und „staat­ lich“ ist, worauf Martens zu Recht hinweist, die weitaus wichtigste Bedeu­ tungserweiterung des Wortes überhaupt.40 Der eigentliche politische Gegenbegriff zum Prinzip der Öffentlichkeit war im feudalistischen Staat das „Geheimnis“, das bis ins 18. Jahrhundert als „durchaus anerkannte und notwendige Dimension politischen Handelns“41 galt. Es wurde zunächst als durch die secretarii verwaltetes secretum vom publicum getrennt, allerdings wurde dadurch der innere Zu­ sammenhang verfehlt, der das „Öffentliche“ und das „Geheime“ miteinan­ 33  Martens (Fußn.  4), 32, Fußn.  119: Nehring, Joh. Christoph Nehrings Histo­ risch-Politisch-Juristisches Lexicon 1710, 337. 34  Martens (Fußn. 4), 33. 35  Nachweise bei Thieme, Die preußische Kodifikation, Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abt., Bd. 57, 355, 402 f. 36  Martens (Fußn. 4), 35, Fußn. 141 m. w. N. 37  Martens (Fußn. 4), 35, Fußn. 147. 38  Martens (Fußn. 4), 34 m. w. N. in Fußn. 135. 39  Martens (Fußn. 4), 36. 40  Martens (Fußn. 4), 34. 41  Hölscher, Öffentlichkeit und Geheimnis 1979, 7.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe41

der verknüpft.42 Dieses historische Vorverständnis des absolutistischen Staates, der durch die Obrigkeit verkörpert wurde und bei dem die effek­ tive Macht bei den geheim tagenden Räten lag, prägte diese Sicht und wirkt im Bereich der Exekutive in der Vorstellung von der grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit der Verwaltung bis heute fort.43 „Erst nachdem sich in Deutschland im 18. Jahrhundert eine zunächst li­ terarisch kommunizierende bürgerliche Elite herausgebildet und begonnen hatte, ihre Teilnahme am politischen Leben einzufordern,44 wurden die etablierten Bedeutungen des Öffentlichen in einer neuen Begriffsschöpfung zusammengeführt. Der Begriff der politischen Öffentlichkeit, der kein An­ tonym aufweist, bezeichnete zunächst in einem abstrakten Sinne die offene, politisch homogene Kommunikation des freien Bürgertums, die als Medium zur Formung eines ersten kollektiven politischen Willens in der Gesellschaft fungierte und in der sich die staatliche Autorität rechtfertigen und kritisieren lassen musste.“45 Publizität staatlichen Handelns wird nun zum Inhalt einer Kardinalforde­ rung des aufstrebenden Bürgertums, begründet in dessen Misstrauen gegen die Arcanpraxis der absoluten Monarchie. Dem Prinzip der Geheimhaltung wird das Prinzip der Öffentlichkeit entgegengesetzt46. Diese konstitutive Abgrenzung des „Öffentlichen“ vom „Geheimen“ ist von historischer Trag­ weite47: Die Zurückdrängung der Zurschaustellung von Herrschaftsinsignien als „öffentliche Repräsentation von Herrschaft“ feudalistischen oder absolu­ tistischen Zuschnitts48 durch moderne Öffentlichkeit führt dazu, dass das publicum nicht mehr nur dem privatum gegenübersteht, sondern vor allem dem secretum.49

42  Novotny, Klandestine Öffentlichkeit, http: /  / eipcp.net / transversal / 0605 / nowot ny / de,1, zuletzt geprüft am 04.07.2014. 43  Seiler, Die (Nicht-)Öffentlichkeit in der Verwaltung, ZSchR 1992, 415, 421, 423. 44  Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung 1.  Aufl. 2000, 176, Fußn.  8: Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit 1962, 112 ff. 45  Scherzberg (Fußn. 44), 176. 46  Martens (Fußn.  4), 51, Fußn.  46: Vgl. auch: Schneider, Pressefreiheit und po­ litische Öffentlichkeit 1968, 55 ff. 47  Novotny, Klandestine Öffentlichkeit, http: /  / eipcp.net / transversal / 0605 / nowotny /  de,1, zuletzt geprüft am 4.07.2014. 48  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit 1. Aufl. 1990, 60. 49  Novotny, Klandestine Öffentlichkeit, http: /  / eipcp.net / transversal / 0605 / no wotny / de, 1, Fußn.  3 unter Bezugnahme auf den historischen Wandel der Figur des Sekretärs durch Siegert / Vogl, Europa 1. Aufl. 2003, zuletzt geprüft am 04.07. 2014.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Von Kant50 in den Rang eines ethischen und naturrechtlichen Grundsatzes erhoben und von Fichte51 als Satz der Logik ausgegeben, verbreitet sich die Idee in Gestalt der „transzendentalen Formel des öffentlichen Rechts“ rasch. Das Prinzip der Publizität gewinnt so eine zentrale Position in den Syste­ men der liberalen Staatstheoretiker.52 Dabei liefert die Vorstellung, Öffent­ lichkeit gewährleiste dem gebildeten und besitzenden Bürgertum, dessen Zugehörigkeit allein Vernünftigkeit und Richtigkeit verbürgt, Wahrheit und Gerechtigkeit, die eigentliche Rechtfertigung.53 Kant spricht von dem Prin­ zip der „Publizität“ im Zusammenhang des öffentlichen Rechts, das die „Einhelligkeit der Politik mit der Moral“ herstellen und gewährleisten soll. „Alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, deren Ma­ xime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“54 In der Kant’schen Formulierung des öffentlichen Rechts taucht der Begriff in einer doppelten Denkfigur auf: Zuerst scheint eine klare Trennlinie zu existieren, die das Öffentliche und damit das Rechtmäßige / Gerechte vom Geheimen und also Unrechtmäßigen / Ungerechten scheidet.55 In Kants Werk findet sich noch eine weitere Formulierung zum Begriff der „Öffentlichkeit“ als einem Prinzip politisch-sozialer Veränderung, das den Prozess der Aufklärung befördern soll. Dieser ist nicht auf das öffent­ liche Recht bezogen, sondern auf den „öffentlichen Vernunftgebrauch“, das „öffentliche Räsonnement“.56 Publizität wird hier verstanden als Volksauf­ klärung, d. h. „die öffentliche Belehrung des Volkes von seinen Pflichten und Rechten in Ansehung des Staates, dem es angehört.57 „So verhindert das Verbot der Publizität den Fortschritt eines Volkes zum Bessern selbst in dem, was das Mindeste seiner Forderung, nämlich bloß sein natürliches 50  Kant, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (1795), Anhang II., in: Weischedel (Hg.), Kant, Immanuel: Werke in zwölf Bänden. Band 11, 1977, 245 ff. 51  Fichte / Medicus, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschafts­ lehre 2. Aufl. 1922, 165. 52  Martens (Fußn. 4), 51 m. w. N. in Fußn. 49 und 50. 53  Martens (Fußn. 4), 52, Fußn. 52: vor allem Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege 1821–1825, 86 ff.; vgl. auch Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus 3. Aufl. 1961, 41 ff. 54  Kant (Fußn. 50), 245. 55  Novotny, Die Bedingung des Öffentlich-Werdens, http: /  / eipcp.net / transver sal / 1203 / nowotny / de, 2, zuletzt geprüft am 08.08.2012. 56  Novotny, Die Bedingung des Öffentlich-Werdens, http: /  / eipcp.net / transver sal / 1203 / nowotny / de, 4, und Fußn.  18: Kant (Fußn. 50), Bd. 9, 51–61, zuletzt ge­ prüft am 08.08.2012. 57  Novotny, Die Bedingung des Öffentlich-Werdens, http: /  / eipcp.net / transversal /  1203 / nowotny / de, 4, Fußn.  19, zuletzt geprüft am 08.08.2012.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe43

Recht angeht“.58 Kant hatte dem öffentlichen Räsonnement damit die Funk­ tion einer pragmatischen Wahrheitskontrolle zugeschrieben und einem Staat das Prädikat „öffentlich“ verweigert, dessen Entscheidungen sich nicht am „öffentlichen Willen“ orientieren, welches der „allgemeine (vereinigte) Volkswille sei“.59 Damit wurde das Öffentliche zu einem Mittel zur Ratio­ nalisierung von Herrschaft, als Sphäre einer sich selbst verwirklichenden Vernunft.60 In diesem Sinne ist „Öffentlichkeit“ bei Kant die Eröffnung eines poli­ tisch-sozialen Artikulationsraumes, ein Prozess des „Öffentlich-Werdens“, und insoweit auch ein soziales Organisationsprinzip des öffentlichen Le­ bens61 und damit der Gesellschaft. Bei der Diskussion der Konsequenzen, die aus dem Publizitätsprinzip für das Staatsrecht zu ziehen sind, taucht das Geheimnis ein zweites Mal auf. Bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Tyrannensturzes räumt Kant ein, dass das Prinzip der Publizität nicht mehr die Gerechtigkeit des Rechts, sondern vielmehr die Unbedingtheit seiner Durchsetzung und Erhaltung garantiert,62 denn „Nichts desto weniger ist es doch von den Untertanen im höchsten Grade unrecht, auf diese Art ihr Recht zu suchen …“63. Doch „allein das transzendentale Prinzip der Publizität des öffentlichen Rechts kann sich diese Weitläufigkeit ersparen.“64 Öffentlichkeit ist damit auch ein Mittel politischer Herrschaft, auf dessen Einsatz als unentbehrlichen Ordnungsfaktor, jedenfalls bei Geboten und Verboten, kein Gemeinwesen jemals hat verzichten können.65 Nach Kant 58  Eisler, Kant-Lexikon, http: /  / www.textlog.de / 32559.html, zuletzt geprüft am 30.04.2012: „Publizität“; Kant, Der Streit der Fakultäten, in: Giordanetti / Brandt (Hg.), Kant, Immanuel, 2005, Bd. V Abt. 4, 136 f. 59  Scherzberg (Fußn. 44), 176, Fußn. 14: Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, hrsg. Ludwig, Bernd, Werke, Bd. III, 2. Aufl. 1986, 120 f., II. Teil 311. 60  Scherzberg (Fußn. 44), 177 m. w. N. in Fußn. 16. 61  Novotny, Die Bedingung des Öffentlich-Werdens, http: /  / eipcp.net / transversal /  1203 / nowotny / de, 7, zuletzt geprüft am 08.08.2012. 62  Novotny, Die Bedingung des Öffentlich-Werdens, http: /  / eipcp.net / transversal /  1203 / nowotny / de, 5, zuletzt geprüft am 08.08.2012: Er sieht dadurch Kants ganze These vom „Prinzip der Publizität“ als Garant der Einhelligkeit von Politik und Moral durchkreuzt. Allerdings verweist er auf die These von Ahrendt, Das Urteilen: Texte zu Kants Politischer Philosophie 1998, 82, dass Kant nicht die Revolution, sondern den Staatsstreich als Alternative zur bestehenden Regierung im Auge hatte, der in der Tat im Geheimen vorbereitet zu werden pflegt, im Gegensatz zur Revo­ lution, die ihre Ziele öffentlich bekannt macht, um Teile der Bevölkerung dafür zu gewinnen. 63  Kant (Fußn. 50), 245. 64  Kant (Fußn. 50), 246. 65  Martens (Fußn. 4), 78, Fußn. 218 m. w. N.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

vollzieht sich die praktische Orientierung der Politik auch in einer Republik nach dem, was er „sophistische Maximen“ der „Staatsklugheit“ genannt hat. Er erkennt, dass diese „Misshelligkeit der Politik mit der Moral“ in einer als Vereinigung nach den Rechtsbegriffen der Freiheit und Gleichheit auf die moralischen Prinzipien der Universalität und Reziprozität gegründeten Republik nicht weiter bestehen kann und vielmehr jeder Akt der Politik nach dem Prinzip der Publizität in einer Republik der öffentlichen Beurtei­ lung ausgesetzt ist, ob er mit dem „Recht des Publikums in Eintracht“ stehe.66 Wenn sich jeder Akt der Politik eine Kontrolle des Publikums ge­ fallen lassen muss, wird eine optimale Publizität politischer Akte in einer Republik zur unentbehrlichen Voraussetzung für eine moralische Legitimie­ rung von Politik aus der Einheit des Interesses und Willens der Regierenden mit dem der Regierten.67 „Bei Kant wird Republik zum Schlüsselbegriff der Staatsphilosophie. Sie meint bei ihm im Kern einen (demokratischen) Rechtsstaat mit Elementen fundamentaler Grundrechte, Repräsentation und Gewaltenteilung.“68 Die dargestellten Grundbegriffe von „öffentlich“ durchziehen auch heute noch alle Rechtsgebiete. Martens69 hat anhand exemplarischer Bedeutungs­ sphären alle der Formel „öffentlich“ zugeordneten Rechtsinhaltsbegriffe von „öffentlich“ zu entwickeln versucht, ein Verfahren, das durchaus geeignet erscheint, die unterschiedlichen Begriffsinhalte zu erschließen. Neben „öf­ fentlich“ als sozialempirischem Begriff70 und dem Begriff „öffentlich“ als Ausdruck einer Beziehung auf den Staat und andere öffentliche Rechtssub­ jekte setzt er sich auch mit „öffentlich“ als Bestandteil von Wertbegriffen auseinander.71

66  Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: Benda / Maihofer / Vogel (Hg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Studien­ ausgabe, 1995, 485, 486. 67  Maihofer, Realität der Politik und Ethos der Republik 1990, 119 f. 68  Dreier / Bauer (Hg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 II 2. Aufl. 2006, Rdnr. 4 mit Fußn.  19: Kant, Die Metaphysik der Sitten 1902.  Aufl. 1797 /  / 1968, §  45, 49, 52 und Fußn.  21: Wie in der antiken Tradition und in Kontrast zur französischen Entwicklung ist für Kant nicht Monarchie, sondern Despotie der systembildende Gegenbegriff: Der Regierungsart nach kann auch eine Monarchie oder Aristokratie republikanisch sein (vgl. Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden (1795), hrsg. v. Karl Vorländer, 1964, S. 115 ff., 128 ff. 69  Martens (Fußn. 4), 41. 70  Mit den Methoden der Empirie (griech. empeiria = Erfahrung) versucht Martens anhand der Allgemein- und der Rechtssprache die unterschiedlichen Sinngehal­ te der Begriffe „öffentlich“ und „Öffentlichkeit“ durch repräsentative Beispiele zu erkunden, zu analysieren und zu interpretieren. 71  Mayer (Fußn. 9), 334.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe45

b) Die unterschiedlichen Inhalte des Publizitätsbegriffs der Gegenwart aa) Öffentlichkeit als Synonym für Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit Die etymologische Abstammung von „offen“ prägt bis in die Gegenwart eine der Bedeutungen des Wortes „öffentlich“, und zwar sowohl in der Allgemeinsprache als auch in der Rechtssprache. In diesem Sinne bezeich­ net „öffentlich“, aber auch das Substantiv „Öffentlichkeit“ nichts anderes als eine „ganz spezifische Relation zwischen Gegenständen im weitesten Sinn und einer unbestimmten Mehrheit von Personen, und zwar die Eigen­ schaft jener Gegenstände, für diese Personen offen, d. h., entweder tatsäch­ lich zugänglich oder sinnlich wahrnehmbar zu sein“.72 „Öffentlich“, bezogen auf eine offene Personenmehrheit, stellt damit einen rein deskriptiven Begriff73 dar. Dies gilt auch für das Substantiv „Öffentlichkeit“, das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Ersatzwort für „Publizität“ aus dem Adjektiv gebildet worden ist74 und zunächst auch nur einen Zustand der Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit bezeichnet.75 In allen sozialwissenschaftlichen Disziplinen wird in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur die Eigenschaft unbe­ schränkter Wahrnehmbarkeit und Zugänglichkeit, sondern auch der Adressatenkreis, auf den sie sich bezieht, „Öffentlichkeit“, gleichbedeutend mit „Publikum“ genannt.76 „Öffentlichkeit“ erscheint damit als Ersatzwort für „Publizität“ und für „Publikum“.77 Gerade die Unbestimmtheit des Perso­ nenkreises, die personelle Offenheit, kennzeichnet das „Publikum“, wie et­

72  Martens

(Fußn. 4), 42. (Fußn. 4), 43, Fußn. 6; vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen von Engisch, Die normativen Tatbestandselemente im Strafrecht, in: Mezger / En­ gisch / Maurach / Bockelmann (Hg.), Festschrift für Edmund Mezger, Zum 70. Ge­ burtstag, 1954, 127, 143. 74  Martens (Fußn. 4), 44, Fußn. 12 m. w. N. 75  Martens (Fußn. 4), 45 mit Fußn. 21: Als Beispiel für die Erforderlichkeit einer klaren Begriffsbildung und Abgrenzung der deskriptiven „Öffentlichkeit“ nennt Martens öffentliche Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, bei denen der Begriff „öf­ fentlich“ eindeutig und ausschließlich im Sinne einer „Benutzbarkeit der betreffen­ den Einrichtungen für einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis“ gemeint sei. In dieser Bedeutung ist der Begriff „öffentlich“ aber abzugrenzen gegenüber denjenigen „öffentlichen“ Unternehmen, die Aufgaben der Daseinsvorsorge und da­ mit hoheitliche Aufgaben für Verwaltungsträger erfüllen. 76  Martens (Fußn. 4), 45. 77  Martens (Fußn. 4), 46. 73  Martens

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

wa Besucher öffentlicher Veranstaltungen, Passanten und wie dies beispiel­ haft auch die Definition für „Öffentlichkeit“ im Urheberrechtsgesetz78 zeigt. Auf der rein formalen Kategorie der „Öffentlichkeit“ als unbeschränkter Wahrnehmbarkeit und Zugänglichkeit beruhen auch die der Publizität unter­ liegenden Daten des Grundbuchs sowie des Handelsregisters. Damit soll die Sicherheit im Rechtsverkehr erhöht werden79, etwa durch die Wirkung des „öffentlichen Glaubens“ des Grundbuchs für gutgläubige Dritte oder durch einen den Teilnehmern des Geschäftsverkehrs gewährten Vertrauensschutz80 hinsichtlich eintragungspflichtiger Tatsachen zum Handelsregister, selbst wenn diese unrichtig sind, es sei denn der Dritte kannte diese Unrichtig­ keit.81 Auch die Unternehmen auferlegte Verpflichtung zu öffentlicher Bekannt­ machung ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse mit der Publi­ zität von Jahresbilanz, Jahresabschluss und Geschäftsbericht, insbesondere im Aktienrecht, beruht auf dieser Grundbedeutung. Sie dient der Rech­ nungslegung gegenüber den Anteilseignern, damit diese mit den erforderli­ chen Informationen ihrer Kontrollpflicht nachkommen können, aber auch dem Schutz von Investoren und Gläubigern des Unternehmens82. Daneben können die Informationen auch der Wirtschaftspolitik dienstbar gemacht werden83 und insbesondere im Kartellrecht den Marktpartnern ausreichende Transparenz für die eigene Geschäftspolitik liefern sowie den Kartellbehör­ den die Wahrnehmung ihrer Aufsichtsbefugnisse erleichtern.84 Bei den anerkannten Wettbewerbsregeln von Wirtschafts- und Berufsver­ bänden85 wird man die Publizität darüber hinaus als Instrument präventiver 78  Vgl. § 15 Abs. 3 UrhG vom 09. September 1965 (BGBl I S. 1273), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S.  3044): „Die Wiederga­ be ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.“ 79  Martens (Fußn. 4), 55. 80  Wamser, in: Henssler / Strohn (Hg.), Gesellschaftsrecht, 2011, §§  8–37 a HGB, Rdnr. 9. 81  Vgl. § 15 Abs. 3 HGB. 82  Martens (Fußn. 4), 55, Fußn. 80 m. w. N. 83  Martens (Fußn.  4), 56, Fußn.  87: Kaiser, Die Wahrnehmung öffentlicher Pub­ lizitätsinteressen 1962, 99, 102 ff. 84  Martens (Fußn. 4), 57, Fußn. 90 m. w. N. 85  Vgl. § 27 Abs. 1 GWB in der Fassung vom 15. Juli 2005 (BGBl. I S. 2114; 2009, I S. 3850), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044).



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe47

Rechtmäßigkeitskontrolle ansehen müssen und die Öffentlichkeit dürfte auch die psychologische Wirkung der Regeln auf die Wettbewerber ver­ stärken.86 In einer weiteren Dimension entfaltet sich die Variabilität von „Öffent­ lichkeit“ in einem Bereich des „öffentlichen Lebens“, der sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes dahingehend abgren­ zen lässt, dass ihm die für die Privatsphäre charakteristischen Merkmale der Abgeschlossenheit gegenüber Außenstehenden fehlen.87 In diesem Zusam­ menhang ist „öffentlich“ als Gegenbegriff zu „privat“ zu verstehen. Schon aus diesen wenigen Beispielen von Publizität in der Grundbedeu­ tung von Offenheit, Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit wird die Vielfalt und Heterogenität von gesetzlichen Publizitätsgeboten, von Publizitätsobjek­ ten, Publizitätsfunktionen und Publizitätsadressaten deutlich. Publizität ist ein vielfach verwendbares Rechtsinstitut, das sich nicht auf einen einheitli­ chen Grundgedanken zurückführen lässt, sondern stets dem jeweiligen Sachzusammenhang verhaftet bleibt88. Sie kann den verschiedenartigsten Zwecken dienen und gestattet damit auch nicht die Bildung einer Publizi­ täts-Typologie, sondern muss stets sachbezogen auf die konkrete Problem­ lage erörtert werden89. bb) Publizität in Bezug auf den Staat und andere öffentliche Rechtssubjekte Ebenso vielfältig wie die Gegenstände, an deren Öffentlichkeit angeknüpft wird, sind die Rechtsfolgen und die Rollen des jeweiligen Publikums. Hier­ bei geht es um die rechtliche Erheblichkeit der Öffentlichkeit. Je kompli­ zierter, undurchsichtiger und anonymer die zwischenmenschlichen Bezie­ hungen wie die Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse in Staat und Gesellschaft werden, umso stärker macht sich in allen Sozialbereichen das Bedürfnis nach erzwingbarer Transparenz geltend. Publizität als Rechtsge­ bot ist deshalb auch das dominierende Thema der wissenschaftlichen Dis­ kussion um den sozialempirischen Begriff von „öffentlich“.90 Die in diesem Zusammenhang erörterten Rechtsbegriffe zu „öffentlich“ sind nicht auf die Grundbedeutung „offen“ zurückzuführen, sondern sie haben als Ergebnis eines sprachgeschichtlichen Prozesses das Wort „ge­ 86  Martens

(Fußn. 4), (Fußn. 4), 88  Martens (Fußn. 4), 89  Martens (Fußn. 4), 90  Martens (Fußn. 4), 87  Martens

57, Fußn. 93. 49 m. w. N. in Fußn. 40 und 42. 54. 59 m. w. N. in Fußn. 100. 50.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

mein“ teilweise abgelöst und damit zugleich dessen Rolle bei der Überset­ zung des lateinischen Begriffs „publicus“ übernommen, das seit dem 18. Jahrhundert auch im Sinne von „staatlich“ gebraucht wird.91 (1) Publizität als Ausdruck für das Sonderrecht des Staates Ausdruck einer Beziehung auf den Staat und andere öffentliche Rechts­ subjekte sind insbesondere die Begriffe „öffentliche Gewalt“ und „öffent­ liches Recht“. Die „res publica“, die sich etymologisch von „populus“ ableitet,92 ist im Gegensatz zur absoluten Monarchie gerade dadurch gekennzeichnet, dass das Staatliche öffentlich ist, dass der Staat dem Volk gehört.93 Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich dieses Postulat in den meisten europäischen Staaten auf zwei Gebieten durch, nämlich einerseits für die Gerichtsbarkeit, andererseits für die Gesetzgebung, wo vor allem in Deutschland die Öffent­ lichkeit der parlamentarischen Gesetzesberatung eingeführt wurde94. Zeichnet man die historischen Entwicklungslinien des „Hoheitlichen“ nach, so gehen mit der Ablösung der Landeshoheit durch die als unteilbare Einheit aufgefasste Staatsgewalt allmählich und schrittweise die Hoheitsrechte in die­ ser auf.95 Etwa gleichzeitig mit der Entstehung der Staatsgewalt wird die Un­ terscheidung von „Öffentlichem Recht“ oder „Staatsrecht“ von privatem Recht praktisch bedeutsam,96 weil die öffentlich-rechtliche Natur einer Strei­ tigkeit zum Ausschluss des Rechtsweges führt97. Hoheitliches und öffentlichrechtliches Handeln erscheinen als Synonyma für die Ausübung von Staatsge­ walt98. „Die rechtliche Äußerung der Staatsgewalt ist das Herrschen.“99 Mit dem Auffassungswandel, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Ausübung staatlicher Hoheitsrechte nicht nur in der Entfaltung staatlichen 91  Martens

(Fußn. 4), 81. Fußn. 12. 93  Seiler (Fußn. 43), 423. 94  Art. 79 der preußischen Verfassung von 1850, vgl. Seiler (Fußn. 43), 421, Fußn. 26. 95  Martens (Fußn. 4), 86, Fußn. 34 m. w. N. und Fußn. 35. 96  Martens (Fußn. 4), 86, Fußn. 37 m. w. N.; Öffentliches Recht als „ius publi­ cum“ umfasst … nach Weiss, System des deutschen Staatsrechts 1843, 3 ff. „die auf die Staatsverbindung bezüglichen wechselseitigen Rechte der Staatsgewalt und der Unterthanen …“. 97  Martens (Fußn. 4), 87, Fußn. 42. 98  Martens (Fußn. 4), 88. 99  Martens (Fußn. 4), 88, Fußn. 45 unter Bezugnahme auf Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts 1865, 21 f. 92  Vgl.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe49

Zwangs, sondern auch in Akten staatlichen Schutzes und staatlicher Fürsor­ ge sieht, wird als Betätigung öffentlicher Gewalt jene Amtsausübung ange­ sehen, die sich nicht als Wahrnehmung privatrechtlicher Interessen des Staates darstellt100 und von Walter Jellinek mit dem Begriff der „schlichten Hoheitsverwaltung“101 als Sammelbegriff102 umschrieben worden ist. Damit ist auch die Subordinationstheorie für die Abgrenzung des öffent­ lichen vom privaten Recht fragwürdig geworden.103 Stattdessen ist öffentliches Recht als das Sonderrecht des Staates anzuse­ hen, d. h. der Inbegriff derjenigen Rechtssätze, deren Zuordnungssubjekt ausschließlich der Staat oder ein sonstiger Träger hoheitlicher (öffentlicher) Gewalt ist, oder der Tatbestände verwirklicht, die so nur von ihm verwirk­ licht werden können.104 Durch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Schöpfung der Rechtstheorie,105 die mit der Körperschaft, Anstalt und Stiftung des öffentlichen Rechts106 einen numerus clausus bilden, wird das ursprünglich dem Staat vorbehaltene Sonderrecht auf selbstständige Rechtsträger außerhalb der unmittelbaren Staatsorganisation erstreckt. Da­ mit kommen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als „Träger öffentlicher Gewalt“ in Betracht, eine Kompetenz, die der Staat ihnen zu­ teilen muss.107 Sie werden damit Teil des Staates. Für Privatrechtssubjekte, die nicht als Private in das öffentlich-rechtliche Organisationsgefüge eingebunden sind, kann Ansatzpunkt für die Anwen­ dung der Prinzipien des öffentlichen Sonderrechts die Wahrnehmung „öf­ fentlicher Aufgaben“ sein. Die einer Aufgabe zugeschriebene „Öffentlich­ keit“ ist jedoch solange juristisch irrelevant, als sie nicht in rechtserheblicher Weise zu rechtsnormativer Anerkennung gelangt ist, d. h., durch die staat­ liche Verfassungs- und sonstige Rechtsordnung aktualisiert und dem Staat zur Erledigung zugewiesen worden ist.108 100  Martens (Fußn. 4), 90, mit Nachweisen der Rechtsprechung des Reichsge­ richts in Fußn. 61. 101  Jellinek, Verwaltungsrecht 1948, Nachdruck 1950, 20 ff. 102  Martens (Fußn. 4), 91, Fußn. 64. 103  Martens (Fußn. 4), 92. 104  Martens (Fußn. 4), 93: Wolff, Verwaltungsrecht 7. Aufl. 1968, I § 22 II c (S. 93). 105  Martens (Fußn. 4), 110, Fußn. 190: Albrecht, Rezension über Maurenbrechers Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts 1962, 1489 ff., 1508 ff. 106  Vgl. Art. 1 Abs. 3 und Abs. 4 des Bayerischen Stiftungsgesetzes in der Fas­ sung der Bekanntmachung vom 26. September 2008 (GVBl 2008, S. 834). 107  Martens (Fußn. 4), 112. 108  Martens (Fußn. 4), 124, Fußn. 275: Klein, Zum Begriff der öffentlichen Auf­ gaben, DÖV 1965, 755, 758.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Damit wird die formelle Trennung der Rechtsordnung in öffentliches Recht und Privatrecht überlagert durch die dem Staat oder einem sonstigen Hoheitsträger nach materiellen Kriterien zuzuordnende Publizität. Diese knüpft an die Erfüllung oder Wahrnehmung der jeweiligen „öffentlichen Aufgabe“ an, die ein Hoheitsträger zulässigerweise für sich beansprucht, gleichgültig, ob sie, wie vor allem im Bereich der Leistungsverwaltung, mit den Instrumenten öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsund Handlungsformen erfüllt oder wahrgenommen wird. Hieraus folgt aber, dass die Verwendung der jeweiligen Rechtsform keinen wesentlichen Ein­ fluss auf geschützte Rechtspositionen Betroffener entfalten darf. (2) Publizität in der öffentlichen Verwaltung Die Zuordnung des Wortes „öffentlich“ zum Staat oder einem sonstigen Hoheitsträger kommt auch im Begriff der „öffentlichen Verwaltung“ zum Ausdruck, gleichgültig, ob der Begriff im organisatorischen oder im mate­ riellen Sinn verwendet wird.109 Jedoch blieb diese „öffentliche“ Verwaltung weiterhin dem aus dem abso­ lutistischen Staat bis in die Gegenwart fortwirkenden Geheimhaltungsprinzip verhaftet. Die lange Tradition der Geheimhaltung lässt sich schon in den Ver­ fassungsstrukturen des ausgehenden Mittelalters nachweisen und entstammt dem Zusammentreffen der zunehmenden Leitbildfunktion der kirchlichen Ju­ risprudenz für die königliche Verwaltung und der weitgehenden Verselbst­ ständigung des politischen Denkens gegenüber religiösen und moralischen Bindungen. Ihre theoretische Rechtfertigung fand die Geheimhaltungspraxis mit dieser Emanzipation. Erstmals betonte Niccolò Machiavelli in seiner im Jahre 1503 verfassten Schrift „Il Principe“110 die machtpolitischen Interessen des Staates und fasste sie im Begriff der „ragion di stato“, der Staatsraison, zusammen. Giovanni Botero definiert in seinem 1589 erschienenen Werk „Della Ragion di Stato“ die Staatsraison als die Kenntnis der Mittel, die er­ forderlich sind, um politische Herrschaftsmacht zu begründen, zu sichern und zu vermehren.111 Da der Herrscher dadurch zur Verfolgung machtpolitischer Interessen legitimiert war, bedurfte er auch eines auf ihn verpflichteten Be­ hördenapparats und der Geheimhaltung des in diesem vorgehaltenen Wis­ sens.112 Die Verwaltung und ihre Handlungsinstrumente gehörten fortan zu 109  Martens

(Fußn. 4), 107. Machiavelli, Der Fürst. [Le Prince] 1990. 111  Jestaedt, Das Geheimnis im Staat der Öffentlichkeit, AöR 126, 204, 213, Fußn. 35. 112  Scherzberg, Von den arcana imperii zur freedom of information – Der lange Weg zur Öffentlichkeit der Verwaltung, ThürVBl. 2003, 193 f. 110  Vgl.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe51

der zum Schutz der bestehenden Ordnung errichteten Geheimsphäre des Staates.113 Als am Ende des ersten Weltkriegs das deutsche Staatsrecht grund­ legend umgewandelt wurde, hatte sich die Verwaltungsrechtsdogmatik be­ reits so stark verfestigt, dass sie dadurch kaum mehr beeinflusst wurde.114 Nicht zuletzt die Verknüpfung der Staatsentwicklung zur Demokratie mit dem Berufsbeamtentum ließ die Geheimhaltung als „Restbestand einer auto­ ritären, auf die Absicherung und Effektivierung von Herrschaft gerichteten Tradition“ als Selbstverständlichkeit erscheinen.115 Ein die „öffentliche Ver­ waltung“ immer noch beherrschendes „Prinzip der Nichtöffentlichkeit“ stellt nicht nur ein sprachliches Paradoxon dar. Allerdings gibt es keinen prinzipiellen Grund, weshalb Öffentlichkeit nicht auch für die Verwaltung gelten sollte.116 Sie bietet jedenfalls eine gewisse Gewähr für faire Entscheidungsfindung, wenn auch nicht die Ga­ rantie für die Richtigkeit des Ergebnisses, aber zumindest ist sie Vorausset­ zung für eine offene, rationale Diskussion.117 Für den demokratischen Wil­ lensbildungsprozess kommt vor allem der Zugänglichkeit von Informationen bedeutender Stellenwert zu.118 Dies wird im Einzelnen noch zu untersuchen sein, insbesondere im Hin­ blick auf die Folgerungen, die aus den Teilhaberechten des Wahlvolks an Entscheidungen der sie repräsentierenden staatlichen Organe abzuleiten sind sowie in Bezug auf die Einflüsse, die von den Erfordernissen der Informa­ tionsgesellschaft auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft zueinander sowie der einzelnen Bürger insbesondere zur Exekutive ausgehen können. Schon der historische Abriss zeigt jedoch, dass die Begriffe „öffentliche Gewalt“, „Hoheitsgewalt“ und „öffentliches Recht“ keine zeitlosen Katego­ rien mit unveränderlichem Inhalt sein können und einem zeitgemäßen Inter­ pretationswandel gegenüber prinzipiell nicht verschlossen sind. (3) Publizität von Institutionen und Sachen Für den Begriff der „öffentlichen Anstalt“ allerdings erschöpft sich der Gehalt des „Öffentlichen“ darin, dass sie nach Maßgabe des öffentlichen 113  Jestaedt

(Fußn. 111), 212 m. w. N. dort in Fußn. 32. (Fußn. 43), 423, Fußn. 34: Zutreffend formulierte Otto Mayer 1923 im Vorwort zur 3. Auflage seines Verwaltungslehrbuchs: „Verfassungsrecht vergeht – Verwaltungsrecht besteht.“ 115  Scherzberg (Fußn. 112), 194 und dort Fußn. 6: Weber, Wirtschaft und Gesell­ schaft 1972, 165 f., 731, 1085. 116  Dubach, Das Recht auf Akteneinsicht, 319. 117  Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland 1984, 510. 118  Seiler (Fußn.  43), 425 m. w. N. 114  Seiler

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Rechts gebildet wird und ihr Träger notwendigerweise der Staat oder eine andere Hoheitsperson ist,119 ohne dass begriffsbestimmend deren allgemeine Zugänglichkeit erforderlich ist. Diese kann, wie das Beispiel der „öffentlichen Einrichtung“ zeigt, zusätzlich zum öffentlich-rechtlichen Kreationsakt der Widmung als dem allgemeinen Gebrauch der Einwohner offenstehend hinzutreten, ohne dass auch das Benutzungsverhältnis selbst öffentlichrechtlich geregelt sein muss.120 Auch für eine „öffentliche Sache“ ist ihre Entstehung durch den Hoheitsakt der Widmung und die dadurch begründe­ te öffentlich-rechtliche Herrschaft eines öffentlich-rechtlichen Sachherrn begriffswesentlich, wobei bei öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen als zusätzliches Kriterium die allgemeine Benutzbarkeit in Form des Gemein­ gebrauchs für die Öffentlichkeit hinzutritt.121 Die Begriffsinhalte dieser Rechtsfiguren haben sich gegenüber historischen Veränderungen staatlicher Strukturprinzipien eher als statisch erwiesen. (4) Publizität von Aufgaben als Synonym für staatliche Angelegenheiten Besonderen Variantenreichtum besitzt der Begriff der „öffentlichen Aufgaben“. Darunter sind etymologisch primär solche Agenden zu verstehen, an deren Wahrnehmung ein (wirkliches oder vermeintliches) Interesse der Öffentlichkeit besteht oder angenommen wird122, die aber von Privaten in gleicher Weise wie vom Staat wahrgenommen werden können123. Sie kön­ nen damit sowohl in der Sphäre des Staates als auch durch die Gesellschaft erfüllt werden, wobei es im Rahmen der Verfassung dem Gesetzgeber ob­ liegt zu bestimmen, ob der Staat eine öffentliche Aufgabe als „Dienstleis­ tung von allgemeinem öffentlichem Interesse“ durch eigene Behörden er­ füllt, ob er sie durch selbstständige juristische Personen des öffentlichen Rechts wahrnimmt oder durch private Verwaltungshelfer wahrnehmen lässt. Er kann auch entscheiden, ob er die öffentliche Aufgabe bei fortbestehen­ dem öffentlichem Interesse in vollständiger Aufgabenprivatisierung Privaten überlässt und sich auf die Setzung von regulierenden Rahmenbestimmungen beschränkt.124 Die interessierte Öffentlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als Publikum, bzw. Allgemeinheit, also eine unbestimmte Personen­ mehrheit. Der öffentliche Charakter einer Aufgabe lässt sich damit nicht 119  Martens

(Fußn. 4), 108, Fußn. 175 m. w. N. auch: Martens (Fußn. 4), 109 m. w. N. in Fußn. 181 und 182. 121  Martens (Fußn. 4), 110. 122  Martens (Fußn. 4), 117 m. w. N. in Fußn. 232. 123  Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt, JZ 1999, 585, 587 Fußn. 17. 124  Di Fabio (Fußn. 123), 588. 120  So



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe53

rein empirisch-deskriptiv bestimmen, sondern es handelt sich um einen normativen Begriff, der sich erst in einem wertenden Urteil erschließt, das sich zunächst auf die Bewertung eines Interessengegenstandes als „öffent­ lich“ bezieht und sodann auf die daran zu knüpfenden Folgerungen. Diese ändern sich nicht nur mit dem Wandel der Lebensverhältnisse, sondern werden auch vom weltanschaulich-politischen Standpunkt des jeweiligen Beurteilers beeinflusst.125 Auch die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe verpflichtete Person ist nicht begriffsinhaltlich festgelegt. Jede Gleichset­ zung von „öffentlicher“ und „staatlicher“ Aufgabe ist daher verfehlt, erst recht ist der Schluss von der öffentlichen Aufgabe auf die öffentlich-recht­ liche Rechtsform ihrer Erledigung unzulässig.126 Eine öffentliche Aufgabe ist nur dann als staatliche Aufgabe zu qualifi­ zieren, wenn Verfassung, Gesetz oder das Recht der Europäischen Union den Staat oder ein anderes Rechtssubjekt zulässigerweise zum Träger dieser Aufgabe bestimmen. Für die Begriffe des „öffentlichen Amtes“ wie des „öffentlichen Dienstes“, die beide etatistischen Ursprungs,127 also abhängig vom Staat oder sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Dienstherren sind, ist dabei die Erfüllung einer „öffentlichen Aufgabe“ nicht Kriterium, sondern Verpflichtung und Konsequenz.128 Vorausgesetzt wird aber stets eine Eingliederung des Dienstnehmers (Beamten, Beschäftigten) in die Organisation des Dienstherrn. Nicht jeder öffentlich-rechtliche Ver­ band besitzt Dienstherrneigenschaft und diese rechtfertigt es nicht, unbese­ hen alle Tatbestände anzuwenden, die an den Begriff des öffentlichen Dienstes anknüpfen.129 Auch öffentliche Aufgaben in privater Trägerschaft können ausnahmswei­ se im Wege der Beleihung Privater oder der „Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben“130 zu staatlichen öffentlichen Aufgaben werden, so­ fern deren Mitwirkung und Mitverantwortung zu einer Statusänderung der betreffenden Personen führt, wenn diese auch mangels Eingliederung in die Staatsorganisation und der fehlenden Behördeneigenschaft nicht zum „öf­ fentlichen Dienst“ gehören.131 Auf die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten 125  Martens

(Fußn. 4), 118, Fußn. 237. (Fußn. 4), 118. 127  Martens (Fußn. 4), 101, Fußn. 125 m. w. N. 128  Martens (Fußn. 4), 102. 129  Martens (Fußn. 4), 103: Vgl. ausländische juristische Personen des öffentli­ chen Rechts sowie die Ausnahmen für Kirchen in der Rechtsform von Körperschaf­ ten des öffentlichen Rechts. 130  Ipsen, Gesetzliche Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Kauf­ mann (Hg.), Um Recht und Gerechtigkeit, Festgabe für Erich Kaufmann zu seinem 70. Geburtstag, 1950, 141 ff. 131  Martens (Fußn. 4), 132. 126  Martens

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, insbesondere im Rahmen ge­ mischt-wirtschaftlicher Unternehmen, wird noch gesondert einzugehen sein. Der Begriff „öffentliche Aufgabe“ allein ist damit weder geeignet, den Bereich der Gesellschaft von der Tätigkeit staatlicher Organe abzugrenzen noch die Tätigkeit des Staates von der Sphäre des „Privaten“ zu scheiden. Hierzu sind weitere Kriterien erforderlich, die im demokratischen Rechts­ staat nur aus der Verfassung entnommen werden können. Der Begriff der öffentlichen Aufgabe dient nicht nur zur Kennzeichnung des „Gemeinwohlbezugs“ einer bestimmten Angelegenheit, sondern fordert in der Konkretisierung durch die hierzu legitimierten Organe auch ein ins­ titutionelles Moment. Es kommt für die öffentliche Aufgabe als Rechtsbe­ griff darauf an, wer die Aufgabe erfüllt. Der Begriff der öffentlichen Auf­ gabe lässt sich daher im Sinne von „Verwaltungsaufgaben“132 verstehen, die von der Staatsorganisation im weitesten Sinne, also auch den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften im Rahmen ihrer Kompetenzen wahrge­ nommen werden.133 (5) P  ublizität als personenbezogener Wertbegriff staatlichen Handelns Naturgemäß stetigem Wandel unterworfen sind dagegen diejenigen Be­ deutungen von Publizität, die erst durch wertende Elemente zu Rechtsbe­ griffen werden. Häberle analysiert den Rechtsbegriff des öffentlichen Interesses im histo­ rischen Zusammenhang des Übergangs von einem monarchisch-absoluten Gemeinwohlverständnis hin zu einem Verständnis öffentlicher Interessen, das der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes als einer „res publica“ gerecht wird. Diese Ordnung zeichnet sich nach Häberle maß­ geblich durch das Merkmal des Öffentlichen aus. Es gehe darum, den öf­ fentlichen Gehalt des öffentlichen Interesses deutlich zu machen.134 Daher zieht er den Begriff des öffentlichen Interesses verwandten Begriffen wie denen der allgemeinen Interessen oder Belange und des Gemeinwohls vor, ohne zwischen ihnen inhaltliche Unterschiede zu sehen.135 132  Vgl. hierzu auch Dagtoglou, Die Beteiligung Privater an Verwaltungsaufga­ ben, DÖV 1970, 532, 534. 133  Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform 1994, 133. 134  Uerpmann-Wittzack, Das öffentliche Interesse 1999, 16, Fußn. 94: Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem 2. Aufl. 2006, 24 f. 135  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 16, Fußn. 95: Häberle (Fußn. 134), 22, 37 f.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe55

Als Wertbegriff ist das Wort „öffentlich“ ein Ergebnis der sprachgeschicht­ lichen Entwicklung, die es mit Sinngehalten von „gemein“ und „publicus“ angereichert und dadurch seine verwirrende Vieldeutigkeit verursacht hat. In diesem Zusammenhang hat „öffentlich“ hier „gemein“ nicht völlig verdrängt, sondern man gebraucht bis heute beide Begriffe als Synonyma.136 Den Proto­ typ bildet das „öffentliche Interesse“ als Modell für gleichsinnige oder doch sinnverwandte Begriffe wie Belange, Bedeutung, Bedürfnis, Wohl, Wohlfahrt und Zweck in Verbindung mit dem Attribut „öffentlich“. Zu diesen Begriffen gehören zwar nicht ausnahmslos, aber in bestimmtem Kontext, auch „öffent­ liche Angelegenheiten“, „öffentliche Aufgaben“, „öffentliche Sicherheit und Ordnung“, die ebenfalls auf das „öffentliche Interesse“ bezogen sind.137 Da dem „öffentlichen Interesse“ das „Interesse der Allgemeinheit“ und dem „öf­ fentlichen Wohl“ das „Wohl der Allgemeinheit“ („Gemeinwohl“) gleichsteht, sind auch diese Wortgebilde, wie schließlich auch der Begriff der „Gemein­ nützigkeit“, einschlägige Wertbegriffe.138 Besonderer Darstellung bedarf die Frage, ob der Begriff „öffentlich“ im Zusammenhang mit Aufgaben, Interes­ sen, Zwecken oder Bedürfnissen geeignet ist, staatliche Funktionen von ge­ sellschaftlichen Erscheinungen zu scheiden. Das Wort „Interesse“ („Wohl“, „Nutzen“, „Zweck“) erscheint isoliert betrachtet inhaltsleer und nichtssagend.139 Sinnhaft wird es erst in Zuord­ nung zu einem Subjekt unter gleichzeitiger Beziehung auf ein Objekt, an dem das Subjekt interessiert ist (das ihm zum Wohl gereicht, ihm Nutzen bringt, seinen Zwecken dient)140. „Interesse ist eine Anteilnahme (positive Bezogenheit) eines Subjekts an einem Gegenstand“.141 Da es sich um ein individualpsychisches Phänomen handele, könne nur der Mensch Interessen oder Interesse an etwas haben, also Interessenträger sein. Nichts anderes gelte für den Zweck als Gegenstand des Interesses und für das Wohl, das sich ebenfalls nur im Menschen verwirklichen könne142. Ein solches Interesse sei „objektiv“, „wenn es seinem Gegenstand einen Wert beilegt, der ihm unabhängig davon zukommt, dass er Gegenstand ei­ nes Interesses ist.“143 Hans J. Wolff sieht dieses objektive, wahre Interesse 136  Martens

(Fußn. 4), 169. (Fußn. 4), 169. 138  Martens (Fußn. 4), 170. 139  Martens (Fußn. 4), 173 m. w. N. in Fußn. 15. 140  Martens (Fußn. 4), 173. 141  Martens (Fußn. 4), 173: Rothacker, Zur Genealogie des menschlichen Be­ wusstseins 1966, 357. 142  Martens (Fußn. 4), 173 f. m. w. N. in Fußn. 20–23. 143  Martens (Fußn. 4), 174, Fußn. 28: Nelson, System der philosophischen Rechtslehre und Politik 1924, 246 ff.; Nelson, Die Theorie des wahren Interesses 2. Aufl. 1936, 12 ff. 137  Martens

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

in seinem Bestand und seiner Werthöhe unabhängig von der Existenz und der Stärke eines subjektiven, tatsächlichen Interesses. Dieses werde ermit­ telt, indem ein (materieller oder geistiger) Gegenstand auf bestimmte zuge­ ordnete Bedürfnisse, Zwecke und Ziele bezogen und von da aus irrtumsfrei beurteilt werde.144 Allerdings seien Werte entgegen der Auffassung des kognitiv-ethischen Parallelismus erkenntnisunfähig, könnten also weder wahr noch unwahr sein und seien damit auch in ihrem Bestand und Rangverhältnis nicht schlüssig zu beweisen.145 Bei der Messung und Vergleichung von Interessen gelange man deshalb lediglich zu „relativen, hypothetischen Urteilen, die nur gelten, wenn man zuvor den Zweck und das Ziel anerkennt“.146 „Öffentlich“ im Zusammenhang mit dem „Interesse“ weist auf die Öffent­ lichkeit als Interessenträger oder Destinatär hin. Beide Möglichkeiten müs­ sen aber voneinander unterschieden werden. „Während die Interessenträger­ schaft der Öffentlichkeit auf eigene Interessen der sie bildenden Menschen abhebt, erscheint als Destinatär die Öffentlichkeit lediglich begünstigt durch die Interessenverfolgung eines anderen Interessensubjekts, das die Verwirk­ lichung ihres zum Gegenstand seines Interesses macht.“147 Unter Interessenträger oder Destinatär ist eine unbestimmte Mehrheit von Personen, also das Publikum, zu verstehen.148 Deshalb entsprechen sich auch die Begriffe „öffentliches Interesse“, „Interesse der Allgemein­ heit“ und „Wohl der Allgemeinheit“ sowie „öffentliches Wohl“ und „Ge­ meinwohl“. „Öffentlichen Zwecken dient, was die Interessen der Allge­ meinheit befriedigt.“149 Bei der noch darzustellenden Untersuchung des Begriffs „öffentlicher Zweck“ im Zusammenhang mit der (wirtschaftlichen) Betätigung kommu­ naler Unternehmen150 wird der Fragestellung nachzugehen sein, ob Unter­ nehmen in Privatrechtsform eigenständige, insbesondere von den handelnden Organwaltern definierte – öffentliche – (Eigen-)Interessen entwickeln und wahrnehmen dürfen oder ob ausschließlich der Aufgabenträger zu bestim­ men hat, welche Interessen die von ihm in privatrechtlicher Rechtsform 144  Martens 145  Martens

(Fußn. 4), 175, Fußn. 30; Wolff (Fußn. 104) § 29 I b 2 (S. 147). (Fußn. 4), 175, Fußn. 34 m. w. N. in der sozialwissenschaftlichen Li­

teratur. 146  Martens (Fußn. 4), 176, Fußn. 35; Wolff (Fußn. 104), § 29 I b 3 (S. 147). 147  Martens (Fußn. 4), 176. 148  Martens (Fußn. 4), 177. 149  Martens (Fußn. 4), 177, Fußn. 40: Für die öffentlichen Zwecken dienende Fernmeldeanlage RG v. 10.12.1896, 3777 / 96, RGSt 29, 244 ff.; RG v. 15.04.1901, 888 / 01, RGSt 34, 249, 251 f. 150  Vgl. unten Kapitel 2 Abschnitt A. I.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe57

betriebenen Eigengesellschaften oder beherrschten Beteiligungsunternehmen wahrzunehmen haben. cc) Publizität im demokratischen Rechtsstaat als Teilhabe des Volkes Die Notwendigkeit einer Revision der überkommenen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts ist auch zur Frage der Publizität durch die gewaltige Zu­ nahme neuer Staatsaufgaben der Daseinsvorsorge, der sozialen Sicherung und der wirtschaftlichen Förderung, bei denen Befehl und Zwang nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, spätestens seit der Entscheidung des Grundgesetzes für den Sozialstaat unübersehbar geworden.151 Im Rahmen dieser Untersuchung ist „öffentlich“ vor allem in seiner Ei­ genschaft als juristischer Begriff, d. h., als Rechtsbegriff,152 insbesondere als Gesetzes- oder Rechtssatzbegriff, von Bedeutung. Da der Gesetzgeber meist auf eine Definition des Begriffs verzichtet, obliegt es vornehmlich der Rechtswissenschaft, den Inhalt des Begriffs nach den Regeln der juristi­ schen Hermeneutik zu erschließen und Rechtsfolgen aus einem möglichen Rechtsinhalt dieses Begriffs an der Verfassung als alleinigem Beurteilungs­ maßstab zu prüfen.153 Vor allem Häberle154 hat darauf aufmerksam gemacht, dass wir uns in einer „offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“ befinden. An dem, was aus der Verfassung herauszulesen ist, vor allem aber, was in sie hinein­ gelesen werden kann, sind auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt. In­ zwischen ist „die Medienöffentlichkeit eine omnipräsente Öffentlichkeit“ und die aktuelle Berichterstattung zu verfassungsrechtlichen Rechtsfällen ist durch Rundfunk und Tagespresse oft noch intensiver als durch das Fernse­ hen.155 Doch auch im Internet, in dem sich jeder zu jedem und allem äußern kann und es auch tut, findet inzwischen eine lebhafte Diskussion statt, mit der sich jenseits der Netzwerke der Verfassungsdogmatik156, der darunter 151  Martens

(Fußn. 4), 91. (Fußn. 4), 37. 153  Martens (Fußn. 4), 40. 154  Zuck, Das Grundgesetz und Volkes Stimme, BayVBl 2012, 417 unter Hinweis auf Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft 1998, 118 ff., 225 ff. 155  Zuck (Fußn. 154), Fußn. 6: Als Beispiel dient die Frankfurter Allgemeine Zei­ tung mit ihrer Rubrik „Staat und Recht“, vgl. auch Müller, Staat und Recht 2011. 156  Zuck (Fußn. 154), Fußn. 2 m. w. N. und unter Hinweis auf das nach oben of­ fene Theoriegebäude mit der Verfassungstheorie als Bestandteil der Rechtstheorie und der noch darüber angesiedelten Rechtswissenschaftstheorie (vgl. Jestaedt / Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie 2008) sowie der Rechtsphilosophie. Zudem grenzt 152  Martens

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

liegenden Ebene der Verfassungsgerichtsbarkeit157 und der weiteren Ebene der „nicht-richterlichen Rechtsgestalter und Rechtsanwender“158 als „Volkes Stimme“ inzwischen in einer weiteren Ebene „juristische Bauwerke“ entwi­ ckelt haben.159 Auch die Verstärkung der Bürgerbeteiligung durch das neu entwickelte „Demokratie-Grundrecht aus Art. 38 Abs. 1 GG“160 fördert die unmittelbare Grundrechtsnutzung durch die Bürger, vom Ansatz her eben­ falls nicht durch professionelle Rechtsanwender mediatisiert161. In diesem „virtuellen öffentlichen Raum“ gewinnt die Forderung nach weiterer staat­ licher Publizität in nahezu grenzenloser Variationsbreite zunehmende An­ hängerschaft, nicht selten allerdings in Form einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“162. Auch wenn man sich heute weitgehend von der Vorstellung verabschiedet hat, Publizität sei Garantin für Wahrheit und Gerechtigkeit, hat man doch nicht das Postulat des Öffentlichen als solches preisgegeben, sondern leitet es nun allgemein aus den Begriffen der Demokratie163 und des Rechtsstaa­ tes164 ab. In der modernen Gesellschaft setzt sich damit die Tradition der Erhebung des Öffentlichen vom Faktischen zum Normativen allerdings unter dem Vorzeichen fort, dass an die Stelle der einstigen Entgegensetzung von Staat und Gesellschaft eine gesellschaftliche Fundierung der staatlichen Gewalt tritt, die in erster Linie das Volk als Zuordnungssubjekt im Parla­ ment als dessen Repräsentativorgan kennt.165 Die Tragfähigkeit dieser Argumentation, insbesondere der sachliche Gel­ tungsbereich und das Instrumentarium demokratisch und rechtsstaatlich ge­ forderter Publizität, stehen damit in besonderer Weise auf dem Prüfstand166. sie sich „nach unten“ auch noch von der juristischen Methodik ab (vgl. Müller / Christensen, Juristische Methodik 2002). 157  Zuck (Fußn. 154), Fußn. 3. 158  Zuck (Fußn. 154), der diese als „bloße Sklaven der Herrscher aus den Ebenen 1 und 2“ bezeichnet, dort auch Fußn. 4. 159  Zuck (Fußn.  154), 418 ff. m. w. N. 160  Gärditz / Hillgruber, Volkssouveränität und Demokratie ernst genommen – Zum Lissabon-Urteil des BVerfG, JZ 2009, 872, Fußn. 6: BVerfG v. 30.06.2009, 2  BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267. 161  Zuck (Fußn. 154), 420. 162  http: /  / de.wikipedia.org / wiki / Parallelwertung_in_der_Laiensphäre, zuletzt ge­ prüft am 14.08.2012: „Als solche bezeichnet man das soziokulturelle Verständnis eines Menschen von normativen Rechtsbegriffen.“ 163  Martens (Fußn. 4), 52, m. w. N. in Fußn. 66. 164  Martens (Fußn. 4), 52, Fußn. 67, insbesondere unter Bezugnahme auf Habermas (Fußn. 44), 88, 98 f., 102, 122 f. 165  Scherzberg (Fußn. 44), 177 m. w. N. in Fußn. 20. 166  Martens (Fußn.  4), 53 f.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe59

„Der Staat des Grundgesetzes ist Staat in Öffentlichkeit.“167 Konstituie­ render Bestandteil des freiheitlich-demokratischen Staates des Grundgeset­ zes ist seine Öffentlichkeit. Die grundlegende Publizität staatlichen Handelns spiegelt sich in den Staatsstrukturprinzipien des Grundgesetzes168. Publizität ist zuvörderst demokratisches Gebot169. Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns ist darüber hinaus auch ein Gebot des Rechtsstaatsprinzips. Der Grundsatz der Voraussehbarkeit und Bere­ chenbarkeit staatlichen Handelns bedarf zu seiner Wirksamkeit der Informa­ tion der potenziell Normbetroffenen über das ihnen gegenüber zur Anwen­ dung kommende Recht.170 Insoweit fordert das Rechtsstaatsgebot jedenfalls die Herstellung von Teilöffentlichkeit der Verwaltung hinsichtlich der Bür­ ger, die von beeinträchtigendem Verwaltungshandeln betroffen sind171. Als konkreter Anknüpfungspunkt für Publizität kommt vor allem das Institut der Wahl der Volksvertretung als „vornehmstes Recht des Bürgers im demokratischen Staat“172 in Betracht, mit der die Aktivbürgerschaft ih­ ren politischen Willen in rechtlich relevanter Weise und unmittelbar kund­ tun kann. Vom Wahlrecht kann nur dann sinnvoll Gebrauch gemacht wer­ den, wenn die Wahlberechtigten über das Wirken ihrer Repräsentanten ausreichend informiert sind. Aus dem von Verfassungs wegen vorausge­ setzten und damit anerkannten Informationsbedürfnis des Wahlvolkes er­ gibt sich zwingend das Gebot der Öffentlichkeit des Staatshandelns, soweit es für eine sachgerechte Ausübung des Wahlrechts geboten ist. Adressat dieser Publizität ist die Aktivbürgerschaft, so dass hier Publikum und Volk nahezu kongruent sind.173 Allerdings darf nicht verkannt werden, dass „Volk“ und „Bevölkerung“ nicht identisch sind.174 Während sich gesell­ schaftliche Publizität auf die Bevölkerung bezieht, ist Publizität des Staates vor allem an das Volk als Souverän gerichtet. Ob das aus Art. 38 Abs. 1 167  Jestaedt 168  Gurlit,

1125.

(Fußn. 111), 205. Konturen eines Informationsverwaltungsrechts, DVBl 2003, 1119,

169  Gurlit (Fußn. 168), 1125, Fußn. 65: BVerfG v. 14.01.1986, 2 BvE 14 / 83 u. a., BVerfGE 70, 324, 358, wonach der Grundsatz der Budgetöffentlichkeit aus dem „allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie“ folgt.; vgl. auch: BVerfG v. 05.11.1975, 2 BvR 193 / 74, NJW 1975, 2331, 2335. 170  Gurlit (Fußn. 168), 1126, Fußn. 69: BVerfG v. 22.11.1983, 2 BvL 25 / 81, BVerfGE 65, 283, 291. 171  Gurlit (Fußn. 168), 1126, Fußn. 70 m. w. N. 172  BVerfG v. 23.10.1951, 2 BvG 1 / 51, BVerfGE 1, 14, 33. 173  Martens (Fußn. 4), 60. 174  So auch Wegener, Der geheime Staat 2006, 429, Fußn. 151 der zutreffend darauf hinweist, dass die herrschende Lehre zwischen „Volk“ im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG und der „Bevölkerung“ unterscheidet.

60

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Satz 1 GG entwickelte grundrechtsgleiche „Recht auf Demokratie“ eine Erweiterung von Informations- und aktiven Mitgestaltungsrechten für die einzelnen Wahlbürger gewährt, wird Gegenstand einer näheren Betrachtung sein. Die bürgerschaftliche Teilhabe erstreckt sich auch auf die begleitende Anteilnahme an der politischen Gestaltung des Gemeinwesens, die insbe­ sondere durch die Kommunikationsgrundrechte gesichert ist. „Publizität eröffnet damit einerseits demokratische Partizipationschancen175 und lässt andererseits die informierte Öffentlichkeit in eine Ergänzungsfunktion zum System parlamentarischer Kontrolle treten: Demokratie verwirklicht sich nicht nur in den Institutionen der Wahl und des Parlaments. Die parlamen­ tarische Verantwortung der Minister vermag geminderte Publizitätsanforde­ rungen an die Verwaltung nicht zu rechtfertigen.“176 Auch die Exekutive ist dem Grundsatz der Öffentlichkeit des Staatshan­ delns verpflichtet. Dies gilt unstreitig für die prinzipielle Pflicht der Regie­ rung, ihre Ziele, Maßnahmen und Konzepte sowie ihre künftigen Vorhaben öffentlich darzulegen und zu erläutern,177 da die Wahl der Volksvertretung zugleich auch ein Votum über die Politik der Regierung einschließt.178 Pro­ blematisch wird die Reichweite des Öffentlichkeitsgebotes aber bei der Publizierung konkreter Vorhaben, Pläne und Objekte; hierbei sind Sicherheit und Funktionstüchtigkeit des Staates unbedenkliche Publizitätsbeschränkun­ gen, weil die politische Meinungs- und Willensbildung nicht die praktisch ohnehin unerreichbare Kenntnis aller Details der Tätigkeit der Staatsorgane voraussetzt.179 Der Anspruch des Volkes, zuverlässig über die Tätigkeit der von ihm gewählten Repräsentanten unterrichtet zu werden, ist nicht nur wertvolle Ergänzung des demokratischen Prinzips, sondern dem demokratischen Prin­ zip wesensmäßig zugeordnet.180 Ob und in welchem Maße das Demokratieprinzip darüber hinaus kon­krete Publizitätspflichten auch für die Verwaltung zu begründen vermag, ist da­ 175  BVerfG v. 15.01.1985, 2 BvR 1163 / 82, BVerfGE 69, 92, 107; BVerfG v. 14.05.1985, 1 BvR 233 / 81 u. a., BVerfGE 69, 315, 346 f.; Kugelmann, Die informa­ torische Rechtsstellung des Bürgers 2001, 34 f.; Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegi­ timation als Rechtsbegriff, AöR 116, 329, 376 ff. 176  Gurlit (Fußn. 168), 1125. 177  Maunz / Dürig (Hg.), GG-Kommentar, Rdnr. 26, Fußn. 1: BVerfG v. 02.03.1977, 2 BvE 1 / 76, BVerfGE 44, 125, 147; BVerfG v. 23.02.1983, 2 BvR 1765 / 82, BVerfGE 63, 230, 242 f. 178  Martens (Fußn. 4), 71. 179  BVerfG v. 05.08.1966, 1 BvR 586 / 62 u. a., BVerfGE 20, 162, 181, 214. 180  Martens (Fußn. 4), 68.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe61

gegen umstritten. Die Forderung nach einer grenzenlosen Publizitätspflicht181 infolge der Grenzenlosigkeit des Informationsbedürfnisses begegnet in der repräsentativen Demokratie durchgreifenden Bedenken.182 Auch die freiheit­ liche Demokratie kennt „arcana imperii“, auch sie ist darauf angewiesen, bestimmte Fakten und Daten, Prozesse und Aktivitäten geheim zu halten, aber sie muss sich dafür rechtfertigen.183 Prinzipiell unbegrenzte Publizität staatlichen Handelns gleichsam als lo­ gische Konsequenz demokratischer Staatsgestaltung abzuleiten, entspricht schon wegen der Komplexität der Verfassungsbegriffe „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ nicht den Anforderungen, die an eine nachprüfbare Argumen­ tation zu stellen sind.184 Publizität der Verwaltung wird traditionell nur als allgemeines Prinzip der Demokratie verstanden, während konkrete Publizi­ tätspflichten grundsätzlich einer näheren Ausgestaltung durch den Gesetzge­ ber bedürften.185 In Teilen der jüngeren Literatur wird dagegen der Grundsatz der demo­ kratischen Öffentlichkeit des Staatshandelns allgemein auf die Verwaltung übertragen und damit eine Rechtsregel der Verwaltungstransparenz begrün­ det.186 In diesem Kontext näher zu untersuchen sein wird auch die Frage, welchen Einfluss Privatisierung und Deregulierung einerseits und die Ent­ wicklung zur Informationsgesellschaft andererseits auf das Verhältnis von Staat und Wahlbürger, insbesondere die Beschaffung von Informationen im Vorfeld der politischen Meinungsbildung und für die Teilhabe an den eine „Wahl-Olympiade“187 begleitenden politischen Beteiligungsprozessen auszu­ üben vermag.

181  Kunze, Die Publizität des Großunternehmens, Normen der Gesellschaft: Fest­ gabe für Oswald von Nell-Breuning zu seinem 75. Geburtstag, 1965, 292, 313. 182  Martens (Fußn. 4), 61. 183  Jestaedt (Fußn. 111), 222 m. w. N. in Fußn. 70; BVerfG v. 14.01.1986, 2 BvE 14 / 83 u. a., BVerfGE 70, 324, 358: „Parlamentarische Kontrollkommission“. 184  Martens (Fußn. 4), 59. 185  Maunz / Dürig (Hg.) (Fußn. 177), Rdnr. 27, Fußn. 2: BVerfG v. 24.01.2001, 1 BvR 2623 / 95 u. a., BVerfGE 103, 44, 59 ff.; 64; Jestaedt (Fußn. 111), 220. 186  Maunz / Dürig (Hg.) (Fußn. 177), Rdnr. 28, Fußn. 4 m. w. N., insbes. Wegener (Fußn.  174), 390 ff., 428 ff.; Scherzberg (Fußn.  44), 291 ff., 305 ff., 341 ff. 187  Der Zeitraum von vier Jahren zwischen den Olympischen Spielen wird als „Olympiade“ bezeichnet, vgl. Gemoll, Griechisch-Deutsches Schul- und Handwör­ terbuch: Olympiade, http: /  / de.wikipedia.org / wiki / Olympiade, zuletzt geprüft am 14.09.2012.

62

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

dd) Publizität im gesellschaftlichen Bereich (1) Publizität der Medien Als Beispiel für den gesellschaftlichen Publizitätsbegriff dient die in den Pressegesetzen der Länder formulierte „öffentliche Aufgabe“ der Medien.188 Die „öffentliche Aufgabe“ tritt hier in Verbindung mit einem strikten ver­ fassungsrechtlichen Verbot der Verstaatlichung der gesellschaftlichen Insti­ tution189 auf. „Öffentlich“ muss deshalb im Sinne eines allgemeinen Öffent­ lichkeitsbezugs verstanden werden und darf auf keinen Fall als Hinweis auf eine Staatsfunktion begriffen werden. So wie der faktische Besitz gesellschaftlicher Macht noch keinen recht­ lich öffentlichen Status vermittelt, fixiert auch die Ansiedlung der Presse im Bereich des „Öffentlichen“ keinen unmittelbare Rechtsfolgen auslösenden Tatbestand, sondern fordert von den Medien lediglich ethisch-politische Verantwortlichkeit.190 Damit bleibt die „öffentliche Aufgabe“ der Medien lediglich anerkannte Sozialfunktion, aber praktisch rechtsfolgenlos, eine juristisch irrelevante Meinungsäußerung des Gesetzgebers über die soziale Bedeutung des Massenmediums Presse, ein bloßer Ehrentitel,191 auf den – worauf Martens mit Recht hinweist – ohne Schaden hätte verzichtet wer­ den können und sollen.192 Nach den Pressegesetzen der Länder bildet der presserechtliche Aus­ kunftsanspruch gegenüber „Behörden“ zugleich die Ermächtigungsgrundla­ ge für damit verbundene Eingriffe in Rechte der von der Auskunft Betrof­ fenen.193 Umfang und Grenzen presserechtlicher Auskunfts- und Publizitäts­ pflichten auch für Unternehmen der öffentlichen Hand sind hierbei anhand der Maßstäbe der Rechtsprechung einerseits und der Sorgfaltspflichten der Medien im Hinblick auf deren prägenden Einfluss auf die „öffentliche Mei­ nung“ mit ihren Auswirkungen auf Rechte Betroffener andererseits zu un­ tersuchen.194

188  Martens 189  Martens

327.

190  Martens

(Fußn. 4), 119. (Fußn. 4), 125, Fußn. 280: Badura, Das Verwaltungsmonopol 1963,

(Fußn.  4), 125 f. (Fußn. 4), 130, Fußn. 305 m. w. N. 192  Martens (Fußn.  4), 129 f. 193  Vgl. Lehr, Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechte – Ein Spannungsverhältnis für die Öffentlichkeitsarbeit der Justiz, NJW 2013, 728, 732. 194  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 5 Abschnitt A. II. 4. 191  Martens



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe63

(2) Ö  ffentliche Meinung als Publizität zwischen Staat und Gesellschaft Im Grenzbereich zwischen Staat und Gesellschaft angesiedelt ist der Be­ griff der „öffentlichen Meinung“. Hierzu zählen alle Angelegenheiten von überindividuellem Interesse,195 nicht nur die auf das politische Leben bezo­ genen.196 Im Zusammenhang mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit muss die „öffentliche Meinung“ als demokratische Instanz197 verstanden werden. Als ihr Subjekt kommt potenziell die Gesamtheit der Staatsbürger in Betracht, die als Einzelne oder gruppenweise am Prozess der Meinungs­ bildung mitzuwirken berechtigt und aufgerufen sind198. Im letzten rührt der multiple und wesenhafte Öffentlichkeitsbezug der rechtsstaatlichen Demo­ kratie daher, dass sie das Individuum zum Maß aller Dinge erhebt: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“199 Das Individuum ist dabei nicht nur Referenzobjekt, sondern aktives Handlungssubjekt. Sowohl seiner demokratischen wie auch seiner rechts­ staatlichen Komponente nach ist der Verfassungsstaat „Beteiligungsstaat“. Beteiligung aber setzt Publizität und Transparenz staatlichen Handelns für die Beteiligungsberechtigten voraus.200 Ihr Gegenstand ist die Information, deren Wesen und Inhalt noch geson­ dert zu beleuchten sein wird. Nicht anders als die Ausübung des demokratischen Wahlrechts setzt auch die Bildung der politischen Meinung ausreichende Information voraus. So­ weit sich das „Bürgergespräch in öffentlichen Angelegenheiten“201 auf den Staat bezieht, ist das notwendige Korrelat staatsbürgerlicher Information staatliche Publizität.202 Aus Art. 5 Abs. 1 GG wird man deshalb ein Gebot grundsätzlicher staatlicher Publizitätsbereitschaft entnehmen müssen. Zwi­ schen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem Gebot der Publizität 195  Arndt, Begriff und Wesen der Öffentlichen Meinung, Die öffentliche Meinung 1962, 1, 14. 196  Martens (Fußn. 4), 63, Fußn. 121 m. w. N. 197  Der Glaube an die Publizitätsfunktion der Medien als Ersatz-Garanten für Wahrheit und Gerechtigkeit ist indes ungebrochen. 198  Martens (Fußn. 4), 64, Fußn. 128: BVerfG v. 25.01.1961, 1 BvR 9 / 57, BVerfGE 12, 113, 125. 199  Jestaedt (Fußn. 111), 215 unter Hinweis auf Art. 1 Abs. 1 des Entwurfs des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, abgedruckt in: JöR N.F. 1 (1951), 48. 200  Jestaedt (Fußn. 111), 215. 201  Schüle / Huber, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit 1961, 26. 202  Martens (Fußn. 4), 64 m. w. N. in Fußn. 132.

64

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

besteht ein enger Zusammenhang, weil der Schutz der freien und unbehin­ derten Bildung der öffentlichen Meinung für die freiheitliche Demokratie konstituierend203 ist. Allerdings lässt sich daraus ein allgemeines staatsbürgerliches Informa­ tionsrecht gegenüber staatlichen Behörden mit dem Grundsatz eines freien Akteneinsichtsrechts ebenso wenig herleiten204 wie eine behördliche Rechts­ pflicht zur Informationsverschaffung, vielmehr nur ein Verbot für die Staats­ gewalt, die staatsbürgerliche Unterrichtung aus „allgemein zugänglichen Quellen“ zu unterbinden.205 (3) Publizität als politische Forderung an die Wirtschaft Forderungen nach demokratischer Publizität der Wirtschaft, d. h. durch das Volk als Ganzes als Wirtschaftskontrolleur, sind nicht neu.206 Diese beruhen nicht unwesentlich auf der öffentlichen Bedeutung wirtschaftlicher Macht und der im Einzelfall nicht unbegründeten Besorgnis über deren Missbrauch, der durch verstärkte staatliche Kontrolleingriffe verhindert wer­ den müsse. So seien wir gegenwärtig Zeugen einer neuen Welle der euro­ päischen Integration, deren treibende Kraft die um ihre Investitionen in europäische Staaten besorgten „Märkte“ seien. Dies führe dazu, dass sich der europäische Wohlfahrtsstaat mit verfassungsrechtlich installierten „Schuldenbremsen“ in einen in internationale Disziplin eingebundenen „Konsolidierungsstaat“ verwandle. „Der Konsolidierungsstaat ist die zeitge­ mäße Staatsform einer Epoche, in der Staaten in Märkte eingebettet sind statt, wie im demokratischen Kapitalismus der Nachkriegszeit, Märkte in Staaten.“207 Diese Auffassungen verkennen jedoch die unterschiedliche Strukturierung von Staat und Wirtschaft. Dem Staatsbürger soll demokratische Publizität die zu seiner Wahlentscheidung notwendigen Informationen verschaffen, während eine entsprechende Entscheidungsbefugnis des Volkes als Ganzem bei wirtschaftlichen Unternehmen Privater fehlt.208 203  BVerfG

v. 30.07.1958, 2 BvF 3 / 58 u. a., BVerfGE 8, 104, 112. (Fußn. 4), 65. 205  Martens (Fußn. 4), 65, Fußn. 134 m. w. N. 206  Vgl. hierzu Martens (Fußn. 4), 79, Fußn. 223 m. w. N. zu Autoren, die unter Berufung auf die Einheit und Totalität der Demokratie eine Parallelität zwischen Staats- und Unternehmensverfassung unter anderem Publizität großer Unternehmen unabhängig von der Rechtsform fordern. 207  Streeck, Das Ende der Nachkriegsdemokratie, Süddeutsche Zeitung 27.07.2012, HBG 23. 208  So Martens (Fußn. 4), 80. 204  Martens



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe65

Davon zu unterscheiden ist allerdings die Stellung von Unternehmen der öffentlichen Hand, die in dezentralisierten Organisationsformen des öffent­ lichen oder des privaten Rechts hoheitliche Angelegenheiten für ihre Trä­ gerkörperschaften wahrnehmen, insbesondere kommunale Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen, sich wie Unternehmen der Privatwirtschaft am Markt betätigen und mit diesen auch im Wettbewerb stehen. Die Maßstäbe für deren Publizitätspflichten bestimmen sich – in den Grenzen zwingender Vorgaben gesellschaftsrechtlicher Strukturdeterminanten – nach den für die Unternehmensträger selbst geltenden Grundsätzen, wie im Einzelnen noch darzustellen sein wird.209 (4) Publizität der gesellschaftlichen Rolle der Sozialpartner Als „Verbände von öffentlicher Bedeutung“210 mit Tarifautonomie und Mitwirkungsbefugnissen im staatlichen Bereich besitzen sowohl Arbeitge­ berverbände als auch Gewerkschaften eine außerordentliche Fülle von Ein­ flussmöglichkeiten in personeller und sachlicher Hinsicht, insbesondere in der unmittelbaren Staatsverwaltung und der körperschaftlichen und anstalt­ lichen Selbstverwaltung.211 Dieser Befund rechtfertigt es, Aufgaben und Befugnisse der Sozialpartner in mehrfacher Hinsicht als „öffentlich“ zu kennzeichnen.212 Dies gilt sowohl für die beratende und entscheidende Mitwirkung in körperschaftlichen und anstaltlichen Gremien, durch die sie an der Wahrnehmung der den Hoheits­ subjekten obliegenden öffentlichen Funktionen beteiligt werden als auch bei der tarifvertraglichen Gestaltung des Wirtschafts- und Soziallebens durch Tarifverträge.213 Betrachtet man aber das Verhältnis von Funktion und Sta­ tus der Sozialpartner, so ist zwischen Mitwirkungsbefugnissen im Bereich des Staates und der Tarifautonomie zu differenzieren.214 Vorschlags-, Benennungs- und Entsenderechte in staatliche Gremien stel­ len nicht etwa delegierte öffentlich-rechtliche, d. h., aus der Staatsgewalt abgeleitete Kompetenzen, sondern subjektive öffentliche Rechte dar, die gegen den Staat gerichtet und unter gewissen Voraussetzungen auch gericht­ lich durchsetzbar sind.215 209  Siehe

hierzu Kapitel 3 Abschnitt B. und Kapitel 4. Allgemeine Staatslehre 2. Aufl. 1966, 380 ff. 211  Martens (Fußn. 4), 160. 212  Martens (Fußn. 4), 161, m. w. N. in Fußn. 495. 213  Martens (Fußn. 4), 162. 214  Martens (Fußn. 4), 163. 215  Martens (Fußn. 4), 163, Fußn. 504: Dagtoglou, Der Private in der Verwaltung als Fachmann und Interessenvertreter 1964, 107 ff. 210  Krüger,

66

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Die Tarifautonomie ist nach der sog. Delegationstheorie216 staatlich dele­ gierte Rechtsetzungskompetenz, d. h., ein Stück zur Ausübung überlassener Hoheitsgewalt mit der Konsequenz, dass die Verbände den Status Beliehe­ ner besäßen und damit beim Abschluss von Tarifverträgen hinsichtlich des normativen Teils öffentliche Gewalt ausübten.217 Die Delegationstheorie überzeugt jedoch nicht, weil sie der verfassungs­ rechtlichen Grundlage der Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG keine Be­ achtung schenkt. Diese verfassungsrechtliche Ermächtigung ist nicht die Überlassung staatlicher Regelungszuständigkeit, sondern Anerkennung ei­ ner verbandseigenen Wirkungsmacht unter gleichzeitigem Verzicht auf staatliche Ingerenz in einem Kernbereich der so geschaffenen staatsfreien Sphäre.218 Damit wurzeln die Sozialpartner ebenso wie alle anderen gesellschaftli­ chen Gebilde, die nicht in den Rang juristischer Personen des öffentlichen Rechts erhoben worden sind, im privatrechtlich-gesellschaftlichen Be­ reich.219 Ansonsten würde man die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Recht preisgeben. (5) P  ublizitätsstatus politischer Parteien, Fraktionen und Wählergruppen Für die Bestimmung des rechtlichen Status der politischen Parteien ist Art. 21 GG maßgebend. Bei dessen Interpretation ist zwischen der Aufgabe, den Rechtsformen ihrer Erledigung und der Rechtsnatur der Aufgabenträger zu unterscheiden.220 Das Grundgesetz hat die Parteien zwar als Faktoren des Verfassungsle­ bens anerkannt, aber nicht verstaatlicht, sondern es enthält im Gegenteil „das Verbot einer staatlich-institutionellen Verfestigung, insbesondere das Verbot jeglicher Einfügung der Parteien in die organisierte Staatlichkeit“.221 Vielmehr ist ihre Tätigkeit wenngleich staatsbezogen so doch gesellschaft­ 216  Martens

(Fußn. 4), 164, Fußn. 512 m. w. N. (Fußn. 4), 164. 218  Martens (Fußn. 4), 164. 219  Martens (Fußn. 4), 165. 220  Martens (Fußn. 4), 152. 221  Martens (Fußn. 4), 152, Fußn. 441: Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der Parteien im modernen Staat, in: Hesse / Kafka / Bettermann / Melichar (Hg.), Be­ richte … und Auszug aus der Aussprache zu den Berichten in den Verhandlungen der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer zu Wien am 9. und 10. Oktober 1958, VVDStRL (17), 1959, 11 ff., 27 f.; BVerfG v. 19.07.1966, 2 BvF 1 / 65, BVerfGE 20, 56, Ls. 5, 100 f. 217  Martens



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe67

liche und grundrechtlich geschützte Tätigkeit.222 Jedenfalls nehmen die po­ litischen Parteien eine „öffentlichen Aufgabe“223 wahr, die staatsbezogen, aber gleichwohl „verfassungskräftig nichtstaatlich“224 ist. Konrad Hesse kommt zu einem „singulären öffentlichen Status“ der Parteien,225 versagt ihnen aber mit Recht sowohl Staatsorganschaftlichkeit als auch Körperschaftsqualität oder die Rechtsstellung beliehener Verbände. Bachof bezeichnet sie angesichts „der überragenden öffentlichen Funktio­ nen“ als teilrechtsfähige Verbände des öffentlichen Rechts.226 Martens dagegen qualifiziert sie mangels hoheitlicher Zuständigkeiten als nicht beliehene privatrechtliche Vereinigungen, wobei das Verfassungsgebot zur Demokratisierung der inneren Ordnung (Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG) nicht entgegenstehe. Bei den Publizitätspflichten der Parteien, über die Herkunft ihrer Mittel Rechenschaft abzulegen (Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG), handele es sich um eine singuläre Verpflichtung, die nicht den Bereich der inneren Ordnung der Parteien betreffe und auch nicht einfach auf andere Objekte übertragen werden könne,227 so dass für politische Parteien ungeachtet der engen Ver­ knüpfung von Demokratie und Öffentlichkeitsprinzip nicht eine unbe­ schränkte „Volksöffentlichkeit“ von Verfassungs wegen geboten sei.228 Ob die politischen Parteien bei der Teilnahme an Wahlen als Staatsorga­ ne229 fungieren, so wie ihnen das BVerfG organschaftliche Funktionen im inneren Bereich des Verfassungslebens zuspricht, ihnen für die Geltendma­ chung ihrer Rechte im Wahlverfahren den Weg des Organstreits230 eröffnet und eine Erstattung der notwendigen Kosten eines angemessenen Wahl­ 222  Martens (Fußn. 4), 153, Fußn. 443: Henke, Das Recht der politischen Parteien 1964, 178 ff. 223  BVerfG v. 19.07.1966, 2 BvE 1 / 62 u. a., BVerfGE 20, 119, 113. 224  Martens (Fußn. 4), 153, Fußn. 449: ebenso Häberle, Unmittelbare staatliche Parteifinanzierung unter dem Grundgesetz, JuS 1967, 29, 73. 225  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland 2. Aufl. 1968, 71. 226  Martens (Fußn. 4), 155, Fußn. 456: Bachof, Teilrechtsfähige Verbände des öffentlichen Rechts, AöR 83, 208, 274. 227  Martens (Fußn. 4), 157. 228  Martens (Fußn. 4), 158. 229  Martens (Fußn. 4), 153, Fußn. 444: BVerfG v. 19.07.1966, 2 BvF 1 / 65, BVerfGE 20, 56, 101, 113. 230  BVerfG v. 20.07.1954, 1 BvR 459 / 52 u. a., BVerfGE 4, 7, 30; BVerfG v. 03.09.1957, 2 BvR 7 / 57, BVerfGE 7, 99, 103; BVerfG v. 30.05.1961, 2 BvR 366 / 60, BVerfGE 13, 1, 9 f.; BVerfG v. 19.07.1966, 2 BvE 1 / 62 u. a., BVerfGE 20, 119, 129 f.; kritisch hierzu auch Häberle, Kommentierte Verfassungsrechtspre­ chung 1979.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

kampfes zubilligt,231 braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Die in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertete Rechtsnatur politischer Parteien spielt im Rahmen der Rechte und Pflichten von Fraktionen und Wählervereinigungen in kommunalen Gremien, insbesondere bei der Frage eines Zugangsanspruchs zu Informationen und auf Einflussnahme gegen­ über kommunalen Unternehmen, nur eine untergeordnete Rolle. Die meisten Gemeindeordnungen erwähnen im Gegensatz zum Grundgesetz die politi­ schen Parteien so gut wie gar nicht,232 obwohl die Aufgabe der Fraktionen und Wählergruppen wie diejenige von Parteien in der Mitwirkung bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung besteht. Hierauf ist im Zusam­ menhang mit Auskunftsansprüchen über Angelegenheiten kommunaler Un­ ternehmen in den kommunalen Entscheidungsgremien näher einzugehen. c) Die Relevanz der Begriffsinhalte von Publizität für das kommunale Unternehmensrecht aa) Die Grundbedeutung als Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit In seiner Grundbedeutung steht „Öffentlichkeit“ für Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit von Gegenständen und Informationen als Gegenbegriff zur Verborgenheit, Abgeschlossenheit und damit zum „Geheimnis“. Dane­ ben ist „die Öffentlichkeit“ aber auch der Ausdruck für das „Publikum“ als einem unbestimmten Personenkreis, der „Allgemeinheit“, und damit auch begrifflich ein Gegensatz zur „Privatheit“ des Einzelnen. Dieser Teil des mehrdeutigen Begriffsinhalts erlangt im Recht der kom­ munalen Unternehmen Bedeutung vornehmlich für die Bekanntmachungs­ pflichten der Unternehmensorgane zu Bilanz, Jahres- und Konzernabschluss, zu den Registerpflichten, den Rechnungslegungsvorschriften, beim Deut­ schen Corporate Governance Kodex (DCGK) und bei sonstigen Publizitäts­ pflichten nach BGB und HGB im Interesse der Informationsbedürfnisse der Allgemeinheit und zum Schutz der Gläubiger des Unternehmens. Daneben sind Umfang und Grenzen der Zugänglichkeit der Bürgerschaft zu Informa­ tionen, wie etwa über Sitzungen von Entscheidungsgremien kommunaler Unternehmen in den verschiedenen Organisationsformen, im Vergleich zu den Gremien der Kommunalverfassung und zu Ansprüchen der Allgemein­ heit auf Information und Transparenz privatwirtschaftlicher Tätigkeit zu bewerten. 231  Martens (Fußn. 4), 153, Fußn. 447: BVerfG v. 19.07.1966, 2 BvE 1 / 62 u. a., BVerfGE 20, 119, 114 f. 232  Striedl / Troidl, Mehr Demokratie im Gemeinderat, BayVBl 2008, 289, 291.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe69

bb) Die Bedeutung des Kernbereichs der staatsbezogenen Publizität Bis heute prägt die historisch entstandene Vielschichtigkeit auch im de­ mokratischen Rechtsstaat den Publizitätsbegriff in seiner rechtlichen Rele­ vanz. Der jeweilige Sachzusammenhang bestimmt dabei den Inhalt dieses Rechtsinstituts in unterschiedlichem Umfang. Für die Organe der Gesetzgebung gilt unzweifelhaft eine weitreichende Publizitätspflicht mit der grundsätzlichen Öffentlichkeit der parlamentari­ schen Beratung233 sowie für die Judikative mit der „Saalöffentlichkeit“234 gerichtlicher Verfahren235 und für die Regierung mit deren Verpflichtung zur Offenlegung ihrer politischen Konzeption gegenüber dem Wahlvolk236 so­ wie im Bereich des Budgetrechts mit der jährlichen Festlegung der Verwal­ tungsziele.237 Die „öffentliche“ Verwaltung hat sich jedoch mit dem „Grundsatz der Nichtöffentlichkeit“ aus absolutistischer Zeit zur Absiche­ rung staatlicher Herrschaft mit dem Amtsgeheimnis noch größere Relikte dessen bewahrt, was früher dem Monarchen „von Rechts wegen“ als Herr­ schaftsinstrument238 zustand. Das „Geheimnis“ blieb für die Exekutive legi­ timer Bestandteil des „Öffentlichen“, d. h., des Gemeinwesens. Dies hat auch Auswirkungen auf die kommunalen Unternehmen, die entweder inte­ grierender Bestandteil der Kommune oder als deren Ausgründungen selbst­ ständige juristische Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlich organisiert sind. Im Gegensatz zur Monarchie ist der demokratische Staat dadurch gekenn­ zeichnet, dass „der Staat dem Volk gehört“.239 Damit ist „Publizität“ eine dem Volk als Ganzem gegenüber bestehende Rechtspflicht, die nicht nur durch Zugänglichkeit zu Informationen geprägt ist. Über alle historischen Veränderungen staatlicher Strukturen hinweg hat sich ein subjektives Recht auf die Zugänglichkeit zu „öffentlichen Sachen“, zu „öffentlichen Einrich­ tungen“ oder die Benutzbarkeit „öffentlicher Anstalten“ durch die „Allge­ meinheit“ im Sinne eines unbestimmten Personenkreises, dem sie der Staat 233  Art. 42

Abs. 1 Satz 1 GG. § 169 Satz 1 GVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.12.2011 (BGBl. I S. 2582) und BVerfG v. 24.01.2001, 1 BvR 2623 / 95 u. a., BVerfGE 103, 44, LS 5.c). 235  Vgl. auch § 55 VwGO in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.03.1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.07.2012 (BGBl. I S. 1577). 236  BVerfG v. 05.08.1966, 1 BvR 586 / 62 u. a., BVerfGE 20, 162, 181. 237  Martens (Fußn. 4), 73, Fußn. 184 m. w. N. 238  Siehe oben Fußn. 41. 239  Siehe oben Fußn. 93. 234  Vgl.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

durch Widmung zur Verfügung stellt, erhalten. Für kommunale Unterneh­ men, die unabhängig von der jeweiligen Rechtsform der Allgemeinheit eine „öffentliche Einrichtung“ zur Benutzung bereitstellen, gilt dieser Grundsatz der Publizität uneingeschränkt. „Öffentlichkeit“ ist in diesem Zusammen­ hang nicht nur ein „rein deskriptiver Begriff“240 als Ausdruck für Zugäng­ lichkeit und Wahrnehmbarkeit, sondern gewährt dem „Volk“ gegenüber seinen Repräsentanten „Rechte“ auf Zugang zu öffentlichen Sachen, öffent­ lichen Einrichtungen und öffentlichen Anstalten sowie zu den Informatio­ nen, die zur Ausübung seiner Teilhabe-, Schutz- und Abwehrrechte erforder­ lich sind. Der Publizitätsgehalt wertender Begriffe wie „öffentlicher Zweck“ oder „öffentliches Interesse“ und Gemeinwohl ist zwar anhand der Verfassung, der sonstigen Rechtsnormen und nach dem Regelungszusammenhang des konkreten Tatbestandes im Hinblick auf den objektiven Sinn zu ermitteln.241 Allerdings werden diese Begriffe jenseits der Verfassungsdogmatik auch durch eine omnipräsente Medienöffentlichkeit mit dem Anspruch „Volkes Stimme“ zu repräsentieren, nicht unerheblich beeinflusst. Die Publizitätspflichten des demokratischen Staates korrespondieren mit dem subjektiven Recht des Souveräns auf Teilhabe an öffentlichen Gegen­ ständen, auf Abwehr staatlicher Übergriffe in die geschützte Privatsphäre sowie auf Schutz vor Eingriffen Dritter und damit bilden sie das Legitima­ tionsinstrument242 auch für die unternehmerische Tätigkeit des Staates. Den wichtigsten Anknüpfungspunkt für die Teilhabe- und Mitwirkungsrechte an staatlicher Aufgabenerfüllung bildet das Wahlrecht, dessen Reichweite das BVerfG mit seinem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleiteten und sogar in der Würde des Menschen „verankerten“ subjektiven Recht auf Erhalt sou­ veräner Staatlichkeit und Demokratie nahezu grenzenlos erweitert hat.243 In diesem Zusammenhang stellt sich die Rechtsfrage, inwieweit sich jenseits von Wahlen und Abstimmungen für die Bürger etwa aus einem partizipato­ rischen Element kommunaler Selbstverwaltung in Verbindung mit dem Demokratieprinzip ein Recht gegenüber der Kommune als Unternehmerin oder als Trägerin verselbstständigter Unternehmensorganisationen auf effi­ ziente Einwirkung und Kontrolle unternehmerischer Tätigkeit zur Erfüllung des „öffentlichen Zwecks“ ergeben kann. 240  Siehe

oben Fußn. 73. (Fußn. 134), 15, Fußn. 91: Bydlinski, Juristische Metho­ denlehre und Rechtsbegriff 2. Aufl. 1991, 428 ff. 242  Novotny, Die Bedingung des Öffentlich-Werdens, http: /  / eipcp.net / transversal /  1203 / nowotny / de, 08.08.2012, 5. 243  Schönberger, Die Europäische Union zwischen „Demokratiedefizit“ und Bun­ desstaatsverbot, Der Staat 48, 535, 543. 241  Uerpmann-Wittzack



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe71

Ohne eine Verrechtlichung durch Verfassung und Gesetze und die vom Volk abgeleitete Legitimation ist die Berufung auf öffentliche Interessen in der Demokratie irrelevant.244 Ihre Bedeutung als Rechtsbegriff hängt jedoch nicht unwesentlich auch von der Auffassung des Interpreten zum Verhältnis von Staat und Gesellschaft ab. Für die unterschiedlichsten Organisations- und Handlungsformen, in de­ nen Kommunen mit ihren Unternehmen und Beteiligungen Aufgaben im öffentlichen Interesse erfüllen, lautet die Fragestellung, welche Anforderun­ gen an Einflussnahme, Kontrolle und Legitimation der Aufgabenwahrneh­ mung und der Unternehmensorgane zu stellen sind, damit ihr Handeln im Sinne staatsbezogener Publizität der Kommune als Unternehmensträgerin zugerechnet werden kann und nicht in den Bereich der Privatwirtschaft zu verweisen ist. Grenzen für die Publizität als Ausdruck staatlichen Handelns bildet – wie die historische Ableitung des Publizitätsbegriffs belegt – zum einen das „privatum“ als geschützte Sphäre der Selbstbestimmung des Individu­ ums, zu der für Private auch das Recht zur Verschwiegenheit über vertrau­ liche Angelegenheiten sowie ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zählt. Dessen Geltung ist vor allem für die öffentlichen Unternehmen ge­ genüber Informationsansprüchen ihrer Trägerkörperschaft klärungsbedürf­ tig.245 Zum anderen stellt das „secretum“ als Amtsgeheimnis der öffentli­ chen Verwaltung, zu der auch öffentliche Aufgaben wahrnehmende Unter­ nehmen in Privatrechtsform gehören, gegenüber Informationsansprüchen der gesellschaftlichen Öffentlichkeit (dem Publikum) und den Informa­ tionsfreiheitsregelungen eine Publizitätsschranke dar. Dieses „secretum“ ist darüber hinaus aber rechtfertigungsbedürftig gegenüber Publizitätsansprü­ chen des örtlichen Wahlvolks als Souverän auf partizipatorische Teilhabe an und Einwirkung auf Entscheidungen kommunaler Körperschaften, An­ stalten und Unternehmen.246 cc) Die Bedeutung von Publizität im Randbereich zwischen Staat und Gesellschaft „Demokratische“ Publizität steht bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen in engem Zusammenhang mit der Erfüllung eines „öffentlichen Zwecks“. Dies darf aber nicht dazu verleiten, auch die Privatwirtschaft, der die Entscheidungsbefugnis des Volkes als Ganzem fehlt, Publizitätsforderun­ 244  Martens

(Fußn. 4), 185. hierzu Kapitel 4 Abschnitt A. II. 246  Hierzu näher unter Kapitel 5 Abschnitt B. II. 4. und 5. 245  Siehe

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

gen im Hinblick auf eine angestrebte Kontrolle wirtschaftlicher Macht über die Regelungen europäischen Rechts hinaus zu unterwerfen. Unternehmen der Privatwirtschaft sind in der autonomen Privatheit des Individuums und damit im „privatum“ als Gegenstück zum „publicum“ verankert. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Eigentums, das Recht auf freie Berufswahl und Be­ rufsausübung sowie für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Für die Legitimation der Mitbestimmung der Tarifpartner in kommunalen Beteiligungsunternehmen in Privatrechtsform nach dem Betriebsverfas­ sungsgesetz oder dem Mitbestimmungsgesetz ist entscheidend, ob man sie noch dem „staatlichen“ oder bereits dem gesellschaftlichen Bereich zuord­ net, der keine vom Volk als Souverän abgeleitete Legitimation vermittelt. Die Folgerungen hieraus sind für die Steuerung und Kontrolle gemischtwirtschaftlicher kommunaler Unternehmen von Bedeutung. Im Grenzbereich zwischen dem auf den Staat bezogenen und dem der Gesellschaft zuzuordnenden Publizitätsbegriff angesiedelt ist die „öffentli­ che Meinung“, deren Gegenstand, die Information, elementare Vorausset­ zung für eine partizipatorische Teilnahme der Bürger an staatlicher (öffent­ licher) Aufgabenwahrnehmung gerade auf kommunaler Ebene bildet. Auch die mit der „öffentlichen Aufgabe der Medien“ umschriebene staatsferne Publizität trägt im „öffentlichen Interesse“ zu dieser Meinungsbildung bei. Die auf Publizitätspflichten einwirkenden Auskunfts- und Informationsan­ sprüche der Medien gegenüber kommunalen Unternehmen und ihren Trä­ gern bedürfen in diesem Zusammenhang einer näheren Darstellung. Bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der politischen Parteien und insbesondere der Fraktionen als staatsbezogenen aber staatsfremden Organi­ sationen247 stellt sich für die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes auch auf kommunaler Ebene die Frage nach ihrer Berechtigung, Informationen über die Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen in der kommunalen Vertretungskörperschaft oder unmittelbar von den Un­ ternehmensorganen anzufordern und Auskünfte hierzu zu erhalten. Voraussetzung für alle Formen von Publizität ist die „Information“, deren Inhalt und Gewährleistungsumfang vor allem als Folge der Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung staatlicher Aufgaben und Funktionen in der sich dynamisch entwickelnden „Informationsgesellschaft“ für eine effi­ ziente Ausübung von Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten durch den Souverän gerade dort von entscheidender Bedeutung ist, wo sie, die Infor­ mation, infolge der Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf organisa­ tionsprivatisierte öffentliche Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen beim Aufgabenträger selbst nicht mehr in gebotenem Umfang verfügbar ist. 247  Siehe

oben Fußn. 221 m. w. N.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe73

2. Information als Voraussetzung für Publizität a) Informationsbegriff Informationen sind subjektiv geprägt. Sie entstehen im Kopf als Resultat der Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen, denen sie in Abhängigkeit von zahlreichen anderen Faktoren eine bestimmte Bedeutung zuweisen.248 Im informationstheoretischen Schrifttum ist heute eine semiotische Dreidimen­ sionalität des Informationsbegriffs weitgehend anerkannt.249 Sie beruht auf der Theorie der Zeichen von Morris,250 der zwischen syntaktischer, seman­ tischer und pragmatischer Ebene der Information unterscheidet. Während die syntaktische Ebene in der Information ein „Zeichengebilde“ sieht, geht es bei der semantischen Dimension primär um den „Sinngehalt“ der über­ mittelten Zeichen. Bei der pragmatischen Ebene steht dagegen der „Zweck“ der Information im Vordergrund,251 also die von ihr geleisteten Dienste und erzeugten Wirkungen. Der pragmatische Informationsbegriff überlässt es allein dem Informationsempfänger, wie er von der Information Gebrauch macht.252 An diese pragmatische Ebene kann das juristische Begriffsver­ ständnis der Information anknüpfen, sie steht im Mittelpunkt des Interesses, wenn man sich mit der juristischen Dimension der Information befasst.253 Die Begriffe Information, Kommunikation und Wissen werden häufig auch in der juristischen Diskussion unterschiedlich verwendet.254 Eine grundlegen­ de Klärung des Informationsbegriffs ist Fritz Machlup255 zu verdanken.256 248  Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht 2004, 19, Fußn. 1: Windsheimer, Die „Information“ als Interpretationsgrundlage für die subjektiven öffentlichen Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG 1968, 18. 249  Stohrer, Informationspflichten Privater gegenüber dem Staat in Zeiten von Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung 2007, 38, Fußn. 89. 250  Morris, Grundlagen der Zeichentheorie, Ästhetik der Zeichentheorie 1972, 23 ff. 251  Druey, Information als Gegenstand des Rechts 1995, 7 f. 252  Rossi (Fußn. 248), 20, Fußn. 4: Druey (Fußn. 251), 7, Kloepfer / Neun, Infor­ mationsrecht 2002, § 1 Rdnr. 53 ff. jeweils m. w. N. 253  Stohrer (Fußn. 249), 40, Fußn. 101 m. w. N. 254  Schoch, Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung, in: Bethge / Schoch / Trute / Weber-Dürler (Hg.), Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Osnabrück vom 1. bis 4. Oktober 1997, VVDStRL (57), 1998, 158 ff., 158, 166 ff.; abweichend: Höfling, Infor­ mationszeitalter – Informationsgesellschaft – Wissensgesellschaft 1996, 46 f. 255  Machlup / Mansfield, The Study of Information 1983, 641  ff.; grundlegend auch: Steinmüller, Informationstechnologie und Gesellschaft 1993; a.  A. Vesting, Zwischen Gewährleistungsstaat und Minimalstaat, in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann (Hg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000, 101, 109, Fußn. 23.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

„Unter ‚Information‘ wird ein an einen oder mehrere Empfänger adres­ sierter Sachverhalt verstanden, der geeignet ist, das Verhalten oder den Zustand der Adressaten zu beeinflussen.“257 256

Die Information ist von den „Daten“ und dem „Wissen“ abzugrenzen. Daten liegen der Information voraus.258 Sie können als Grundlage der In­ formation dienen und werden selbst zur Information, wenn der (zumindest potenzielle) Empfänger dem Inhalt des Datums oder auch mehrerer Daten durch Interpretation einen Sinngehalt zumessen kann.259 Information bezieht sich auf die Zugänglichkeit von Daten.260 Sie kann Grundlage für die Ent­ stehung von Wissen sein.261 Wissen entsteht, wenn eine Information zu einem bestimmten Zweck in den Kontext vorhandenen Wissens eingeordnet und nutzbar gemacht wird.262 „Wissen ist verarbeitete Information“,263 die als organisierte und systemati­ sierte Form von Information Verstehens- und Interpretationsvorgänge erlaubt264 und darüber hinaus eine Handlungs- und Entscheidungskapazität265 darstellen kann.266 Der „Weg von der Vielfalt der Daten zur Qualität des Wissens“ kann nicht ohne Vermittlung staatlicher Institutionen gegangen werden.267 256  Lenk, Außerrechtliche Grundlagen für das Verwaltungsrecht in der Informa­ tionsgesellschaft, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000, 59, 67. 257  Schoch (Fußn. 254), Fußn. 26: Begriffsbestimmung im Anschluss an Steinmüller / Lutterbeck / Mallmann / Harbort / Kolb / Schneider, Grundfragen des Datenschutzes, Gutachten im Auftrag des Bundesministers des Innern, BT-Drs. VI, 13826, Anlage 1, 43. 258  Schoch (Fußn. 254), 167. 259  Steinmüller (Fußn. 255), 212. 260  Rossi (Fußn. 248), 19, Fußn. 2: Schoch (Fußn. 254), 167. 261  Stohrer (Fußn. 249), 43. 262  Scherzberg, Die öffentliche Verwaltung als informationelle Organisation, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hg.), Verwaltungsrecht in der Informationsge­ sellschaft, 2000, 195, 200, Fußn. 34: Willke, Systemisches Wissensmanagement 1998, 12 ff. 263  Scherzberg (Fußn. 262), 200. 264  Stohrer (Fußn. 249), 43, Fußn. 126 unter Bezugnahme auf Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158, 167 Fußn. 32. 265  Voßkuhle, Der Wandel von Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht in der Informationsgesellschaft, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hg.), Verwal­ tungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000, 349, 391. 266  Stehr, Arbeit, Eigentum und Wissen 1. Aufl. 1994, 242: „Wissen ist eine not­ wendige, aber keine ausreichende Fähigkeit zum Handeln.“ 267  Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft: Perspek­ tiven der Systembildung, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hg.), Verwaltungs­ recht in der Informationsgesellschaft, 2000, 405, 408.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe75

b) Beschaffung von Information als Steuerungsressource Die Information ist für den Staat eine Steuerungsressource.268 Informatio­ nen sind seit jeher Grundlage juristischer und administrativer Entscheidun­ gen; sie sind auch wichtige Voraussetzungen für einen angemessenen Vollzug von Verwaltungsentscheidungen und deren Akzeptanz.269 Bevor die Verwal­ tung ihre Steuerungsfunktion wahrnehmen kann, muss sie Informationen auf­ nehmen, auch durch Beobachtung gesellschaftlicher Prozesse. Informationen der Verwaltung beziehen sich auf die Gesellschaft als Ganzes.270 Damit ist die Gewinnung von Informationen Voraussetzung für jede Form von Publizität. Größter Informationsbesitzer ist der Staat mit seinen Unter­ gliederungen, der seinen Informationshaushalt271 verwaltet und den Infor­ mationsfluss zwischen dem administrativen System und der Außenwelt steuert.272 Dezentralität gilt dabei als Leitwert einer Modernisierung von Organisations- und Kommunikationsstrukturen der öffentlichen Verwal­ tung.273 Dies zeigt die sich immer noch fortsetzende Verselbstständigung von Verwaltungsträgern.274 Unstreitig ist dadurch die Bedeutung von Infor­ mation als Handlungs- und Steuerungsressource für den Staat gewachsen.275 Die Handhabung der „Ressource“ Information macht deshalb ein Informa­ tionsmanagement erforderlich, und zwar sowohl innerhalb der einzelnen Verwaltungseinheiten als auch zwischen ihnen.276 Verzichtet der Staat auf die Wahrnehmung von Aufgaben durch eigene Behörden, geht ihm eine Vielzahl von Informationen verloren, die er hierbei generieren könnte.277 Er ist deshalb zunehmend darauf angewiesen, dass der 268  Hoffmann-Riem, Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft – Einleiten­ de Problemskizze, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000, 9, 13 m. Fußn. 10: Reinermann, Verwaltungsent­ wicklung und Verwaltungsinformationssysteme, in: Lüder (Hg.), Staat und Verwal­ tung, 1997, 423, 425, 427 f.: „Moderne Verwaltung heißt Gestaltung durch Informa­ tion.“ 269  Hoffmann-Riem (Fußn. 268), 14. 270  Lenk (Fußn. 256), 67. 271  Der Begriff stammt von Schoch, Das Recht auf Zugang zu staatlichen Infor­ mationen, DÖV 2006, 1. 272  Sydow / Gebhardt, Auskunftsansprüche gegenüber kommunalen Unternehmen, NVwZ 2006, 986, 987. 273  Scherzberg (Fußn. 262), 203, Fußn. 47: Pitschas, in: Merten / Pitschas / Niedo­ bitek (Hg.), Neue Tendenzen im öffentlichen Dienst, 1998, 29, 40. 274  Scherzberg (Fußn. 262), 203. 275  Hoffmann-Riem (Fußn.  268), 10 f. 276  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 418, Fußn. 49: Voßkuhle (Fußn.  265), 386 f. 277  Stohrer (Fußn. 249), 111, Fußn. 236 m. w. N.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

informierte mündige Bürger für ihn als Gesprächspartner auch zu seinem Informationslieferanten wird.278 Deregulierung und Privatisierung führen nämlich tendenziell dazu, dass die unmittelbare staatliche Informationsge­ winnung nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht.279 Informationstransfer ist Gegenstand von Rechtsbeziehungen zwischen dem Bürger und dem Staat, insbesondere der Exekutive. Mit dem Transfer von Information zwischen Informationssubjekten benutzt die Verwaltung Kommunikation mit ihrer sozialen Umwelt280 als Mittel der Problembewäl­ tigung. Hierzu zählen neben Beratungspflichten und Aufklärungsmaßnah­ men vor allem Publizitätspflichten, Informationszugangsrechte und ein In­ formationsmanagement.281 Diese dem Außenrecht zuzuordnenden Regelungen sind von „interadmi­ nistrativer“ Kommunikation sowohl zwischen Organwaltern als auch zwi­ schen verselbstständigten Organisationseinheiten zu unterscheiden, die zwar als Innenrecht anzusehen ist, der aber bei Erfüllung oder Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben Außenwirkung gegenüber den Bürgern zukommen kann. Die häufig kritisierte Trennung von Innen- und Außenrecht282 ist deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt zu relativieren. Die Veränderun­ gen der Verwaltungskommunikation betreffen sowohl das Innen- wie auch das Außenverhältnis, deren Trennschärfe weiter abnehmen wird, weil schon die Meinungsbildungsvorgänge eine solche Zäsur nicht mehr hinreichend plausibel abbilden.283 c) Informationsprivatisierung durch Deregulierung und bei Dezentralisierung Sowohl die dezentrale Erfüllung von Verwaltungsaufgaben in öffentlichrechtlicher Rechtsform als auch die Ausgliederung der Aufgabenwahrneh­ mung in Gesellschaften des Privatrechts und vor allem die Beteiligung Privater in gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen führt zu einer Aufspal­ tung des Informationsbesitzes zwischen aufgabenverantwortlicher und Auf­ gaben wahrnehmender Organisationseinheit. Tendenziell verlagern sich da­ durch entscheidungserhebliche Informationen vom legitimierten Verwal­ 278  Voßkuhle

(Fußn. 265), 378. (Fußn. 265), 362. 280  Hill, Kommunikation als Herausforderung für Staat und Gesellschaft, in: Ste­ ger (Hg.), Lean Administration, Die Krise der öffentlichen Verwaltung als Chance, 1994, 49 ff., insb. 52 ff., 59 ff. 281  Voßkuhle (Fußn. 265), 392. 282  Voßkuhle (Fußn. 265), 394 m. w. N. in Fußn. 252. 283  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 414. 279  Voßkuhle



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe77

tungsträger zu den verselbstständigten Einrichtungen, Betrieben oder Unter­ nehmen. Dies führt insbesondere bei Kommunen typischerweise zu einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen den Unternehmensorganen als Informationsbesitzern und den kommunalen Vertretungsorganen als den für die Aufgabenerfüllung politisch gegenüber dem Bürger als Souverän Informationsverantwortlichen.284 Durch diese informationstechnische Entwicklung vollzieht sich ein „Funktionswandel des Staates“, indem sich die leistungsstaatliche „Erfül­ lungsverantwortung“ in eine „Gewährleistungsverantwortung“ transformiert, die auch als „Steuerungsverantwortung“ oder „Infrastrukturverantwortung“ beschrieben wird und zudem eine „Verantwortungsteilung“ zwischen Staat und Markt umfassen kann.285 Die Ausnutzung des Informationsvorsprungs, auch als „shirking-Verhalten“ bezeichnet,286 birgt die Gefahr einer Vernach­ lässigung öffentlich-rechtlicher Bindungen zugunsten betriebswirtschaftli­ cher Unternehmensziele. Die dominierende Rolle des Marktes in der Infor­ mationsgesellschaft lässt zwar die alten Staatsaufgaben der Eingriffsverwal­ tung zurücktreten, der „Vorsorgefaktor Information“ führt aber zu neuen Aufgaben, die den Zugang zu den Informationsmärkten und den Rahmen­ bedingungen des kommunikativen Verkehrs sicherstellen sollen. Dies äußert sich in der regulierenden, akkreditierenden und der leistenden Verwaltung.287 Die Veränderungen führen auch dazu, dass die ehemals in einheitlicher Organisationsstruktur handelnde Leistungsverwaltung für ihre Steuerungs­ funktion gegenüber dezentralisierten Verwaltungseinheiten nun eigene Res­ sourcen als Kompetenzreserven vorhalten muss,288 um ihrer Informations­ vorsorgepflicht als Bestandteil der Daseinsvorsorgeaufgabe gegenüber dem Bürger dauerhaft nachkommen zu können.289 Mit der Aufgabenprivatisierung geht immer auch eine Informationspriva­ tisierung einher.290 Soweit mit einer Privatisierung zugleich die originäre 284  Meiski, Über die Verschwiegenheitspflichten kommunaler Mandatsträger als Aufsichtsräte in kommunalen Eigengesellschaften in Form der GmbH, BayVBl 2006, 300, 302. 285  Vesting (Fußn. 255), 112, Fußn. 39 m. w. N. 286  Vernau, Effektive politisch-administrative Steuerung in Stadtverwaltungen 1. Aufl. 2002, 76. 287  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 425 ff.: Die regulierende Verwaltung ist häufig eine Erscheinung des „Privatisierungsfolgenrechts“ der Europäischen Union, wie der Telekommunikationssektor und der Energiebereich belegen. Allerdings hat im Gegensatz dazu der europäische Rechtsrahmen des ÖPNV nicht zu verstärkter Auf­ gabenprivatisierung, sondern sogar zu einer „Rekommunalisierung“ dieser Daseins­ vorsorgeaufgabe geführt (siehe hierzu im Einzelnen Kapitel 2 Abschnitt C. IV.). 288  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 432. 289  Siehe hierzu Kapitel 2 Abschnitt A. III. 2. 290  Stohrer (Fußn. 249), 112, Fußn. 238 m. w. N.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Informationsgewinnung entbehrlich geworden ist, wie etwa bei reiner Ver­ mögensprivatisierung, kann es damit sein Bewenden haben, da die Informa­ tionsgewinnung des Staates kein Selbstzweck ist. Sie dient einerseits der ordnungsmäßigen Aufgabenwahrnehmung und andererseits der Informati­ onsvorsorge sowohl für künftige Staatstätigkeiten als auch für die Bürger.291 Nur soweit diese Zwecke den Zugang des Staates zu den betreffenden In­ formationen erfordern, lässt sich deren Beschaffung auch rechtfertigen. Überlässt der Staat die Wahrnehmung vormals von staatlichen Behörden erfüllter Aufgaben im Sinne eines „Marktmodells“ dem wirtschaftlichen Wettbewerb Privater, erwachsen ihm daraus Gewährleistungs- und Garan­ tenpflichten dafür, dass die Aufgabe weiterhin ordnungsgemäß wahrgenom­ men wird.292 Da Privatisierungen mit Selbstregulierungen293 und der Realisierung von Marktrationalität nicht die Formulierung eines öffentlichen Interesses294 und seiner administrativen Wahrnehmung ersetzen können, wird gelegentlich nicht zu Unrecht vorgeschlagen, dass für die Koordination von öffentlichen Aufgaben und privater Interessenverfolgung eine Art „Informationsordnung“ geschaffen werden sollte.295 Schon die funktionale Privatisierung durch Einschaltung privater Verwal­ tungshelfer führt regelmäßig dazu, dass Informationen, die beim bloßen Vollzug der Aufgabe im Namen des Aufgabenträgers anfallen, nur bei dem Privaten entstehen. Auch dies bedeutet für den verantwortlichen Aufgaben­ träger eine (partielle) Informationsprivatisierung. Die Organisationsprivatisierung stellt sich für die Informationsgewinnung des Staates besonders schwierig dar. Auch in diesem Fall ist es gerechtfer­ tigt, von einer Informationsprivatisierung zu sprechen.296 Während die 291  Stohrer

(Fußn. 249), 113. (Fußn. 249), 114, Fußn. 247 m. w. N. 293  Ladeur, Privatisierung öffentlicher Aufgaben und Notwendigkeit der Entwick­ lung eines Informationsverwaltungsrechts, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000, 225, m. Fußn. 89: Trute, Die Verwaltung und das Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbst­ regulierung und staatlicher Steuerung, DVBl 1996, 950, 950 ff.; Di Fabio, Verwal­ tung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staat­ licher Steuerung, in: Hailbronner / Schmidt-Preuß / Di Fabio (Hg.), Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Dresden vom 2. bis 5. Oktober 1996, VVDStRL (56), 1997, 235 ff., 273. 294  Vgl. hierzu: Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134). 295  Ladeur (Fußn. 293), 251, m. Fußn. 87: Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Ver­ waltungsrecht als Ordnungsidee 1998, 236. 296  Stohrer (Fußn. 249), 114, Fußn. 248 m. w. N. 292  Stohrer



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe79

Aufgabe selbst beim Staat verbleibt, verlagern sich die Informationen mit weitreichenden rechtlichen Folgen auf privatrechtlich organisierte selbst­ ständige Unternehmen, auf die die Regeln staatsinternen Informationsaus­ tauschs, wie z. B. die Amtshilfe oder die staatliche Aufsicht, grundsätzlich keine Anwendung finden.297 Um seiner Gewährleistungsverantwortung ge­ recht zu werden, muss sich der bisherige Aufgabenträger als Ausgleich dafür ausreichende gesellschaftsrechtliche Beteiligungs-, Informations-, Einwir­ kungs- und Kontrollrechte gegenüber den Unternehmensorganen vorbehal­ ten, die jedoch an Grenzen des Gesellschaftsrechts stoßen.298 Da die Aufgabenträger das notwendige Entscheidungswissen nur noch in begrenztem Umfang selbst herstellen können, gerät die vormals weitgehend autarke Verwaltung zunehmend in (bedenkliche) Abhängigkeit nicht nur von ihren organisationsprivatisierten Verwaltungseinheiten, sondern auch von der Mitwirkung privater Akteure und deren Informationspotenzial. Hier liegt nach Vosskuhle eine wesentliche, wenn auch nicht die alleinige Ursache für die schon seit längerer Zeit zu beobachtende Tendenz zu stärkerer Koope­ ration zwischen Staat und Bürger im und unter dem Recht. Gemeinsam ist allen Formen dieser Zusammenarbeit, dass sie in ganz besonderer Weise auf Kommunikation und Informationsaustausch zwischen den Beteiligten ange­ legt sind.299 Das zu deren Steuerung und Kontrolle gebotene sowie das zur Entschei­ dungsrechtfertigung gegenüber dem Bürger erforderliche Informationsniveau kann nur in koordiniertem kommunikativem Zusammenwirken der Akteure erreicht werden. Der bei diesen Kommunikationsprozessen gerade im kom­ munalen Bereich notwendige Umfang an Publizität und Partizipation der Bürger als Entscheidungsadressaten steht hierbei im Fokus der Untersu­ chung. Auch die Systematisierung der rechtlichen Strukturen und der Kom­ munikationsmechanismen, in denen die Beschaffung von Informationen und der Umgang mit ihnen zwischen kommunalen Unternehmen als dezentrali­ sierten Verwaltungseinheiten und dem vom örtlichen Souverän legitimierten Aufgabenträger geschieht, bedarf einer eingehenden Analyse.300

297  Stohrer

(Fußn. 249), 112. (Fußn. 249), 113, Fußn. 242: Weisel, Das Verhältnis von Privatisierung und Beleihung 1. Aufl. 2003, 228 ff. 299  Voßkuhle (Fußn. 265), 354 f. und Fußn. 28: Schulze-Fielitz, Betätigung öffent­ lich-rechtlicher Institutionen im Onlinebereich im Lichte des Wandels moderner Staatlichkeit, AfP 1998, 447, 448. 300  Vgl. auch Lenk (Fußn. 256), 63; siehe hierzu insbesondere die Darstellung in Kapitel 4 Abschnitt A. II. und B. 298  Stohrer

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

d) Zugang zu Behördeninformationen und Datenschutz Betroffener „Verwaltungsarbeit ist Umgehen mit Information.“301 Dem Umgang mit Informationen kommt wegen des Vordringens moderner Informationstech­ nologien wachsende Bedeutung zu. Informationen werden zur zentralen Voraussetzung von Staat und Gesellschaft. Sie beeinflussen die Politik, die Wirtschaft sowie zunehmend auch das Privatleben und sind ausschlaggeben­ de Machtfaktoren geworden, die das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, aber auch der Bürger untereinander maßgeblich mitbestimmen. „Information ist nicht alles, aber ohne Information ist alles nichts.“ nennt Kloepfer das Lebensgesetz des Gemeinwesens im Informationszeitalter.302 Das heutige Verhältnis zwischen Staat und Bürger ist von Informationen geprägt, des­ halb sind die Beziehungen zu einem beträchtlichen Teil informationeller Natur. Da Information Macht bedeutet,303 bedarf es einer gerechten Infor­ mationsverteilung304 zwischen dem Staat und den Bürgern, von denen er seine Legitimation ableitet. Nach dem pragmatischen Informationsbegriff betrifft die Informationszu­ gangsfreiheit allein das Rechtsverhältnis zwischen der informationsgewäh­ renden oder Informationen verwehrenden Verwaltung und den einen Zugang im Sinne einer „allgemeinen“ oder „voraussetzungslosen“ Informationszu­ gangsfreiheit hierzu begehrenden Bürgern.305 Ein regelmäßig freier Informationsfluss ist eine der Grundvoraussetzun­ gen der Informationsgesellschaft, wenn nicht der menschlichen Existenz insgesamt.306 Der freie Zugang des Bürgers zu den beim Staat vorhandenen Informa­ tionen stellt eine der tragenden Säulen der Informationsgesellschaft dar.307 Das Recht muss sich daher grundsätzlich mit den Voraussetzungen und der Sicherstellung des freien Informationszugangs befassen.308 Dies betrifft ne­ ben dem Informationsverkehr zwischen Privaten und dem Zugang des Staa­ tes zu den bei Privaten vorhandenen Informationen309 vor allem den Zugang 301  Lenk

(Fußn. 256), 62. Informationsfreiheit und Datenschutz: Zwei Säulen des Rechts der Informationsgesellschaft, DÖV 2003, 221. 303  Seiler (Fußn. 43), 424. 304  Bieber, Informationsrechte Dritter im Verwaltungsverfahren, DÖV 1991, 857 ff. 305  Rossi (Fußn. 248), 20 mit Fußn. 5. 306  Stohrer (Fußn. 249), 35, Fußn. 35: Kloepfer / Neun (Fußn. 252), § 1 Rdnr. 40. 307  Kloepfer (Fußn. 302), 223. 308  Stohrer (Fußn. 249), 35, Fußn. 57 m. w. N. 309  Vgl. hierzu Stohrer (Fußn. 249), passim und Kloepfer (Fußn.  302), 230 f. 302  Kloepfer,



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe81

Privater zu dem beim Staat vorhandenen Informationsbestand und insbeson­ dere zu den Informationsquellen, die vom Staat als allgemein zugänglich bestimmt und verfassungsrechtlich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG abgesi­ chert sind.310 Ebenso muss der Presse zur öffentlichen Meinungsbildung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich geschützte Informationszu­ gang durch die Verwaltung eröffnet werden. Dieser muss auch für eine wirksame Teilhabe von Parteien und Wählergruppen sowie der Fraktionen an der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung in kommuna­ len Gremien gewährleistet sein. Verfassungsrecht erscheint dabei sowohl als Grund als auch als Grenze ei­ ner allgemeinen Informationszugangsfreiheit. So wird im Schrifttum aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit sowie aus dem Demokratieprinzip ein ob­ jektiver Grundsatz der Öffentlichkeit der Verwaltung, zum Teil sogar als sub­ jektives Recht auf Zugang zu den bei der Verwaltung vorhandenen Informa­ tionen abgeleitet. Es sollte aber nicht übersehen werden, dass die Konkretisie­ rung eines solchen Anspruchs dem Gesetzgeber obliegt, der hierfür über einen Gestaltungsspielraum verfügt. Dieser ist nur durch die verfassungsrechtlich normierten Grenzen, letztendlich durch Art. 79 Abs. 3 GG, beschränkt.311 Die Arbeiten von Hoffmann-Riem und Schmidt-Aßmann312 haben in Deutschland entscheidend dazu beigetragen, dass ab Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts zusätzliche wesentliche Impulse von der allgemeinen und global geführten Diskussion über den Wandel zu einer Informationsge­ sellschaft ausgingen.313 Der Begriff der Informationsgesellschaft hat sich trotz seines unklar ge­ bliebenen Gehalts314 durchgesetzt, um Erscheinungen zu thematisieren, die eine gewaltige Informationsproduktion, -verteilung und -vernetzung kenn­ zeichnen, durch moderne Informations- und Kommunikationstechniken ge­ prägt werden und sich nachhaltig auf das Verhalten Einzelner sowie von gesellschaftlichen und staatlichen Organisationen auswirken. Die Bundesregierung bezeichnet in ihrem Bericht „Info 2000 – Deutsch­ lands Weg in die Informationsgesellschaft“315 den Begriff der Informations­ 310  Stohrer

(Fußn. 249), 73, Fußn. 156: Gurlit (Fußn. 168), 1121. (Fußn. 248), 21. 312  Vgl. dazu den Sammelband Hoffmann-Riem; Schmidt-Aßmann, Verwaltungs­ recht in der Informationsgesellschaft 1. Aufl. 2000. 313  Rossi (Fußn. 248), 66. 314  Trute, Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung, in: Bethge / Schoch / Trute / Weber-Dürler (Hg.), Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Osnabrück vom 1. bis 4. Oktober 1997, VVDStRL (57), 1998, 218 f. 315  BT-Drs. 13 / 4000, S. 15. 311  Rossi

82

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

gesellschaft als eine Wirtschafts- und Gesellschaftsform, „in der der produk­ tive Umgang mit der Ressource ‚Information‘ und die wissensintensive Pro­ duktion eine herausragende Rolle spielen.“316 Misst man danach der Informa­ tion in der Informationsgesellschaft keine wesentlich andere Bedeutung zu als etwa der in der Industriegesellschaft, so ist die Informationsgesellschaft vor allem gekennzeichnet durch die enormen Möglichkeiten der Speiche­ rung, Vernetzung, Verarbeitung und Verbreitung von Informationen. Ob der Begriff Struktur und Zeitalter der nachindustriellen Gesellschaft richtig be­ schreibt, ist jedoch keine Frage der Staats- und Verwaltungsrechtslehre.317 Das Grundgesetz enthält ebenso wenig eine Informationsverfassung wie eine Wirtschaftsverfassung.318 Der grundrechtliche Rahmen eines Informa­ tionsverwaltungsrechts wird zum einen aus den Vorgaben gebildet, die den Informationszugang sichern, zum anderen aus jenen, die der staatlichen Datenerhebung, -verarbeitung und -verbreitung Grenzen setzen. Die Grund­ rechtsdogmatik hat vor allem darauf zu reagieren, dass Informations- und Geheimschutzinteressen auf der Seite der Grundrechtsberechtigten asymme­ trisch verteilt sein können.319 Die wirtschaftliche Dynamik auf dem Informationssektor beeinflusst auch das Rechtssystem in Form von Privatisierung und Kommerzialisierung von Information, Wissen und Kommunikation. Was vormals als „öffentliches Gut“ galt, wird zur „Ware“, also zum „wirtschaftlichen Gut“.320 Außerdem entste­ hen Verflechtungs- und Konzentrationsprozesse mit europaweit und sogar global arbeitenden Akteuren unter Abschaffung bestehender staatlicher Mono­ pole und Erzeugung von Wettbewerb.321 Um dies zu erreichen, zielt die poli­ tische und rechtliche Strategie auf Liberalisierung und Marktöffnung. Dieses Konzept der Informationsgesellschaft ist im Wesentlichen ökonomisch ge­ prägt, dabei bleiben sozialstaatliche und kulturstaatliche Zielsetzungen ebenso ausgeblendet wie individuelle Belange von Informationsrezipienten.322 Eine Folge hiervon ist das Aufeinanderprallen des freien Zugangs zu Behördeninformationen im Europarecht und des Grundsatzes der beschränk­ ten Aktenöffentlichkeit im nationalen Verwaltungsrecht.323 Rossi (Fußn. 248), 66, Fußn. 266. (Fußn. 248), 67, Fußn. 274: Gröschner / Masing, Transparente Verwal­ tung, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer: VVD­ StRL 63 (2004), 344, 358 ff. 318  BVerfG v. 20.07.1954, 1 BvR 459 / 52 u. a., BVerfGE 4, 7, 17. 319  Gurlit (Fußn. 168), 1121. 320  Schoch (Fußn. 254), 172 m. w. N. in Fußn. 54–56. 321  Schoch (Fußn. 254), 173. 322  Schoch (Fußn. 254), 175. 323  Schoch (Fußn. 254), 186, Fußn. 130: Vgl. hierzu Anhang (Nr. 17) zur Schluss­ akte vom 7. Februar 1992 zum EU-Vertrag von Maastricht in der „Erklärung zum 316  Vgl.

317  Rossi



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe83

In den Referenzgebieten der Informationsgesellschaft lässt sich die Ablö­ sung der „Erfüllungsverantwortung“ durch die „Gewährleistungsverantwor­ tung“ am Beispiel der Privatisierung des Telekommunikationswesens deut­ lich nachweisen. Ebenso unübersehbar ist der Zwang, das nationale Verwal­ tungsrecht insgesamt in dem größeren Zusammenhang des Europarechts und des Völkerrechts zu sehen.324 Unter dem Einfluss des Rechts der Europäi­ schen Union, insbesondere durch die von völkerrechtlichen Verträgen, na­ mentlich der Aarhus-Konvention, wurden die Umweltinformationsgesetze und die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Verwaltungsver­ fahren Bestandteil des nationalen Verwaltungsrechts. Auch Verbraucher­ schutz durch Informations- und Warnpflichten zählen hierzu. Mittlerweile vollzieht sich mit allgemeinen Informationsfreiheits- und Transparenzgeset­ zen bzw. dort, wo der Gesetzgeber selbst nicht tätig wird, mit kommunalen Informationsfreiheitssatzungen, ein grundlegender und rechtsformunabhän­ giger Wandel hin zur „gläsernen Verwaltung“,325 an dessen Ende allerdings nicht der „gläserne Bürger“326 stehen darf. Insgesamt ist das Recht der Informationsbeziehungen durch das Prinzip der Freiheit geprägt. Grundrechtsschutz genießen sowohl die Rezipienten als auch die Anbieter von Informationen, wo die Freiheit des Informations­ flusses dem Marktmodell anvertraut wird. Information als Bedingung per­ sönlicher Freiheitsentfaltung sowie als politische und wirtschaftliche Hand­ lungsvoraussetzung wird immer häufiger unter Wettbewerbsbedingungen erzeugt, verteilt und genutzt.327 Wettbewerbsbedingungen beherrschen in zunehmendem Maß auch presserechtliche Auskünfte der Medien gegenüber Behörden bei Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Informations- und Kontrollfunktion mit nicht zu übersehenden Gefahren für den Schutz per­ sönlicher Daten der von einer bloßen Verdachtsmeldung betroffenen Priva­ ten einschließlich der Berufsträger im öffentlichen Dienst.328 Für die informationsgewährende Verwaltung selbst ist nach herrschender Auffassung das Verhältnis zwischen Publizität und Opazität immer noch vom traditionellen nationalen „Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlich­ keit“ geprägt, der Umfang und Grenzen der Informationszugangsfreiheit für Recht auf Zugang zu Informationen“, ABl. EG 1992, C 191, S. 101): „Die Konfe­ renz ist der Auffassung, dass die Transparenz des Beschlussverfahrens den demokra­ tischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt.“ 324  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 407. 325  Gurlit, Europa auf dem Weg zur gläsernen Verwaltung?, ZRP 1989, 253 ff. 326  Caspar, Informationsfreiheit, Transparenz und Datenschutz, DÖV 2013, 371, 375. 327  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 410, Fußn. 19: Schoch (Fußn. 254), 188. 328  Siehe hierzu Kapitel 5 Abschnitt A. II. 4.

84

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

nicht allgemein zugängliche Informationsquellen, namentlich Dokumente der Verwaltung, bestimmt329 und damit Zugang zu staatlichen Informationen grundsätzlich nur Verfahrensbeteiligten eröffnet (vgl. § 29 VwVfG, § 100 VwGO).330 Die Informationsgesellschaft ist keine staatsferne Gesellschaft.331 Sie ist auch keineswegs nur eine Privatrechtsgesellschaft.332 Zur Freiheit treten, sie absichernd aber in gewisser Weise auch einschränkend, staatliche Schutzpflichten.333 Auch in einem vom Grundsatz der Öffentlichkeit ge­ prägten Staat kann der Informationsfluss angesichts der Sensibilität vieler Informationen nicht grenzenlos gewährleistet werden. Gleichsam spiegel­ bildlich zu Regelungen über den Informationszugang muss die Rechtsord­ nung daher Informationsrestriktionen vorsehen und so den notwendigen Schutz personenbezogener Daten sowie von Geheimnissen und staatlichen Geheimhaltungsinteressen in der Informationsordnung sicherstellen.334 Ge­ heimhaltung ist allerdings rechtfertigungsbedürftig und die gegenläufigen Ziele müssen zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.335 Das Informationsdreieck Bürger-Verwaltung-Wirtschaft ist gekennzeich­ net durch verschiedene gegenläufige Interessen, z. B.: – Informationszugang versus Geheimnisschutz – Wirtschaftliche Verwertung von Information versus öffentlicher Informa­ tionsauftrag – Informationszugang versus Verwaltungseffizienz – Datensicherheit versus Sicherheitsinteressen. Jeder dieser drei Akteure will seine eigenen Daten schützen, möglichst viel Information erlangen und möglichst ungehindert bestimmte Informatio­ nen weitergeben, was zu einer ungemein komplexen Regelungssituation führt.336 Die staatliche Rahmenverantwortung zur Sicherung individueller Freiheit in der Informationsgesellschaft verlangt nach einem „Schutzpflichtkon­ zept“,337 um die Voraussetzungen individueller Freiheit zu schaffen und zu 329  Rossi

(Fußn. 248), 20. (Fußn. 249), 73, Fußn. 157. 331  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 410, Fußn. 20: Trute (Fußn.  314), 266 f. 332  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 411. 333  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 410, Fußn. 21: Schoch (Fußn.  254), 206 ff. 334  Stohrer (Fußn. 249), 35, Fußn. 61: Kloepfer, Die transparente Verwaltung 2003, 9. 335  Stohrer (Fußn. 249), 35, Fußn. 62: Kloepfer (Fußn.  302), 224 ff. 336  Voßkuhle (Fußn. 265), 362. 337  Schoch (Fußn. 254), 206, Fußn. 237 m. w. N. 330  Stohrer



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe85

erhalten, wobei sie sogleich auf kollidierende Freiheitsrechte Dritter stößt und vor schwierigen verfassungsrechtlichen Abwägungsproblemen steht.338 Öffentlichkeit ist nicht Selbstzweck. „Es ist das ausgeklügelte, hochkom­ plexe und wohlaustarierte Wechselspiel von Inklusions- und Exklusionsme­ chanismen, welches einerseits den Akteuren – Staat, Gesellschaft, Indivi­ duum – einen (Rückzugs-)Raum der Selbstbestimmung und Selbstdarstel­ lung sichert, andererseits aber offen ist für Anpassungen an die sich ver­ ändernde Umwelt.“339 Neben der noch immer bestehenden Tendenz zur Privatisierung existiert in jüngerer Zeit auch eine erkennbare Tendenz zu neuer (Re-)Publifizierung. „Öffentlichkeit“ kann als „Steuerungsressource“ vielfältig genutzt wer­ den. Hierzu trägt insbesondere das Europarecht bei.340 Die deutsche Rechts­ ordnung sollte, darauf weist insbesondere Schoch zu Recht hin, im Sinne der Transparenz im Exekutivbereich den Anschluss an die europäische Entwicklung finden.341 3. Transparenz als Ziel von Publizität in Staat und Gesellschaft Die Diskussion um die Gewährleistung eines allgemeinen Informations­ zugangsrechts zu den von der öffentlichen Verwaltung genutzten Daten wird unter der Begrifflichkeit „Transparenz“ geführt.342 Sie hat ihren Ausgangs­ punkt im „demokratischen Defizit“ der Europäischen Gemeinschaft genom­ men, die mit einem „Europa der Bürger“343 die „Akzeptanzkrise“ durch Offenlegung von Zuständigkeits-, Entscheidungs- und Verantwortungsstruk­ turen überwinden wollte.344 Von seinen zwei Bedeutungen steht die politisch-juristische Verwendung von Transparenz als „Verstehbarkeit, Deutlichkeit und Erkennbarkeit“ ge­ genüber „Durchsichtigkeit, Durchscheinen“ im Vordergrund. 338  Schoch (Fußn. 254), 206, Fußn. 239: Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kon­ trolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, Gegen­ rede: Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit; Festschrift für Ernst Gottfried Mahren­ holz, 1994, 541, 544. 339  Jestaedt (Fußn. 111), 242. 340  Schoch (Fußn. 254), 211. 341  Schoch (Fußn. 254), 201. 342  Rossi (Fußn. 248), 77, Fußn. 304: Bäumler, Normenklarheit als Instrument der Transparenz, JR 1984, 361, 363. 343  Rossi (Fußn. 248), 77, Fußn. 305: Oppermann, Europarecht 2.  Aufl. 1999, Rdnr. 1548 ff. 344  Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas 2001, 500 ff.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Während sich im Unionsrecht der Begriff der Transparenz überwiegend auf die Gesetzgebung bezieht, wird er in der innerdeutschen Diskussion in erster Linie im Zusammenhang mit der Verwaltung verwendet.345 Gröschner346 bezeichnet Transparenz als jüngere Schwester der Publizität mit dem Unterschied, dass diese sich demokratisch (bzw. republikanisch), jene sich dagegen rechtsstaatlich legitimiere. „Rechtsstaatliche Transparenz zielt auf Legalität staatlichen Handelns, demokratische Allgemeinheit auf seine Legi­ timation und republikanische Publizität auf seine Legitimität.“ Rossi will den Begriff Transparenz ausschließlich im Zusammenhang mit dem freien Infor­ mationszugang zur Verwaltung verwenden, während er „Öffentlichkeit“ für Parlamentsdebatten und Gerichtsverhandlungen reservieren will.347 Transparenz spielt nicht nur bei Entscheidungsprozessen innerhalb von Verwaltungsorganen im Spannungsfeld zu Amts- und Dienstgeheimnissen eine Rolle, sondern auch im Spannungsverhältnis der Verschwiegenheits­ pflichten von Organen öffentlicher Unternehmen zur Steuerungs- und Kon­ trollaufgabe ihrer Trägerkörperschaft. Transparenz ist ein aber auch indirektes Steuerungselement, das auf Kon­ trolle und Partizipation durch den Bürger als Souverän, aber auch auf eine wirtschaftliche Nutzung der Information und auf gute Verwaltungspraxis zielt und diese Ziele auch ermöglichen soll.348 Dabei hat Kontrolle durchaus unterschiedliche Zielrichtungen. Der altfranzösische Begriff „contre-rôle“ meint eine retrospektive Überprüfung bereits abgeschlossener Vorgänge, während das englische Wort „control“ prospektiv im Sinne von steuern, lenken, beeinflussen wirkt.349 Hierbei steht die Partizipationsfunktion des Bürgers im Vordergrund, die auf Förderung der demokratischen Meinungsund Willensbildung zielt, da nach der Rechtsprechung des BVerfG die Kommunikationsgrundrechte für eine freiheitliche Demokratie „schlechthin konstituierend“ sind.350 Damit wird die Kontrolle der Verwaltung nicht mehr nur Abgeordneten, Gemeinderäten, Aufsichtsbehörden, Rechnungshö­ 345  Rossi (Fußn. 248), 78, Fußn. 313: Roßnagel, Möglichkeiten für Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000, 257, 264 ff. benutzt ihn als Synonym für Öffentlichkeit. 346  Gröschner / Masing (Fußn. 317), 346. 347  Rossi (Fußn. 248), 79. 348  So auch Rossi (Fußn. 248), 93. 349  Rossi (Fußn.  248), 98 f. 350  BVerfG v. 15.01.1958, 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198, 208; BVerfG v. 19.07.1966, 2 BvE 1 / 62 u. a., BVerfGE 20, 119, 97; BVerfG v. 03.10.1969, 1 BvR 46 / 65, BVerfGE 27, 71, 81; BVerfG v. 23.02.1983, 2 BvR 1765 / 82, BVerfGE 63, 230, 247; BVerfG v. 03.12.1985, 1 BvL 15 / 84, BVerfGE 71, 206, 219 f.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe87

fen oder Medien überlassen. Der Bürger selbst wird zum Kontrolleur des Kontrolleurs. „Quis custodiet ipsos custodes?“351 Vor allem dort, wo parlamentarischer Steuerungsverlust durch Privatisie­ rung ehemals staatlicher Aufgaben oder durch Beteiligung Privater an der Aufgabenwahrnehmung entsteht, wo sich Kontrolle bei organisationspriva­ tisierter Verwaltungstätigkeit nach Maßgabe des Gesellschaftsrechts voll­ zieht und in tatsächlicher Hinsicht nicht selten am Maßstab des Erfolgs wirtschaftlicher Betätigung gemessen wird, schafft Partizipation der Bürger eine zusätzliche transparente Kontrollebene für die Recht- und Ordnungs­ mäßigkeit des Handelns. Der Bürger als Souverän kann allerdings die Kon­ trollaufgaben der dazu berufenen Organe mittels kollektiver Korrekturins­ trumente (Bürgerbegehren, Bürgerentscheid), möglicherweise auch durch individuelle Einwirkungsrechte, nur ergänzen, um eine Überschreitung der mit dem Wahlrecht nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verliehenen Legitimation zu verhindern oder deren Fehlgebrauch insbesondere bei erwerbswirtschaft­ licher unternehmerischer Betätigung zu unterbinden. Nicht umfassende Transparenz sichert die Kontrolle öffentlicher Macht, schon ihre Androhung genügt.

II. Kommunale Unternehmen und Unternehmer 1. Die verschiedenen Unternehmensbegriffe a) Betriebswirtschaftliche Merkmale eines Unternehmens In der Betriebswirtschaft ist ein Unternehmen ein spezieller Betriebstyp in marktwirtschaftlichen Systemen. Nach der traditionellen Definition von Erich Gutenberg352 sind konstitutive Merkmale des Unternehmens das er­ werbswirtschaftliche Prinzip, nämlich das Streben nach Gewinn, das Prinzip des Privateigentums und das Autonomieprinzip (Selbstbestimmung des Wirtschaftsplans).353 Daneben existieren jedoch weitere betriebswirtschaftliche Unternehmens­ begriffe. So begründete Erich Kosiol 1972 einen Unternehmensbegriff,354 der gegenüber Gutenberg, dem Nestor der deutschen Betriebswirtschafts­ 351  Rossi (Fußn. 248), 277, Fußn. 215: nach Decimus Iunius Iuvenalis, Satiren IV-347. 352  Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theo­ rie 1929, Aufl. 1998. 353  Domschke / Scholl, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre 4. Aufl. 2008, 5. 354  Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum 1972, pas­ sim.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

lehre,355 sehr viel weiter gefasst ist. Er zählt die Fremdbedarfsdeckung über den Markt, die wirtschaftliche Selbstständigkeit im Sinne finanzieller Eigen­ ständigkeit und unternehmerischer Entscheidungsfreiheit sowie die Über­ nahme eines Marktrisikos zu den konstitutiven Unternehmensmerkmalen. Damit gelten für Kosiol auch solche Betriebe als Unternehmen, die nicht in Privateigentum stehen und die nicht dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip folgen.356 Derartige Unternehmen werden in der modernen betriebswirtschaftlichen Literatur als Non-Profit-Unternehmen bezeichnet. Man unterscheidet wirt­ schaftliche Non-Profit-Unternehmen, soziokulturelle Non-Profit-Unterneh­ men, politische Non-Profit-Unternehmen und karitative Non-Profit-Unter­ nehmen. Da die Abkehr vom erwerbswirtschaftlichen Prinzip mit den meisten traditionellen Unternehmensbegriffen nicht vereinbar ist, wird in diesem Kontext häufig auch der Begriff „Non-Profit-Organisation“357 ver­ wendet. b) Die Rechtsbegriffe des Unternehmens und des Unternehmers Im deutschen Recht wird traditionell zwischen dem Unternehmen und seinem Träger, dem Unternehmer, differenziert.358 Seit ins Bürgerliche Gesetzbuch der Begriff des Unternehmers als Legal­ definition in § 14 Abs. 1 BGB eingefügt worden ist,359 versteht man allge­ mein unter dem Unternehmer eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsge­ schäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Aus Sicht des BGB kommt es mithin darauf an, dass die gewerbliche oder selbständige Tätigkeit bei Rechtsgeschäften im Vorder­ grund steht. Bei der Definition hat sich der Gesetzgeber vom Unternehmer­ begriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz360 leiten lassen, wonach 355  Reese / Steven, Erich Gutenbergs Theorie der Unternehmung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft-Ergänzungsheft 5 / 2008, VII. 356  Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre 16. Aufl. 2003, 24. 357  Vahs / Schäfer-Kunz, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre 6.  Aufl. 2012, 6. 358  Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft 2002, 10. 359  Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S. 897). 360  Vgl. die gleichlautende aktuelle Fassung des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vom 21.02.2005 (BGBl. I. S. 386), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.05.2012 (BGBl. I S. 1030).



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe89

Unternehmer ist, „wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstän­ dig ausübt“. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG umfasst das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Dadurch werden auch Unternehmen wie Anstalten des öffentlichen Rechts erfasst, die keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen. Die rechtliche Einordnung der Non-Profit-Unternehmen steht insoweit auch im Einklang mit der betriebswirtschaftlichen Sichtweise.361 Dieser institutionelle Unternehmensbegriff beinhaltet eine formelle und eine materielle Komponente.362 In formeller Hinsicht wird das Bestehen einer zumindest faktisch ver­ selbstständigten Organisationseinheit zur Verfolgung eigenständiger wirt­ schaftlicher Ziele verlangt.363 Materiell muss sich die Tätigkeit auf den weit auszulegenden Bereich der Wirtschaft im Sinne des Art. 74 Nr. 11 GG364 beziehen, auf die Befriedigung der materiellen Lebensbedürfnisse gerichtet sein und sich am Prinzip der wirtschaftlichen Rationalität365 ausrichten.366 Das Recht der Europäischen Union ist durch eine eigenständige Begriff­ lichkeit gekennzeichnet. Dies gilt auch für den wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriff.367 Dieser umfasst die Ausübung einer konkreten wirt­ schaftlichen, d. h. marktbezogenen Verhaltensweise, unabhängig von deren 361  Wikipedia, Unternehmen, http: /  / de.wikipedia.org / wiki / Unternehmen#cite_no te-Sch.C3.A4fer8-11, zuletzt geprüft am 01.05.2013. 362  Mann (Fußn. 358), 10. 363  Mann (Fußn. 358), 10, Fußn. 24: Wenger, Die öffentliche Unternehmung 1969, 292. 364  Mann (Fußn. 358), 11, Fußn. 29: offengelassen von BVerfG v. 12.12.1984, 1 BvR 1249 / 83 u. a., BVerfGE 69, 319, 331. 365  Zum Begriff der wirtschaftlichen Rationalität Gröpl, § 7 BHO / LHO, in: Gröpl (Hg.), Bundeshaushaltsordnung, Landeshaushaltsordnung (BHO / LHO), Staat­ liches Haushaltsrecht; Kommentar, 2011, Rdnr. 9: Das Rationalitätsprinzip gründet sich auf die Gemeinwohlverpflichtung des Staates, die ihn nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG zum Dienst am Menschen anhält und nicht umgekehrt den Menschen zum Dienst am Staat (vgl. BVerfG v. 21.09.1976, 2 BvR 350 / 75, BVerfGE 42, 312, 332; BVerfG v. 08.08.1978, 2 BvL 8 / 77, BVerfGE 49, 89, 132). 366  Mann (Fußn. 358), 11, Fußn. 30: Janson, Rechtsformen öffentlicher Unterneh­ men in der Europäischen Gemeinschaft 1980, 20 f.; Püttner, Die öffentlichen Unter­ nehmen 2. Aufl. 1985, 30; Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht 2008, 118 ff. 367  Art. 101  ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) – Konsolidierte Fassung (ABl. EU Nr. C 115 vom 09.05.2008, S. 1).

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Trägerschaft und von einer Gewinnerzielungsabsicht368; das gilt auch für die das Wettbewerbsrecht flankierenden Regelungen des Beihilfe- und des Ver­ gaberechts, die auf die Gewährleistung eines fairen, diskriminierungsfreien und die Grundfreiheiten sichernden transparenten Regelungskonzepts zielen. Die Einstufung einer organisatorischen Einheit als Unternehmen hängt da­ mit im Unionsrecht vollständig von der jeweiligen Art ihrer Tätigkeit ab.369 Ein Unternehmen kann dabei nach einzelstaatlichem Recht auch ein Ver­ ein oder ein Verband (z. B. ein Wohlfahrtsverband), aber auch eine Gebiets­ körperschaft sein, die in einer „Doppelqualifikation“ neben ihrer Funktion als Hoheitsträger auch als Unternehmen auftreten kann, wenn und soweit sie in einer Wettbewerbsbeziehung zu anderen Unternehmen steht.370 Das vom Unionsrecht mitgeprägte nationale Wirtschaftsrecht ist, anders als das Organisations- und Gesellschaftsrecht, nicht an Rechtsformen, sondern an Inhalten (antikompetitiven „effects“) orientiert.371 Deshalb findet sich dieser funktionale Unternehmensbegriff auch im nationalen Wettbewerbsrecht des UWG372 und im Kartellrecht des GWB373 sowie im aktienrechtlichen Kon­ zernrecht374 wieder, das für übergeordnete und untergeordnete Unternehmen 368  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer, Studie „Die Gestaltung kommunaler Daseinsvorsorge im Europäischen Binnenmarkt“ Februar 2010, 32, Fußn. 93: Ständige Rechtsprechung vgl. EuGH v. 23.04.1991, C-41 / 90, Slg. 1991, I-01979, Rdnr. 21; EuGH v. 19.05.1993, C-320 / 91, Slg. 1993, I-02533, Rdnr. 8; EuGH v. 12.09.2000, C-180 / 98 u. a., Slg. 2000, I-06451. 369  Mitteilung der Kommission Nr.  2012 / C 8 / 02, ABl. EU vom 11.01.2012 C 8, S. 4, 5. 370  Vgl. BGH v. 26.10.1961, KZR 1 / 61, BGHZ 36, 91, 101 f.; BGH v. 22.03.1976, GSZ 1 / 75, BGHZ 66, 229, 89; BGH v. 23.10.1979, KZR 22 / 78, NJW 1980, 1046; BGH v. 14.03.1990, KVR 4 / 88, BGHZ 110, 371, 380 in Übereinstimmung mit Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen 1969, 280 ff.; Scholz, Wettbewerb der öffentlichen Hand – Sanktions- und Rechtswegprobleme zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht, NJW 1974, 781. 371  Säcker, Die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle über Wasserpreise und Wassergebühren, NJW 2012, 1105, 1106. 372  Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.03.2010 (BGBl. I S. 254), zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.10.2013 (BGBl. I S. 3714). 373  Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntma­ chung vom 26.06.2013 (BGBl. I S. 1750). 374  Vgl. hierzu ausführlich Zöllner, Zum Unternehmensbegriff der §§ 15 ff. AktG, ZGR 1976, 1, 17, 32, der für den Unternehmensbegriff des Mehrheitsaktionärs im Sinne des Konzernrechts neben einer bestimmenden Einflussnahme als Mehrheitsak­ tionär auch dessen eigenständige unternehmerische (wirtschaftliche) Betätigung au­ ßerhalb der Gesellschaft fordert. Auch im Übrigen ist nicht von einem einheitlichen, sondern einem im jeweiligen Sachzusammenhang unterschiedlichen funktionalen Unternehmensbegriff des Aktienrechts (vgl. §§ 23 Abs. 3 Nr. 2, §§ 31, 32 Abs. 2 Nr. 3, 39 Abs. 1 AktG) auszugehen.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe91

unterschiedliche Unternehmensbegriffe verwendet375 und auch Gebietskör­ perschaften als „herrschende Unternehmen“ kennt.376 Eine juristische Person des öffentlichen Rechts selbst bewegt sich bereits im Bereich der unterneh­ merischen Berufs- und Gewerbeausübung, wenn sie sich durch ihre Einrich­ tungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit ausübt, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet.377 Im Konzernrecht schließlich fallen unter den Begriff des Unternehmens alle Anteilseigner einer Aktiengesellschaft oder GmbH, bei denen zusätz­ lich zu ihrer Beteiligung an der Gesellschaft „eine wirtschaftliche Interes­ senbindung außerhalb der Gesellschaft“ hinzukommt, die stark genug ist, um die ernste Besorgnis zu begründen, der Aktionär oder Gesellschafter könnte um ihretwillen seinen Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft gel­ tend machen.378 Bei derart abhängigen Unternehmen sollen die konzern­ rechtlichen Vorschriften der §§ 291 ff. AktG Minderheitsgesellschafter und Gläubiger schützen und dadurch die Interessen des abhängigen Unterneh­ mens wahren.379 Der BGH hat in seiner VEBA / Gelsenberg-Entscheidung380 dieses Sonderrecht der Konzerne auch auf die öffentliche Hand angewen­ det, weil ein vergleichbarer Konzernkonflikt bestehe, soweit diese durch beherrschenden Einfluss Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern Scha­ den zufügen könne. Der weite, jedes relevante marktbezogene und alle Facetten wirtschaftli­ cher Tätigkeit oder geschäftlichen Handelns umfassende Unternehmensbe­ griff unabhängig von der jeweiligen Organisations- und Handlungsform ist auch für die Beurteilung der Rechtsfragen des kommunalen Unternehmens­ rechts von Bedeutung. Er bedarf jedoch im Hinblick auf die spezifischen 375  Maier-Reimer, in: Henssler / Strohn (Hg.), Gesellschaftsrecht, 2011, § 15 AktG, Rdnr. 2 ff. 376  Grundlegend: BGH v. 13.10.1977, II ZR 123 / 76, BGHZ 69, 334, 338 ff.; BGH v. 17.03.1997, II ZB 3 / 96, BGHZ 135, 107, 115; BGH v. 03.03.2008, II ZR 124 / 06, BGHZ 175, 365, 368: mittlerweile herrschende Meinung. 377  BFH v. 12.07.2012, 1 R 106 / 10, Gemeindekasse 2012, 544, 545 – Kinderta­ gesstätte als Betrieb gewerblicher Art (BgA), auch wenn Kindertagesstätten dem Bildungsbereich zuzuordnen sind und nach der bisherigen Auffassung im Sinne des Unionsrechts keine Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) erbringen (vgl. Sonder / Bühner, Die neuen Regelungen des EU-Beihilfen­ rechts über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse („Almunia“Paket), BayVBl 2013, 296, 298). 378  Mann, § 46 Kapitalgesellschaften, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 232 f. 379  Möller, Die rechtliche Stellung und Funktion des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen 1999, 248. 380  BGH v. 13.10.1977, II ZR 123 / 76, BGHZ 69, 334, 336 ff.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Inhalte, die „öffentliche“ und insbesondere „kommunale Unternehmen“ kennzeichnen, und in Bezug auf die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen einer Präzisierung. 2. Öffentliche Unternehmen im nationalen und europäischen Recht In der deutschen Rechtsordnung wird auch der Begriff des „öffentlichen Unternehmens“, der auf eine Sonderstellung des Staates und staatlicher Untergliederungen einschließlich der Kommunen in einer primär privatwirt­ schaftlich geprägten Wirtschaftsordnung hinweist, keineswegs einheitlich verwendet.381 Die jeweiligen Gesetzgeber im Bund382 und die Verfassungen einzelner Länder383 wie auch das rechtswissenschaftliche, betriebswirt­ schaftliche und sozialwissenschaftliche Schrifttum384 verwenden hierfür zum Teil divergierende Bezeichnungen. Der Begriff des öffentlichen Unternehmens wird einerseits in Abgrenzung zur allgemeinen öffentlichen Verwaltung, deren nicht wirtschaftenden Ein­ richtungen und reiner Vermögensverwaltung, andererseits zur Unterschei­ dung von wirtschaftlicher Betätigung des Staates und seiner Untergliederun­ gen von unternehmerischer Tätigkeit Privater verstanden. Der primäre formale Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen liegt in der unterschiedlichen Person dessen, der die Unter­ nehmerstellung einnimmt, also das wirtschaftliche Risiko trägt und die Di­ rektionsgewalt ausübt. Damit sind nicht nur organisatorisch verselbststän­ digte Einheiten als Unternehmen im institutionellen Sinn zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben „öffentliche Unternehmen“, sondern als Unternehmen im funktionalen Sinne auch die Körperschaften des öffentlichen Rechts selbst, soweit sie als Betriebe gewerblicher Art (BgA) im Umsatz-, Körper­ 381  Mann

(Fußn. 358), 5. beispielsweise „wirtschaftliche Unternehmen“ in § 19 Satz 2 StabG vom 08.06.1967 (BGBl. I S. 582), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31.10.2006 (BGBl. I 2407, ber. 2007 I, S. 2149) oder „öffentlich-rechtliche Unternehmen“ in § 12 Abs. 1 BDSG in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.01.2003 (BGBl. I S. 66), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.08.2009 (BGBl. I 2814) oder „Unternehmen, die ganz oder überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr ver­ waltet oder betrieben werden“ in § 130 Abs. 1 Satz 1 GWB. 383  Vgl. Art. 57 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Bayern: „Gesellschaften, bei denen der überwiegende Einfluss des Staates sichergestellt ist“ oder Art. 34 Abs. 2 Satz 2 Niedersächsische Verfassung: „Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist“. 384  Mann (Fußn. 358), 7 m. w. N. in Fußn. 7 und 8: Vgl. z. B. „öffentliche Wirt­ schaftsbetriebe“ oder „Wirtschaftseinheiten“. 382  Vgl.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe93

schafts- und Kapitalertragssteuerrecht tätig sind, als „herrschendes Unter­ nehmen“ zur Erfüllung des öffentlichen Zwecks385 Aufgaben der Konzern­ steuerung386 für Beteiligungsunternehmen wahrnehmen387 und ggf. sogar eine öffentliche Konzernrechnungslegung nach §§ 300 bis 309 HGB bzw. nach §§ 11 ff. PublG388 erfordern,389 als marktbeherrschende Grundstücksei­ gentümer kartellrechtlicher Missbrauchskontrolle nach dem GWB unterlie­ gen oder bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben marktbezogen geschäftliche Handlungen vornehmen und hierbei dem Lauterkeitsrecht des UWG in be­ sonderer Weise unterworfen sind.390 Neben den formalen Abgrenzungskriterien einer organisatorischen Ver­ selbstständigung gegenüber dem hoheitlichen Aufgabenträger der allgemei­ nen Verwaltung, die den institutionellen Unternehmensbegriff kennzeichnen, sind es damit vor allem funktionale Anforderungen, die den Begriff des „öffentlichen“ Unternehmens prägen. Die von den Wirtschafts- und Sozial­ wissenschaften entwickelte Lehre, dass öffentliche Unternehmen in der so­ zialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland nur dann eine Existenzberechtigung besitzen, wenn sie öffentliche Aufgaben erfüllen,391 ist auch von der Verwaltungswissenschaft adaptiert worden.392 Unter „öf­ fentlichen Aufgaben“ sind in diesem Zusammenhang jene Aufgaben zu verstehen, die als Modalitäten des „öffentlichen Zwecks“ öffentlichen Un­ ternehmen ihre Daseinsberechtigung verleihen.393 Damit unterfallen Tätig­ keiten auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge, aber auch Dienstleistungen auf den Gebieten der Kultur und des Sozialwesens, wie Museen, Volkshoch­ schulen oder kommunale soziale Einrichtungen, jedenfalls dann dem Unternehmensbegriff,394 wenn nicht die Ausübung öffentlicher Gewalt, sondern unabhängig von der organisatorischen Rechtsform oder der Hand­ 385  Mann

(Fußn. 378), 233. Die Kommune als Konzern – Einführung in die Thematik, VBlBW 2010, 1: als „Konzern Stadt“. 387  BGH v. 03.03.2008, II ZR 124 / 06, BGHZ 175, 365 und inzwischen herr­ schende Meinung in der Literatur: Maier-Reimer (Fußn. 375), Rdnr. 7. 388  Publizitätsgesetz vom 15. August 1969 (BGBl. I S. 1189), zuletzt geändert durch Gesetz vom 04. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3746). 389  Zwirner / Busch / Hartmann, Konzernrechnungslegung beim Bund?, Der Kon­ zern 2013, 198, 202, Fußn. 27: Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren, Reform des Gemeindehaushaltsrechts, Gemeindehaushalt 2004, 97. 390  Im Einzelnen unten Kapitel 2 Abschnitt B. II. 3. 391  Diese sog. Instrumentalfunktion öffentlicher Unternehmen zur Erfüllung öf­ fentlicher Zwecke geht maßgeblich auf Thiemeyer / Thiemeijer, Wirtschaftslehre öf­ fentlicher Betriebe 1975, 28 und passim, zurück. 392  Mann (Fußn. 358), 14 m. w. N. in Fußn. 47. 393  Mann (Fußn. 358), 15. 394  A. A. Mann (Fußn. 358), 11. 386  Oebbecke,

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

lungsform, in der eine Aufgabe ausgeführt wird, geschäftliche Handlungen im tatsächlichen oder auch nur potenziellen Wettbewerb mit Privaten395 im Vordergrund stehen. Für die Unternehmenseigenschaft der öffentlichen Hand kommt es deshalb darauf an, ob sich aus der speziellen Aufgabenstellung, insbesondere der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks oder Interesses, ein potenzieller Konflikt mit erwerbswirtschaftlichen Interessen ergeben kann.396 Vor allem das Recht der Europäischen Union beeinflusst den nationalen Begriffsinhalt, indem es den Begriff des „öffentlichen Unternehmens“ funktional versteht und mit einem besonderen staatlichen Einfluss auf den wett­ bewerbsgeprägten Binnenmarkt verbindet. Das Unionsrecht hat den Begriff in der Transparenzrichtlinie definiert und versteht darunter „jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand auf­ grund des Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Be­ stimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss ausüben kann“.397 Maßgebend ist damit der beherrschende Einfluss des Mitgliedstaates oder seiner Gebietskörper­ schaft.398 Unter der „öffentlichen Hand“ sind alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts (unter Ausschluss der Religionsgesellschaften nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV) in ihrer Eigenschaft als Unternehmens­ träger zu verstehen, soweit sie beherrschenden Einfluss ausüben.399 Durch das europäische Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberecht werden öffentliche Unternehmen in mehrfacher Hinsicht zur Gleichstellung im Wett­ bewerb mit Privaten zusätzlichen Anforderungen unterworfen, die sich als wirksame Schranken staatlicher Handlungsbefugnisse im Markt erweisen. Die Wettbewerbsregeln des Unionsrechts gelten auch für die als „Dienst­ leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ bezeichneten Auf­ gaben mitgliedstaatlicher marktbezogener Daseinsvorsorge, soweit dadurch die Aufgabenerfüllung öffentlicher Unternehmen nicht tatsächlich oder 395  BFH

v. 10.11.2011, V R 41 / 10, Gemeindekasse 2012, 225, 227. Die kommunalen Unternehmen im Lichte des GmbH-Konzernrechts, ZHR 152, 263, 268. 397  Art. 2 Abs. 1 Buchst. b) Richtlinie 2006 / 111 / EG der Kommission vom 16.11.2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mit­ gliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transpa­ renz innerhalb bestimmter Unternehmen (Transparenzrichtlinie), ABl. EU vom 17.11.2006 Nr. L 318, S. 17 (kodifizierte Fassung). 398  Ronellenfitsch, § 3 Verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Vorga­ ben, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 32, 43, Fußn. 52: EuGH v. 18.11.1999, C-107 / 98, Slg. 1999, I-08121; EuGH v. 11.05.2006, C-340 / 04, Slg. 2006, I-04137; EuGH v. 06.04.2006, C-410 / 04, Slg. 2006, I-03303. 399  Mann (Fußn. 358), 11. 396  Paschke,



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe95

rechtlich verhindert wird.400 Unionsrechtliche Vorgaben für Monopolbildung und Ausschließlichkeitsrechte beeinflussen Privatisierungs- und Liberalisie­ rungsentscheidungen öffentlicher Unternehmertätigkeit unmittelbar.401 Europäischem Beihilferecht können auch Ausgleichszahlungen für Ver­ pflichtungen von Unternehmen, die im Bereich der öffentlichen Dienste erbracht werden, unterliegen.402 Das grundsätzliche Verbot staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gewährter Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und dadurch den Han­ del zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, betrifft öffentliche Unterneh­ men sowohl als Begünstigte von Leistungen ihrer Träger als auch als eige­ ne Dienstleister gegenüber anderen Marktteilnehmern. Die hierzu entwickel­ te EuGH-Rechtsprechung403 und die Mitteilungen der Europäischen Kom­ mission im bisherigen Monti- und gegenwärtig geltenden Almunia-Paket stellen praxisbedeutsame Sonderregelungen für öffentliche Unternehmen und deren Träger dar.404 Europäischem Vergaberecht unterfallen öffentliche Unternehmen auch als sog. „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“405 in der Funktion als Auftrag­ geber, soweit sie zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allge­ meininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art, d. h. Daseinsvorsor­ geaufgaben, zu erfüllen.406 Soweit sie selbst Aufträge von ihrem Träger erhalten, sind diese unter Beachtung der Regelungen über „In-houseGeschäfte“407 und in der Form von sog. „Dienstleistungskonzessionen“408 vergaberechtsfrei. Gleiches gilt für die interkommunale Zusammenarbeit ausschließlich öffentlicher Aufgabenträger ohne Beteiligung privaten Kapi­ 400  Vgl.

Art. 106 Abs. 2 AEUV. hierzu die Ausführungen unter Kapitel 2 Abschnitt C. I. 3. 402  Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (ABl. EG Nr. C 17 vom 19.01.2001, S. 4), insbesondere Tz. 33 ff. 403  Insbesondere EuGH v. 24.07.2003, C-280 / 00, Slg. 2003, I-07747 (AltmarkTrans-Kriterien). 404  Vgl. hierzu die Darstellung unter Kapitel 2 Abschnitt C. II. 405  Art. 1 Abs. 9 Richtlinie 2004 / 18 / EG und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) Richtlinie 2004 / 17 / EG: Der Begriff ist im Hinblick auf das deutsche Recht missverständlich. Vgl. hierzu unten Kapitel 2 Abschnitt C. III. 1. Zur Neufassung siehe Fußn. 1648 und 1649. 406  Beispielhaft und ohne Verbindlichkeit sind in Anhang III zur bisherigen Richt­ linie 2004 / 18 / EG solche Einrichtungen als öffentliche Auftraggeber aufgeführt – vgl. EuGH v. 11.06.2009, C-300 / 07, Slg. 2009, I-04779, Rz. 40 ff.; zur Neufassung siehe Fußn. 1648. 407  Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2 Abschnitt C. III. 2. 408  Vgl. im Einzelnen Kapitel 2 Abschnitt C. III. 1. b) bb). 401  Vgl.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

tals409 oder für sektorenspezifische Vergaben wie beispielsweise zum Öf­ fentlichen Personennahverkehr.410 Auch für die mit dem Begriff der „öffentlichen Unternehmen“ verbunde­ nen Schranken, die der Gewährleistung von Diskriminierungsfreiheit und Transparenz sowie der Sicherung der Grundfreiheiten dienen, kommt es auf das konkrete Marktumfeld bei der Aufgabenerfüllung durch den Hoheitsträ­ ger selbst oder seine organisatorisch verselbstständigten Einheiten an. Dies gilt gleichermaßen für die von den Kommunen betriebenen und in unter­ schiedlichem Maße verselbstständigten öffentlich-rechtlich organisierten Einheiten sowie die Eigengesellschaften und Beteiligungen einschließlich der institutionalisierten Public-Private-Partnerschaftsmodelle, soweit ihnen die Eigenschaft als „kommunale Unternehmen“ zukommt. 3. Kommunale Unternehmen im institutionellen Sinne Auch die Definition des Begriffs „Kommunales Unternehmen“ bereitet Schwierigkeiten. Die jeweiligen Landesgesetzgeber verwenden in den Ge­ meindeordnungen und Kommunalverfassungen hierfür als Synonym teilwei­ se den Begriff „wirtschaftliche Betätigung“ für den „Betrieb von Unterneh­ men“ als Unterfall des zentralen Begriffs der „Öffentlichen Einrichtung“ einer Kommune für organisatorisch verselbstständigte Verwaltungseinhei­ ten.411 Eine Abgrenzung zu „nichtwirtschaftlicher Betätigung“ findet häufig unter Gesichtspunkten statt, die nahe an gesetzgeberische Willkür reichen, so dass einige Bundesländer, wie Bayern und Thüringen, diese Unterschei­ dung zu Recht ganz aufgegeben haben. Die jeweiligen landesrechtlichen Begriffsinhalte und die daran geknüpften Rechtsfolgen sind deshalb im Zusammenhang mit den von diesen Organi­ sationseinheiten wahrzunehmenden kommunalen Aufgaben der Leistungs­ verwaltung genauer zu analysieren.412 Der Begriff „kommunales Unternehmen“ stellt dabei in erster Linie auf die Rechtsform ab, in der eine Kommune eine Tätigkeit als öffentliche Unternehmerin oder durch öffentliche Unternehmen ausübt. Dies kann in öf­ fentlich-rechtlichen Organisationsformen durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Handlungsformen oder in den kommunalrechtlich zulässigen Organisationsformen des Privatrechts geschehen.

409  Vgl.

hierzu Kapitel 2 Abschnitt C. III. 3. hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt C. IV. 411  Westermann / Cronauge, Kommunale Unternehmen 5. Aufl. 2006, 32 f. 412  Kapitel 2 Abschnitt A. III. 1. b). 410  Vgl.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe97

a) Öffentlich-rechtliche Organisationsformen aa) Regiebetriebe und kostenrechnende Einrichtungen Der Regiebetrieb ist eine Organisationsform kommunaler Betätigung oh­ ne eigene Rechts- und Parteifähigkeit.413 Über das für die Definition als ein kommunales Unternehmen notwendige Ausmaß an organisatorischer Selbstständigkeit bestehen im Schrifttum un­ terschiedliche Auffassungen. Soweit für den kommunalen Unternehmensbe­ griff eine tatsächliche und inhaltliche organisatorische Verselbstständigung innerhalb der Gesamtverwaltung des kommunalen Trägers sowie die Erbrin­ gung und Erfüllung eines eigenständigen Verwaltungszwecks als entschei­ dend angesehen wird,414 werden damit Regiebetriebe als bloße „Abteilung der Kommunalverwaltung“415 generell ausgegrenzt. Dagegen bezeichnen Pitschas / Schoppa die Regiebetriebe als den öffentlich-rechtlichen „Arche­ typus der gemeindeeigenen Unternehmen“.416 Auch das BVerwG ordnet Regiebetriebe ohne selbstständige rechtliche Organisation, die von Bediens­ teten mit hoheitlichem Funktionsbereich mitverwaltet werden, als wirt­ schaftliche Unternehmen ein, soweit sie auch von einem Privatunternehmer mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden können.417 Es dürfte sich bei der Einstufung von Regiebetrieben als kommunale Unternehmen freilich kaum um mehr als ein Problem sachgerechter Terminologie handeln.418 Ob diese Rechtsform terminologisch zu den kommunalen Unternehmen zählt, hängt auch von der jeweiligen landesrechtlichen Ausgestaltung ab.419 Für die vorliegende Untersuchung ist es nicht nur sachgerecht, sondern unverzichtbar, Rechtsfragen der Publizität auf den jeweiligen Tätigkeitsfel­ dern der Kommune auch anhand der Organisationsform des Regiebetriebes, der als Unternehmensform das „untere Ende auf der Skala der Autonomie“ markiert,420 darzustellen. 413  Brüning, § 44 Regie- und Eigenbetriebe, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 150. 414  So Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 32. 415  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 34. 416  Pitschas / Schoppa, § 43 Kriterien für die Wahl der Rechtsform, in: Mann / Pütt­ ner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 135. 417  BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 333: Für den Verkauf von Bestattungsartikeln und Aufträge zur Leichenversorgung. 418  Zutreffend Hellermann, § 7 Handlungsformen und Handlungsinstrumentarien wirtschaftlicher Betätigung, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommuna­ le Unternehmen, 2012, 145. 419  Hellermann (Fußn. 418), 145; vgl. auch Art. 88 Abs. 6 BayGO.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen zum Regiebetrieb kennen unterschiedliche Gestaltungsvarianten, schreiben teilweise sogar die Füh­ rung nach kaufmännischen Grundsätzen der Doppik vor421 oder ermöglichen die Anwendung der Vorschriften über Eigenbetriebe.422 Auch bei Regiebe­ trieben als kostenrechnenden Einrichtungen423 kann das dem Unternehmens­ begriff immanente Mindestmaß an Autonomie durch die haushaltsrechtliche Verselbstständigung als Gebührenhaushalt gegenüber der allgemeinen Kom­ munalverwaltung gegeben sein, auch wenn sie organisatorisch in die allge­ meine Kommunalverwaltung eingebunden sind.424 420

Nach dem Grad der Einbindung in den kommunalen Haushalt wird zwi­ schen Bruttoregiebetrieben und Nettoregiebetrieben differenziert. Bei Brutto­ regiebetrieben erscheinen sämtliche Einnahmen und Ausgaben im Haushalts­ plan, während bei Nettoregiebetrieben, soweit diese haushaltsrechtlich als eigenbetriebsähnliche Einrichtungen zugelassen sind,425 nur der Zahlungs­ saldo als Überschuss- bzw. Zuschussbedarf im Haushaltsplan erscheint.426 420  Gaß, Die Umwandlung gemeindlicher Unternehmen 2003, 62, Fußn. 38: Janson (Fußn. 366), 151; Knemeyer (Hg.), Bayerisches Kommunalrecht 12. Aufl. 2007, 345, der für die Rechtslage in Bayern Regiebetriebe nur dann zu den kommunalen Unternehmen zählt, wenn sie nach den Vorschriften für Eigenbetriebe geführt wer­ den (vgl. Art. 88 Abs. 6 BayGO). 421  §  110 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) vom 17. Dezember 2010 (Nds. GVBl. 2010 S. 576), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2010 (Nds. GVBl. S. 279). 422  Art. 88 Abs. 6 BayGO i.  d. F. der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. 1998, S. 796), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.07.2012 (GVBl. S. 366), § 109 Abs. 4 Gesetz Nr. 788 – Kommunalselbstverwaltungsgesetz – KSVG – vom 15. Januar 1964 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1997 (Amtsbl. S. 682), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.02.2009 (Amtsbl. S. 1215). 423  Brüning (Fußn. 413), 151: Kostenrechnende Einrichtungen sind öffentliche Einrichtungen, die den Benutzern gegen eine auf kommunalem Abgabenrecht beru­ hende Benutzungsgebühr oder ein entsprechendes privatrechtliches Entgelt zur Ver­ fügung stehen. Sie stellen damit kein vom Regiebetrieb zu unterscheidendes Hand­ lungsinstrument der Kommunalwirtschaft dar, sondern erfassen ein Unternehmen der unmittelbaren Gemeindeverwaltung nur aus anderer, nämlich gebührenrechtlicher Sicht als „Gebührenhaushalt“. Vgl. Hellermann (Fußn. 418), 149; Beispiele hierzu sind Regiebetriebe, die kommunale Aufgaben der Abfallentsorgung oder der Abwas­ serbeseitigung erfüllen. 424  Brüning (Fußn. 413), 153. 425  Vgl. z. B. § 86 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung (GemO Rhl-Pf.) in der Fas­ sung vom 31. Januar 1994 (GVBl. 1994 S. 153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.10.2010 (GVBl. S. 319), § 129 Abs. 2 Nr. 10 Thüringer Gemeinde- und Land­ kreisordnung (Thüringer Kommunalordnung – ThürKO –) in der Fassung der Be­ kanntmachung vom 28. Januar 2003 (GVBl. 2003, 41), zuletzt geändert durch Ge­ setz vom 23.07.2013 (GVBl. S. 194). 426  Brüning (Fußn. 413), 152.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe99

Ob Regiebetriebe im Einzelfall als kommunale Unternehmen einzustufen sind, hängt nach der hier vertretenen Auffassung entscheidend davon ab, welche Aufgaben die Kommune mit ihnen erfüllt. Handelt es sich um bloße Beschaffungstätigkeiten427, um kommunale Hilfsbetriebe, wie etwa eine ausschließlich für die Kommune tätige Reparaturwerkstätte, um die unselb­ ständige Straßenreinigungsanstalt, die vorwiegend unter Sicherheitsaspekten die Reinigungspflicht auf stärker frequentierten Straßen für die Anlieger übernimmt oder um einen kommunalen Bau- und Betriebshof, der keinerlei Dienstleistungen gegenüber Dritten erbringt, so fehlt einem solchen Brutto­ regiebetrieb, auch wenn er als kostenrechnende Einrichtung ein gewisses Maß an formeller Selbstständigkeit bei Buchführungspflichten und in der Gebührenkalkulation gegenüber dem allgemeinen Kommunalhaushalt be­ sitzt, die Marktbezogenheit seiner Betätigung als konstitutives Element der Unternehmenseigenschaft. Regiebetriebe, die als kostenrechnende Einrichtungen kommunale ­Selbstverwaltungsaufgaben428 erfüllen, wie etwa Abfallwirtschaftsbetriebe, Schwimm- und Freizeitbäder, Bestattungs-429 und Tierkörperbeseitigungs­ einrichtungen430 oder Schlacht- und Viehhöfe können dagegen kommunale Unternehmen sein, soweit ihre Betätigung marktbezogen ist und damit Auswirkungen auf wirtschaftliche Tätigkeit privater Dritter besitzen kann. bb) Eigenbetriebe und gleichgestellte öffentliche Einrichtungen Im Gegensatz zum Regiebetrieb ist der Eigenbetrieb der herkömmlich431 zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen genutzte Organisationsty­ 427  Lux, § 10 Wettbewerbsrecht, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 269, 275 m. w. N. in Fußn. 11: Köhler, in: Köh­ ler / Bornkamm / Baumbach / Hefermehl (Hg.), Gesetz gegen den unlauteren Wettbe­ werb, 2012, § 2 UWG, Rdnr. 25. 428  Siehe hierzu Kapitel 2 Abschnitt A. II. und III. 429  BGH v. 19.06.1986, I ZR 54 / 84, GRUR 1987, 116; BGH v. 19.06.1986, I ZR 53 / 84, GRUR 1987, 119. 430  Siehe hierzu die Entscheidung des EuGH v. 20.11.2003, C-126 / 01, Slg. 2003, I-13769, zur Tierkörperbeseitigung und den Beschluss der Europäischen Kommis­ sion vom 25.04.2012 zur darauf gestützten Rückforderung von Beihilfen an den Zweckverband Tierkörperbeseitigung in Rheinland-Pfalz: http: /  / europa.eu / rapid /  press-release_IP-12-398_de.htm?locale=en, zuletzt geprüft am 20.05.2013. 431  Die kommunalverfassungsrechtliche Verankerung des Eigenbetriebs beruht auf der Deutschen Gemeindeordnung (DGO) vom 30.01.1935 (RGBl I, S. 49) und der Eigenbetriebsverordnung vom 21.11.1938 (RGBl. I S. 1650). In den einzelnen Bun­ desländern ist das Eigenbetriebsrecht inzwischen aber unterschiedlich ausgestaltet (vgl. Brüning (Fußn. 413), 159 m. w. N. in Fußn. 58 und 61).

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

pus432 und als Sondervermögen433 außerhalb der allgemeinen Verwaltung die Standardform eines öffentlich-rechtlich organisierten434 kommunalen Unternehmens ohne eigene Rechtspersönlichkeit.435 Wie bei den Regiebe­ trieben berechtigen und verpflichten sämtliche Rechtsgeschäfte, die Eigen­ betriebe abschließen, unmittelbar die Kommunen als deren Träger, die hierfür folglich unmittelbar und unbeschränkt haften.436 Die organisatorische Selbstständigkeit ergibt sich bei den Eigenbetrieben aus dem Vorhandensein eigener Organe, nämlich den Sonderverwaltungsorganen Werkleitung und Werkausschuss sowie den kommunalverfassungsrechtlichen Organen Ge­ meinderat und Bürgermeister.437 Teilweise werden auch öffentliche Einrichtungen der Erziehung, Bildung und Kultur, des Sports und der Erholung, der Sozial- und Jugendhilfe, des Gesundheitswesens, des Umweltschutzes, des Wohnungswesens und der Stadtentwicklung, für die auf Grund gesetzlicher Vorschriften Sonderrech­ nungen geführt werden, den Eigenbetrieben gleichgestellt.438 Soweit diesen Einrichtungen die Marktbezogenheit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der Daseinsvorsorge fehlt, oder es sich nur um Einrichtungen zur Deckung des 432  Pitschas / Schoppa

(Fußn. 416), 136. (Fußn.  358), 102 ff. 434  Brüning (Fußn. 413), 157. 435  Vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 3 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (Gemeinde­ ordnung – GemO) in der Fassung vom 24. Juli 2000 (GBl. 2000, S. 581), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 68); Art. 88 Abs. 1 BayGO i. d. F. der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. 1998, S. 796), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.07.2012 (GVBl. S. 366), § 86 Abs. 1 Gemeindeord­ nung (GemO Rhl-Pf.) in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBl. 1994 S. 153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.10.2010 (GVBl. S. 319); § 110 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt (Gemeindeordnung – GO LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2009 (GVBl. LSA 2009, 383), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.11.2011 (GVBl. LSA S. 814); § 106 Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (Gemeindeordnung – GO –) in der Fassung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. 2003, 57), zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.10.2012 (GVOBl. S. 696); § 76 Abs. 1 Satz 1Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung – ThürKO –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 2003 (GVBl. 2003, 41), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2013 (GVBl. S. 194). 436  Gaß (Fußn. 420), 34. 437  Bauer / Böhle et  al. (Hg.), Bayerische Kommunalgesetze 99. Aufl. Apr. 2013, Art. 88 Rdnr. 11. 438  § 86 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung (GemO Rhl-Pf.) in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBl. 1994 S. 153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.10.2010 (GVBl. S. 319); § 91 Abs. 1 Nr. 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. März 2003 (Sächs­ GVBl. 2003, 55), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.10.2012 (SächsGVBl. S. 562, 563). 433  Mann



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe101

Eigenbedarfs der Gemeinde439 handelt, können sie auch bei ihrer rechtlichen Gleichstellung mit Eigenbetrieben nicht generell unter den Begriff der kom­ munalen Unternehmen gefasst werden. Für die Bewertung dieser öffentli­ chen Einrichtungen als Unternehmen kommt es deshalb auf die jeweilige konkrete Tätigkeit und ihre (Binnen-)Marktrelevanz an.440 cc) Kommunalunternehmen – Anstalt des öffentlichen Rechts Den Beispielen Berlins441 und Hamburgs442 folgend hat der Freistaat Bayern als erster der Flächenstaaten443 mit gleichzeitigem Wegfall des Vor­ rangs des Eigenbetriebs den Kommunen allgemein die Möglichkeit eröffnet, sowohl nichtwirtschaftliche als auch wirtschaftliche Unternehmen als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Bezeichnung Kommunalunternehmen zu führen.444 Dabei ging es dem Gesetzgeber letztlich dar­ um, gegenüber dem Trend zu Organisationsformen des Privatrechts die „Konkurrenzfähigkeit“445 der öffentlich-rechtlichen Rechtsform mit größerer Selbstständigkeit als sie ein Regie- oder Eigenbetrieb zu bieten vermag, durch Regelungen herzustellen, die der GmbH vergleichbar sind.446 Als selbstständige Verwaltungseinrichtungen und damit Teil der Staatsorganisa­ tion können sie von Trägern öffentlicher Einrichtungen nur bei ausdrückli­ cher Ermächtigung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes errichtet werden.447 Im Laufe der Zeit sind nahezu alle anderen Bundesländer dem 439  Vgl.

§ 85 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 GemO Rhl-Pf. hierzu insbesondere die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Volks­ hochschulen, Theatern und sonstigen kulturellen Einrichtungen und deren Binnen­ marktrelevanz unter Kapitel 2 Abschnitt B. II. 3. und C. I. 3. 441  Berliner Betriebegesetz (BerlBG) vom 09.07.1993 (GVBl. S. 319): Umwand­ lung aller Eigenbetriebe in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. 442  Überführung der Eigenbetriebe Stadtreinigung (Gesetz vom 09.03.1994, GVBl. S. 79), Stadtentwässerung (Gesetz vom 20.12.1994, GVBl. S. 435) und der Krankenhäuser (Gesetz vom 11.04.1995, GVBl. S. 77) in rechtsfähige Anstalten. 443  Vgl. Gesetz v. 26.07.1995 (GVBI. S. 376), nunmehr Art. 89 ff. BayGO, Art. 49 und 50 BayKommZG. In einem zweiten Schritt wurde durch Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts und anderer kommunalrechtlicher Vorschriften vom 24. Juli 1998 (GVBl. 1998, S. 424) das kommunale Wirtschaftsrecht grund­ legend umgestaltet. 444  Ehlers, Die Anstalt öffentlichen Rechts als neue Unternehmensform der kom­ munalen Wirtschaft, ZHR 167, 546, 553 f. 445  Schulz, Neue Entwicklungen im kommunalen Wirtschaftsrecht Bayerns, BayVBl 1996, 97–102 und 129–133, 129. 446  Thode / Peres, Die Rechtsform Anstalt nach dem kommunalen Wirtschaftsrecht des Freistaates Bayern, BayVBl 1999, 6. 447  Schulz / Wager, Recht der Eigenbetriebe und der Kommunalunternehmen in Bayern 1. Aufl. 2009, 145. 440  Siehe

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Beispiel Bayerns gefolgt und haben auch ihren Kommunen die Rechtsform der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts eröffnet.448 Das Kommunalunternehmen als Anstalt des öffentlichen Rechts bietet den weitaus größten Gestaltungsspielraum aller öffentlich-rechtlichen Organisa­ tionsformen449 als rechtlich selbstständige Organisationseinheit mit „maßge­ schneidertem Aufbau und Verfahren und genau dosiertem staatlichem Einfluss“.450 Die Vorteile des Kommunalunternehmens liegen auf der Hand: Für sie gilt Landesrecht; damit kann den Kommunen zur wirksamen Unternehmens­ steuerung eine von den Zwängen des Gesellschaftsrechts unabhängige Or­ ganisationsform451 bereitgestellt werden, die auch hoheitlich (Gebührenerhe­ bung) tätig werden kann, zu deren Gunsten ein Anschluss- und Benutzungs­ zwang möglich ist, die Dienstherrneigenschaft besitzen kann und der Kommunalaufsicht sowie der unmittelbaren Rechnungsprüfung452 unter­ liegt.453 Im Gegensatz zum Regie- und dem Eigenbetrieb ist die Leitungs­ funktion des eigenverantwortlich handlungsfähigen Vorstands von der 448  Siehe hierzu im Einzelnen: §§ 94, 95 BbgKVerf, § 126 a HGO, §§ 70, 70 a, 70 b und 167 a KV M-V, §§ 141–147 NKomVG, § 114 a GO NRW, §§ 86 a, 86 b GemO Rhl.-Pf. und §§ 14 a, 14 b Landesgesetz über die kommunale Zusammenar­ beit (KomZG) vom 22.12.1982 GVBl. S. 476, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.09.2010 (GVBl. S. 280), Gesetz über die kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts (Anstaltsgesetz – AnstG) vom 03.04.2001 (GVBl. LSA S. 136), zuletzt ge­ ändert durch Gesetz vom 15.12.2009 (GVBl. LSA S. 648, 677), § 106 a GO SH; §§ 76 a–76 c Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunal­ ordnung – ThürKO –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 2003 (GVBl. 2003, 41), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2013 (GVBl. S. 194. Einen anderen Weg hat dagegen Baden-Württemberg und ihm folgend Sachsen ein­ geschlagen, die sich gegen die Einführung einer neuen Rechtsform und für den Ausbau der Eigenbetriebsform – als nichtrechtsfähige öffentliche Anstalt entschieden haben (vgl. Gesetz zur Änderung gemeindewirtschaftsrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze vom 19.7.1999, GBl. BW S. 292) und Sächsisches Eigenbetriebsge­ setz (SächsEigBG) vom 15.02.2010, SächsGVBl. S. 38). 449  Mann, Die „Kommunalunternehmen“ – Rechtsformalternative im kommuna­ len Wirtschaftsrecht, NVwZ 1996, 557, 558. 450  Uechtritz / Reck, § 16 Rechtsform kommunaler Unternehmen: Rechtliche Vor­ gaben und Entscheidungskriterien, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 771, 787, Fußn. 48: Thode / Peres (Fußn. 446), 7. 451  Schulz / Wager (Fußn. 447), 144. 452  Vgl. Art. 91 Abs. 2 BayGO. 453  Dagegen hält Wolf, Anstalt des öffentlichen Rechts als Wettbewerbsunterneh­ men 2002, 382, die Wahl der Anstaltsform für unternehmerische Wettbewerbstätig­ keit für einen legislativen Formenmissbrauch der Länder und die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers nach Art. 74 Nr. 11 GG für gegeben. Die Auffassung wird je­ doch nicht geteilt, da die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft keine Kodifikation für öffentlich-rechtliche Organisationsformen unter­



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe103

Überwachungsfunktion des Kontrollorgans Verwaltungsrat klar abge­ grenzt.454 Das Kommunalunternehmen besitzt damit einer GmbH vergleich­ bare Entscheidungsstrukturen, die in hohem Maße flexibles Handeln ge­ währleisten.455 Zwar kann sich ein Privater nicht an einem Kommunalunter­ nehmen beteiligen, doch das Kommunalunternehmen selbst kann sich nach Maßgabe der Unternehmenssatzung und in entsprechender Anwendung der für die Gemeinde geltenden Vorschriften an anderen Unternehmen beteili­ gen, wenn das dem Unternehmenszweck dient.456 Damit ist die Rechtsform des Kommunalunternehmens auch als Holding eines kommunalen Kon­ zerns457 geeignet.458 Nach Maßgabe der Vorschriften über kommunale Zu­ sammenarbeit können Kommunen auch ein Gemeinsames Kommunalunter­ nehmen errichten.459 Betreibt das Kommunalunternehmen ein Handelsge­ werbe, wie etwa bei seiner Ausgestaltung als Holding, als Energieversor­ gungsunternehmen, als Betreiber eines Klinikums oder von Alten- und Pflegeheimen,460 ist es ins Handelsregister einzutragen. Für Vergabeent­ scheidungen des Anstaltsträgers bei Überschreitung der europäischen Schwellenwerte bedeutsam ist, dass über ein Kommunalunternehmen stets eine „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ ausgeübt wird461 und damit In-house-Fähigkeit besteht, sofern das Unternehmen im Wesentlichen nur für die Trägerkörperschaft(en) tätig wird. Für Vergaben unterhalb dieser Schwellenwerte kann das Kommunalunternehmen durch Landesrecht462 dem Eigenbetrieb gleichgestellt werden. Soweit die landesrechtlichen Vorschrif­ nehmerischer Wettbewerbsteilnahme enthält und damit für die Ländergesetzgebung keine Sperrwirkung erzeugt. 454  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 790. 455  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 789, Fußn. 53: Hauser, Die Wahl der Organisa­ tionsform kommunaler Einrichtungen 1987, 33; Gaß (Fußn.  420), 61 f. 456  Art. 89 Abs. 1 Satz 2 BayGO. 457  Vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel 4 Abschnitt A. II. 3. 458  Als eines der ersten Kommunalunternehmen in Bayern hat die Stadt Amberg die „Amberger Congress Marketing“ Anstalt des öffentlichen Rechts zum 01.05.1996 errichtet und sie als Holding der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Ge­ werbebau Amberg GmbH“, eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens, ausgebil­ det. 459  Vgl. Art. 49 und 50 BayKommZG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 1994 (GVBl. S. 555), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.12.2012 (GVBl. S. 619). 460  Schraml, § 45 Anstalten des öffentlichen Rechts – Kommunalunternehmen, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 180. 461  Ehlers (Fußn. 444), 573; siehe hierzu im Einzelnen Kapitel 2 Abschnitt C. III. 2. 462  Vgl. § 8 KUV NRW seit 01.01.2005 (Gesetz vom 16.11.2004 (GV. NRW. 2004 S. 644).

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

ten eine Gewährträgerhaftung463 und Anstaltslast vorsehen, soll damit si­ chergestellt werden, dass die Trägerkommunen das Unternehmen mit einem für die Aufgabenerfüllung ausreichenden Eigenkapital ausstatten.464 Auch eine Insolvenzabwendungspflicht der Trägerkommune für die rechtlich selbstständige Anstalt wird hieraus im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip abgeleitet.465 b) Privatrechtliche Organisationsformen aa) Unterscheidung nach der Rechtsform Das Privatrecht enthält einen abschließenden Katalog von Organisations­ formen,466 die entweder als Personengesellschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts – GbR § 705 BGB und nicht-rechtsfähiger Verein § 54 BGB, OHG § 105 HGB oder KG § 161 HGB) oder körperschaftlich (rechtsfähiger Verein § 21 BGB, Genossenschaft § 1 Abs. 1 GenG, Gesellschaft mit beschränkter Haftung § 1 ff. GmbHG und Aktiengesellschaft sowie Kommanditgesell­ schaft auf Aktien – KGaA §§ 1 ff., 278 ff. AktG) organisiert sind. Als zulässige Rechtsformen für kommunale Unternehmen scheiden dabei die GbR und die OHG infolge der in den Gemeindeordnungen und Kom­ munalverfassungen vorgeschriebenen Haftungsbegrenzung467 von vorneher­ ein aus. Die Beteiligung als Kommanditistin an einer KG468 ist für eine 463  Vgl. Art. 89 Abs. 4 BayGO, § 94 Abs. 5 BbgKVerf, § 126 a Abs. 4 Satz 1 HGO, § 114 a Abs. 5 Satz 1 GO NRW, § 86 a Abs. 4 GemO Rhl.-Pf., § 4 Anstalts­ gesetz LSA; ausdrücklich ausgeschlossen dagegen ist eine Gewährträgerhaftung nach § 70 Abs. 6 und Abs. 7 KV M-V, § 144 Abs. 1 und Abs. 2 NKomVG und § 106 a Abs. 4 GO SH. 464  Schraml (Fußn. 460), 178; Zur Vereinbarkeit der Gewährträgerhaftung mit europäischem Beihilferecht wird auf die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt C. II. 2. b) verwiesen. 465  Gaß (Fußn. 420), 79 f.; vgl. auch § 144 Abs. 2 Satz 2 NKomVG. 466  Gaß (Fußn. 420), 44; Erbguth / Stollmann, Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch private Rechtssubjekte? – Zu den Kriterien bei der Wahl der Rechtsform, DÖV 1993, 798, 802. 467  Art. 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayGO, § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GemO BW, § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BbgKVerf, § 122 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGO, § 69 Abs. 1 Nr. 5 KV M-V, § 137 Abs. 1 Nr. 2 NKomVG, § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 7 GO NRW, § 87 Abs. 1 Satz 1 Hr. 4 GemO Rhl-Pf., § 110 Abs. 1 Nr. 2 Saarl.KSVG, § 96 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO, § 117 Abs. 1 Nr. 4 GO LSA, § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GO SH, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 ThürKO. 468  Hellermann (Fußn. 418), 179; Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 78: Wegen der geringen Einflussmöglichkeiten des Kommanditisten hat auch diese Rechtsform für kommunale Unternehmen keine Verbreitung gefunden.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe105

Kommune dagegen ebenso möglich wie die Rechtsform der GmbH & Co. KG.469 Wegen ihrer besonderen Zwecksetzung sind die eingetragene Genos­ senschaft470 und die KGaA in der Praxis ohne Bedeutung.471 Neben der Aktiengesellschaft, die oft nur subsidiär zur GmbH zulässig472 oder generell ausgeschlossen ist473, bildet die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht nur die am Häufigsten genutzte, sondern auch die zur Unter­ nehmenssteuerung flexibelste privatrechtliche Rechtsform selbstständiger kommunaler Unternehmen.474 Für die Aktiengesellschaft stellen die gesellschaftsrechtlichen Regelun­ gen weitgehend zwingende Vorgaben für die Unternehmensverfassung dar, die eine erhebliche Verselbstständigung des Unternehmens gegenüber der Trägerkommune bewirken475 und nicht zur Disposition des Satzungsgebers stehen.476 Nach ihrer rechtlichen Grundstruktur ist die Aktiengesellschaft nicht auf die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse der Kommune als Unternehmensträgerin angelegt, sondern auf eine Vielzahl von Teilhabern, da sie ihrem Wesen nach ein in Aktien zerlegtes Grundkapital aufweist.477 Sie ist eher für wirtschaftliche Unternehmen größeren Umfangs geeig­ 469  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 78 f.: Hierbei kommt allerdings vorrangig eine Beteiligung der Kommune an der Komplementär-GmbH für eine wirtschaftliche Betätigung in Betracht. 470  Hellermann (Fußn. 418), 181 f.: Die Genossenschaft ist „Hilfsorganisation für die wirtschaftliche Betätigung ihrer Mitglieder“, denn sie hat lediglich die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder zum Zweck. Zu ihrer Gründung sind mindestens drei Genossen erforderlich (§§ 1 Abs. 1, 4 Genossenschaftsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.10.2006 (BGBl. I S. 2230), zuletzt geän­ dert durch Gesetz vom 25.05.2009 (BGBl. I S. 1102). 471  Gaß (Fußn. 420), 45, Fußn. 66. 472  § 103 Abs. 2 GemO BW, § 96 Abs. 4 BbgKVerf, § 122 Abs. 3 HGO, § 108 Abs. 4 GO NRW und § 87 Abs. 2 GemO Rhl-Pf. 473  § 68 Abs. 4 Satz 2 KV M-V. 474  Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU), VKU-Mitgliedsunternehmen 2012, http: /  / www.vku.de / grafiken-statistiken / vku.html, 24.06.2014, 6 f.: Nach dem Stand vom 31.12.2012 entfielen von den Mitgliedern des VKU mit insgesamt 1422 Unternehmen auf die GmbH 703, auf die AG 64, auf sonstige Gesellschaften 55 Unternehmen und auf die öffentlich-rechtlichen Organisationsformen Eigenbetrieb 306, Kommunalunternehmen (Anstalt des öffentlichen Rechts) 77, auf Zweckver­ bände und Wasser- und Bodenverbände zusammen 98 und auf sonstige öffentlichrechtlichen Organisationen 119 Betriebe. Damit waren 42,2% öffentlich-rechtlich und 57,8% privatrechtlich organisiert, davon in der Rechtsform der GmbH mit ei­ nem Anteil von mehr als 85%. 475  Hellermann (Fußn. 418), 175. 476  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 788. 477  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 82.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

net478 und bietet insbesondere Vorteile für kommunale Unternehmensbetei­ ligungen479 in Wettbewerbsbereichen.480 Auch wenn eine Aktiengesell­ schaft inzwischen als Einpersonengründung möglich ist,481 offenbart sie ein rechtsformbedingtes Einwirkungsdefizit ihre Trägers.482 Ursache hierfür sind die herausgehobene unabhängige Stellung des Vor­ standes (§ 76 Abs. 1 AktG) und die Weisungsunabhängigkeit483 des obliga­ torischen und auf die Kontrollfunktion des Vorstandes beschränkten Auf­ sichtsrates (§ 111 Abs. 1 AktG). Die Aufgaben der Hauptversammlung nach § 119 AktG erlauben auch einem Alleinaktionär keine unmittelbare Ein­ flussnahme auf die Unternehmenstätigkeit.484 Lediglich das Konzernrecht bietet hierzu auch Kommunen Einflussmöglichkeiten auf abhängige Unter­ nehmen (§ 17 AktG), allerdings mit den sich bei faktischen Konzernen hieraus ergebenden Haftungsfragen (insb. § 311 AktG).485 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung eröffnet im kommunalen Be­ reich als „Allerweltsorganisation“486 einen relativ weiten Gestaltungsspiel­ raum und ist damit die weitaus beliebteste private Form für kommunale Unternehmen.487 Das GmbH-Recht weist eine deutlich größere Gestaltungs­ offenheit der Unternehmensverfassung auf als das Aktiengesetz.488 Abgese­ hen von GmbHs, für die bei mehr als 2000 Arbeitnehmern das Mitbestim­ mungsgesetz – auch im Konzern –489 oder für mehr als 500 Arbeitnehmer 478  Wurzel / Gaß, Entscheidungskriterien für die Wahl einer Rechtsform, in: Schraml / Becker / Wurzel (Hg.), Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, [Hand­ buch], 2010, 501, Rz. 18. 479  Hellermann (Fußn. 418), 177. 480  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 789. 481  Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und Deregulierung des Aktienrechts vom 02.08.1994 (BGBl. I S. 1961). 482  Mann (Fußn. 378), 245; aus diesem Grund hat Mecklenburg-Vorpommern diese Rechtsform für kommunale Unternehmen generell ausgeschlossen (vgl. Fußn. 473). 483  Mann (Fußn. 378), 245: Ein imperatives Mandat von Aufsichtsratsmitgliedern, das aktienrechtlich unzulässig ist, steht damit in Konflikt mit der kommunalrechtlich möglichen Weisungsbindung entsandter kommunaler Aufsichtsratsmitglieder. Siehe im Einzelnen hierzu die Darstellung unter Kapitel 4 Abschnitt B. II. 1. b) aa) (2). 484  Hellermann (Fußn. 418), 176. 485  Siehe hierzu die Ausführungen unter Kapitel 4 Abschnitt A.II. 3. b). 486  Bull, Über Formenwahl, Formwahrheit und Verantwortungsklarheit in der Verwaltungsorganisation, in: Geis / Lorenz (Hg.), Staat, Kirche, Verwaltung, Fest­ schrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, 2001, 545 ff., 555. 487  Pitschas / Schoppa (Fußn. 416), 138. 488  Hellermann (Fußn. 418), 177. 489  Vgl. §§  1 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 Mitbestimmungsgesetz vom 04.05.1976 (BGBl. I S. 1153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044).



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe107

das Drittelbeteiligungsgesetz490 gilt, sind lediglich zwei Organe obligato­ risch, nämlich die Gesellschafterversammlung und die Geschäftsführung. Die Bildung eines Aufsichtsrats ist gesellschaftsrechtlich grundsätzlich fa­ kultativ, wenn auch in der kommunalen Praxis die Bildung eines Aufsichts­ rats oder eines entsprechenden Überwachungsorgans die Regel ist. Inwieweit der Gesellschaftsvertrag der Geschäftsführung Entscheidungsbefugnisse einräumt oder diese der Gesellschafterversammlung vorbehält oder einem fakultativen Aufsichtsrat überträgt, steht weitgehend zur Disposition des Unternehmensträgers.491 Dadurch ermöglicht das GmbH-Recht bei kommu­ nalen Eigengesellschaften oder mehrheitlichen Unternehmensbeteiligungen einen Ausgleich zwischen der erforderlichen politisch-demokratischen Un­ ternehmenssteuerung und Kontrolle durch deren Träger und unternehmeri­ scher Autonomie492 der Gesellschaft nach den Erfordernissen effizienter Aufgabenerfüllung durch marktkonformes Handeln. bb) Unterscheidung in Unternehmensträgerschaft und bloße Beteiligung (1) K  ommunale Unternehmen als Eigengesellschaften und gemischt-öffentliche Gesellschaften Mit der Errichtung einer Eigengesellschaft werden von der Kommune weder Aufgaben auf das Privatrechtssubjekt übertragen, noch wird mehr Markt oder Wettbewerb geschaffen. Hierbei handelt es sich in der Regel um eine rein formelle Organisationsprivatisierung.493 Gleiches gilt für sog. gemischt-öffentliche Gesellschaften, an denen ausschließlich kommunale Körperschaften beteiligt sind. Auch sie können keine kommunale Aufgabe der Gesellschafter insgesamt übernehmen, sondern nur in die Durchfüh­ rung der in Trägerschaft der Kommunen verbleibenden Aufgaben einbezo­ gen werden.494 Hoheitliche Befugnisse können Privatrechtssubjekten nach inzwischen unbestrittener Auffassung nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes übertragen werden.495 Dies gilt auch für die Organisationshoheit der Kommunen, für die das Kommunalrecht keine allgemeine Ermächti­ 490  Drittelbeteiligungsgesetz vom 18.05.2004 (BGBl. I S. 974), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044). 491  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 788. 492  Hellermann (Fußn. 418), 178. 493  Ehlers, Die Entscheidung der Kommunen für eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Organisation ihrer Einrichtungen und Unternehmen, DÖV 1986, 897. 494  Hellermann (Fußn. 418), 190. 495  OVG Münster v. 27.09.1979, XVI A 2693 / 78, NJW 1980, 1406, Ls. 1.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

gung zur Übertragung von Aufgaben und Befugnissen auf Privatrechtssub­ jekte enthält. Die Organisationsprivatisierung stellt sich dabei als bloßer Wechsel in der Rechtsform der Aufgabenwahrnehmung dar.496 Auch hierbei wird deut­ lich, dass es für die Qualifizierung dieser Gesellschaften als „kommunale Unternehmen“ auf die konkrete Aufgabe und das Marktumfeld ankommt, in dem diese wahrgenommen wird. Bei Eigengesellschaften ist die Orga­ nisationsprivatisierung subjektbezogen, weil daran neben der Kommune keine weiteren Rechtsträger beteiligt sind, sondern eine auf Dauer angeleg­ te mitgliedschaftliche Beziehung der öffentlichen Hand zu ihrem Unterneh­ men begründet wird.497 Aufgabenträgerschaft und Aufgabenerledigung blei­ ben im Zugriffsbereich der öffentlichen Hand.498 Die Aufgabe als solche wird durch eine Organisationsprivatisierung nicht aus dem kommunalen Bereich entlassen. Bedient sich die Kommune einer Gesellschaft des Pri­ vatrechts und schlüpft damit in eine zivilrechtliche Organisationsform, nimmt sie weiterhin materiell Verwaltungstätigkeit im Rahmen einer poli­ tisch administrativ gesteuerten Aufgabenerfüllung wahr.499 Durch das „Verwaltungsprivatrecht“500 ist die Fortgeltung der der Kommune als Trä­ gerin öffentlicher Verwaltung auferlegten öffentlich-rechtlichen Bindungen auch im Falle einer privatrechtlich verfassten Gesellschaft sicherzustellen. Dabei verhindert die Grundrechtsbindung die Flucht ins Privatrecht.501 Mit der Wahl der Privatrechtsform ändert sich allerdings der Rechtscharakter der Tätigkeit, weil das privatrechtlich organisierte Unternehmen in der Re­ gel502 auf privatrechtliche Handlungsformen beschränkt ist.503 Insoweit ist eine Eigengesellschaft nur als Verwaltungshelfer oder Erfüllungsgehilfe in 496  Lämmerzahl, Die Beteiligung Privater an der Erledigung öffentlicher Aufga­ ben 2007, 101, Anm. 35: Brüning, Der Verwaltungsmittler – eine neue Figur bei der Privatisierung kommunaler Aufgaben, NWVBl 1997, 286, 288. 497  Brüning (Fußn. 496), 288. 498  Lämmerzahl (Fußn. 496), 103, Anm. 44. 499  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 169. 500  Ehlers, Rechtsstaatliche und prozessuale Probleme des Verwaltungsprivat­ rechts, DVBl 1983, 422; Ehlers, Interkommunale Zusammenarbeit in Gesellschafts­ form, DVBl 1997, 137, 139 m. w. N. in Fußn. 23. 501  Lämmerzahl (Fußn. 496), 105, Fußn. 65: BGH v. 05.04.1984, III ZR 12 / 83, BGHZ 91, 84, 97. 502  Rheinland-Pfalz allerdings gestattet in § 85 Abs. 6 GemO den Gemeinden durch Satzung, juristische Personen des Privatrechts an denen ausschließlich sie und andere kommunale Körperschaften beteiligt sind, mit hoheitlichen Aufgaben und Befugnissen zu beleihen, insbesondere Verwaltungsakte zu erlassen und einen An­ schluss- und Benutzungszwang zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben durch­ zusetzen und öffentlich-rechtliche Entgelte zu erheben. 503  Hellermann (Fußn. 418), 172.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe109

die Wahrnehmung504 der kommunalen Aufgabe einbezogen.505 Die Träger­ kommune ist nicht nur politisch, sondern auch rechtlich für ihre Eigenge­ sellschaft als „Unternehmerin hinter ihrem Unternehmen“ verantwortlich. Wie weit diese Verantwortung bei Minderheitsbeteiligungen von Kommu­ nen an privatrechtlich organisierten Unternehmen reicht, denen ausschließ­ lich öffentliche Träger angehören und die von diesen nur gemeinsam be­ herrscht werden können506, wie z. B. Flughafen-507 oder Messegesellschaf­ ten508, wird zu untersuchen sein.509 Nach Rechtsprechung und Literatur können kommunale Eigengesellschaf­ ten auch Träger öffentlicher Einrichtungen sein.510 In diesen Fällen hat die 504  Vgl. hierzu für Schleswig-Holstein § 24 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) vom 02.06.1992 (GVOBl. S. 243, ber. 534), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.2012 (GVOBl. S. 749), wonach natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts sowie nichtrechtsfähigen Vereinigungen Aufgaben der öffentlichen Ver­ waltung zur Erledigung in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes übertragen werden können. Eine Übertragung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zur Erledigung in Handlungsformen des privaten Rechts ist zulässig, sofern 1.  die Aufgabe von dem übertragenden Träger der öffentlichen Verwaltung auch in den Handlungsformen des privaten Rechts erfüllt werden darf, 2. die Zuständigkeit einer Behörde nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist und 3. die Eigenart der Aufgabe oder ein überwiegendes öffentliches Interesse der Über­ tragung nicht entgegensteht. 505  Hellermann (Fußn. 418), 173. 506  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226; vgl. hierzu auch das im Minderheitsvotum des Verfassungsrichters Schluckebier (269 f.) thematisierte Erfordernis eines Interessengleichlaufs der öffentlichen Anteilseigner bei einer sog. Mehrmütterherrschaft, der durch Konsortialvertrag oder auf andere verbindliche Weise gesichert sein müsse, um eine unmittelbare Grundrechtsbindung zu rechtfer­ tigen. 507  Vgl.: FMG Flughafen München GmbH, an der neben dem Freistaat Bayern mit 51% und der Bundesrepublik Deutschland mit 26% die Stadt München 23% der Gesellschaftsanteile hält. 508  Vgl. http: /  / de.wikipedia.org / wiki / Messe_N%C3%BCrnberg, zuletzt geprüft am 26.05.2013: Gesellschafter der „Nürnberg Messe“ sind die Stadt Nürnberg (49,967%) und der Freistaat Bayern (49,967%), die Industrie- und Handelskammer Nürnberg (0,033%) und die Handwerkskammer für Mittelfranken (0,033%). 509  Siehe hierzu die Ausführungen unter Kapitel 4 Abschnitt A. II. 3. c) und B. II. 1. b) und 2. 510  Hellermann (Fußn. 418), 173, Fußn. 138: VGH Mannheim v. 23.09.1980, I 3895 / 78, DVBl 1981, 220, 222; BGH v. 10.12.1986, VIII ZR 349 / 85, NJW 1987, 832, 832; Ronellenfitsch, § 4 Kommunalrechtlicher Begriff der privatwirtschaftlichen Betätigung der Kommunen, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommuna­ le Unternehmen, 2012, 47, 49, Fußn. 7: Schnaudigel, Der Betrieb nichtwirtschaft­ licher kommunaler Unternehmen in Rechtsformen des Privatrechts,; BVerwG v. 29.05.1990, 7 B 30 / 90, NVwZ 1991, 59.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Kommune den Zulassungsanspruch der Benutzer zur öffentlichen Einrich­ tung gegenüber der Eigengesellschaft durchzusetzen. Ein Anschluss- und Benutzungszwang schließt dabei eine privatrechtliche Benutzungsregelung für eine öffentliche Einrichtung nicht aus, wenn dadurch der Zugang für die Bürger durch eine entsprechende Gewährleistung der Kommune im gleichen Umfang gesichert ist.511 Soweit eine zweistufige Gestaltung der Rechtsbe­ ziehungen zum Benutzer für zulässig gehalten wird, soll auch eine Übertra­ gung des Betriebs einschließlich des Verhältnisses zum Benutzer möglich sein, wenn wirksame Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Kommune gewährleistet sind.512 (2) G  emischt-wirtschaftliche kommunale Unternehmen und institutionelle Public Private Partnerschafts-Modelle Aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung folgt auch das Recht, sich zur Erfüllung kommunaler Aufgaben privater Dritter zu bedienen513, insbesondere mit einem Privaten ein sog. gemischt-wirtschaftliches Unternehmen zu errichten. Dieses kann entweder von den Aufgabenträgern der öffentlichen Hand beherrscht514 werden oder diese beteiligen sich lediglich als Minderheitsgesellschafter an dem mehrheitlich von Privaten gesteuerten Unternehmen. Teilweise wird unter dem durchaus weiten Begriff der Öf­ fentlich Privaten Partnerschaft (ÖPP)515 oder Public Private Partnership (PPP) auch nur die Zusammenarbeit im Rahmen gemischtwirtschaftlicher Unternehmen in Form eines Kooperationsmodells verstanden.516 Die Einbeziehung Privater in die Erfüllung kommunaler Aufgaben wirft jedoch spezifische Probleme auf, denn mit einem regelmäßig gewinnorien­ 511  BVerwG

v. 06.04.2005, 8 CN 1 / 04, BVerwGE 123, 159, 162. (Fußn. 418), 174 m. w. N. in Fußn. 142; vgl. hierzu unten Kapitel 4 Abschnitt A. II. 3. c). 513  So ausdrücklich die deklaratorische Bestimmung in § 101 Abs. 5 GO SH. 514  Grundsätzlich erfordert die Beherrschung einen bestimmenden Einfluss, wie er bei einer Mehrheitsbeteiligung regelmäßig vorliegt. Eine Minderheitsbeteiligung kann aber „materiell öffentliche Verwaltung“ sein und damit das Unternehmen unter besonderen Voraussetzungen, wie etwa bei einem Konzessionsvertrag, gleichfalls an das Verwaltungsprivatrecht binden (vgl. BVerfG v. 07.06.1977, 1 BvR 108 / 73, BVerfGE 45, 63, 80). 515  Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partner­ schaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Pri­ vate Partnerschaften vom 01.09.2005 (BGBl I, S. 2676). 516  Hellermann (Fußn. 418), 193, Fußn. 200: Gröpl, Möglichkeiten und Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, in: Hoffmann (Hg.), Kommunale Selbst­ verwaltung im Spiegel von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht, Rostock 1995, 1996, 99, 103. 512  Hellermann



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe111

tierten Privaten517 wird ein Moment echter Privatisierung in die öffentliche Aufgabenwahrnehmung eingeführt.518 Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung werden immer noch als Erfolg versprechende Wege einer als erforderlich erachteten Entlastung des Staates angesehen,519 wie auch Privatisierungs-Prüfpflichten520 und kommu­ nalrechtliche Privatisierungsgebote im Interesse einer sparsamen Haushalts­ führung521 verdeutlichen. In der Trägerschaft eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens treffen typischerweise unterschiedliche Motive und Interes­ sen, das auf öffentliche Aufgabenerfüllung gerichtete Interesse der öffentli­ chen Hand und das auf Gewinnmaximierung gerichtete Interesse des priva­ ten Teilhabers aufeinander.522 Den Ausgleich der divergierenden Ziele und Interessen müssen Regelungen über die Einflussnahme der jeweiligen Teil­ haber auf das Unternehmen und seine Tätigkeit leisten. Schon die Organisationsprivatisierung führt zu einer Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung, weil sie in stärkerer Weise als eine öffent­ lich-rechtliche Verselbständigung zu einer weitgehenden Abkopplung des Unternehmens von den Selbstverwaltungsträgern führt.523 Erst recht gilt dies für die Beteiligung Privater im Rahmen gemischt-wirtschaftlicher Un­ ternehmen. Einerseits gelten die „Spielregeln“ des Gesellschaftsrechts und andererseits gebieten Verfassungsrecht und Kommunalrecht eine Einwir­ kungs- und Kontrollpflicht als Folge der Aufgabenverantwortung der öffent­ lichen Hand. Die Rückführbarkeit der Legitimationskette auf das Volk sowie die aus den Grundrechten abgeleiteten Schutzpflichten auch gegenüber der Freiheitsgewährleistung privater Minderheitsgesellschafter begründen und begrenzen Einwirkungspflichten auf die Gesellschaften, an denen die Kom­ mune als Gesellschafter oder Aktionär beteiligt ist oder die sie als Verwal­ tungshelfer eingeschaltet hat.524 Solche Unternehmen erfordern ausreichende Steuerungs- und Kontrollrechte der Kommune, damit sie den Status eines „kommunalen“ Unternehmens erhalten können. In diesem Spannungsver­ 517  Hellermann (Fußn. 418), 191, Fußn. 195; vgl. Habersack, Private public part­ nership – Gemeinschaftsunternehmen zwischen Privaten und öffentlicher Hand, ZGR 1996, 544, 548 f.; Danwitz, Vom Verwaltungsprivatrecht zum Verwaltungsge­ sellschaftsrecht, AöR 120, 595, 611 ff. 518  Hellermann (Fußn. 418), 191. 519  Stohrer (Fußn. 249), 78, Fußn. 22 m. w. N. 520  Vgl. Art. 61 Abs. 2 BayGO. 521  § 91 Abs. 3 Satz 1 BbgKVerf. 522  Hellermann (Fußn. 418), 201, Fußn. 237: Habersack (Fußn.  517), 548 f. 523  Ehlers (Fußn. 500), 141. 524  Spannowsky, Die Verantwortung der öffentlichen Hand für die Erfüllung öf­ fentlicher Aufgaben und die Reichweite ihrer Einwirkungspflicht auf Beteiligungs­ unternehmen, DVBl 1992, 1072, 1073 f.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

hältnis und innerem Wirkungszusammenhang von Entscheidung und Legiti­ mation, Verantwortung und Kompetenzausübung525 stehen auch die im Einzelnen darzustellenden Rechtsfragen der Publizität.526 (3) A  bgrenzung zu funktionaler und materieller Privatisierung und zur Konzessionierung Für eine funktionale Einbeziehung Privater kommen die Beleihung527 oder die Verwaltungshilfe528 als Instrumente in Betracht. Bei der Ermächti­ gung Privater zu hoheitlichem Handeln liegt Beleihung vor529, für die aber die kommunalrechtlichen Vorschriften regelmäßig nicht die dafür erforder­ liche gesetzliche Grundlage enthalten.530 Bei der Verwaltungshilfe steht der von einem Privaten geleistete Teilbei­ trag in einem funktionalen Bezug zu einer Staatsaufgabe,531 indem er ohne 525  Den Zusammenhang hat Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwal­ tungsverfahren 1990, 260 treffend formuliert. 526  Siehe hierzu die Darstellung unter Kapitel 4 Abschnitt B. I. und II. 1. b) so­ wie 3. 527  Zu den unterschiedlichen Begriffsinhalten vgl. die Befugnis- oder Rechtsstel­ lungstheorie und die Aufgabentheorie: Bansch, Die Beleihung als verfassungsrecht­ liches Problem 1973, 56; Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand 1959, 81, Fußn. 33 hält zudem zwingend obrigkeitliche Befugnisse für erforderlich; i. Ü. werden schlichthoheitliche Befugnisse aber für ausreichend gehalten, so u. a. Martens (Fußn. 4), 134. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private 1975, 48, sieht die Beleihung als die selbständige Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe durch ein mit öffentlicher Gewalt ausgestattetes Subjekt des Privatrechts und spricht sich dafür aus, auch Tätigkeiten Privater in den Beleihungsbegriff einzubeziehen, die sie in Ausübung einer staatlichen Kompetenz privatrechtlich gegenüber Dritten han­ deln lassen, denn öffentliche Verwaltung kann auch verwaltungsprivatrechtlich durch verwaltungseigene oder verwaltungsbeherrschte Gesellschaften und Vereine des Pri­ vatrechts als Träger öffentlicher Verwaltung wahrgenommen werden. Siehe dort auch Fußn. 178 und 180 mit dem Hinweis, dass sich die herrschende Lehre zu diesem Schritt nicht entschließen kann. 528  Der Verwaltungshelfer wird im fremden Namen, d. h. als verlängerter Arm des Staates als dessen Werkzeug, tätig (vgl. BGH v. 21.01.1993, III  ZR 189 / 91, DVBl 1993, 605). Bei einer auf Dauer angelegten Verwaltungshilfe handelt es sich um eine Teilverlagerung öffentlicher Aufgaben, bei der nach außen hin die öffentliche Hand für die Aufgabenerfüllung verantwortlich bleibt, nur im Innenverhältnis übernimmt der Private – meist durch zivilrechtlichen Vertrag – die Verantwortung für die Auf­ gabenerfüllung (Lämmerzahl (Fußn. 496), 175, Fußn. 92: Freilich kann ein solcher Rest an staatlicher Verantwortung auch in Fällen gefunden werden, die einhellig als Aufgabenprivatisierung bezeichnet werden. Hinzuweisen ist hier auf das sog Regu­ lierungsrecht, das auch als Privatisierungsfolgenrecht bezeichnet wird, vgl. Burgi, Kommunales Privatisierungsfolgenrecht, NVwZ 2001, 661 ff.). 529  Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem 1980, 27, Fußn. 103 m. w. N. 530  Siehe aber Fußn. 502.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe113

Einräumung von Hoheitsbefugnissen die Verwaltung nach dem sog. Sub­ missionsmodell im Namen der Gemeinde532 bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützt.533 Im Außenverhältnis zum Bürger handelt ausschließ­ lich die Kommune,534 auch wenn Private auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge Leistungen erbringen, die von der Gemeinde benötigt werden.535 531

Eine Einbeziehung Privater in die Erfüllung kommunaler Pflichtaufgaben (z. B. Entsorgung – vgl. § 22 KrWG) ist nur in deren Durchführung mög­ lich, da die Aufgabenzuweisung an die Gemeinde nicht disponibel ist.536 Ein Vorbehalt des Gesetzes ist hierfür nicht erforderlich. Bei freiwilligen Aufgaben können die Kommunen mit Privaten die unter­ schiedlichsten Partnerschaftsmodelle eingehen oder sich an der Aufgabener­ füllung durch Private in solchen Partnerschaftsmodellen beteiligen. Für Partnerschaftsmodelle gilt ein grundsätzlich weiter Begriff, der zwei Grund­ typen umfasst, die „Vertrags-PPP“ und die „institutionelle PPP“ des ge­ mischt-wirtschaftlichen Unternehmens.537 Unter grundsätzlicher Beibehal­ tung kommunaler Trägerschaft haben sich als institutionelle PPP-Modelle das Betriebsführungs- und das Betreibermodell herausgebildet.538 Als Aus­ druck von partieller funktionaler Privatisierung liegen beide im Vor- oder Zwischenbereich der materiellen Privatisierung einerseits und der formellen 531  Hellermann (Fußn. 418), 197, Fußn. 222: Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe 1999, 89, 146 f. 532  Gröpl, Privatisierung von Messen, Märkten und Volksfesten, GewArch 1995, 367, 371. 533  Hellermann (Fußn. 418), 197, Fußn. 223: vgl. Burgi (Fußn.  531), 145 ff.; Voßkuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staat­ liche Verantwortung, in: Bogdandy / Burgi / Heintzen / Herdegen / Korioth / Morlok /  Oebbecke / Voßkuhle (Hg.), Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereini­ gung der Deutschen Staatsrechtslehrer in St. Gallen vom 1. bis 5. Oktober 2002, VVDStRL (62), 2003, 266 ff., 299 Fußn. 138. 534  Zwischen dem privaten Verwaltungshelfer und den Bürgern kommt kein Rechtsverhältnis zustande: Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVBl 1994, 962, 974. 535  Hellermann (Fußn. 418), 198, Fußn. 228: Peine, Grenzen der Privatisierung – verwaltungsrechtliche Aspekte, DÖV 1997, 353, 357; Ehlers, Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch Verwaltungshelfer 1997, 30. 536  Hellermann (Fußn. 418), 199, Fußn. 229: Schoch, Der Beitrag des kommuna­ len Wirtschaftsrechts zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben, DÖV 1993, 377, 378; OVG Koblenz v. 09.05.1984, 2 A 64 / 83, DVBl 1985, 176, 177. Weitergehende Regelungen bestehen nur in § 56 Satz 2 WHG mit der Ermächtigung für Abwasser zugunsten des Landesgesetzgebers (§ 45 c WG BW) und für die Wasserversorgung (§ 57 Abs. 3 Sätze 2–4 Sächs. WG). 537  Hellermann (Fußn. 418), 193, Fußn. 205. 538  Westermann / Cronauge (Fußn.  411), 239 ff.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Privatisierung andererseits.539 Motiv hierfür ist die Beschaffung privaten Know-hows oder / und Kapitals, insbesondere für Infrastruktureinrichtungen. Betreiber540 und Betriebsführer541 handeln gegenüber dem Bürger im Na­ men, im Auftrag und auf Rechnung der Kommune. Im Vergleich zur funktionalen Privatisierung schiebt sich beim sog. Konzessionsmodell zwischen die Kommune und den Bürger der Konzessionär.542 Während die ältere Beleihungstheorie beim Konzessionär noch vom „belie­ henen (öffentlichen) Unternehmer“543 spricht, bei dem es sich in Wirklich­ keit um die Tätigkeit von natürlichen Personen oder juristischen Personen des Privatrechts handelt, die „öffentlichen und im Rahmen der Aufgaben der Staatsverwaltung liegenden Zwecken dienen“, ohne dadurch zur „öffentli­ chen Verwaltung“ im Rechtssinne zu werden,544 ist mit der Herausnahme der „Konzession“ aus dem Beleihungsbegriff545 auch der Widerspruch in der Lehre Otto Mayers aufgelöst worden, dass der Konzessionsempfänger einerseits Träger einer Verwaltungsfunktion ist, andererseits aber bei der Führung des konzessionierten Betriebs privatwirtschaftliche Ziele verfolgen kann und im Hinblick auf seine Investitionen auch muss.546 Die Auswahl des Betriebsführers hat als Dienstleistungsauftrag, die des Betreibers in der 539  Hellermann (Fußn. 418), 193, Fußn. 206: Tettinger, Die rechtliche Ausgestal­ tung von Public Private Partnership, DÖV 1996, 764 f. 540  Hellermann (Fußn. 418), 204, Fußn. 250: BVerwG v. 06.04.2005, 8 CN 1 / 04, BVerwGE 123, 159, 164. 541  Hellermann (Fußn. 418), 205. 542  Gröpl (Fußn. 532), 371. 543  Was sich als Einräumung von Verfügungsmacht über ein „Stück öffentlicher Verwaltung“ wie eine Privilegierung Privater und Erweiterung ihrer Handlungsmög­ lichkeiten darstellte, war in Wirklichkeit eine effektive Publizierung privater Frei­ heitsräume durch Umwandlung nichtstaatlicher Tätigkeitsbereiche in Verwaltungs­ agenden. Mit der Rechtsfigur des „beliehenen Unternehmers“ wurden Private für bestimmte Funktionsbereiche einer Sonderrechtsordnung unterstellt und dadurch in ihrer Rechtsstellung empfindlich geschmälert, anstatt die Delegation staatlicher Funktionen an Private – wie in den Vereinigten Staaten von Amerika – (Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, DÖV 1970, 526, 528, Fußn. 34 unter Verweis auf Horst Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961, 579 ff.) im Sinne einer „Priva­ tisierung“ bisheriger Staatsfunktionen zu nutzen (Steiner (Fußn. 543), 528, Fußn. 31 unter Verweis auf Arnold Köttgen, JöR 11 (1962), 290 ff., 300). 544  Steiner (Fußn. 527), 25, Fußn. 77: vgl. Ludwig von Köhler, Grundlehren des Deutschen Verwaltungsrechts, 2. unveränd. Neudruck, Stuttgart 1936, 143 f., ähnlich 147. 545  Steiner (Fußn. 527), 43, Fußn. 154: insb. Vogel (Fußn. 527), 60 ff. und Brohm, Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand und Wettbewerb, NJW 1994, 281, 212. 546  Steiner (Fußn. 527), 43, Fußn. 156; wenn Konzessionen etwa im Bereich der Energieversorgung als Beleihung angesehen wurden, beruhte dies auf dem Fehl­ schluss von der öffentlichen Relevanz einer Aufgabe auf deren materiell staatliche Qualität, vgl. Steiner (Fußn. 527), 40, Fußn. 139 m. w. N. und Fußn. 140.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe115

Regel als sog. Dienstleistungskonzession in einem transparenten und diskri­ minierungsfreien Vergabeverfahren zu erfolgen.547 Das Konzessionsmodell548 ist gekennzeichnet durch die Erfüllung einer (Teil-)aufgabe der öffentlichen Hand549 in eigener Verantwortung und auf eigenes wirtschaftliches Risiko,550 wobei der Konzessionär auch eine aktive Nachfragesteuerung betreiben kann.551 Bei der rechtlichen Außenverantwor­ tung des Privaten kommen als Varianten die Sachkonzession (Baukonzes­ sion) oder die Dienstleistungskonzession552 in Betracht, bei denen ein durch Ausschreibung ermittelter Privater mit eigenen Mitteln ein Vorhaben erstellt und betreibt oder eine Dienstleistung erbringt. Der Private zahlt an den Aufgabenträger in der Regel auch eine Konzessionsabgabe.553 Dagtoglou sieht dagegen in der Tätigkeit des Konzessionärs keine Beteiligung des Privaten an Verwaltungsaufgaben, denn die echte Konzession sei eine „mo­ nopoldurchbrechende Gestattung“,554 mit der fallweise nur die Wieder­ herstellung privater Handlungsfreiheit, die durch das staatliche Monopol beschränkt worden war, erfolge. Daran änderten auch Auflagen der Konzes­ sion oder bestimmte gesetzliche Pflichten der Konzessionäre, wie beispiels­ weise die allgemeine Anschluss- und Versorgungspflicht von Energiever­ sorgungsunternehmen555 nichts. Die Konzession begründe damit keine Be­ teiligung des Konzessionärs an Verwaltungsaufgaben, sondern eher umge­ kehrt eine Beteiligung der Verwaltung an Privattätigkeiten. Diese Auffassung wird jedoch als zu weitgehend nicht geteilt. Konzes­ sionär kann auch eine kommunale Eigengesellschaft sein.556 Steuerung und Kontrolle und damit die unmittelbare demokratische Anbindung an das kommunale Muttergemeinwesen bestimmen auch in Konzessionsmodellen mit kommunal beherrschten gemischtwirtschaftlichen Unternehmen die Einbeziehung außenstehender Privater in die Erfüllung kommunaler 547  Vgl. hierzu im Einzelnen die Abgrenzung der beiden Vergabeverfahren in Kapitel 2 Abschnitt C.III. 1.b) bb). 548  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 805 m. w. N. in Fußn. 116. 549  Lämmerzahl (Fußn. 496), 207. 550  Lämmerzahl (Fußn. 496), 207, Fußn. 131. 551  Vgl. auch: Mitteilung der Kommission vom 23.04.2003 zum Ausbau des trans­ europäischen Verkehrsnetzes: Neue Formen der Finanzierung Interoperabler Mautsys­ teme, KOM (2003), 132 endg. S. 18. 552  Hellermann (Fußn. 418), 208, Fußn. 273: EuGH v. 13.10 2005, C-458 / 03, NZBau 2005, 644, 647; OLG Celle v. 05.02.2004, 13 Verg 26 / 03, NZBau 2005, 51. 553  Lämmerzahl (Fußn. 496), 207, Fußn. 134 bis 138. 554  Dagtoglou (Fußn. 132), 535. 555  Vgl. § 2 EnWG; ähnlich auch die auch die Betriebs- und Beförderungspflicht von Verkehrsunternehmen im Linienverkehr nach §§ 21, 22 PBefG. 556  Hellermann (Fußn. 418), 208.

116

Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

Aufgaben,557 wodurch auch bei der Konzessionslösung der Charakter der Einrichtung als „öffentlich“ gewahrt wird.558 Auf Konzessionäre in der Rechtsform von Aktiengesellschaften kann aber, beispielsweise im Ver­ kehrs- und Versorgungsbereich, nur dann Einfluss genommen werden, wenn der Konzessionsvertrag als Beherrschungsvertrag ausgestaltet wird (§§ 308, 76 AktG). Allerdings können sich hieraus wiederum Bedenken wegen des Koppelungsverbots ergeben.559 Um echte Privatisierung handelt es sich dagegen, wenn Aufgaben, die bisher von der öffentlichen Hand erfüllt wurden, zulässigerweise ganz oder teilweise Privaten überlassen werden,560 und zwar gleichgültig, ob nur der „Input“ der Verwaltungstätigkeit (z. B. Versorgung mit Büromaterial) oder der „Output“ (z. B. ÖPNV) auf Private übergeht und gleichgültig, ob es sich um die schlicht hoheitliche, die Fiskalverwaltung oder um Annextätigkeiten handelt. Eine materielle Privatisierung ist jedoch bei Pflichtaufgaben schon be­ grifflich ausgeschlossen. Auch Aufgaben, die für die Staatlichkeit konstitutiv sind und deren effektive Erfüllung nur durch Staatsorgane sichergestellt werden kann, sind einer materiellen Privatisierung entzogen.561 Art. 33 Abs. 4 GG bildet dabei im Regelfall eine Schranke für die Privatisierung.562 Privatisierung hoheitlicher Aufgaben muss die Ausnahme sein,563 deshalb kommt nur eine punktuelle Übertragung staatlicher Kompetenzen in Be­ tracht und keine „Globalzuweisung“.564 Auch sind alle Aufgaben von „er­ heblichem politischem Gewicht“ und solche, die traditionell durch öffentli­ che Einrichtungen kulturellen oder sozialen Gemeinwohlbelangen der örtli­ chen Gemeinschaft dienen,565 von einer materiellen Privatisierung ausge­ 557  Knemeyer, Privatisierung und modernes kommunales Unternehmensrecht. Ei­ gengesellschaft oder Kommunalunternehmen in der Rechtsform der Anstalt des öf­ fentlichen Rechts als Gegenbewegung zur Privatisierung, http: /  / www.juridicainter national.eu / ?id=14183, 21.05.2013, 23. 558  Steiner, Kommunalrecht, in: Berg / Knemeyer / Papier / Steiner (Hg.), Staatsund Verwaltungsrecht in Bayern, 1996, 109, 166, Fußn. 370: BayVGH v. 23.03.1988, 4 B 86.02336, BayVBl 1989, 148, 148: Privater als „Verrichtungsgehilfe“. 559  Gaß (Fußn. 420), 422; vgl. auch BVerwG v. 06.07.1973, IV C 22.72, BVerw­ GE 42, 331, 338 f.; BVerwG v. 16.05.2000, 4 C 4 / 99, BVerwGE 111, 162. 560  Däubler (Fußn. 529), 27, Fußn. 98 m. w. N., insb. Görgmaier, Möglichkeiten und Grenzen der Entstaatlichung öffentlicher Aufgaben, DÖV 1977, 356, 358. 561  Ronellenfitsch, § 5 Voraussetzungen und Grenzen der materiellen Privatisie­ rung, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 55, 57. 562  Däubler (Fußn. 529), 74. 563  Vgl. BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, 1565. 564  Däubler (Fußn. 529), 82, Fußn. 25: Steiner (Fußn. 527), 271, 273. 565  BVerwG v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382, 1383 f.



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe117

schlossen.566 Für diese Aufgaben besteht kein grundsätzlicher Vorrang Privater, da aus der Verfassung ein generelles Subsidiaritätsprinzip nicht ableitbar ist.567 Die mit einer materiellen Privatisierung verbundenen Erwartungen an Kostensenkung und Leistungssteigerung lassen sich vielfach nur unter Wett­ bewerbsbedingungen erreichen. Damit scheidet eine materielle Privatisie­ rung aus, wenn als deren Folge private Monopole entstehen.568 Wettbe­ werbsfähig werden kommunale Dienstleister aber häufig nur, wenn ihnen auch der private Markt offen steht. Da sich in der Regel nur gewinnträch­ tige Bereiche veräußern lassen, erscheint deren Privatisierung kontraproduk­ tiv für eine nachhaltige Entlastung kommunaler Haushalte, weil hiermit nur ein Einmaleffekt zu erzielen ist.569 Aus der materiellen Privatisierung resultiert allerdings nicht notwendiger­ weise ein vollständiger Rückzug der Verwaltung. Statt sich der Aufgabe ganz zu entledigen und dem Privaten zu überlassen, was dieser mit den erworbenen Eigentumspositionen oder sonstigen Vermögenswerten anfängt, kann oder muss die Verwaltung ggf. auch nach der Privatisierung gegenüber den Bürgern die Aufgabenerfüllung garantieren. Dies kann als Privatisie­ rungsfolgenrecht sowohl zu Einwirkungsrechten sowie Kontroll-, Einstandsund Beobachtungspflichten der Verwaltung, etwa nach der Modellvorstel­ lung einer hoheitlich regulierten Selbstregulierung, als auch zu Förderpflich­ ten führen570 und ggf. sogar zur Rekommunalisierung der Aufgabe, etwa bei Marktversagen, zwingen. 4. Zwischenergebnisse zum Begriff des kommunalen Unternehmens und der unternehmerisch tätigen Kommune Im deutschen Recht wird zwischen dem Unternehmen und seinem Träger, dem Unternehmer, unterschieden. Wie in der Betriebswirtschaftslehre sind auch für den Rechtsbegriff des Unternehmens weder Privateigentum noch 566  Däubler

(Fußn. 529), 83. v. 25.02.1966, VII C 72.64, BVerwGE 23, 304, 306; BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 338; VGH Kassel v. 28.09.1976, 28.09.1976, NJW 1977, 454. 568  Ehlers (Fußn. 500), 138. 569  Ehlers (Fußn. 500), 138; Ein Beispiel hierfür ist die Stadt Dresden, die ihren gesamten Wohnungsbestand an Private veräußert hat. 570  Ehlers (Fußn. 500), Fußn. 2: Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privat­ recht als wechselseitige Auffangordnungen, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, 301 ff. 567  BVerwG

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

die Gewinnerzielungsabsicht konstitutiv, wohl aber die Befriedigung mate­ rieller Lebensbedürfnisse, die wirtschaftliche und ein Mindestmaß an orga­ nisatorischer Selbstständigkeit sowie die Übernahme eines Marktrisikos und die Erzielung von Einnahmen. Auch der wettbewerbsrechtliche Unternehmensbegriff des durch eigen­ ständige Begrifflichkeit geprägten europäischen Unionsrechts mit seinen auf Diskriminierungsfreiheit und Transparenz zielenden Wettbewerbsregeln und den flankierenden Bestimmungen des Beihilfe- und des Vergaberechts ent­ spricht diesen Merkmalen. Die konkrete marktbezogene Tätigkeit bestimmt dabei unabhängig von der Rechtsform die Einstufung einer Organisation als Unternehmen. Dieser funktionale Unternehmensbegriff lässt auch juristische Personen des öffentlichen Rechts zu Unternehmern werden, wenn sie sich durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschalten, die Direktionsgewalt ausüben, das wirtschaftliche Risiko tragen und sich dabei nicht der Inhalt ihrer Tätigkeit, sondern nur die Person des Trägers von privaten gewerblichen Unternehmern unterscheidet. Der Unternehmensbe­ griff grenzt mit dem Erfordernis einer gewissen Verselbstständigung, d. h. der Unterscheidbarkeit der internen Organisationsstruktur, auch marktbezo­ gene (geschäftliche) Handlungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts von ihrer allgemeinen öffentlichen Verwaltungstätigkeit ab. Im Recht der Europäischen Union wird der Begriff des öffentlichen Un­ ternehmens geprägt durch den unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss des Staates oder seiner Gebietskörperschaften. Öffentliche Unternehmenstätig­ keit ist – wie jede Tätigkeit des Staates oder seiner Untergliederungen – kompetenzgebunden. Private Tätigkeit dagegen lebt von der Autonomie freiheitlicher Grundrechtsausübung. Zur Gewährleistung von Chancen­ gleichheit und Transparenz, zur Wahrung der Grundfreiheiten der europäi­ schen Verträge und der Grundrechte der Grundrechte-Charta unterliegen deshalb auch Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) bei Binnenmarktrelevanz dem europäischen Wettbewerbs-, Beihil­ fe- und Vergaberecht als Schranken öffentlicher Unternehmenstätigkeit auf den Gebieten, die das nationale Recht der Daseinsvorsorge zuordnet, soweit dadurch die spezielle Aufgabenerfüllung nicht verhindert wird. Unter dem weiten Begriff „kommunales Unternehmen“ wird in der vor­ liegenden Untersuchung ein „örtlich radiziertes“ bzw. durch einen Gemein­ deverband betriebenes und durch das jeweilige kommunale „Teilvolk“ legi­ timiertes öffentliches Unternehmen im funktionalen Sinn verstanden. Im institutionellen Sinn umfasst der Begriff die landesrechtlich vorgesehenen öffentlich-rechtlichen und zugelassenen privatrechtlichen Rechtsformen, in der eine kommunale Gebietskörperschaft ihre Selbstverwaltungsaufgaben



B. Terminologie und Inhalte der verwendeten Begriffe119

mit marktbezogener Tätigkeit selbst erfüllt oder durch von ihr beherrschte Organisationseinheiten wahrnehmen lässt. Diese reichen vom Regiebetrieb am unteren Ende der organisatorischen Autonomieskala über die herkömm­ liche Standardform des Eigenbetriebs und das den privatrechtlichen Rechts­ formen angenäherte Kommunalunternehmen (Anstalt des öffentlichen Rechts) bis zur GmbH als der flexiblen „Allerwelts-“Gesellschaft und der für grö­ ßere Unternehmen im Wettbewerb vor allem für Konzernstrukturen geeig­ neten Aktiengesellschaft. Kommunale Eigenunternehmen oder kommunal beherrschte Unterneh­ mensbeteiligungen mit ausschließlich öffentlichen Trägern verbindet mit ihren Trägern häufig eine gleichgerichtete Interessenlage zur gemeinsamen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Allerdings kann sich aus der vielfäl­ tigen Aufgabenstellung einer Kommune571 eine Divergenz zwischen den unterschiedlichen Zielen bei der Erfüllung von Aufgaben des übertragenen und des eigenen Wirkungskreises zu den mit unternehmerischer Betätigung verfolgten Zwecken ergeben. Der BGH hat aus diesen Gründen eine Kör­ perschaft des öffentlichen Rechts bereits als Unternehmen im konzernrecht­ lichen Sinn angesehen, wenn sie auch nur ein einziges Unternehmen in privater Rechtsform beherrscht.572 Bei kommunal beherrschten gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, bei institutionalisierten Partnerschaftsmodellen (ÖPP / PPP) in der Betriebsfüh­ rungs- oder der Betreibervariante und bei kommunalen Minderheitsbeteili­ gungen an Gesellschaften Privater ebenso wie bei der Einschaltung Privater als Verwaltungshelfer steht die Interessenlage der privaten Beteiligten auf Gewinnerzielung in einem permanenten Spannungsverhältnis zur Verpflich­ tung des kommunalen Gesellschafters auf eine dem Allgemeinwohl dienen­ de öffentliche Aufgabenerfüllung. Diesen Modellen immanent ist stets eine materielle Teilprivatisierung der zu erfüllenden kommunalen Aufgabe oder ihrer Durchführung. Ihre Tätigkeit ist damit in der Regel auf freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten begrenzt. Als Privatisierungsfolgenrecht erfordern solche Unternehmen ausreichende Steuerungs- und Kontrollrechte für die beteiligten Kommunen, um den Status eines „kommunalen“ Unter­ nehmens zu erhalten. Die Kommune treffen hierfür laufende Einwirkungsund Kontrollpflichten bis hin zu einer Rekommunalisierungspflicht der (teil-)privatisierten Aufgabe, um die Publizität der Aufgabenerfüllung zu gewährleisten oder wiederherzustellen. Die Rechtsform des Unternehmens besitzt lediglich dienende Funktion für die Aufgabenerfüllung durch die Kommune. Nur wenn sie dafür geeignet, 571  Siehe 572  BGH

hierzu anschließend Kapitel 2 Abschnitt A. II. v. 17.03.1997, II ZB 3 / 96, BGHZ 135, 107, 113 f.

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Kap. 1: Einführung und Begriffsdefinitionen

erforderlich und für die Aufgabenwahrnehmung angemessen ist, kann sie auch zulässig sein. Dies ist eine unmittelbare Folge aus dem Demokra­ tieprinzip in seiner spezifischen Ausprägung der kommunalen Selbstverwal­ tung. In Selbstverwaltungsangelegenheiten beziehen die Organe der kom­ munalen Gebietskörperschaften ihre Legitimation unmittelbar vom örtlichen Teilvolk. Dagegen leitet sich die Legitimation von der Legislative ab, soweit die kommunale Tätigkeit auf besonderen Ermächtigungen durch den Ge­ setzgeber des Bundes oder des Landes beruht, wie etwa bei übertragenen Aufgaben, bei gesetzlich ausdrücklich zugelassener erwerbswirtschaftlicher oder überörtlicher kommunaler Wirtschaftstätigkeit auch auf ausländischen Märkten. Den Maßstab für den gestaltenden Einfluss der vom Wahlbürger legiti­ mierten kommunalen Vertretungs- und Kollegialorgane auf die Aufgaben­ wahrnehmung kommunaler Unternehmen bestimmen die für die Verwaltung der Kommune selbst geltenden Steuerungs- und Kontrollpflichten, Publizi­ tätsanforderungen und Transparenzvorschriften sowie die Zugangsrechte der Nutzer öffentlicher Einrichtungen.573 Für kommunale Unternehmen und Beteiligungen kommt eine aufgaben- und davon abhängig rechtsformspezi­ fische Modifizierung dieser Anforderungen nur in Betracht, soweit die Verfassungsordnung selbst oder die mit ihr übereinstimmenden einfachge­ setzlichen Regelungen und bei marktbezogener wirtschaftlicher Betätigung die unionsrechtlichen Vorschriften des Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergabe­ rechts sowie Grundrechte von Wettbewerbern diese gestatten. Die Rahmen­ bedingungen hierfür sind deshalb im Folgenden zu untersuchen.

573  BVerwG

v. 06.04.2005, 8 CN 1 / 04, BVerwGE 123, 159, 165.

Kapitel 2

Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung I. Historische Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung Aus historischer Sicht ist die Selbstverwaltung kommunalen Ursprungs574, beschränkt sich aber nicht auf die kommunale Ebene, sondern verkörpert auch in der funktionalen Selbstverwaltung, wie etwa von öffentlich-rechtli­ chen Rundfunkanstalten, Anwalts- und Ärztekammern und anderen berufs­ ständischen Organisationen sowie der akademischen Selbstverwaltung von Universitäten und Hochschulen einen freiheitlichen Zug in der neuzeitlichen Entwicklung der deutschen Staats- und Verwaltungsorganisation.575 Aller­ dings existiert weder ein der konkreten (Verfassungs-)Rechtsordnung vorge­ lagerter generell-abstrakter noch ein ihr immanenter generell-konkreter Be­ griff der „Selbstverwaltung“, die auch kein allgemeines Verfassungsprinzip, sondern nur eine bereichsspezifische Kategorie darstellt.576 1. Dezentralisation und Partizipation Das Institut der Selbstverwaltung ist historisch gewachsen.577 Mit der preußischen Städteordnung vom 19. November 1808, dem Reformwerk des 574  Hendler, Grundbegriffe der Selbstverwaltung, in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunal­ verfassung, 2007, 1, 5 m. w. N. in Fußn. 4. 575  Hendler (Fußn. 574), 4, Fußn. 2: Oebbecke, Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, in: Bogdandy / Burgi / Heintzen / Herdegen / Ko­ rioth / Morlok / Oebbecke / Voßkuhle (Hg.), Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in St. Gallen vom 1. bis 5. Okto­ ber 2002, VVDStRL (62), 2003, 366 ff., 369; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung 1997, 81. 576  Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung 1993, 522 f. 577  Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht 4. Aufl. 1977, 62 m. w. N. in Fußn. 6.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Freiherrn vom Stein, wurden im Rahmen einer übergreifenden Staatsord­ nung dezentrale578 Verwaltungseinheiten geschaffen mit dem Ziel, bestimm­ ten gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit zu geben, solche öffentli­ chen Angelegenheiten, von denen sie besonders berührt wurden, weitgehend unabhängig von staatlicher Einwirkung zu erledigen.579 Die Rastede-Ent­ scheidung des BVerfG580 enthält eine lehrbuchmäßige Darstellung der Ent­ wicklungsgeschichte. Im Bereich der kommunalen Aufgaben vollzog sich in der Epoche von 1848 bis 1918 ein tiefgreifender Wandel, vor allem in den Groß- und Mit­ telstädten, von der Ordnungs- und Vermögensverwaltung und über die Schule und Armenhilfe hinaus zu einer effizienten Leistungsverwaltung581 auf der Grundlage der administrativen Allzuständigkeit (§ 108 der preußi­ schen Städteordnung von 1808). Dies wurde gefördert durch die politischen Thesen von den „sozialen“ oder „wirtschaftlichen Aufgaben der Städte“, deren Ziel vor allem die Integration der Unterschichten in die Gesellschafts­ ordnung des Kaiserreichs war und die sich mit der von den Sozialdemokra­ ten aus England importierten Idee des „Munizipalsozialismus“ deckte.582 Ernst Forsthoff entwickelte dafür später die umfassende Theorie der Da­ seinsvorsorge.583 Ausgehend von Tätigkeitsfeldern wie Kanalisation, Wasserversorgung und Entsorgung aus hygienischen Gründen bis hin zu modernen Zweigen der Stadttechnik, Gas- und Elektrizitätswerken, bewegten sich die Städte schließlich zwischen einer „demonstrativen Modernität“ und einer „strategi­ schen Industriepolitik“584 in einer Bandbreite von der Daseinsvorsorge aus sozialpolitischer Verantwortung585 bis zur rein erwerbswirtschaftlichen Be­ tätigung als Beitrag zur Finanzierung ihrer Aufgaben. 578  Zum Begriff der Dezentralisation (Dezentralisierung) vgl. Hendler (Fußn. 574), 15 m. w. N. in Fußn. 50; der Gegenbegriff hierzu, die Zentralisation bedeutet, dass kommunale Aufgaben von den Gebietskörperschaften selbst und nicht von ausge­ gliederten juristischen Personen oder Verwaltungsstellen mit eigenverantwortlichen Handlungsspielräumen wahrgenommen werden, vgl. Ehlers (Fußn. 493) Fußn. 3 m. w. N. 579  Hendler (Fußn. 574), 5 m. w. N. in Fußn. 6. 580  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 144 ff. 581  Hofmann, Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung von 1848 bis 1918, in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 73, 83. 582  Hofmann (Fußn. 581), 84 m. w. N. in Fußn. 43 und 46. 583  Hofmann (Fußn. 581), 84 m. w. N. in Fußn. 44. 584  Hofmann (Fußn. 581), 85 m. w. N. in Fußn. 49. 585  Mit einem auf die Gesamtbevölkerung ausgerichteten Konzept öffentlicher Wohlfahrtspflege waren vor allem die Städte das Experimentierfeld für soziale In­ novationen, die schließlich zum Sozialstaat führten: Hofmann (Fußn. 581), 87,



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 123

In der wissenschaftlich-theoretischen Aufarbeitung des Selbstverwal­ tungsphänomens spielte das Partizipationsprinzip, die stärkere Einbezie­ hung der Bürger in die Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung, eine wesentliche Rolle, bis schließlich die rechts-positivistische Dogmatik des ausgehenden 19. Jahrhunderts diese ursprüngliche Zielrichtung der Selbstverwaltungsidee zugunsten einer „Selbstverwaltung im juristischen Sinne“ zurückdrängte und strikt von der „Selbstverwaltung im politischen Sinne“ trennte.586 Diese wurde bis in die Weimarer Zeit noch als „Mitwir­ kung von ehrenamtlich tätigen Laien an der öffentlichen Verwaltung“ ver­ standen.587 Selbstverwaltung im juristischen Sinne war im Gegensatz dazu als eigenverantwortliche Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch insoweit weisungsfreie juristische Personen des öffentlichen Rechts defi­ niert.588 Historisch war Selbstverwaltung damit „administrative Dezentralisation“ und in gewissem Rahmen bürgerschaftliche Partizipation, nicht aber Aus­ druck von Demokratie.589 Erst nach dem Zweiten Weltkrieg fügte sich die Selbstverwaltung in die Organisation des demokratischen Staates ein. 2. Partizipation und Demokratie auf kommunaler Ebene Die moderne Selbstverwaltung stellt eine organisatorische Untergliede­ rungsform des Staates dar und zwar als besondere Organisationsform der Betroffenenpartizipation, d. h., sie ist institutionalisierter Betroffenenschutz durch Betroffenenteilnahme.590 Unter partizipatorischen Gesichtspunkten ist maßgeblich, dass den Betroffenen die rechtliche Befugnis zusteht, die admi­ nistrative Aufgabenerfüllung der jeweiligen Organisationseinheit zu steuern, unerheblich, ob sie körperschaftlich, anstaltlich oder stiftungsrechtlich orga­ Fußn. 66 unter Bezug auf Reulecke, in: Blotevogel (Hg.), Kommunale Leistungsver­ waltung und Stadtentwicklung vom Vormärz bis zur Weimarer Republik, 1990, 71, 80. 586  Hendler (Fußn. 574), 6 m. w. N. in Fußn. 12. 587  Hendler (Fußn. 574), 8 m. w. N. in Fußn. 20. 588  Hendler (Fußn. 574), 9 m. w. N. in Fußn. 22. 589  Püttner, Zum Verhältnis von Demokratie und Selbstverwaltung, in: Mann / Pütt­ ner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 384, Fußn. 9: Herzfeld, Demokratie und Selbstver­ waltung in der Weimarer Epoche 1957, 11 ff. 590  Hendler (Fußn. 574), 9; h. M.: vgl. BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, 55; BVerfG v. 05.12.2002, 2 BvL 5 / 98 u. a., BVerfGE 107, 59, 88 für die funktionale Selbstverwaltung; vgl. auch Art. 86 Abs. 2 Verfassung des Frei­ staates Sachsen vom 27.05.1992 (SächsGVBl. 1992, S. 243).

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

nisiert ist. Überdies gilt das Egalitätsprinzip, wonach bei gleicher Betroffen­ heit auch gleiche Mitwirkungsrechte in der entsprechenden Selbstverwal­ tungseinheit zu gewähren sind.591 Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG will die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage im Staatsaufbau sicherstellen, nicht aber die „mit­ gliedschaftlich-partizipatorische“ Komponente, die aller Selbstverwaltung eigen ist, von Verfassungs wegen zusätzlich stärken592, sondern einen „Schutzwall um ein Organisations-, Institutions-, Aufgaben-, Kompetenzund Befugnisbündel gegen den Staat (im engeren Sinn)“593 errichten. Gemeinden sind als die untere Ebene des demokratisch aufgebauten Staa­ tes integraler Bestandteil der verfassungsrechtlich verbürgten Demokratie. Zwischen staatlicher und kommunaler Demokratie gibt es keinen Wesens­ unterschied.594 Das Volk im Sinne des Art. 28 GG ist das gleiche wie in Art. 20 GG, nämlich das deutsche Volk.595 Die Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssou­ veränität und der Demokratie sowie für ein demokratisches Wahlverfahren gelten nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur auf Bundes- und Landes­ ebene, sondern auch in den Untergliede-rungen der Länder, den Gemeinden und Gemeindeverbänden.596 Die Vorschrift gewähr-leistet damit für alle Gebietskörperschaften auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage. Art.  28 Abs. 1 Satz 2 GG trägt auf diese Weise der besonderen Stellung der kom­ munalen Gebietskörperschaften im Aufbau des demokratischen Staates Rechnung. Diese innerstaatliche Kompetenzenklave erfährt durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG eine sie gegenüber anderen Selbstverwaltungseinheiten heraushebende verfassungsrechtliche Einbindung in die grundgesetzliche Legitimationsordnung.597 Das Recht auf Selbstverwaltung wird im Rahmen der staatlichen Organisation konstituiert und in den staatlichen Aufbau inte­ griert. Das Grundgesetz hat sich innerhalb der Länder für einen auf Selbst­ verwaltungskörperschaften ruhenden Staatsaufbau und damit für die geglie­ 591  Hendler

(Fußn. 574), 11. v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, 55; vgl. hierzu auch Schmidt-Aßmann (Fußn. 175), 380. 593  Jestaedt (Fußn. 576), 525. 594  Püttner (Fußn. 589), 381. 595  Püttner (Fußn. 589), 383; BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60, 71 f. 596  BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, 53; BVerfG v. 24.07.1979, 2 BvK 1 / 78, BVerfGE 52, 95 ff., 111, zu Art. 2 Abs. 2 der Landessat­ zung Schleswig-Holstein. 597  Jestaedt (Fußn. 576), 525. 592  BVerfG



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 125

derte Demokratie entschieden.598 Aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG folgt daher, dass die für den Bundestag (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) geltenden Wahl­ rechtsgrundsätze im Sinne der repräsentativen Demokratie auch für die Gemeinden und Kreise maßgeblich sind,599 auch wenn die Gemeindevertre­ tung kein Parlament, sondern Organ der Selbstverwaltungskörperschaft ist.600 Über die Gewährleistung einer demokratisch gewählten Volksvertretung für die Kreise und Gemeinden hinaus macht Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG je­ doch keine Vorgaben dazu, welche Angelegenheiten der örtlichen Gemein­ schaft dem gewählten Gemeinde- oder Kreisparlament vorbehalten sein müssen. Diese Entscheidung trifft der Landesgesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Befugnis zur Ausgestaltung des Kommunalrechts. Seine Auffassung ist für den bundesverfassungs-rechtlichen Maßstab nicht bin­ dend. Nicht jede Verletzung des einfach-rechtlichen Kommunalverfassungs­ rechts begründet damit zugleich einen Verfassungsverstoß.601 Die örtliche Gemeinschaft soll nach dem Leitbild des Art. 28 GG ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und in eigener Verantwortung solida­ risch gestalten.602 Kommunale Selbstverwaltung bedeutet nach Hans Pe­ ters603 ihrer Intention nach „Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten“ bzw. „wirksame Teilnahme an den Angelegenheiten des Gemeinwesens“ auf der örtlichen Ebene.604 Auch im Hinblick auf das ge­ bietskörperschaftliche Territorium besteht „Gebietskongruenz“605 mit dem Gemeindevolk. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung ist damit die auf das Gemeindevolk rückführbare und von ihm ausgehende Herrschafts­ autorisierung demokratische Legitimation im Sinne des Grundgesetzes.606 598  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 148; BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, 54. 599  Tettinger, Die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 187, 207 Fußn. 110: BVerfG v. 15.02.1978, 2 BvR 134 / 76 u. a., BVerfGE 47, 253; BVerfG v. 24.07.1979, 2 BvK 1 / 78, BVerfGE 52, 95 ff., 112; BayVerfGH v. 29.08.1997, Vf. 8-VII-96 u. a., VerfGHE BY 50, 181, 204. 600  BVerfG v. 21.06.1988, 2 BvR 975 / 83, BVerfGE 78, 344, 348. 601  BVerfG v. 23.07.2002, 2 BvL 14 / 98, LKV 2002, 569, 572. 602  Köttgen, Sicherung der gemeindlichen Selbstverwaltung 1960, 9. 603  Peters, Lehrbuch der Verwaltung 1949, 292. 604  Tettinger (Fußn. 599), 209, Fußn. 124: BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 150. 605  Jestaedt (Fußn. 576), 527. 606  Jestaedt (Fußn. 576), 528 m.  w. N. in Fußn. 464; zur überörtlichen und er­ werbswirtschaftlichen Tätigkeit siehe Abschnitt B. I. 2. e).

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Damit gestattet kommunale Selbstverwaltung einen gegenüber der Staats­ verwaltung flexibleren, die Bürgerinteressen und Einzelsituationen näher berücksichtigenden Verwaltungsstil.607 Sie ist damit mehr als nur mittelbare Staatsverwaltung und besitzt eine eigene gewaltenteilende demokratische Funktion und Qualität. Das Prinzip kommunaler Selbstverwaltung ist mit dem demokratischen Willensbildungsprozess verknüpft608 (vgl. Art. 11 Abs. 4 BV609, Art. 1 Satz 2 BayGO). Die kommunale Selbstverwaltung ist eine Symbiose mit dem Demokratieprinzip eingegangen. Gerade dadurch erhält sie ihr gegenwartsbezogenes Gepräge.610 Die „Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie“ wurzeln im demokratischen Prinzip.611 Dies gilt auch für die Beteiligung Betroffener an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben.612 „Demokratisches Prinzip und Selbst­ verwaltung stehen unter dem Grundgesetz nicht im Gegensatz zueinander.“613 „Das Demokratieprinzip prägt das Bild der Selbstverwaltung, wie sie der Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG zugrunde liegt.“614 Damit liegt dem Grundgesetz ein Verständnis demokratischer Gleichheit zugrunde, das durch das Prinzip der Selbstverwaltung denjenigen Personen, die von bestimmten öffentlichen Angelegenheiten besonders berührt sind, größere rechtliche Einflussmöglichkeiten auf die hoheitliche Wahrnehmung der betreffenden Angelegenheiten einzuräumen hat als den übrigen Staats­ bürgern, also ein nach Betroffenheitsgesichtspunkten differenziertes Egali­ tätsdenken.615 607  Knemeyer, Gemischte Demokratie – ein Wesensmerkmal kommunaler Selbst­ verwaltung, Freiheit und Eigentum: Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburts­ tag / Albrecht Randelzhofer, 911 ff. 608  Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 9: Ipsen, Soll das kommunale Satzungs­ recht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden?, JZ 1990, 789, 790. 609  Verfassung des Freistaates Bayern i. d. F. der Bekanntmachung vom 15.12.1998 (GVBl. S. 991), zul. geänd. durch G. vom 10.11.2003 (GVBl. S. 817), ebenso Art. 3 Abs. 2 Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23.05.1993 (GVOBl. M-V 1993, S. 372), zul. geänd. durch G. vom 30.06.2011 (GVOBl. M-V S. 375). 610  Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 8 Fußn. 17a: Kahl, Die Staatsaufsicht 2000, 437 ff., 447 f. 611  BVerfG v. 05.12.2002, 2 BvL 5 / 98 u. a., BVerfGE 107, 59, 91. 612  BVerfG v. 05.12.2002, 2 BvL 5 / 98 u. a., BVerfGE 107, 59, 98. 613  BVerfG v. 05.12.2002, 2 BvL 5 / 98 u. a., BVerfGE 107, 59, 92. 614  Tettinger (Fußn. 599), 209 Fußn. 125: BVerfG v. 26.10.1994, 2 BvR 445 / 91, BVerfGE 91, 228, 244. 615  Hendler (Fußn. 574), 21: Allerdings wäre eine ausgeprägte „Betroffenendemo­ kratie“ mit der grundgesetzlichen Regelungskonzeption in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung für den Staat, wie Verteidigung oder Außenpolitik nicht vereinbar. Hierbei muss stets die Legitimationskette Wahl – Parlament – Regie­



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 127

„Die partizipatorischen Demokratiemodelle sind allgemein dann verfas­ sungsrechtlich bedenklich, wenn Gemeinwohlentscheidungen des demokra­ tischen Gesetzgebers durch interessenselektive Partizipation wieder ausge­ hebelt werden können. Dies betrifft auch Vorschläge für kooperatives oder konsensuales Verwaltungshandeln, nach denen z. B. Anlagenzulassungs- oder Planungsentscheidungen danach getroffen werden sollen, ob mit allen Be­ troffenen im Diskurs oder in Verhandlungen Konsens hergestellt werden kann oder nicht.“616 Als Beispiel mag das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ die­ nen, bei dem im Nachgang zu langjährigen Anhörungs-, Beteiligungs-, Genehmigungs- und Gerichtsverfahren mit weitgehend erfolglosem Ausgang für die Betroffenen Heiner Geißler einen im Ergebnis jedoch gescheiterten Mediationsversuch unternommen hat. Als unmittelbares partizipatorisches Element sieht bisher einzig die Hes­ sische Gemeindeordnung (§ 121 Abs. 1a Sätze 2 und 3 HGO617) bei wirt­ schaftlicher Betätigung der Gemeinden, und zwar ausschließlich auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung erneuerbarer Energien und der Verteilung von hieraus gewonnener thermischer Energie innerhalb des Gemeindegebiets vor, dass hierbei die Beteiligung der Einwohner er­ möglicht werden und der Anteil der Gemeinde 50 Prozent nicht übersteigen soll. Partizipatorische Elemente für Sachentscheidungen beinhalten die Ge­ meindeordnungen und Kommunalverfassungen auch mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden, die inzwischen in allen Bundesländern eingeführt sind, allerdings nur als Kollektivrechte wahrgenommen werden können.618 Einige Länder haben neben Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auch Ein­ wohneranträge eingeführt (vgl. Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom­ mern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein), die aber lediglich eine rung – Staatsunmittelbare Verwaltung mit strikt formalem bzw. schematischem Gleichheitsprinzip gewährleistet sein, d. h., solche öffentlichen Angelegenheiten von wesentlichem Gewicht für die Allgemeinheit dürfen nicht auf eigenverantwortlich agierende Selbstverwaltungseinheiten übertragen werden. Die Selbstverwaltung kann daher lediglich als „Akzessorium oder Regulativ“ des politischen Willensbildungsund Entscheidungsprozesses begriffen werden. 616  Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck (Hg.), Kommentar zum Grund­ gesetz, 2010, Art. 20 GG, Rdnr. 79. 617  Hessische Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 2005 (GVBl. I 2005 S. 142), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.05.2013 (GVBl. I S. 218). 618  Mann, Die Rechtsstellung von Bürgern und Einwohnern, in: Mann / Pütt­ ner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 331, 336.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Initiativkompetenz umfassen, damit das Thema auf die Tagesordnung der Gemeindevertretung gebracht wird.619 Brandenburg hatte ursprünglich von der Option des Art. 28 Abs. 2 Satz 4 GG Gebrauch gemacht und im damaligen § 53 BbgGO für Gemeinden mit bis zu 100 Einwohnern an Stelle einer gewählten Vertretung die Gemeinde­ versammlung vorgesehen,620 diese Regelung aber inzwischen aufgehoben.621 Inwieweit sich aus dem Gedanken der Betroffenenbeteiligung rechtsnor­ mativ eine neben die demokratische Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG tretende weitere Art von Verwaltungslegitimation gewinnen lässt, kann nur differenziert beantwortet werden.622 Die Entwicklung neuer partizipatorischer Demokratiemodelle wird aller­ dings durch die Europäische Union als „ergänzende Funktion bei der Legi­ timation europäischer Hoheitsgewalt“623 gefördert. Umfassende Modernisie­ rungsstrategien müssen die wachsende internationale Verflechtung der Staaten beachten und die Entwicklung einer gegliederten oder „MehrebenenDemokratie“ im Blick haben.624 Der Vertrag von Lissabon625 stützt sich deutlich auf das Prinzip dualer Legitimation, wenn er in Art. 10 EUV eine repräsentative Demokratie mit zwei Repräsentationssträngen postuliert, nämlich dem unmittelbar von den Unionsbürgern gewählten Parlament und den mittelbar durch die nationalen Parlamente über die Regierungen der Mitgliedstaaten legitimierten Organen Europäischer Rat und Ministerrat. Der in Art. 11 EUV zusätzlich niedergelegte Grundsatz der partizipativen 619  Mann (Fußn.  618), 337  f. und Neumann, in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.) HdbKWP Bd. 1 § 18 Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, 2007, 353, 374 m. w. N. 620  Tettinger (Fußn. 599), 207 mit Fußn. 117. 621  Vgl. damaliger § 53 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg (Bbg­ GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.10.2001 GVBI. 2001, 154; vgl. auch die Option für eine Gemeindeversammlung in Art. 72 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953 (GBl. 1953, S 173), zul. geänd. durch G. vom 07.02.2011 (GBl. S46), von der kein Gebrauch gemacht worden ist. Entsprechende Regelungen finden sich in Art. 57 Abs. 2 S. 2 Niedersächsische Ver­ fassung vom 19.05.1993 (Nds.GVBl. 1993, S. 107), zul. geänd. durch G. vom 30.06.2011 (Nds.GVBl. S. 210), Art. 86 Abs. 1 S. 2 Verfassung des Freistaates Sach­ sen vom 27.05.1992 (SächsGVBl. 1992, S. 243), Art. 89 S. 1, 2. Hs. Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.07.1992 (GVBl. LSA 1992, S. 600), zul. geänd. durch G. vom 27.01.2005 (GVBl. LSA S. 44) und Art. 95 S. 2 Verfassung des Frei­ staats Thüringen vom 25.10.1993 (GVBl. 1993, S. 625), zul. geänd. durch G. vom 11.10.2004 (GVBl. S. 745). 622  Schmidt-Aßmann (Fußn. 175), 372; vgl. hierzu Kapitel 4 Abschnitt B. I. 623  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 369. 624  Sommermann (Fußn. 616), Rdnr. 80 Fußn. 297. 625  „Gesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007“ vom 08. Okto­ ber 2008 (BGBl. II S. 1038).



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 129

Demokratie kann jedoch die repräsentative Demokratie nur ergänzen, aber nicht ersetzen.626 3. Kommunale Selbstverwaltung und Publizität Im 19. Jahrhundert war die Selbstverwaltung noch deutlich vom Gedan­ ken der bürgerschaftlichen Betroffenenpartizipation geprägt. Damit sollte den gesellschaftlichen Gruppen Teilhabe an den enorm gewachsenen sozia­ len und wirtschaftlichen Aufgaben vor allem der Städte ermöglicht werden. Politisches Ziel dieser Partizipation war es hierbei insbesondere, die von lokalen Entscheidungen unmittelbar betroffenen Unterschichten in die bür­ gerliche Gesellschaftsordnung zu integrieren. Mit dieser Form der Partizipa­ tion konnten diese für die Erfüllung der sie unmittelbar betreffenden staat­ lichen Aufgaben im Interesse des Staates dienstbar gemacht werden. Gleich­ zeitig konnte damit eine gewisse Identifikation einer bisher staatsfernen gesellschaftlichen Gruppe mit dem großbürgerlich geprägten Gemeinwesen des Kaiserreichs gefördert und damit sozialer Sprengstoff entschärft werden. Diese Form von Publizität war somit für den Staat auch ein Mittel politi­ scher Herrschaft, auf dessen Einsatz als unentbehrlichen Ordnungsfaktor und legitimes Mittel des Machterhalts er nicht hatte verzichten wollen.627 Publizität wurde damit aber auch zu einem Artikulationsraum für politischsoziale Veränderung sowie zu einem sozialen Organisationsprinzip des öf­ fentlichen Lebens628 und der bürgerlichen Gesellschaft dieser Zeit. Bis hi­ nein in die Weimarer Epoche wurde diese Teilhabe an Entscheidungen, die durch unmittelbare Betroffenheit im örtlichen Umfeld motiviert war, jedoch nur als „Mitwirkung von ehrenamtlich tätigen Laien an der öffentlichen Verwaltung“ verstanden.629 Die Publizität dieser Personengruppe war nicht dem staatlichen, sondern, ganz im Sinne der Dichotomie von Staat und Gesellschaft, dem gesellschaftlichen Bereich zugeordnet. So stand in der Weimarer Reichsverfassung630 die Garantie der kommunalen Selbstverwal­ tung im Abschnitt über das „Gemeinschaftsleben“ (Art. 119 ff. WRV) Seite an Seite mit Ehe und Familie.631 Mit der Ausweitung staatlicher Aufgaben der Leistungsverwaltung und der Hinwendung zu kooperativen Erfüllungsmodalitäten632 haben sich im 626  Sommermann

(Fußn. 616), Rdnr. 96 m. w. N. in Fußn. 342. oben Fußn. 65. 628  Siehe oben Fußn. 55. 629  Siehe oben Fußn. 587. 630  Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1383). 631  Steiner, Kommunale Selbstverwaltung und 60 Jahre Grundgesetz, BayVBl 2010, 161, 165. 632  Kimminich, Einführung in das öffentliche Recht 1972, 58. 627  Siehe

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

modernen Industriestaat die öffentliche Hand und die gesellschaftlichen Kräfte jedoch mehr und mehr angeglichen.633 Unter Geltung des Grundge­ setzes hat sich die Betroffenenbeteiligung schließlich mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 GG neu konstituiert. Die Teilhabe der Bürger an institutionalisierten Selbstverwaltungseinheiten, denen ein von staatlichen Eingriffen geschützter Kernbereich eigener Gestaltung garantiert ist, beruht nun nicht mehr auf der einstigen Entgegensetzung von Staat und Gesellschaft. Dennoch bleibt der Staat, trotz gegenseitiger Annäherung von Staat und Gesellschaft eine institutionell und funktionell zu verstehende gesonderte „Entscheidungs- und Wirkungseinheit“.634 Dies geschieht unter dem Vorzeichen, dass nun die gesellschaftliche Fundierung der staatlichen Gewalt in erster Linie das Volk als Zuordnungssubjekt kennt.635 Konkreter Anknüpfungspunkt für diese Publizität ist die Homogenitäts­ klausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, die auch in den Kreisen und Gemein­ den eine Vertretung des Volkes vorschreibt, das aus demokratischen Wahlen hervorgegangen sein muss. Die moderne Selbstverwaltung stellt damit nicht nur eine besondere Organisationsform der Betroffenenpartizipation dar, sie ist „institutionalisierter“ Betroffenenschutz.636 Den von Entscheidungen auf kommunaler Ebene in erster Linie betroffenen Bürgern als dem örtlichen Staatsvolk steht als Ausdruck des Partizipationsprinzips die rechtliche Be­ fugnis zu, die administrative Aufgabenerfüllung der jeweiligen Organisa­ tionseinheit zu steuern. Die Bürger gewähren dadurch der kommunalen Vertretung die erforderliche Legitimation. Damit wird dieses Teilhaberecht durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und durch die jeweiligen Bestimmungen in den Landesverfassungen637 zum integrierenden Bestandteil einer auf das Gemeinwesen bezogenen Publizität auf kommunaler Ebene. 633  Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform 1984, 39 Fußn. 42: Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung. Organisationsformen u. Gestaltungsmöglichkeiten im Wirtschaftsverwaltungsrecht 1969, 41. 634  Ehlers (Fußn. 633), 43. 635  Siehe oben Fußn. 165. 636  Siehe oben Fußn. 590. 637  Siehe hierzu die ausdrücklichen Regelungen in Art. 72 Abs. 1 Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953 (GBl. 1953, S. 173), zul. geänd. durch G. vom 07.02.2011 (GBl. S. 46); Art. 138 Verfassung des Landes Hessen vom 01.12.1946 (GVBl. 1946, S. 229), zul. geänd. durch G. vom 29.04.2011 (GVBl. I S. 182); Art. 72 Abs. 2 Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23.05.1993 (GVOBl. M-V 1993, S. 372), zul. geänd. durch G. vom 30.06.2011 (GVOBl. M-V S. 375); Art. 57 Abs. 2 S. 1 Niedersächsische Verfassung vom 19.05.1993 (Nds.GVBl. 1993, S. 107), zul. geänd. durch G. vom 30.06.2011 (Nds. GVBl. S. 210); Art. 50, 76 Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18.05.1947 (VOBl. 1947, S. 209), zul. geänd. durch G. vom 23.12.2010 (GVBl. S. 547); Art. 86 Abs. 1 Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27.05.1992 (SächsGVBl. 1992, S. 243);



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 131

4. Zwischenergebnis zur Publizität als Teilhabe des Gemeindevolks an kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG will die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage im Staatsaufbau für die Organe der Selbstverwal­ tungskörperschaften auf kommunaler Ebene sicherstellen.638 Adressat und Zuordnungssubjekt dieser Publizität ist das Gemeindevolk als Souverän. Damit beruht die Teilhabe der Bürger an institutionalisierten Selbstverwal­ tungseinheiten, gleichgültig ob sie durch die Organe der kommunalen Ge­ bietskörperschaften zentral in der allgemeinen Kommunalverwaltung oder dezentralisiert in kommunalen Unternehmen639 wahrgenommen wird, nicht mehr – wie vor der Geltung des Grundgesetzes – auf gesellschaftlicher Publizität. Als Betroffenenpartizipation, die der örtlich radizierten kommu­ nalen Selbstverwaltung immanent ist, gehört sie zum Kernbereich staatsbe­ zogener Publizität.640 Ergänzend hierzu eröffnen kollektive Teilhaberechte wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nach Landesrecht sowie die parti­ zipatorischen Elemente in allen Bereichen des Unionsrechts641 der infor­ mierten Öffentlichkeit zusätzliche demokratische Partizipationschancen. An die Publizität rechtlich selbstständiger dezentralisierter Verwaltungseinheiten sind deshalb Anforderungen zu stellen, die gewährleisten, dass durch die Ausgliederung von Verwaltungsfunktionen die erforderliche Legitimation nicht beeinträchtigt wird.

Art. 89 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.07.1992 (GVBl. LSA 1992, S. 600), zul. geänd. durch G. vom 27.01.2005 (GVBl. LSA S. 44); Art. 3 Abs. 1 Verfassung des Landes Schleswig-Holstein i. d. F. vom 13.05.2008 (GVOBl. 2008, S. 223), zul. geänd. durch G. vom 29.03.2011 (GVOBl. S. 96); Art. 95 Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25.10.1993 (GVBl. 1993, S. 625), zul. geänd. durch G. vom 11.10.2004 (GVBl. S. 745). 638  Vgl. Nachweise in Fußn. 592. 639  Zum Begriff des kommunalen Unternehmens siehe oben Kapitel 1 Abschnitt B. II. 640  Siehe hierzu in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. c) bb). 641  Vgl. insbesondere Art 11 Abs. 1 und Abs. 2 EUV, der die Organe der Europäi­ schen Union zu einem offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog auch mit der Zivilgesellschaft verpflichtet. So hat aufgrund einer Initiative von mehr als 1,2 Mil­ lionen Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern aus Belgien, Deutschland, Finnland, Litauen, Luxemburg, Österreich, Slowenien und der Slowakei (Art. 11 Abs. 4 EUV) die Europäische Kommission von ihrem ursprünglichen Vorhaben Abstand genom­ men, die Wasserversorgung der geplanten Dienstleistungskonzessionsrichtlinie zu unterstellen (Erklärung von EU-Kommissar Michel Barnier vom 21.06.2013, http: /  / www.presseportal.de / pm / 35368 / 2498658, zuletzt geprüft am 08.07.2013).

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

II. Kommunale Selbstverwaltung im Spannungsverhältnis zum Staat Im föderalistischen Bundesstaat642 sind die Kommunen Teil der Länder und innerhalb der Länder Teil der Exekutive. Die Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht liegt bei den Län­ dern (Art. 70 Abs. 1 GG), da es sich um die Binnenorganisation der Länder handelt,643 auch wenn die Kompetenzgrenzen in einigen Fällen (vgl. Art. 50 BayGO – Vertretungsverbot oder Art. 38 Abs. 2 BayGO – Schriftformerfor­ dernis von Verpflichtungserklärungen) nicht immer zweifelsfrei bestimmbar sind.644 Kommunalrecht ist die Summe der öffentlich-rechtlichen Rechtssätze, die sich auf Rechtsstellung, Organisation, Aufgaben und Handlungsformen der Kommunen (Gemeinden, Landkreise und anderer Gemeindeverbände) be­ ziehen.645 Es ist Innen- wie Außenrecht, da sich ein Teil des Kommunal­ rechts auf den Innenbereich des Staates bezieht, während ein anderer Teil das Verhältnis zwischen Bürger und Staat regelt.646 Es ist ein Teilgebiet des Besonderen Verwaltungsrechts, zugleich gehört es zum Verwaltungsorgani­ sationsrecht als Teil des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Es ist ebenso Teil des (Bundes- und Landes-)Verfassungsrechts. Beeinflusst wird es schließlich durch Vorschriften des Unionsrechts, dem im Konfliktfall Anwendungsvor­ rang zukommt.647 Die deutsche Staats- und Verwaltungsorganisation beruht zu einem be­ achtlichen Teil auf dem Prinzip der Selbstverwaltung,648 der Tätigkeit, die der eigenverantwortlichen Erfüllung solcher Aufgaben dient, die in der selbstständigen, d. h., weisungsfreien Anwendung und Durchführung von Normen oder im Anstreben von Zielen in einem von Normen nicht gebun­ denen Bereich durch eigene, vom Staat unabhängige Organe bestehen. 642  Westermann / Cronauge

(Fußn. 411), 25. Die Rechtsquellen des Kommunalrechts, in: Mann / Püttner / El­ vers (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 169, 171 Fußn. 5: BVerfG v. 18.07.1967, 2 BvF 3 / 62, 2 BvR 139 / 62 u. a., BVerfGE 22, 180, 210. 644  Steiner (Fußn. 558), 113 m. w. N. in Fußn. 13. 645  Mann / Elvers (Fußn. 643), 170; Schmidt-Aßmann / Röhl, Kap. 1 Kommu­ nalrecht, in: Schmidt-Aßmann / Breuer (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2008, Rdnr. 1. 646  Mann / Elvers (Fußn. 643), 170 und Fußn. 2: Burgi, Kommunalrecht 2006, § 1 Rdnr. 10. 647  Mann / Elvers (Fußn. 643), 170. 648  Hendler (Fußn. 574), 4. 643  Mann / Elvers,



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 133

Zu den Kennzeichen der Selbstverwaltung gehört ferner, dass sie als ­esondere Untergliederungsform des Staates über eine relative Distanz b gegenüber der staatsunmittelbaren Exekutive verfügt, gekennzeichnet ­ als ­ „eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung unter staatsbehördlicher Rechts­aufsicht“.649 Im kommunalen Bereich schließt dies auch die eigenver­ antwortliche Rechtsetzung für den inneren Bereich des Selbstverwaltungs­ trägers ein.650 Der Rechtsbegriff der Selbstverwaltung wird vom Grundgesetz vorausge­ setzt. Da der Begriff Aussagen über das Verhältnis des Staates zu den Kommunen trifft, vor allem zur Frage der Zentralisation und Dezentralisa­ tion öffentlicher Gewalt, ist seine Bedeutung und sein Wesen wandelbar wie das Staatsverständnis selbst.651 Auch Selbstverwaltung ist Verwaltung und damit Erfüllung öffentlicher Aufgaben652 und auch dann nicht Privat­auto­ nomie,653 wenn die Verwaltung hierzu in Formen des Privatrechts tätig wird.654 Die durch Art. 28 GG mit einem Schutzwall gegen staatliche Ein­ griffe ausgestattete Eigenverantwortlichkeit kommunaler Selbstverwaltung 649  Hendler

(Fußn. 574), 11. in: Maunz / Dürig (Hg.), GG-Kommentar, Art. 28 II, Rdnr. 44. 651  Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 6. 652  Di Fabio (Fußn. 123), 586: Das BVerfG gebraucht die Begriffe „öffentliche Aufgabe“ und „hoheitliche Aufgabe“ synonym, insb. BVerfG v. 31.10.1984, 1 BvR 35 / 82 u. a., BVerfGE 68, 193, 206 f.; ähnlich auch die synonyme Verwendung der Begriffe „öffentliche Aufgabe“ und „Staatsaufgabe“ in BVerfG v. 05.05.1964, 1 BvL 8 / 62, BVerfGE 17, 371, 376 f. = JZ 1961, 132, 133 m. Anm. Wengler; vgl. auch BVerfG v. 16.03.1971, 1 BvR 52 / 66 u. a., BVerfGE 30, 292, 311. Dies trifft aller­ dings nur solange zu als von einer öffentlichen Aufgabe ausdrücklich oder durch Auslegung ermittelbar in einem Aufgaben zuweisenden Gesetz die Rede ist, weil dadurch die thematische Zugehörigkeit zur Sphäre des Staates angezeigt wird. 653  Däubler (Fußn. 529), 99. 654  Ehlers (Fußn. 633), 83: Da dem Verfassungssystem des Grundgesetzes die Unterscheidung von organisationsrechtlichen Kompetenzen und Grundrechten zu­ grunde liegt, können Grundrechte nicht einfach von staatsbegrenzenden Freiheits­ rechten zu staatsberechtigenden Kompetenz- und Freiheitsrechten umgepolt werden. Nur soweit die staatliche Kompetenzordnung den öffentlich-rechtlichen Funktions­ trägern eine Aufgabe zuweist, kann diese möglicherweise grundrechtlich abgesichert sein. Besteht ein Grundrechtsschutz aber allenfalls im Rahmen der verliehenen Kompetenzen, können die Grundrechtsbestimmungen den Verwaltungsträgern keine Privatautonomie einräumen. Nach ständiger Rechtsprechung seit BVerfG v. 02.05.1967, 1 BvR 578 / 63, BVerfGE 21, 362, kann der Staat in Gestalt juristischer Personen des Privatrechts nicht gleichzeitig Grundrechtsträger und Grundrechts­ adressat sein. Etwas anderes gilt nur, wenn eine ähnliche „Durchgriffsituation“ wie bei Universitäten, Rundfunkanstalten und den Kirchen besteht: BVerfG v. 16.01.1963, 1 BvR 316 / 60, BVerfGE 15, 256, 268; BVerfG v. 04.10.1965, 1 BvR 498 / 62, BVerfGE 19, 129, 132; BVerfG v. 27.07.1971, 2 BvF 1 / 68, 2 BvR 702 / 68, BVerfGE 31, 314, 322. 650  Maunz / Scholz,

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

für die örtlichen Angelegenheiten beruht in ihrem Kern auf dem Willen der Wahlbürger, den die Organe der kommunalen Gebietskörperschaften unter Beachtung der Homogenitätsklausel auch in verselbstständigten Organisati­ onseinheiten nur kompetenzgebunden zur Geltung bringen können und da­ mit die gegenüber staatlichen Vorgaben grundsätzlich freie Rechtsformwahl nach pflichtmäßigem Organisationsermessen am Willen des Gemeindevolks ausrichten müssen. 1. Öffentliche Aufgaben der Kommunen Den Kommunen sind Aufgaben entweder unmittelbar durch Art. 28 Abs. 2 GG und durch entsprechende Regelungen der Länderverfassungen oder durch spezielle gesetzliche Vorschriften zugewiesen. Als Träger mit­ telbarer Staatsverwaltung655 haben die Gemeinden öffentliche (Verwal­ tungs-)aufgaben656 zu erfüllen, die sie im übertragenen Wirkungskreis für den Staat nach Weisung (ggf. auch bei Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde als Kreisverwaltungsbehörde657) wahrnehmen. Im ei­ genen Wirkungskreis handeln sie bei bundes- oder landesrechtlich be­ stimmten Pflichtaufgaben nur hinsichtlich der Art und Weise der Aufga­ benerfüllung nach eigenem Ermessen.658 Bei freiwilligen Selbstverwal­ tungsaufgaben können die Kommunen dagegen grundsätzlich nach freiem Entschließungs- und Auswahlermessen im Rahmen ihrer Kompetenz659 und Leistungsfähigkeit entscheiden, ob und in welcher Form sie eine Aufgabe 655  Ronellenfitsch / Ronellenfitsch, § 1 Voraussetzungen und historische Entwick­ lung privatwirtschaftlicher Betätigung der Kommunen, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 1, 13. 656  Zum Begriff vgl. Dagtoglou (Fußn. 132), 534: Der Begriff der „Verwaltungs­ aufgaben“ ist wenig eindeutig. Einen allgemein anerkannten Begriff der „Aufgabe“ kennt die deutsche Rechtswissenschaft nicht. Dagtoglou geht davon aus, dass das positive Recht und (ergänzend) die jeweils herrschenden staatspolitischen Anschau­ ungen bestimmen, was zu den Verwaltungsaufgaben gehört. Der Umfang des Be­ griffs der Verwaltungsaufgaben hängt auch davon ab, ob er nur die Hoheitsverwal­ tung einschließt, also die Eingriffs- und die Leistungsverwaltung, oder ob er sich auch auf die privatrechtliche (fiskalische) Verwaltung erstreckt. 657  Vgl. z. B. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayGO i. d. F. vom 22.08.1998 (GVBl. 1998, S. 796), zuletzt geänd. durch G. vom 24.07.2012 (GVBl. S. 366). 658  Ronellenfitsch / Ronellenfitsch (Fußn. 655), 3. 659  Dagtoglou (Fußn. 132), 534 m. w. N. in Fußn. 11: Die Worte Aufgabe, Kom­ petenz, Zuständigkeit, Befugnis werden in der Gesetzessprache oft ohne konsequen­ te Differenzierung benutzt. Ronellenfitsch / Ronellenfitsch (Fußn. 655), 3 Fußn. 1: Die Aufgabenzuweisung gibt nur dann die Befugnis zum Tätigwerden, wenn mit der Aufgabenerfüllung keine Eingriffe in Rechte Dritter verbunden sind, andernfalls bedarf es hierfür einer gesonderten Befugnisnorm.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 135

erfüllen.660 Jedoch nur für „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ begründet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG die gemeindliche Univer­ salzuständigkeit, die auch ein „Aufgabenfindungsrecht“661 umfasst. Die gesetzliche Aufgabenverteilung zwischen Staat und Kommunen wie auch innerhalb der kommunalen Ebene zwischen Kreisen und kreisangehöri­ gen Gemeinden steht stets im Spannungsverhältnis zwischen Verwaltungsef­ fizienz und Bürgernähe. Die wesentlichen Hoheitsrechte der Gemeinden wer­ den vom Staat im Interesse einer funktionsgerechten Aufgabenwahrnehmung garantiert.662 Das Ziel optimaler Verwaltungseffizienz trägt die Tendenz zu einer immer großräumigeren Organisation und stetigen „Hochzonung“ von Aufgaben in sich, während das Ziel möglichst weitgehender Bürgernähe und Bürgerbeteiligung dem widerstreitet und eine möglichst ortsnahe Aufgaben­ ansiedlung nahelegt. Die wachsenden Anforderungen, die an die Art und Weise des Aufgabenvollzugs im Hinblick auf die Notwendigkeiten des mo­ dernen Sozial- und Leistungsstaates, der ökonomischen Entwicklung und der ökologischen Vorsorge gestellt werden müssen, verstärken diesen Trend hin zu einem „Entörtlichungsprozeß“663. Diese Tendenz wird durch organisatori­ sche Verselbstständigung von Verwaltungseinheiten bis hin zu verschachtel­ ten Konzernstrukturen in größeren Städten und durch die Gestattung überört­ licher (erwerbs-)wirtschaftlicher Betätigung sogar im Ausland verstärkt. Ge­ gen eine solche Entwicklung bietet der Grundsatz der Allzuständigkeit den Gemeinden allerdings keinen Schutz.664 2. Verfassungsrechtliche Garantie kommunaler Selbstverwaltung Nach der Rechtsprechung des BVerfG665 können sich die Gemeinden als juristische Personen des öffentlichen Rechts, abgesehen von den Justiz­ grundrechten, prinzipiell nicht auf Grundrechte berufen, insbesondere nicht im Bereich der Daseinsvorsorge.666 Als Trägem öffentlicher Verwaltung 660  Art. 72 Abs. 1 S. 1 Verf. MV, Art. 87 Abs. 2 Verf. LSA und Art. 46 Abs. 1 Verf. SH sehen nicht nur ein Recht, sondern im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit sogar eine Verpflichtung der Gemeinden vor, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Auf­ gaben in eigener Verantwortung zu übernehmen, soweit die Gesetze nicht ausdrück­ lich etwas anderes bestimmen. 661  Ronellenfitsch / Ronellenfitsch (Fußn. 655), 3. 662  BVerfG v. 27.01.2010, 2 BvR 2185 / 04 u. a., BVerfGE 125, 141, 168. 663  BVerwG v. 04.08.1983, 7 C 2 / 81, BVerwGE 67, 321, 323. 664  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 146. 665  BVerfG v. 02.05.1967, 1 BvR 578 / 63, BVerfGE 21, 362, 369; BVerfG v. 10.03.1992, 1 BvR 454 / 91 u. a., BVerfGE 85, 360, 385. 666  BVerfG v. 07.06.1977, 1 BvR 108 / 73, BVerfGE 45, 63, 78; BVerfG v. 07.08.1982, 2 BvR 1187 / 80, BVerfGE 61, 82, 100.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

gesteht das BVerfG den Gemeinden auch keinen verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutz ihres Eigentums zu, und zwar auch nicht, soweit dieses nicht unmittelbar der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient.667 Damit ist Art. 28 Abs. 2 GG die zentrale verfassungsrechtliche Schutz­ norm des Grundgesetzes zugunsten der Kommunen.668 Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält keine grundrechtliche Gewährleistung, wie sich aus der syste­ matischen Stellung außerhalb des Grundrechtskatalogs ergibt. Er gewährt der Gemeinde kein lndividualgrundrecht.669 Die Flächenländer der Bundesrepublik Deutschland haben entsprechend der Gesetzgebungskompetenz in ihren Landesverfassungen grundlegende Bestimmungen für ihre Kommunen getroffen und insbesondere Verfassungs­ garantien für die kommunale Selbstverwaltung670 gegeben, die verschiedent­ lich über Art. 28 Abs. 2 GG hinausgehen.671 Die Länder haben daher für ihre Gesetzgebung neben Art. 28 Abs. 2 GG auch die landesverfassungs­ rechtlichen Garantien der kommunalen Selbstverwaltung zu beachten. 667  BVerfG

v. 02.05.1967, 1 BvR 578 / 63, BVerfGE 21, 362, 369 ff. (Fußn. 411), 31. 669  Däubler (Fußn. 529), 99. 670  Vgl. im Einzelnen: Art. 69, 71–76 Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953 (GBl. 1953, S. 173), zul. geänd. durch G. vom 07.02.2011 (GBl. S. 46); Art. 10–12, 83 Verfassung des Freistaates Bayern (BV) i. d. F. der Bekannt­ machung vom 15.12.1998 (GVBl. S. 991), zul. geänd. durch G. vom 10.11.2003 (GVBl. S. 817); Art. 1 Abs. 2, 97–100 Verfassung des Landes Brandenburg vom 20.08.1992 (GVBl. I 1992, S. 298), zul. geänd. durch G. vom 19.12.2011 (GVBl. I Nr. 30); Art. 137, 138 Verfassung des Landes Hessen vom 01.12.1946 (GVBl. 1946, S. 229), zul. geänd. durch G. vom 29.04.2011 (GVBl. I S. 182); Art. 3 Abs. 2 und 3, 53 Nr. 8, 72–75 Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23.05.1993 (GVOBl. M-V 1993, S. 372), zul. geänd. durch G. vom 30.06.2011 (GVOBl. M-V S. 375); Art. 54 Nr. 5, 57–59 Niedersächsische Verfassung vom 19.05.1993 (Nds. GVBl. 1993, S. 107), zul. geänd. durch G. vom 30.06.2011 (Nds.GVBl. S. 210); Art. 1 Abs. 1 S. 2, 3 Abs. 2, 75 Abs. 1 Nr. 2, 78, 79 Verfassung für das Land Nord­ rhein-Westfalen vom 28.06.1950 (GV.NRW. 1950, S. 127), zul. geänd. durch G. vom 25.10.2011 (GV.NRW. S. 499); Art. 49, 50, 130 Abs. 1 S. 2 Verfassung für Rhein­ land-Pfalz vom18.05.1947 (VOBl. 1947, S.  209), zul. geänd. durch G. vom 23.12.2010 (GVBl. S. 547); Art. 117–124 Verfassung des Saarlandes (SVerf) vom 15.12.1947 (Amtsblatt 1947, S. 1077), zul. geänd. durch G. vom 15.06.2011 (Amts­ bl. I S. 236); Art. 82 Abs. 2, 83–90 Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27.05.1992 (SächsGVBl. 1992, S. 243); Art. 2 Abs. 3, 75 Nr. 7, 87–90 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.07.1992 (GVBl. LSA 1992, S. 600), zul. geänd. durch G. vom 27.01.2005 (GVBl. LSA S. 44); Art. 2 Abs. 2 S. 2, 3 Abs. 1, 44 Abs. 2 Nr. 4, 46–49 Verfassung des Landes Schleswig-Holstein i. d. F. vom 13.05.2008 (GVOBl. 2008, S. 223), zul. geänd. durch G. vom 29.03.2011 (GVOBl. S. 96); Art. 80 Abs. 1 Nr. 2, 91–95 Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25.10.1993 (GVBl. 1993, S. 625), zul. geänd. durch G. vom 11.10.2004 (GVBl. S. 745). 671  Mann / Elvers (Fußn. 643), 177. 668  Westermann / Cronauge



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 137

In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg gibt es dagegen keine Trennung von staatlichen und kommunalen Angelegenheiten672, insbesondere sind die Bezirke in Hamburg keine kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften673 und auch in Berlin nur Selbstverwaltungseinheiten ohne Rechtspersönlich­ keit.674 Bremen und Bremerhaven bilden einen Gemeindeverband höherer Ord­ nung675 mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung und Verfassungs­ autonomie, aber nur Bremerhaven hat davon Gebrauch gemacht.676 Für die Stadtgemeinde Bremen gelten die Vorschriften der Landesverfassung ent­ sprechend.677 a) Rechtsnatur der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Durch Art. 28 Abs. 2 GG ist die kommunale Selbstverwaltung verfas­ sungsrechtlich als institutionelle Garantie gewährleistet,678 und zwar für die Gemeinden nach dem Grundsatz der Allzuständigkeit und für die Gemein­ deverbände nach dem Grundsatz der subsidiären Spezialzuständigkeit in einem historisch gewachsenen679 Aufgabenumfang, dessen Grenzen der Gesetzgeber unter Beachtung der Kernbereichsgarantie bestimmen kann.680 Institutionelle Garantien sind darauf angelegt, vom Gesetzgeber ausgefüllt und konkretisiert zu werden.681 Das Besondere an der institutionellen Ga­ 672  Mann / Elvers

(Fußn. 643), 178 m. w. N. in Fußn. 48. § 26 b Hamburg, in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommu­ nalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 746 f.; BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60. 674  Hurnik, § 26 a Berlin, in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommu­ nalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 722. 675  Art. 143, 144 Landesverfassung der Freien und Hansestadt Bremen vom 21.10.1947 (Brem.GBl, 1947, S. 251), zul. geänd. durch G. vom 17.07.2012 (Brem. GBl. S. 354). 676  Verfassung für die Stadt Bremerhaven vom 13.10.1971 (Brem.GBI. S. 243), zul. geänd. durch G. vom 18.04.1996 (Brem.GBl. 1998, S. 338). 677  Göbel, § 26 c Bremen, in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommu­ nalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 777. 678  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 159. 679  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 146; BVerfG v. 23.06.1987, 2 BvR 826 / 83, BVerfGE 76, 107, 118. 680  Westermann / Cronauge (Fußn.  411), 29 f. 681  Ehlers, Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, DVBl 2000, 1301, 1302 Fußn. 13: Clemens, Kommunale Selbstverwaltung und ins­ titutionelle Garantie – Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, NVwZ 1990, 834, 835. 673  Bull,

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

rantie besteht darin, dass der Gesetzgeber zwar nicht unbeschränkte, aber weitgehende Ausgestaltungsbefugnisse682 besitzt. Das Recht der Selbstverwaltung beinhaltet ein staatsorganisatorisches Aufbauprinzip.683 Das Grundgesetz hat sich in Art. 28 GG für das Modell der gestuften Demokratie entschieden.684 Art. 28 Abs. 2 GG ist eine Mindestgarantie, die durch Landesverfassungs­ recht685 erweitert686 und ergänzt werden kann.687 Diese Normativbestim­ mung wendet sich in erster Linie an den Landesverfassungsgeber, verpflich­ tet aber auch die Bundesstaatsgewalt und schützt die kommunale Selbstver­ waltung als solche.688 Das Selbstverwaltungsrecht umfasst damit eine institutionelle689 Rechtssubjektgarantie, d. h., es muss überhaupt Gemeinden und Gemeindeverbän­ 682  Ehlers (Fußn. 681), 1304, will dem der Rechtsprechung des BVerfG zugrun­ de liegenden dogmatischen Verständnis als institutionelle Garantie in wesentlichen Teilen nicht folgen, weil die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (im Gegensatz zur Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht ausschließlich von der vorherigen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber abhänge und nicht erst durch den Gesetzgeber zugestanden, sondern von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsunmit­ telbar garantiert wird. Deshalb solle Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht länger vorran­ gig als institutionelle Garantie interpretiert werden. Diese Auffassung spielt indes keine Rolle für die vom BVerfG inzwischen in ständiger Rechtsprechung und zu Recht bejahte Frage, ob der Gesetzgeber bei Eingriffen in das Selbstverwaltungs­ recht im Rahmen seiner Abwägung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat (vgl. BVerfG v. 23.06.1987, 2 BvR 826 / 83, BVerfGE 76, 107, 119 ff.). 683  Tettinger (Fußn. 599), 190. 684  Vgl. Art. 11 Abs. 4 BV: „Die Selbstverwaltung der Gemeinden dient dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben.“ 685  Die kommunale Selbstverwaltung ist für die Gemeinden in Bayern in Art. 11 Abs. 2 der Verfassung als subjektives grundrechtsähnliches Recht ausgestaltet (Bay­ VerfGH v. 29.04.1987, Vf. 5-VII-86, VerfGHE BY 40, 53, 56). 686  Der BayVerfGH v. 13.07.1984, Vf. 29-VI-82, NVwZ 1985, 250, 105 ff. räumt den bayerischen Gemeinden im Hinblick auf ihre Stellung nach Art. 11 Abs. 2 BV hinsichtlich des Eigentumsrechts des Art. 103 Abs. 1 BV Grundrechtsfähigkeit in einem Rechtsstreit zwischen gleichgeordneten Trägern privater Rechte ein und stützt seine Rechtsprechung gegenüber der abweichenden Auffassung des BVerfG zu Art. 28 Abs. 2 GG zu Recht auf die Trennung der Verfassungsräume von Bund und Ländern. Vgl. auch BayVerfGH v. 05.12.1991, Vf. 44-VI-91, VerfGHE BY 44, 149 zur Grundrechtsfähigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Bayerischer Wasser- und Bodenverband). 687  Tettinger (Fußn.  599), 188 ff. 688  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 143. 689  Ehlers (Fußn.  681), 1305 leitet aus der Rechtsprechung des BVerfG v. 12.05.1992, 2 BvR 470 / 90 u. a., BVerfGE 86, 90, 107 ab, dass die Rechtssubjekts­ garantie nicht nur eine „institutionelle“, sondern eine „individuelle“ sei, da sich die



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 139

de als öffentlich-rechtliche Körperschaften geben, also eine Garantie der Einrichtung „kommunale Selbstverwaltung“.690 Es enthält eine Garantie des Typus „Gemeinde“ als Rechtsinstitutionsgarantie, d. h., geschützt ist die gemeindliche Selbstverwaltung als Institution, und es ist eine subjektive Rechtsstellungsgarantie für die Rechts- und Organisationsform, d. h., ein subjektives Recht auf Wahrung der Rechtsinstitutionsgarantie,691 nicht je­ doch ein subjektives Recht auf Bestand für die einzelne Gemeinde.692 In­ haltlich vermittelt die subjektive Rechtsstellung den Gemeinden ein Ab­ wehrrecht, in bestimmten Fällen, z. B., bei Anhörungen oder der Mitwir­ kung an staatlichen Planungen, auch ein Schutz- und Leistungsrecht.693 Die Einrichtungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG begründet aber neben dem Selbstverwaltungsrecht auch eine Selbstverwaltungspflicht, mit der Folge, dass auch bei einer Auslagerung kommunaler Aufgabenwahrnehmung auf Privatrechtssubjekte die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung gewähr­ leistet sein muss, was notfalls zu einer Rekommunalisierung führen kann.694 b) Umfang und Grenzen der Selbstverwaltungsgarantie Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist den Gemeinden das Recht gewährleis­ tet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Geset­ ze in eigener Verantwortung zu regeln. Das BVerfG695 hat den Begriff im Rückgriff auf Hans Peters696 wie folgt umschrieben: Kommunale Selbstver­ waltung „bedeutet ihrem Wesen und ihrer Intention nach Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die die in der örtlichen Ge­ meinschaft lebendigen Kräfte des Volkes zur eigenverantwortlichen Erfül­ lung öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammenschließt mit dem einzelne Gemeinde auch gegen ungerechtfertigte Neugliederungsmaßnahmen wen­ den könne. Allerdings handelt es sich nach hiesiger Auffassung hierbei nicht um eine Frage der Rechtssubjektsgarantie, sondern der subjektiven Rechtsstellungsga­ rantie, da es um die gerichtliche Durchsetzung des Schutzes des kommunalen Kern­ bereichs geht. 690  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 35 Fußn. 6: BVerfG v. 26.10.1994, 2 BvR 445 / 91, BVerfGE 91, 228, 238. 691  Steiner (Fußn. 558), 114. 692  Tettinger (Fußn. 599), 190. 693  Ehlers (Fußn. 681), 1306. 694  Brenner, Gesellschaftsrechtliche Ingerenzmöglichkeiten von Kommunen auf privatrechtlich ausgestaltete kommunale Unternehmen, AöR 127, 223, 229; BVerwG v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382. 695  BVerfG v. 12.07.1960, 2 BvR 373 / 60 u. a., BVerfGE 11, 266, 275 f. 696  Peters (Fußn. 603), 292.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Ziel, das Wohl der Einwohner zu fördern und die geschichtliche und hei­ matliche Eigenart zu wahren.“ Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG697 sind dies „diejenigen Be­ dürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen“. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG stellt eine Kernbereichsgarantie698 dar, die es verbietet, den „Wesensgehalt“ der kommunalen Selbstverwaltung auszuhöh­ len, d. h., das Prinzip der Allzuständigkeit mit dem begrenzten Recht auf einen ersten Kompetenzzugriff zu missachten.699 Dies bedeutet, dass die Garantie der Einrichtung „kommunale Selbstverwaltung“ in ihrem Kernbe­ reich oder „Wesensgehalt“ erhalten bleiben muss und zwar der Bestand an denjenigen Aufgaben, die den Gemeinden „seit jeher“ zustanden.700 Dieser Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung ist damit von jeder gesetzlichen Einwirkung ausgeschlossen.701 Hierbei handelt es sich um einen Bestand typischer, essentiell anerkannter Aufgaben, um überkom­ mene identitätsbestimmende Merkmale, nicht jedoch um einen nach festste­ henden Kriterien bestimmbaren Aufgabenkatalog, aber um alle Aufgaben, die nicht bereits durch Gesetz anderen Aufgabenträgern zugewiesen sind.702 Was zum Kernbereich gehört, ist entweder quantitativ703 zu bestimmen oder funktional,704 wobei die historische Entwicklung705 den jeweiligen Bezugs­ punkt darstellt. Zum Wesensgehalt zählt auch das Recht zur Schaffung und Unterhaltung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge. „Die Selbstverwal­ tungsgarantie ist folglich unmittelbare Legitimationsgrundlage für die Er­ richtung und Unterhaltung kommunaler Unternehmen zur Erfüllung der den Gebietskörperschaften zugewiesenen Aufgaben.“706 697  BVerfG

v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 151. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 146. 699  Steiner (Fußn. 558), 117. 700  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 35 Fußn. 6: BVerfG v. 26.10.1994, 2 BvR 445 / 91, BVerfGE 91, 228, 238. 701  Tettinger (Fußn. 599), 197 Fußn. 52: BVerfG v. 12.07.1960, 2 BvR 373 / 60 u. a., BVerfGE 11, 266, 274. 702  Tettinger (Fußn. 599), 197 Fußn. 54: BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 143, 146. 703  BVerwG v. 22.11.1957, VII C 69.57, BVerwGE 6, 19, 25; BVerwG v. 20.05.1958, I C 193.57, BVerwGE 6, 342, 345. 704  Däubler (Fußn. 529), 99 Fußn. 8 m. w. N. 705  BVerfG v. 29.04.1958, 2 BvL 25 / 56, BVerfGE 7, 358, 364, st. Rspr. 706  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 31. 698  BVerfG



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 141

Auch Art. 83 BV,707 der in Ergänzung zu Art. 11 Abs. 2 BV als Aufga­ benzuweisungs- und -abgrenzungsnorm einen solchen nicht abschließenden Aufgabenkatalog enthält, ist unter Berücksichtigung der historischen Ent­ wicklung, unter Berücksichtigung des Gesetzesvorbehalts des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV und unter dem Vorbehalt gegenteiligen Bundesrechts (Art. 31 GG) auszulegen.708 Unter dem Schutz des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG steht nicht jede von der Gemeinde in legitimer Weise wahrgenommene Aufgabe, sondern nur der „zentrale“ oder „wesentliche“ Bestand. Wo die Grenze für Eingriffe des Landes- oder Bundesgesetzgebers in die Gemeindeautonomie verläuft, dort ist sie auch für die Gemeinde zu ziehen, wenn sie selbst Aufgaben nicht mehr wahrnehmen und der Privatwirtschaft überlassen möchte.709 Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie erstreckt sich sowohl auf den kommunalen Aufgabenbereich, d. h., die Angelegenheiten der örtlichen Ge­ meinschaft, als auch auf die Aufgabenwahrnehmung, d. h., die eigenverant­ wortliche Führung der Geschäfte in diesem Bereich.710 Garantiert ist auch die Bürgerschaftlichkeit der Aufgabenwahrnehmung. Dies bedeutet, dass die Gemeinden nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind, die Wahrneh­ mung der eigenen Angelegenheiten bürgerschaftlich, d. h. mit einer unmit­ telbar demokratisch legitimierten Vertretung des Volkes im Sinne von Art. 28 GG,711 zu organisieren.712 Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt sich auch eine Bindung der Gemeinden zur Aufrechterhaltung des Kernbestandes ihres Aufgabenbereichs und damit die grundsätzliche Pflicht zur Wahrung und Sicherung ihres eigenen Aufgabenbestandes, wenn dieser in den Ange­ legenheiten der örtlichen Gemeinschaft wurzelt. Die Gemeinde darf sich im Interesse einer wirksamen Wahrnehmung dieses örtlichen Wirkungskreises, der ausschließlich der Gemeinde, letztlich zum Wohle der Gemeindeange­ hörigen, anvertraut ist, nicht ihrer gemeinwohlorientierten Handlungsspiel­ räume begeben. Der Gemeinde steht es damit grundsätzlich nicht zu, sich bei sozialen, kulturellen oder traditionellen gemeinschaftsbezogenen Ge­ 707  Verfassung des Freistaates Bayern i. d. F. der Bekanntmachung vom 15.12.1998 (GVBl. S. 991), zul. geänd. durch G. vom 10.11.2003 (GVBl. S. 817); BayVerfGH v. 23.12.1957, Vf. 107-VII-56 u. a., VerfGHE BY 4, 113,; BayVGH v. 10.05.1968, 157 VIII 67, VGHE BY 21, 136, 137. 708  Steiner (Fußn. 558), 127, Fußn. 42. 709  Däubler (Fußn. 529), 98; vgl. hierzu aber Fußn. 660: Die Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung in den dort genannten Landesverfassungen erstreckt sich jedenfalls auf den Kernbereich der gemeindlichen Aufgaben. 710  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 34. 711  BVerfG v. 24.07.1979, 2 BvK 1 / 78, BVerfGE 52, 95 ff., 111; BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, Ls. 5. 712  Ehlers (Fußn. 681), 1305.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

meinwohlbelangen, wie Volksfesten oder traditionellen Märkten, ohne wei­ teres der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu entledigen. Solche Angelegenheiten dürfen auch nicht einfach den Regeln wirtschaftlicher Betätigung mit einer Bevorzugung privater Wahrnehmung durch die landes­ rechtlichen Subsidiaritätsklauseln unterstellt werden.713 Sie stellen als öf­ fentliche Einrichtungen mit im regionalen oder lokalen Brauchtum verwur­ zelten Besonderheiten einen volkstümlichen Bestandteil der lokalen Mikro­ gesellschaft auch für sozial schwächere Gemeindebewohner dar. Hieraus folgt eine grundsätzliche Pflicht der Gemeinde, diese Einrichtungen in kommunaler Verantwortung zu erhalten, so dass sie von einer materiellen Privatisierung ausgeschlossen sind.714 Ob mit dieser Pflicht der Gemeinde auch ein subjektives Recht des Wahl­ bürgers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG korrespondiert, diese Aufgaben nicht zu privatisieren und sie im örtlichen Wirkungskreis selbst wahrzunehmen, ist gesondert zu prüfen. Gleiches gilt für die Frage, ob sich hieraus ein Anspruch auf Einhaltung des örtlichen Wirkungskreises auch bei kommuna­ ler Unternehmenstätigkeit715 ableiten lässt.716 Außerhalb des Kernbereichs gilt ein „Aufgaben- und Verantwortungsver­ teilungsprinzip“717 in Form eines „Regel-Ausnahme-Verhältnisses“718 zu­ gunsten der Gemeinde, das der Gesetzgeber zu berücksichtigen hat. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist umso enger, je mehr als Folge der gesetzlichen Regelung die Selbstverwaltung an Substanz ver­ liert.719 Auch im Vorfeld des Kernbereichs besteht die Schutzwirkung der 713  BVerwG v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382, 1383 f.; das BVerwG setzt mit dieser Rechtsprechung für die traditionell den Schwerpunkt kommunaler Aktivitäten bildenden sozialen und kulturellen Aufgaben die bereits in der Entschei­ dung des BayVerfGH v. 23.12.1957, Vf. 107-VII-56 u. a., VerfGHE BY 4, 113 for­ mulierte Abgrenzung des Kernbereichs der Daseinsvorsorge von wirtschaftlicher Betätigung fort. Die Entscheidung betrifft die Rechtslage in Hessen, deren Regelung noch zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung unterscheidet (vgl. §§ 19 Abs. 1, 121 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGO). 714  Gröpl (Fußn. 532), 372. 715  Vgl. hierzu auch Ehlers (Fußn. 633), 241 f., der darin die Gefahr einer Popu­ larklage sieht und die Kritik dort in Fußn. 401: Laubinger, Zum Anspruch der Mit­ glieder von Zwangsverbänden auf Einhaltung des gesetzlich zugewiesenen Aufga­ benbereichs, VerwArch 74, 263, 273. 716  Siehe hierzu Kapitel 5 Abschnitt B. III. 2. 717  BVerfG v. 19.11.2002, 2 BvR 329 / 97, BVerfGE 107, 1, 22. 718  Ehlers (Fußn. 681), 1303, wobei allerdings die Unterschiede zwischen Selbst­ verwaltungsangelegenheiten und Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises zu beachten sind. 719  Tettinger (Fußn. 599), 201, Fußn. 76: BVerfG v. 18.05.2004, 2 BvR 2374 / 99, BVerfGE 110, 370, 401.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 143

verfassungsrechtlichen Garantie, und zwar für jede Art von gesetzlichem oder gesetzlich eröffnetem Eingriff, denn die Zuweisung örtlicher Angele­ genheiten zu den Kommunen ist eine Systementscheidung zugunsten einer dezentralisierten Verwaltungsorganisation. Deshalb darf der Gesetzgeber den Gemeinden Aufgaben mit relevantem örtlichem Charakter nur aus Gründen des Gemeininteresses entziehen und nur, wenn anders die ord­ nungsmäßige Aufgabenerfüllung nicht gesichert wäre und wenn die tragen­ den Gründe der Aufgabenentziehung gegenüber dem Aufgabenverteilungs­ prinzip des Art. 28 Abs. 2 GG überwiegen.720 Der Gesetzgeber besitzt hierfür allerdings einen Einschätzungsspielraum721 bei der Abwägung, ob überwiegende Gründe den Eingriff rechtfertigen.722 Nach der Kern-Randbereich-Dogmatik ist die Möglichkeit wirtschaftlicher Betätigung vom Kernbereich des Art. 28 Abs. 2 GG umfasst. Da damit kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Maßstäben be­ stimmbarer Aufgabenkatalog umschrieben ist, sondern nur ein gemeindli­ ches Aufgabenerfindungs- und -zugriffsrecht hinsichtlich gesetzlich nicht anderweitig zugewiesener Aufgaben, und wirtschaftliche Betätigung nur eine Form darstellt, mit der Gemeinden ihre öffentlichen Aufgaben wahr­ nehmen, bezieht sich der verfassungsrechtliche Kernbereichsschutz auch auf das Recht der wirtschaftlichen Betätigung als solcher.723 Im Gegensatz zu den Gemeinden werden die Aufgaben der Landkreise724 nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG und den entsprechenden Bestimmungen der 720  BVerfG

v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, Ls. 3. b). v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 153 f. 722  Steiner (Fußn. 558), 117, Fußn. 46 m. w. N.: Strittig ist, ob dabei vom BVerfG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufgegeben wurde, vgl. hierzu Ehlers (Fußn. 681), 1304; richtiger Ansicht nach ist dies nicht der Fall; Steiner (Fußn. 558), 118; deutlich BVerfG v. 27.01.2010, 2 BvR 2185 / 04 u. a., BVerfGE 125, 141, 167: „Die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung bedarf der gesetzlichen Aus­ gestaltung. Dem beschränkenden Zugriff des Gesetzgebers sind seinerseits Schran­ ken gesetzt durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“ 723  Nierhaus, Selbstverwaltungsgarantie und wirtschaftliche Betätigung der Kom­ munen, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Pra­ xis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 47, Fußn. 70: Scharpf, Die Konkretisierung des öffentlichen Zwecks, VerwArch 96, 485, 2; BVerfG v. 07.05.2001, 2 BvK 1 / 00, BVerfGE 103, 332, 366 für die kommunale Planungshoheit. Die wirtschaftliche Betätigung durch die Beteiligung der Kommunen an Unternehmen in Privatrechts­ form sieht dagegen der SächsVerfGH v. 20.05.2005, Vf. 34-VIII-04, NVwZ 2005, 1057, 1059 nicht als zum Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts im Sinne von Art. 82 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen in seiner Ausprägung als Or­ ganisationshoheit gehörig, so dass die gesetzlichen Beschränkungen hierfür in § 92 Abs. 2 Nr. 2 und 2a SächsGemO zulässig sind. 724  Zum Unterschied im Gehalt der Gewährleistung zwischen Gemeinden und Kreisen vgl. BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 1 53; 721  BVerfG

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Landesverfassungen nicht von der Verfassung bestimmt, sondern sind dem Gesetzgeber725 überantwortet. Dessen Gestaltungsspielraum bei der Rege­ lung des Aufgabenbereichs der Kreise findet erst dort Grenzen, wo verfas­ sungsrechtliche Gewährleistungen des Selbstverwaltungsrechts der Kreise entwertet würden. Der Gesetzgeber darf diese Gewährleistung nicht unter­ laufen, indem er keine Aufgaben zuweist, die in der von der Verfassung selbst gewährten Eigenverantwortlichkeit wahrgenommen werden könnten. Der Gesetzgeber muss deshalb einen Mindestbestand an Aufgaben zuwei­ sen, die die Kreise unter vollkommener Ausschöpfung der auch ihnen ge­ währten Eigenverantwortlichkeit erledigen können.726 Die Selbstverwaltungsgarantie besteht nur „im Rahmen der Gesetze“. Der Gesetzgeber hat zwar einen weiten Ausgestaltungsspielraum im Rahmen des Regelungs- und Schrankenvorbehalts des Art. 28 Abs. 2 GG, der sowohl den geschützten Aufgabenbereich als auch die Aufgabenwahrnehmung um­ fasst.727 Allerdings ist er gehindert, die Selbstverwaltung „so zu beschränken und innerlich auszuhöhlen, dass sie nur noch ein Schattendasein führen kann“.728 Einschränkungen des eigenverantwortlich zu führenden Aktions­ feldes bedürfen der Grundlage eines Gesetzes (oder aufgrund eines Gesetzes)729, aber nicht derart, dass die Selbstverwaltung, wie es das BVerfG formuliert, „die Gelegenheit zu kraftvoller Betätigung verliert und nur noch ein Scheindasein führen kann“730. Der Gesetzesvorbehalt richtet sich hin­ sichtlich der Eigenverantwortlichkeit und der gemeindlichen Aufgaben in erster Linie an den Landesgesetzgeber.731 Das Gesetzmäßigkeitsprinzip wirkt sich dabei sowohl bei der Ausgestaltung als auch bei der Beschrän­ kung des Selbstverwaltungsrechts aus. im Gegensatz zu den Landkreisen erstreckt sich das Recht des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nicht auf die Ebene der bayerischen Bezirke: Tettinger, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG-Kommentar, 5. Aufl. 2005, Art. 28 Abs. 2 GG, Rdnr. 242. 725  Siehe die z.  T. weitergehenden Gewährleistungen für Gemeindeverbände in Art. 71 Abs. 1 S. 2 Verf. BW, Art. 79 Abs. 2 Verf. Bbg., Art. 78 Abs. 2 Verf. NW und Art. 87 Abs. 1 Verf. LSA (beschränkt auf die Landkreise). 726  BVerfG v. 20.12.2007, 2 BvR 2433 / 04 u. a., BVerfGE 119, 331, 352 ff. 727  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 34, Fußn. 3: BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 143 ff.; Steiner (Fußn. 631), 162, Fußn. 14. 728  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 34, Fußn. 3: Staatsgerichtshof vom 10. / 11.12.1929, in: Lammers / Simons, Die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich und des Reichsgerichts auf Grund Artikel 13 Absatz 2 der Reichsverfassung 1929–1939, 99, 107; Steiner (Fußn. 631), 163: Das BVerfG spricht von „Schein“-Da­ sein, vgl. BVerfG v. 18.07.1967, 2 BvF 3 / 62, 2 BvR 139 / 62 u. a., BVerfGE 22, 180. 729  Tettinger (Fußn. 599), 196, Fußn. 47: BVerfG v. 24.06.1969, 2 BvR 446 / 64, BVerfGE 26, 228 ff., 237. 730  BVerfG v. 20.03.1952, 1 BvR 267 / 51, BVerfGE 1, 167, 174. 731  Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 20.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 145

Aufgaben des eigenen Wirkungskreises dürfen die Gemeinden grundsätz­ lich ohne besonderen Kompetenztitel wahrnehmen,732 soweit nicht in Grundrechte Privater eingegriffen wird,733 wie etwa bei unerlaubtem Mono­ pol oder bei unzumutbarer Beschränkung privater Wirtschaftstätigkeit.734 Eine gesetzliche Regelung der Ausgestaltung ist nicht nur erforderlich, wenn damit Eingriffe in die Grundrechte der Bürger verbunden sind, son­ dern auch bei einer Erweiterung gemeindlicher Befugnisse.735 Die Grenzen der Regelungsbefugnis ergeben sich aus dem absolut geschützten Kernbe­ reich und einem mit nur relativem Schutz ausgestatteten Randbereich. Auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei gesetzgeberischen Eingriffen kann hierbei angesichts des subjektiv-rechtlichen Charakters der Selbstverwal­ tungsgarantie736 nicht verzichtet werden,737 da sich der Verhältnismäßig­ keitsgrundsatz aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt.738 Damit dürfen bei staatlichen Eingriffen stets nur zulässige Zwecke und zulässige Mittel ein­ gesetzt werden und die Zweck-Mittel-Relation muss den Anforderungen an Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit, damit dem Übermaß­ verbot, in der Abwägung mit anderen Grundentscheidungen der Verfassung genügen.739 Dies gilt auch für landesrechtliche Beschränkungen der Wahl bestimmter Rechtsformen für kommunale Unternehmen, wie den generellen Ausschluss der Aktiengesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern.740

732  BVerfG

v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 150 f. (Fußn. 723), 493. 734  BVerwG v. 19.12.1963, I C 77.60, BVerwGE 17, 306; BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 336; BVerwG v. 01.03.1978, VII B 144 / 76, NJW 1978, 1539, 1540; BVerwG v. 21.03.1995, 1 B 211 / 94, NJW 1995, 2938, 2939; BVerwG v. 21.03.1995, 1 B 211 / 94, DVBl 1996, 152, 153; BayVGH v. 23.07.1976, 32 V 75, JuS 1977, 199, 200; BVerwG v. 16.10.2013, 8 CN 1.12, FdStBay 2014, 303, 308 ff. 735  Ehlers (Fußn. 681), 1307: Zur Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung einer Gemeinde außerhalb ihres örtlichen Wirkungskreises vgl. z. B. Art. 87 Abs. 2 und Abs. 3 BayGO. 736  So die h.  M., vgl. Steiner (Fußn. 558), Rdnr. 10; anders BayVerfGH v. 27.02.1997, Vf. 17-VII-94, BayVBl 1997, 303 zur Finanzhoheit. 737  Ehlers (Fußn. 681), 1307. 738  BVerfG v. 12.05.1987, 2 BvR 1226 / 83 u. a., BVerfGE 76, 1, 50 f.; BVerfG v. 12.10.1993, 2 BvR 2134 / 92 u. a., BVerfGE 89, 155, 212: Das Verhältnismäßigkeits­ prinzip beschränkt sogar Maßnahmen der Europäischen Union zugunsten der natio­ nalen Identität der Mitgliedstaaten. 739  Ehlers (Fußn. 681), 1308. 740  Vgl. Fußn. 473. 733  Scharpf

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

c) Schutzgegenstände der Selbstverwaltungsgarantie Zum Kernbereich gehören sowohl der Grundsatz der Universalität als solcher als auch als Bestandteile des Grundsatzes der Eigenverantwortlich­ keit die sog. Gemeindehoheiten.741 Dieser unantastbare Kern der Selbstver­ waltungsgarantie wird durch die Zuordnung bestimmter Hoheitsbereiche konkretisiert, nämlich die Gebietshoheit, die Satzungsautonomie742, die Planungshoheit743, die Personal-, Organisations- und Finanzhoheit.744 Für die kommunale Organisationshoheit hat das BVerfG745 formuliert: „Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung verbietet Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken würden.“ Diese Aussagen lassen sich auch auf die anderen Gemeindehoheiten übertragen.746 „Allerdings gilt für die Organisationshoheit – anders als für die Bestim­ mung der gemeindlichen Aufgaben (vgl. BVerfGE 79, 127, 146 ff.) – nicht ein Prinzip der ‚Allzuständigkeit‘, nach dem die Gemeinden grundsätzlich alle Fragen ihrer Organisationshoheit selbst zu entscheiden hätten. Die prin­ zipielle Allzuständigkeit, von der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG die Rede ist, bezieht sich allein auf die örtlichen Angelegenheiten und damit die sachlichen Aufgaben, nicht aber auf die Organisation der Gemeinde.“747 741  Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 23 mit Fußn. 50: Schmehl, Zur Bestim­ mung des Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung, BayVBl 2006, 325, 326. 742  BVerfG v. 24.07.1979, 2 BvK 1 / 78, BVerfGE 52, 95 ff., 117. 743  BVerwG v. 11.02.1993, 4 C 25 / 91, DVBl 1993, 657; vgl. hierzu auch: Käß, Bericht über die Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer vom 5. bis 8. Oktober 2011 in Münster, BayVBl 2012, 588, 595 f.: Im Gegensatz zur These von Mehde, bei Satzungen sei von gesetzlich vorstrukturierten Kompetenzen auszugehen, die eine „Konkretisierung höherrangigen Rechts“ sei, stellt sich die Auffassung von Gallwas, unter Verweis auf das bayerische Gemeinderecht nach hiesiger Ansicht als zutreffend dar, wonach das Prinzip der Allzuständigkeit der Gemeinden im eigenen Wirkungskreis gegen eine gesetzliche Vorstrukturierung der Satzungskompetenz spricht. Es wird kein höherrangiges Recht konkretisiert, sondern festgelegt, was in der Gemeinde nach dem Willen der Mehrheit gelten soll. 744  BVerfG v. 24.06.1969, 2 BvR 446 / 64, BVerfGE 26, 228 ff., 241; BVerfG v. 27.01.2010, 2 BvR 2185 / 04 u. a., BVerfGE 125, 141, 158 ff.: Schon vor der Einfüh­ rung des Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG war die Finanzhoheit, die jedenfalls das Recht zu eigenverantwortlicher Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft umfasst, Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Die im Grundgesetz zunächst als Be­ standteil der allgemeinen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) ge­ währleistete kommunale Finanzhoheit ist durch Art. 106 Abs. 6 GG und sodann durch Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG nur konstitutiv verstärkt worden. 745  BVerfG v. 26.10.1994, 2 BvR 445 / 91, BVerfGE 91, 228, 239. 746  Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 24.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 147

Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen erstreckt sich jedoch auch auf die Befugnis, die (innere) Organisation der Kommunalverwaltung ein­ schließlich der kommunalen Einrichtungen und wirtschaftlichen Betriebe im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen eigenverantwortlich zu gestalten.748 Die Gemeinde kann diese Aufgaben zentral hoheitlich innerhalb der eigenen Verwaltung oder dezentral in den dafür zur Verfügung stehenden Organisa­ tionsformen des öffentlichen Rechts erfüllen. 747

Auch die privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinden749 wird als unantastbarer Wesensgehalt der Organisations- und Finanzhoheit zugeschla­ gen.750 Jedenfalls prinzipiell schließt dies das Recht ein, die Organisations­ formen des privaten Rechts sowohl bei den freiwilligen als auch bei den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben zu verwenden.751 Zum unantastbaren Kernbereich zählen Wieland / Hellermann jedoch nur ein Minimum an wirt­ schaftlicher Betätigungsfreiheit der Gemeinden, das diesen noch eine nen­ nenswerte Möglichkeit belässt, nach eigenem Entschluss zum Zweck der Daseinsvorsorge für die Gemeindebürger wirtschaftlich tätig zu werden,752 eine Auffassung, die im Hinblick auf deren historische Herleitung753 als zu eng angesehen werden muss. Dieser Bereich der Selbstverwaltung bedeutet auch, dass Gemeinden diese Aufgaben ohne Ermächtigung durch formelle Gesetze wahrnehmen dürfen, d. h., für eine Umorganisation ist kein formel­ les Gesetz erforderlich, so dass die prinzipielle Gewährleistung der Wahl­ freiheit der Rechtsform754, und zwar als Ausnahme vom Grundsatz, gegeben ist. Schranken dafür bestehen jedoch insbesondere bei Pflichtaufgaben, für die eine Übertragung auf Private ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächti­ gung ausscheidet.755 Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden muss allerdings im Kon­ text der Verfassung betrachtet werden, die von der wirtschaftspolitischen 747  BVerfG

240 f.

748  Ehlers

v. 26.10.1994, 2 BvR 445 / 91, BVerfGE 91, 228 (= StGR 1995, 141),

(Fußn. 493), 898, Fußn. 5 m. w. N. Begriff der privatwirtschaftlichen Betätigung der Kommunen vgl. Ronellenfitsch (Fußn. 398), 36. 750  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 35, Fußn. 10: BVerfG v. 16.05.1989, 1 BvR 705 / 88, NJW 1990, 1783. 751  Ehlers (Fußn. 493), 898, Fußn. 6. 752  Wieland / Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen gegenüber Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung im nationalen und europäischen Recht 1995, 187. 753  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127. 754  Siehe hierzu im Einzelnen unter Kapitel 3 Abschnitt B. I. 1. 755  Däubler (Fußn. 529), 103. 749  Zum

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Neutralität des Grundgesetzes756 ausgeht. Damit sind staatliche Einflussnah­ men auf die Privatwirtschaft zwar nicht verfassungswidrig (vgl. Art. 110 Abs. 1 GG), aber die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme. Die sachliche Rechtfertigung folgt aus der kommunalen Gewährleistungspflicht für die Wahrnehmung von Aufgaben der örtlichen Daseinsvorsorge. Bezogen auf die Daseinsvorsorge gehört die privatwirtschaftliche Betätigung zum typus­ prägenden Bild der kommunalen Selbstverwaltung,757 denn wirtschaftliche Leistungen zur Existenzsicherung der Bürger werden „seit jeher“ den Auf­ gaben der kommunalen Gebietskörperschaften zugeordnet.758 Die Recht­ sprechung des BVerfG759 orientiert sich bei der Bestimmung des Selbstver­ waltungsrechts in besonderer Weise an der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen des Selbstverwaltungs­ rechts, von denen ein erheblicher Teil der Kommunalwirtschaft seit langem pri­vatrechtlich organisiert ist. Die rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Be­ tä­tigung, soweit diese kommunalrechtlich überhaupt gestattet ist760, fällt dagegen nicht in den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie.761 Sie ist nicht Ausübung öffentlicher Verwaltung.762 Soweit es für eine überörtliche wirtschaftliche Betätigung und das Agieren auf ausländischen Wettbewerbs­ märkten an einem ausreichenden Ortsbezug, einer örtlichen Radizierung fehlt, bedarf diese nicht mehr vom Selbstverwaltungsrecht umfasste Tätig­ keit zu ihrer Zulässigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, die der Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG dem Landesgesetz­ geber einräumt.763 Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 GG gewähren Eigenverantwortlichkeit auch in einem der Aufgabenerfüllung vorgelagerten gemeindeinternen Be­ reich, zu dem auch die Finanzhoheit zählt. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet dabei Eigenverantwortlichkeit nicht nur bezüglich bestimmter Sachaufga­ 756  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 36, Fußn. 14: BVerfG v. 01.03.1979, 1 BvL 21 / 78, BVerfGE 50, 290, 338. 757  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 36, Fußn. 11: VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992. 758  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 36, Fußn. 12: BVerfG v. 20.03.1984, 1 BvL 28 / 82, BVerfGE 66, 248, 258 und BVerwG v. 18.05.1995, 7 C 58 / 94, BVerwGE 98, 273, 275; einschränkend Burmeister, Die Privatrechtsfähigkeit des Staates – Symptom verfassungskontroverser Theoriebildung im öffentlichen Recht, in: Burmeister / Prüt­ ting (Hg.), Recht und Gesetz im Dialog III, Saarbrücker Vorträge, 1986, 1, 7. 759  BVerfG v. 17.01.1979, 2 BvL 6 / 76, BVerfGE 50, 195, 201; BVerfG v. 12.01.1982, 2 BvR 113 / 81, BVerfGE 59, 216, 226. 760  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 37. 761  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 36, Fußn. 13: BVerfG v. 07.08.1982, 2 BvR 1187 / 80, BVerfGE 61, 82, 107. 762  Danwitz (Fußn. 517), 597 m. w. N. in Fußn. 3. 763  Siehe hierzu die Darstellung unter Kapitel 2 Abschnitt B. I. 2.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 149

ben, sondern für die gesamte Verwaltung.764 Das BVerwG hat es als verfas­ sungsrechtliches Minimum („äußerste Grenze“), das einer weiteren Relati­ vierung – etwa im Hinblick auf eine eigene Haushaltsnotlage des Landes – nicht zugänglich ist, bezeichnet, dass unterhalb der staatlichen Landesebene eine kommunale Verwaltungsebene besteht, der ein eigenständiges und ei­ genverantwortliches Verwaltungshandeln nicht nur singulär, sondern grund­ sätzlich universell ermöglicht wird. Die „finanzielle Mindestausstattung“ stellt einen „abwägungsfesten Mindestposten“ im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar.765 Die Nutzung des gemeindeeigenen Vermögens im Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Zwecke gegenüber dem Bürger766 fällt auch dann unter den Schutz der Selbstverwaltungsgarantie, wenn im Rahmen der Leistungserbringung für die Bürger als Nebeneffekt Gewinn erzielt wird.767 Bisher nur Thüringen bietet den Kommunen mit § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 ThürKO an, Anteile an Unternehmen lediglich als Vermögensanlage zu halten. Sie unterliegen dann nicht den kommunalwirtschaftsrechtlichen Restriktionen.768 Schranke ist jedoch eine „Unter-Wert-Veräußerung“ oder unentgeltliche Abgabe von Vermögen.769 Nach der Rechtsprechung des OVG Münster stellt auch das Vermögen einer kommunalen Eigengesell­ schaft Gemeindevermögen dar,770 das nicht auf Private übertragen werden darf. 764  BVerfG

v. 07.01.1999, 2 BvR 929 / 97, NVwZ 1999, 520, 521. v. 23.09.2013, 8 C 1 / 12, JurisPR 19 / 2013 mit Anm. Deiseroth,

765  BVerwG

Rdnr. 20 ff. 766  BVerfG v. 07.08.1982, 2 BvR 1187 / 80, BVerfGE 61, 82, 108 f. 767  So Ehlers (Fußn. 681), 1309. 768  Oebbecke, Kommunalrechtliche Voraussetzungen der wirtschaftlichen Betäti­ gung, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 61 m. w. N. in Fußn. 11. 769  Däubler (Fußn. 529), 104; vgl. auch Art. 12 Abs. 2 Satz 2 BV. 770  Das OVG Münster v. 19.12.2012, 16 A 1451 / 10, FdStBay 2013, 761, hat zu § 100 Abs. 3 GO NRW Vermögen einer kommunalen Eigengesellschaft, das von dieser zu Zwecken einer Neuorganisation der Spendenvergabe und des Sponsoring in eine rechtsfähige bürgerlich-rechtliche Stiftung eingebracht werden sollte, als unzulässige Weggabe von Gemeindevermögen angesehen. Der Vermögensbegriff sei in § 100 Abs. 3 GO NRW abweichend vom bürgerlich-rechtlichen Verständnis zu interpretieren, weil dadurch die finanzielle Manövrierfähigkeit der Kommune einge­ schränkt und die demokratischen Rechte der letztverantwortlich zur Vermögensver­ waltung berufenen kommunalen Organe (und damit das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG) geschwächt werde. Die Errichtung einer solchen Stiftung durch eine Eigengesellschaft stelle für die Gemeinde eine Gemeinwohlge­ fährdung nach § 80 Abs. 2 BGB dar. Ein solches Rechtsgeschäft sei deshalb nach § 134 BGB nichtig. Eine wortgleiche Regelung enthält auch Art. 75 Abs. 4 BayGO, so dass diese Rechtsprechung auch für Bayern von Bedeutung ist, zumal auch hier

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

d) Vertikale und horizontale Schutzwirkung der Selbstverwaltungsgarantie In vertikaler Richtung entfaltet die subjektive Rechtsstellungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Schutzwirkung gegenüber staatlichen Eingriffen deutscher Staatsgewalt,771 sowohl des Bundes- als auch des Landesgesetz­ gebers und vermittelt den Gemeinden damit ein Abwehrrecht, aber auch ein Schutz- und Leistungsrecht.772 Aus dem Aufgabenverteilungsprinzip zugunsten der Gemeinden, wie es das BVerfG im Sinne eines „Rundumschutzes“ und einer Stärkung der de­ zentralen Verwaltungsebene entwickelt hat773 folgt eine Schutzwirkung auch im Verhältnis zu den Ämtern774 und den Landkreisen.775 So darf aufgrund einer landesgesetzlichen Ermächtigung die Erhebung einer Kreisumlage des Landkreises von einer kreisangehörigen Gemeinde nicht dazu führen, dass dieser infolge einer nicht nur vorübergehenden, sondern strukturellen Unter­ finanzierung bei Gesamtbetrachtung sämtlicher Umlageverpflichtungen keine finanzielle Mindestausstattung zur Wahrnehmung ihrer Pflichtaufga­ ben sowie von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben mehr bleibt.776 Art. 28 Abs. 2 GG enthält dagegen kein Aufgabenverteilungsprinzip zwi­ schen Kommunen und Wirtschaft.777 Während im Recht der wirtschaftlichen Betätigung das Verhältnis der Gemeinde zur Privatwirtschaft und damit die Grundrechtsproblematik in Vordergrund steht, geht es beim Selbstverwal­ tungsrecht um das Verhältnis der Gemeinde zum Staat. Das Selbstverwal­ tungsrecht der Gemeinde schützt nur vor einer Hochzonung von Aufgaben, nicht aber vor ihrer Privatisierung.778 Es entfaltet damit keine Schutzwir­ kung gegenüber Privaten779 und damit auch keinen Schutz vor der Privat­ eine Reihe von Stadtwerken als Eigengesellschaften ähnliche Stiftungen errichtet haben (vgl. z. B. die von der Regierung der Oberpfalz am 03.12.2003 genehmigte rechtsfähige öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts „Kultur- und Sportstiftung der Stadtwerke Amberg Holding GmbH“, einer Eigengesellschaft der Stadt Amberg). 771  Ehlers (Fußn. 681), 1305. 772  Ehlers (Fußn. 681), 1306. 773  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 150 ff. 774  VerfG Potsdam vom 17.10.1996, Nr.  5 / 95, LVerfGE 5, 79, 85. 775  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 150; BVerwG v. 23.09.2013, 8 C 1 / 12, JurisPR 19 / 2013 mit Anm. Deiseroth, Rdnr. 36. 776  BVerwG v. 31.01.2013, 8 C 1.12, Juris. 777  VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, 996. 778  Hösch, Der öffentliche Zweck als Voraussetzung kommunaler Wirtschafts­ tätigkeit, GewArch 2000, 1, 7. 779  Ehlers (Fußn. 681), 1305, Fußn. 48; a.  A. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht 1982, Rdnr. 523.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 151

wirtschaft, sondern nur, wenn staatliche Regelungen die kommunale wirt­ schaftliche Betätigung zugunsten der Privatwirtschaft beschränken. Aus der Sicht der Privatwirtschaft sind den wirtschaftenden Selbstverwaltungskör­ perschaften damit nur grundrechtliche Grenzen gezogen.780 Hierbei ist die Bindung der Kommunalwirtschaft (Art. 1 Abs. 3 GG) an die Unternehmer­ grundrechte (insbesondere Art. 12 und Art. 14 GG) zu beachten. Dabei liegt ein (finaler) mittelbar-faktischer Grundrechtseingriff vor, wenn die Möglich­ keit eines privaten Wettbewerbers, sich als Unternehmer erfolgreich zu be­ tätigen, durch gezielte wirtschaftliche Expansion in erheblichem Maße ein­ geschränkt wird und hierfür kein öffentlicher Zweck781 eine Wettbewerbsbe­ einträchtigung rechtfertigt.782 Im Einklang mit der historischen Entwicklung der Begriffe783 geht es dabei nicht um das Verhältnis der Kommune zu ihren durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG mit subjektiven Rechten ausgestatteten Wahlbürgern als Zuord­ nungssubjekten und Legitimationsspendern staatsbezogener Publizität, son­ dern um die Grenzen von Publizität im Verhältnis zu privaten Konkurrenten und damit um die „Privatheit“ zum Schutz und zur Sicherung der Grund­ rechte wirtschaftlich tätiger Bürger vor publizistischer Marktmacht, insbe­ sondere durch Monopole, Privilegien oder Beihilfen. Um Umfang und Grenzen der horizontalen Schutzwirkung der Selbstver­ waltungsgarantie handelt es sich beim Ortsbezug der Kommunalwirtschaft. Die Auffassung, Kommunen bedürften im Falle wirtschaftlichen Tätigwer­ dens anders als bei hoheitlichem Agieren generell keiner kompetenziellen Grundlage, hat sich zu Recht nicht durchgesetzt. Die gemeindliche Ver­ bandskompetenz des Art. 28 Abs. 2 GG ist auf das örtliche Wirkungsfeld beschränkt.784 Geltung und Reichweite des Örtlichkeitsprinzips stehen seit einiger Zeit im Mittelpunkt der aktuellen Auseinandersetzungen um die Kommunalwirt­ schaft – mit anschwellender Tendenz.785 Die Formulierung „alle Angelegen­ heiten der örtlichen Gemeinschaft“ in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG stellt vor allem eine Umschreibung des herkömmlichen Begriffs der „Allzuständig­ keit“ dar. Den Gemeindeverbänden ist zwar nicht Allzuständigkeit, wohl 780  Nierhaus

(Fußn. 723), 49. unten B. I. 2. d). 782  Nierhaus (Fußn. 723), 56 m. w. N. in Fußn. 135; siehe auch unten B. II. 2. 783  Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. a). 784  Zu der Frage, ob damit die Schutzbereichsgrenzen zugleich Kompetenzgren­ zen sind, vgl. unten B. I. 2. e) cc). 785  Siehe z. B. Scheps, Das Örtlichkeitsprinzip im kommunalen Wirtschaftsrecht, 1. Aufl. 2006. 781  Siehe

152

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

aber im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs wie den Gemeinden die Eigenverantwortlichkeit garantiert.786 Was „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“ ist, lässt sich angesichts großer Mobilität der Bürger immer schwerer bestimmen, das historisch überkommene Aufgabenspektrum ist also anhand der gegenwärtigen Gege­ benheiten zu konkretisieren und der gesellschaftlichen Realität anzupas­ sen.787 Überall dort, wo die Gemeinde Dispositionsspielräume besitzt, ge­ nießt sie besonderen Schutz. Insbesondere ihre Einrichtungen und Unterneh­ men, die traditionell Schwerpunkt kommunaler Aktivitäten sind, gehören unbestritten zum Kernbereich.788 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof789 hat den Begriff der „Örtlich­ keit“ in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit einer kommunalen Satzungs­ regelung, wonach nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweis­ lich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinn der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden790, rechtlich überzeu­ gend konkretisiert. Eine solche Regelung sei weder sachfremd noch will­ kürlich und bewege sich im Rahmen des gemeindlichen normativen Ein­ schätzungsspielraums.791 Der globale Handel mit Steinen, die den Kriterien der ILO Konvention 182 nicht entsprechen, habe Probleme aufgeworfen, die in spezifisch örtliche Fragen wie die Anforderungen an aufzustellende Grabmale hineinwirken können. Deshalb reiche allein die Feststellung, das Verbot der Verwendung nicht nachweislich ohne ausbeuterische Kinder­ arbeit hergestellter Grabmale entspreche einem weltweiten politischen An­ liegen, von vornherein nicht aus, einen inneren Zusammenhang mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht und einen objektiven Bezug zur To­ 786  BVerfG v. 17.01.1967, 2 BvL 28 / 63, BVerfGE 21, 117, 128 f.; Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 156. 787  Däubler (Fußn. 529), 101. 788  BayVerfGH v. 23.12.1957, Vf. 107-VII-56 u. a., VerfGHE BY 4, 113. 789  BayVerfGH v. 07.10.2011, Vf. 32-VII-10, BayVBl 2012, 234. 790  Vgl. § 28 Abs. 2 Bestattungs- und Friedhofssatzung (BFS) der Stadt Nürn­ berg. Die Vorschrift lautet: „Es dürfen nur Grabmale aufgestellt werden, die nach­ weislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinn des Übereinkommens über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsor­ ganisation (ILO-Konvention 182), in Kraft getreten am 19.11.2000, hergestellt wer­ den“. 791  BayVerfGH v. 07.10.2011, Vf. 32-VII-10, BayVBl 2012, 234, 235; Das BVer­ wG v. 16.10.2013, 8 CN 1.12, FdStBay 2014, 303, 305 ff., hält diese weite Interpre­ tation des Örtlichkeitsprinzips für vereinbar mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, doch verstoße die Satzungsregelung gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 153

tenbestattung auszuschließen. Die Totenbestattung zählt nach der Bayer. Verfassung zum Kernbereich gemeindlicher Selbstverwaltung (Art. 83, 149 BV). Dieser Entscheidung kommt weit über den bayerischen Rechtskreis hi­ naus Bedeutung zu, da sie den Regelungsumfang der gemeindlichen Selbst­ verwaltung in Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV und indirekt auch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG erweitert.792 Zu Recht hat Knemeyer bereits in anderem Zusam­ menhang darauf hingewiesen, dass es gelte, „Abschied zu nehmen von einer unpolitisch verstandenen Selbstverwaltung“793, da die kommunale Selbst­ verwaltung – obwohl allein zum Bereich der Verwaltung gehörend – durch politische Parteien und Wählervereinigungen realisiert wird. In diesem Zu­ sammenhang stellt sich auch die Frage nach der Stellung der Fraktionen und ihrer Teilhabe an staatsbezogener Publizität im Grenzbereich zwischen Staat und Gesellschaft.794 e) Kommunale Selbstverwaltungsgarantie und supranationales Recht Weder der Vertrag über die Europäische Union (EUV) noch der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)795 enthält explizit eine Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung.796 Unionsrecht ist „landes- und kommunalblind“.797 Der Mindeststandard der kommunalen Selbstverwaltung wird von einigen Autoren in der Zusammenschau der Vertragsprinzipien der Souveränität, der Verhältnismäßigkeit und der Bürgernähe in Abwägung mit anderen unions­ rechtlichen Grundsätzen als gesichert angesehen.798 Dies trifft jedenfalls für von Lorenzmeier, BayVBl 2012, 236, 240. (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 8 und Fußn. 16: Knemeyer, Aufgabenka­ tegorien im kommunalen Bereich, DÖV 1988, 397, 398. 794  Vgl. Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) dd) (5) und Kapitel 5 Abschnitt A. II. 3. b). 795  Konsolidierte Fassungen, ABl. EU Nr. C 115 vom 09.05.2008, S. 1. 796  Ruffert, Unions- und gemeinschaftsrechtliche Einwirkungen auf die kommu­ nale Selbstverwaltung, in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 1077, 1081. 797  Papier, Kommunale Daseinsvorsorge im Spannungsfeld zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht, DVBl 2003, 686, 687, Fußn. 13: Hellermann, Ört­ liche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung 2000, 121; Faber, Die Zukunft kommunaler Selbstverwaltung und der Gedanke der Subsidiarität in den Europäischen Gemeinschaften, DVBl 1991, 1126, 1130. 798  Schoch, Kommunale Selbstverwaltung und Europarecht, Kommunen und Eu­ ropa 1999, 11, 37. 792  Anmerkung 793  Knemeyer

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

die privatwirtschaftliche Betätigung der Kommunen zu, soweit nicht Uni­ onsrecht799 entgegensteht.800 Art. 28 Abs. 2 GG ist bisher jedoch als nicht „europafest“ bewertet wor­ den. Diese Einschätzung beruhte vor allem auf dem Argument, dass sogar sekundäres Unionsrecht Anwendungsvorrang gegenüber der Selbstverwal­ tungsgarantie besitzt.801 Auch zum unantastbaren Gehalt des Grundgesetzes nach Art. 79 Abs. 3 GG rechnet die Garantie der kommunalen Selbstverwal­ tung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht802, auch nicht über das demokrati­ sche Prinzip.803 Ob das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EUV als Regelung, die nur im Verhältnis der Organe der Europäischen Union zu den Mitgliedstaaten Geltung beansprucht, auch als Schutznorm zugunsten der kommunalen Selbstverwaltung interpretiert werden kann, wie dies Ronellenfitsch aus Art. 23 Abs. 1 GG ableitet804, erscheint fraglich. Für Papier schließt der Begriff der Subsidiarität in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG die Bestandsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung in der Bundesrepublik ein.805 Deshalb stelle sich nur die Frage, wann die Organe der Europäischen Union die Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte im Hinblick auf die grund­ gesetzlich gewährleistete kommunale Selbstverwaltung überschritten. Das wäre jedenfalls bei einer Art „europäischer Entmündigung“806 der Gemein­ den durch eine „verschleierte Verfassungsänderung“ der Fall. Das europäi­ sche Wettbewerbs- und das Beihilferecht807 könne bei extensiver Auslegung zu „Einfallstoren in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung“808 werden. Das in der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ent­ haltene Subsidiaritätsprinzip kann jedoch für die Europäische Union nicht 799  Vgl.

hierzu in diesem Kapitel Abschnitt C. I. (Fußn. 398), 42. 801  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 40 Fußn. 37: Seewald, Kommunalrecht, in: Stei­ ner / Arndt / Arndt (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Ein Lehrbuch, 2006, Rz. 11. 802  Wohl h. M., vgl. auch Ruffert (Fußn. 796), 1080 m. w. N. in Fußn. 9. 803  Steiner, Die deutschen Gemeinden in Europa, Deutsche Verwaltungspraxis 2010, 2, 4; zwar ist die kommunale Selbstverwaltung eine Ausprägung des Demo­ kratieprinzips, doch lässt sich aus der Verpflichtung der Europäischen Union auf die Werte der Demokratie in Art. 2 EUV nicht folgern, dass diese auch die kommunale Selbstverwaltung zwingend umfassen müsste (so auch Ruffert (Fußn. 796), 1082, dort m. w. N. in Fußn. 18). 804  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 40. 805  Papier (Fußn. 797), 691. 806  Papier (Fußn. 797), 692. 807  Siehe hierzu im Einzelnen unten Abschnitt C. I. und II. 808  Papier (Fußn. 797), 693. 800  Ronellenfitsch



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 155

maßstabsbildend sein.809 Selbst wenn den Organen der Bundesrepublik Deutschland auch im Außenverhältnis eine Garantenstellung für die Einhal­ tung der europäischen Normen zum Schutz der kommunalen Selbstverwal­ tung zukommen sollte, könnte dadurch allenfalls eine weitere Zuständig­ keitsübertragung an die Europäische Union verhindert werden. Der nationale Souveränitätsvorbehalt (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 AEUV) aller­ dings könnte eine Aushöhlung der Selbstverwaltung durch künftige Integra­ tionsschritte durchaus verhindern.810 Jedenfalls zählt die kommunale Selbstverwaltung zur deutschen nationa­ len Identität und die kommunale Daseinsvorsorge, die zu deren Wesensge­ halt gehört,811 stellt eine Ausformung des Sozialstaatsprinzips dar.812 Nach dem Urteil des BVerfG zum Vertrag von Lissabon813 müssen die sozialpo­ litisch wesentlichen Entscheidungen dem nationalen Gesetzgeber in eigener Verantwortung vorbehalten bleiben, jedenfalls soweit es um die Existenz­ sicherung des Einzelnen geht. Daraus kann sehr wohl ein Schutz der kom­ munalen Daseinsvorsorge in ihrem Kernbereich abgeleitet werden, nicht jedoch ein weitergehender Schutz gegenüber europarechtlichen Eingriffen für diejenigen kommunalen Unternehmen, die in binnenmarktrelevantem Wettbewerb mit der Privatwirtschaft stehen.814 Als Schutznorm des Instituts der kommunalen Selbstverwaltung wird auch die von den Mitgliedstaaten des Europarates beschlossene und von 45 Mitgliedstaaten ratifizierte Europäische Charta der Kommunalen Selbstver­ waltung (EKC) vom 15.10.1985815 angesehen, die seit 01.09.1988 in Kraft ist und „ein gemeineuropäisches Anliegen“ zum Ausdruck bringt, ohne je­ doch bereits eine Basis für einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu bilden.816 Bindungswirkung für die Europäische Union entfaltet sie allerdings bisher 809  Ruffert (Fußn. 796), 1081; die Organe der Europäischen Union sind jedoch durch Art. 5 Abs. 3 EUV in Verbindung mit dem „Protokoll Nr. 2 über die Anwen­ dung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ gebunden. 810  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 41 m. w. N. in Fußn. 40. 811  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 31. 812  Steiner (Fußn. 631), 165; vgl. hierzu auch die historische Entwicklung, oben Fußn. 585. 813  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 362 f. 814  Hierzu im Einzelnen in diesem Kapitel Abschnitt C. I. 3. 815  Vgl. Gesetz vom 22.01.1987 (BGBl. 1987 II, S. 65); Siehe hierzu Art. 3 Abs. 1 EKC: „Kommunale Selbstverwaltung bedeutet das Recht und die tatsächliche Fähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften, im Rahmen der Gesetze einen wesentlichen Teil der öffentlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung zum Wohl ihrer Einwohner zu regeln und zu gestalten.“ 816  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 41, Fußn. 44 m. w. N.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

nicht, da sie nicht Bestandteil des europäischen Primärrechts ist. Indirekt sind aber die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in denen die Charta Bestandteil des innerstaatlichen Rechts geworden ist, an die von ihr ausge­ henden Schutzpflichten auch bei ihrer Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung im Ministerrat gebunden. 3. Zwischenergebnis zur Bedeutung der Publizität im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts Die kommunale Selbstverwaltung dient dem homogenen Aufbau einer gestuften Demokratie durch vom Staat unabhängige eigenverantwortliche Organe zur Erfüllung der in der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden öffent­ lichen Aufgaben. Dafür schützt Art. 28 GG vor staatlichen Eingriffen und garantiert den Gemeinden institutionell die Universalzuständigkeit und (den Gemeindeverbänden im Rahmen der Gesetze) einen Kernbereich von Auf­ gaben der Daseinsvorsorge sowie die Aufgabenwahrnehmung in historisch gewachsenem Umfang mit einer unmittelbar demokratisch legitimierten Volksvertretung. Dies gilt grundsätzlich auch für die mit Bezug auf die Einwohner ausge­ übte wirtschaftliche Betätigung durch kommunale Unternehmen in öffent­ lich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisations- und Handlungsformen. Für Gemeindeangehörige bedeutet Publizität nicht nur Zugänglichkeit zu kommunalen öffentlichen Sachen, Einrichtungen oder Anstalten. Als Wahl­ bürger sind sie in Selbstverwaltungsangelegenheiten mit subjektiven Teilha­ berechten ausgestattete Zuordnungssubjekte für die auf das örtliche Ge­ meinwesen bezogene Publizität und legitimieren dadurch das Handeln der Gemeindeorgane unmittelbar. Dabei lässt die weit gefasste Interpretation des Örtlichkeitsprinzips durch den BayVerfGH817 die Grenze zwischen staatsbezogener und gesellschaftlicher Publizität verschwimmen. Für Aufga­ ben, die als übertragene Angelegenheiten, als Pflichtaufgaben zugewiesen sind oder kraft ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung erwerbswirtschaft­ lich, überörtlich und sogar im Ausland wahrgenommen werden, wird diese Legitimation dagegen über den Gesetzgeber vermittelt. Die kommunale Daseinsvorsorge in Selbstverwaltungsangelegenheiten ist als Ausformung des Sozialstaatsprinzips in ihrem Kernbereich, nicht aber bei Teilnahme am Wettbewerb mit der Privatwirtschaft, Bestandteil der na­ tionalen Identität und nur insoweit gegenüber unionsrechtlichen Eingriffen geschützt.818 Im wirtschaftlichen Wettbewerb der Kommunen und ihrer 817  Vgl.

hierzu Fußn. 789. hierzu Fußn. 813.

818  Siehe



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 157

Unternehmen mit der Privatwirtschaft geht es vorrangig um die Bestim­ mung der Grenzen publizistischer Marktmacht zum Schutz und zur Siche­ rung grundrechtlich gewährleisteter Privatheit, dem Gegenbegriff zur Publi­ zität.819

III. Kommunale Leistungsverwaltung im Spannungsverhältnis zur Privatwirtschaft 1. Daseinsvorsorge als prägendes Element der Leistungsverwaltung a) Der nationale Begriff der Daseinsvorsorge Inhalt und Funktion des Begriffs der Daseinsvorsorge haben in der Rechtswissenschaft wie kaum ein anderer Terminus Faszination820 und Är­ gernis zugleich ausgelöst, weil der Begriff Befürchtungen nährte, „mitten in den Wohlfahrts- und Versorgungsstaat hineinzuführen“821 oder „weil er ge­ wissermaßen eine Verharmlosung des Etatismus“822 bedeute. Die begriffli­ che Weite der Daseinsvorsorge umfasse den privaten Bäckerladen und jeden Lebensmittelhändler ebenso wie jede sinnvolle private Tätigkeit, die in ir­ gendeiner Weise Güter oder Voraussetzungen für das menschliche Dasein schafft.823 Der von Ernst Forsthoff824 geprägte Begriff der Daseinsvorsorge geht jedoch davon aus, dass sich im Zuge der Veränderung der Produktionspro­ zesse über eine zunehmend differenzierte Arbeitsteilung der Einzelne von den Quellen der Bedarfsdeckung825 in fortschreitendem Maß entfernt. Er hat deshalb den von ihm geprägten Begriff funktional eingeschränkt als 819  Vgl.

Fußn. 23 und 87. Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb 1968, 16 ff.; Badura, Die Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck der Leistungsverwaltung und der soziale Rechtsstaat, DÖV 1966, 624 ff. 821  Ossenbühl, Daseinsvorsorge und Verwaltungsprivatrecht, DÖV 1971, 513, 515, Fußn. 7: Frentzel, Wirtschaftsverfassungsrechtliche Betrachtungen zur wirt­ schaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand 1961, 31. 822  Ossenbühl (Fußn. 821), 515, Fußn. 8: Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts 1960, 46 Fußn. 32. 823  Ossenbühl (Fußn. 821), 515, Fußn. 11: So auch die Befürchtung von Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung 1959 im Vorwort. 824  Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger 1938, 4 ff. 825  Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hg.), Kolloqui­ um aus Anlaß des 100. Geburtstags von Prof. Dr. Dr. h. c. Ernst Forsthoff, 2003, 53, 61 ff. 820  Klein,

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Bezeichnung eines grundlegenden Wandels, verbunden mit einer Erweite­ rung der Staats- und Verwaltungsaufgaben, die mit der „gesellschaftlichen Wandlung von der bürgerlichen Gesellschaft zur entfalteten Industrie­gesell­ schaft“826 dem Staat jedenfalls partielle und subsidiäre Verantwortung für Wohlstand und Konjunktur aufgebürdet haben.827 Als soziologischer Be­ griff umfasst Daseinsvorsorge danach „diejenigen Veranstaltungen, welche zur Befriedigung des Appropriationsbedürfnisses getroffen werden“.828 Hie­ raus ergibt sich eine besondere Angewiesenheit aller auf eine dem Ge­ meinwohl verpflichtete Verwaltung der den effektiven Lebensraum konsti­ tuierenden Leistungen sowohl des Staates als auch Privater. Daraus ist die spezifische Staatsaufgabe der Leistungsverwaltung hervorgegangen.829 Das bedeutet aber nicht, dass damit dem Staat eine umfassende Aufgabe zur Versorgung für alles zufällt, was nützlich ist830 oder für alle „gemeinwohl­ orientierten Leistungen“831 oder auch nur für die Monopolisierung einer „Grundversorgung“. Vielmehr sind optimale Produktion und Verteilung Er­ gebnis eines Ausgleichs grundsätzlich freien Angebots und freier Nachfra­ ge im Wettbewerb am Markt.832 Aufgabe des Staates ist es, zu dessen Realisierung eine Rechtsordnung und Organisation systemgerecht zur Ver­ fügung zu stellen. Soweit Daseinsvorsorge dadurch als sozialstaatliche Aufgabe eingeordnet wird, tritt Heinze833 dem insofern zutreffend entgegen als damit die Vorstel­ lung verbunden wird, dass durch Umverteilung oder „Solidaritätsveranstal­ tungen“, durch Lenkung oder Korrektur für eine gerechtere Zuteilung von Gütern und Leistungen zu sorgen sei. Vielmehr geht es bei der Daseinsvor­ sorge darum, dass diese Güter überhaupt oder generell der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.834 Daseinsvorsorge betrifft also den allgemeinen Bedarf und nicht besonde­ re Bedürftigkeiten von Gruppen oder Einzelnen. Damit unterscheiden sich Daseinsvorsorge und Sozialstaat auch vom Verteilungsprinzip her. „Daseins­ 826  Badura

(Fußn. 820), 627. (Fußn. 821), 515. 828  Forsthoff (Fußn. 823), 26. 829  Heinze, Daseinsvorsorge im Umbruch, BayVBl 2004, 33. 830  Heinze (Fußn. 829), 34, Fußn. 7: „Die Lehre Forsthoffs wurde und wird nicht selten in diesem Sinne missverstanden.“ 831  So aber die Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (ABl. EG Nr. C 17 vom 19.01.2001, S. 4). 832  Heinze (Fußn. 829), 34, Fußn. 9: Ronellenfitsch, Der ÖPNV im europäischen Binnenmarkt, VerwArch 2001, 293, 298. 833  Heinze (Fußn. 829), 34 m. w. N. in Fußn. 10. 834  Heinze (Fußn. 829), 34, Fußn. 12 unter Verweis auf Forsthoff (Fußn. 823), 13. 827  Ossenbühl



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 159

vorsorge ist, der Natur allgemeiner Bedürfnisse entsprechend, egalitäre Gleichheit835, dasjenige der Verteilungskorrektur und Umverteilung dagegen differenzierende Gerechtigkeit.“836 Allerdings schließt dies nicht aus, dass Daseinsvorsorge auch als Vehikel differenzierenden Gebens und Nehmens benutzt wird, weil rechtliche Voraussetzungen und Maßgaben einer Umver­ teilung zum Gemeinwohlauftrag hinzutreten können.837 Da autonome Produktion und Verteilung nicht immer zu angemessener oder gesicherter Versorgung führen, verlangt Daseinsvorsorge staatliche Regie bis hin zur unmittelbaren Bedarfsdeckung und Leistungserbringung, soweit diese als funktionsnotwendige Infrastruktur nur vom Staat oder unter staatlicher Einflussnahme optimal und ausreichend erbracht werden kann.838 Aus der Zweckmäßigkeit eines autonomen Produktions- und Verteilungssys­ tems folgt jedoch eine Präferenz für die Marktwirtschaft vor staatlicher Daseinsvorsorge, die bei staatlicher Aufgabenübernahme stets der Legitima­ tion im Sinne eines öffentlichen (Gemeinwohl-)Interesses839 bedarf. Aus rechtlicher Sicht bildet der Begriff der Daseinsvorsorge damit einen eher schillernden – heuristischen – Sammel- oder Inbegriff aller „von Staats wegen“ erbrachten und namentlich kommunalen Leistungen der Allgemein­ versorgung mit lebenswichtigen oder sozialen „Infrastrukturdienstleistungen“.840 Spezifische Ausprägungen der Daseinsvorsorge sind auch die Be­ schaffung notwendiger Informationen und die der Informationsvorsorge dienenden Leistungen841 als Erscheinungsformen des Informationsfolgen­ rechts842, d. h., der juristischen Konsequenzen, die aus der Privatisierung für die Rolle des Staates, den Aufgabenbestand der öffentlichen Hand und die Grundrechtslage zu ziehen sind.843 Andererseits ist Daseinsvorsorge auch als Typus bestimmendes Element der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG anzusehen, ohne dass damit ein „Bestandsschutz“ für konkrete 835  Köttgen, Gemeindliche Daseinsvorsorge und gewerbliche Unternehmerinitiati­ ve im Bereiche der Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung 1961, 71. 836  Heinze (Fußn. 829), 34. 837  Heinze (Fußn. 829), 34, Fußn. 14. 838  Heinze (Fußn. 829), 34. 839  Heinze (Fußn. 829), 35, Fußn. 18: Vgl. BVerfG v. 20.03.1984, 1 BvL 28 / 82, BVerfGE 66, 248 für den Bereich der Energieversorgung und BVerfG v. 16.05.1989, 1 BvR 705 / 88, NJW 1990, 1783 für den Bereich der Energie- und Wasserversor­ gung als Daseinsvorsorge. 840  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 15. 841  Stohrer (Fußn. 249), 389. 842  Voßkuhle (Fußn. 265). 843  Stohrer (Fußn. 249), 120 Fußn. 273 m. w. N.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Handlungs- oder Organisationsformen einherginge.844 Der Daseinsvorsorge­ begriff spiegelt den Zeitgeist wider.845 Als heuristischer Begriff sollte die Daseinsvorsorge nach Ossenbühl846 auch dazu dienen, die Verwaltungsrechtslehre wieder an die Verwaltungs­ wirklichkeit heranzuführen und der Leistungsverwaltung einen Platz im öffentlichen Recht zu verschaffen. Der Nutzen des Daseinsvorsorgebegriffs liegt in der Erkenntnis, dass es Aufgabe der Leistungsverwaltung ist, bestimmte Bedürfnisse und deren Deckung durch einen egalitären Teilhabeanspruch mit der Marktwirtschafts­ ordnung in harmonischen Einklang zu bringen.847 „Bei der Daseinsvorsorge ist der Wettbewerb aber nur Instrument der optimalen Aufgabenerfüllung und nicht Anwendungsfall marktwirtschaftlicher Ordnungsprinzipien wie Privatautonomie und Gewinnmaximierung.“848 Diese rechtliche Konsequenz macht die Daseinsvorsorge für Ronellen­ fitsch849 zum Rechtsbegriff. Aus dogmatischen Gründen verneint dagegen Ossenbühl zu Recht die Eigenschaft als Rechtsbegriff, weil sich diejenigen Staatsaufgaben, die zu einem solchen Rechtsbegriff gehören müssten, mit dem Terminus Daseinsvorsorge nicht von öffentlichen Aufgaben850 abgren­ 844  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 15, Fußn. 5: Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft 1989, 109 ff. und passim; a. A. Burgi (Fußn. 531), 307 f., wonach es für die Inhaltsbestimmung der Selbstverwaltungsgarantie nicht auf die Dogmatik einer wie immer gearteten „Da­ seinsvorsorge“ ankomme, sondern auf den Funktionsgehalt der kommunalen Selbst­ verwaltungsgarantie. Diese Auffassung wird angesichts der historischen Verknüpfung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts mit der Erfüllung unverzichtbarer Da­ seinsvorsorgeaufgaben für die Gemeindeeinwohner nicht geteilt. Der Funktionsge­ halt der Selbstverwaltungsgarantie wird durch den Daseinsvorsorgebegriff mitge­ prägt. 845  Papier (Fußn. 797). 846  Ossenbühl (Fußn.  821), 516, Fußn.  25 unter Bezugnahme auf Badura (Fußn. 820), 627. 847  Vgl. auch Heinze (Fußn. 829), 40. 848  Ronellenfitsch, § 2 Neuere Diskussion: Privatisierung und Rekommunalisie­ rung, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 16, 18. 849  Ronellenfitsch (Fußn. 848), 19; vgl. auch Ronellenfitsch (Fußn. 825), passim 53 ff. 850  Zur Unterscheidung der „öffentlichen Aufgaben“ von den „Staatsaufgaben“ insbesondere Di Fabio (Fußn. 123), der darin den dogmatischen Schlüsselbegriff dafür sieht, was der Staat privatisieren darf und was ihm vorbehalten ist, welchem Rechtsregime er unterliegt und an welche Rechtsnormen er gebunden ist, wenn er öffentliche Aufgaben mit privaten Kräften oder mit dem Steuerungsinstrument der Selbstregulation wahrnimmt.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 161

zen lassen.851 In der Tat ist der Begriff der Daseinsvorsorge, wie ihn der BGH852 verwendet, nicht geeignet, zur Abgrenzung der Wirkungsbereiche des öffentlichen und des privaten Rechts systemgerechte Lösungen zu fin­ den, denn nicht alle Leistungen, die zur Daseinsvorsorge gehören, sind vollständig nach den Grundsätzen des öffentlichen Rechts zu beurteilen. Besonders deutlich wird dies an der Bindung von Leistungen der Daseins­ vorsorge an das Wettbewerbsrecht853 wie auch durch die engen Verbin­ dungslinien zwischen der Daseinsvorsorge und dem Verwaltungsprivatrecht. Dessen Problematik besteht gerade darin, dass öffentliches und privates Recht einander ergänzen und sich gegenseitig modifizieren854. Als Rechts­ begriff konnte sich die Daseinsvorsorge deshalb nicht etablieren. Ihr fehlt nicht nur eine kompetenzzuweisende Wirkung, sondern sie ist auch nicht geeignet, die öffentlich-rechtlichen Bindungen wirtschaftlicher Betätigung zu begründen, die sich bereits aus Art. 1 Abs. 3 GG ergeben. Ebenso wenig kann sie angesichts der Grundrechte Teilhabeansprüche generieren.855 Auch wenn der Begriff der Daseinsvorsorge nichts über die privatrechtli­ che oder öffentlich-rechtliche Natur einer Tätigkeit aussagen kann, verwen­ den ihn sowohl der Bundes- als auch eine Reihe von Landesgesetzgebern als Gesetzesbegriff mit Abgrenzungsfunktion zur Privatwirtschaft (vgl. § 1 Abs. 1 Regionalisierungsgesetz856, Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO857, § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO BW858, § 71 Abs. 1 Nr. 4 ThürKO859). 851  Ossenbühl (Fußn. 821), 516, Fußn. 28 unter Bezugnahme auf Leisner, Öffent­ liches Amt und Berufsfreiheit, AöR 93, 161, 183 ff. und Steiner (Fußn.  543), 528 f. 852  BGH v. 23.09.1969, VI ZR 19 / 68, BGHZ 52, 325, 328 ff. 853  Ossenbühl (Fußn. 821), 518, Fußn. 57: Mestmäcker, Die Abgrenzung von öf­ fentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln im Wettbewerbsrecht, NJW 1969, 1 ff. 854  Ossenbühl (Fußn. 821), 518. 855  Schmidt, Die Liberalisierung der Daseinsvorsorge, Der Staat 2003, 225, 229 Fußn. 24: insbesondere Ossenbühl (Fußn. 821), 517. 856  Art. 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuord­ nungsgesetz) – ENeuOG) – Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personen­ nahverkehrs vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378, ber. 2395), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.12.2012 (BGBl. I S. 2598): „Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahver­ kehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.“ 857  BayGO i.  d. F. der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. 1998, S. 796), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.07.2012 (GVBl. S. 366). 858  Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (Gemeindeordnung – GemO) in der Fassung vom 24. Juli 2000 (GBl. 2000, S. 581), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 68). 859  Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung – ThürKO –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 2003 (GVBl. 2003, 41), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2013 (GVBl. S. 194).

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Gerade im Zusammenhang mit dem kommunalen Unternehmensrecht wird der Begriff Daseinsvorsorge als ein sachbezogener Sammelbegriff für eine bestimmte Gruppe von Infrastrukturdienstleistungen verwendet, der als unbestimmter860 (wohl eher: unechter) Rechtsbegriff eine originäre Zustän­ digkeit zugunsten der Kommune umschreibt und damit zugleich eine Aus­ nahme vom Grundsatz der Subsidiarität kommunaler wirtschaftlicher Betä­ tigung gegenüber der Privatwirtschaft statuiert. Insoweit grenzt der Begriff zwar nicht öffentliches von privatem Recht ab, jedoch ordnet er die ihm unterfallenden Tätigkeitsfelder dem Kernbereich kommunaler Selbstverwal­ tung im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG zu. Kommunale Daseinsvorsorge weist damit zwei unterschiedliche Ziel­ richtungen auf: Einerseits trägt sie zu einem zeitgemäßen Interpretations­ wandel der Inhaltsbestimmung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts bei, indem sie dieses den sich stetig verändernden Bedürfnissen der Be­ völkerung anpasst. Andererseits umschreibt kommunale Daseinsvorsorge im Verhältnis zur Privatwirtschaft diejenigen Leistungen und Dienste, die nicht allein der Privatautonomie überantwortet, sondern zur gesicherten Versorgung der Allgemeinheit kompetenzgebundenen Aufgabenträgern vorbehalten werden sollen. Kommunale Daseinsvorsorgetätigkeiten be­ zeichnen damit ein umfassendes Bündel von Aufgaben, die zum Kernbe­ reich des Selbstverwaltungsrechts und damit einer auf den Staat bezoge­ nen Publizität861 zählen und deren Wahrnehmung durch Wertbegriffe wie „öffentliches Interesse“ oder „öffentlicher Zweck“ ihre Rechtfertigung er­ hält.862 b) Daseinsvorsorge als nichtwirtschaftliche oder wirtschaftliche Betätigung Eine Reihe von Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungen863 un­ terscheidet wirtschaftliche Betätigung als „Betrieb von Unternehmen“ von nichtwirtschaftlicher Tätigkeit, nämlich dem „Betrieb von Einrichtungen“. Gemeindliche Einrichtungen sind private oder öffentliche Einrichtungen. Die Schaffung und Erhaltung dieser Einrichtungen fällt in die Organisa­ tionshoheit der Gemeinden.864 Privat sind Einrichtungen dann, wenn die Gemeinde durch sie wie eine Privatperson am Wirtschaftsleben teilnimmt, 860  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer

(Fußn. 368), 15. Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) bb) und c) bb). 862  Hierzu im Einzelnen in diesem Kapitel Abschnitt B. I. 2. 863  Siehe hierzu die Nachweise unter Fußn. 876 und 879 bis 885. 864  Steiner (Fußn. 558), 165. 861  Vgl.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 163

es also an einer Widmung865 für einen öffentlichen Zweck fehlt.866 Eine „öffentliche Einrichtung“ ist innerhalb der Verbandskompetenz der Ge­ meinde dem wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wohl der Einwoh­ ner zu dienen bestimmt. Sie wird zum Zweck der „Daseinsvorsorge867 und Daseinsfürsorge“ errichtet und unterhalten.868 Dies kann in tatsäch­ lich und rechtlich unterschiedlicher Konstruktion, als Betrieb, Unterneh­ men, Anstalt oder als sonstige Leistungsapparatur geschehen.869 Die Rechtsform ist für die Qualifikation einer öffentlichen Einrichtung nicht wesentlich.870 Zur Daseinsvorsorge gehören nach deutschem Verständnis seit jeher Tä­ tigkeiten nichtwirtschaftlicher, etwa kultureller, sportlicher oder sozialer Art. Nicht als wirtschaftliches Unternehmen sind auch Einrichtungen anzu­ sehen, bei denen die Gemeinnützigkeit im Vordergrund steht.871 Kommuna­ le Unternehmen sind vor dem Hintergrund der leistungsverwaltungsrechtli­ chen Struktur der Kommunalgesetze nichts anderes als besondere Organisa­ tionsformen einer öffentlichen Einrichtung.872 Damit sind öffentliche Ein­ richtung und wirtschaftliches Unternehmen begrifflich kein Gegensatz.873 Öffentliche Einrichtungen können auch als wirtschaftliches Unternehmen geführt werden.874 So gilt nach der Kommunalverfassung für das Land 865  Seewald (Fußn. 801), 51: Die „Öffentlichkeit“ einer kommunalen Einrichtung wird durch die Widmung bewirkt. Dadurch wird zugleich eine Zweckbestimmung der Einrichtung, der Widmungszweck, festgelegt. Dies kann entweder durch Sat­ zung, durch Beschluss der Gemeindeorgane erfolgen oder aus den Umständen er­ sichtlich sein. Gegenstände, die nicht gewidmet sind, gehören zum „Verwaltungsver­ mögen“, für die es keinen Anspruch auf Benutzung gibt. 866  Steiner (Fußn. 558), 165. 867  Ossenbühl (Fußn.  821), 516 f. 868  Ronellenfitsch (Fußn. 510), 49, Fußn. 8: Seewald (Fußn. 801), Bd. 1, Rz. 277: Dabei werden häufig solche Unternehmen als „nichtwirtschaftliche Unternehmen“ bezeichnet, deren Betrieb den Gemeinden ausdrücklich aufgegeben ist und die nach bisherigen Erfahrungen nicht gewinnbringend betrieben werden können. Anders aber die Terminologie der meisten Gemeindeordnungen und Kommunalverfassun­ gen. 869  Zum Begriff der „öffentlichen Einrichtung“ vgl. Seewald (Fußn. 801), 108, Rdnr. 265. 870  Seewald (Fußn. 801), 51, Rdnr. 140. 871  Steiner (Fußn. 558), 181, Fußn. 495: OVG Münster v. 02.12.1985, 4 A 2214 / 84, DÖV 1986, 339. 872  Kluth, Öffentlich-rechtliche Zulässigkeit gewinnorientierter staatlicher und kommunaler Tätigkeit, in: Stober (Hg.), Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, Staat und Kommunen als Konkurrent der Privatwirtschaft, 2000, 23, 33. 873  Seewald (Fußn. 801), 108, Rdnr. 265, Fußn. 779: VGH Mannheim v. 18.10.1990, 2 S 2098 / 89, NVwZ 1991, 583. 874  Ronellenfitsch (Fußn. 510), 49, Fußn. 7: Schnaudigel (Fußn. 510).

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V)875 als wirtschaftliche Betätigung auch der Betrieb von Einrichtungen, zu deren Betrieb eine Gemeinde, ein Amt oder ein Landkreis gesetzlich verpflichtet sind, ebenso wie von Einrichtun­ gen des Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der Kunstpflege, der körperlichen Ertüchtigung, der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege und öf­ fentlichen Einrichtungen ähnlicher Art, aber auch von Einrichtungen, die ausschließlich zur Deckung des Eigenbedarfs dienen, sowie von Einrichtun­ gen zur Energieversorgung (§ 68 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 und §§ 122, 144 Abs. 2 KV M-V). Die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW)876 benennt in einem Katalog von kommunalen Tätigkeitsfeldern diejenigen Einrichtungen, die nicht als wirtschaftliche Betätigung gelten, aber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten sind (§ 107 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 und Satz 2 GO NRW). Neben kulturellen oder sozialen öffent­ lichen Einrichtungen, die für die Betreuung der Einwohner erforderlich sind, zählen auch Hilfsbetriebe zur Eigenbedarfsdeckung877 und Einrichtun­ gen, mit denen Pflichtaufgaben erfüllt werden (Abfallentsorgung, Jugend­ hilfe), sowie Betriebe, die nach dem Kostendeckungsprinzip Aufgaben er­ füllen878, zu den nichtwirtschaftlichen Einrichtungen. Vergleichbare Regelungen für nichtwirtschaftliche Einrichtungen enthal­ ten auch die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (§ 102 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 GemO BW)879, die Hessische Gemeindeordnung (§ 121 Abs. 2 Satz 1 HGO)880, das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz (§ 136 Abs. 3 NKomVG)881, die Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (§ 85 875  Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunal­ verfassung – KV M-V) vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V 2011, S. 777). 876  Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in der Fas­ sung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. 1994 S. 666), zuletzt ge­ ändert durch Gesetz vom 23.10.2012 (GV. NRW. S. 474). 877  Schiffer / Wurzel, Anmerkung zum Urteil des OVG Münster vom 26.10.2010 (AZ: 15 A 440 / 08) über die Rechtsform für Einrichtungen zur Deckung des Eigen­ bedarfs, KommJur 2011, 13, 14. 878  VGH Mannheim v. 25.09.1995, 2 S 250 / 95, VGHBW-Ls 1995, Beilage 12, B 3, 4. 879  Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (Gemeindeordnung – GemO) in der Fassung vom 24. Juli 2000 (GBl. 2000, S. 581), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 68). 880  Hessische Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. März 2005 (GVBl. I 2005 S. 142), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.05.2013 (GVBl. I S. 218). 881  Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) vom 17. Dezem­ ber 2010 (Nds. GVBl. 2010 S. 576), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2010 (Nds. GVBl. S. 279).



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 165

Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 7 GemO Rhl-Pf.)882, das Kommunalselbstverwal­ tungsgesetz des Saarlandes (§ 108 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 KSVG)883, die Ge­ meindeordnung für den Freistaat Sachsen – jedoch ohne die kulturellen und sozialen Einrichtungen – (§ 97 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SächsGemO)884 und die Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (§ 101 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 GO SH)885. Ausdrücklich der wirtschaftlichen Betätigung zugeordnet wird durch § 107 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GO NRW die Wasserversorgung, der öffentliche Verkehr sowie der Betrieb von Telekommunikationsleitungsnetzen ein­ schließlich der Telekommunikationsdienstleistungen mit Ausnahme des Ver­ triebs und / oder der Installation von Endgeräten von Telekommunikationsan­ lagen. Damit gehören diese Bereiche nicht der Erwerbswirtschaft, sondern der Sphäre der Daseinsvorsorge an, die zum Kernbereich kommunaler Selbst­ verwaltung zählt und die sich der Staat als eigene Aufgabe vorbehalten kann.886 Gleiches gilt für die in § 107a GO NRW gesondert geregelte ener­ giewirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärme­ versorgung sowie für unmittelbar damit verbundene Dienstleistungen, wenn sie den Hauptzweck fördern (§ 107 a Abs. 2 Satz 1 GO NRW). Für diese Bereiche wird auf eine die kommunale Wirtschaftstätigkeit be­ grenzende Subsidiarität zur Privatwirtschaft verzichtet. Dies wird von eini­ gen Autoren für verfassungswidrig gehalten,887 weil die Kommune sich da­ durch auf diesen Handlungsfeldern auch dann wirtschaftlich betätigen könne, wenn sie einen „öffentlichen Zweck“ schlechter und / oder unwirtschaftlicher als private Unternehmen erfülle. Diese Auffassung wird jedoch nicht geteilt: Öffentliche Interessen (oder Zwecke) werden von staatlichen Stellen defi­ niert und wahrgenommen; Interessen, die Individuen privatautonom verfol­ gen, sind private Interessen. Die Wahrnehmung öffentlicher Interessen ist dem 882  Gemeindeordnung (GemO Rhl-Pf.) in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBl. 1994 S. 153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.10.2010 (GVBl. S. 319). 883  Gesetz Nr. 788 – Kommunalselbstverwaltungsgesetz – KSVG – vom 15. Ja­ nuar 1964 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1997 (Amtsbl. S. 682), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.02.2009 (Amtsbl. S. 1215). 884  Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. März 2003 (SächsGVBl. 2003, 55), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.10.2012 (SächsGVBl. S. 562, 563). 885  Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (Gemeindeordnung – GO –) in der Fassung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. 2003, 57), zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.10.2012 (GVOBl. S. 696). 886  Siehe hierzu auch oben Abschnitt A. III. 2. 887  Ehlers, Das neue Kommunalwirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, NWVBl 2000, 1, 4; Pünder / Dittmar, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, Jura 2005, 760, 764.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Staat zugeordnet, die Wahrnehmung privater Interessen der Gesellschafts­ sphäre. Mit der kompetenziellen Trennung ist aber kein Verbot für den Staat verbunden, auch als privat qualifizierte Interessen wahrzunehmen. Ein Inte­ resse ist ein öffentliches, sobald es vom Staat wahrgenommen wird und ein privates, soweit es von Privaten verfolgt wird. Schranken für den Staat erge­ ben sich aus höherrangigen Rechtsvorschriften, wie den Grundrechten, und aus Interessenabwägungen, die in deren Rahmen vorzunehmen sind. Zur klas­ sischen Dichotomie von privatem Freiheits- und öffentlichem Eingriffsinte­ resse treten das öffentliche Interesse am Schutz der Grundrechte und die grundrechtlich geschützten subjektiv-rechtlich verbürgten Schutzpflichten, die Eingriffsrechte in die Freiheitsrechte Dritter zu legitimieren geeignet sind.888 Gegenstand und Inhalte notwendiger staatlicher Daseinsvorsorge können nur im Einzelfall bestimmt werden, sie richten sich nach dem aktuellen Versorgungsbedürfnis der Bevölkerung889 und unterliegen somit dem Wan­ del der Verhältnisse. Auch die Abgrenzung der Daseinsvorsorge zur rein erwerbswirtschaftlichen Betätigung ist je nach den Bedürfnissen der Bevöl­ kerung wandelbar.890 Bereichsweise kann der Staat Leistungen selbst erbrin­ gen, sich außerhalb der Verwaltung stehender privater Unternehmen bedie­ nen oder durch regulierende Einflussnahme, Kostendeckungsbeiträge (z. B. ÖPNV), Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsbedingungen891 ein­ wirken. Er ist dabei nicht an Handlungsformen des öffentlichen Rechts gebunden, aber charakteristisch für Daseinsvorsorge ist stets ein verwal­ tungsrechtliches Element.892 Auch die Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt (§ 116 Abs. 2 GO LSA)893 legt für Betätigungen in den klassischen Daseinsvorsorgeberei­ chen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung, der Wasserversorgung, Ab­ fall­ entsorgung, Abwasserbeseitigung, Wohnungswirtschaft und des öffent­ lichen Verkehrs fest, dass diese einem öffentlichen Zweck dienen. Die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (§  91 Abs.  7 BbgKVerf)894 schließt nur die Nutzung des Gemeindevermögens vom Be­ 888  Uerpmann-Wittzack

(Fußn. 134), 133. (Fußn. 825), 20. 890  Ronellenfitsch (Fußn. 510), 51. 891  BVerfG v. 16.05.1989, 1 BvR 705 / 88, NJW 1990, 1783. 892  Heinze (Fußn. 829), 36 Fußn. 32 unter Bezug auf Forsthoff (Fußn.  823), 9 f., 20. 893  Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt (Gemeindeordnung – GO LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2009 (GVBl. LSA 2009, 383), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.11.2011 (GVBl. LSA S. 814). 894  Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) vom 18. Dezem­ ber 2007 (GVBl. I 2007 S. 286), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.05.2013 (GVBl. I Nr. 18). 889  Ronellenfitsch



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 167

griff der wirtschaftlichen Betätigung aus, zählt aber Einrichtungen der Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der Abfallbeseitigung, der Straßenreinigung und der Fernwärme zu den öffentlichen Einrichtungen, für die aus Gründen des öffentlichen Wohls durch Satzung Anschluss- und Benutzungszwang vorgeschrieben werden kann (§ 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BbgKVerf). Die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayGO)895 und die Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (§ 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 114 ThürKO)896 differenzieren nicht zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung, sondern verwenden für beide den Begriff „Unternehmen“. Aus diesem Grund haben sie als Kriterium für die Zulässigkeit der Errichtung, Übernahme oder Erweiterung von Unternehmen zusätzlich zur Schrankentrias das Erfordernis eingeführt, dass die dem Unternehmen zu übertragenden Aufgaben für die Wahrneh­ mung außerhalb der allgemeinen Verwaltung geeignet sein müssen. Dadurch werden Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises ausgeschlos­ sen897 (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayGO, § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Thür­ KO). Bei Tätigkeiten, die zur kommunalen Daseinsvorsorge gehören, wird ausdrücklich auf die Geltung der Subsidiaritätsklausel gegenüber der Privat­ wirtschaft verzichtet. Der Bayer. Verfassungsgerichtshof898 hatte im Jahr 1957 für Unterneh­ men, die Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen, den Begriff „wirtschaftli­ ches Unternehmen“ einschränkend definiert. Soweit Art. 57 BayGO, Art. 83 BV Daseinsvorsorgeaufgaben den Gemeinden zuweist und auch keine Ge­ meinnützigkeit vorliegt, seien Versorgungs- und Verkehrsunternehmen keine wirtschaftlichen Unternehmen.899 Der Begriff sei im Hinblick auf Art. 11 Abs. 2 BV verfassungskonform auszulegen, da sonst die Beschränkungen des kommunalen Wirtschaftsrechts für diese Unternehmen den Wesenskern des Selbstverwaltungsrechts beeinträchtigen würden.900 Diese Entscheidung, die kommunale Verkehrs- und Versorgungsunternehmen aus dem Begriff der wirtschaftlichen Unternehmen ausgeschlossen und damit dem originären 895  BayGO i.  d. F. der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. 1998, S. 796), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.07.2012 (GVBl. S. 366). 896  Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung – ThürKO –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 2003 (GVBl. 2003, 41), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2013 (GVBl. S. 194). 897  Vgl. Bayer Landtag, LT-Drs. 13 / 10828, S. 19. 898  Vgl. hierzu BayVerfGH v. 23.12.1957, Vf. 107-VII-56 u. a., VerfGHE BY 4, 113. 899  Steiner (Fußn. 558), 181, Fußn. 497: BayVerfGH v. 23.12.1957, Vf. 107-VII56 u. a., VerfGHE BY 4, 113. 900  Steiner (Fußn. 558), 181.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

öffentlichen Monopol zugewiesen hat, ist viel kritisiert worden, insbesonde­ re, weil aus der Daseinsvorsorge kein Verwaltungsmonopol abgeleitet wer­ den könne.901 Will man aber den Staat nicht nur zum „Lückenbüßer“ für die Aufrechterhaltung grundlegender Infrastruktur- und Versorgungsleistungen bei Marktversagen oder fehlender finanzieller Attraktivität privater Leis­ tungserbringung degradieren, wird man ihm auch unter der Geltung der Wettbewerbsregeln zumindest das „Recht des Erstzugriffs“ auf die Wahr­ nehmung derartiger Daseinsvorsorgeaufgaben zugestehen müssen. Die Unterscheidung in wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Unterneh­ men ist angesichts der unterschiedlichen Zuordnung von Aufgaben der Daseinsvorsorge durch den Gesetzgeber des einen Bundeslandes zu den nichtwirtschaftlichen „Einrichtungen“ und des anderen Bundeslandes zur „wirtschaftlichen Betätigung“ nur noch mit gesetzgeberischer Willkür zu erklären,902 zumal öffentliche Einrichtungen auch als wirtschaftliche Unter­ nehmen geführt werden können. Deshalb sollte den Beispielen Bayerns und Thüringens folgend auch in den übrigen Bundesländern diese Unterschei­ dung aufgegeben werden. Nach der hier vertretenen Auffassung zählen nicht nur Tätigkeiten der Kommune auf nicht-wirtschaftlichen Gebieten, sondern auch die wirtschaft­ liche Betätigung zur Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge für ihre Einwohner zum Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts. Damit unterliegt die wirtschaftlich und auch im Wettbewerb mit Privaten tätige Kommune kompetenziellen, grundrechtlichen und den zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks erforderlichen Bindungen staatsbezogener Publizität. Diese gelten unabhängig von den Modalitäten, in denen die Kommune ihre Aufgaben selbst oder durch ihre eigenen öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich orga­ nisierten und handelnden Verwaltungseinheiten oder durch rechtlich selbst­ ständige Unternehmen erfüllt. 2. Daseinsvorsorge bei Organisations- und Aufgabenprivatisierung Die Gemeinde kann grundsätzlich nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie ihre Selbstverwaltungsaufgaben mit Gestaltungsmitteln des öffentli­ chen Rechts oder in den Formen des Privatrechts erfüllen will.903 Der rechtliche Gestaltungsspielraum beruht bei der Daseinsvorsorge auf einer langjährigen Rechtsprechung, die dem Aufgabenträger im Bereich der Leis­ 901  Vgl. hierzu Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb – der öffentliche Verkehr zu Lande im Markt, 2000, 7 m. w. N. in Fußn. 12. 902  Steckert, Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, 1. Aufl. 2002, 97. 903  Hellermann (Fußn. 418), 142, Fußn. 33: OVG Münster v. 15.12.1994, 9 A 2251 / 93, NVwZ 1995, 1238, 1240.



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 169

tungsverwaltung einen weiten Gestaltungsspielraum und ein Auswahlermes­ sen zubilligt, in welcher Rechtsform die öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird.904 Nach der Rechtsprechung des BVerfG905 gilt dies auch für diejeni­ gen kommunalen Aufgaben der Daseinsvorsorge, die aufgrund der ge­ schichtlichen Entwicklung seit langem in Form wirtschaftlicher Betätigung wahrgenommen werden. Die von Art. 28 Abs. 2 GG und den korrespondie­ renden landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen garantierte Eigen­ verantwortlichkeit der Kommunen bei der Wahrnehmung von Selbstverwal­ tungsaufgaben umfasst nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich auch das Recht, sich für ihre Unternehmen und Einrichtungen der Organisationsfor­ men des Privatrechts zu bedienen.906 Hilfreich zur Informationsgewinnung der Entscheidungsgremien und für ein transparentes Verfahren907 bei der Auswahl der geeigneten Organisations- und Handlungsform können dabei eine Marktanalyse oder ein Markterkundungsverfahren sein, wie sie in eini­ gen Bundesländern zwingend vorgeschrieben sind.908 Entscheidet sich die Kommune für eine bloße Organisationsprivatisierung, indem sie eine Eigengesellschaft gründet und damit eine auf Dauer angelegte mitgliedschaftliche Beziehung909 zu einem rechtlich verselbstän­ digten Unternehmen eingeht, so stellt dies formal zwar nur einen Wechsel in der Rechtsform dar, in der die betreffende Aufgabe wahrgenommen wird.910 Obwohl die Aufgabenwahrnehmung durch die Eigengesellschaft im Zugriffsbereich der Kommune als Aufgabenträgerin verbleibt,911 geht mit ihr aber stets eine Informationsprivatisierung einher.912 Im Gegensatz zu einer reinen Vermögensprivatisierung, bei der die originäre Informationsge­ winnung entbehrlich wird, dient die Informationsgewinnung bei der Organi­ sationsprivatisierung weiterhin der ordnungsmäßigen Aufgabenerfüllung der Gemeinde und der Informationsvorsorge sowohl für die künftigen Tätigkei­ 904  Lämmerzahl (Fußn. 496), 105, Fußn. 63 und 64: BGH v. 26.11.1975, VIII ZR 164 / 74, BGHZ 65, 284, 287. 905  BVerfG v. 17.01.1979, 2 BvL 6 / 76, BVerfGE 50, 195, 201; BVerfG v. 12.01.1982, 2 BvR 113 / 81, BVerfGE 59, 216, 226. 906  Hellermann (Fußn. 418), 141, Fußn. 30 m. w. N. 907  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 764; vgl. OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1521; a. A. Antweiler, Öffentlich-rechtliche Unterlas­ sungsansprüche gegen kommunale Wirtschaftstätigkeit, NVwZ 2003, 1466, 1467. 908  Scharpf (Fußn. 723), 510, Fußn. 139; vgl. hierzu § 121 Abs. 6 HGO, § 107 Abs. 5 GO NRW, § 71 Abs. 1 Satz 2 ThürKO, bzw. eine Angebotseinholung und Vergleichsberechnungen (§ 91 Abs. 3 Satz 2 BbgKVerf) oder die Einholung von Stellungnahmen der Kammern (§ 68 Abs. 7 KV M-V). 909  Brüning (Fußn. 496), 288. 910  Lämmerzahl (Fußn. 496), 101, Fußn. 35: Brüning (Fußn. 496), 288. 911  Lämmerzahl (Fußn. 496), 103, Fußn. 44. 912  Stohrer (Fußn. 249), 112, Fußn. 238 m. w. N.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

ten als auch für die Bürger.913 Deshalb ist es auch bei der Aufgabenwahr­ nehmung durch eine Eigengesellschaft gerechtfertigt, von einer (materiellen) Informationsprivatisierung zu sprechen.914 Dabei stellt sich die Informationsgewinnung für die Kommune besonders schwierig dar, weil sich die Informationen auf das privatrechtlich organi­ sierte selbstständige Unternehmen verlagern, auf das die Regeln staatsinter­ nen Informationsaustauschs, wie etwa die Amtshilfe, keine Anwendung finden.915 Um seiner Gewährleistungsverantwortung gerecht zu werden, muss sich der bisherige Aufgabenträger als Ausgleich ausreichende Informa­ tions-, Beteiligungs-, Einwirkungs- und Kontrollrechte gegenüber den Un­ ternehmensorganen sichern, die jedoch an Grenzen des Gesellschaftsrechts stoßen.916 Mit der Veränderung des Informationsflusses, der nun nicht mehr rein verwaltungsintern, sondern zwischen dem Aufgabenträger und dem privatisierten selbstständigen Rechtsträger stattfindet, tritt dessen Grund­ rechtsbindung in Kraft,917 die auch für die Informationspflichten der Unter­ nehmen gegenüber dem Bürger gelten muss, um eine durch die neue Orga­ nisationsstruktur entstehende Rechtsbeeinträchtigung zu vermeiden. Weite Bereiche der Daseinsvorsorge, die früher ausschließlich in öffent­ licher Hand lagen, werden seit den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhun­ derts aus den unterschiedlichsten Gründen,918 etwa infolge einer gewandel­ ten Staatsauffassung oder durch den Einfluss des wettbewerbsgeprägten europäi­ schen Rechts auf liberalisierten Märkten, in gemeinsamer Verant­ wortung öffentlicher Trägerschaft mit privater Beteiligung919 in gemischtwirtschaft­lichen Unternehmen oder in vergleichbaren Modellen der Public Private Partnership (PPP) wahrgenommen. Mit der zunehmen­ den Beteiligung privater Investoren an öffentlichen Vorhaben entsteht da­ mit aus wirtschafts- und verwaltungswissenschaftlicher Sicht neben der klassischen Einteilung in privaten und öffentlichen Sektor ein neuer Typus, der sog. tertiäre oder Dritte Sektor.920 Auch durch die informationstechni­ 913  Stohrer

(Fußn. 249), 113. (Fußn. 249), 114, Fußn. 248 m. w. N. 915  So auch Stohrer (Fußn. 249), 112. 916  Stohrer (Fußn. 249), 113, Fußn. 242: Weisel (Fußn.  298), 228 ff. 917  Stohrer (Fußn. 249), 262. 918  Siehe hierzu Kapitel 3 Abschnitt A. I. 1. und 2. 919  Heinze (Fußn. 829), 33 ff.; kritisch: Broß, Daseinsvorsorge – Wettbewerb – Gemeinschaftsrecht, JZ 2003, 874, 878. 920  Lämmerzahl (Fußn. 496), 127, Fußn. 2: Schuppert, Zur Anatomie und Analyse des Dritten Sektors, in: Ipsen (Hg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, Private Finanzierung kommunaler Investitionen; 4. Bad Iburger Gespräche, Symposium des Instituts für Kommunalrecht der Universität Osnabrück am 15. September 1993, 1994, 17 ff. 914  Stohrer



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 171

sche Entwicklung vollzieht sich ein „Funktionswandel des Staates“, indem sich die leistungsstaatliche „Erfüllungsverantwortung“ in eine „Gewährleis­ tungsverantwortung“ transformiert, die auch als „Steuerungsverantwortung“ oder „Infrastrukturverantwortung“ beschrieben wird und eine „Verantwor­ tungsteilung“ zwischen Staat und Markt umfasst.921 Die administrativen Aufgaben in der Informationsgesellschaft, insbesondere die dominierende Rolle des Marktes, lassen die Staatsaufgaben der Eingriffsverwaltung zu­ rücktreten. Der „Vorsorgefaktor Information“ führt zu neuen Aufgaben, die den Zugang zu den Informationsmärkten und den Rahmenbedingungen des kommunikativen Verkehrs sicherstellen sollen. Dies äußert sich in der re­ gulierenden, akkreditierenden und der leistenden Verwaltung.922 Die Verän­ derungen der Verwaltungskommunikation betreffen dabei sowohl das In­ nen- wie auch das Außenverhältnis, deren Trennschärfe weiter abnehmen wird, weil schon die Meinungsbildungsvorgänge eine solche Zäsur nicht mehr hinreichend plausibel abbilden.923 Eine solche Symbiose lässt die Grenzen zwischen dem Aufgabenträger als Garanten grundrechtlicher Frei­ heitsräume der Bürger und der davon wesensverschiedenen privatautono­ men Ebene verschwimmen und kann die erforderliche Legitimation durch den Souverän gefährden.924 Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen unterliegen deshalb ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung. Sie können sich umgekehrt gegenüber Bürgern nicht auf eigene Grundrechte stützen.925 Die unmittelbare Grundrechtsbindung öffentlich beherrschter Unterneh­ men unterscheidet sich grundsätzlich von der in der Regel nur mittelbaren Grundrechtsbindung, der auch Private und Privatunternehmen – insbesonde­ re nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung und auf der Grund­ lage von staatlichen Schutzpflichten – unterworfen sind. Diese hat ihre Wurzeln nicht in der Rechenschaftspflicht des Staates gegenüber dem Bür­ ger, sondern dient dem Ausgleich bürgerlicher Freiheitsrechte untereinan­ der.926 Dies bedeutet zugleich, dass sie nicht, wie die unmittelbare Grund­ rechtsbindung, Ausfluss staatsbezogener Publizität927 ist, sondern, dass ihre 921  Vesting

(Fußn. 255), 112, Fußn. 39 m. w. N. (Fußn. 267), 425. 923  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 414. 924  In diesem Sinne auch Lämmerzahl (Fußn. 496), 128; vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel 5 Abschnitt B. 925  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226, 247. 926  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226, 249. 927  Vgl. die Begriffsdefinition in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) cc) und c) bb). 922  Schmidt-Aßmann

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Wurzeln in der autonomen Privatheit des Individuums928 und damit im Gegenbegriff zur Publizität, liegen. Betätigen sich öffentliche Unternehmen als Folge der Liberalisierung vormals monopolisierter Märkte am Wettbewerb mit der Privatwirtschaft, erfordert auch der damit einher gehende Regulierungsbedarf zur Herstellung und dauerhaften Sicherung eines lauteren und fairen Wettbewerbs929 die Statuierung von Informationspflichten sowohl gegenüber dem Unterneh­ mensträger als auch gegenüber den Bürgern, in deren Interesse die Markt­ teilnahme erfolgt. Diese Pflichten können als Liberalisierungsfolgenrecht sowohl Grund als auch Folge der Informationsgesellschaft sein, zumal ihr Gegenstand, die Information, der „Rohstoff“ der Informationsgesellschaft ist.930 Will eine Kommune Maßnahmen der Privatisierung und Deregulierung freiwilliger öffentlicher Aufgaben durchführen, indem sie sich in einem Beteiligungsunternehmen der Privatwirtschaft mit einer Stellung als Minderheitsgesellschafterin begnügt, stellt sich die Frage, wie sie bei Eingehung einer solchen Beteiligung sicherstellen kann, dass sie weiterhin über die erforderlichen Informationen verfügt, die ihr die Wahrnehmung der verblie­ benen und mit der Beteiligung weiterhin zu erfüllenden Aufgaben gestatten. Dies kann beispielsweise durch einen Konsortialvertrag zwischen den Ge­ sellschaftern oder in einer Satzungsbestimmung des Unternehmens geregelt werden. Für den Schutz der Kommunikation kann eine mittelbare Drittwir­ kung der Grundrechte davon betroffener Bürger jedoch ebenso weit reichen wie eine unmittelbare, insbesondere, wenn private Unternehmen in Funk­ tionen eintreten, die früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zu­ gewiesen waren.931 928  Siehe

hierzu Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. c) cc). hierzu im Einzelnen die Darstellung in diesem Kapitel unter B. II. 3. 930  Stohrer (Fußn. 249), 198. 931  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226, 249 f.; In einem obiter dictum wirft das BVerfG insbesondere im Hinblick auf die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit die Frage auf, ob nicht auch materiell private Unterneh­ men bei Eröffnung eines öffentlichen Verkehrs und der Schaffung von Orten der allgemeinen Kommunikation bei Aufgaben der Daseinsvorsorge einer solchen mit­ telbaren Grundrechtsbindung unterworfen sind. Schluckebier (275) weist dabei in seinem Minderheitsvotum zu Recht darauf hin, dass bei einer solchen Erstreckung mittelbarer Grundrechtsbindung auch das entgegenstehende Eigentumsrecht zu be­ achten sei. Die mittelbare Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unterneh­ men mit Minderheitsbeteiligung der öffentlichen Hand kann im Hinblick auf den gemeinsam mit Privaten verfolgten öffentlichen Zweck durchaus Bedeutung für die Durchsetzung von Gemeinwohlbelangen bei konfligierenden Gesellschafterinteres­ sen der privaten Mehrheitsgesellschafter besitzen. Siehe hierzu auch Kapitel 4 Abschnitt B. II. 2. c). 929  Siehe



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 173

Verfassungsrechtlich gründet der Informationsbedarf des Aufgabenträgers als Gewährleistungsverantwortung gegenüber dem Bürger einerseits auf dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG.932 Im Be­ reich der Daseinsvorsorge wird diese Privatisierungsfolgenpflicht anderer­ seits auch aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet.933 Obwohl es sich hierbei grundsätzlich um private Aktivitäten unter Beteiligung des Staates handelt,934 ist eine Mitwirkung der Vertreter eines Aufgabenträgers an Entscheidungen der Organe solcher Beteiligungsunternehmen durch das Volk als Souverän nur zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe durch einen die Beteiligung rechtfertigenden öffentlichen Zweck demokratisch legitimiert.935 Verzichtet eine Kommune in zulässiger Weise ganz auf eine Beteiligung an der Erfüllung einer bisher von ihr wahrgenommenen Aufgabe und über­ lässt sie diese im Sinne eines „Marktmodells“ dem wirtschaftlichen Wettbe­ werb Privater, erwachsen ihr auch hieraus Gewährleistungs- und Garanten­ pflichten dafür, dass die Aufgabe weiterhin ordnungsgemäß wahrgenommen wird.936 Dadurch entsteht eine neue Tendenz zu Publizität, die auch ein hoheitli­ ches Instrumentarium erfordert,937 mit dem die bisher selbst leistende, nun aber regulierende938 oder akkreditierende Verwaltung im Sinne eines „Privatisierungsfolgenrechts“939 mit Aufsichts- und Kontrollkompetenzen sicherzustellen hat, dass ihr die erforderlichen Informationen zur Steuerung zur Verfügung stehen. Dabei können nicht nur bestehende Informations­ pflichten Privater gegenüber dem Staat an Bedeutung zunehmen,940 sondern müssen erforderlichenfalls auch Informationspflichten neu geschaffen wer­ den.941 Inwieweit hierfür das bestehende rechtliche Instrumentarium aus­ reicht, ist noch gesondert zu untersuchen. Die Beschaffung der notwendigen Informationen und die Informationsvorsorge dienen auch – als spezielle Ausprägung der Daseinsvorsorge – der Versorgung der Allgemeinheit mit 932  Stohrer

(Fußn. 249), 250, Fußn. 3 m. w. N. (Fußn. 496), 180, Fußn. 240 m. w. N. 934  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226, 247. 935  BVerfG v. 15.02.1978, 2 BvR 134 / 76 u. a., BVerfGE 47, 253, 275. 936  Stohrer (Fußn. 249), 114, Fußn. 247 m. w. N. 937  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 431. 938  Vgl. hierzu die Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt C. V. zur Ausgestaltung der Befugnisse der Aufgabenträger des ÖPNV. 939  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 427. 940  Stohrer (Fußn. 249), 119, Fußn. 272: Gusy, Duale Sicherheitsverantwortung, in: Schuppert (Hg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, 115 ff., 132. 941  Stohrer (Fußn. 249), 119. 933  Lämmerzahl

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Informationen.942 Bei diesen Erscheinungsformen des Informationsfolgen­ rechts943 handelt es sich um die juristischen Konsequenzen einer Privatisie­ rung für die Rolle des Staates, den Aufgabenbestand der öffentlichen Hand und die Grundrechtslage,944 denn Privatisierung darf nicht zu einem Rechts­ verlust für die Bürger führen.945 Die leistende Verwaltung muss insoweit eigene Ressourcen als Kompetenzreserven vorhalten.946 Der auf die eigene Aufgabenwahrnehmung verzichtende Staat hat, etwa bei einer Veräußerung seines Wohnungsbestandes an einen Privaten, durch eigene Gewährleistung oder gleichwertige Verpflichtungen des Erwerbers im Kaufvertrag dafür zu sorgen, dass eine vorgegebene öffentliche Zielsetzung zugunsten der Mieter erhalten bleibt.947 Schließlich kann sich bei einem „Marktversagen“ der Privatwirtschaft die Verpflichtung zu effizienter Daseinsvorsorge aus dem zugrunde liegenden Sozialstaatsprinzip948 zu eine Garantenstellung949 ver­ dichten, die die öffentliche Hand notfalls dazu verpflichtet, eine bestimmte Aufgabe wieder an sich zu ziehen950 und dadurch eine Republifizierungs­ pflicht auslösen. 3. Zwischenergebnis zur Publizität kommunaler Daseinsvorsorge Eine Beteiligung privater Wirtschaftsteilnehmer an der Erfüllung oder Wahrnehmung kommunaler Daseinsvorsorgeaufgaben verändert die G ­ renzen zwischen der vom Volk als Souverän abgeleiteten Publizität und autonomer Privatheit. Sie besitzt auch Auswirkungen auf kommunale Unternehmen durch Einflüsse gesellschaftlicher Publizität, etwa durch die Mitbestim­ mung gewerkschaftlicher Arbeitnehmerorganisationen in gemischt-wirt­ schaftlichen Unternehmen oder beim Zugang der Medien zu Unterneh­ mensinformationen. Gestaltungsaufgabe des kommunalen Unternehmensrechts ist es, daraus entstehende „Grenzkonflikte“ nach Möglichkeit zu vermeiden und deren 942  Stohrer

(Fußn. 249), 389. (Fußn. 265), 358. 944  Stohrer (Fußn. 249), 120 Fußn. 273 m. w. N. 945  Däubler (Fußn. 529), 59, Fußn. 51: Tiemann, Privatisierung öffentlicher Ver­ waltungstätigkeit, BayVBl 1976, 261, 261 ff. 946  Schmidt-Aßmann (Fußn. 267), 432. 947  Däubler (Fußn. 529), 59, Fußn. 52: Steiner (Fußn.  527), 281 ff. 948  Siehe hierzu auch Scharpf (Fußn.  723), 503 f. 949  Tiemann, Verfassungsrechtliche und finanzwirtschaftliche Aspekte der Ent­ staatlichung öffentlicher Leistungen, Der Staat 16, 171, 186. 950  Steiner (Fußn.  527), 284 f. 943  Voßkuhle



A. Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung 175

negative Auswirkungen auf die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zu unterbinden oder wenigstens zu minimieren. Die Konfliktträchtigkeit einer Liaison mit Privaten liegt darin, dass der Privatwirtschaft eine Entscheidungsbefugnis des Volkes als Ganzem fehlt, weil sich ihre Legitimation nicht vom Volk als Souverän ableitet, sondern in der Autonomie der Privatheit mit der Gewährleistung des Eigentums, dem Recht auf freie Berufswahl und Berufsausübung sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurzelt. Die Gefahr unzulässiger Über­ griffe auf fremdes Territorium besteht dabei sowohl für die Kommune als auch für private Teilhaber, allerdings mit unterschiedlichen Folgen für den jeweiligen Grenzgänger: Während der Private mit der Eingehung einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung mit einem öffentlichen Aufgabenträger freiwillig auf die unein­ geschränkte Wahrnehmung seiner (fortbestehenden) Freiheitsrechte um der Erfüllung eines gemeinsamen öffentlichen Gesellschaftszwecks willen ver­ zichtet, gestattet die Beteiligung eines Privaten der Kommune nicht, ihrer­ seits zu dessen Gunsten auf Anforderungen zu verzichten, die zur Erfüllung des öffentlichen Zwecks durch den Souverän geboten sind. Auch privaten Gesellschaftern können mit einer solchen Beteiligung Pflichten zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks aus der gesellschaftsrecht­ lichen Treuepflicht erwachsen, wie im Einzelnen noch darzustellen sein wird. Auch für die Kommunen als kompetenzgebundenen Aufgabenträgern entstehen mit einer Beteiligung Privater an kommunalen Unternehmen und ebenso bei Minderheitsbeteiligungen an privaten Unternehmen neben der Sicherstellung der öffentlichen Zweckerfüllung und den grundrechtlichen Bindungen jeder staatlichen Betätigung gegenüber den Bürgern zusätzlich gesellschaftsrechtliche Rücksichtnahme-, Schutz- und Treuepflichten gegen­ über den privaten Gesellschaftern. Umfang und Reichweite der Einwirkungs- und Kontrollpflichten der kommunalen Aufgabenträger hängen dabei von der Art der Aufgabe ab, die mit dem Unternehmen wahrgenommen wird. Daseinsvorsorgeaufgaben, die zum Kern des Selbstverwaltungsrechts zählen und sich auf das Sozialstaats­ prinzip gründen, erfordern regelmäßig ein gesteigertes Maß an kommunaler Unternehmenssteuerung, ggf. sogar einen uneingeschränkt beherrschenden Einfluss als bei Aufgaben, die durch landesgesetzliche Ermächtigung im Randbereich wirtschaftlicher Betätigung, bei erwerbswirtschaftlichen An­ nexkompetenzen oder auf Auslandsmärkten gestattet sind. Das Ausmaß hat sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu richten, der damit auch die Grenzen bestimmt, die Private im Rahmen von Beteiligungen an kom­ munalen Unternehmen bei der Verfolgung ihrer eigenen unternehmerischen Ziele zu beachten haben. Ob als Gegengewicht zu einer zulässigerweise

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

„ausgedünnten“ Legitimation zwischen der Kommune und deren Unterneh­ men oder Beteiligungen ein „verstärktes“ Legitimationsniveau zwischen dem Bürger und den von ihm gewählten Organen der Volksvertretung erfor­ derlich ist, wird in Kapitel 5 näher untersucht.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen I. Wirtschaftliche Betätigung und kommunale Unternehmen 1. Historische Grundlagen und landesrechtliche Varianten der Schrankentrias Die kommunalwirtschaftliche Schrankentrias als zentrale Abgrenzung von Kommunalwirtschaft und Privatwirtschaft geht auf das fortwirkende Vorbild des § 67 Abs. 1 der Deutschen Gemeindeordnung (DGO) vom 30.01.1935951 zurück. Da auch in der Weimarer Republik die Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht als Teil der Binnenorganisation Angelegenheit der Länder952 war, bedeutete die DGO als einheitliche Reichsregelung mit Aus­ nahme von Berlin953 und den damaligen Stadtstaaten Hamburg, Lübeck und Bremen (bis 1937)954 einen Bruch mit dieser Tradition.955 Die Regelung wurde als historischer Rückschlag für die Gemeindewirt­ schaft empfunden,956 die sich in der Weimarer Zeit infolge der Veränderung der finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Erzbergersche Finanzreform957 um einen Ausgleich für Deckungslücken in den kommuna­ len Haushalten bemühen musste. Dafür wurden lukrative neue Geschäftsfel­ der zur Einnahmeerzielung gesucht und erschlossen, wie etwa der Handel mit Elektrogeräten oder das Anschlags- und Reklamewesen. Diese Aktivitä­ 951  RGBl

I S. 49.

952  Mann / Elvers

(Fußn. 643), 171, Fußn. 5: BVerfG v. 18.07.1967, 2 BvF 3 / 62, 2 BvR 139 / 62 u. a., BVerfGE 22, 180, 210. 953  RGBl I S. 957. 954  RGBl I S. 1327. 955  Mann / Elvers (Fußn. 643), 171. 956  Uechtritz / Otting / Olgemöller, § 6 Kommunalrechtliche Voraussetzungen für die wirtschaftliche Betätigung, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 63, 69, Fußn. 11: Berg, Die wirtschaftliche Betätigung von Kom­ munen – kommunale Selbstverwaltung und Wettbewerb, WiVerw 2000, 141, 144. 957  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 68, Fußn. 3: Die Erzbergersche Fi­ nanzreform beseitigte das gemeindliche Zuschlagsrecht auf die Einkommensteuer und ersetzte sie durch einen Anteil an der Reichseinkommensteuer, der kommunaler Autonomie entzogen war.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 177

ten wurden damals von den Spitzenverbänden des Handels, der Banken und der Industrie sogar als „kalte Sozialisierung“ bezeichnet.958 Der Begriff der wirtschaftlichen Betätigung bzw. des gemeindlichen Un­ ternehmens und die Beschränkungen kommunaler Wirtschaftstätigkeit orien­ tieren sich heute zwar am Vorbild des § 67 Abs. 1 Satz 1 DGO, haben aber in den jeweiligen Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungen unter­ schiedliche Ausprägungen erfahren. Wirtschaftliche Unternehmen sollen durch ihre Teilnahme am Wirtschafts­ verkehr Gewinne erzielen. Zum Begriff des wirtschaftlichen Unternehmens sind bis heute die Eigenbetriebsverordnung959 und die Vorläufige Ausfüh­ rungsanweisung zu § 67 Abs. 2 DGO960 aktuell. Als wirtschaftliche Betäti­ gung ist der Betrieb von Unternehmen, gemeindlichen Einrichtungen und Anlagen961 zu verstehen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzie­ lung erbracht werden könnte.962 Während bei hoheitlicher Tätigkeit eine Einordnung als wirtschaftliches Unternehmen ausscheidet,963 fällt unter dem weiten Dach der Daseinsvorsorge der bedeutendste Teil der kommunalen Leistungsverwaltung einschließlich der Daseinsvorsorgeeinrichtungen964 in den Kontext der Kommunalwirtschaft.965 Unter der Regie der Europäischen Rechtsetzung sind vor allem die Ener­ gie- und Wasserversorgung sowie die Abfallentsorgung bis hin zu Verkehrs-, Telekommunikations- und Finanzdienstleistungen Gegenstand wirtschafts­ politischer Liberalisierung geworden. Das einschlägige Rechtsregime findet sich im jeweiligen nationalen Bereich der Mitgliedstaaten, aber auch im primären und sekundären Recht der Europäischen Union.966 958  Uechtritz / Otting / Olgemöller

(Fußn. 956), 68, Fußn. 6 m. w. N. vom 21.11.1938 (RGBl. I S. 1650). 960  Vgl. Ausführungsanweisung zu § 67 DGO: Runderlass des Reichs- und Preußi­ schen Ministers des Innern vom 22.03.1935 (RMBl. S. 475): „Einrichtungen und Anlagen, die auch von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Gewinnerzie­ lung betrieben werden können.“ Siehe auch die Legaldefinition in § 107 Abs. 1 Satz 3 GO NRW; ähnlich: § 91 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf. 961  Steiner (Fußn. 558), 181, Fußn. 492: BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 333; Hidien, Gemeindliche Betätigungen rein erwerbswirt­ schaftlicher Art und öffentlicher Zweck kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen 1981, 39 ff. 962  BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 333. 963  Steiner (Fußn. 558), 181. 964  Steiner (Fußn. 558), 181, Fußn. 494: Schoch (Fußn. 536), 379. 965  Vgl. auch Nierhaus (Fußn.  723), 37 f. 966  Siehe hierzu im einzelnen unten C. I. 2. und 3. 959  Eigenbetriebsverordnung

178

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Für die Ausgestaltung der wirtschaftlichen Betätigung stehen den Ge­ meinden traditionell grundsätzlich alle Formtypen des öffentlichen und des privaten Rechts zur Verfügung.967 Die Ursache für das Auseinanderdriften der bisher an § 67 DGO orien­ tierten Regelungen wird in der Tatsache gesehen, dass wirtschaftliche Betä­ tigung mehr und mehr Gegenstand eines politisch-ideologischen Streits ge­ worden ist, der durch die angespannte finanzielle Situation vieler kommu­ naler Haushalte, durch den Liberalisierungsschub in zentralen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge auch über die Gemeindegrenzen hinaus968 befeuert worden ist und inzwischen wieder zu Rekommunalisierungstenden­ zen liberalisierter und privatisierter Tätigkeiten führt.969 Die Tendenz zu restriktiverer Handhabung der Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung innerhalb des Gemeindegebiets wird allerdings flankiert von einer auf Chan­ cengleichheit im Wettbewerb mit Privaten zielenden großzügigeren Haltung auf den liberalisierten Märkten außerhalb des Gemeindegebiets.970 Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen dürfte inzwischen der rechtspolitisch wie rechtsdogmatisch am stärksten umstrittene Regelungsbe­ reich des Kommunalrechts überhaupt sein. Die Zahl der einschlägigen Pu­ blikationen ist unüberschaubar. Das Thema ist stark symbolisch aufgeladen („Privat vor Staat“971). Die rechtspolitische Auseinandersetzung wird vor allem mit Bezug auf solche Tätigkeitsfelder geführt, auf denen es wie bei der Versorgung mit Strom, Gas und Wasser oder bei der Abfallentsorgung um lukrative Märkte geht. Von kommunaler Seite soll Marktversagen korri­ giert oder vorgebeugt werden, indem Leistungen erbracht werden, die Pri­ vate nicht oder nur zu ungünstigen Bedingungen anbieten. Die Erträge aus der wirtschaftlichen Betätigung sollen die stets knappen Finanzen aufbes­ sern. Die private Wirtschaft wehrt sich gegen die Konkurrenz der Kommu­ nen, die wegen der auch von den privaten Wettbewerbern gezahlten Steuern nicht um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten müsse. Der staatliche Ge­ setzgeber sorgt sich darum, dass Verluste aus der stets mit Risiken behafte­ ten Wirtschaftstätigkeit im Wettbewerb auf die sonstige Tätigkeit der Kom­ munen durchschlagen könnten. In der rechtspolitischen Auseinandersetzung geht es letztlich darum, ob bei den Kommunen die in der Geschichte lange 967  Ronellenfitsch (Fußn. 510), 54 und Westermann / Cronauge (Fußn. 411), pas­ sim; vgl. hierzu unten Kapitel 3 Abschnitt B. I. 1. 968  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 70. 969  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 71, Fußn. 17: Deutscher Bundestag, Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 2009 / 2010 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet, 20.07.2011, 15. 970  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956). 971  Oebbecke (Fußn. 768), 60 m. w. N. in Fußn. 2.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 179

Zeit dominierende oder wenigstens sehr verbreitete Finanzierung des Staa­ tes aus eigenwirtschaftlicher Tätigkeit noch ein Stück erhalten bleibt oder ob sich insoweit das Leitbild des „Steuerstaates“ durchsetzt. Dabei werden die weiten Regelungsspielräume der Länder weder durch Verfassungsrecht noch durch das Recht der Europäischen Union972 in relevantem Umfang eingeschränkt, da der Berechtigung der Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben auch durch Beteiligung am Marktgeschehen nur aus Gründen des Gemeinwohls oder bei Verstößen gegen das Übermaßver­ bot Grenzen gesetzt sind.973 Gesetzliche Einschränkungen der wirtschaftli­ chen Betätigungsfreiheit bedürfen der Rechtfertigung durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls auch auf liberalisierten Märkten, wie etwa der Versorgung mit Energie, für die ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten von Freiheit und Eigentum des Einzelnen besteht.974 Auch wenn die Gemeindeordnungen den Nachweis eines öffentlichen Interesses oder öffentlichen Zwecks zur Voraussetzung gemeindlicher Da­ seinsvorsorge machen975, wirken sich Grundrechte und Gesetzesvorbehalt zugunsten Privater damit nur aus, wenn schwere, unerträgliche, unverhält­ nismäßige oder willkürliche Beeinträchtigungen privater Unternehmen ab­ zuwehren sind.976 Die Ausrichtung auf einen „öffentlichen Zweck“ hat für den wirtschaft­ lichen Bereich eine mehrfache Bedeutung: Sie schützt die Privatwirtschaft vor ungezügelter wirtschaftlicher Expansion der Verwaltung. Sie bewahrt die öffentliche Hand vor unnötigen Risiken in Verkennung ihrer Aufgaben­ stellung und sie wirkt sich auf das Verhältnis zu den Nachfragern staatlicher Leistungen aus.977 Als Ansatzpunkt für eine Begrenzung der exekutiven Wirtschaftstätigkeit kommen deshalb ein Konkurrentenschutz der Privat­ wirtschaft, ein Schutz der öffentlichen Hand vor sich selbst und der Schutz der Nachfrager von Leistungen in Betracht.978

972  Siehe

hierzu unten Abschnitt C. I. 3. d). (Fußn.  768), 60 f. 974  Schmidt (Fußn. 855), 227. 975  Heinze (Fußn. 829), 36, vgl. auch BVerfG v. 10.12.1974, 2 BvK 1 / 73, BVerfGE 38, 258. 976  Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht 1991, 358 ff., 375 ff., 507 ff., 563 ff. 977  Ehlers (Fußn. 633), 97, Fußn. 124 und 125 m. w. N. 978  Ehlers (Fußn. 633), 98 und Fußn. 126. 973  Oebbecke

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

2. Öffentlicher Zweck als Abgrenzungs- und Steuerungselement Eine rechtswissenschaftlich-dogmatische Grundlegung des Begriffs „öf­ fentlicher Zweck“ scheint angesichts der vielstimmigen und unklaren Ergeb­ nisse der vergangenen Versuche offensichtlich nicht möglich.979 Die maßgebliche Eigenschaft des unbestimmten Gesetzesbegriffs „öffent­ licher Zweck“ ist seine „Vagheit“ und „Porosität“, d. h. seine Wandelbarkeit und Zukunftsoffenheit“ und seine „Mehrdeutigkeit“ je nach dem Kontext, in dem er steht.980 Die Mehrzahl der Autoren geht jedoch davon aus, dass der Begriff positiv und negativ abgrenzbar ist.981 Angesichts der zentralen Bedeutung, die ihm für die Abgrenzung publizistischer von privater wirt­ schaftlicher Betätigung zukommt, scheint der Begriff „öffentlicher Zweck“ tatsächlich einer präzisen Definition nicht in ausreichendem Maße zugäng­ lich zu sein. Die Tragweite, die dieser Begriff enthält, macht es jedoch er­ forderlich, ihm durch inhaltliche Anknüpfungspunkte schärfere Konturen zu verleihen, um ihn für die Praxis handhabbar zu machen.982 Dabei ist das Wort „Zweck“ abstrakt und isoliert betrachtet wenig aussagekräftig. „Zweck“ wird als nahezu deckungsgleich mit den Begriffen Ziel, Sinn, Verwendung und Nutzen gebraucht.983 Sinnhaft wird es, wie auch der Begriff des „Inte­ resses“, erst in einer Zuordnung zu einem Subjekt unter gleichzeitiger Be­ ziehung auf ein Objekt.984 Unter dem „Zweck“ des Verwaltungshandels versteht man nur das rechtfertigende Element der Verwaltungsbetätigung.985 Aufgaben sind nach diesem Verständnis Modalitäten des Zwecks. Sie sind auf bestimmte, operationalisierbare Ziele ausgerichtet.986 Jedes Handeln der Verwaltung bedarf einer kompetenziellen „Recht“fertigung987, denn die Berufung auf die Privatautonomie bleibt der Verwaltung versagt.988 Sie kann sich deshalb auch des Privatrechts nur als 979  Scharpf (Fußn. 723), 487, Fußn. 8: Fleiner, Institutionen des deutschen Ver­ waltungsrechts 1911, nach Hidien (Fußn. 961), 65; Emmerich, Der unlautere Wett­ bewerb der öffentlichen Hand 1969, 19. 980  Hidien (Fußn. 961), 93. 981  Hidien (Fußn. 961), 70 m.  w. N. in Fußn. 102 und 103; so auch Scharpf (Fußn.  723), 489 ff. 982  Scharpf (Fußn. 723), 488, Fußn. 9: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht 1996, 507. 983  Hidien (Fußn.  961), 140 f. 984  Martens (Fußn. 4), 173. 985  Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz 2. Aufl. 1977, 43 ff. 986  Ehlers (Fußn. 633), 87, Fußn. 66. 987  Ehlers (Fußn. 633), 87, Fußn. 65; vgl. auch Art. 3 Satz 2 BV. 988  Ehlers (Fußn. 633), 88, Fußn. 71 m. w. N.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 181

eines „technischen Normenkomplexes“ bedienen.989 Als denkbarer Rechtfer­ tigungsgrund kommt nur ein „öffentlicher Zweck“ in Betracht.990 Die Aus­ wahl und nähere Konturierung des verfolgten öffentlichen Zwecks ist auch für die noch zu erörternde Subsidiaritätsprüfung von Bedeutung, weil sie weitgehend den Maßstab für die Feststellung vorgibt, ob die Aufgabenwahr­ nehmung durch die Kommune im Vergleich mit der Privatwirtschaft ebenso gut oder besser ist.991 Je schwerer der Markteingriff ist, desto gewichtiger muss der verfolgte öffentliche Zweck sein.992 Die Scheidung von Staat und Gesellschaft in der deutschen Staatslehre993, die ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert hatte, ist für den demokratischen Staat teilweise als überholt angesehen worden,994 doch wird daran auch heute überwiegend festgehalten,995 wenn auch mit verändertem Gehalt. Es geht darum, dem einzelnen Individuum einen Raum freiheitlicher Lebens­ gestaltung gegenüber dem von der Allgemeinheit der Bürger getragenen Staat zu erhalten.996 Staat und Gesellschaft stehen damit nicht beziehungslos nebeneinander, sondern werden im Wesentlichen durch das Staatsvolk, im Bereich der Gemeinde durch deren „Teilvolk“ konstituiert, während die inländische Wohnbevölkerung fremder Staatsangehörigkeit der Gesellschaft, grundsätzlich aber nicht dem Staatsvolk angehört. Auch sachlich sind Staats- und Gesellschaftssphäre verknüpft, weil staat­ liche Tätigkeit in den gesellschaftlichen Bereich hineinwirkt. Komplexe Freiheitsbetätigung ist ohne staatliche Rechtsordnung, wie etwa die rechtli­ che Infrastruktur des Zivilrechts, also staatliches Recht, nicht möglich.997 Das Zivilrecht stellt die „Gesellschaftsverfassung“ dar,998 der sich auch der Staat bei wirtschaftlicher Betätigung in den privatrechtlichen Organisations­ formen seiner Unternehmen bedient. Mit der Dichotomie von Staat und Gesellschaft wird damit weniger die Gesellschaft als Verband vom Staat abgegrenzt, als vielmehr das Verhältnis des Einzelnen als selbstverantwort­ 989  Püttner,

Die öffentlichen Unternehmen 1969, 368. (Fußn. 633), 87, Fußn. 67 m. w. N., h. M. 991  Oebbecke (Fußn. 768), 69. 992  OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1523. 993  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 58, Fußn. 2: Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht 1967, 149 f.; Herzog, Allgemeine Staatslehre 1971, 39. 994  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 59, Fußn. 8 m. w. N. 995  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 59, Fußn. 9: grundlegend Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit 1973, 173 f. 996  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 59. 997  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 60. 998  Herzog, in: Maunz / Dürig (Hg.), GG-Kommentar November 2006, Art. 20 I, Rdnr. 46. 990  Ehlers

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

liches Individuum mit Eigenständigkeit gegenüber dem Staat beschrieben.999 Der Staat, der in dessen Freiheit eingreift, muss sich dafür rechtfertigen; Eingriffe sind nur zulässig, soweit sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erfor­ derlich sind.1000 Für die Definition des „öffentlichen“ Zwecks kommt es deshalb darauf an, dass hierbei alle Zwecke auszuscheiden haben, die der grundrechtlich vor Eingriffen des Staates geschützten Sphäre des Einzelnen zuzuordnen sind. Der Begriff des öffentlichen Zwecks ist damit grundsätzlich geeignet, den Begriff der Publizität staatlichen Handelns zu umschreiben und ihn vom Gegenbegriff der „Privatheit“ zu scheiden. a) Positive Bestimmung des öffentlichen Zwecks als „Wertbegriff“ Im Fokus der Untersuchung steht zunächst eine vergleichende Betrach­ tung des öffentlichen Zwecks mit ähnlichen Begriffsinhalten. Wie bereits dargestellt,1001 bildet der Begriff „öffentliches Interesse“ den Prototyp für gleichsinnige oder sinnverwandte Begriffe wie „öffentliches Wohl“ oder auch „öffentlicher Zweck“. Als Ergebnis seiner sprachgeschichtlichen Ent­ wicklung ist das Wort „öffentlich“ in diesem Zusammenhang als Synonym für „gemein“ Ausdruck einer auf den Staat oder andere öffentliche Rechts­ subjekte bezogenen Publizität.1002 Erst im Zusammenhang mit den ohne diese Attribute inhaltsleeren und nichtssagenden1003 Begriffen „Interesse“ oder „Zweck“ werden diese zu „Wertbegriffen“1004 mit der Folge, dass sie aber weder messbar noch in ihrem Bestand und Rangverhältnis schlüssig beweisbar sind. Zu relativen, hypothetischen Urteilen kann man deshalb nur gelangen, wenn man zuvor das damit verfolgte Ziel und den Zweck der Regelung anerkennt.1005 Entscheidend für den Begriffsinhalt des „öffentli­ chen Zwecks“ sind neben seiner Zuordnung zum Kernbereich des kommu­ nalen Selbstverwaltungsrechts der mit der jeweiligen Regelung durch den Landesgesetzgeber zur Zulässigkeit kommunaler wirtschaftlicher Betätigung verfolgte Zweck und der Kontext, in dem der Begriff für die Erfüllung öf­ fentlicher Aufgaben verwendet wird. 999  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 60, Fußn. 17: Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 154 f. 1000  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 60, Fußn. 18: Böckenförde (Fußn. 995), 17 f., 32. 1001  Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) bb) (5). 1002  Siehe oben Fußn. 91. 1003  Vgl. Fußn. 139. 1004  Martens (Fußn. 4), 170. 1005  Nachweise hierzu oben Fußn. 144.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 183

Der Begriff des „öffentlichen Zwecks“ besitzt entscheidende Bedeutung als rechtliches Steuerungsinstrument für die Zulässigkeit kommunaler Un­ ternehmen: Inhaltlich umschreibt der „öffentliche Zweck“ zunächst den von der Ga­ rantie der kommunalen Selbstverwaltung geschützten Aufgabenbereich, der auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge in einem historisch gewachsenen Auf­ gabenumfang1006 auch die Möglichkeit wirtschaftlicher Betätigung der Ge­ meinde als vom Kernbereich des Art. 28 Abs. 2 GG umfasst ansieht.1007 Zuweilen wurde der öffentliche Zweck deshalb mit dem Begriff der „Da­ seinsvorsorge“ identifiziert. Das trifft insofern zu als in den klassischen Bereichen der Daseinsvorsorge ein öffentlicher Zweck regelmäßig zu beja­ hen sein wird. Der Inhalt geht aber darüber hinaus.1008 Soweit der öffent­ liche Zweck eine im „öffentlichen Interesse“ gebotene Versorgung der Einwohner zum Ziel habe,1009 wird eingewendet, es werde dadurch nur ein unbestimmter Terminus durch einen anderen ersetzt.1010 Zumindest eine „Gemeinwohlorientierung“ der Tätigkeit zur Befriedigung der Bedürfnisse der Gemeindeeinwohner ist erforderlich.1011 Unstreitig muss darüber hinaus auch ein „örtliches Bedürfnis“ bestehen.1012 Positiv formuliert dient ein kommunales Unternehmen einem öffentlichen Zweck, wenn die Gemeinde in ihrem sachlichen und räumlichen Aufgaben­ bereich gemeinwohlorientierte, im Interesse der Einwohner liegende (einwohnernützige) Zielsetzungen verfolgt.1013 Der öffentliche Zweck ist also gemeindebezogen und gemeinwohlorientiert zu bestimmen.1014 Da kommu­ nale Unternehmen nur eine besondere Form öffentlicher Einrichtungen sind,1015 folgt daraus, dass sie dazu dienen müssen, die für die Einwohner 1006  Siehe

oben Fußn. 679. (Fußn. 723), 47, Fußn. 70: Scharpf (Fußn. 723), 2; BVerfG v. 07.05.2001, 2 BvK 1 / 00, BVerfGE 103, 332, 366 für die kommunale Planungs­ hoheit. 1008  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 93, Fußn. 138 m. w. N. 1009  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 157, 252 f. 1010  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 93. 1011  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 93; vgl. zur verfassungsrechtlichen Bestimmung von Gemeinwohlbelangen Schuppert (Fußn. 7), 446. 1012  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 94, Fußn. 146: Badura, Wirtschaft­ liche Betätigung der Gemeinde zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze, DÖV 1998, 818, 822. 1013  Hösch (Fußn. 778), 2, Fußn. 22: Moraing, Kommunale Wirtschaft in einem wettbewerblichen Umfeld, Städtetag 1998, 523, 524. 1014  Schulz, Anmerkungen zur Tätigkeit gemeindlicher Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets, BayVBl 1998, 449, 451. 1015  Siehe oben Fußn. 872. 1007  Nierhaus

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

einer Kommune erforderlichen wirtschaftlichen Leistungen bereitzustellen. Nur soweit ein solches Bedürfnis nachgewiesen werden kann, ist eine kom­ munale wirtschaftliche Betätigung gerechtfertigt.1016 Die Formulierung des Reichsgerichts,1017 „Öffentlichen Zwecken dient, was die Interessen der Allgemeinheit befriedigt.“, ist demgegenüber zu weit gefasst. Öffentlichkeit als Träger oder Destinatär von Zwecken meint im allgemeinen Sprachgebrauch in erster Linie eine unbestimmte Mehrheit von Personen, das Publikum.1018 Die Personenmehrheit, auf die sich dieser Be­ griff bezieht, ist begrifflich beliebig weit und darf insbesondere nicht mit dem Volk im Sinne der Gesamtheit der Staatsangehörigen gleichgesetzt werden.1019 Aus der Struktur des Zweckbegriffs folgt, dass nur der einzelne Mensch Zwecke verfolgen und Zweckvorstellungen haben kann, denn Zwe­ cke sind immer von einem auf ihre Verwirklichung gerichteten psychologi­ schen Interesse abhängig.1020 Danach gibt es nur menschliche Interessen, deren Träger die Individuen sind. „Die ‚eigenen‘ Interessen und Zwecke des Staates sowie aller sonstigen Verbände müssen daher stets auf Interessen und Zwecke von Menschen zurückgeführt werden, die unter jenem Namen geltend gemacht und verfolgt werden“.1021 Der Gedanke, dass sich einzelne Interessen nicht zum öffentlichen Inte­ resse summieren lassen, findet sich nicht nur im Schrifttum,1022 sondern auch in der Rechtsprechung.1023 Seinen klassischen Ausdruck hat er in Rousseaus Lehre von der „volonté général“ gefunden, die er von der „vo­ lonté de tous“ abgrenzt:1024 Der Wille aller ist nur die Summe der Privatin­ teressen aller, der allgemeine Wille hat das gemeinsame Interesse im Blick. Er ist damit nicht nur ein engerer Begriff als der Wille aller, auch weil die

1016  Kluth

(Fußn. 872), 33. v. 10.12.1896, 3777 / 96, RGSt 29, 244 ff. und RG v. 15.04.1901, 888 / 01, RGSt 34, 249, jeweils im Zusammenhang mit dem Betrieb einer öffentlichen Fern­ sprechanlage. 1018  Hidien (Fußn. 961), 153. 1019  Martens (Fußn. 4), 177, Fußn. 41 m. w. N. 1020  Hidien (Fußn. 961), 154, Fußn. 104 unter Bezugnahme auf Wolff, Organ­ schaft und juristische Person, Bd. 1, 1933, 38. 1021  Martens (Fußn. 4), 182 m. w. N. in Fußn. 68. 1022  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 35, Fußn. 92: Jellinek, System der subjekti­ ven öffentlichen Rechte 2. Aufl. 1919, 68. 1023  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 35, Fußn. 93: VGH Mannheim v. 09.10.1989, 10 S 1073 / 89, DVBl 1990, 60, 61; BayVGH v. 11.06.1975, 4 IX 74, DVBl 1975, 665, 669. 1024  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 35, Fußn. 94: Rousseau, Du contrat social, ou, Principes du droit politique 1775, Kap. II, 3. 1017  RG

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 185

Extrempositionen auszublenden sind, sondern die Begriffe liegen auch „auf verschiedenen Ebenen“1025 und sind damit unvergleichbar.1026 In einem demokratischen Gemeinwesen, das auf der Volkssouveränität beruht, ist der Staat nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Dienst an seinen Bürgern. Damit ist das öffentliche Interesse im Gegensatz zu seinem frühe­ ren etatistischen Gehalt nicht mehr ein von den Bürgern losgelöstes staat­ liches Interesse.1027 Der Staat ist bloßer Interessenwalter eines Gesamtinte­ resses der in ihm wohnenden Allgemeinheit.1028 Als „Staatszwecke“ in Be­ tracht kommen deshalb nur „diejenigen menschlichen Zwecke, deren Errei­ chung mit Hilfe der staatlichen Organisation und der Macht ihrer Träger erstrebt wird“.1029 Diese Zwecke entsprechen aber tatsächlich nicht immer öffentlichen Interessen. „Nicht jedes öffentliche Interesse wird zum Staats­ zweck, und es liegt auch nicht alles im öffentlichen Interesse, was der Staat bezweckt.“1030 Die Gleichsetzung von „Staatszweck“ und „öffentlichem Interesse“ ist auch unter juristischen Aspekten unrichtig. Wessen Interessen in einem politischen Gemeinwesen von Rechts wegen zu verfolgen sind, hängt nämlich davon ab, wem die von den Organwaltern ausgeübte Staats­ gewalt ihrer Substanz nach zusteht,1031 nämlich dem Wähler als Souverän. Subjekt des „öffentlichen“ Zwecks im Sinne der Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist nicht die Gesamtheit aller Staatsangehörigen, sondern der Kreis der Personen, denen der „öffentliche Zweck“ kommunaler wirtschaftlicher Betätigung zu Gute kommen soll. Dieser beschränkt sich primär1032 auf die jeweilige Einwohnerschaft der konkreten Gemeinde1033 als „Teilvolk“ im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG. „Öffentlichkeit“ meint dabei die jeweilige örtliche Gemein­ schaft, so dass kommunalwirtschaftliche Betätigung ohne Gebietsbezug aus der Garantie kommunaler Selbstverwaltung nicht zu rechtfertigen ist. Das

1025  Druey, Interessenabwägung – eine Methode?, Beiträge zur Methode des Rechts: St. Galler Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1981, 131, 132 f. 1026  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 35 f. und Fußn. 90: Leisner, „Privatisierung“ des Öffentlichen Rechts 2007, 82 ff. 1027  Häberle (Fußn. 134), 22 ff. und passim. 1028  Hidien (Fußn. 961), 155 m. w. N. in Fußn. 113. 1029  Martens (Fußn. 4), 183, Fußn. 69: Wolff, Organschaft und juristische Person 1933 und 1934, I, 469. 1030  Martens (Fußn. 4), 183, Fußn. 70 nach Merkl, Staatszweck und öffentliches Interesse, VerwArch 27 (1919), 268, 274. 1031  Martens (Fußn. 4), 183, m. w. N. in Fußn. 72. 1032  Zur überörtlichen wirtschaftlichen Betätigung siehe unten B. I. 2. e) cc) und dd). 1033  Hidien (Fußn. 961), 156.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

gilt unabhängig davon, ob wirtschaftliche Betätigung in Organisationsfor­ men des öffentlichen oder des privaten Rechts stattfindet.1034 Für das „gemeine Wohl“ der Einwohner soll die kommunale Leistungs­ verwaltung sich auch unternehmerisch betätigen können, um als Ausfor­ mung des Sozialstaatsprinzips1035 Daseinsvorsorgeaufgaben wahrzunehmen. Interessenwalter dieser Allgemeinheit ist die Gemeindevertretung als Adres­ sat der Zweckbindung und Repräsentant des Gemeindevolkes.1036 Das So­ zialstaatsprinzip ermächtigt die öffentliche Hand zwar generell zu einer aktiven Gesellschafts- und Sozialpolitik. Während jedoch im Privatrecht der Satz gilt, dass prinzipiell erlaubt ist, was das Recht nicht verbietet, steht der Verwaltung solche Freiheit nicht zu.1037 Art. 28 Abs. 2 GG als zentrale ver­ fassungsrechtliche Schutznorm des Grundgesetzes zugunsten der Kommu­ nen1038 garantiert den Gemeinden nur im Rahmen der Gesetze ein (begrenz­ tes) wirtschaftliches Mandat1039 für eine örtlich radizierte Unternehmenstä­ tigkeit.1040 Das Merkmal des öffentlichen Zwecks ist damit verfassungsrechtlich vorgegeben.1041 Für die Ausfüllung des Wertbegriffs „öffentlicher Zweck“ sind die Wertentscheidungen des Grundgesetzes unter dem Begriff des „Ge­ meinwohls“ objektiver Wertmaßstab. Dabei ist die Inhaltsoffenheit des Ge­ meinwohlbegriffs schlechthin eine, wenn nicht die zentrale Funktionsbedin­ gung des freiheitlichen Verfassungsstaates.1042 Diese beinhaltet zwei mitei­ nander zusammenhängende Aspekte, nämlich die Form öffentlicher Ent­ scheidungsfindung, nämlich in konfliktoffener und transparenter Weise,1043 und die Kompetenz hierzu.1044 Dadurch wird auch das verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis des Gesetzesbegriffs „öffentlicher Zweck“ im Hinblick auf die Wertevielfalt und damit die Mehrdeutigkeit des Gemeinwohlbegriffs selbst gekennzeichnet.1045 1034  Heintzen, Zur Tätigkeit kommunaler (Energieversorgungs-)Unternehmen au­ ßerhalb der kommunalen Gebietsgrenzen, NVwZ 2000, 743, 746. 1035  Siehe oben Fußn. 812. 1036  Hidien (Fußn. 961), 156. 1037  Ehlers (Fußn. 633), 87. 1038  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 31. 1039  Ehlers (Fußn. 633), 89, Fußn. 78 m. w. N. 1040  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 78. 1041  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 763. 1042  Hofmann, Verfassungsrechtliche Annäherungen an den Begriff des Gemein­ wohls 2002, 25, 30 f. 1043  Stolleis, Gemeinwohl, in: Herzog (Hg.), Evangelisches Staatslexikon, 1987, Sp. 1063. 1044  Schuppert (Fußn.  7), 442 f. 1045  Hidien (Fußn.  961), 160 f.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 187

Ossenbühl1046 bezeichnet die Frage, wer die Konkretisierung des Gemein­ wohls vornehme und in legitimer Weise vornehmen dürfe, als „nervus rerum des ganzen Problems“. Gemeinwohl sei „das, was die hierfür zuständige Instanz in einem allgemein anerkannten Verfahren und unter Beachtung verfassungsrechtlich vorgegebener Grenzen als Gemeinwohl erklär[e].“ Das auf dem Modell des § 67 DGO beruhende Recht wirtschaftlicher Betätigung von Kommunen genügt diesen Anforderungen zur Wahrung der Gesetzmä­ ßigkeit der Wirtschaftsteilnahme1047: Im Rahmen der von der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG umfassten Allzuständigkeit für die Wahrnehmung von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft kann die Gemeinde selbst bestimmen, welche ihrer Aufgaben des eigenen Wirkungskreises sie durch Unternehmen außer­ halb der Verwaltung wahrnehmen möchte. Eigenverantwortlicher Kreativität der Kommunen sind dabei praktisch kaum Grenzen gesetzt, weil der Begriff des öffentlichen Zwecks – von der Frage der Gewinnerzielung abgesehen – „weit gespannt“ ist und „jedweden im Aufgabenbereich der Gemeinde liegenden Gemeinwohlbelang“ um­ greift.1048 In der Rechtsprechung ist als öffentlicher Zweck akzeptiert worden, „dem Bürger die Beschaffung amtlicher Kfz-Kennzeichen zu erleichtern“; ebenso ist das Ziel, einen „Innenstadtbereich attraktiver zu gestalten und zu bele­ ben“, in Betracht gezogen worden.1049 Auch wirtschaftsfördernde oder ar­ beitsmarktsichernde Auswirkungen1050 können für einen öffentlichen Zweck genügen.1051 Zuallererst ist es eine „Frage sachgerechter Kommunalpolitik“ zu ent­ scheiden, ob und auf welchen Gebieten sich eine Kommune wirtschaftlich 1046  Ossenbühl, Umweltschutz und Gemeinwohl in der Rechtsordnung, VR 1983, 301, 302. 1047  Ehlers (Fußn. 633), 91, Fußn. 91: Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der deutschen Bundespost 1980, 135. 1048  Jarass, Aktivitäten kommunaler Unternehmen außerhalb des Gemeindege­ biets, insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr, DVBl 2006, 1, 5, Fußn. 52: OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1523; deutlich enger OLG Düsseldorf v. 29.05.2001, 20 U 152 / 00, WRP 2001, 1086 = NVwZ 2002, 248, 250; Scharpf, Kommunales Unternehmensrecht in Bayern 2004, 163 ff. 1049  Oebbecke (Fußn.  768), 69 m. w. N. 1050  A. A. Ehlers, Deutscher Juristentag Berlin vom 17. bis 20. September 2002, NJW 2002, Beilage zu Heft 33, 64 zur Arbeitsplatzsicherung. 1051  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 94, Fußn. 150: Hill, In welchen Grenzen ist kommunalwirtschaftliche Betätigung Daseinsvorsorge?, BB 1997, 425, 429; OVG Münster v. 21.09.2004, 15 B 1709 / 04, NVwZ-RR 2005, 198; eingren­ zend OLG Düsseldorf v. 29.05.2001, 20 U 152 / 00, WRP 2001, 1086, 1087; vgl. auch Oebbecke (Fußn.  768), 68 f.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

betätigen will.1052 Den Rahmen hierzu bilden die Verfassung und einfach­ gesetzliche Regelungen.1053 Die Gemeinde besitzt hierzu zwar eine Ein­ schätzungsprärogative, doch darf diese nicht mit einer kreativen Beliebigkeit verwechselt werden.1054 Die relative Staatsfreiheit kommunaler Selbstver­ waltung bedeutet absolute Verantwortlichkeit gegenüber dem Souverän. Außerhalb dieser Kernbereichsdefinition1055 gilt das vom BVerfG für den Randbereich der Selbstverwaltungsgarantie entwickelte materielle Aufga­ benverteilungsprinzip zugunsten der Gemeinden,1056 das aber im Sinne eines „Rundumschutzes“ und einer Stärkung der dezentralen Verwaltungsebene nur im Verhältnis zu den Ämtern,1057 den Landkreisen1058 und letztlich zum Staat Wirkung entfaltet und damit kein Verteilungsprinzip zwischen Kom­ munen und Wirtschaft enthält.1059 Diesen Randbereich wirtschaftlicher Be­ tätigung kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner prinzipiellen Gestaltungs­ freiheit und unter Beachtung des Kernbereichs kommunaler Selbstverwal­ tung mit einer Konkretisierung und Modifizierung des „öffentlichen Zwecks“ gestalten und an ein sich veränderndes oder von ihm selbst als verände­ rungsbedürftig betrachtetes politisches Umfeld anpassen, wie dies vielfach als Folge der Marktliberalisierung für die Strom-, Gas- und Wärmeversor­ gung geschehen ist.1060 Hösch wählt als Ausgangspunkt für die Bestimmung des öffentlichen Zwecks ein „unzureichendes Marktergebnis mangels Marktentstehung“.1061 Die Bindung an den öffentlichen Zweck stelle sicher, dass sich die Gemein­ de nicht dem Gemeinwohlauftrag entziehen könne, wenn unzureichende Marktergebnisse für Bürger eine grundrechtsgerechte Lebensgestaltung nicht ermöglichen.1062 Zu Recht weist Scharpf darauf hin, dass der Ansatz von 1052  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 92, Fußn. 134: BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 334. 1053  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 92, Fußn. 137: Scharpf (Fußn. 723), 506. 1054  Scharpf (Fußn. 723), 507, Fußn. 115: Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung 2001b, 708; Pielow, Gemeindewirtschaft im Gegenwind?, NWVBl 1999, 369, 376. 1055  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 146. 1056  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 150 ff. 1057  VerfG Potsdam vom 17.10.1996, Nr.  5 / 95, LVerfGE 5, 79, 85. 1058  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 150. 1059  VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, 996. 1060  § 68 Abs. 2 Satz 3 KV M-V, § 107 a GO NRW, § 116 Abs. 2 GO LSA. 1061  Hösch (Fußn. 778), 2, Fußn. 20: Von „Marktversagen“ in diesem Sinne spricht Hidien, Die positive Konkretisierung der öffentlichen Zweckbindung kom­ munaler Wirtschaftsunternehmen 1984, 155. 1062  Hösch (Fußn. 778), 2, Fußn. 24: Pielow (Fußn. 1054), 376; vgl. auch Schulz (Fußn. 445), 98.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 189

Hösch zu unsicher sei und zur Aushöhlung des kommunalen Selbstverwal­ tungsrechts führen könne, wenn die Kommune trotz fehlendem Marktversa­ gen untätig bleibe, obwohl verfassungsrechtliches Tätigwerden, etwa unter dem Gesichtspunkt des Sozialstaatsprinzips, geboten sei. Kommunales Tä­ tigwerden könne deshalb auch schon erforderlich sein, wenn der Markt (noch) funktioniere.1063 Die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung ist der Ansicht, dass das Er­ fordernis des öffentlichen Zwecks, der die wirtschaftliche Betätigung erfor­ dern bzw. rechtfertigen muss, allein dem Schutz der Kommunen vor aus­ ufernder wirtschaftlicher Betätigung dienen soll.1064 Dem Wortlaut der Vorschriften allein lässt sich nicht entnehmen, dass die Norm auch den Schutz der Individualinteressen bezweckt. Einige Autoren interpretieren je­ doch den Begriff des öffentlichen Zwecks in grundrechtskonformer Ausle­ gung dahingehend, dass das Zweckerfordernis auch das Ziel verfolge, die Privatwirtschaft vor einer uneingeschränkten Kommunalwirtschaft zu schüt­ zen.1065 Der öffentliche Zweck dürfe nach Hösch nicht dazu missbraucht werden, Grundrechtspositionen von Bürgern unverhältnismäßig einzuschrän­ ken. An einem öffentlichen Zweck fehle es deshalb, wenn die erwünschten Güter von Privaten in ausreichendem Maß angeboten werden (können).1066 Damit ergebe sich die Subsidiarität kommunalwirtschaftlicher Betätigung bereits aus dem öffentlichen Zweckerfordernis.1067 Der Subsidiaritätsgedan­ ke1068 sei bereits im Begriff des öffentlichen Zwecks enthalten.1069 Soweit der Betrieb von Unternehmen geeignet ist, die Berufsfreiheit der Bürger zu beschränken, müsse dem Tatbestandsmerkmal „öffentlicher Zweck“ zur Vermeidung eines Rechtsschutzdefizits über eine grundrechtliche Fundie­ rung drittschützende Wirkung zuerkannt werden.1070 Hieraus folgert Hösch, dass die Gemeinde keine gerichtlich nicht nachprüfbare Einschätzungsprä­ rogative zum öffentlichen Zweck haben könne, weil im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG gericht­ 1063  Scharpf

(Fußn.  723), 503 f. (Fußn. 887), 763. 1065  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 764; Ehlers (Fußn.  1050), 84 f.; Faber, Aktuel­ le Entwicklungen des Drittschutzes gegen die kommunale wirtschaftliche Betäti­ gung, DVBl 2003, 761, 765; Grooterhorst / Törnig, Wo liegt die Grenze der Zuläs­ sigkeit der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen?, DÖV 2004, 685, 687. 1066  Hösch (Fußn.  778), 2 f. 1067  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 764. 1068  Vgl. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayGO, § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ThürKO. 1069  Hösch (Fußn. 778), 4 m. w. N. in Fußn. 54: Moraing (Fußn. 1013), 524; a. A. Schoch (Fußn.  536), 380 m. w. N. 1070  Hösch (Fußn. 778), 5, Fußn. 62: Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), 247 m. w. N. in Fußn. 9 a. 1064  Pünder / Dittmar

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

lich nachprüfbar sein muss.1071 Dies werde auch durch Art. 95 Abs. 2 Bay­ GO bestätigt, wonach gemeindliche Unternehmen keine wesentliche Schä­ digung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken dürfen.1072 Allerdings müssen nach Ansicht dieser Autoren die Konkurrenten einen abgegrenzten Personenkreis bilden,1073 zu dem diejenigen örtlichen Unternehmen zählen, die mit der Kommunalwirtschaft in einem tatsächlichen Wettbewerbsver­ hältnis stehen.1074 Die Prüfung der Subsidiarität im Rahmen des öffentlichen Zwecks, wo­ nach dieser eine wirtschaftliche Betätigung nicht rechtfertige, wenn Private den Zweck „ebenso gut“ sicherstellen können, lässt sich jedoch systematisch nicht begründen, da sonst die Subsidiaritätsklausel leer liefe. Die dem Begriff des öffentlichen Zwecks immanente Eignung, Publizität von Privatheit abzugrenzen, impliziert damit nicht gleichzeitig auch die Subsidiarität öffentlicher Wirtschaftstätigkeit gegenüber der Privatwirtschaft. b) Landesrechtliche Regelungsvarianten zum öffentlichen Zweck Der größte Teil der Bundesländer hat für die Errichtung, Übernahme, we­ sentliche Erweiterung oder die Beteiligung an kommunalen wirtschaftlichen Unternehmen als Voraussetzung bestimmt, dass „der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt“.1075 Die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg stellt für die Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betätigung zur Erle­ digung von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft gleichfalls darauf ab, dass „der öffentliche Zweck dies rechtfertigt“,1076 ähnlich in Sachsen-Anhalt.1077 1071  Hösch

(Fußn. 778), 5. (Fußn. 778), 5, Fußn. 63: a. A. Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Art. 95 GO, Rdnr. 5; vgl. auch den Auftrag in Art. 153 Satz 1 BV, Klein- und Mittelbetriebe zu fördern. 1073  Dagegen Cosson, Begrenzungen kommunaler wirtschaftlicher Betätigung im Bereich der Abfallwirtschaft, DVBl 1999, 891, 895 f. 1074  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 764, Fußn. 65: vgl. Diefenbach, Zur Konkur­ rentenklage gegen unzulässige kommunale Wirtschaftstätigkeit, WiVerw 2003, 115, 123; Antweiler (Fußn. 907), 1468. 1075  Vgl. § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO BW, § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KV M-V, § 136 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NKomVG, § 85 Abs. 1 Nr. 1 GemO Rhl-Pf., § 108 Abs. 1 Nr. 1 Saarl.KSVG, § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SächsGO, § 101 Abs. 1 Nr. 1 GO SH. 1076  § 91 Abs. 2 BbgKVerf. 1077  § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO LSA, der zugleich die in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zulässigen Rechtsformen wirtschaftlicher Betätigung außer­ halb der Verwaltung (Eigenbetrieb, Anstalt des öffentlichen Rechts und Rechtsfor­ men des Privatrechts) ausdrücklich benennt. 1072  Hösch

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 191

Auch in Hessen1078 darf sich die Gemeinde wirtschaftlich betätigen, wenn „der öffentliche Zweck die Betätigung rechtfertigt“. Nordrhein-Westfalen verwendet für die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung der Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Formulierung, dass „ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert“.1079 Auch im Freistaat Bayern muss „ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordern“.1080 In Thüringen darf die Gemeinde Unternehmen „ungeachtet des mit ihnen verfolgten öffentlichen Zwecks“ nur gründen, übernehmen oder erweitern, wenn „der öffentliche Zweck das Unternehmen erfordert“.1081 Nach Ansicht von Scharpf müsse der öffentliche Zweck die Betätigung stets „erfordern“, weil die Grundrechte Privater bereits im Rahmen der Einschätzungsprärogative zu berücksichtigen seien. Ansonsten würde der Begriff seine Schrankenfunktion verlieren und eine Vielzahl öffentlicher Zwecke, nämlich sozialpolitische, wettbewerbspolitische oder umweltpoliti­ sche Zwecke und wirtschaftsfördernde oder arbeitsplatzsichernde Aktivitäten könnten von den Gemeinden für wirtschaftliche Betätigung angeführt wer­ den.1082 Nach zutreffender Auffassung ist diese Interpretation allerdings zu eng und in der Gesamtschau mit den kommunalrechtlichen Regelungen zu dem auch für solche Betätigungen offenen Begriff des öffentlichen Zwecks und mit den gesonderten Subsidiaritätsklauseln gegenüber der Privatwirt­ schaft nicht in Einklang zu bringen. Ob die unterschiedlichen Regelungen über einen (oder „den“) öffentli­ chen Zweck, der kommunale Unternehmenstätigkeit „rechtfertigt“ oder „erfordert“, tatsächlich rechtlich relevante Unterschiede ihrer Zulässigkeit bewirken, erscheint fraglich. Nach der hier vertretenen Meinung sind sie dem jeweiligen politischen Konzept geschuldet, das der Landesgesetzgeber mit den Regelungen zur wirtschaftlichen Betätigung verfolgt. Dabei ist der Gesetzgeber im Rahmen der prinzipiellen Gestaltungsfrei­ heit seiner politischen Ziele1083 nicht nur befugt, „allgemein anerkannte und von der jeweiligen Politik des Gemeinwesens unabhängige Gemeinschafts­ werte“ zu schützen und zu fördern, sondern kann darüber hinaus auch sol­ che Eingriffe in die Grundrechtsordnung vornehmen, die er selbst erst in 1078  § 121

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGO. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO NRW. 1080  Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BayGO; Mit dem Verweis „insbesondere wenn die Gemeinde mit ihm gesetzliche Verpflichtungen oder ihre Aufgaben gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfassung und in Art. 57 dieses Gesetzes erfüllen will“, sollen die Auf­ gaben des eigenen Wirkungskreises in Bezug genommen werden. 1081  § 71 Abs. 1 Nr.  1 ThürKO. 1082  Scharpf (Fußn. 723), 508. 1083  BVerfG v. 25.02.1960, 1 BvR 239 / 52, BVerfGE 10, 354, 371. 1079  § 107

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen erhebt.1084 Es obliegt allein den vom (jeweiligen) Volk gewählten Organen, die maßgeblichen öffent­ lichen Interessen im Rahmen der Verfassung festzulegen. Sowohl der Begriff „rechtfertigen“ als auch der erkennbar stringentere Terminus „erfordern“ eines öffentlichen Zwecks sind an den Maßstäben des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und den entsprechenden landesrechtlichen Verfassungsbestimmungen einerseits und an den Grundrechten konkurrie­ render privatwirtschaftlicher Tätigkeit von Wettbewerbern andererseits zu messen. Dabei bestimmt die gesellschafts- und rechtspolitische Position des jeweiligen Landesgesetzgebers zum Verhältnis zwischen Staat und Pri­ vaten auch die Auffassung über die Reichweite des Schutzbereichs der betreffenden Verfassungsbestimmungen, wobei deren jeweiliger Kernbe­ reich nicht tangiert werden darf. Infolge der eigenverantwortlichen kom­ munalpolitischen Einschätzungsprärogative der Kommune zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks einer von ihr beabsichtigten wirtschaftlichen Betätigung besitzen auch die vom jeweiligen Landesgesetzgeber mit diesen Regelungen intendierten politischen Zielvorstellungen in der Praxis nur be­ grenzte Wirkkraft. c) Öffentlicher Zweck bei fiskalischen Interessen und Hilfsgeschäften Bei der Frage nach der Abgrenzung von öffentlichen und privaten Inte­ ressen verdienen die sogenannten fiskalischen Interessen der öffentlichen Hand besondere Beachtung. Die Rechtsprechung des BVerfG zum Verhält­ nis von fiskalischen und öffentlichen Interessen ist nicht eindeutig.1085 Fis­ kalische Interessen des Staates sind ein typischer öffentlicher Belang.1086 Die Unsicherheit in der Qualifizierung fiskalischer Interessen hat histori­ sche, in der Fiskustheorie1087 liegende Gründe, mit der der Staat in zwei juristische Personen zerlegt wurde. Neben den eigentlichen Staat als Ho­ heitsträger trat der Fiskus als Vermögensträger und juristische Person des 1084  BVerfG

v. 17.07.1961, 1 BvL 44 / 55, BVerfGE 13, 97, 107. (Fußn. 134), 124, Fußn. 7: BVerfG v. 17.07.1984, 2 BvE 11 / 83 u. a., BVerfGE 67, 100: Flick-Untersuchungsausschuss: Die im Rechtsstaats­ prinzip und Gleichbehandlungsgebot verankerten öffentlichen Interessen gehen „über das nur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens“ hinaus. 1086  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 126, Fußn. 14: VGH Kassel v. 16.03.1995, 4 UE 3505 / 88, DVBl 1995, 757, 759. 1087  Vgl. hierzu insbesondere Burmeister, Der Begriff des „Fiskus“ in der heuti­ gen Verwaltungsrechtsdogmatik, DÖV 1975, 695, 699 f.; Lämmerzahl (Fußn. 496), 37 m. w. N. in Fußn. 41 und 44, Fußn. 74. 1085  Uerpmann-Wittzack

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 193

Privatrechts.1088 Grund hierfür waren Rechtsschutzgesichtspunkte, da gegen den Staat als Hoheitsträger Rechtsschutz grundsätzlich nicht zu erlangen war.1089 Diese Gründe sind jedoch entfallen.1090 Fiskalische Interessen sind bei der Ermittlung des öffentlichen Interesses ebenso zu berücksichtigen wie andere Belange, auch wenn ein einzelner finanzieller Belang nicht mit dem öffentlichen Interesse gleichzusetzen ist.1091 Strittig ist, ob die fiskalischen Interessen unter den Begriff „öffentlicher Zweck“ einzuordnen sind. Sie werden vielfach als private Interessen quali­ fiziert und bleiben deshalb unberücksichtigt, wo ein Gesetz auf das „öffent­ liche Interesse“ verweist. Versteht man darunter ganz allgemein finanzielle Interessen, so ist nicht zweifelhaft, dass es sich bei den auf eine Stärkung der öffentlichen Haushalte gerichteten Interessen um „öffentliche Interes­ sen“ handelt.1092 Gleiches gilt für die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Damit ist jede Vorschrift gesondert daraufhin zu prüfen, ob sie auch fiskalische Interessen deckt.1093 Wenn es um die Frage geht, ob ein wirtschaftliches Unternehmen einer Gemeinde durch einen öffentlichen Zweck „gerechtfertigt“ bzw. „erfordert“ wird, scheiden jedoch rein finanzielle Interessen aus. Würde nämlich dafür der Zweck genügen, Überschüsse für die öffentlichen Haushalte zu erwirt­ schaften, liefe diese Zweckbindung leer und wäre damit sinnlos.1094 Bei der gemeindlichen Wirtschaft muss es sich vielmehr stets um Betätigungen handeln, die nach der ganzen Entwicklung und den herrschenden Anschau­ ungen eine im öffentlichen Interesse gebotene Versorgung der Einwohner­ schaft zum Gegenstand haben. Demnach müssen Leistungen und Lieferun­ gen eines gemeindlichen Unternehmens selbst einem öffentlichen Zweck dienen.1095 Die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit der Bürger verbietet es der öffentlichen Hand, in Konkurrenz zu ihnen Erwerbs­ 1088  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 127, Fußn. 20: Mayer, Deutsches Verwal­ tungsrecht, 3. Aufl. 1924, 50 f. 1089  Martens (Fußn. 4), 89 m. w. N. in Fußn. 55: Ganz im Sinne des bürgerlichen Liberalismus konnte mit einer engen Fassung des Begriffs des „Hoheitlichen“ der Staat mit Hilfe der Rechtsfigur des „Fiskus“ prozessual und materiellrechtlich pri­ vatisiert und damit gerichtlicher Kontrolle unterworfen werden. „Fiskalische Beur­ teilung staatlichen Handelns führt also in jener Zeit zu gesteigerter Bindung, nicht Privilegierung des Staates.“ 1090  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 128. 1091  Uerpmann-Wittzack (Fußn.  134), 130 f. 1092  Martens (Fußn. 4), 199 m. w. N. in Fußn. 157. 1093  Martens (Fußn. 4), 199. 1094  Martens (Fußn. 4), 200. 1095  Vgl. Amtliche Begründung zu § 67 DGO.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

wirtschaft zur Deckung ihres Finanzbedarfs zu treiben. Wirtschaftliche Unternehmen darf die öffentliche Hand deshalb nur als Instrument im Dienst anderer öffentlicher Interessen einsetzen.1096 Die zur Bedarfsdeckung der Verwaltung benötigten Hilfsgeschäfte und die öffentliche Auftragsvergabe1097 dienen jedoch nicht der direkten Erfül­ lung einer genau definierten Verwaltungsaufgabe. Die mit ihnen verfolgten Ziele sind sehr vielgestaltig und können vor allem zur Unterstützung der Wirtschafts-, der Struktur- und der Energiepolitik erforderlich sein, so dass auch an solcher Tätigkeit der Verwaltung ein öffentliches Interesse besteht. Gleichwohl qualifiziert das Bestehen eines solchen Interesses, das häufig auch an privater Erwerbswirtschaft in gleicher Intensität besteht, diese Tä­ tigkeit allein noch nicht als Ausübung öffentlicher Verwaltung.1098 d) Abgrenzung des öffentlichen Zwecks von der Gewinnerzielungsabsicht Die Regelungsfunktion des Tatbestandsmerkmals „öffentlicher Zweck“ wird zu Recht auch im Ausschluss „reiner“ Erwerbstätigkeit aus dem Be­ reich zulässiger gemeindlicher Wirtschaftstätigkeit gesehen.1099 Da eine öf­ fentliche Zwecksetzung auch darin liegt, dass ein kommunales Wirtschafts­ unternehmen durch einen Ertrag für den Gemeindehaushalt mittelbar eine öffentliche Zwecksetzung verwirklicht, ist ein unmittelbarer öffentlicher Zweck durch die unternehmerische Tätigkeit erforderlich.1100 Nach der 1096  Martens

(Fußn. 4), 200. hierzu Abschnitt C. III. 1098  Danwitz (Fußn. 517), 597 m. w. N. in Fußn. 3; Kimminich, Der Schutz kom­ munaler Unternehmen gegen konfiskatorische Eingriffe 1982, 72 ff., weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es ungeachtet der Rechtsprechung des BVerfG vom 07.06.1977, 1 BvR 108 / 73, BVerfGE 45, 63 (78), wonach Gemeinden und Gemein­ deverbände nicht grundrechtsfähig sind, Tätigkeitsbereiche gebe, in denen juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen eine Identifikation mit staatlichem Handeln nicht in Frage kommt, Grundrechtsfähigkeit zukomme, wobei weder die Rechtsform noch die Handlungsform und auch nicht eine Unterscheidung nach wirt­ schaftlicher Tätigkeit und Daseinsvorsorge maßgeblich sei. Entscheidend sei allein, ob eine erwerbswirtschaftliche Betätigung nicht-hoheitlicher Art vorliege, so dass insbesondere Grundrechtsschutz für das Eigentum (z. B. kommunaler Energieversor­ gungsunternehmen) bestehe, weil sich hierbei als grundrechtstypische Gefährdungs­ lage „eine gleiche Konstellation für die durch Art. 14 GG geschützte Eigentums­ sphäre feststellen“ lasse wie bei den prozessualen Grundrechten (Kimminich (Fußn. 1098), 80, Fußn. 42, Zitat nach Stern, Die verfassungsrechtliche Position der kommunalen Gebietskörperschaften in der Elektrizitätsversorgung 1966, 55). 1099  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 90, Fußn. 124 m. w. N. 1100  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 90. 1097  Siehe

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 195

Rechtsprechung des BVerfG muss jedes kommunale Unternehmen „unmit­ telbar durch seine Leistung, nicht nur mittelbar durch seine Gewinne und Erträge dem Wohl der Gemeindebürger dienen“.1101 Negativ ist der öffent­ liche Zweck deshalb von der gewinnorientierten Erwerbswirtschaft abzu­ grenzen.1102 Die Unterfinanzierung eines kommunalen Haushalts reicht da­ mit nicht aus, reine Erwerbswirtschaft als Verfolgung eines öffentlichen Zwecks zu interpretieren,1103 wie dies gelegentlich vertreten wird.1104 Es gibt keine „Gewerbefreiheit für die öffentliche Hand“.1105 Grundrecht­ liche Freiheit in der Hand von Trägern öffentlicher Gewalt ist eine „rechts­ staatliche Unmöglichkeit“.1106 Das Verbot der „reinen“ Gewinnerzielungsab­ sicht ist damit verfassungsrechtlich determiniert.1107 Eine rein erwerbswirt­ schaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, die auf Erzielung von Einnah­ men gerichtet ist, widerspricht insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip, das den Staat generell auf Tätigkeiten beschränkt, mit denen unmittelbar öffent­ liche Zwecke und Aufgaben erfüllt werden. Angesichts der Offenheit staat­ licher Aufgaben lässt sich allerdings ein öffentlicher Zweck bei wirtschaft­ licher Betätigung der öffentlichen Hand regelmäßig finden.1108 Inzwischen entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die rein erwerbs­ wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde oder ihrer Unternehmen verfas­ sungsrechtlich unzulässig ist und keinen öffentlichen Zweck darstellt.1109 Das Grundgesetz geht von einer Trennung von Staat und Gesellschaft aus.1110 Diese Trennung kommt darin zum Ausdruck, dass der Staat auf­ grund definierter Kompetenzen tätig wird, um Gemeinwohlinteressen zu 1101  Heintzen (Fußn. 1034), 746, Fußn. 36: BVerfG v. 07.08.1982, 2 BvR 1187 / 80, BVerfGE 61, 82, 107. 1102  Schulz (Fußn. 445), 97. 1103  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 90, Fußn. 126: VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, 994 f., Ehlers, Rechtsprobleme der Kommu­ nalwirtschaft, DVBl 1998, 497, 499; Papier (Fußn. 797), 689. 1104  Steckert (Fußn. 902), 89 und passim. 1105  Scharpf (Fußn. 723), 491, Fußn. 30: Heintzen, Rechtliche Grenzen und Vor­ gaben für eine wirtschaftliche Betätigung von Kommunen im Bereich der gewerbli­ chen Gebäudereinigung 1999, 32 ff. 1106  Scharpf (Fußn. 723), 491, Fußn. 31: Berg, Die wirtschaftliche Betätigung des Staates als Verfassungsproblem, GewArch 1990, 225, 228 mit Nachweis des Zitats von Rupp. 1107  Scharpf (Fußn. 723), 490. 1108  Jarass, Kommunale Wirtschaftsunternehmen und Verfassungsrecht, DÖV 2002, 489, 490, Fußn. 5: Manssen, in: von Mangoldt / Klein / Starck (Hg.), Kommen­ tar zum Grundgesetz, 2010, Art. 12 GG, Rdnr. 83. 1109  So die h. M., vgl. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwi­ schen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip 2000, 492 m. w. N. 1110  Hösch (Fußn. 778), 11, Fußn. 132: Berg (Fußn. 1106).

196

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

verfolgen.1111 Reine Erwerbswirtschaft ist damit kein Wesenselement der kompetenzgebundenen Sphäre staatsbezogener Publizität, sondern Bestand­ teil autonomer Tätigkeit Privater und damit gerade der Gegenbegriff zur Publizität. Die aus dem Verfassungsrecht abgeleitete grundsätzliche Unzulässigkeit rein erwerbswirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand kollidiert auch nicht mit Unionsrecht, das unverfälschten Wettbewerb zum Ziel hat, im Übrigen aber die Mitgliedstaaten nicht an der wirtschafts- und sozialpo­ litischen Instrumentalisierung ihrer Unternehmen hindert.1112 Kommunale Unternehmen sollen nicht in erster Linie in Konkurrenz zu Unternehmen der Privatwirtschaft treten, sondern das Wohl der Gemeinde­ einwohner dort fördern, wo andere Wirtschaftsträger untätig sind.1113 Gerade die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist jedoch geeignet, als Wettbewerber auf dem Markt für Dienstleistungen, die auch von Privaten erbracht werden können, allein durch eine entsprechende Interpretation des Begriffs „öffentlicher Zweck“ Gemeinwohlinteressen zu definieren und da­ mit die Grenze zwischen den hierfür verliehenen Kompetenzen und autono­ mem Handeln privater Konkurrenten am Markt zugunsten der öffentlichen Hand zu verschieben. Bei der negativen Abgrenzung des Begriffs „öffentli­ cher Zweck“ geht es deshalb darum, den öffentlichen Gehalt dieses Begriffs deutlich zu machen.1114 Je weiter sich die Kommune mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung von der Wahrnehmung der Kernaufgaben der Selbstverwaltung für ihre Ein­ wohner entfernt, umso größer wird die Gefahr, dass sie damit den Schutz­ bereich von Grundrechten privater Marktteilnehmer berührt und ihre Betä­ tigung nicht mehr durch die vom Wähler abgeleitete Legitimation gedeckt ist. Einige Landesgesetzgeber haben zum Ausschluss reiner Erwerbswirtschaft aus dem Kreis zulässiger öffentlicher Zwecke ausdrücklich klarstellende Regelungen getroffen: Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 BayGO). Eine Regelung, dass die Gewinnerzielung 1111  Hösch

(Fußn. 778), 11. unten C. I. 3. d). 1113  Scharpf (Fußn. 723), 488, Fußn. 14: Stern, Gemeindeordnung und kommunale Wirtschaftsbetätigung, BayVBl 1962, 129, 130. 1114  So Häberle (Fußn. 134), 24 f. im Hinblick auf den Begriff „öffentliches Inte­ resse“. 1112  Siehe

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 197

keinen ausreichenden öffentlichen Zweck darstellt, der eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde rechtfertigt, enthält auch § 91 Abs. 2 BbgKVerf. Nach § 68 Abs. 2 Satz 2 KV M-V entsprechen Tätigkeiten, mit denen die Gemeinde an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben ganz überwiegend mit dem Ziel der Gewinnerzielung teilnimmt, keinem öffentli­ chen Zweck. Nach § 108 Abs. 3 Satz 3 Saarl.KSVG und § 116 Abs. 1 Satz 2 GO LSA entsprechen alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemein­ de an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnimmt, um ausschließlich Gewinn zu erzielen, keinem öffentlichen Zweck. Auch soweit der jeweilige Landesgesetzgeber keine vergleichbare Rege­ lung getroffen hat, entspricht eine ausschließlich oder ganz überwiegend auf Gewinnerzielung ausgerichtete erwerbswirtschaftliche Tätigkeit keinem öf­ fentlichen Zweck. Kommunale Unternehmen, die einen öffentlichen Zweck erfüllen und den Geboten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit genügen, dürfen auch Erträge für den Haushalt erwirtschaften. Die Wirtschaftlichkeit ist aber nur Nebenbedingung der Zweckerfüllung. Zur Erfüllung öffentlicher Zwecke dürfen kommunale Unternehmen deshalb auch Verluste machen.1115 Das haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot ist keine Norm, die staatli­ che Aufgaben begründen könnte, sondern es dient ihrer Begrenzung.1116 Das Haushaltsrecht begründet keine Kompetenzen, sondern es dirigiert die Aus­ übung der in anderen Gesetzen begründeten Kompetenzen.1117 Bei kommu­ nalen Unternehmen kommt der Gewinnerzielung nur eine der Aufgabener­ füllung dienende Funktion zu. Hierdurch unterscheidet sich die Kommunal­ wirtschaft von der Privatwirtschaft, bei der die Chance der Gewinnerzielung Anlass, Grund und Maßstab für die Aufnahme und Wahrnehmung einer Tätigkeit darstellen. e) Kommunale Erwerbswirtschaft mit Annextätigkeiten und Nebengeschäften aa) Verfassungsrechtliche Grenzen kommunaler Erwerbswirtschaft Den Gemeinden ist die wirtschaftliche Betätigung nur zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erlaubt.1118 Bei schlicht-hoheitlicher wirtschaftlicher Betätigung sind sie im Gegensatz zur erwerbswirtschaftlich-fiskalischen 1115  Hösch

(Fußn. 778), 4, Fußn. 50: Ehlers (Fußn.  500), 142 f. (Fußn. 778), 10. 1117  Hösch (Fußn. 778), 11. 1118  Pünder / Dittmar (Fußn. 887) mit Fußn. 5: Ehlers (Fußn.  1050), 64 ff. 1116  Hösch

198

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Tätigkeit in Ausübung einer übertragenen Kompetenz zur Erfüllung einer festgelegten „Aufgabe“ tätig.1119 Häufig ist in Literatur und Rechtsprechung bei schlicht-hoheitlicher Tä­ tigkeit nicht mehr deutlich zu erkennen, ob und inwieweit insbesondere bei der Wahl der Beurteilungsmaßstäbe und bei der Zuständigkeit der Gerichte noch ein Unterschied gemacht wird zur Wirtschaftstätigkeit Privater und zu erwerbswirtschaftlich-fiskalischer Tätigkeit.1120 Verfassungsrechtlich relevant erscheint insbesondere die Frage, in wel­ chem Umfang das Erfordernis der öffentlichen Zwecksetzung erwerbswirt­ schaftlich orientierte Nebengeschäfte zulässt. Beispiele für Erwerbswirtschaft sind die Pflege privater Grünflächen durch das Stadtgartenamt, die Lohnund Gehaltsabrechnung des städtischen Personalbüros für Private1121 oder der Betrieb einer Gaststätte durch die Kommune, die Bestandteil des Fi­ nanzvermögens (im Sinne des Einigungsvertrages) geworden ist.1122 In der erwerbswirtschaftlichen Betätigung zur Auslastung von Überkapazitäten ei­ ner Gärtnerei sieht das OLG Hamm keinen öffentlichen Zweck.1123 Nach Otting fördere auch die Erwerbswirtschaft jedenfalls mittelbar öf­ fentliche Interessen, doch werde mit historischen und systematischen Argu­ menten1124 sowie im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung1125 der Ausschluss der Erwerbswirtschaft aus dem Tatbestand des öffentlichen Zwecks, z. T. auch mit dem Argument eines verfassungsrechtlichen Verbots von Erwerbswirtschaft1126, zu begründen gesucht.1127 Aus dem Grundgesetz lasse sich jedoch kein explizites Verbot1128 erwerbswirtschaftlicher Betäti­ gung entnehmen, obwohl für eine solche Tätigkeit keine Ermächtigung be­ stehe, die im Übrigen auch nicht erforderlich sei, weil im Regelfall1129 kein Eingriff in Freiheitsrechte der Bürger stattfinde, wenn die Kommune als 1119  Brohm

1120  Brohm

370).

(Fußn. 545), 282. (Fußn. 545), 282, Fußn. 12: Repräsentativ hierfür Emmerich (Fußn.

Beispiele finden sich bei Hidien (Fußn.  961), 35 ff. v. 15.12.1994, 7 C 57 / 93, BVerwGE 97, 240, 243. 1123  OLG Hamm v. 23.09.1997, 4 U 99 / 97, DVBl 1998, 792. 1124  Otting, Öffentlicher Zweck, Finanzhoheit und fairer Wettbewerb – Spielräu­ me kommunaler Erwerbswirtschaft, DVBl 1997, 1258, 1259, Fußn. 8: Hidien (Fußn. 1061), 21. 1125  Otting (Fußn. 1124), 1259, Fußn. 9: Martens (Fußn. 4), 200. 1126  Ehlers (Fußn.  633), 92 ff. 1127  Otting (Fußn. 1124), 1259. 1128  Siehe auch Jarass (Fußn.  1108), 489 ff. 1129  Anders bei unzulässiger Monopolstellung: BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 337. 1121  Weitere

1122  BVerwG

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 199

Wettbewerber auftritt.1130 Der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 12 GG werde dadurch, abgesehen von einer gezielten Einwirkung kommunalwirt­ schaftlicher Betätigung auf private Unternehmenstätigkeit,1131 nicht berührt. Auch Art. 14 GG schütze nicht vor dem Auftreten eines Konkurrenten.1132 Zutreffend ist hierbei, dass für die grundsätzliche Zulässigkeit erwerbs­ wirtschaftlicher Betätigung Art. 134 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 2 GG spre­ chen, die zwischen Vermögen, das Verwaltungsaufgaben dient und Finanz­ vermögen, mit dem Einnahmenerzielung erstrebt wird, unterscheiden. Das Grundgesetz enthält damit jedenfalls keine prinzipielle Entscheidung gegen eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand.1133 Auch das „Prinzip des Steuerstaates“ sei nicht geeignet, ein solches Ver­ bot zu begründen, da die Erschließung anderer – auch nicht-hoheitlicher – Einnahmequellen (Beiträge, Gebühren, Konzessionsabgaben, Einnahmen aus Vermögensverwaltung) dadurch nicht ausgeschlossen sei.1134 Unstreitig ist, dass sich aus der Finanzhoheit als Bestandteil der Selbst­ verwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) auch eine Garantie für eine Mindestausstattung der Kommune mit der Befugnis zu autonomer Einnah­ men- und Ausgabenwirtschaft ergibt.1135 Dieser Anspruch richtet sich aber gegen das Land. Sei das Land selbst nicht in der Lage, für eine ausreichen­ de Finanzausstattung der Kommunen (auch für ein Mindestmaß an freiwil­ ligen Aufgaben) zu sorgen, dürfe es den Kommunen die Erschließung auch nichthoheitlicher Finanzierungsquellen für ihre Haushalte nicht verbieten. Dies könne auch dadurch geschehen, dass der Begriff des „öffentlichen Zwecks“ extensiv interpretiert werde, um einen Zustand verfassungswidri­ ger Unterfinanzierung zu vermeiden.1136 Diese Auffassung von Otting, aus der Finanzhoheit folge eine Art Selbst­ hilferecht zu erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der Gemeinden für den Fall, 1130  Otting

(Fußn. 1124), 1260. v. 18.04.1985, 3 C 34 / 84, BVerwGE 71, 183, 193. 1132  Hierzu im Einzelnen unten B. II. 2. 1133  Jarass (Fußn. 1108), 491. 1134  Otting (Fußn. 1124), 1260, Fußn. 24: Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Ver­ fassungsrecht, 1968, 207; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsver­ fassungsrecht 2. Aufl. 1984, § 16 Rdnr. 23. 1135  Otting (Fußn. 1124), 1261 m. w. N. in Fußn. 26. 1136  Otting (Fußn. 1124), 1262 f.: Allerdings sei hierbei zu berücksichtigen, dass den Kommunen damit keine konkrete Aufgabe entzogen werde, die Kommune selbst also Prioritäten für ihre Aufgaben setzen könne. Deshalb könne der Landesgesetzge­ ber aus übergeordnetem Gemeinwohlinteresse auch die kommunale Erwerbswirt­ schaft auf Bereiche beschränken, die unmittelbar zur Daseinsvorsorge gehören. Hierfür besitze er politisches Abwägungsermessen. 1131  BVerwG

200

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

dass die Beteiligung der Kommunen am Steueraufkommen nicht ausreiche, um sogar die Pflichtaufgaben zu finanzieren, ist jedoch verfassungsrechtlich bedenklich.1137 Einen abgeschlossenen Katalog von Gemeinwohlbelangen, die durch unternehmerisches Handeln verfolgt werden können, gibt es zwar nicht, doch das bloße Gewinnstreben ist jedenfalls kein öffentlicher Zweck.1138 Gemeinden dürfen das Prinzip des Steuerstaates1139 nicht durch rein auf Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeiten unterlaufen, sondern müssen sich in erster Linie durch die in Art. 105 ff. GG geregelten Einnah­ mequellen finanzieren.1140 Die Finanzverfassung nach Art. 105 ff. GG darf auch nach Auffassung von Papier weder durch die „Erfindung“ von Abga­ ben noch durch eine rein auf Gewinnerzielung ausgerichtete wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand unterlaufen werden.1141 Er geht deshalb zu Recht davon aus, dass die Nutzung von Vermögen und die erwerbswirt­ schaftliche Betätigung öffentlich-rechtlicher Körperschaften in der Regel nur im Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zuläs­ sig sind.1142 Die Erwerbswirtschaft liegt regelmäßig außerhalb des eigentlichen Aufgabenbereichs der Kommunen.1143 Auch ein rechtssystematisches Argument spricht gegen die von Otting vertretene Auffassung. Die aus dem Selbstverwaltungsrecht abgeleitete Fi­ nanzhoheit betrifft das Verhältnis der Kommune zum Staat. Bei der Abgren­ zung einer unzulässigen erwerbswirtschaftlichen Teilnahme als Wettbewer­ ber am Markt von einer verfassungsrechtlich durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten wirtschaftlichen Betätigung zur Erfüllung kommunaler Aufgaben geht es jedoch um das Verhältnis der Gemeinde zu ihren Einwohnern einerseits und zu konkurrierenden privatautonomen Leistungserbrin­ gern andererseits. Hierbei handelt es sich um grundlegende Fragen der Rechtssystematik und des Staatsverständnisses. Das Grundgesetz hat sich zwar nicht für eine 1137  Papier

(Fußn. 797), 688. (Fußn. 887), h. M., m. w. N. in Fußn. 9. 1139  Kluth (Fußn. 872), 27: „Die Steuerstaatskonzeption ist im Grundgesetz zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Sie lässt sich aber aus den Wirtschaftsgrundrechten und den Grundlinien der Finanzverfassung ableiten.“ Siehe hierzu Nachweise in Fußn. 16. 1140  Pünder / Dittmar (Fußn. 887). 1141  Papier (Fußn. 797), 689, Fußn. 19: Ehlers (Fußn. 1103), 499, BVerfG v. 07.08.1982, 2 BvR 1187 / 80, BVerfGE 61, 82, 106 f.; demgegenüber vertritt Jarass (Fußn. 1108), 490, die Auffassung, aus Art. 105 Abs. 1 Satz 1 GG ergebe sich, dass Einnahmen aus Finanzmonopolen als wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen für den Staat sehr wohl auch Gegenstand der Finanzverfassung des Grundgesetzes seien. 1142  Vgl. auch BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 334. 1143  Papier (Fußn. 797), 689. 1138  Pünder / Dittmar

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 201

bestimmte Wirtschaftsordnung entschieden, sondern verhält sich im Sinne eines wirtschaftspolitischen Liberalismus neutral.1144 Andererseits ist durch die Staatszielbestimmung des Sozialstaatsprinzips, dessen Ausformung die kommunale Daseinsvorsorge ist,1145 eine wirtschaftspolitische Verantwor­ tung des Staates verankert. Damit ist es auch Aufgabe des Staates, durch staatliche Leistungen und soziale Gestaltung zu einer freiheitlichen und gerechten Ordnung beizutragen und sich nicht einfach gegenüber der auto­ nomen gesellschaftlichen Sphäre abstinent zu verhalten.1146 Wie auch das BVerfG1147 stets betont hat, enthält das Grundgesetz kein Verbot einer wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, sondern die Sozialstaatsklausel und Art. 109 Abs. 2 GG weisen ihr sogar eine aktive Gestaltungsrolle auf wirtschaftlichem Gebiet zu. Das Sozialstaatsprinzip ermächtigt die öffentliche Hand generell zu einer aktiven Gesellschafts- und Sozialpolitik. In erster Linie ist es jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, das Sozialstaatsprinzip zu konkretisieren. Art. 28 Abs. 2 GG garantiert den Ge­ meinden dabei ein eigenes (begrenztes) wirtschaftliches Mandat.1148 Die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wirtschaftsverkehr kann damit sozialoder erwerbswirtschaftlichen Zielen dienen.1149 Der Gesetzgeber kann im Rahmen weit gesteckter verfassungsrechtlicher Schranken Gegenstände zu einer öffentlichen Aufgabe bestimmen, zu einer Staatsfunktion oder zur (hoheitlichen) Kompetenz erklären.1150 Die Erklä­ rung einer Sachmaterie zur Staatsfunktion und ihre Wahrnehmung durch die Behörden nimmt die Aufgabe aus der privatautonomen Bestimmung der Gesellschaft heraus und schränkt sie insoweit ein. Was öffentliche Aufgaben sind, wird vom Parlament und im gesetzlichen Rahmen von der Regierung entschieden. Grenzen ergeben sich nur aus den Grundrechten und aus kompetenziellen Schranken.1151 1144  Grundlegend

BVerfG v. 20.07.1954, 1 BvR 459 / 52 u. a., BVerfGE 4, 7. oben Fußn. 812. 1146  Brohm (Fußn. 545), 282 m. w. N. in Fußn. 15. 1147  BVerfG v. 20.07.1954, 1 BvR 459 / 52 u. a., BVerfGE 4, 7, 17 f.; BVerfG v. 11.06.1958, 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377, 400; BVerfG v. 17.05.1961, 1 BvR 561 / 60 u. a., BVerfGE 12, 354, 363; BVerfG v. 01.03.1979, 1 BvL 21 / 78, BVerfGE 50, 290, 336 ff. 1148  Ehlers (Fußn. 633), 89, Fußn. 78 m. w. N. 1149  Ehlers (Fußn. 633), 89, Fußn. 79 m. w. N. 1150  Brohm (Fußn. 545), 283 Fußn. 20: Brohm (Fußn. 633) 159 ff.; insofern be­ deutet die Begründung einer Kompetenz immer zweierlei: Die Erklärung einer Tä­ tigkeit zur hoheitlichen Aufgabe, also ihre Unterstellung unter das öffentlich-recht­ liche Regime, und weiter die Festlegung, unter Umständen auch die organisatorische Errichtung der für die Wahrnehmung der Aufgabe zuständigen Stelle. 1151  Jarass (Fußn. 1108), 490. 1145  Siehe

202

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Der den Einzelnen mit den Grundrechten gewährte Anteil an der Wirt­ schafts- und Sozialgestaltung schließt jedoch eine absolute Herrschaft des politischen Systems über die Wirtschaft aus. Wettbewerb ist grundsätzlich der Wettbewerb unter Privaten, wobei der Staat kein geborener Mitspieler ist. Tritt er als Marktteilnehmer auf, dann ist dies Intervention.1152 Damit stehen auch Liberalisierungsmaßnahmen im größeren Rahmen des Verhält­ nisses von Staat und Gesellschaft.1153 Bietet der Staat Leistungen an, so hat dies eine grundrechtliche Dimen­ sion. Der Staat braucht eine Kompetenz, wenn er sich wirtschaftlich betäti­ gen will,1154 dabei unterliegt auch die wirtschaftliche Betätigung der Kom­ munen im Bereich der Daseinsvorsorge einer gesteigerten Legitimations­ pflicht.1155 Wo Daseinsvorsorge mit Eingriffen in Freiheiten verbunden ist oder ein bestehendes System marktwirtschaftlicher Ordnung durchbricht, bedarf sie einer hoheitlichen Grundlage.1156 Diese Grundlage findet sich in den jeweiligen den Rahmen einer wirt­ schaftlichen Betätigung bildenden landesrechtlichen Vorschriften, die über­ einstimmend klarstellen, dass nur eine rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit nicht von einem „öffentlichen Zweck“ umfasst ist. Der jeweilige Landesgesetzgeber ist damit durch höherrangiges Recht nicht grundsätzlich gehindert, in Ergänzung zu einer dem „öffentlichen Zweck“ dienenden Aufgabenerfüllung auch Annextätigkeiten und erwerbs­ wirtschaftliche Nebengeschäfte unter Beachtung des Grundsatzes der Ver­ hältnismäßigkeit zuzulassen. bb) Zulässige erwerbswirtschaftliche Nebenzwecke und Annextätigkeiten In der Rechtsprechung spielt die Unterscheidung zwischen Haupt-, Hilfsund Nebengeschäften – auch ressourcennutzende sowie ressourcenunabhän­ gige Rand- und Annexnutzungen genannt – eine nicht zu unterschätzende 1152  Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, in: Dreier / Holou­ bek / Löwer / Pauly / Pernice / Puhl (Hg.), Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Leipzig vom 4. bis 6. Oktober 2000, VVDStRL (60), 2001, 416, 419. 1153  Schmidt (Fußn. 855), Fußn. 1: insbesondere Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben 2001, 28  ­ ff., 134  ff. Kämmerer, Privatisierung 2001, 526 ff. 1154  Schmidt (Fußn. 855), 227. 1155  Pielow (Fußn.  1054), 475 m. w. N.; Vollmöller, Formelle Privatisierung als eigenverantwortliche Entscheidung der Gemeinden, ThürVBl. 1996, 193, ff. 1156  Heinze (Fußn. 829), 36.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 203

Rolle. Selbstverwaltung als öffentliche Zweckverfolgung setzt insoweit verfassungsrechtliche Maßstäbe. Bei erwerbswirtschaftlicher Betätigung liegt die Erwirtschaftung von Ge­ winnen nicht unmittelbar im öffentlichen Interesse. Das Grundgesetz lässt hierbei hinreichend deutlich erkennen, dass nicht erwerbswirtschaftliche Einkünfte, sondern Steuern die Haupteinnahmequelle des Staates und der unterstaatlichen Rechtsträger bilden sollen.1157 Werden die gelegentlich der Haupttätigkeit oder als deren Annex erwirtschafteten Gewinne etwa zur Erfüllung rechtmäßiger Verwaltungsaufgaben verwendet, ist jedoch der End­ zweck ein öffentlicher.1158 Die verfassungsrechtliche Billigung hierfür ergibt sich aus Art. 110 Abs. 1 GG, der unter anderem die „Ablieferung“ der Überschüsse regelt.1159 Auch das Prinzip der Wirtschaftlichkeit der Verwal­ tung rechtfertigt etwa zur besseren Auslastung personeller oder sachlicher Kapazitäten die Übernahme gewinnbringender Zusatzaktivitäten.1160 Zuläs­ sig sind damit ressourcennutzende Nebengeschäfte, sofern ihnen ein auf das Gemeinwohl der eigenen Einwohner ausgerichtetes Hauptgeschäft zugrunde liegt und sie nach Art und Umfang für die Geschäftstätigkeit von unterge­ ordneter Bedeutung sind.1161 Für das Wirtschaftlichkeitskriterium gilt eine Einschätzungsprärogative der Gemeinde, die jedoch nicht nur einzelne Sparten betrachten darf, son­ dern das gesamte Unternehmen in einen Wirtschaftlichkeitsvergleich einbe­ ziehen muss.1162 Dabei legitimiert das Wirtschaftlichkeitsprinzip auch Rand­ nutzungen bzw. Annextätigkeiten, die selbst keinem unmittelbaren öffentli­ chen Zweck, sondern nur der Abrundung oder Ergänzung der Haupttätigkeit dienen.1163 Der Begriff ist aber eng zu interpretieren und zwar in Relation zu Gewicht, Dauer und Intensität, mit der die Annextätigkeit wahrgenom­ men wird.1164 1157  Ehlers

(Fußn. 633), 93, Fußn. 102 m. w. N. (Fußn. 633), 92; BGH v. 11.05.1989, I ZR 91 / 87, GRUR 1989, 603, 605: Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb III. 1159  Ehlers (Fußn. 633), 94. 1160  Ehlers (Fußn. 633), 95. 1161  Vgl. § 91 Abs. 5 Halbsatz 2 BbgKVerf für Nebenleistungen, die der Ausnut­ zung bestehender sonst brachliegender Kapazitäten bei der Gemeinde oder dem Unternehmen dienen. 1162  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 101, Fußn. 183: VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, 995. 1163  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 104, Fußn. 196: Ehlers (Fußn. 633), 95. 1164  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 105, Fußn. 202: Ruffert, Grund­ lagen und Maßstäbe einer wirkungsvollen Aufsicht über die kommunale wirtschaft­ liche Betätigung, VerwArch 2001, 27, 42. 1158  Ehlers

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Nach der Rechtsprechung des BayVGH ist eine Ressourcennutzung zu­ lässig, wenn sie mit der Erfüllung des öffentlichen Zwecks vereinbar ist,1165 d. h., wenn durch diese gewinnorientierte Tätigkeit die öffentliche Zweck­ setzung im Interesse der Gemeindeeinwohner nicht beeinträchtigt wird.1166 § 91 Abs. 5 Halbsatz 1 BbgKVerf versucht dies einfachgesetzlich wie folgt umzusetzen: Im Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung dürfen Nebenleis­ tungen nur erbracht werden, wenn diese im Wettbewerb üblicherweise (zusammen) mit der Hauptleistung erbracht werden, diese nach Art und Umfang für die Geschäftstätigkeit von untergeordneter Bedeutung sind und den öffentlichen Hauptzweck nicht beeinträchtigen.1167 Für gerechtfertigt erklärt auch § 108 Abs. 3 Satz 1 Saarl.KSVG die mit der Haupttätigkeit verbundenen Tätigkeiten, die üblicherweise im Wettbe­ werb zusammen mit der Haupttätigkeit erbracht werden; mit der Ausführung solcher Tätigkeiten sollen jedoch private Dritte beauftragt werden. Auch spricht nichts gegen eine Gewinnmitnahme, so dass eine Rand­ nutzung,1168 etwa zur Unterstützung einer nichtwirtschaftlichen Haupttätig­ keit (z. B. Krankenhauskiosk) oder eine Annextätigkeit, die sonst brach liegendes Wirtschaftspotenzial ausnutzt (z. B. Vermietung von Werbeflächen) zulässig ist.1169 Die Ausnutzung freier Kapazitäten zur Steigerung der Ren­ tabilität ohne einen eigenen unmittelbaren öffentlichen Zweck wird nicht nur für zulässig gehalten, soweit diese ausschließlich zur Deckung des Ei­ genbedarfs oder eines nur vorübergehenden Fremdbedarfs eingesetzt wer­ den.1170 Soweit die Kapazitäten für die Erfüllung des öffentlichen Zwecks notwendig sind, ist ihre Auslastung sogar geboten. Sie stellt aber entgegen einer vom OVG Münster vertretenen Auffassung nicht als solche einen öf­ fentlichen Zweck dar.1171 1165  Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Art. 87 BayGO, Rdnr. 21: BayVGH v. 21.03.2011, 4 BV 10.108, BayVBl 2011, 632, 637. 1166  Ehlers (Fußn. 633), 95; dies wäre beispielsweise der Fall bei Vermietung eines als kommunale öffentliche Einrichtung betriebenen Hallenbades zur Gewinn­ erzielung, wenn dadurch der allgemeine Badebetrieb für die Einwohner einge­ schränkt werden müsste. 1167  Hierzu auch Nierhaus (Fußn. 723), 40. 1168  BVerwG v. 21.04.1989, 7 C 48 / 88, BVerwGE 82, 29, 34. 1169  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), Fußn. 11: Ehlers (Fußn. 1103), 500; Schink, Wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, NVwZ 2002, 129, 134 f. 1170  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 108, Fußn. 211: OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520 zum Betrieb eines Fitness-Studios in einem kommunalen Parkhaus als zulässiger wirtschaftlicher Annex zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit; hierzu kritisch Grooterhorst / Törnig (Fußn. 1065); vgl. auch OVG Münster v. 12.10.2004, 15 B 1873 / 04, NVwZ 2005, 1211. 1171  OVG Münster v. 01.04.2008, 15 B 122 / 08, NVwZ 2008, 1031, 1035.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 205

Als zu weitgehend erscheint auch die Ansicht des OVG Münster1172, unternehmensgegenstandsfremde Handlungen seien zulässig, wenn es sich um Hilfs- oder Nebengeschäfte handele, wie dies nach Ansicht des Gerichts für die Vermietung eines Fitness-Studios auf einem kommunalen Parkhaus gelte. Es hält für die Anwendung des § 107 Abs. 1 GO NRW in der damals geltenden Fassung des „Betriebs von Unternehmen“ nicht eine handlungs­ bezogene, sondern eine betriebsbezogene Betrachtungsweise für maßgeb­ lich, weil die Legaldefinition des § 107 Abs. 1 Satz 3 GO NRW auf den „Betrieb von Unternehmen“ abstelle. Damit sei zu fragen, ob sich das Un­ ternehmen noch im Rahmen des Unternehmensgegenstandes bewege. So werde eine auf jede einzelne unternehmerische Handlung blickende „atomi­ sierende“ Betrachtungsweise vermieden. Das Gericht greift dann auf die im Gesellschaftsrecht angewandten Kriterien zurück und hält eine eigentlich gegenstandsfremde Tätigkeit für zulässig, wenn sie der Wirtschaftlichkeit der Unternehmensführung dient.1173 Damit seien der Unternehmensführung auf unternehmensgegenstandsfremdem Feld neben den Hilfsgeschäften, die die Voraussetzungen für die Verfolgung des Unternehmensgegenstandes schaffen, auch Nebengeschäfte gestattet, wenn sie nur der Wirtschaftlichkeit der Unternehmensführung dienten. Hierbei handelt es sich um Tätigkeiten, die nicht in der Wahrnehmung von Marktchancen in Erweiterung des Un­ ternehmensgegenstandes bestehen, sondern in wirtschaftlicher Nutzung von zurzeit nicht benötigten Unternehmensgegenständen oder von zurzeit nicht ausgelasteten Unternehmensteilen ausgeübt werden. Dieser Gesichtspunkt finde sich so im Kommunalwirtschaftsrecht, wonach Vermögensgegenstände „wirtschaftlich zu verwalten“ seien (siehe jetzt: § 90 Abs. 2 GO NRW) und die Haushaltswirtschaft „wirtschaftlich zu führen“ sei (jetzt: § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW). Allerdings geht das Gericht mit dem betriebsbezogenen Ansatz1174 nicht der Frage nach, ob der Unternehmensgegenstand selbst nicht zu weit gefasst ist und ob er sich noch im kommunalrechtlich zulässigen Rahmen bewegt. Es umgeht damit die entscheidende Fragestellung nach der Ausrichtung des Unternehmensgegenstandes am „öffentlichen Zweck“. Hierfür entscheidend ist die notwendige Ausgestaltung der Gesellschafts­ verträge und Unternehmenssatzungen vor allem von kommunalen Unterneh­ men in Privatrechtsform, insbesondere bei gemischtwirtschaftlichen Unter­ 1172  OVG

Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1522. (Fußn. 768), 65 Fußn. 51: OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1522 ff. 1174  Den betriebsbezogenen Ansatz ablehnend Grooterhorst / Törnig (Fußn. 1065), 690. 1173  Oebbecke

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

nehmen und Beteiligungsunternehmen.1175 Zur Einhaltung des „öffentlicher Zwecks“ und zur Gewährleistung der Durchsetzbarkeit der sich hieraus er­ gebenden Anforderungen ist eine „Zweckprogrammierung“ dieser Unter­ nehmen gerade im Hinblick auf die das Kommunalrecht überlagernden Regelungen des Gesellschaftsrechts geboten.1176 Der öffentliche Zweck, der im Gesellschaftsvertrag bzw. der Unternehmenssatzung konkret festgelegt werden sollte,1177 darf dabei nicht mit dem allgemein das Tätigkeitsfeld umschreibenden „Unternehmensgegenstand“ verwechselt werden.1178 Hilfreich für die Entscheidungsfindung zur Konkretisierung der Zweck­ bindung bei der Errichtung eines solchen Unternehmens können auch eine Marktanalyse oder ein Markterkundungsverfahren sein.1179 Auch Art. 106 Abs. 2 AEUV erfordert eine klare Festlegung des öffentlichen Zwecks.1180 Diese Verfahren dienen allerdings ausschließlich der Informationsgewinnung der Entscheidungsgremien und der Transparenz des Verfahrens, gewähren aber keinen Drittschutz.1181 cc) Örtlichkeitsprinzip und überörtliche wirtschaftliche Betätigung Da die Gemeinden als Verwaltungsträger nur innerhalb ihrer Kompeten­ zen handeln dürfen, haben auch kommunale Unternehmen bei wirtschaft­ licher Betätigung die Grenzen des örtlichen Bezugs zu beachten.1182 Der Gesetzgeber kann allerdings die Zuständigkeiten von Gemeinden über den von der Selbstverwaltungsgarantie erfassten örtlichen Bereich hinaus erwei­ 1175  Vgl. hierzu insbesondere Art. 92 Abs. 1 Satz 1 Nr.  1 BayGO: „Gemeindliche Unternehmen in Privatrechtsform und gemeindliche Beteiligungen an Unternehmen in Privatrechtsform sind nur zulässig, wenn im Gesellschaftsvertrag oder in der Sat­ zung sichergestellt ist, dass das Unternehmen den öffentlichen Zweck gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erfüllt.“ 1176  Vgl. hierzu Kapitel 3 Abschnitt A. II. 2. 1177  Scharpf (Fußn. 723), 509, Fußn. 132: Mann (Fußn. 358), 84; Schön, Der Ein­ fluß öffentlich-rechtlicher Zielsetzungen auf das Statut privatrechtlicher Eigengesell­ schaften der öffentlichen Hand, ZGR 1996, 429, 440. 1178  Scharpf (Fußn. 723), 509, Fußn. 133: Ehlers (Fußn. 500), 142. 1179  Vgl. oben Fußn. 908. 1180  Scharpf (Fußn. 723), 511, Fußn. 142: Nettesheim, Mitgliedstaatliche Daseins­ vorsorge im Spannungsfeld zwischen Wettbewerbskonformität und Gemeinwohlver­ antwortung, in: Hrbek / Nettesheim (Hg.), Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, 2002, 39, 53. 1181  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 764; vgl. OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1521; a. A. Antweiler (Fußn. 907), 1467. 1182  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 761 m. w. N. in Fußn. 25.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 207

tern und eine wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets ausdrücklich zulassen.1183 Eine solche Erweiterung hat der Landesgesetzgeber den Gemeinden viel­ fach gestattet. Hierbei geht es vorrangig darum, für die Wettbewerbsteilnah­ me kommunaler Unternehmen, insbesondere auf liberalisierten Märkten, günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Erreichung bestimmter effizienter Betriebsgrößen sowie die wirtschaftliche Ausnutzung vorhandenen Sachverstandes soll dadurch begünstigt und die Wettbewerbs­ fähigkeit verbessert werden. Damit wird ein bislang sekundärer Aspekt zur primären und vorrangigen Rechtfertigung einer wirtschaftlichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht erhoben. Die Ratio des Territorialitätsprinzips liegt nicht im Schutz vor auswärtiger Konkurrenz, der ohnehin nur in Bezug auf öffentlich-rechtliche Konkurrenten möglich wäre, sondern in der Ge­ währleistung einer den Einwohnern der Heimatkommune dienenden Zweck­ bindung.1184 Da die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung an das ei­ gene Gebiet und die Einwohner bezogenen Aufgaben anknüpft, übt eine Kommune bei überörtlicher Tätigkeit keine Selbstverwaltung mehr aus, bezieht also dafür ihre Legitimation nicht vom Souverän nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG. Kluth hält die überörtliche wirtschaftliche Betätigung insoweit auch nicht mehr für demokratisch legitimiert.1185 Da die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung stets auf das eigene Gemein­ degebiet beschränkt ist,1186 wird teilweise angenommen, Art. 28 Abs. 2 GG stelle nicht nur eine Garantie, sondern auch eine Grenze jeglicher kommu­ naler Betätigung dar,1187 die von kommunalen Unternehmen nicht überwun­ den werden könne. Deshalb könne auch der Landesgesetzgeber nicht durch einfachgesetzliche Normen eine wirtschaftliche Betätigung außerhalb der Gemeindegrenzen gestatten.1188 Entsprechende Regelungen seien verfas­ sungswidrig.1189 Die gemeindliche Verbandskompetenz des Art. 28 Abs. 2 GG sei auf das örtliche Wirkungsfeld beschränkt. Da Kommunen auch dann öffentliche Aufgaben der Verwaltung wahrnehmen, wenn sie sich (erwerbs­ wirtschaftlich) in Privatrechtsform betätigen und Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG 1183  Pünder / Dittmar

(Fußn. 887), 762; vgl. auch Art. 87 Abs. 2 BayGO. (Fußn. 1034), 745. 1185  Kluth (Fußn. 872), 36; Ihre Legitimität bezieht eine solche überörtliche Be­ tätigung ausschließlich aus der jeweiligen Ermächtigung durch den Landesgesetz­ geber. 1186  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 79. 1187  Ehlers (Fußn. 1103), 503; Ruffert (Fußn. 1164), 34. 1188  Ehlers (Fußn. 887), 5. 1189  Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge 2005, 87. 1184  Heintzen

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

von „allen“ Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft spricht, fielen auch diese Betätigungen unter die Einschränkungen durch das Örtlichkeitsprin­ zip. Damit begrenze Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG die kommunalen Handlungs­ befugnisse.1190 Die Schutzbereichsgrenzen seien zugleich Kompetenzgren­ zen.1191 Auch unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips gebe es keine Legitimation für kommunales wirtschaftliches Handeln jenseits eines Bezugs auf die örtliche Gemeinschaft.1192 Dieser diene auch der Risikobe­ grenzung. Die Erbringung wirtschaftlicher Leistungen an Gebietsfremde im Wege gezielt aktiver Grenzüberschreitung sei mithin prinzipiell unzulässig, weil die Verbandskompetenz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG mittelbar auch die Kommunalwirtschaft in räumlicher Hinsicht begrenze.1193 Ob die Grenzen des Schutzbereichs von Art. 28 Abs. 2 GG zugleich Kompetenzgrenzen sind, ist allerdings strittig.1194 Zwar besitzt die kommu­ nale Selbstverwaltungsgarantie eine horizontale und eine vertikale Kompo­ nente.1195 Sie sichert und grenzt damit auch die räumlichen Zuständigkeits­ bereiche gegenüber staatlichen Hoheitsträgern (vertikal) und gegenüber den einzelnen Gemeinden (horizontal) im Sinne eines Rundumschutzes1196 ab. „Der Legitimationsstrang gilt auch im horizontalen Verhältnis benachbarter Gemeindevölker“.1197 Die divergierenden Ansichten über die Verfassungs­ mäßigkeit von Gemeinderechtsvorschriften über eine wirtschaftliche Be­ tätigung außerhalb des Gemeindegebiets1198 beruhen auf dem unterschied­ 1190  Guckelberger, Die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen au­ ßerhalb des Gemeindegebiets, BayVBl 2006, 293, 295, Fußn. 42: so auch Ehlers (Fußn. 887), 5. 1191  Nierhaus (Fußn. 723), 45 m. w. N. in Fußn. 59: Tettinger (Fußn. 599), 192 und 193 Fußn. 23: Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hg.), Grundgesetz für die Bundesre­ publik Deutschland, 2004, Art. 28 GG, Rdnr. 10, mit Kritik an der Auffassung von Papier (Fußn. 797), 688, der für die Zulässigkeit einer landesgesetzlichen Ermäch­ tigung eine Rechtfertigung „nach politischen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten“ für „überörtliche“ wirtschaftliche Betätigung anführt. 1192  Nierhaus (Fußn. 723), 42 m.  w. N. in Fußn. 41 zur sog. kommunalverfas­ sungsrechtlichen „ne-ultra-vires-Lehre“. 1193  Nierhaus (Fußn. 723), 52. 1194  Jarass (Fußn. 1048), 2, Fußn. 21: befürwortend mit Bindungswirkung für den Gesetzgeber: Löwer, Die Stellung der Kommunen im liberalisierten Strommarkt, NWVBl 2000, 241, 244; Ehlers (Fußn. 1103), 504. 1195  Siehe oben A. II. 2. d). 1196  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 80. 1197  Nierhaus (Fußn. 723), 53. 1198  Vgl. hierzu Franz (Fußn. 1189), 87, einerseits, der die Regelungen für ver­ fassungswidrig hält und andererseits Tettinger / Schwarz, in: von Mangoldt / Klein /  Starck (Hg.), Kommentar zum Grundgesetz, 2010, Art. 28 Abs. 2 GG, Rdnr. 226, der darin sachgebietsbezogen, z. B. im ÖPNV, sogar eine gebotene Regelung sieht.

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lichen Verständnis der Reichweite des gemeindlichen Selbstverwaltungs­ rechts.1199 Entscheidend dafür ist die örtliche Radizierung einer Angelegenheit.1200 Art. 28 Abs. 2 GG kommt den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Kommunen zugute, wenn sie einen Bezug zu der örtlichen Gemeinschaft aufweisen.1201 Ein solcher liegt auch vor, wenn eine überörtliche Maßnahme gewichtige Auswirkungen auf örtliche Angelegenheiten besitzt oder in sogenannten Gemengelagen.1202 Die Verfechter des Schutzbereichs als Kompetenzgrenze stützen ihre Auf­ fassung aber nach der hier vertretenen Ansicht zu Unrecht auf den RastedeBeschluss des BVerfG, denn dieser stellt nur klar, dass die Berufung auf die Allzuständigkeit die Gemeinden nur in örtlichen Angelegenheiten ermäch­ tigt, nicht aber in anderen Bereichen.1203 Das BVerfG hat darin aber aus­ drücklich anerkannt, dass es dem Landesgesetzgeber freigestellt sei, den Gemeinden überörtliche Aufgaben zuzuordnen,1204 die dann aber an der auf das eigene Gemeindegebiet beschränkten Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG nicht teilhaben. Deshalb folgt aus dem fehlenden verfassungsrechtlichen Schutz für eine die Gemeindegrenzen überschreitende wirtschaftliche Betä­ tigung nicht ohne weiteres deren rechtliche Unzulässigkeit.1205 Mit der verfassungsrechtlichen Verankerung der kommunalen Selbstver­ waltungsgarantie sollte dem Selbstbestimmungsrecht der Gemeindebürger erhöhte Geltung verschafft werden.1206 Die Verlagerung demokratischer Willensbildungsprozesse auf das gemeindliche Teilvolk als sachnähere Per­ soneneinheit impliziert zugleich gewisse Betroffenheitselemente.1207 Wäh­ rend die wirtschaftliche Betätigung der Privaten ihren Ursprung in den Grundrechten hat, können sich die Gemeinden nur auf das in Art. 28 Abs. 2 1199  Guckelberger

(Fußn. 1190), 294. (Fußn. 1190), 294, Fußn. 21: BVerwG v. 06.04.2005, 8 CN 1 / 03, NVwZ 2005, 963, 959; Jarass (Fußn. 1048), 2; Lux, Das neue kommunale Wirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, NWVBl 2000, 7, 9. 1201  Jarass (Fußn. 1048), 2, Fußn. 11: Gern, Wirtschaftliche Betätigung der Ge­ meinden außerhalb des Gemeindegebiets, NJW 2002, 2593. 1202  Jarass (Fußn. 1048), 2 m. w. N. in Fußn. 17 und 18. 1203  Jarass (Fußn. 1048), 2; Vgl. BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 152: „Der Gesetzgeber ist … in seiner Zuordnung frei, wenn die Aufgabe keinen oder keinen relevanten örtlichen Charakter besitzt.“ 1204  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 152. 1205  So auch Jarass (Fußn. 1108), 498. 1206  Guckelberger (Fußn. 1190), 295, Fußn. 43: BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 149. 1207  Guckelberger (Fußn. 1190), 295, Fußn. 44: Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft, 2003, 116. 1200  Guckelberger

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

GG mit einem Gesetzesvorbehalt ausgestaltete Selbstverwaltungsrecht beru­ fen.1208 Dabei würde das Selbstbestimmungsrecht der Gemeindebürger un­ angemessen verkürzt, wenn sie ihre Interessen nicht auch im wettbewerbs­ geprägten Bereich geltend machen könnten, da die wirtschaftliche Betäti­ gung nur ein Mittel zur gemeindlichen Aufgabenerfüllung ist.1209 Da sich der Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auch auf die von der Gemeinde wahrzunehmenden Aufgaben bezieht,1210 ermöglicht er dem Landesgesetzgeber auch, den Aufgabenkreis über die örtlichen Aufga­ ben hinaus zu erweitern, allerdings unter Beachtung des Selbstverwaltungs­ rechts der Zielgemeinde.1211 Als zentrale verfassungsrechtliche Schutznorm des Grundgesetzes zugunsten der Kommunen1212 setzt Art. 28 Abs. 2 GG Grenzen für Eingriffe in die Selbstverwaltungsgarantie anderer Gemeinden, wenn diese Auswirkungen gewichtiger Art besitzen.1213 Diese Eingriffe können aber durch gesetzliche Regelungen gerechtfertigt sein. Liegt ein Eingriff vor, so ist er zulässig, wenn damit – gestützt auf den Regelungs­ vorbehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG – ein öffentlicher Zweck auf gesetz­ licher Grundlage in verhältnismäßiger Weise verfolgt wird.1214 Diese vom jeweiligen Landesgesetzgeber im Rahmen seiner weiten Ge­ staltungsfreiheit1215 definierten „öffentlichen“ Zwecke gehen über die von der Selbstverwaltungsgarantie umfassten einwohnerbezogene Zweckbin­ dung hinaus und erfassen auch sekundäre Zwecke wie etwa die Verbesse­ rung der Wettbewerbsfähigkeit durch Erweiterung des Marktgebiets. Es müssen aber stets „gemeinwohlbezogene“ Zwecke im Sinne staatlicher Pu­ blizität sein. Für eine „örtliche“ wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindege­ biets ist dagegen ein ausreichender Gebietsbezug erforderlich. Überörtlich ist eine Betätigung immer, wenn ihr bei funktionaler Betrachtung der „Be­ zug“ zum Gemeindegebiet oder zur Gemeindebevölkerung fehlt, sie also nicht „örtlich radiziert“ ist, also diesen nicht zugutekommt.1216 So sind 1208  Guckelberger

(Fußn. 1190), 295. (Fußn. 1190), 295, Fußn. 53: Brosius-Gersdorf, Wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden außerhalb ihres Gebiets, AöR 130, 392, 423 ff. 1210  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 143 f. 1211  Guckelberger (Fußn. 1190), 296, Fußn. 69: Becker, Grenzenlose Kommunal­ wirtschaft, DÖV 2000, 1032, 1037; Brosius-Gersdorf (Fußn. 1209), 401. 1212  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 31. 1213  Jarass (Fußn. 1048), 4, Fußn. 40: BVerwG v. 01.08.2002, 4 C 5 / 01, ­BVerwGE 117, 25, 32. 1214  Jarass (Fußn. 1048), 6. 1215  Vgl. Fußn. 1083. 1216  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 78. 1209  Guckelberger

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 211

Beteiligungen auch von küstenfernen Gemeinden an Off-shore-Windkraftan­ lagen örtliche Betätigung.1217 Dagegen genügt ein bloß „wirtschaftlich-fis­ kalischer Bezug“ zum Gemeindegebiet nicht.1218 Eine überörtliche wirt­ schaftliche Betätigung erhält nicht allein dadurch den nötigen Ortsbezug, dass die erzielten Einnahmen für gemeindliche Zwecke verwendet werden,1219 da das Örtlichkeitsprinzip ansonsten kaum noch begrenzend wirken würde.1220 Insofern ist stets eine Einzelfallprüfung erforderlich.1221 Mit Rücksicht auf das Selbstverwaltungsrecht der Zielkommunen for­ dern die jeweiligen landesrechtlichen Zulässigkeitsvorschriften für extrater­ ritoriale Betätigungen,1222 dass die Voraussetzungen der Schrankentrias vorliegen müssen und die berechtigten Interessen der betroffenen Gemein­ den gewahrt sind.1223 Jedoch dürften an den „öffentlichen Zweck“ nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie bei rein örtlichen Angelegen­ heiten.1224 Die Kommune des betroffenen Gebiets kann sich auf einen mangelnden Gebietsbezug fremdgemeindlicher wirtschaftlicher Betätigung berufen.1225 Ein subjektives Recht der Zielgemeinde als Abwehrrecht1226 gegen eine fremde wirtschaftliche Betätigung in ihrem Gebiet kann entwe­ der direkt aus Art. 28 Abs. 2 GG entnommen werden1227 oder nach der 1217  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 78, Fußn. 63: Henneke / Ritgen /  Henneke-Ritgen, Kommunales Energierecht 1. Aufl. 2010, 46. 1218  Jarass (Fußn. 1048), 4. 1219  Guckelberger (Fußn. 1190), 294, Fußn. 25: Hösch, Öffentlicher Zweck und wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, DÖV 2000, 393, 405; Papier (Fußn. 797), 688 f.; Ehlers (Fußn. 887), 6; Lux (Fußn. 1200), 10. 1220  Guckelberger (Fußn. 1190), 294, Fußn. 26: Pielow (Fußn. 1054), 377; Uecht­ ritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 78. 1221  Guckelberger (Fußn. 1190), 294, Fußn. 27: Moraing, Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb und Gemeindewirtschaftsrecht, Gemeindehaushalt 1998, 223, 245. 1222  § 102 Abs. 7 GemO BW, Art. 87 Abs. 2 BayGO, § 121 Abs. 5 HGO, § 107 Abs. 3 Satz 1, § 107a Abs. 3 GO NRW, § 85 Abs. 2 GemO Rhl-Pf., § 108 Abs. 4 Saarl.KSVG, § 116 Abs. 3 und 4 GO LSA, § 101 Abs. 2 GO SH, ebenso in § 101 Abs. 3 GO SH für die inländische wirtschaftliche Betätigung außerhalb von Schles­ wig-Holstein, § 71 Abs. 4 ThürKO. 1223  Nierhaus (Fußn. 723), 54. 1224  Guckelberger (Fußn. 1190), 297, Fußn. 77: So auch Jarass (Fußn. 1048), 10 und OLG Düsseldorf v. 17.06.2002, VII-Verg 18 / 02 u. a., NZBau 2002, 626 = NWVBl 2003, 192, 199. 1225  BVerwG v. 15.12.1989, 4 C 36 / 86, BVerwGE 84, 209, 214 f. 1226  Kühling, Verfassungs- und kommunalrechtliche Probleme grenzüberschrei­ tender Wirtschaftsbetätigung der Gemeinden, NJW 2001, 177, 180; Jarass (Fußn. 1108), 500. 1227  Guckelberger (Fußn. 1190), 298, Fußn. 91: Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 89.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Schutznormtheorie1228 aus den Gesetzesregelungen zur überörtlichen Wirt­ schaftsbetätigung.1229 Der Widerspruch der Zielgemeinde indiziert die Un­ zulässigkeit, deren Zustimmung die Zulässigkeit der jeweiligen überört­ lichen Betätigung.1230 Überörtliches hoheitliches aber auch erwerbswirt­ schaftliches1231 Tätigwerden ohne eine die rechtlich geschützten Interessen wahrende Zustimmung der jeweiligen Zielgemeinde oder bei fehlender gesetzlicher Ermächtigung1232 findet dagegen keine Rechtfertigung.1233 Bei inländischer wirtschaftlicher Betätigung jenseits der jeweiligen Lan­ desgrenze ist sowohl das Kommunalrecht der expandierenden Gemeinde als auch das der Zielgemeinde zu beachten.1234 Eine Versorgung von Sonderkunden mit Energie jenseits der Gemeinde­ grenzen ist überörtliche wirtschaftliche Betätigung.1235 Soweit Gemeinde­ ordnungen berechtigte Interessen von Zielgemeinden auf liberalisierten Märkten nur anerkennen, wenn wettbewerbsrechtliche oder energierechtliche Vorschriften eine Wettbewerbsbeschränkung zulassen, zielen diese Bestim­ mungen auf eine Harmonisierung kommunaler überörtlicher Betätigung mit den Anforderungen des Energiewirtschaftsrechts, etwa an die Durchleitung 1228  Guckelberger (Fußn. 1190), 298, Fußn. 89: BVerfG v. 17.12.1969, 2 BvR 23 / 65, BVerfGE 27, 297, 307; BVerwG v. 06.10.1989, 4 C 14 / 87, BVerwGE 82, 343, 344. 1229  Guckelberger (Fußn. 1190), 298 Fußn. 90: Koehler, Die Reform des Gemein­ dewirtschaftsrechts in Nordrhein-Westfalen – zu Inhalt und Verfassungsmäßigkeit des § 107 GO NW nF, VR 2000, 44, 48 f.; Kühling (Fußn. 1226), 180. 1230  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 89. 1231  A. A. Wieland, Kommunalwirtschaftliche Betätigung unter veränderten Wett­ bewerbsbedingungen, in: Henneke (Hg.), Optimale Aufgabenerfüllung im Kreisge­ biet?, Professorengespräch 1998 des Deutschen Landkreistages am 19. und 20. März 1998 im Landkreis Oberhavel, 1999, 196 ff. 1232  Vgl. auch Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 82 Fußn. 88; strittig ist, ob die Zustimmung der „Zielgemeinde“ unabhängig von einer gesetzlichen Rege­ lung solche Aktivitäten legitimieren kann (vgl. Heintzen (Fußn. 1034), 745 f.). Un­ abhängig davon, ob Art. 28 Abs. 2 GG einen nur örtlich begrenzten Kompetenztitel darstellt oder als horizontales Abwehrrecht angesehen wird (so OVG Münster v. 12.10.2004, 15 B 1873 / 04, NVwZ 2005, 1211, 1212 für die wirtschaftliche, nach OVG Koblenz v. 21.03.2006, 2 A 11124 / 05, DÖV 2006, 611, aber nicht für eine nichtwirtschaftliche Betätigung), reicht ohne gesetzliche Ermächtigung eine Zustim­ mung der Zielgemeinde schon mangels Disponibilität von Zuständigkeitsvorschriften infolge des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) auch nach der hier vertretenen Auffassung nicht aus. Allerdings ist eine solche Betätigung in den Formen kommu­ naler Zusammenarbeit denkbar. 1233  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 82 und Fußn. 86: Tettinger (Fußn. 599), 192; Nierhaus (Fußn.  723), 45 f. 1234  Guckelberger (Fußn. 1190), 298. 1235  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn.  956), 78 f.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 213

von Strom durch fremde Netze. Diese Reduzierung des „Schutzraumes“ der Zielgemeinde wird von Kühling für verfassungsrechtlich problematisch ge­ halten.1236 Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit haben einige Au­ toren Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer landesrecht­ lichen Regelung, dass bei der Strom- und Gasversorgung nur diejenigen Interessen als berechtigt gelten, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz eine Einschränkung des Wettbewerbs gestatten, also im Wesentlichen nur aus Gründen der Netzkapazität oder der Kraft-Wärme-Koppelung,1237 da gegen­ wärtig nicht ersichtlich sei, dass die Versorgungssicherheit generell gefähr­ det und damit diese Einschränkung des Selbstverwaltungsrechts der Ziel­ kommune als wichtiger Gemeinwohlbelang gerechtfertigt sei. Die interkom­ munale Zusammenarbeit wäre im Vergleich dazu eine weniger einschnei­ dende Alternative.1238 Die Auffassung von Kühling wird jedoch im Ergebnis nicht geteilt. Die durch europäisches Recht liberalisierten Märkte, insbesondere des Energie-, Telekommunikations- und Verkehrssektors, gehen bei Betätigungen öffent­ licher Unternehmen im Hinblick auf ihre Stellung im Wettbewerb von einer Gleichbehandlung mit der Privatwirtschaft aus. Damit können einer Ge­ meinde auch gegenüber einer von den Kommunalgesetzen jenseits den kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gestatteten überörtlichen wirtschaft­ lichen Betätigung einer anderen Gemeinde in ihrem Gebiet keine weiterge­ henden Abwehrrechte zustehen als gegenüber einer entsprechenden Tätigkeit privater Wettbewerber.1239 dd) Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen im Ausland Auch für eine wirtschaftliche Betätigung im Ausland bedarf es einer ge­ setzlichen Regelung, die in manchen Gemeindeordnungen einer Genehmi­ gungspflicht unterliegt.1240 Genehmigungsabhängige Auslandsbetätigungen widersprechen nach Ansicht von Nierhaus der durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG konkretisierten verfassungsrechtlichen Pflicht der Gemeinden, durch 1236  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 88, Fußn. 117: Kühling (Fußn. 1226), 181. 1237  Guckelberger (Fußn. 1190), 296, Fußn. 71: Ehlers (Fußn. 887), 6; Kühling (Fußn. 1226), 183; Lux (Fußn. 1200), 10; Schink (Fußn.  1169), 136 f. 1238  Guckelberger (Fußn. 1190), 297, Fußn. 73: Lux (Fußn. 1200), 10; Ehlers (Fußn. 887), 6; Scharf, Rechtsprobleme der Gebietsüberschreitung – Kommunale Unternehmen extra muros?, NVwZ 2005, 148, 152. 1239  Siehe hierzu im Einzelnen unten C. I. 3. 1240  Vgl. Art. 87 Abs. 2 BayGO, § 107 Abs. 4 NWGO.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

wirtschaftliche Betätigung einen öffentlichen Zweck zu verfolgen, der un­ mittelbar den eigenen Gemeindeeinwohnern zugute kommen muss. Die Versorgung von Ausländern mit deutschen kommunalen Leistungen stelle keinen legitimen öffentlichen Zweck dar.1241 Problematisch bleibt die demo­ kratische Legitimation (Art. 20 Abs. 2 GG) solcher auswärtigen Aktivitäten zweifellos. Die damit angesprochenen Fragen sind nach wie vor weitgehend ungeklärt.1242 Weder Völkerrecht noch Rechtvorschriften der Europäischen Union hin­ dern aber eine Beteiligung staatlicher Unternehmen am Wirtschaftsverkehr im Ausland.1243 Soweit innerstaatlich berechtigte Belange des Bundes oder des Landes nicht entgegenstehen,1244 ergebe sich bei den zugegebenermaßen nur sehr selten begründbaren örtlichen Angelegenheiten die Zulässigkeit der Auslandsbetätigung unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.1245 Die hier­ für vorgesehenen Genehmigungsvorbehalte (§ 107 Abs. 3 Satz 3 und § 107a Abs. 3 Satz 4 GO NRW: „auf ausländischen Märkten“; § 116 Abs. 5 GO LSA: „im Ausland“; § 71 Abs. 4 Satz 3 erster Halbsatz ThürKO: „außerhalb des Gemeindegebiets“) sollen die Gemeinde „vor einer Überspannung ihrer Betätigung schützen“1246 und sind damit verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zweifel bestehen jedoch zum Bestimmtheitsgebot für solche „kriterienlo­ se Genehmigungsvorbehalte“.1247 Die Regelungen in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt sind nach Auffassung von Guckelberger zu unbestimmt. Dabei wird bei Selbstverwaltungsangelegenheiten ohnehin nur eine Rechts­ kontrolle durch die Genehmigungsbehörde in Betracht kommen.1248 In verfassungskonformer Auslegung dieser Genehmigungsvorbehalte wird Prüfungsmaßstab für die Genehmigungsfähigkeit einer solchen erwerbswirt­ schaftlichen Auslandstätigkeit die Einhaltung der kommunalrechtlichen Schrankentrias auch nach solchen kommunalrechtlichen Vorschriften sein müssen, die dies nicht ausdrücklich1249 statuieren. Für sie werden wohl nur 1241  Nierhaus

(Fußn. 723), 55. (Fußn. 768), 67 m. w. N. in Fußn. 64. 1243  Guckelberger (Fußn. 1190), 298, Fußn. 93: Hauser, Wirtschaftliche Betäti­ gung von Kommunen 2004, 21 ff. 1244  So ausdrücklich § 101 Abs. 3 Satz 1 GO SH. 1245  Guckelberger (Fußn. 1190), 298 m. w. N. in Fußn. 95; a. A. Beyerlin, Rechts­ probleme der lokalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit 1988, 215. 1246  Guckelberger (Fußn. 1190), 298, Fußn. 98: OVG Münster v. 12.10.2004, 15 B 1873 / 04, NVwZ 2005, 1211 = NWVBl. 2005, 133, 134; Pielow (Fußn. 1054), 373. 1247  Guckelberger (Fußn. 1190), 299, Fußn. 103: Gassner, Kriterienlose Geneh­ migungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht 1994, passim. 1248  Guckelberger (Fußn. 1190), 299, Fußn. 106: Ehlers (Fußn. 887), 5. 1249  Siehe hierzu § 116 Abs. 5 GO LSA. 1242  Oebbecke

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Annextätigkeiten oder Nebenzwecke zulässig sein können, die zu einer dem Gemeinwohl der eigenen Einwohner verpflichteten Haupttätigkeit (z. B. im Messe- und Ausstellungswesen) einen erkennbaren Bezug aufweisen. Umstritten ist schließlich, ob diese Genehmigungsvorbehalte dem Recht der Europäischen Union widersprechen. Fraglich ist, ob die Versagung einer Genehmigung für eine Betätigung im EU-Ausland mit den Grundfreiheiten der europäischen Verträge vereinbar wäre.1250 Ein Verstoß gegen Unions­ recht ist in diesem Fall denkbar, weil auch kommunale Unternehmen sich innerhalb der Europäischen Union am freien und vor Verfälschungen ge­ schützten Wettbewerb insbesondere für Dienstleistungen beteiligen dür­ fen.1251 Hieraus könnte sich ein Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungs­ verbot1252 ergeben, da auch Dienstleistungen öffentlicher (kommunaler) Unternehmen1253 Träger der Grundfreiheiten (Art. 26 Abs. 2 AEUV) sind1254, die diese auch einem (anderen) Mitgliedstaat entgegen halten können.1255 Allerdings bleibt es gemäß der auch im Unionsrecht geltenden völkerrecht­ lichen Regel, dass jeder Mitgliedstaat sein Wirtschafts- und Finanzsystem selbst festlegen kann,1256 im Hinblick auf einen wirksamen Anwendungsbe­ reich von Art. 345 AEUV jedem Mitgliedstaat überlassen, inwieweit er eine wirtschaftliche Betätigung seiner Unternehmen zulassen will.1257 Deshalb kann sich ein öffentliches Unternehmen nicht gegenüber dem eigenen Mit­ gliedstaat auf die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot berufen, „um sich von den Fesseln nationaler Tätigkeitsbeschränkungen zu lösen“.1258 Solche Beschränkungen verstoßen auch nicht in den Randbereichen des 1250  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 87, Fußn. 110: Guckelberger (Fußn. 1190), 299; Burmeister / Staebe, Räumliche Beschränkungen für kommunale Wirtschaftsunternehmen – ein Verstoß gegen Europäisches Recht, EuR 2004, 810 f. 1251  Guckelberger (Fußn. 1190), 299, Fußn. 112: Burgi, OVG Münster 12.10.2004, VerwArch 2002, 255, 264; siehe hierzu im Einzelnen unten C. I. 2. b) und 3. d). 1252  Grundlegend EuGH v. 30.11.1995, C-55 / 94, Slg. 1995, I-4165, Rz. 37. 1253  Zum europarechtlichen Begriff des öffentlichen Unternehmens siehe unten C. I. 3. c). 1254  Guckelberger (Fußn. 1190), 299, Fußn. 114: Schwintowski, Corporate Govern­ ance im öffentlichen Unternehmen, NVwZ 2001, 607, 610. 1255  EuGH v. 27.09.1988, C-81 / 87, Slg. 1988, 5483, 05510. 1256  Guckelberger (Fußn. 1190), 299, Fußn. 118: Hauser (Fußn. 1243), 14; Heilshorn (Fußn. 1207), 25. 1257  Guckelberger (Fußn. 1190), 300, Fußn. 119: Scharf (Fußn. 1238), 153; Weiß, Öffentliche Unternehmen und EGV, EuR 2003, 165, 176. 1258  Guckelberger (Fußn. 1190), 300, Fußn. 122: Hauser (Fußn. 1243), 18; Hösch (Fußn. 1219), 406; Scharf (Fußn. 1238), 153; Weiß, Kommunale Energieversorger und EG-Recht: Fordert das EG-Recht die Beseitigung der Beschränkungen für die kommunale Wirtschaft?, DVBl 2003, 564, 572.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Örtlichkeitsprinzips gegen EU-Recht, da die Mitgliedstaaten nicht an Selbst­ beschränkungen für ihre öffentlichen Unternehmen gehindert sind, die ge­ genüber Privaten wegen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit unzulässig wären.1259 f) Zwischenergebnis zum Regelungsgehalt des öffentlichen Zwecks Das historische Vorbild der Schrankentrias des § 67 DGO haben sich die einzelnen Landesgesetzgeber vor dem Hintergrund der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes und unter dem Einfluss des Rechts der Euro­ päischen Union auf den liberalisierten Märkten durch eigene rechtspolitische Zielsetzungen dienstbar gemacht. Trotz seiner Mehrdeutigkeit kommt dem öffentlichen Zweck als „Wertbe­ griff“ eine Schlüsselposition zur Abgrenzung der Publizität kompetenzge­ bundener Kommunalwirtschaft von der durch Autonomie geprägten Privat­ wirtschaft zu. Als „öffentlicher“ Zweck scheiden alle Zwecke aus, die der grundrechtlich vor Eingriffen des Staates geschützten Sphäre des Einzelnen zuzuordnen sind. Die schwierige positive Inhaltsbestimmung des „öffentlichen Zwecks“ als Zulässigkeitsvoraussetzung für kommunale Wirtschaftstätigkeit erfährt ihre maßgebliche Prägung durch die Wertordnung des Grundgesetzes und die politischen Zielsetzungen der Landesgesetzgebung sowie in deren Rahmen durch die von der Gemeinde eigenverantwortlich vorgenommene Ausgestal­ tung des „Gemeinwohls“ zur Erfüllung aller Aufgaben der Leistungsverwal­ tung für ihre Einwohner. In seinem Kernbereich ist der öffentliche Zweck im Rahmen der kommu­ nalen Selbstverwaltungsgarantie nach den wandelbaren Bedürfnissen der jeweiligen sozialen und wirtschaftlichen Erfordernisse „örtlich radiziert“. Er muss durch das gemeindliche „Teilvolk“ legitimiert sein. Die verfassungs­ rechtlich garantierte Einschätzungsprärogative der Gemeinde lässt auch eine mehr oder weniger stringente Ausprägung des öffentlichen Zwecks durch landesrechtliche politische Zielvorgaben nur geringe Wirkkraft entfalten. Für den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie trifft das vom BVerfG entwickelte Aufgabenverteilungsprinzip1260 keine Zuord­ nung unternehmerischer Betätigung zu einem „öffentlichen Zweck“ zu Lasten der Privatwirtschaft, sondern nur im Verhältnis der Hoheitsträger untereinander. Die Kompetenz des jeweiligen Gesetzgebers zur Anpassung 1259  Pünder / Dittmar 1260  Vgl.

Fußn. 1056.

(Fußn. 887), 762, Fußn. 38: Weiß (Fußn. 1258), 567.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 217

des Umfangs wirtschaftlicher Betätigung an ein sich veränderndes oder von ihm selbst für veränderungsbedürftig gehaltenes Umfeld entnimmt das BVerfG1261 dessen prinzipieller Gestaltungsfreiheit, auch bisher private Auf­ gaben unter Beachtung der Grundrechte und des Übermaßverbots zu Publi­ zitätsangelegenheiten zu erklären und damit als einem „öffentlichen“ Zweck dienend zu definieren. Eines „Marktversagens“ als Voraussetzung hierfür bedarf es nicht. In negativer Abgrenzung der Begriffsinhalte erfüllen nur mittelbar zur Aufgabenerfüllung der kommunalen Leistungsverwaltung dienende Hilfsge­ schäfte sowie lediglich fiskalische Interessen ebenso wenig einen öffentli­ chen Zweck wie die mit einer Erwerbswirtschaft verfolgte Gewinnerzie­ lungsabsicht, und zwar unabhängig von einem ausdrücklichen landesrecht­ lichen Verbot. Für die Kommunalwirtschaft – auch soweit sie in privatrecht­ licher Organisationsform tätig ist – besitzt Gewinnerzielung lediglich eine der Aufgabenerfüllung dienende Funktion im Gegensatz zur Wirtschaftstä­ tigkeit Privater, für die Gewinnstreben Anlass, Grund und Handlungsmaß­ stab ist. Untergeordnete Annextätigkeiten oder die Nutzung von Ressourcen einer am Gemeinwohl der Einwohner ausgerichteten wirtschaftlichen Haupttätig­ keit stellen unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit unternehmeri­ scher Betätigung zulässige erwerbswirtschaftliche Nebenzwecke dar, denen weder Verfassungsrecht noch europäisches Recht entgegenstehen. Bei überörtlicher Wirtschaftstätigkeit übt die Gemeinde keine Selbstver­ waltung aus. Daraus folgt aber nicht deren Unzulässigkeit, soweit der Lan­ desgesetzgeber den Gemeinden solche überörtlichen Tätigkeiten gestattet.1262 Wenn hierfür mit Rücksicht auf das Selbstverwaltungsrecht der Zielkommu­ ne ein „öffentlicher Zweck“ gefordert wird, ist dieser Begriff infolge des fehlenden Gebiets- und Einwohnerbezugs nicht identisch mit dem öffentli­ chen Zweck örtlicher wirtschaftlicher Betätigung.1263 Er umfasst auch se­ kundäre Zwecke wie etwa eine mit einer solchen Erweiterung erstrebte Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem auf liberalisierten Märk­ ten, die aber im Selbstverwaltungsrecht der „Zielgemeinde“ ihre Grenze finden. Soweit ein Landesgesetzgeber auch eine wirtschaftliche Auslandstätigkeit gestattet und diese unter einen „kriterienlosen Genehmigungsvorbehalt“1264 stellt, dient dieser vor allem dem Schutz der Gemeinde vor Risiken und 1261  Vgl.

Fußn. 1083. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 152. 1263  Siehe hierzu die Ausführungen unter A. I. 2. 1264  Siehe oben Fußn. 1247. 1262  BVerfG

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Überforderung.1265 Deren Genehmigungsfähigkeit setzt aber einen öffentli­ chen Zweck mit Gebiets- und Einwohnerbezug der Tätigkeit voraus, weil mit einem solchen Blanko-Genehmigungsvorbehalt weitergehende „öffent­ liche Zwecke“ nicht definiert werden und damit der Gemeinde keine aus­ reichende gesetzliche Ermächtigung für eine Abweichung vom Örtlichkeits­ grundsatz eingeräumt wird. 3. Leistungsfähigkeit der Gemeinde und voraussichtlicher Bedarf Bereits § 67 Abs. 1 Nr. 2 DGO setzte voraus, das Unternehmen müsse nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfä­ higkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf stehen. Fast wort­ gleich wird damit bis heute in den Ländern ein selbstverständliches, aber nicht selten missachtetes Gebot rationalen Verwaltungshandelns ausdrück­ lich vorgegeben.1266 Leistungsfähigkeit und Bedarf erfordern einen Gebietsbezug mit sach­ lichen und räumlichen Kompetenzgrenzen. Nur Nordrhein-Westfalen hat keine Prüfungspflicht im Hinblick auf den „voraussichtlichen Bedarf“ ange­ ordnet (vgl. § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GO NRW). Die Relationsklausel soll die Kommune im eigenen Interesse vor Über­ forderung ihrer Verwaltungs- und Finanzkraft bewahren.1267 Hierbei handelt es sich um eine spezialgesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhält­ nismäßigkeit. Die Prüfung der Voraussetzungen hat vor einer Aufnahme der Tätigkeit zu erfolgen. Der vorgeschriebene Abgleich muss zum einen im Blick auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde erfolgen. Dabei wird man nicht allein die Einwohnerzahl der Gemeinde, sondern auch ihre Finanzkraft und den Gesamtumfang der wirtschaftlichen Betätigung berücksichtigen müssen. Soweit zum anderen der voraussichtliche Bedarf zu berücksichtigen ist, hängt dieser auch vom vorgesehenen Tätigkeitsgebiet und vom verfolg­ ten Zweck ab. Bei der Entscheidung über die Angemessenheit wird man der Kommune einen eigenen Einschätzungsspielraum zubilligen müssen.1268 Die Relationsklausel ist eine die Vielfalt zulässiger öffentlicher Zwecke einer wirtschaftlichen Betätigung begrenzende Schutzvorschrift für die Ge­ meinde. Sie entfaltet aber auch Wirkung im Verhältnis der Gemeinde zu ihren 1265  Vgl.

Fußn. 1246. (Fußn. 768), 70 m. w. N. in Fußn. 88 und 90. 1267  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 98, Fußn. 173: OVG Magdeburg v. 17.02.2011, 2 L 126 / 09, Juris, Rz. 37; Ruffert (Fußn. 1164), 43; Westermann / Cro­ nauge (Fußn. 411), 159. 1268  Oebbecke (Fußn. 768), 70. 1266  Oebbecke

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Einwohnern als dem Souverän. Damit dient sie der sachgerechten und eigen­ verantwortlichen Ausübung der Einschätzungsprärogative der Gemeinde im Gemeinwohlinteresse bei der Abwägung, ob ein öffentlicher Zweck eine kon­ krete wirtschaftliche Tätigkeit im Einwohnerinteresse erfordert bzw. rechtfer­ tigt. Sie zielt auf eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen auf Bereitstellung notwendiger Leistungen wirtschaftlicher Art und darüber hin­ ausgehenden Forderungen und Wünschen von Gemeindebürgern,1269 die zwar einem öffentlichen Zweck dienen können, aber in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken ihrer Finanzierbarkeit durch den Kommunalhaushalt stehen müssen. Soweit die Relationsklausel eine Berücksichtigung des „vo­ raussichtlichen“ Bedarfs, d. h., einer Prognose über die künftigen Bedürfnisse der Einwohner fordert, ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung die auf künftige Einwohnerbelange gerichtete Abwägungserheblichkeit des „Be­ darfs“ schon aus dem Wortlaut. Nichts anderes dürfte für die Regelung in Nordrhein-Westfalen gelten, die als einzige auf eine solche Prognoseprüfung verzichtet. Dadurch wird allenfalls dem Belang der Leistungsfähigkeit stär­ keres Gewicht verliehen. Schutzwirkung zugunsten von Wettbewerbern kommt dagegen für keine der Relationsklauseln in Betracht.1270 4. Landesrechtliche Subsidiaritätsklauseln als „Funktionssperre“ Nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 DGO war wirtschaftliche Betätigung zulässig, wenn der verfolgte Zweck nicht „besser oder wirtschaftlicher von anderen“ erreicht werden konnte, d. h., bei gleich gutem Niveau war die Wahrneh­ mung der Aufgabe auch der Gemeinde gestattet. „Andere“ mussten nicht Private sein, es konnten auch höhere staatliche Ebenen in Betracht kommen. Deshalb war dies keine Subsidiaritätsklausel im eigentlichen Sinn.1271 Das aus der katholischen Soziallehre1272 stammende Subsidiaritätsprinzip bedeutet, bezogen auf die wirtschaftliche Betätigung, dass die öffentliche 1269  A. A. wohl Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Art. 87 BayGO, Rdnr. 22, der mit der Formulierung „Erfahrungsgemäß wird der Bedarf von den verfügbaren Mitteln her definiert.“ davon ausgeht, dass nicht nur die „Leistungsfähigkeit“, son­ dern auch der „Bedarf“ sich nach den haushaltsrechtlichen Gegebenheiten der Ge­ meinde richte. Diese Ansicht wird für den „Bedarf“ nicht geteilt. 1270  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 764, Fußn. 66: Faber (Fußn. 1065), 763; a. A. Diefenbach (Fußn. 1074), 125. 1271  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 99. 1272  Frenz, Subsidiaritätsprinzip und -klage nach dem Vertrag von Lissabon, Jura 2010, 641, Fußn. 11 und 12 m. w. N.; Ehlers (Fußn. 633), 98, Fußn. 128: Isensee (Fußn.  993), 18 ff.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Hand erst dann als wirtschaftlicher Akteur auftreten dürfte, wenn Kräfte des Marktes die betreffende Tätigkeit nicht durchführen wollen oder dazu nicht in der Lage sind, also Marktversagen vorliegt.1273 Ein durchgängig geltendes Subsidiaritätsprinzip mit Verfassungsrang gibt es nicht.1274 Der Grundsatz der Subsidiarität,1275 der erstmals im Verhältnis zur Europäischen Union in Art. 23 GG Eingang in das Grundgesetz gefun­ den hat und durch den Vertrag von Lissabon Bindungswirkung auch für die EU-Organe entfaltet, lässt sich im Verhältnis des Staates zum Bürger nicht als Strukturprinzip nachweisen.1276 Auch könnte ein im staatsorganisatorischen Bereich geltendes Subsidiari­ tätsprinzip nicht ohne weiteres auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft übertragen werden1277, zumal Funktionsüberschneidungen von Staat und Gesellschaft aufgrund des Sozialstaatsprinzips nicht ausgeschlossen sind. Zwar ist richtig, dass das Grundgesetz „subsidiäre Elemente und Komponenten“1278 aufweist, aber ein Rekurs auf das Subsidiaritätsprinzip würde rechtliche und außerrechtliche Gesichtspunkte unzulässig vermi­ schen.1279 Im Hinblick auf die wirtschaftspolitische Neutralität des Grund­ gesetzes1280 wird eine verfassungsrechtliche Verankerung des Subsidiaritäts­ grundsatzes zu Recht abgelehnt.1281 Für die Frage, welche Wirkung das in den einzelgesetzlichen Vorschriften ausgestaltete Subsidiaritätsprinzip entfaltet, kommt es deshalb auf den damit beabsichtigten Regelungszweck an. Im Gegensatz zur Relationsklausel, die im Verhältnis der Gemeinde zu ihren Bürgern, dem Souverän, anspruchsbe­ grenzende Wirkung besitzt,1282 regelt die Subsidiaritätsklausel in Ergänzung des öffentlichen Zwecks als Zulässigkeitsvoraussetzung einer gemeindlichen unternehmerischen Betätigung deren Verhältnis zur entsprechenden Tätig­ keit Privater. Sie dient damit dem Schutz der Gemeinde vor einer unkont­ rollierten Übernahme von Tätigkeiten aus der privatautonomen Sphäre in den Bereich staatlicher Publizität. 1273  Hidien

(Fußn. 961), 155. (Fußn.  633), 98 h. M., m. w. N. 1275  Pieper, Subsidiarität 1992, 135. 1276  Otting (Fußn. 1124), 1260; vgl. auch Fußn. 809. 1277  Ehlers (Fußn. 633), 99. 1278  Ehlers (Fußn. 633), 99, Fußn. 123: Ossenbühl (Fußn. 1047), 103. 1279  Ehlers (Fußn. 633), 99 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG v. 25.02.1966, VII C 72.64, BVerwGE 23, 304, 306; BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 338. 1280  BVerfG v. 20.07.1954, 1 BvR 459 / 52 u. a., BVerfGE 4, 7. 1281  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 98. 1282  Siehe oben B. I. 3. 1274  Ehlers

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 221

In den Kommunalgesetzen der jeweiligen Flächenstaaten finden sich Mo­ difikationen der auch als „Funktionssperre“1283 bezeichneten Subsidiaritäts­ klausel in verschiedene Richtungen1284: In einer Reihe von Gemeindeordnungen wird die Zulässigkeit kommuna­ ler wirtschaftlicher Betätigung als gesetzliche Ausprägung des Subsidiari­ tätsprinzips1285 davon abhängig gemacht, dass der Zweck durch einen „anderen“ nicht ebenso gut und wirtschaftlich (vgl. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayGO und § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ThürKO) bzw. nicht besser und wirtschaftlicher durch einen „anderen“ (§ 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO LSA), „durch Dritte“ (§ 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KV M-V) bzw. durch „andere Unternehmen“ (§ 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO NRW) oder „auf andere Weise“ (§ 101 Abs. 1 Nr. 3 GO SH) erfüllt werden kann. Nach der Rastede-Entscheidung des BVerfG1286 wird man aber den An­ wendungsbereich dieser sich nicht ausdrücklich auf private Dritte beschrän­ kenden Regelungen verfassungskonform einschränkend interpretieren müs­ sen, da eine Hochzonung einer kommunalen Aufgabe auf eine höhere staatliche Ebene jedenfalls nicht allein deshalb zulässig ist, weil damit ein Wirt­ schaftlichkeitsgewinn zu erzielen wäre.1287 Deshalb muss eine gemeindliche Aufgabenwahrnehmung auch bei den weiter gefassten landesrechtlichen Re­ gelungen nur dann zurücktreten, wenn „Private“ die Aufgabe entweder „ge­ nauso gut und wirtschaftlich“ bzw. „besser und wirtschaftlicher“ erledigen können,1288 nicht aber, wenn dies auch auf staatliche Institutionen zuträfe. Die übrigen landesrechtlichen Bestimmungen benennen ausdrücklich ei­ nen „privaten Anbieter“ (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO BW und § 91 Abs. 3 BbgKVerf) bzw. einen „privaten Dritten“ (§ 121 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGO, § 136 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 NKomVG, § 85 Abs. 1 Nr. 3 GemO Rhl-Pf., § 108 Abs. 1 Nr. 3 KSVG und § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SächsGemO), dem die kom­ munale wirtschaftliche Betätigung Vorrang einräumen muss, wenn dieser die Aufgabe „besser und wirtschaftlicher“ erfüllt oder erfüllen kann.1289 1283  Wendt, § 42 Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen wirtschaftliche Betä­ tigungen der Gemeinden, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wis­ senschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 78, Fußn. 13: Kaltenborn, Gemeinden im Wettbewerb mit Privaten, WuW 2000, 488, 493. 1284  Oebbecke (Fußn. 768), 70. 1285  So Ehlers (Fußn. 633), 100. 1286  BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127. 1287  So auch Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 100. 1288  Siehe hierzu die Abgrenzungsfunktion der Schrankentrias zur Wirtschaftstä­ tigkeit Privater. 1289  Zu den maßgeblichen Kriterien Meyer, Kommunalwirtschaftsrecht und kom­ munale Handwerkstätigkeiten, WiVerw 2003, 57, 70 f.

222

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Bei der Frage, ob der öffentliche Zweck durch private Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher bzw. nicht ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt wer­ den kann, kommt der Kommune insoweit eine Einschätzungsprärogative zu.1290 Mit den Regelungen, dass eine gemeindliche wirtschaftliche Betätigung nicht zulässig ist, wenn Private „genauso gut und wirtschaftlich“ sind, wird zwar auf den ersten Blick die Argumentationslast für die Gemeinde recht­ lich erhöht. Weil jedoch die Kommune nicht nur den verfolgten Zweck definiert, sondern auch bestimmt, was „gut“ bzw. „besser“ ist, kommt dieser Verschärfung kaum praktische Bedeutung zu. Die Formulierung hat ledig­ lich hohen politischen Symbolwert.1291 Unter dem Qualitätskriterium „gut“ bzw. „besser“ wird vor allem die Nachhaltigkeit, also die Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit der Leistungs­ erbringung verstanden. Dabei kann die notwendige Kontinuität der Aufga­ benerfüllung es rechtfertigen, wenn die Einschätzung der Gemeinde zu dem Ergebnis gelangt, ein unter stärkerem betriebswirtschaftlichem Erfolgszwang stehender Privater könne die Aufgabe nicht ebenso gut erfüllen.1292 Das Qualitätskriterium ist darauf angelegt, die Erfüllung eines öffentlichen Zwecks mit einem von Privaten vorrangig verfolgten Zweck der Gewinnma­ ximierung wirtschaftlicher Betätigung zu vergleichen. Damit werden Berei­ che als vergleichbar gegenübergestellt, die unvergleichbar sind,1293 vielmehr geht es um Wertungsfragen, die einen Beurteilungsspielraum gewähren.1294 5. Zwischenergebnis zur Bedeutung der kommunalrechtlichen Schrankentrias Die jeweiligen Landesgesetzgeber haben das historische Vorbild der Schrankentrias des § 67 DGO ihren eigenen gesellschaftspolitischen Vorstel­ lungen angepasst und hierbei durchaus unterschiedliche und sogar konträre Ziele verfolgt. Ein „öffentlicher Zweck“ als Zulässigkeitsvoraussetzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit ist verfassungsrechtlich vorgegeben. Unterschiedliche Inhalte besitzt er jedoch, je nachdem, ob es sich um die örtliche, durch 1290  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 764, Fußn. 68: Ehlers (Fußn. 1103), 502; Hill (Fußn. 1051), 428; Schink (Fußn. 1169). 1291  Oebbecke (Fußn. 768), 70. 1292  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 101 und Fußn. 182: VerfGH Kob­ lenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, 995; OVG Magdeburg v. 17.02.2011, 2 L 126 / 09, Juris, Rz. 42. 1293  Westermann / Cronauge (Fußn.  411), 160 f. 1294  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 101, Fußn. 187: Ehlers (Fußn. 1103), 502.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 223

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete, oder um eine überörtliche, auf ausdrücklicher Zulassung durch den jeweiligen Landesgesetzgeber beruhen­ de wirtschaftliche Betätigung handelt. Der mehrdeutige Wertbegriff „öffent­ licher Zweck“ erweist sich dabei in der Hand des Gesetzgebers gleicherma­ ßen als flexibles Steuerungselement für seine politischen Zielvorstellungen wie für die jeweilige Einschätzungsprärogative und den Aufgabenfindungs­ reichtum der sich wirtschaftlich betätigenden Kommune. Er ist auch zur Abgrenzung sich der auf den örtlichen Souverän gründenden Publizität kommunaler Wirtschaft gegenüber der in den Grundrechten verankerten Autonomie privater Wettbewerber geeignet. Die dem Schutz der Gemeinde vor finanzieller Überforderung dienende „Relationsklausel“ ergänzt die Steuerungsfunktion des öffentlichen Zwecks im Verhältnis der Leistungsfähigkeit des Kommunalhaushalts zu den not­ wendigen sozialen Bedürfnissen und darüber hinaus wünschenswerten For­ derungen ihrer Bürger nach wirtschaftlichen Leistungen der Gemeinde. Die gleichfalls dem Schutz der Gemeinde dienende „Funktionssperre“ für die Kommunalwirtschaft soll als Abgrenzungselement dienen für die vom Souverän abgeleitete Kompetenz zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu der originären Befugnis des Individuums1295, die durch die Grundrechte vermit­ telt wird. Je weiter die wahrgenommene Tätigkeit vom Kern der kommuna­ len Selbstverwaltung entfernt ist, umso höher ist deren Rechtfertigungsbedarf gegenüber privater Konkurrenz. Die dafür verwendeten Qualitätskriterien „gut“ bzw. „besser“ sind als Wertungen für einen Vergleich kompetenzgebun­ dener staatlicher Publizität mit der autonomen und gewinnorientierten Privat­ wirtschaft ungeeignet.1296 Bei der Messung und Vergleichung solcher Wer­ tungen gelangt man lediglich zu „relativen, hypothetischen Urteilen, die nur gelten, wenn man zuvor den Zweck und das Ziel anerkennt“.1297 Das Quali­ tätskriterium eröffnet deshalb einen weiten politischen Beurteilungsspielraum für die Kommune, so dass man nicht ernsthaft von wirksamen kommunal­ rechtlichen Grenzen zugunsten privater Konkurrenten sprechen kann.1298 Dies mag einer der Gründe sein, aus denen einzelne Landesgesetzgeber ihren Subsidiaritätsklauseln entweder ausdrücklich drittschützende Wirkung zugewiesen oder diese explizit ausgeschlossen haben. 1295  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 144, Fußn. 20: Goerlich, „Formenmiß­ brauch“ und Kompetenzverständnis 1987, 35 ff., 38. 1296  Martens (Fußn. 4), 175: Werte sind entgegen der Auffassung des kognitivethischen Parallelismus erkenntnisunfähig, können also weder wahr noch unwahr sein und sind damit auch in ihrem Bestand und Rangverhältnis nicht schlüssig zu beweisen. Vgl. dort Fußn. 34 m. w. N. aus der sozialwissenschaftlichen Literatur. 1297  Martens (Fußn. 4), 176 und Fußn. 35: Wolff (Fußn. 104), § 29 I b 3 (S. 147). 1298  Vgl. auch Schoch (Fußn. 536), 380.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

II. Schutz privater Konkurrenten vor kommunaler wirtschaftlicher Betätigung Sperrwirkungen gegen die Teilnahme der Kommunen am Wirtschafts­ leben können sich jedoch aus einer drittschützenden Wirkung des Subsidia­ ritätsprinzips, aus Grundrechtsbestimmungen, dem Übermaßverbot oder sonstigem Gesetzesrecht ergeben.1299 Die kommunalwirtschaftsrechtlichen Regelungen bestehen – abgesehen von besonderen landesrechtlichen Be­ stimmungen – grundsätzlich im öffentlichen Interesse.1300 Ihre systematische Stellung im wirtschaftsrechtlichen Teil der Gemeindeordnungen spricht re­ gelmäßig gegen eine Auslegung, die ihnen drittschützende Wirkung zuguns­ ten privater Konkurrenten zulegt.1301 Soweit die jeweilige kommunalrecht­ liche Bestimmung drittschützende Wirkung ausdrücklich oder durch ent­ sprechende Interpretation entfalten soll oder Wettbewerber eine Klage auf Grundrechte stützen können, kommt für Konkurrenten Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Betracht. 1. Schutzwirkung kommunalrechtlicher Regelungen Ob eine drittschützende Wirkung der jeweiligen landesrechtlichen Vor­ schriften bereits aus der Entstehungsgeschichte der Vorgängervorschrift des § 67 DGO heraus begründet werden kann, ist strittig. Gegenüber der Auf­ fassung, dass bereits § 67 DGO Drittschutz vermittelt habe, wird zutreffend eingewendet, dass die aus dem Jahre 1935 stammende Vorschrift vornehm­ lich der Sicherung der anderen Stände des Reichs, der sogenannten „Wirt­ schaftsstände“, zu Lasten der zu bloßen Befehlsempfängern degradierten Gemeinden gedient habe.1302 Unter diesen Umständen muss dem Zweck der jeweiligen Vorschriften zentrale Bedeutung zufallen und eine drittschützen­ de Wirkung verneint werden. Die noch immer herrschende Meinung der Verwaltungsgerichte lehnt bislang eine generelle drittschützende Wirkung der kommunalwirtschaftli­ chen Vorschriften und grundsätzlich auch einen Rechtsschutz privater Kon­ kurrenten ab,1303 doch lässt die neuere Rechtsprechung zu den unterschied­ auch Ehlers (Fußn. 633), 98. (Fußn. 956), 118. 1301  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 124. 1302  Wendt (Fußn. 1283), 91 m. w. N. in Fußn. 90. 1303  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 763 m. w. N. in Fußn. 55: BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 336; BVerwG v. 21.03.1995, 1 B 211 / 94, NJW 1995, 2938, 2939; VGH Mannheim v. 15.08.1994, 1 S 1613 / 93, NJW 1995, 274; OVG Lüneburg v. 24.01.1990, 9 L 92 / 89, NVwZ-RR 1990, 506, 507; a. A. OVG Münster 1299  Siehe

1300  Uechtritz / Otting / Olgemöller

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 225

lichen und zum Teil novellierten landesrechtlichen Regelungen eine andere Tendenz erkennen.1304 Indizien für einen durch eine Vorschrift vermittelten Drittschutz sind allgemein die Erwähnung Dritter in der Vorschrift, die Abgrenzbarkeit des geschützten Personenkreises sowie die Intensität der Interessengefähr­ dung.1305 a) Drittschützende Wirkung von Subsidiaritätsklauseln In Hessen ist ausdrücklich geregelt, dass die Subsidiaritätsklausel für wirtschaftliche Betätigungen der Gemeinde, die nach dem 31.03.2004 auf­ genommen worden sind, und für entsprechende Tätigkeiten, die ausschließ­ lich der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung erneuerbarer Energien dienen, den Schutz privater Dritter bezweckt (§ 121 Abs. 1b Satz 1 HGO). Auch Niedersachsen hat für wirtschaftliche Betätigungen der Kommune außerhalb der Energieversorgung, der Wasserversorgung, des öffentlichen Personennahverkehrs und des Betriebs der Telefondienstleistungen der Sub­ sidiaritätsklausel drittschützende Wirkung zuerkannt (§ 136 Abs. 1 Satz 3 NKomVG). In Mecklenburg-Vorpommern lässt die Subsidiaritätsklausel den Betrieb von Unternehmen der Gemeinde nur zu, wenn die Gemeinde die Aufgabe ebenso gut und wirtschaftlich „wie Dritte“ erfüllen kann (§ 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KV M-V). Auch darin wird in der Literatur eine dritt­ schützende Wirkung gesehen.1306 In Sachsen geht die Gesetzesbegrün­ dung1307 zu § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SächsGemO von einer drittschützenden Wirkung aus. Gleiches galt für Thüringen zur früheren Subsidiaritätsklausel in § 71 Abs. 1 Nr. 3 ThürKO.1308 v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1521; VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, 994. 1304  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 38, Fußn. 23: VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, 996; OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520; VGH Mannheim v. 06.03.2006, 1 S 2490 / 05, NVwZ-RR 2006, 714; OVG Münster v. 01.04.2008, 15 B 122 / 08, NVwZ 2008, 1031. 1305  Wendt (Fußn. 1283), 91, Fußn. 93: BVerwG v. 28.04.1967, IV C 10.65, BVerw­GE 27, 29, 33. 1306  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 122. 1307  LT-Drs. 3 / 7625. 1308  Im Jahr 1993 hat der dortige Landesgesetzgeber in der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 1 / 2149) zur damaligen Fassung des § 71 Abs. 1 Nr. 3 ThürKO klargestellt, dass die Subsidiaritätsklausel die Privatwirtschaft schützen solle. Die gegenwärtig geltende Bestimmung in § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ThürKO enthält eine zur bayeri­ schen Vorschrift wortgleiche Formulierung und dürfte damit nicht anders interpre­ tierbar sein als die bayerische Regelung.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Für die Rechtsprechung hat der VerfGH des Landes Rheinland-Pfalz1309 einen Wandel eingeleitet, indem er aus der Staatszielbestimmung der sozialen Marktwirtschaft im Sinne von Art. 51 Satz 2 der Verfassung,1310 der Privat­ wirtschaft dort Vorrang zu geben, wo das gemeinsame Wohl der Einwohner­ schaft eine eigene Wirtschaftstätigkeit der Gemeinde nicht erfordert, eine drittschützende Wirkung der Subsidiaritätsklausel des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Ge­ mO Rhl-Pf. ableitet. Diese Rechtsprechung hat das OVG Koblenz1311 inzwi­ schen bestätigt.1312 Für Baden-Württemberg hat der VGH Mannheim1313 die drittschützende Wirkung von § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO als einer „echten“ Subsidiaritätsklausel damit begründet, dass der Vorrang – nunmehr ausdrück­ lich erwähnter – privater Dritter bereits bei Leistungsparität von gemeindli­ cher und privater Wirtschaftstätigkeit zu beachten ist. Zugleich hat der Lan­ desgesetzgeber als verfahrensrechtliche Absicherung in § 102 Abs. 2 GemO die Entscheidungszuständigkeit des Gemeinderats an eine Markterkundung durch die vorherige Anhörung der örtlichen Selbstverwaltungsorganisationen von Handwerk, Industrie und Handel gebunden.1314 Mit der Ausgestaltung der grundlegenden, den Marktzutritt regelnden Vorschrift des Kommunal­ wirtschaftsrechts als Schutznorm für Konkurrenten steht die Neufassung der baden-württembergischen Gemeindeordnung in einer Linie mit der Rechts­ entwicklung in anderen Bundesländern. Zwar besitzt auch das Land SachsenAnhalt mit § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO LSA eine „echte“ Subsidiaritäts­ klausel, für die das OVG Magdeburg1315 jedoch wegen der nicht auf private Dritte bezogenen Formulierung „durch einen anderen“ zu Recht eine dritt­ schützende Wirkung versagt hat. Das OVG Saarlouis1316 hat für das Saarland offen gelassen, ob der Regelung in § 106 Abs. 1 Nr. 3 Saarl.KSVG drittschüt­ zende Wirkung zukommt, scheint ihr aber zuzuneigen.1317 1309  VerfGH

4 b).

Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, Orientierungssatz

1310  Art. 51 der Verfassung für Rheinland-Pfalz v. 18.05.1947 (VOBl. 1947, S. 209), zul. geänd. v. 23.12.2010 (GVBl. S. 547) hat folgenden Wortlaut: „Die so­ ziale Marktwirtschaft ist die Grundlage der Wirtschaftsordnung. Sie trägt zur Siche­ rung und Verbesserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen der Menschen bei, indem sie wirtschaftliche Freiheiten mit sozialem Ausgleich, sozialer Absiche­ rung und dem Schutz der Umwelt verbindet. In diesem Rahmen ist auf eine ausge­ wogene Unternehmensstruktur hinzuwirken.“ 1311  OVG Koblenz v. 21.03.2006, 2 A 11124 / 05, DÖV 2006, 611. 1312  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 122, Fußn. 280. 1313  VGH Mannheim v. 06.03.2006, 1 S 2490 / 05, NVwZ-RR 2006, 714, 715. 1314  So auch VG  Karlsruhe v. 17.09.2013, 6 K 3111 / 12, Juris. 1315  OVG Magdeburg v. 29.10.2008, 4 L 146 / 05, LKV 2009, 91 f. 1316  OVG Saarlouis v. 22.10.2008, 3 B 279 / 08, LKRZ 2008, 477. 1317  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 123, Fußn. 281: ablehnend Wohl­ farth, Kommunalrecht für das Saarland 3. Aufl. 2003, Rz. 260.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 227

b) Abweichende Regelungen und Judikatur zum Konkurrentenschutz Der Gesetzgeber in Brandenburg hat in § 91 Abs. 1 Satz 2 BbgKVerf eine drittschützende Wirkung der Vorschriften über die wirtschaftliche Be­ tätigung mit der Klarstellung ausgeschlossen, dass diese „ausschließlich dem Schutz der Leistungsfähigkeit der Gemeinden“ dienen. Für Nordrhein-Westfalen hat das OVG Münster bisher eine drittschützen­ de Wirkung der Subsidiaritätsklausel nicht anerkannt,1318 aber im Ergebnis den drittschützenden Charakter des § 107 GO NRW bejaht.1319 Nach Auffassung des Gerichts begründe § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO NRW, wonach ein öffentlicher Zweck die wirtschaftliche Betätigung erfor­ dern muss, subjektive Rechte.1320 Darüber hinaus ergebe sich der Dritt­ schutz auch daraus, dass das Gesetz die Zulässigkeit gemeindlicher wirt­ schaftlicher Betätigung in Form der Gründung von bzw. Beteiligung an Unternehmen an eine Marktanalyse unter anderem über die Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft1321 knüpft. Zum ge­ schützten Personenkreis zählt das OVG Münster dabei alle Wirtschaftsteil­ nehmer, deren Marktinteressen durch die kommunale wirtschaftliche Betä­ tigung beeinträchtigt werden. An dieser Rechtsprechung hält das Gericht bisher fest.1322 Soweit Teile der Literatur der Auffassung sind, der Subsidiaritätsgedanke ergebe sich bereits aus dem „öffentlichen Zweck“ und dieser besitze dritt­ schützende Wirkung,1323 wird diese Ansicht aus den bereits dargestellten systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen1324 nicht geteilt.

1318  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 122, Fußn. 277: Auch das VG Köln v. 06.04.2009, 4 K 4737 / 08, Juris Rz. 39, hat die Frage ausdrücklich offen gelassen. 1319  Wendt (Fußn. 1283), 86, Fußn. 62: OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1521, zustimmend Grooterhorst / Törnig (Fußn. 1065), 687. 1320  OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520, 1521. 1321  § 107 Abs. 5 GO NRW. 1322  OVG Münster v. 21.09.2004, 15 B 1709 / 04, NVwZ-RR 2005, 198 ff.; OVG Münster v. 12.10.2004, 15 B 1873 / 04, NVwZ 2005, 1211 ff. 1323  Vgl. Fußn. 1070. 1324  Siehe oben B. I. 2. a).

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

c) Bisher ungeklärte Rechtslage zum Drittschutz der Subsidiaritätsklauseln Offen ist bisher die Rechtslage noch in Schleswig-Holstein,1325 in Thüringen und Bayern. Während der BayVGH1326 die (damalige) Regelung in Art. 89 Abs. 1 und 2 BayGO als objektives Recht angesehen hat, aus dem einzelnen Interessenten allenfalls ein Rechtsreflex erwachsen kann, konnten spätere Entscheidungen des VG Ansbach1327 und des VG München1328 die Frage, ob die heute geltende Neuregelung des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayGO drittschützende Wirkung entfaltet, unbeantwortet lassen. Jüngst hat das VG Würzburg1329 die drittschützende Wirkung des Art. 87 BayGO ver­ neint, da der Zweck der Vorschrift ausschließlich auf die Wahrung des öf­ fentlichen Wohls gerichtet sei. Zu Recht haben sowohl das VG Ansbach als auch das VG Würzburg darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung des VerfGH Koblenz1330 und des OVG Münster1331 auf die in Bayern geltende Regelung nicht übertragbar ist. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur aktu­ ellen Rechtslage liegt noch nicht vor. Der bayerische Gesetzgeber ging auch bei der Neufassung im Jahr 1998 davon aus, dass die Klausel private Kon­ kurrenten nicht schütze, allerdings mit der Begründung, dass ein Rechts­ schutz privater Konkurrenten vor den ordentlichen Gerichten nach den Vorschriften des UWG erreichbar sei.1332 Dieses Argument ist jedoch durch die Grundsatzentscheidung des BGH1333, auf die noch näher einzugehen sein wird,1334 inzwischen überholt. Ob die in Bayern nun geltende verschärfte Subsidiaritätsklausel, wonach kommunale Unternehmenstätigkeiten außerhalb der Daseinsvorsorge nur dann zulässig sind, wenn „der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann“, drittschützende Wirkung entfaltet, erscheint zweifelhaft. Auch wenn die im Abschnitt über 1325  Die Regelung in § 101 Abs. 1 Nr. 3 GO SH „auf andere Weise“, die keiner­ lei Bezug zu privaten Dritten erkennen lässt, spricht eher gegen einen Drittschutz; so auch Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 123. 1326  BayVGH v. 23.07.1976, 32 V 75, JuS 1977, 199, 200. 1327  VG Ansbach v. 07.07.2005, AN 4 K 04.03378, Juris. 1328  VG München v. 27.09.2007, M 12 K 06.2141, Juris. 1329  VG Würzburg v. 05.09.2012, W 2 K 10.1204, Gemeindehaushalt 2013, 46. 1330  VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992 = NVwZ 2000, 801. 1331  OVG Münster v. 13.08.2003, 15 B 1137 / 03, NVwZ 2003, 1520. 1332  LT-Drs. 13 / 10828, S. 19. 1333  BGH v. 25.04.2002, I ZR 250 / 00, GewArch 2002, 322. 1334  Siehe hierzu im Einzelnen unten B. II. 3. a).

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 229

die Wirtschaftsordnung in der Bayer. Verfassung als Programmsatz1335 ent­ haltenen Wertungen zugunsten des Schutzes vor allem der selbständigen Kleinbetriebe und Mittelstandsbetriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Han­ del, Gewerbe und Industrie vor Überlastung und Aufsaugung (Art. 153 Abs. 1 Satz 1 BV) sowie die Anerkennung der Freiheit der Entwicklung persönlicher Entschlusskraft und die Freiheit der selbständigen Betätigung des Einzelnen in der Wirtschaft (Art. 151 Abs. 2 Satz 2 BV) privater Wirt­ schaftstätigkeit den ihr gebührenden Rang im Verfassungsgefüge einräumen, stellt Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayGO – wie die vergleichbare Regelung in Sachsen-Anhalt1336 und die zur bayerischen Subsidiaritätsklausel wort­ gleiche Bestimmung in Thüringen1337 – mit der Formulierung „durch einen anderen“ nicht spezifisch auf private Dritte ab. Insoweit fehlt auch für Bayern der Bezug auf einen normativ hinreichend deutlich abgegrenzten Personenkreis1338 privater Konkurrenten. Demgemäß geht auch die Kom­ mentarliteratur in Bayern davon aus, dass Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Bay­ GO keine drittschützende Wirkung besitzt.1339 Die Vorschrift sollte nach den Gesetzesmaterialien1340 die „Grauzone“ abdecken, die zwischen der kommunalen Daseinsvorsorge und den dort genannten Tätigkeiten rein erwerbswirtschaftlicher Art bestehe. Die Subsi­ diarität greift in Bayern ohnehin nicht im Bereich der Daseinsvorsorge, sondern nur dort, wo die gemeindliche Tätigkeit in erster Linie im Sinne der Entscheidung des BayVerfGH vom 23.12.19571341 darauf gerichtet ist, an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilzunehmen und dabei Gewinn zu erzielen. Solche Tätigkeiten dienten aber keinem öffentli­ chen Zweck.1342 Nach einer Reihe von Autoren gebe es deshalb eine Grau­ zone ohnehin nicht.1343 Diese Auffassung wird jedoch nicht geteilt: Aus dem Geltungsbereich des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayGO fallen zwar einerseits alle Tätigkeiten 1335  Vgl.

BayVGH v. 23.07.1976, 32 V 75, JuS 1977, 199, 200. Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO LSA. 1337  § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ThürKO. 1338  BVerwG v. 23.03.1982, 1 C 157 / 79, GewArch 1982, 341, 34. 1339  Hölzl / Hien et  al. (Hg.), Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschafts­ ordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern 49. Aufl., Art. 87 BayGO, Fußn. 4: so auch grundsätzlich Ossenbühl, Die Freiheiten des Un­ ternehmers nach dem Grundgesetz, AöR 115, 1, 13; Widtmann / Grasser et al. (Hg.), Bayerische Gemeindeordnung 25. Aufl. April 2012, Art. 87 BayGO, Rdnr. 70. 1340  LT-Drs. 13 / 10828, S. 19. 1341  BayVerfGH v. 23.12.1957, Vf. 107-VII-56 u. a., VerfGHE BY 4, 113. 1342  Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Art. 87 BayGO, Rdnr. 27. 1343  Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Art. 87 BayGO, Rdnr. 27; skeptisch auch Hölzl / Hien et  al. (Hg.) (Fußn. 1339), Art. 87 BayGO, Anm. 2.5. 1336  § 116

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

der kommunalen Daseinsvorsorge, andererseits auch alle unternehmerischen Betätigungen heraus, die nach dem 31.08.1998 durch rein erwerbswirt­ schaftliche Tätigkeit Gewinnerzielung bezwecken (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 BayGO). Das Verbot ausschließlicher Gewinnerzielung gilt aber nicht für Bestandsunternehmen in deren vor dem 01.09.1998 bestehendem Tätigkeits­ umfang1344 (vgl. Art. 87 Abs. 1 Satz 3 BayGO). Die Subsidiaritätsklausel hat damit in der Tat keine allzu große Bedeutung für neu aufgenommene Tätigkeiten mehr; sie erfasst aber noch eine „Grauzone“ mit einem mögli­ chen öffentlichen Zweck, wie beispielsweise die Fremdenverkehrsförderung, eine kommunale Wirtschaftsförderung, die auch Baubetreuung oder Bauträ­ gerschaft für ansässige oder ansiedlungswillige Private einschließt, für be­ stimmte Internet-Angebote sowie Annex- und Randnutzungen oder Kapazi­ tätsauslastungen, etwa im Bereich der Abfallwirtschaft beim Einsammeln und Befördern zusätzlicher Abfälle (z. B. klinikspezifischer Abfälle). Auch der Bestandsschutz für kommunale „Altunternehmen“ spricht gegen eine Auslegung als drittschützende Norm. Von wirksamen kommunalrechtlichen Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen durch Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayGO zugunsten privater Konkurrenten lässt sich nicht ernsthaft sprechen.1345 2. Grundrechtsschutz für private Wettbewerber Wettbewerb ist die konkurrierende Grundrechtsausübung der privaten Marktteilnehmer, die Ausübung ihrer Wettbewerbsfreiheit. Das öffentliche Wettbewerbsrecht zieht die verhaltensrechtlichen Grenzen und sucht einen Ausgleich zwischen der „Gemeinwohlverpflichtung des Staates“ und der „Wahrung der Wettbewerbsfreiheit privater Wirtschaftssubjekte“.1346 Die Teilnahme der öffentlichen Hand am wirtschaftlichen Wettbewerb muss zwar an den Grundrechten gemessen werden,1347 bisher ist jedoch ein genereller grundrechtlicher Abwehranspruch als Schutz vor Konkurrenz durch die öffentliche Hand nicht anerkannt.1348 Privatrechtlichen Konkur­ renten steht nach der Rechtsprechung ein Grundrechtsschutz gegen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde nur ausnahmsweise zu. Die Privat­ wirtschaft habe auch staatliche Konkurrenz als systemimmanent hinzuneh­ 1344  Bauer / Böhle

et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Art. 87 BayGO, Rdnr. 29. gleichen Sinne Schoch (Fußn. 536), 380. 1346  Schliesky (Fußn.  366), 168 ff. 1347  Ehlers (Fußn. 633), 101, Fußn. 140 m. w. N. und 141: BVerfG v. 18.12.1974, 1 BvR 430 / 65 u. a., BVerfGE 38, 281, 302 ff. 1348  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 39; BVerwG v. 01.03.1978, VII B 144 / 76, NJW 1978, 1539; VGH Mannheim v. 21.07.1982, 1 S 746 / 82, NJW 1984, 251, 252 f. 1345  Im

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men.1349 Im Zweifel könne aber aus der Gesamtansicht des Grundgesetzes vom Verhältnis des Einzelnen zum Staat gefolgert werden, dass diejenige Interpretation des Gesetzes den Vorzug verdiene, die dem Bürger einen Rechtsanspruch einräume.1350 Bei der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand handelt es sich regelmäßig um Rechtsakte ohne imperative Wirkung gegenüber einem Grundrechtsträger,1351 also Rechts- oder Realakte mit bloß „faktischen Auswirkungen“,1352 da eine Belastungswirkung für private Konkurrenten im Wettbewerb letztlich erst aus dem Konsumentenverhalten resultiert, im Ge­ gensatz zu Monopolen, die einen belastenden Eingriff in die Rechte Privater durch eine „Regelung“ bedeuten.1353 Da wirtschaftlicher Betätigung Wettbe­ werb wesensimmanent ist, können faktische Auswirkungen Grundrechtsein­ griffe nur unter qualifizierten Voraussetzungen sein,1354 wenn z. B. eine emp­find­liche Belastung des Grundrechtsinhabers, etwa durch eine Markt­ beherrschung,1355 „bezweckt“ wird.1356 Konkurrentenschutz kann damit bei einem Verdrängungswettbewerb1357 und bei Ausnutzung einer Monopolstel­ lung1358 durch die öffentliche Hand sowie im Vergabeverfahren1359 bestehen. Nach Ronellenfitsch1360 besäßen Dritte immer dann einen Anspruch auf 1349  Manssen (Fußn. 1108), Rz. 83; a. A. Faber (Fußn. 1065), 763; Wendt (Fußn. 1283), 98 f.: Da zwischen privater und staatlicher Konkurrenz ein strukturel­ ler Unterschied bestehe, sei kommunale Wirtschaftstätigkeit einer Berufsausübungs­ regelung gleichzusetzen. 1350  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 124, Fußn. 290: BVerfG v. 05.02.1963, 2 BvR 21 / 60, BVerfGE 15, 275, 281; BVerwG v. 21.10.1986, 1 C 44 / 84, NJW 1987, 856, 857. 1351  Manssen (Fußn. 1108), Rdnr. 79. 1352  Vgl. BVerwG v. 18.04.1985, 3 C 34 / 84, BVerwGE 71, 183, 193. 1353  Jarass (Fußn. 1108), 493, Fußn. 39: Di Fabio, in: Maunz / Dürig (Hg.), GGKommentar, Art. 2 I, Rdnr. 120. 1354  BVerwG v. 18.10.1990, 3 C 2 / 88, BVerwGE 87, 37, 43 f.; BVerwG v. 17.12.1991, 1 C 5 / 88, BVerwGE 89, 281, 283 für Realakte. 1355  Schneider, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Steuerungsakteur, DVBl 2000, 1250, 1256. 1356  Jarass (Fußn. 1108), 493, Fußn. 43: BVerwG v. 18.04.1985, 3 C 34 / 84, BVerwGE 71, 183, 193. 1357  BVerwG v. 21.03.1995, 1 B 211 / 94, NJW 1995, 2938, 2939; OVG Münster v. 02.12.1985, 4 A 2214 / 84, DÖV 1986, 339, 340. 1358  VGH Kassel v. 17.01.1996, 6 TG 4316 / 95, NVwZ 1996, 816, 817; BVerwG v. 21.03.1995, 1 B 211 / 94, NJW 1995, 2938, 2939. 1359  OLG Düsseldorf v. 29.03.2006, VII-Verg 77 / 05 u. a., VergabeR 2006, 509. 1360  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 39 Fußn. 31: Kluth, Grenzen kommunaler Wett­ bewerbsteilnahme 1988, 63 ff.; Tettinger, Rechtsschutz gegen kommunale Wettbe­ werbsteilnahme, NJW 1998, 3473, 3474.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Konkurrenzschutz, wenn die Gemeinde ihren Kompetenzbereich überschrei­ te oder das Übermaßverbot verletze. Soweit ersichtlich, wird die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich bei fehlender drittschützender Wirkung kommunalrechtlicher Bestim­ mungen Abwehransprüche für private Konkurrenten kommunaler Wirt­ schaftstätigkeit direkt aus den Grundrechten ableiten lassen, dogmatisch nach einer Schutzbereichs-, Eingriffs- oder Rechtfertigungslösung zu beant­ worten gesucht. a) Art. 12 Abs. 1 GG und Schutz der Berufsfreiheit privater Konkurrenten Nach der im Apothekenurteil vom BVerfG entwickelten Stufentheorie1361 sind faktische Beeinträchtigungen der individuellen Berufsausübung Priva­ ter durch Konkurrenzunternehmen der öffentlichen Hand unbedenklich, wenn sie von vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls getragen wer­ den.1362 Das BVerfG weist diesen öffentlichen Interessen gleichsam die Rolle ungeschriebener Tatbestandsmerkmale der verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalte zu, wenn es Sinn und Grenzen der Befugnis des Gesetz­ gebers, die Berufsausübung zu regeln (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) als Er­ mächtigung zur Sicherstellung eines ausreichenden Schutzes von Gemein­ schaftsinteressen auffasst.1363 Den Maßstab für die Abwägung zwischen dem Zweck des Regelungsvorbehalts und dem des Grundrechts entnimmt das Gericht der Wertordnung des Grundgesetzes, indem es das Freiheits­ recht nur insoweit für einschränkbar erklärt, als es „zum gemeinen Wohl unerlässlich“1364 ist. Gemäß der Rechtsprechung des BVerwG, „Art. 12 Abs. 1 GG schützt nicht vor Konkurrenz, auch nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand“1365, beschränkt sich der Schutzbereich des Art. 12 GG nur auf den freien Marktzugang, erfasst aber nicht den Besitzstand auf einem bestimm­ 1361  BVerfG

v. 11.06.1958, 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377. (Fußn. 633), 103. 1363  Martens (Fußn. 4), 170 f. und Fußn. 5: BVerfG v. 11.06.1958, 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377, 404. 1364  BVerfG v. 11.06.1958, 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377, 405; vgl. auch BVerfG v. 23.03.1960, 1 BvR 216 / 51, BVerfGE 11, 30, 42 f.; BVerfG v. 08.02.1961, 1 BvL 10 / 60 u. a., BVerfGE 12, 144, 148; BVerfG v. 22.05.1963, 1 BvR 78 / 56, BVerfGE 16, 147, Ls. 3, 167; BVerfG v. 13.02.1964, 1 BvL 17 / 61, 1 BvR 494 / 60 u. a., BVerfGE 17, 232, 242; BVerfG v. 04.03.1964, 1 BvR 371 / 61 u. a., BVerfGE 17, 269, 276. 1365  BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 336. 1362  Ehlers

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 233

ten Markt und nicht künftige Erwerbsmöglichkeiten.1366 Durch das Hinzu­ treten weiterer Marktteilnehmer wird der Schutzbereich des Art. 12 GG nicht berührt, so dass hieraus – von extremen Ausnahmefällen, wie etwa einer Erdrosselungswirkung1367 abgesehen – kein subjektives Recht abgelei­ tet werden kann.1368 Erreicht die wirtschaftliche Betätigung jedoch die Wirkung eines Monopols, muss sie durch überragend wichtige Gemein­ schaftsgüter gerechtfertigt werden können. In der bloßen wirtschaftlichen Betätigung liegt auch kein Grundrechtsein­ griff, sondern ein solcher entsteht erst, wenn das Tätigwerden private Kon­ kurrenz unmöglich macht.1369 Bei der Frage, ob ein Eingriff vorliegt, müsse auch das Ausmaß aktiver Unterstützung der öffentlichen Hand für ihr Un­ ternehmen berücksichtigt werden.1370 Ein Eingriff liege auch vor, wenn sich staatliche Maßnahmen unmittelbar auf die berufliche Tätigkeit auswirken oder als nicht bezweckte, aber in Kauf genommene Nebenfolge eine schwer wiegende Beeinträchtigung der Berufsfreiheit bewirken.1371 Der Gesetzes­ vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG wird dabei durch die kommunal­ rechtlichen Vorschriften ausgefüllt, wobei eine wirtschaftliche Betätigung, die sich in den Grenzen der kommunalrechtlichen Vorschriften bewegt, den Eingriff in die Berufsfreiheit des Konkurrenten gestattet. Nach der sog „Rechtfertigungslösung“ bedürfen Einschränkungen privat­ wirtschaftlicher Tätigkeit zugunsten hoheitlicher wirtschaftlicher Betätigung einer Rechtfertigung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßig­ keit.1372 Rein erwerbswirtschaftliche Belange kommen jedoch in keinem Fall als Rechtfertigung in Frage.1373 Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs sei im Rahmen einer Abwägung zwischen der Erfüllung des öffentlichen Zwecks und der Beeinträchtigung des Konkurrenten zu prüfen.1374 Dies folge aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte,1375 wonach der Gesetzgeber eine freie wirtschaftliche Betätigung mit gleichen Chancen im 1366  Uechtritz / Otting / Olgemöller

(Fußn. 956), 116 m. w. N. in Fußn. 240. v. 23.03.1982, 1 C 157 / 79, GewArch 1982, 341, 344. 1368  Uechtritz / Otting / Olgemöller (Fußn. 956), 117. 1369  Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Art. 87 BayGO, Rdnr. 4: BVerwG v. 18.04.1985, 3 C 34 / 84, BVerwGE 71, 183, 191. 1370  Jarass (Fußn. 1108), 494 f.; vgl. hierzu auch die Ausführungen zum Lauter­ keitsrecht in diesem Abschnitt unter II. 3. c). 1371  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 763, Fußn. 51: BVerfG v. 17.02.1998, 1 BvF 1 / 91, BVerfGE 97, 228, 229 f., BVerwG v. 18.10.1990, 3 C 2 / 88, BVerwGE 87, 37, 43 f., BVerwG v. 07.12.1995, 3 C 23 / 94, NJW 1996, 3161. 1372  Brohm (Fußn. 545), 283. 1373  Ehlers (Fußn. 633), 103. 1374  Jarass (Fußn. 1108), 495. 1375  BVerfG v. 14.10.1970, 1 BvR 306 / 68, BVerfGE 29, 260, 267. 1367  BVerwG

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Wettbewerb zu fördern und zu gewährleisten habe. Die wirtschaftliche Be­ tätigung muss darüber hinaus zur Erfüllung des nach Art. 12 GG zulässigen öffentlichen Zwecks geeignet und erforderlich sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinn) entsprechen, wobei jedoch der öf­ fentlichen Hand ein weites wirtschaftspolitisches Ermessen zuzugestehen ist.1376 Die vielzitierten Sätze des BVerwG, wonach Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor Konkurrenz, auch nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand schütze und Grundrechtsschutz erst dann eingreife, wenn durch das Entstehen eines faktischen Monopols des öffentlichen (hier: kommunalen) Wettbewerbers die wirtschaftliche Betätigung eines privaten Konkurrenten unmöglich ge­ macht oder unzumutbar erschwert werde,1377 vermögen einige Autoren – gemessen an der Schutzbereichs-, Eingriffs- und Rechtfertigungsdogmatik – in ihrer Pauschalität nicht zu überzeugen. Insbesondere Scharpf übt Kritik an dieser Rechtsprechung des BVerwG. Dass die Grundrechte nicht vor Konkurrenz schützen würden, gelte nur für den Wettbewerb unter Priva­ ten.1378 Dagegen sei jede Wettbewerbsteilnahme der öffentlichen Hand grundsätzlich als faktischer Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG anzusehen, ohne dass es auf die „objektiv berufsregelnde Tendenz“, die die Rechtsprechung fordert, ankomme.1379 Die Judikatur vermenge gelegentlich den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 GG und den Eingriff, dessen Schwelle zudem zu hoch angesetzt werde.1380 Da die wirtschaftliche Betätigung eines Hoheitsträgers wettbe­ werbsverzerrend wirke, weil dieser aus Steuermitteln theoretisch über unbe­ grenzte Finanzkraft verfüge, sei der Schutzbereich des privaten Konkurren­ ten stets betroffen.1381 Der Streit zwischen der „Rechtfertigungslösung“, wonach ein faktischer, mittelbarer Grundrechtseingriff dazu führt, dass die wirtschaftliche Betäti­ gung der Gemeinde rechtfertigungsbedürftig und damit an bestimmte Vo­ raussetzungen geknüpft ist und der „Schutzbereichslösung“ des BVerwG kann aber dahinstehen, da auch nach der Rechtfertigungslösung ein Eingriff im Rahmen der kommunalrechtlichen Vorschriften über die Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betätigung gerechtfertigt ist.1382 1376  Ehlers

(Fußn. 633), 103, Fußn. 156 m. w. N. v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 336. 1378  Scharpf (Fußn. 723), 496 und Fußn. 57: Schmidt (Fußn. 982), 525. 1379  Scharpf (Fußn. 723), 496. 1380  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 762, Fußn. 49 unter Bezugnahme auf Ehlers (Fußn. 1103), 502. 1381  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 763 m. w. N. in Fußn. 50. 1382  Widtmann / Grasser et  al. (Hg.) (Fußn. 1339), Art. 86 BayGO, Rdnr. 20. 1377  BVerwG

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b) Art. 14 Abs. 1 GG und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Das Grundrecht des Art 14 Abs. 1 GG gewährt Schutz für das Ergebnis vermögenswirksamer Betätigung, nicht dagegen vor Verlust von Erwerbs­ chancen oder Verdienstmöglichkeiten1383 oder vor Konkurrenz durch öffent­ liche Unternehmen.1384 Bei einem „Eingriff durch Konkurrenz“ sei das Grundrecht verletzt, wenn der Eingriff die Inhaltsbestimmung und die So­ zialbindungsschranken des Eigentums übersteige, wobei einerseits auf die Schwere und Tragweite des Eingriffs und andererseits die Gewichtigkeit des verfolgten öffentlichen Zwecks abzustellen sei.1385 Zu den eigentumsrechtlich geschützten Rechtspositionen gehört auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dessen Sach- und Rechtsgesamtheit in der Substanz geschützt ist.1386 In der Regel wird der Private aber die Konkurrenz der öffentlichen Hand hinzunehmen haben.1387 Ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf einen eingerichteten und ausge­ übten Gewerbebetrieb wäre erst zu bejahen, wenn sich die Gemeinde durch behördliche Maßnahmen die private Konkurrenz vom Halse schaffen und dadurch eine Monopolstellung oder eine Auszehrung Privater1388 erreichen würde.1389 c) Art. 2 Abs. 1 GG und der Schutz der Wettbewerbsfreiheit Das Grundrecht schützt auch die Wettbewerbsfreiheit als Teil der allge­ meinen Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet und gewährleistet Privaten damit einen angemessenen Entfaltungsspielraum.1390 Zur verfas­ sungsmäßigen Ordnung ist grundsätzlich auch die bei der Daseinsvorsorge für die Gemeindeeinwohner auf das Sozialstaatsprinzip gestützte wirtschaft­ 1383  BVerfG v. 16.03.1971, 1 BvR 52 / 66 u. a., BVerfGE 30, 292, 335; BVerfG v. 01.04.1971, 1 BvL 22 / 67, BVerfGE 31, 8, 32. 1384  Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Art. 87 BayGO, Rdnr. 4. 1385  Ehlers (Fußn. 633), 105, Fußn. 167. 1386  Ehlers (Fußn. 633), 104: BVerfG v. 29.11.1961, 1 BvR 148 / 57, BVerfGE 13, 225, 229. 1387  Ehlers (Fußn. 633), 106. 1388  VGH Mannheim v. 15.08.1994, 1 S 1613 / 93, VBlBW 1995, 99 = NJW 1995, 274. 1389  BVerwG v. 19.12.1963, I C 77.60, BVerwGE 17, 306; BVerwG v. 30.08.1968, VII C 122.66, BVerwGE 30, 191, 198; BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329. 1390  BVerfG v. 16.01.1957, 1 BvR 253 / 56, BVerfGE 6, 32, 41; BVerfG v. 01.03.1979, 1 BvL 21 / 78, BVerfGE 50, 290, 366.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

liche Betätigung der öffentlichen Hand zu rechnen, soweit sie sich im Rahmen der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen hält. Der verfassungs­ rechtlichen Ordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG entsprechen nach der Rechtsprechung des BVerfG jedoch nur solche gesetzlichen Regelungen, die durch „legitime öffentliche Interessen“, d. h., einen „öffentlichen Zweck“ im Sinne des kommunalen Wirtschaftsrechts gerechtfertigt sind.1391 Faktische Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit sind deshalb hinzunehmen, wenn die öffentliche Hand sozialstaatlich legitimierte Ziele, etwa zur Erfüllung ihrer Daseinsvorsorgeaufgabe, verfolgt, der Privat­ initiative ein angemessener Spielraum verbleibt und die Grundsätze des Übermaßverbots gewahrt werden.1392 d) Beachtung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG Einen Abwehranspruch gegen die konkurrierende Wirtschaftsteilhabe der öffentlichen Hand kann aus dem Gleichheitssatz nicht abgeleitet werden. In jedem Fall ist die öffentliche Hand selbst zur Beachtung des Gleichheitssat­ zes verpflichtet und an sachlich unbegründeten rechtlichen Differenzierun­ gen zu eigenen Gunsten gehindert, die nicht mit dem öffentlichen Zweck vereinbar sind.1393 e) Grundrechtliche Schutzpflichten als Schranke wirtschaftlicher Betätigung Die Aufgabenerfüllung der Gemeinde gegenüber ihren Bürgern durch wirtschaftliche Betätigung kann unter bestimmten Voraussetzungen zu Ein­ griffen in Grundrechtspositionen privater Konkurrenten führen. Solche Konkurrenten können und werden nicht selten auch Gemeindebürger sein. Die Gemeindebürger sind es jedoch, die als Teil des Staatsvolks (als Sou­ verän) der kommunalen Vertretung erst die erforderliche Legitimation auch für ihre wirtschaftliche Betätigung verleihen. Die moderne Selbstverwaltung ist insoweit „institutionalisierter Betroffenenschutz durch Betroffenenteil­ nahme“.1394 Hieraus können sich für die Gemeinde bei wirtschaftlicher Betätigung sowohl zugunsten von Konkurrenten als auch bei wirksamer Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge zugunsten der darauf angewie­ 1391  Martens (Fußn. 4), 170, Fußn. 9: BVerfG v. 05.08.1966, 1 BvF 1 / 61, BVerfGE 20, 150, 155 f. 1392  Ehlers (Fußn. 633), 106. 1393  Ehlers (Fußn. 633), 106. 1394  Siehe oben Fußn. 590.

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senen Gemeindebürger (des Souveräns) Schutzpflichten ergeben.1395 Dabei divergieren die schützenswerten Belange beider Interessengruppen regelmä­ ßig in ihrer jeweiligen Zielrichtung und können sich auch diametral entge­ genstehen. Bei Schutzpflichten greift der Staat in Grundrechte Einzelner ein, um die Grundrechte anderer zu schützen. Schutzpflichttauglich sind alle Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte sowie alle grundrechtsgleichen Rechte; insbesondere das Wahlrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG beinhaltet eine Schutzfunktion.1396 Das BVerfG stellt dem klassischen1397 Abwehrrecht die Schutzpflicht gegenüber.1398 Soweit die Schutzpflicht aus der „objekti­ ven Wertordnung“1399 abgeleitet wird, die die Grundrechte insgesamt1400 konstituieren1401 ohne einzelne Personen zu begünstigen,1402 lässt sich diese Grundrechtsfunktion mit der Scheidung von individuellem Freiheitsinte­ resse und öffentlichem Eingriffsinteresse vereinbaren. Allerdings hat das 1395  Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, 71 und dort Fußn. 9: BVerfG v. 14.01.1998, 1 BvR 1861 / 93 u. a., BVerfGE 97, 125, 148 f.: Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten ist von der Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland allgemein akzeptiert. Sie wurde vom BVerfG in seiner ersten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch (BVerfG v. 25.02.1975, 1 BvF 1 / 74 u. a., BVerfGE 39, 1) entwickelt. Klar ist hierbei in Rechtsprechung und Literatur lediglich, dass dem jeweiligen Adressaten der Schutzpflicht ein besonderer Einschätzungs- und Gestal­ tungsspielraum zukommen soll, und zwar im Hinblick auf das „Wie“ ihrer Erfül­ lung (vgl. Szczekalla (Fußn. 1395), 93, Fußn. 6: BVerfG v. 25.02.1975, 1 BvF 1 / 74 u. a., BVerfGE 39, 1, 44; BVerfG v. 16.10.1977, 1 BvQ 5 / 77, BVerfGE 46, 160, 160, 164), möglicherweise aber auch in Bezug auf das „Ob“ des Bestehens einer konkreten Schutzpflicht überhaupt (so Szczekalla (Fußn. 1395), 93, Fußn. 7: BVerfG v. 28.07.1987, 1 BvR 842 / 87, NJW 1987, 2287, Sp. 1: „[o]b“; Sp. 2: „[w]ie“). 1396  Szczekalla (Fußn. 1395), 149, Fußn. 352: BVerfG v. 15.02.1967, 2 BvC 1 / 66, BVerfGE 21, 196, 199 f.; BVerfG v. 24.11.1981, 2 BvC 1 / 81, BVerfGE 59, 119, 127; BVerfG v. 10.04.1984, 2 BvC 2 / 83, BVerfGE 66, 369, 380. 1397  BVerfG v. 15.01.1958, 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198, 198, 204 f. 1398  Szczekalla (Fußn. 1395), 94, Fußn. 9: BVerfG v. 25.02.1975, 1 BvF 1 / 74 u. a., BVerfGE 39, 1, 40; BVerfG v. 20.12.1979, 1 BvR 385 / 77, BVerfGE 53, 30, 57; BVerfG v. 16.12.1983, 2 BvR 1160 / 83 u. a., BVerfGE 66, 39, 56 ff., 59; BVerfG v. 30.11.1988, 1 BvR 1301 / 84, BVerfGE 79, 174, 201 f.; BVerfG v. 10.01.1995, 1 BvF 1 / 90, 1 BvR 342 / 90 u. a., BVerfGE 92, 26, 46. 1399  BVerfG v. 16.01.1957, 1 BvR 253 / 56, BVerfGE 6, 32, 40; BVerfG v. 15.01.1958, 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198, 204; BVerfG v. 25.01.1961, 1 BvR 9 / 57, BVerfGE 12, 113, 126; BVerfG v. 13.02.1964, 1 BvL 17 / 61, 1 BvR 494 / 60 u. a., BVerfGE 17, 232, 243; BVerfG v. 01.08.1978, 2 BvR 1013 / 77 u. a., BVerfGE 49, 24, 56; BVerfG v. 25.07.1979, 2 BvR 878 / 74, BVerfGE 52, 131, 165 f.; BVerfG v. 08.07.1997, 1 BvR 1934 / 93, BVerfGE 96, 189, 201. 1400  BVerfG v. 08.08.1978, 2 BvL 8 / 77, BVerfGE 49, 89, 140. 1401  Szczekalla (Fußn. 1395), 99. 1402  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 67.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

BVerfG1403 den subjektiv-rechtlichen Gehalt von Schutzpflichten aner­ kannt.1404 Insoweit löst sich die Dichotomie von Staat und Gesellschaft weitgehend auf,1405 weil öffentliche und individuelle Interessen miteinander verwoben sind. Die Schutzpflicht ist angesprochen, wenn es sich bei dem zu beurteilenden Verhalten staatlicher Institutionen nicht um einen Eingriff in den Schutzbe­ reich des Grundrechts in seiner abwehrrechtlichen Funktion handelt.1406 Da­ mit entscheidet der Begriff des „Eingriffs“ in seiner jeweiligen Weite, ob das Grundrecht als Abwehrrecht bei positivem Handeln des Staates oder in seiner zunächst nur objektiv-rechtlichen Schutzpflicht beim Unterlassen gebotenen Handelns betroffen ist.1407 Da nur der grundrechtsgebundene Staat im Hin­ blick auf die Schutzfunktion von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten verantwortlich sein kann, sind als Schutzpflichtadressaten nach Art. 1 Abs. 3 GG1408 sowohl die Legislative, die Exekutive einschließlich der Gubernative1409 als auch die Judikative grundsätzlich geeignet.1410 Die Schutzpflicht richtet sich zuallererst jedoch an den Gesetzgeber, dem die „Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzpflichtkonzepts“1411 obliegt. Aus der Formulierung „sozialer Bundesstaat“ in Art. 20 Abs. 1 GG ergibt sich, dass der Gesetzgeber „zu sozialer Aktivität … verpflichtet“ ist; er darf diese Pflicht nicht willkürlich, d. h. ohne sachlichen Grund, vernach­ lässigen.1412 In der Entscheidung des BVerfG vom 18.06.19751413 findet sich sogar eine ausdrückliche Zusammenführung von allgemeiner „Schutzpflicht“ und 1403  BVerfG v. 17.11.1992, 1 BvR 168 / 89 u. a., BVerfGE 87, 363, 382, 385 f.: Beim Nachtbackverbot hat das Gericht den Eingriff in die Berufsausübungsregelung mit dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten gerechtfertigt. 1404  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 68. 1405  Uerpmann-Wittzack (Fußn. 134), 69. 1406  BVerfG v. 12.05.1987, 2 BvR 1226 / 83 u. a., BVerfGE 76, 1, 42, 72. 1407  Szczekalla (Fußn. 1395), 94. 1408  Szczekalla (Fußn. 1395), 150, Fußn. 354: BVerfG v. 21.12.1994, 2 BvL 81 / 92 u. a., DVBl 1995, 560, 561. 1409  BVerfG v. 16.10.1977, 1 BvQ 5 / 77, BVerfGE 46, 160, 164; BVerfG v. 08.08.1978, 2 BvL 8 / 77, BVerfGE 49, 89, 90, Ls. 4 S. 1, 131; BVerfG v. 28.05.1993, 2 BvF 2 / 90 u. a., BVerfGE 88, 203, 259. 1410  Szczekalla (Fußn. 1395), 150, Fußn. 356: BVerfG v. 16.10.1977, 1 BvQ 5 / 77, BVerfGE 46, 160, 164. 1411  Szczekalla (Fußn. 1395), 151, Fußn. 358: BVerfG v. 06.05.1997, 1 BvR 409 / 90, BVerfGE 96, 56, 64. 1412  Szczekalla (Fußn. 1395), 122, Fußn. 197: BVerfG v. 19.12.1951, 1 BvR 220 / 51, BVerfGE 1, 97, 105. 1413  BVerfG v. 18.06.1975, 1 BvL 4 / 74, BVerfGE 40, 121, 133.

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Sozialstaatsprinzip, jedoch kann dem Sozialstaatsprinzip angesichts „seiner Weite und Unbestimmtheit“ regelmäßig „kein Gebot“ entnommen werden, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren, sondern der Staat muss lediglich Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schaffen.1414 Erfordert dieser Schutz einen Eingriff in Grundrechte privater Wettbewer­ ber kommunaler Unternehmen zur Sicherstellung von Leistungen der Da­ seinsvorsorge für die Gemeindebürger, oder berührt eine die Schutzpflicht ausgestaltende Schrankenregelung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG die Selbst­ verwaltungsgarantie der Gemeinde1415, so ist grundsätzlich ein diesen Ein­ griff rechtfertigendes Gesetz erforderlich, wobei auch Generalklauseln ausreichen,1416 weil es der Entscheidung des Gesetzgebers obliegt, welche normative Regelungsdichte er auf einem bestimmten Rechtsgebiet für erfor­ derlich hält.1417 Damit bilden die landesrechtlichen Zulässigkeitsbestimmun­ gen für eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, soweit diese einen „öffentlichen Zweck“ fordern, eine ausreichend konkrete gesetzliche Rege­ lungsdichte für einen Ausgleich der sozialen Belange der Gemeindebürger einerseits und der mit der Gemeinde bei wirtschaftlicher Betätigung konkur­ rierenden Wettbewerber andererseits. 3. Schutzwirkung durch Lauterkeitsrecht und Missbrauchskontrolle a) Wettbewerbskonformität kommunaler Wirtschaftstätigkeit Ein Verstoß gegen kommunalrechtliche Vorschriften wurde früher als UWG-Verstoß angesehen.1418 Seit der Grundsatzentscheidung des BGH, dass das „Ob“ der wirtschaftlichen Betätigung nicht den Wettbewerbsre­ geln unterliege, da der Schutz des lauteren Wettbewerbs davon nicht be­ rührt werde,1419 und der darauf folgenden Änderung des UWG1420 können Marktzutrittsregelungen im Gegensatz zu Marktverhaltensregelungen nicht 1414  Szczekalla (Fußn. 1395), 123, Fußn. 200: BVerfG v. 12.03.1996, 1 BvR 609 / 90 u. a., BVerfGE 94, 241, 263 m. w. N. 1415  BVerfG v. 07.10.1980, 2 BvR 584 / 76 u. a., BVerfGE 56, 298 ff. 1416  Szczekalla (Fußn. 1395), 151, Fußn. 360: BVerfG v. 19.02.1993, 1 BvR 1424 / 92, DtZ 1994, 67. 1417  BVerfG v. 30.11.1988, 1 BvR 1301 / 84, BVerfGE 79, 174, 193. 1418  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 765, Fußn. 85 m. w. N. 1419  BGH v. 25.04.2002, I ZR 250 / 00, GewArch 2002, 322; BGH v. 26.09.2002, I ZR 293 / 99, NVwZ 2003, 246. 1420  Gesetz vom 03.07.2004 (BGBl. I S. 1414).

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

mehr zur Unlauterkeit des Wettbewerbs führen.1421 Entschieden ist damit die früher heftig diskutierte Frage, ob das Wettbewerbsrecht von Konkur­ renten dazu benutzt werden kann, öffentlich-rechtliche, insbesondere kom­ munalrechtliche Verbote wirtschaftlicher Betätigung durchzusetzen.1422 Die Betätigung der öffentlichen Hand ist für sich genommen unter dem Ge­ sichtspunkt des Wettbewerbsrechts, zu dessen Zielen auch der Schutz der Freiheit des Wettbewerbs gehört, nicht zu beanstanden; vielmehr ist jede Belebung des Wettbewerbs, wie sie unter Umständen sogar von einem „Marktzutritt“ der öffentlichen Hand ausgehen kann, prinzipiell erwünscht und nicht – ohne Hinzutreten besonderer Umstände – als missbräuchliches Verhalten im Sinne der Vorschriften des UWG und GWB zu werten.1423 Diese Grundsätze der Rechtsprechung des BGH haben auch nach der UWG-Novelle von 2011 Bestand und in § 4 Nr. 11 UWG eine gesetzliche Ausprägung erfahren.1424 Ein Verstoß gegen kommunalrechtliche Vorschriften, die erwerbswirt­ schaftlicher Betätigung von Kommunen Grenzen setzen, muss nicht zugleich „unlauter“ im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG sein.1425 Die kommunalrechtli­ chen Vorschriften haben nicht den Zweck einer Kontrolle der Lauterkeit des Marktverhaltens.1426 b) Lauterkeitsrecht und unternehmerisches Marktverhalten im Wettbewerb Soweit es nicht um Einwendungen gegen das „Ob“ der Zulässigkeit kom­ munaler wirtschaftlicher Betätigung geht, sondern um Verhaltensweisen im Wettbewerb, ist unstreitig die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gege­ 1421  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 765, Fußn. 90: A. A. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb 7. Aufl. 2004, S. 50 f., unter Hinweis auf BT-Drs. 15 / 1487, S. 19, wo­ nach auch Verstöße gegen Marktzutrittsregelungen von § 4 Nr. 11 UWG erfasst sein können, wenn sie eine auf die Lauterkeit bezogene Schutzfunktion haben. Da aber das UWG den Wettbewerb insgesamt und damit ggf. auch mit der öffentlichen Hand beleben, nicht aber einzelne Marktteilnehmer davon ausschließen will, fallen nach der hier vertretenen Auffassung Marktzutrittsregelungen insgesamt nicht unter den Schutzzweck des UWG. 1422  Die Auffassung des BGH ablehnend: Diefenbach (Fußn.  1074), 99 ff. 1423  OVG Saarlouis v. 22.10.2008, 3 B 279 / 08, LKRZ 2008, 477. 1424  Lux (Fußn. 427), 289. 1425  Lux (Fußn. 427), 284, Fußn. 52: BGH v. 25.04.2002, I ZR 250 / 00, GewArch 2002, 322 und Fußn. 53: BGH v. 26.09.2002, I ZR 293 / 99, NVwZ 2003, 246 = WRP 2003, 262; BGH v. 04.11.2003, KZR 16 / 02, GRUR 2004, 255, 258; OLG  Nürnberg v. 29.09.2009, 1 U 264 / 09, GRUR-RR 2010, 99, 100 f. 1426  BGH v. 25.04.2002, I ZR 250 / 00, GewArch 2002, 322, 324.

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ben.1427 Hierbei erfolgt die Überprüfung konkreter geschäftlicher Handlun­ gen, die Kommunen selbst oder durch ihre Unternehmen vornehmen, eher punktuell.1428 Zwar ist das Wettbewerbsrecht – oder präziser ausgedrückt: das Lauterkeitsrecht – darauf ausgerichtet, nur das „Wie“ der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr zu regeln, doch kann unter Umständen bereits die Auf­ nahme einer wirtschaftlichen Betätigung als solche unabhängig von der Art und Weise ihrer Ausübung unlauter i. S. v. § 1 UWG sein.1429 Regelungsgegenstand des Lauterkeitsrechts ist es, den bestehenden Wett­ bewerb gegen Auswüchse zu sichern, d. h., es betrifft die Form des Wettbe­ werbs.1430 Nach der Novelle von 2008 reguliert das UWG1431 aber nicht mehr nur das Verhalten im Wettbewerb, sondern auch das Verhalten beim Abschluss eines Vertrages und auch im nachwettbewerblichen Bereich.1432 Voraussetzung für seine Anwendbarkeit ist ein objektiver Zusammenhang einer geschäftlichen Handlung mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte oder Verpflichtungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Der Unternehmensbegriff des UWG umfasst juristische Personen des privaten wie des öffentlichen Rechts und damit die öffentliche Hand und deren Unternehmen.1433 Im UWG fehlt zwar eine ausdrückliche Regelung für die Anwendung auf öffentliche Unternehmen, wie dies in § 130 Abs. 1 GWB1434 klargestellt ist, aber es ist nach allgemeiner Meinung auch auf kommunale Unternehmen zum Schutz Privater anwendbar,1435 jedenfalls, soweit sich die Kommunen in den Formen des Privatrechts am Wirtschafts­ verkehr beteiligen.1436 1427  BGH

v. 22.03.1976, GSZ 2 / 75, BGHZ 67, 81. (Fußn. 1360). 1429  Ehlers (Fußn. 633), 108: BGH v. 18.12.1981, I ZR 34 / 80, DVBl 1982, 945, 948. 1430  Lux (Fußn. 427), 272. 1431  Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntma­ chung vom 03.03.2010 (BGBl. I S. 254), zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.10.2013 (BGBl. I S. 3714). 1432  Lux (Fußn. 427), 272, Fußn. 2 m. w. N., Köhler (Fußn. 427), Rdnr. 31. 1433  Lux (Fußn. 427), 274. 1434  Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntma­ chung vom 26.06.2013 (BGBl. I S. 1750, ber. S. 3245). 1435  Seewald (Fußn. 801), 119, Fußn. 870: BGH v. 22.03.1976, GSZ 2 / 75, BGHZ 67, 81, 87. 1436  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 167. 1428  Tettinger

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Der BGH1437 geht von einer allgemeinen Geltung des Wettbewerbsrechts auch gegenüber hoheitlichen Tätigkeiten aus. Im Einklang mit der im Schrifttum herrschenden Meinung1438 unterscheidet er bei Handlungen eines Hoheitsträgers, die eine Doppelnatur in dem Sinne aufweisen, dass sie im Verhältnis zum Leistungsempfänger als öffentlich-rechtlich, im Verhältnis zum Wettbewerber dagegen als „gleichrangig“ und damit privatrechtlich aufzufassen sind, zwischen dem öffentlich-rechtlichen Innenverhältnis und dem privatrechtlichen Außenverhältnis. Für das privatrechtliche Wettbe­ werbsverhältnis zwischen der öffentlichen Hand und dem Wettbewerber eröffnet er den Zivilrechtsweg. Auch die Gegenmeinung1439 bestätigt diese Auffassung in gewisser Weise, wenn sie in Fällen dieser Art einerseits Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts für betroffen erachtet – und demgemäß die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bejaht –, andererseits aber einräumt, dass die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts – entspre­ chend – anzuwenden seien. Der im UWG geltende „funktionale“ Unternehmensbegriff ist weit auszu­ legen. Es kommt weder auf Gewinnerzielung noch auf eine entsprechende Absicht an.1440 Auch gemeinnützige Unternehmen unterliegen dem Wettbe­ werbsrecht.1441 Es genügt die konkrete Zielsetzung, sich am Wettbewerb zu beteiligen, um Waren abzusetzen oder Dienstleistungen zu erbringen. Blo­ ße Beschaffungstätigkeiten allerdings erfüllen den Unternehmensbegriff nicht.1442 Bei erwerbswirtschaftlicher (fiskalischer) Teilnahme der öffentli­ chen Hand am Wirtschaftsleben handelt diese meist zugunsten eines eigenen Unternehmens. Unerheblich ist, ob durch die geschäftliche Handlung Leis­ tungen der Daseinsvorsorge erbracht werden, denn die Wahrnehmung öffent­ licher Aufgaben schließt nicht aus, dass zugleich ein Geschäftsbetrieb vor­ liegt.1443 Dies trifft für liberalisierte Märkte (z. B. Energieversorgung) ebenso zu wie für öffentliche Einrichtungen wie Theater, Altenpflegeeinrichtungen oder für Gartenbauämter, die für Private Gärtnerarbeiten durchführen.1444 1437  BGH v. 22.03.1976, GSZ 1 / 75, BGHZ 66, 229, 232 f.; BGH v. 22.03.1976, GSZ 2 / 75, BGHZ 67, 81, 90; BGH v. 18.12.1981, I ZR 34 / 80, BGHZ 82, 375, 382. 1438  Emmerich (Fußn.  370), 280 ff.; Scholz (Fußn. 370). 1439  Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb 1964, 66 f., 119, 125 ff.; Klein (Fußn. 820), 245. 1440  BGH v. 26.04.1974, I ZR 8 / 73, NJW 1974, 1333, 1334; BGH v. 18.12.1981, I ZR 34 / 80, BGHZ 82, 375, 395 f.; BGH v. 08.07.1993, I ZR 174 / 91, GRUR 1993, 917, 919. 1441  Lux (Fußn. 427), 275. 1442  Lux (Fußn. 427), 275 m. w. N. in Fußn. 11: Köhler (Fußn. 427), Rdnr. 25. 1443  Lux (Fußn. 427), 275, Fußn. 15: RG v. 18.10.1932, I 774 / 32, RGSt 66, 380; BGH v. 13.05.1952, 1 StR 670 / 51, BGHSt 2, 396, 403. 1444  OLG Hamm v. 23.09.1997, 4 U 99 / 97, DVBl 1998, 792 – Gelsengrün = NJW 1998, 3504.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 243

Fördert die öffentliche Hand den Absatz eines fremden Unternehmens, etwa eines Unternehmens, an dem es als Minderheitsgesellschafterin betei­ ligt ist oder durch das sie Leistungen erbringt, oder fördert sie auch nur den Absatz des Unternehmens eines (privaten) Dritten, so ist auf ihr Verhalten Wettbewerbsrecht auch dann anwendbar, wenn die öffentliche Hand selbst keinerlei Waren oder Dienstleistungen angeboten hat.1445 Bei Handlungen der öffentlichen Hand außerhalb eines erwerbswirtschaft­ lichen Tätigkeitsbereichs besteht jedoch keine tatsächliche Vermutung für einen Absatzförderungszusammenhang einer geschäftlichen Handlung,1446 obwohl es nach der aktuellen Rechtslage auf die „Wettbewerbsförderungs­ absicht“ nicht mehr ankommt.1447 Wird die öffentliche Hand in Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder auf­ grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung tätig, z. B. in Wahr­ nehmung kommunaler Pflichtaufgaben, so stellt es keine geschäftliche Handlung dar, etwa wenn für die Wahrnehmung der Aufgabe Sicherheits­ aspekte eine Rolle spielen.1448 Ob eine Handlung auf öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage erfolgt, ist unerheblich, wenn Waren ange­ boten oder Dienstleistungen erbracht werden und zu herkömmlichen Leis­ tungserbringern eine Gleichordnung besteht.1449 Unerheblich ist auch die Organisationsform, in der die öffentliche Hand ihre Leistungen erbringt, mit denen sie am geschäftlichen Verkehr teilnimmt.1450 Auf die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der öffentlichen Hand zu den Benutzern kommt es bei der wirtschaftlichen Betätigung ebenfalls nicht an, entscheidend ist viel­ mehr das Verhältnis zum Wettbewerber. Die Zwitterstellung kommunaler Unternehmen, nämlich ihre Verbindung zu einem Träger öffentlicher Gewalt und als Wettbewerber zu rein privaten Anbietern auf dem Markt, wirft eine Reihe wettbewerbsrechtlicher Fragen nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für dessen Träger auf.1451 Bei der Fragestellung, was der öffentlichen Hand im Wettbewerb erlaubt ist, kommt es auf eine klare Trennung zulässiger Erwerbswirtschaft von hoheit­ licher Tätigkeit an. Dabei werden an die wirtschaftliche Betätigung der öf­ fentlichen Hand weitere und besondere Anforderungen gestellt als an priva­ 1445  Lux (Fußn. 427), 267, Fußn. 17: BGH v. 10.04.1997, I ZR 3 / 95, GRUR 1997, 909, 910. 1446  BGH v. 21.09.1989, I ZR 27 / 88, GRUR 1990, 463. 1447  Lux (Fußn. 427), 277, Fußn. 21. 1448  Lux (Fußn. 427), 278, Fußn. 44: BGH v. 08.10.1992, I ZR 205 / 90, GRUR 1993, 125, 126. 1449  BGH v. 18.12.1981, I ZR 34 / 80, BGHZ 82, 375, 382 f. 1450  OLG Düsseldorf v. 29.05.2001, 20 U 152 / 00, WRP 2001, 1086 f. 1451  Lux (Fußn. 427), 271.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

te Unternehmen. Hieraus ergeben sich auch wettbewerbsrechtliche Konse­ quenzen.1452 Das UWG ist dabei ein geeignetes Korrektiv, das wettbewerbs­ verzerrende Auswirkungen der Startvorteile wirksam bekämpfen kann, die einer kommunalen Wirtschaftstätigkeit inhärent sind.1453 Das Verhalten der öffentlichen Hand im Wettbewerb ist nicht privilegiert, sondern infolge der Nähe zum Staat und dessen hoheitlichen Befugnissen haben Rechtsprechung und Literatur im Rahmen der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG Fallgruppen für unlauteres Verhalten entwickelt, die sich mehr oder weniger auf eine unsaubere Trennung der hoheitlichen von der wirt­ schaftlichen Sphäre der öffentlichen Hand zurückführen lassen.1454 Dabei kann offen bleiben, ob sich einzelne Fälle bereits unter die (speziellen) Beispieltatbestände des § 4 Nr. 1, 2, 4, 10, 11 UWG subsumieren lassen. c) Verquickung von hoheitlicher Tätigkeit und Erwerbswirtschaft Die Verquickung hoheitlicher und erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit bei öffentlichen Unternehmen ist die „Grundform“ wettbewerbswidrigen Ver­ haltens der öffentlichen Hand, etwa durch Ausnutzung ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Autorität, die zur Anbahnung von Geschäftsverbindungen ge­ nutzt wird,1455 um einen unzulässigen Vorsprung vor Mitbewerbern zu er­ streben oder zu erlangen.1456 Einen Missbrauch von Autorität oder Hoheits­ befugnissen hat das OLG Frankfurt1457 aber nicht schon darin gesehen werden, dass ein Hersteller von Zahnpflegemitteln (Grund-)Schulen mit Einverständnis des Schulträgers ein kostenloses Schulprogramm zur Zahn­ hygiene zur Verwendung im Unterricht zur Verfügung gestellt hat, wobei mit der Abgabe der Zahnpflegemittel die Verwendung von Namen, Marken und sogar einer Werbefigur des Herstellers einherging. Klassisches Beispiel für die Notwendigkeit einer Trennung hoheitlicher von erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit ist der Verkauf von KFZ-Kennzei­ chenschildern durch die Verkehrsbehörde. Der BGH hatte diese im Jahr 1974 noch als „Hilfstätigkeiten“ der öffentlichen Hand zugelassen,1458 doch ist fraglich, ob diese Auffassung heute noch Bestand haben kann. 1452  Lux

(Fußn. 427), 272. (Fußn. 1124), 1264. 1454  Lux (Fußn. 427), 291. 1455  Lux (Fußn. 427), 293. 1456  Lux (Fußn. 427), 294, Fußn. 89: BGH v. 19.06.1986, I ZR 54 / 84, GRUR 1987, 116, 118. 1457  OLG Frankfurt v. 07.12.2000, 6 U 38 / 00, WRP 2001, 294. 1458  BGH v. 26.04.1974, I ZR 8 / 73, NJW 1974, 1333. 1453  Otting

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 245

Das OLG Köln1459 sieht es in einer Entscheidung aus dem Jahr 1990 als wettbewerbswidrig an, wenn es eine Kfz-Zulassungsstelle (zur Vereinfa­ chung der Kfz-Zulassung) übernimmt, Kfz-Schilder im Namen und für Rechnung bestimmter Kfz-Kennzeichenhersteller anzubieten und zu ver­ kaufen. Bei räumlicher Nähe in demselben Bürogebäude sei eine Interes­ senabwägung geboten, ob diese nur potenziellen Kunden mehr Bequem­ lichkeit verschaffen und Wege ersparen solle oder ob ein sachliches Inte­ resse diese Nähe rechtfertige.1460 Wenn es bei der Tätigkeit um den Kernbereich der jeweiligen Aufgabe der öffentlichen Hand geht, ist ein solches Verhalten nicht als wettbewerbs­ widrig anzusehen.1461 Als sonstige Verquickung hoheitlicher mit erwerbs­ wirtschaftlicher Tätigkeit wird aber z. B. die Ausnutzung amtlicher Informa­ tionen für wettbewerbliche Tätigkeiten gewertet.1462 Auch Empfehlungen der öffentlichen Hand zu einzelnen Unternehmen können geschäftliche Handlungen sein und müssen objektiv nach sachlichen Kriterien erfolgen1463 und alle in Frage kommenden Konkurrenten erfassen.1464 Eine Bevorzugung einzelner Unternehmen lässt sich auch nicht durch eine kostengünstige För­ derung öffentlicher Aufgaben, wie etwa des Klimaschutzes, rechtfertigen.1465 d) Pflicht zu maßvoller Interessenverfolgung bei Teilnahme am Wettbewerb Für die öffentliche Hand gilt eine Pflicht zu maßvoller Interessenverfol­ gung, die es ihr nicht gestattet, ihre Interessen im Wirtschaftsleben mit denselben Mitteln und Praktiken, die bei einer Privatperson noch hingenom­ men werden können, zu verfolgen.1466 Eine massive Bewerbung der Gasver­ sorgung durch ein kommunales Energieversorgungsunternehmen mit Mono­ 1459  OLG

Köln v. 26.10.1990, 6 U 84 / 90, GRUR 1991, 381. (Fußn. 427), 298. 1461  OLG  Karlsruhe v. 13.05.2009, 6 U 50 / 08 (Kart), GRUR-RR 2009, 275. 1462  Lux (Fußn. 427), 301 m. w. N. in Fußn. 117 und 118: Piper, Zum Wettbewerb der öffentlichen Hand, GRUR 1986, 574, 576. 1463  Lux (Fußn. 427), 280, Fußn. 37: BGH v. 20.12.1955, I ZR 24 / 54, BGHZ 19, 299. 1464  Lux (Fußn. 427), 307, Fußn. 135: BGH v. 10.07.1986, I ZR 59 / 84, GRUR 1986, 905, 907 f. und Fußn. 139: OLG  Stuttgart v. 05.08.2010, 2 U 53 / 10, WRP 2011, 1207. 1465  BGH v. 12.07.2012, I ZR 54 / 11, MDR 2012, 477, 478. 1466  Lux (Fußn. 427), 292; BGH v. 14.12.1976, VI ZR 251 / 73, NJW 1977, 628, 630; BGH v. 29.09.1982, I ZR 88 / 80, GRUR 1983, 120, 125; BGH v. 20.12.1955, I ZR 24 / 54, BGHZ 19, 299, 303; BGH v. 11.05.1989, I ZR 91 / 87, GRUR 1989, 603, 605. 1460  Lux

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

polstellung wurde vom OLG Köln1467 als sittenwidriges übermäßiges Anlo­ cken zu Lasten von Anbietern fester oder flüssiger Brennstoffe angesehen. Dagegen hat der BGH1468 den mit einem Grundstückskauf von einer Ge­ meinde (Börnsen) gekoppelten Fernwärmebezug von einem gemischt-öf­ fentlichen Unternehmen, an dem die Gemeinde mehrheitlich beteiligt war, nicht beanstandet. Eine unbillige Behinderung der Anbieter anderer Energie­ quellen, die aufgrund einer Kopplungsklausel vom Wettbewerb in dem fraglichen Neubaugebiet ausgeschlossen werden, liege darin ebenso wenig wie eine Unlauterkeit nach § 1 UWG. Insbesondere der Missbrauch einer hoheitlichen Machtstellung durch die Gemeinden, etwa durch unfaire Preisgestaltung unter Einsatz öffentlicher Mittel ist unzulässig.1469 Als wettbewerbswidrig kann sich auch eine Preis­ unterbietung durch die öffentliche Hand erweisen.1470 Als Wettbewerbsver­ zerrung wurde angesehen, dass eine Gemeinde durch die hoheitlich geregel­ te Überlassung von Tiefgaragenstellplätzen ihre Leistungen zum gleichen Preis wie steuerpflichtige private Wettbewerber angeboten hat. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH1471 gelten die „Einrichtungen des öffentli­ chen Rechts“1472, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, als Steuerpflichtige, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbs­ verzerrungen zu Lasten ihrer privaten Wettbewerber führen würde. Blieben die Leistungen unbesteuert, ergäbe sich auch bei gleicher Preishöhe eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der privaten Wettbewerber.1473 Soweit sich Einrichtungen des öffentlichen Rechts an Verbraucher wenden, gelten sie als Gewerbetreibende im Sinne der Richtlinie 2005 / 29 / EG,1474 auf die bei irreführender Werbung das UWG anzuwenden ist.1475 1467  OLG Köln v. 20.03.1985, 6 U 196 / 84, WRP 1983, 511 f.; OLG Köln v. 05.07.2013, I-6 U 5 / 13, 6 U 5 / 13, GRUR-RR 2014, 22: Verletzung des Transpa­ renzgebots (§ 4 Nr. 4 UWG) durch Werbung eines Strom- und Gasanbieters; vgl. auch Klute, Die aktuellen Entwicklungen im Lauterkeitsrecht, NJW 2014, 359, 362. 1468  BGH v. 09.07.2002, KZR 30 / 00, WRP 2002, 1426. 1469  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 765 m. w. N. in Fußn. 94. 1470  Lux (Fußn. 427), 311, Fußn. 156: BGH v. 08.07.1993, I ZR 174 / 91, GRUR 1993, 917, 919 (Kostenlose Abgabe von Abrechnungs-Software eines bestimmten Herstellers für Zahnärzte durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung). 1471  EuGH v. 04.06.2009, C-102 / 08, Slg. 2009, I-4629, Ls. 2 – Salix. 1472  Zu diesem europarechtlichen Begriff siehe unten C. III. 1. a) und Fußn. 1664. 1473  BFH v. 01.12.2011, V R 1 / 11, Gemeindekasse 2012, 246, 251. 1474  Richtlinie 2005 / 29 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäfts­ verkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84 / 450 / EWG des Rates, der Richtlinien 97 / 7 / EG, 98 / 27 / EG und 2002 / 65 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr.  2006 / 2004

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 247

e) Kartellrechtliche Missbrauchskontrolle bei Wettbewerbsteilnahme Aufgabe des Kartellrechts, das teilweise ebenfalls als Wettbewerbsrecht bezeichnet wird, ist es, dafür zu sorgen, dass Wettbewerb als Institution überhaupt (das „ob“ des Wettbewerbs) erhalten bleibt.1476 1475

Die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (§§ 18 Abs. 1 und Abs. 3, 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 Satz 1 GWB) kann in Frage stehen, wenn die öffentliche Hand den Mietmarkt für gewerbliche Räume etwa im Umfeld einer Zulassungsstelle als Grundstückseigentümerin beherrscht und diese Stellung zu Lasten privater Schilderprägefirmen ausnutzt.1477 In diesen Fäl­ len hat der Kartellsenat des BGH1478 gefordert, anderen Schilderprägern, die sich ebenfalls um die Kunden der Zulassungsstelle bemühen, deren Ge­ schäftsräume aber außerhalb der vermieteten Räume liegen, Gelegenheit zu geben, auf ihr Angebot hinzuweisen. Auch die Mietdauer für das ausge­ wählte Unternehmen muss überschaubar sein und darf nicht durch Verlän­ gerungsoptionen über Jahre hinweg Wettbewerber ausschließen.1479 Nach einer nicht unbestrittenen Ansicht von Ronellenfitsch1480 entfällt im Kartellrecht mit einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform die Unter­ nehmenseigenschaft.1481 Soweit eine Kommune die Wasserversorgung in des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäfts­ praktiken) (ABl. EG Nr. L 149 vom 11.06.2005, S. 22). 1475  EuGH v. 04.07.2013, C-59 / 12, NJW-aktuell 29 / 2013, 16. 1476  Lux (Fußn. 427), 272. 1477  Lux (Fußn. 427), 299, Fußn. 108: BGH v. 24.09.2002, KZR 4 / 01, WRP 2003, 73. 1478  BGH v. 08.11.2005, KZR 21 / 04, WRP 2006, 902, 904. 1479  OLG Düsseldorf v. 17.12.2008, VI-U (Kart) 15 / 08, GRUR-RR 2009, 270, 271. 1480  Ronellenfitsch (Fußn. 561), 62. 1481  Vgl. demgegenüber BGH v. 26.10.1961, KZR 1 / 61, BGHZ 36, 91, 101 f.; BGH v. 22.03.1976, GSZ 1 / 75, BGHZ 66, 229, 89; BGH v. 23.10.1979, KZR 22 / 78, NJW 1980, 1046; BGH v. 14.03.1990, KVR 4 / 88, BGHZ 110, 371, 380, in Überein­ stimmung mit Emmerich (Fußn.  370), 280 ff.; Scholz (Fußn. 370); vgl. die Kritik von Brohm (Fußn. 545), 287 f., an der „Doppelqualifikation hoheitlichen Handelns“ aus rechtssystematischen, dogmatischen und praktischen Gründen. Er vertritt hierzu die „Kompetenzkerntheorie“ auch für die Geltung des Wettbewerbsrechts. Die Anwen­ dung des GWB und des UWG habe demnach zurückzustehen, wenn man die Vor­ schriften, jedenfalls in Anwendung auf hoheitliche Handlungen, nicht als Normen des öffentlichen Rechts qualifiziere (vgl. Bettermann, Zuständigkeit der Zivilgerichte bei Streit um die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Verhaltens juristischer Personen des öffent­ lichen Rechts, DVBl 1977, 180 f.). Schon aus kompetenziellen Gründen dürfte eine solche Qualifizierung des gesamten Wettbewerbsrechts problematisch sein. So könne es zu Kompetenzkollisionen zwischen der Bundeskompetenz für das Recht der Wirt­

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

öffentlich-rechtlicher Organisationsform betreibt, ist sie auch nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht als Unternehmen anzusehen.1482 Da sie jedoch gemäß § 36 Abs. 3 GWB als Unternehmen gilt, wenn ihr die Mehrheitsbe­ teiligung an einem Unternehmen zusteht, sei sie deshalb der Kartellbehörde gegenüber auskunftspflichtig. Bereits das Urteil des BGH im Fall „Wasserpreise Wetzlar“1483 hatte Dynamik in die Diskussion um den Kontrollmaßstab von Wasserpreisen und -gebühren gebracht. Der BGH1484 hat nun festgestellt, dass auch öffentlichrechtliche Unternehmen zur Auskunft gemäß § 59 GWB verpflichtet sind, damit sich die Behörde in einem Kartellverfahren durch einen Vergleich mit davon nicht betroffenen Unternehmen ausreichende Informationen über die Gestaltung von Preisen und Kosten verschaffen könne.1485 Die öffentlichrechtliche Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses eines Wasserversorgers zu seinen Abnehmern jedenfalls steht seiner Einordnung als Unternehmen i. S. des GWB nach der Rechtsprechung des BGH nicht entgegen. Der auch im Kartellrecht geltende funktionale Unternehmensbegriff ist nach Ansicht des BGH „relativ“. Eine hoheitlich tätige öffentlich-rechtliche Körperschaft ist im Sinne einer „Doppelqualifikation“ als Unternehmen anzusehen, wenn und soweit sie daneben in einer Wettbewerbsbeziehung zu anderen Unternehmen steht.1486 Die Entscheidung greift damit durch den Schleier der Rechtsform hindurch auf den Charakter der materiell ausgeüb­ ten Tätigkeit zu. Für das Wirtschaftsrecht ist dies eigentlich selbstverständ­ lich. Wirtschaftsrecht ist, anders als Organisations- und Gesellschaftsrecht, nicht an Rechtsformen, sondern an Inhalten (antikompetitiven „effects“) orientiert, gleichgültig in welcher Rechtsform diese wettbewerbsbeschrän­ kenden Effekte verwirklicht werden. Es gibt somit bei wirtschaftlicher Tä­ tigkeit keine prinzipielle „Kartellrechtsimmunität“ einer öffentlich-rechtli­ chen Unternehmensform, sei es Eigenbetrieb, öffentlich-rechtliche Anstalt (Kommunalunternehmen) oder Zweckverband.1487 schaft (Art. 74 Nr. 11 GG) und der landesrechtlichen Kompetenz für das Kommunal­ recht (Art. 70 GG) bei privatwirtschaftlicher Betätigung der Kommunen kommen, die nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu einem Ausgleich zu bringen seien. Das Gebot der kompetenziellen Rücksichtnahme zur Lösung von derartigen Kompetenzkollisionen wurde insbesondere aus dem Prinzip der Bundestreue entwi­ ckelt, vgl. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht 1991 m. w. N. 1482  OLG Frankfurt v. 20.09.2011, 11 W 24 / 11 (Kart), NZG 2012, 433, 435, Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. 1483  BGH v. 02.02.2010, KVR 66 / 08, NJW 2010, 2573. 1484  BGH v. 18.10.2011, KVR 9 / 11, NJW 2012, 1150. 1485  Säcker (Fußn. 371). 1486  Vgl. hierzu die Klarstellung in § 130 Abs. 1 GWB. 1487  Säcker (Fußn. 371), 1106.

B. Rahmenbedingungen des nationalen Rechts für kommunale Unternehmen 249

Der BGH hat jedoch klargestellt, dass es im Kartellrecht nicht darum gehe, die Angemessenheit der Wasserpreise des in den Formen des öffent­ lichen Rechts tätigen Wasserversorgers zu überprüfen. Durch eine Auskunft über die Parameter der Preisgestaltung, die unabhängig davon erteilt werden könne, ob der jeweilige Wasserversorger sein Leistungsverhältnis öffentlichrechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet hat, werde dessen öffentlichrechtliche Tätigkeit nicht beeinträchtigt.1488 Für die Kontrolle öffentlichrechtlicher Benutzungsgebühren gelten dagegen ausschließlich die Vor­ schriften des öffentlichen Preisrechts. Eine Doppelkontrolle nach öffentli­ chem Preisrecht und Kartellrecht findet nicht statt.1489 Neben dem GWB existieren nach dem Vorbild des § 73 DGO1490 auch landesrechtliche Verbote des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung. Bei Unternehmen, für die kein Wettbewerb gleichartiger Unternehmen be­ steht, dürfen der Anschluss und die Belieferung nicht davon abhängig ge­ macht werden, dass auch andere Leistungen oder Lieferungen abgenommen werden.1491 4. Zwischenergebnis zum Konkurrentenschutz vor kommunaler Wirtschaftstätigkeit Ein Teil der Landesgesetzgeber legt den Vorschriften über die Zulässig­ keit einer wirtschaftlichen Betätigung ihrer Kommunen drittschützende Wirkung bei bzw. schließt diese ausdrücklich aus. Die Tendenz der Recht­ sprechung ist uneinheitlich und hängt von der jeweiligen landesrechtlichen Ausgestaltung ab. Ob die Verwaltungsgerichte aus der Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis des Wettbewerbsrechts zum Kommunalrecht1492 Kon­ sequenzen zugunsten einer drittschützenden Wirkung der Vorschriften über die Kommunalwirtschaft ziehen, erscheint eher unwahrscheinlich. Hierbei 1488  BGH

v. 18.10.2011, KVR 9 / 11, NJW 2012, 1150, 1152. (Fußn. 371), 1111; vgl. auch die Entscheidung des Vermittlungsaus­ schusses vom 05.06.2013 (BT-Drs. 17 / 13720 Anl. Nr.  1 i) zur 8. GWB-Novelle, wonach öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge künftig nicht (mehr) dem Kar­ tellrecht unterliegen sollen; Bundestag und Bundesrat sind dem Vermittlungsergebnis gefolgt; vgl. die neu eingefügten §§ 31 bis 31 b GWB zur besonderen Missbrauchs­ aufsicht über die Wasserversorgung. Siehe auch Daiber, Wasserversorgung und Vergleichsmarktkonzept, NJW 2013, 1990, 1995. 1490  Oebbecke, § 9 Rechtliche Vorgaben für die Führung kommunaler Gesell­ schaften, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 243, 248 und Fußn. 19: Schwintowski (Fußn. 1254), 610 spricht sich im Rah­ men der Corporate Governance für Sonderregelungen aus. 1491  § 99 BbgKVerf, § 127 b HGO, § 110 GO NRW, § 120 GO LSA, § 109 GO SH, § 77 ThürKO. 1492  Siehe oben Fußn. 1419. 1489  Säcker

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

handelt es sich vorrangig um eine politische Entscheidung der jeweiligen Landesgesetzgebung. Fehlender Drittschutz kommunalrechtlicher Vorschriften zur Zulässigkeit kommunaler Wirtschaftstätigkeit hat in Rechtsprechung und Literatur die Frage aufgeworfen, ob sich Konkurrenten unmittelbar auf Grundrechte be­ rufen können, um eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand zu unterbinden. Abgesehen von der Ausnutzung einer Monopolstellung, einem bewussten Verdrängungswettbewerb oder einer mit der Tätigkeit bezweckten unver­ hältnismäßigen Marktbeherrschung gewährt die Rechtsprechung nach der Grundsatzentscheidung des BVerwG1493 Konkurrenten zu Recht keinen ge­ nerellen Abwehranspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG, da Wettbewerb jeder wirtschaftlichen Tätigkeit immanent ist. Die Kritik der Literatur an dieser Entscheidung hat ungeachtet der unterschiedlichen dogmatischen Ansätze bisher zu keinem anderen Ergebnis geführt. Gleiches gilt für Art. 14 Abs. 1 GG und das dadurch geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie für den von Art. 2 Abs. 1 GG umfassten Schutz der Wettbewerbsfreiheit. Die landesrechtliche Zulässigkeitsvorschriften für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen stellen ein geeignetes Schutz­ pflichtkonzept dar, das einen Ausgleich zwischen dem Schutzbereich der Grundrechte privater Wettbewerber kommunaler Unternehmen und der Si­ cherstellung von Leistungen der Daseinsvorsorge zugunsten der Gemeinde­ bürger im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG bezweckt. Auch ein Marktzutritt durch kommunale wirtschaftliche Betätigung ist als Belebung des Wettbewerbs prinzipiell wünschenswert und nicht allein we­ gen einer vorteilhaften Bindung an einen Träger öffentlicher Gewalt wett­ bewerbsverzerrend. Dem Wettbewerbsrecht liegt der funktionale Unternehmensbegriff zu­ grunde, der sich nicht an Rechtsformen, sondern an Inhalten1494 orientiert. Das Lauterkeitsrecht des UWG knüpft zum Schutz vor Auswüchsen im Wettbewerb Verhaltenspflichten an geschäftliche Handlungen gegenüber anderen Marktteilnehmern und dient nicht der Durchsetzung kommunal­ rechtlicher Verbotsnormen für die wirtschaftliche Betätigung. Für das Ver­ hältnis der Wettbewerber untereinander ist deshalb unerheblich, welche Rechtsnatur die Leistungsbeziehung der öffentlichen Hand zu den Nutzern einer Einrichtung oder zu den Kunden eines eigenen oder eines von einem Hoheitsträger geförderten fremden Unternehmens besitzt. Unlauter ist die 1493  Siehe 1494  Siehe

oben Fußn. 1365. oben Fußn. 1487 und Kapitel 1 Abschnitt B.II. 1. b).



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 251

Ausnutzung von Vorteilen oder die Verletzung der Pflicht zu maßvoller Zurückhaltung bei der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen, die sich im Wettbewerb aus einer Verquickung hoheitlicher Funktionen mit geschäftli­ chen Handlungen zu Lasten von Wettbewerbern ergeben. Lauterkeit im Wettbewerb fordert deshalb eine strikte Trennung der hoheitlichen Sphäre von geschäftlichen Handlungen und den Verzicht auf den Einsatz einer von Publizitätsfunktionen ausgehenden staatlichen Autorität. Auch eine transpa­ rente Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen dem kommunalen Unter­ nehmen und dessen öffentlichem Träger leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Lauterkeit im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft. Die kartellrechtlichen Instrumente des GWB zur Missbrauchskontrolle auf den (noch) nicht liberalisierten Märkten für Daseinsvorsorgeleistungen, die, wie der Wassermarkt, noch weitgehend durch kommunale Monopole geprägt sind, werden durch die Rechtsprechung des BGH1495 zunehmend zur Herstellung von Transparenz auch über die Gebührenkalkulation und die Gestaltung von Anschluss- oder Benutzungsbedingungen öffentlicher Unter­ nehmen angewendet. Einzelne Landesgesetzgeber haben darüber hinaus kommunalen Unternehmen eine Ausweitung ihrer Monopolstellung auf Abnahmepflichten für zusätzliche Leistungen untersagt. Inzwischen hat sich die Diskussion zum Konkurrentenschutz gegenüber wettbewerbsrelevanter Betätigung der öffentlichen Hand in das Vergaberecht verlagert.1496 Einige Vergabesenate überprüfen die Einhaltung der kommu­ nalwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen über den Marktzutritt im Vergabe­ verfahren. Sie sehen darin eine Wettbewerbsverfälschung und -verzerrung,1497 die gegen Vergaberecht verstoße.1498

C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen Das europäische Wettbewerbsrecht und die flankierenden Regelungen des Beihilfe- und Vergaberechts definieren die Grenzen einer zur Erfüllung öf­ fentlicher Aufgaben gebotenen Einflussnahme und Steuerung der Mitglied­ staaten und ihrer Untergliederungen auf ihre Unternehmen und Beteiligun­ 1495  Siehe

oben Fußn. 1484. (Fußn. 768), 74: Bei einer Nachprüfung im Vergabeverfahren ver­ stärkt sich diese Schwierigkeit noch dadurch, dass die Gerichte am Sitz des Auftrag­ gebers die Gesetze auslegen müssen, die für den nicht selten in einem anderem Lande sitzenden und dem dortigen Kommunalrecht unterworfenen Bieter gelten. 1497  OLG Düsseldorf v. 29.03.2006, VII-Verg 77 / 05 u. a., VergabeR 2006, 509, 511. 1498  Im Einzelnen siehe hierzu unten C. III. 1. b) cc). 1496  Oebbecke

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

gen bei binnenmarktrelevanten Tätigkeiten. Sie zielen dabei auf Schaffung und Erhaltung eines diskriminierungsfreien und transparenten Wettbewerbs, um private Marktteilnehmer vor einem Missbrauch öffentlicher Marktmacht zu schützen und die Grundfreiheiten der europäischen Verträge zu sichern, gleichzeitig aber den Mitgliedstaaten die Erfüllung ihrer Daseinsvorsorge­ aufgaben zu gewährleisten. Der europäische Rechtsrahmen erfordert und gestattet dazu den Mitgliedstaaten wirksame Einflussmöglichkeiten auf ihre öffentlichen Unternehmen und Beteiligungen, deren Umfang und Grenzen in diesem Abschnitt insbesondere für kommunale Unternehmenstätigkeit zu untersuchen sind.

I. Daseinsvorsorge und Wettbewerb im Unionsrecht 1. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Soweit der Europäischen Union nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 EUV) in den Verträgen Zustän­ digkeiten übertragen sind, prägen europäisches Primär- und Sekundärrecht sowie sektorales europäisches Fachrecht vor allem im Bereich der libera­ lisierten Märkte1499 den Inhalt der Daseinsvorsorge in unterschiedlicher Intensität. Dabei erstreckt sich die ausschließliche Zuständigkeit der Union auf die Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wett­ bewerbsregeln (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) AEUV), während sie ihre Zustän­ digkeit mit den Mitgliedstaaten insbesondere für den Binnenmarkt (im Übrigen) sowie für den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusam­ menhalt teilt (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a) und c) AEUV). 2. Daseinsvorsorge im Recht der Europäischen Union Mit dem soziologischen Begriff1500 der Daseinsvorsorge wird in Deutsch­ land umschrieben, was in Frankreich als „service public“, in Italien als „servizio pubblico“, in Spanien als „servicio público“ und in Großbritanni­ en als „service of public interest“ bezeichnet wird,1501 auch wenn sich diese Begriffe inhaltlich unterscheiden. 1499  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 13, insbeson­ dere auf den Gebieten der Strom- und Gasversorgung, der Telekommunikation und im ÖPNV. 1500  Schmidt (Fußn. 855), 247. 1501  Vgl. auch Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (ABl. EG Nr. C 17 vom 19.01.2001, S. 4).



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 253

Gemeinwohlbelange, deren Sicherstellung unter anderem durch „Dienst­ leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ (DAWI) erfolgen kann, sind zentrale Anliegen europäischer Regulierungspolitik. Der europa­ rechtliche Ansatz, die Ziele und den Leistungsstandard im Interesse aller Betroffenen zu definieren und die Erfüllung der Vorgaben den Marktkräften zu überlassen, zwingt zu Veränderungen des mitgliedstaatlichen Verständ­ nisses von „service public“ und Daseinsvorsorge.1502 Für den deutschen Sprachraum werden die Begriffe „service public“ oder „service d’interêt général“ vom Sprachdienst der Europäischen Union schlicht als „Dienste der Daseinsvorsorge“ übersetzt.1503 Mit der demokratisch-partizipativen Komponente, die ein Höchstmaß an bürgerschaftlicher Mitwirkung und Rückkopplung der kommunalen Da­ seinsvorsorge fordert,1504 unterscheidet sich die Daseinsvorsorge nach natio­ nalem Recht grundlegend vom „wirtschaftsliberalen“ Konzept im Recht der Europäischen Union, das dem partizipativen Element insoweit1505 keine Aufmerksamkeit widmet.1506 Entgegen der Tradition in einzelnen Mitgliedstaaten verfolgt das Recht der Europäischen Union bei der Abgrenzung von Tätigkeiten der Daseins­ vorsorge bzw. nichtwirtschaftlichen von wirtschaftlichen Tätigkeiten einen „funktionalen“ Ansatz: Die Wettbewerbsregeln des europäischen Binnen­ markts mit seinen Grundfreiheiten finden stets Anwendung, wenn es sich um ein „wirtschaftliches“ Angebot von Waren und Dienstleistungen handelt, unabhängig davon, wer diese anbietet. Dies kann im Einzelfall für die Kom­ munen erhebliche Unsicherheiten hervorrufen, zumal es im europäischen Vertragswerk für den Begriff der Daseinsvorsorge keine direkte Entspre­ chung gibt.1507 Dagegen nimmt Art. 45 Abs. 4 AEUV die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung und Art. 51 AEUV Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, von der Geltung der entsprechenden Grundfreiheiten um­ fassend aus.1508

1502  Schmidt

(Fußn. 855), 231. (Fußn. 848), 22, Fußn. 23: Mitteilung der Kommission vom September 1996 (ABl. EU Nr. C 281 vom 26.09.1996, S. 3), neuformuliert in der Mitteilung der Kommission vom 20.09.2000 (ABl. EU Nr.  C 17 / 2001, S. 4). 1504  Siehe oben Fußn. 712. 1505  Vgl. aber Nachweise in Fußn. 626. 1506  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 21. 1507  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 12. 1508  Weiß, Europarecht und Privatisierung, AöR 128, 91, 96. 1503  Ronellenfitsch

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

a) Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Die Europäische Kommission hat als Äquivalent zur Daseinsvorsorge die Formulierung „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ gewählt, die sowohl „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ (DAWI) als auch „Dienstleistungen von allgemeinem nichtwirtschaftlichem Interesse“ umfasst.1509 Allerdings tauchen in den Verträgen nur die Begriffe „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ (Art. 14 Satz 1 AE­ UV) bzw. die inhaltsgleichen1510 „Dienstleistungen von allgemeinem wirt­ schaftlichem Interesse“ (Art. 106 Abs. 2 AEUV) auf. b) Dienste / Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse Auch wenn die unionsrechtliche Begrifflichkeit im Hinblick auf die Funktionen der damit verbundenen Regelungen eigenständig zu interpretie­ ren ist, bedarf diese der Ausfüllung durch die Mitgliedstaaten. Ein allge­ meines wirtschaftliches Interesse liegt vor, wenn die Aufgabe zumindest auch im öffentlichen Interesse verfolgt wird, wobei den Mitgliedstaaten eine Einschätzungsprärogative zukommt.1511 Die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Definition von Leistungen der Daseinsvorsorge ist dabei nur einer Kontrolle auf offenkundige Bewertungsfehler unterwor­ fen.1512 Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit, die sicherstellt, dass Ein­ schränkungen des Wettbewerbs und Beschränkungen der Grundfreiheiten nicht über das zur wirksamen Aufgabenerfüllung erforderliche Maß hinaus­ gehen1513 sowie die sogenannte Neutralität des Unionsrechts im Hinblick auf die Eigentumsordnung (Art. 345 AEUV)1514 prägen als Prinzipien des Unionsrechts das Verhältnis der Kommunalwirtschaft zu den Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.1515 Unstreitig ist jedoch, dass der 1509  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer

(Fußn. 368), 13. Pielow (Fußn.  1054), 48 ff. 1511  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 767. 1512  EuGH v. 23.10.1997, C-159 / 94, Slg. 1997, I-05815, Rdnr. 55 f. 1513  Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (ABl. EG Nr. C 17 vom 19.01.2001, S. 4). 1514  Allerdings bedarf die Zuordnung des Schutzes der Eigentumsordnung zum Wettbewerbsrecht einer differenzierteren Betrachtung im Zusammenhang mit dem faktischen Privatisierungszwang, der vom Beihilferecht ausgeht, vgl. Weiß (Fußn. 1508), 93 ff. 1515  Kluth, § 39 Kommunalwirtschaftliche Aktivitäten als Dienste von allgemei­ nem wirtschaftlichem Interesse, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 9. 1510  Vgl.



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 255

Begriff „trägerneutral“1516 ist1517 und dass unter staatlicher Regulierungsbzw. kommunaler Gewährleistungsverantwortung1518 als Ausfluss der ob­ jektivrechtlichen Schutzpflichten der Grundrechte und des Sozialstaatsprin­ zips (Art. 20 Abs. 1 GG) in Verbindung mit der staatsorganisatorischen Überleitungsnorm des Art. 28 Abs. 2 GG gleichberechtigter Zugang zu den Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gewährleistet sein muss.1519 In diesem Zusammenhang bedeutsam ist auch, dass durch Art.  36 GrRCh1520 der Zugang zu (vorhandenen) Dienstleistungen von allgemei­ nem wirtschaftlichem Interesse von der Union anerkannt und geachtet wird, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu för­ dern. Dieser ist als soziales Grundrecht1521 ausgestaltet und begründet eine Schutzpflicht für die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sowohl für die Union als auch für die Mitgliedstaaten.1522 Die Charta der Grundrechte gilt nach Titel VII GrRCh für die Organe, Einrich­ tungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union unter Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union (Art 51 Abs. 1 GrRCh), d. h., bei Verordnungen sowie bei Richtlinien, soweit diese den Mitgliedstaaten kei­ nen Umsetzungsspielraum lassen.1523 Die Mitgliedstaaten und die öffentli­ chen Unternehmen, die unter beherrschendem Einfluss eines Hoheitsträgers stehen,1524 sind hierbei unabhängig von ihrer Rechtsform1525 an die Uni­ onsgrundrechte gebunden. Dies gilt für Eigengesellschaften, gemischt-öf­ fentliche Unternehmen und gemischt-wirtschaftliche Unternehmen in glei­ 1516  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer

(Fußn. 368), 16. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Umweltinformationsgesetz (UIG) vom 22.12.2004 (BGBl. I S. 3704). 1518  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 19, Fußn. 27: insbesondere Schoch, Gewährleistungsverwaltung: Stärkung der Privatrechtsgesell­ schaft?, NVwZ 2008, 241 ff. 1519  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 17. 1520  Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni­ on (ABl. EU Nr. C 303 vom 14.12.2007, S. 1). 1521  Strittig, vgl. Krajewski, Öffentliche Dienstleistungen im europäischen Verfas­ sungsrecht, DÖV 2005, 665, 672 f., der Art. 36 GrRCh entgegen der h. M. lediglich als Zielvorgabe ohne subjektiv-rechtlichen Gehalt ansieht. 1522  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 31. 1523  Stohrer (Fußn. 249), 310, Fußn. 385. 1524  Art. 2 der Richtlinie 2000 / 52 / EG der Kommission vom 26. Juli 2000 zur Änderung der Richtlinie 80 / 723 / EWG über die Transparenz der finanziellen Bezie­ hungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen vom 26.07.2000 (ABl. EG Nr. L 193 vom 29.07.2000, S. 75). 1525  EuGH v. 23.04.1991, C-41 / 90, Slg. 1991, I-01979, Rdnr. 21. 1517  Vgl.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

cher Weise.1526 Dabei treten die europäischen Grundrechte an die Stelle der insoweit (derzeit) nicht anwendbaren1527 Grundrechte des Grundgeset­ zes.1528 Sie sind auch bei der Einschränkung von Grundfreiheiten zu be­ achten. Die Europäische Kommission nimmt bislang – ebenso wie die Rechtspre­ chung des EuGH – keine klare Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten vor,1529 versteht aber unter „Daseinsvor­ sorge“ nicht nur marktbezogene, sondern auch nicht-marktbezogene Tätig­ keiten, während die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nur marktbezogene Betätigungen erfassen.1530 Mit der Rechtsfigur der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (Art. 106 Abs. 2 AEUV) bzw. der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interes­ se (Art. 14 AEUV) verfügt das Primärrecht schon seit der Ursprungsfassung von 1958 über ein durch den Vertrag von Lissabon weiterentwickeltes Mo­ dell, das Raum für den Ausgleich von Wettbewerb und Solidarität bzw. Markt- und Politiksteuerung von unternehmerischen Leistungen lässt.1531 Die Leistungen der Daseinsvorsorge sind dabei ein Schlüsselelement des europäischen Gesellschaftsmodells. Wegen der Bedeutung der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts tragen die Union und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich der Verträge für das Funktionieren dieser Dienste Sorge (vgl. Art. 14 Satz 1 AEUV). Die Grundsätze und Bedingungen der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, insbesondere jene wirtschaftlicher und sozialer Art, können nach Art. 14 Satz 2 AEUV durch Verordnung festgelegt werden.

1526  EuGH v. 13.12.1983, C-222 / 82, Slg. 1983, 4083, Rdnr. 17 f.; EuGH v. 12.12.1990, C-302 / 88, Slg. 1990, I-04625, Rdnr. 16 f. 1527  BVerfG v. 22.10.1986, 2 BvR 197 / 83, BVerfGE 73, 339, 387; BVerfG v. 12.10.1993, 2 BvR 2134 / 92 u. a., BVerfGE 89, 155, 174 f.; BVerfG v. 07.06.2000, 2 BvL 1 / 97, BVerfGE 102, 147, 164. 1528  Stohrer (Fußn. 249), 310, Fußn. 384. 1529  Mitteilung zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen vom 20.11.2007, KOM (2007) 725 endg., Ziff. 2.2. 1530  Schmidt (Fußn. 855), 231, Fußn. 38: Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (ABl. EG Nr. C 17 vom 19.01.2001, S. 4), Tz. 28 und Anhang II. 1531  Kluth (Fußn. 1515), 7.



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 257

3. Unionsrechtliche Vorgaben des Wettbewerbsrechts a) Der Unternehmensbegriff des europäischen Wettbewerbsrechts Unter dem funktional zu verstehenden Begriff des Unternehmens1532 im Sinne der europäischen Wettbewerbsvorschriften (Art. 101 ff. AEUV) sind nur „wirtschaftliche“ bzw. „marktbezogene“ Verhaltensweisen zu subsumie­ ren.1533 Die Abgrenzung zu nicht-wirtschaftlichen Einheiten der Verwaltung erfolgt über den Unternehmensbegriff, der eine formelle und eine materiel­ le Komponente beinhaltet. Während in formeller Hinsicht ein Minimum an organisatorisch-institutioneller Ausstattung ausreichend ist,1534 muss sich die Tätigkeit in materieller Hinsicht auf den Bereich der Wirtschaft beziehen. Die Einstufung einer bestimmten Einheit als Unternehmen hängt damit vollständig von der Art ihrer Tätigkeiten ab. Dieser allgemeine Grundsatz hat drei wichtige Konsequenzen: Erstens ist der rechtliche Status der Organisationseinheit nach dem Recht des Mitgliedstaates nicht entscheidend. Auch eine Einheit, die beispielswei­ se nach einzelstaatlichem Recht als Verband oder Sportverein eingestuft wird, muss möglicherweise als Unternehmen angesehen werden.1535 Das einzige relevante Kriterium ist in diesem Zusammenhang, ob die Einheit eine wirtschaftliche Tätigkeit1536 ausübt oder nicht. 1532  Siehe

hierzu Kapitel 1 Abschnitt B.II. 1. b).

1533  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer

(Fußn. 368), 32, Fußn. 93: ständige Rechtsprechung vgl. EuGH v. 23.04.1991, C-41 / 90, Slg. 1991, I-01979, Rdnr. 21; EuGH v. 19.05.1993, C-320 / 91, Slg. 1993, I-02533, Rdnr. 8; EuGH v. 12.09.2000, C-180 / 98 u. a., Slg. 2000, I-06451. 1534  Mann (Fußn. 358), 10, Fußn. 28: ebenso BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 333. 1535  So hat die Europäische Kommission mit Beschluss vom 05.12.2012 – C(2012) 8761 final – SA. 33952 (2012 / NN), den Deutschen Alpenverein als gemeinnützigen Rechtsträger im Hinblick auf seine mit staatlichen Mitteln geförderten Kletterhallen deutschlandweit zwar als Unternehmen eingestuft, die Förderung aber als geeignetes und erforderliches Instrument zur Behebung eines „Marktversagens“ im Bereich des Amateur- und Breitensports als mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c) AEUV angesehen. Dieser Beschluss kann auch als Argu­ mentationshilfe für sonstige gemeinnützige Tätigkeiten etwa im Bereich der kommu­ nalen Altenpflege dienen (vgl. Fischer, jurisPR-SteuerR 21 / 2013 Anm. 1).  1536  EuGH v. 20.06.2013, C-219 / 12, Juris: „Wirtschaftliche Tätigkeit“ liegt bei einer Tätigkeit vor, die zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird. Der Begriff der Einnahmen ist im Sinne eines als Gegenleistung für die ausgeübte Tätigkeit erhaltenen Entgelts zu verstehen. Folglich spielt es für die Feststellung, dass die Nutzung eines Gegenstands zur Erzielung von Einnahmen erfolgt, keine Rolle, ob diese Nutzung auf die Erzielung von Gewinnen gerichtet ist.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Zweitens hängt deshalb die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften nicht davon ab, ob die Einheit zur Erzielung von Gewinnen gegründet wurde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können auch Ein­ heiten ohne Erwerbszweck Güter und Dienstleistungen auf dem Markt an­ bieten. Drittens erfolgt die Einstufung einer Einheit als Unternehmen immer in Bezug auf eine bestimmte Tätigkeit. Eine Einheit, die sowohl wirtschaftli­ che als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, ist nur im Hinblick auf erstere als Unternehmen anzusehen.1537 Die von der Europäischen Union bisher entwickelte und im Einzel­ nen auslegungsbedürftige Unterscheidung zwischen „wirtschaftlichen“ und „nicht-wirtschaftlichen“ Tätigkeiten ist nicht gleichzusetzen mit dem Be­ griffspaar „nicht-hoheitliche“ und „hoheitliche“ Aufgaben nach deutschem Verfassungsverständnis. Als nicht marktbezogen scheiden die Ausübung klassischer Hoheitsgewalt der äußeren und inneren Sicherheit, der Justiz und der auswärtigen Beziehungen von vorneherein aus. Bei Tätigkeiten auf sozialem, kulturellem und karitativem Gebiet kommt es für die mangelnde Marktbezogenheit nicht auf „fehlende Gewinnerzielungsabsicht“ an, so dass auch gemeinnützige oder nur nach dem Kostendeckungsprinzip betriebene entgeltliche Aktivitäten (Regiebetriebe) durchaus „Unternehmen“ darstellen können. Auch soweit landesrechtliche Regelungen der Mitgliedstaaten zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung von Kommunen diffe­ renzieren und für die Unterscheidung Kriterien aufstellen oder Beispiele benennen, sind diese für die Beurteilung, ob ein Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts vorliegt, nicht maßgeblich. So zählt die Abwasser- und Abfallentsorgung zwar zu den hoheitlichen Aufgaben bzw. zur nichtwirtschaftlichen Betätigung nach den jeweiligen Gemeinde­ ordnungen, nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission aber zweifelsfrei zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem In­ teresse. Dagegen sind Systeme der sozialen Sicherheit dann nicht als Unternehmen anzusehen, wenn das Gewinnstreben fehlt und ein ausschließlich soziales Ziel verfolgt wird. Auch das rein kirchliche Umfeld und der Profisport1538 1537  Mitteilung der Kommission Nr.  2012 / C 8 / 02, ABl. EU Nr.  C 8 vom 11.01.2012, S. 4, 5. 1538  Siehe auch Entscheidung der Kommission vom 25. April 2001 in der Sache N 118 / 00 – Öffentliche Subventionen für Profisportvereine und Beschluss der EFTA-Überwachungsbehörde in der Rechtssache 68123 – Norwegen – Nasjonal digital læringsarena, 12.10.2011, S. 9.



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 259

fallen nicht unter die Regeln des Wettbewerbsrechts.1539 Der EuGH1540 hat im Fall einer staatlichen Unfallversicherungsanstalt zur Abgrenzung auf den Grundsatz der Solidarität, die bestehende Aufsicht und darauf abgestellt, dass die Leistungen nicht streng nach dem Grundsatz der Proportionalität zu den erhobenen Beiträgen erbracht werden und hat deshalb die Anwendung der Wettbewerbsregeln verneint. Bei Verfolgung eines sozialen Zwecks verneint der EuGH einen Marktbezug und damit die Unternehmereigenschaft1541 nur dann, wenn dieser nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ange­ strebt wird1542 sowie bei Unentgeltlichkeit der Aufgabenwahrnehmung, bei­ spielsweise im Bildungsbereich von der Kindertagesstätte bis zum Hoch­ schulunterricht.1543 Die Europäische Kommission stellt auf den Einzelfall ab und betont, dass auch die Art der Erbringung einer Dienstleistung als Folge neuer wirtschaftlicher, sozialer und institutioneller Entwicklungen, wie etwa Veränderungen im Verbraucherverhalten und in der Technik, die Modernisie­ rung der öffentlichen Verwaltungen oder eine Übertragung von Zuständigkei­ ten auf die lokale Ebene einem steten Wandel unterworfen ist.1544 Sie tendiert bei sozialen Dienstleistungen zu wirtschaftlicher Tätigkeit,1545 wenn folgende Merkmale vorhanden sind: Optionale Mitgliedschaft und Kapitalisierungs­ 1539  Richter, Europäisches Wettbewerbsmodell und wirtschaftliche Leistungen der Daseinsvorsorge, in: Deutscher Städtetag (Hg.), Daseinsvorsorge und Wettbewerb, – Für und Wider einer wirtschaftlichen Betätigung der Städte – Dokumentation der Veranstaltung im Rahmen des Projektes „Zukunft der Stadt? – Stadt der Zukunft!“ am 13.02.2001 in Köln, 19, 22. 1540  EuGH v. 05.03.2009, C-350 / 07, Slg. 2009, I-01513, Rdnr. 87. 1541  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 35, Fußn. 102: EuGH v. 17.02.1993, C-159 / 91 u. a., Slg. 1993, I-00637; EuGH v. 12.09.2000, C-180 / 98 u. a., Slg. 2000, I-06451; EuGH v. 16.03.2004, C-264 / 01, Slg. 2004, I-02493. 1542  EuGH v. 22.01.2002, C-218 / 00, Slg. 2002, I-00691. 1543  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn.  368), 35, Fußn. 105: EuGH v. 07.12.1993, C-109 / 92, Slg. 1993, I-06447; Nach der Rechtsprechung des EuGH vom 11. September 2007, Kommission / Bundesrepublik Deutschland, Rs.  C-318 / 05, Slg. 2007, I-6957, Rdnr. 68, wird die nichtwirtschaftliche Natur der öffentlichen Bildung grundsätzlich nicht dadurch beeinträchtigt, dass Schüler oder ihre Eltern gelegentlich Unterrichts- oder Einschreibegebühren entrichten müssen, die zu den operativen Kosten des Systems beitragen. Solche finanziellen Beiträge decken oft nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten der Dienstleistung ab und können daher nicht als Entgelt für die erbrachte Dienstleistung angesehen werden (vgl. Mit­ teilung der Kommission Nr. 2012 / C 8 / 02, ABl. EU Nr. C 8 vom 11.01.2012, S. 4, 8). 1544  Mitteilung zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen vom 20.11.2007, KOM (2007) 725 endg., S. 5. 1545  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 37, Fußn. 113: Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Umsetzung des Gemein­ schaftsprogramms von Lissabon. Die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Inter­ esse in der Europäischen Union vom 26.04.2006, KOM (2006) 177 endg., S. 6.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

prinzip, d. h., wenn die Ansprüche von den geleisteten Beiträgen und den fi­ nanziellen Ergebnissen des Systems abhängen, sowie bei Gewinnorientierung und zusätzlichen Leistungen in Ergänzung zu einem Basissystem. Besonders schwierig ist die Abgrenzung bei Mischformen kommunaler wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung durch dieselbe Organi­ sationseinheit, wie etwa bei der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke mit Immobiliengesellschaften oder bei der Wahrnehmung von Aufgaben der örtlichen Wirtschaftsförderung unter Teilnahme am Wettbewerb mit privaten Bauträgern bei Erstellung von Infrastruktureinrichtungen für die Kommune. Im letzteren Fall wird zwischen den jeweiligen Funktionen zu unterscheiden sein, so dass für ein solches Unternehmen die einzelnen Tätigkeiten getrennt beurteilt werden müssen. b) Das Erfordernis der Binnenmarktrelevanz Angesichts des immer enger zusammenwachsenden europäischen Binnen­ markts erscheint das Erfordernis der Binnenmarktrelevanz der Dienstleistun­ gen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht mehr geeignet, die Marktbezogenheit einer Unternehmenstätigkeit auszuschließen. Sie dürfte regelmäßig zu bejahen sein, denn die Anwendung der Wettbewerbsregeln hängt nach dem Altmark-Trans-Urteil des EuGH nicht vom örtlichen oder regionalen Charakter der erbrachten Dienstleistung und der Größe des Tä­ tigkeitsgebiets ab.1546 Dabei überschreiten auch lokal angebotene Leistungen üblicherweise die Spürbarkeitsgrenze.1547 So kann bei Dienstleistungsange­ boten örtlicher Kultur- oder Bildungseinrichtungen, Museen oder Theatern bereits eine fremdsprachliche Webseite ein gravierendes Indiz für deren Binnenmarktrelevanz sein. Ähnliche Probleme können bei der Beschäfti­ gung von ausländischem Lehrpersonal, von Darstellern oder Künstlern so­ wie bei ausländischen Leihgebern von Ausstellungsobjekten entstehen.1548 Bestimmte Dienstleistungen rein lokaler Natur werden allerdings ausdrück­ lich als nicht binnenmarktrelevant ausgenommen.1549 1546  EuGH

v. 24.07.2003, C-280 / 00, Slg. 2003, I-07747, Ls. 2. 2000 / 52 / EG der Kommission vom 26. Juli 2000 zur Änderung der Richtlinie 80 / 723 / EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen vom 26.07.2000 (ABl. Nr. L 193 vom 29.7.2000, S. 75–78), Rdnr. 32. 1548  Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vom Mai 2011, Häufig gestellte Fragen zur Berücksichtigung des EU-Beihilfenrechts bei der Kulturförde­ rung, S. 12 f.: http: /  / www.bmwi.de / BMWi / Redaktion / PDF / B / arbeitshilfe-kulturfoer derung,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf, zuletzt geprüft am 18.05.2013. 1549  Siehe unten II. Beihilferecht. 1547  Richtlinie



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c) Der Begriff der öffentlichen Unternehmen im Unionsrecht Ein „öffentliches Unternehmen“ im Sinne des Unionsrechts ist „jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund des Eigentums, finan­ zieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Ein­ fluss ausüben kann“.1550 Der formale Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen liegt primär in der unterschiedlichen Person des Unternehmers. Auf die Rechtsform der Betätigung kommt es für den funk­ tionalen Begriff des „öffentlichen“ Unternehmens auch im Unionsrecht nicht an. So können öffentlich-rechtliche Anstalten1551, öffentliche Einrich­ tungen, Regie- oder Eigenbetriebe als rechtlich unselbstständige Organisa­ tionseinheiten von Kommunen Unternehmenseigenschaft besitzen, wenn ihre Tätigkeit einen Marktbezug aufweist. d) Geltung der Wettbewerbsregeln für öffentliche Unternehmen Primärrechtlich sind vor allem die Grundfreiheiten im Binnenmarkt mit der Gewährleistung des freien Verkehrs von Waren, Personen, Dienstleis­ tungen und Kapital (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und die allgemeinen Wettbe­ werbsregeln des Art. 101 AEUV, insbesondere das Kartellverbot und das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellung (Art. 102 AEUV), geeignet, auch kommunale Leistungen der Daseinsvorsorge inhaltlich zu determinieren. Das Bekenntnis des Art. 119 Abs. 1 AEUV zum Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit kontrolliertem Wettbewerb umfasst den gesamten Be­ reich der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden und die Wettbewerbs­ regeln der Art. 101 bis 109 AEUV erfassen grundsätzlich auch den übrigen Bereich der Daseinsvorsorge,1552 wenn ein Marktbezug vorliegt. Für alle Rechtsgebiete der Daseinsvorsorge, die nicht gesondert durch sektorale europäische Rechtsetzung1553 reguliert sind, gilt damit das allge­ meine Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberecht des europäischen Binnen­ markts. Sowohl Art. 101 bis 106 AEUV als auch die Regelungen über staatliche Beihilfen in Art. 107 bis 109 AEUV finden auf öffentliche Unter­ 1550  Hierzu wird auf die Definition der Transparenzrichtlinie (Kapitel 1 Abschnitt B.II. 2. Fußn. 397) Bezug genommen. 1551  EuGH v. 23.04.1991, C-41 / 90, Slg. 1991, I-01979. 1552  Ronellenfitsch (Fußn. 848), 20, Fußn. 8: EuGH v. 04.04.1974, C-167 / 73, Slg. 1974, 359; EuGH v. 30.04.1986, C-209 / 84, Slg. 1986, 1425. 1553  Beispiele für Sonderregelungen sind der Rechtsrahmen für den Öffentlichen Personennahverkehr, der Energiebereich und die Telekommunikation.

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nehmen und Unternehmen mit besonderen und ausschließlichen Rechten (Privilegien bis hin zu Monopolen) Anwendung.1554 Dabei richtet sich Art. 106 Abs. 1 AEUV unmittelbar an die Mitgliedstaa­ ten und untersagt diesen, in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Un­ ternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, ver­ tragswidrige Maßnahmen zu treffen, Begünstigungen durch unzulässige Bei­ hilfen nach Art. 101 bis 109 AEUV zu gewähren und vertragswidriges Ver­ halten zu dulden. Damit werden öffentliche Unternehmen in den staatlichen Verantwortungsbereich einbezogen und ihnen mittelbar Pflichten auferlegt, die für private Konkurrenten nicht gelten.1555 Nach der Rechtsprechung des EuGH haben die begrifflich Art. 106 Abs. 1 AEUV unterfallenden öffentli­ chen Unternehmen auch „die Diskriminierungsverbote“ zu beachten1556. Eine Sonderregelung als eng begrenzte Bereichsausnahme enthält nur Art. 106 Abs. 2 AEUV für solche öffentliche Unternehmen und Unterneh­ men mit besonderen und ausschließlichen Rechten, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) betraut sind, weil hierfür die effektive Aufgabenerfüllung Vorrang vor dem Wettbewerbsprin­ zip besitzt.1557 Nur soweit die Anwendung der Vorschriften des Wettbe­ werbsrechts (und des Beihilferechts) die Erfüllung der den Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert, gestattet es Ausnahmen bzw. Freistellungen.1558 Damit ist Art. 106 Abs. 2 AEUV die zentrale Norm, die als Kompromiss­ lösung für die Anwendung europäischen Wettbewerbsrechts einerseits öf­ fentliche Unternehmen vor unbeschränkter Anwendung der Wettbewerbsre­ geln der Verträge schützt und zum anderen den Mitgliedstaaten ermöglicht, eigene wirtschafts- und fiskalpolitische Zwecke mit solchen Unternehmen zu verfolgen.1559 Art. 106 Abs. 2 AEUV räumt der staatlichen Aufgabenerfüllung durch Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols1560 haben, 1554  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 43; weitergehend Spannowsky, Der Einfluß euro­ päischer Rechtsentwicklungen auf den kommunalen Handlungsrahmen, DVBl 1991, 1120, 1123 f. 1555  Mann (Fußn. 358), 32. 1556  EuGH v. 30.04.1974, C-155 / 73, Slg. 1974, 409, 430, Tz. 14. 1557  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 44. 1558  Kluth (Fußn. 1515), 19. 1559  Schmidt (Fußn. 855), 232, Fußn. 36 unter Bezugnahme auf Wilms, Das euro­ päische Gemeinschaftsrecht und die öffentlichen Unternehmen 1996, 99 f. 1560  Burmeister / Staebe (Fußn. 1250), 821 weisen zu Recht darauf hin, dass es sich bei der kommunalen Wirtschaftstätigkeit nicht um ein Finanzmonopol handelt,



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 263

jedoch nur relativen Schutz ein. Durchbrechungen des Grundsatzes der strikten Geltung aller unternehmensbezogenen Vertragsbestimmungen sind auch für die in Art. 106 Abs. 2 AEUV genannten Unternehmen nur inner­ halb bestimmter Grenzen möglich. Zunächst muss eine Befolgung der Ver­ tragsvorschriften die Erfüllung der jeweils übertragenen Aufgabe verhindern. Verhindert wird die Aufgabenerfüllung, wenn es keinen anderen technisch möglichen und wirtschaftlich wie rechtlich zumutbaren Weg gibt, um die übertragene Aufgabe ohne Vertragsverletzung zu erfüllen, wobei eine bloße Erschwernis oder Behinderung nicht ausreicht.1561 Notwendig ist das Beste­ hen eines konkreten Konflikts zwischen der Aufgabenerfüllung des im öf­ fentlichen Interesse handelnden Unternehmens und der Einhaltung seiner unionsrechtlichen Vertragspflichten.1562 Die hierbei auftretenden Konflikte mit dem Binnenmarkt sollen jedoch in möglichst schonender Weise ausge­ glichen und der Einsatz dieser Unternehmen als Instrument nationaler Wirt­ schafts- und Sozialpolitik soll dadurch mit den Interessen der Europäischen Union an der Schaffung und Erhaltung des gemeinsamen Binnenmarktes in Einklang gebracht werden.1563 Der Tatbestand des Art. 106 Abs. 2 AEUV, nämlich die Geltung der Wettbewerbsregeln, ist bereits dann nicht auf ein Unternehmen anwendbar, das mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist, wenn ihre Anwendung die Erfüllung der besonderen Verpflichtungen, die diesem Unternehmen obliegen, sachlich oder rechtlich gefährden würde.1564 Es ist nicht erforderlich, dass das Über­ leben des Unternehmens bedroht ist. Es genügt, wenn die Beibehaltung dieser Rechte erforderlich ist, um ihrem Inhaber die Erfüllung seiner im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben zu wirtschaftlich tragbaren Be­ dingungen zu ermöglichen.1565 Bei marktbezogenen Daseinsvorsorgetätigkeiten kann Wettbewerb genutzt werden, um den günstigsten Anbieter zu ermitteln. Wettbewerb hat damit dienende Funktion. Im Konfliktfall zwischen Daseinsvorsorge und Wettbe­ werb folgt aus europäischem Primärrecht der Vorrang der Daseinsvorsorge. Der Daseinsvorsorgeauftrag modifiziert das Wettbewerbsprinzip, lässt ­Beschränkungen des Wettbewerbs zu und rechtfertigt staatliche und kom­ da hierbei nicht unter Ausnutzung von Ausschließlichkeitsrechten Einnahmen für den Haushalt erzielt werden sollen. 1561  EuGH v. 23.10.1997, C-159 / 94, Slg. 1997, I-05815, Rdnr. 52, 59, 96, 101 f. 1562  Kluth (Fußn. 1515), 22. 1563  Weiß (Fußn. 1508), 96, Fußn. 23: EuGH v. 19.03.1991, C-202 / 88, Slg. 1991, I-01223, 1263, Rz. 12. 1564  EuG v. 19.06.1997, T-260 / 94, Slg. 1997, II-00997, Rdnr. 138; EuGH v. 23.10.1997, C-157 / 94, Slg. 1997, I-05699, Rdnr. 43. 1565  EuGH v. 23.10.1997, C-159 / 94, Slg. 1997, I-05815, 59, 95 f.

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munale Eigenproduktion, wenn nur durch sie eine ausreichende Daseinsvor­ sorge gewährleistet ist.1566 Die einheitliche Auslegung der Kriterien des Art. 106 Abs. 2 AEUV ob­ liegt der Rechtsprechung des EuGH sowie der Europäischen Kommission im Rahmen des Art. 106 Abs. 2 AEUV und bei der Beihilfeaufsicht nach Art. 107 bis 109 AEUV. Der EuGH interpretiert die Merkmale des Art. 106 Abs. 2 AEUV zunehmend extensiv, wie sich bei seiner Rechtsprechung zum Begriff der „Betrauung“1567 zeigt, wobei die Transparenz des Betrauungs­ vorganges grundlegend für das Funktionieren des Regel-Ausnahme-Verhält­ nisses des Art. 106 Abs. 1 und 2 AEUV ist.1568 Die Bestimmung des Art. 14 AEUV zielt dabei auf die Stärkung der Stel­ lung von „service public“ und Daseinsvorsorge in der gemeinschaftsrecht­ lichen Wirtschafts- und Wettbewerbsordnung. Sie verschiebt das in Art. 106 Abs. 2 AEUV statuierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten der Dienst­ leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Auch wenn Art. 14 AEUV als politische Absichtserklärung und Hand­ lungsaufforderung mit eher geringem rechtsnormativem Gehalt1569 angese­ hen wird, gibt er die Bestandsgarantie für die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, allerdings nur im Rahmen des Wettbewerbs- und Beihilferechts.1570 Jedoch ist bei dem zu treffenden vielschichtigen Abwä­ gungsprozess die Darlegungs- und Beweislast zugunsten der Mitgliedstaaten auf die Kommission verlagert.1571 Dennoch wird die Gefahr gesehen, dass mit der Verordnungsermächti­ gung des Art. 14 AEUV eine Festlegung von Qualitätsstandards mit Evalu­ ierungsmechanismen auf Ebene der Europäischen Union erfolgen kann, anstatt nach dem „Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse“ 1566  Ronellenfitsch (Fußn. 848), 24: Daraus folgert er, dass die Daseinsvorsorge zu einem eigenständigen Strukturmerkmal der Europäischen Union geworden ist und zur Wiederentdeckung der Staatlichkeit geführt hat. 1567  EuGH v. 27.04.1994, C-393 / 92, Slg. 1994, I-01477, 1516 ff. Tz. 27 ff.; EuGH v. 23.10.1997, C-159 / 94, Slg. 1997, I-05815, 5828 ff. Tz. 31 ff.; EuGH v. 23.10.1997, C-158 / 94, Slg. 1997, I-05789, 5789; EuGH v. 23.05.2000, C-209 / 98, Slg. 2000, I-03743, Tz. 76, vgl. auch Pielow (Fußn. 1054), 85 f.: Hiernach ist nicht mehr ein „hoheitlicher“ Betrauungsakt erforderlich, sondern es genügt auch eine „privatrecht­ liche Betrauung“. 1568  Schmidt (Fußn. 855), 235. 1569  Vgl. Pielow (Fußn. 1054), 98. 1570  Vgl. hierzu auch die Auslegung des Begriffs der „gemeinsamen Werte der Union“ im Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse. 1571  Schmidt (Fußn. 855), 239, Fußn. 78: EuGH v. 23.10.1997, C-159 / 94, Slg. 1997, I-05815, 5843, Tz. 94, 101 f.; EuGH v. 23.10.1997, C-158 / 94, Slg. 1997, I-05789, 5811 f., Tz. 62 ff.



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zum Lissabon-Vertrag im Hinblick auf die „gemeinsamen Werte der Union“ den weiten Ermessensspielraum auch der lokalen Behörden entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EUV) zu stärken.1572 Das europarechtliche Spannungsverhältnis zwischen Daseinsvorsorge und Wettbewerb hat zu verstärkter Beachtung der Vorteile von Publizität beige­ tragen. Die Frage, welche Bereiche staatlicher oder kommunaler Regelung unterworfen werden müssen, wird zunehmend nach sektoralen Besonderhei­ ten einzelner Politikfelder und nicht mehr generell für alle Betätigungen öffentlicher Unternehmen zu beantworten sein. Insbesondere für spezifische Bereiche, etwa bei erkannt fehlgeschlagener Privatisierung oder beim Aus­ laufen von Konzessionsverträgen im Energiebereich, werden gegenwärtig die Fragen nach einer Rekommunalisierung von Aufgaben der Daseinsvor­ sorge neu gestellt, ohne dass schon eine eindeutige Tendenz erkennbar wäre.1573 Der Staatsbedarf einer Gesellschaft wird aber möglicherweise neu zu justieren sein.1574 Das Wettbewerbssystem der Europäischen Union schützt den Wettbewerb einerseits gegenüber privaten Beschränkungen und andererseits gegenüber Interventionen der öffentlichen Hand. Kommunale Unternehmen besitzen gegenüber der Privatwirtschaft vor allem deshalb Wettbewerbsvorteile, weil sie nur eine Gewinnerzielungsabsicht aufweisen, nicht aber auch real Ge­ winne erzielen müssen und damit die Erhaltung ihrer Existenz auch aus Steuermitteln finanziert werden kann.1575 Unionsrechtlich ist – wie dargestellt – die Daseinsvorsorge dabei nicht von vorneherein vom Wettbewerbsgrundsatz ausgenommen, der das europäi­ sche Unionsrecht beherrscht (vgl. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 EUV, Art. 120 Satz 2 AEUV „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“), auch wenn Art. 14 AEUV dem Wettbewerb die „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ entgegenstellt.1576 Selbst Infrastruktureinrichtungen der Daseins­ vorsorge wie Start- oder Landebahnen für Flughäfen, die inzwischen üb­ licherweise miteinander im Wettbewerb stehen, können als wirtschaftliche 1572  So etwa das Europabüro der Bayerischen Kommunen im Rahmen des 15. Bayerischen Forums für kommunale Unternehmen am 29.03.2012 in München durch Andrea Gehler bei der Vorstellung des beihilferechtlichen Ansatzes der EUKommission für DAWI-Leistungen. Vgl. auch Kluth (Fußn. 1515), 33 m. w. N. in Fußn. 126. 1573  Bauer, Zukunftsthema „Rekommunalisierung“, DÖV 2012, 329, 337 f. 1574  Steiner (Fußn. 803), 5. 1575  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 37. 1576  Ronellenfitsch (Fußn. 825), 21, Fußn. 16: Badura, „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ unter der Aufsicht der Europäischen Gemeinschaft, in: Oppermann / Classen (Hg.), „In einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“ Festschrift für Thomas Oppermann, 2001, 571 ff.

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Tätigkeit unter das europäische Beihilferecht fallen, soweit staatliche Stellen hierfür Investitionszuschüsse gewähren.1577 Aber auch das Bestehen privater Monopole rechtfertigt Interventionen der öffentlichen Hand, wenn sich die privatwirtschaftliche Betätigung nicht im Rahmen des marktwirtschaftlichen Systems bewegt.1578 Die Existenz von Staatsaufgaben hat ihre Ursachen nicht selten in vorangegangenem Marktversagen. Dabei können verteilungspolitische Gründe, die Sicherstel­ lung von Universaldienstleistungen und der Schutz vor einer Unterversor­ gung eine Rolle spielen. Für öffentliche Güter fehlen häufig die grundsätz­ lichen Voraussetzungen für das Funktionieren des Marktmechanismus. Jeder wartet solange, bis andere für die Bereitstellung dieser Güter sorgen, um sie dann als „free rider“ kostenlos mit zu nutzen.1579 Sonstige privatwirtschaft­ liche Betätigungen können dagegen nur durch spezielle öffentliche Zwecke gerechtfertigt werden, wobei rein erwerbswirtschaftliches Tätigwerden von Gemeinden prinzipiell unzulässig ist.1580 Die europäischen Wettbewerbsregeln führen – vorbehaltlich des Art. 106 Abs. 2 AEUV – zu einer Gleichstellung der öffentlichen mit privaten Un­ ternehmen und einer Anpassung der öffentlichen Wirtschaft an die Privatwirtschaft,1581 bei der Sonderrechte der öffentlichen Hand nur akzep­ tiert werden, soweit sie zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Wenn aber für das öffentliche Unternehmen keine Vorrechte, insbesondere ausschließ­ liche oder besondere Rechte, zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind, lässt sich für öffentliche Unternehmen ein besonderes Interesse, das eine Leis­ tungserbringung als staatliche Aufgabe rechtfertigen könnte, gegenüber der Privatwirtschaft nicht mehr begründen, weil die Aufgabe dann ebenso gut von einem Privatunternehmen wahrgenommen werden kann und somit kein öffentlicher Zweck die Leistungserbringung rechtfertigt.1582 Als Konsequenz dieser europarechtlichen Gleichstellung öffentlicher mit privaten Unterneh­ men ergibt sich außerhalb des von Art. 106 Abs. 2 AEUV umfassten Be­ reichs eine Tendenz zur Privatisierung bereits aus dem deutschen Verfas­ sungsrecht, weil es in diesen Fällen die unionsrechtlichen Wertungen zu­ mindest erschweren, den verfassungsrechtlich gebotenen öffentlichen Zweck der Aufgabe bei wirtschaftlicher Betätigung zu begründen. 1577  EuGH

v. 19.12.2012, C-288 / 11 P, IR 2013, 69, 70. (Fußn. 398), 37 m. w. N. in Fußn. 18: Faiß, Kommunales Wirt­ schaftsrecht in Baden-Württemberg 8. Aufl. 2010, Rz. 865. 1579  Kluth (Fußn. 1515), 22. 1580  Ronellenfitsch (Fußn. 398), 37. 1581  Badura, Das öffentliche Unternehmen im europäischen Binnenmarkt, ZGR 1997, 291, 298. 1582  Weiß (Fußn. 1508), 97. 1578  Ronellenfitsch



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Geht es allein um eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde, bei der von vornherein zweifelhaft sein kann, ob es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt, die das Zusammenleben und Zusammen­ wohnen der Menschen in der politischen Gemeinschaft betrifft, sprechen eine Reihe verfassungs- und europarechtlicher Gründe für einen Vorrang der privaten Tätigkeit.1583 In diesen Fällen wird die Frage einer Pflicht zur ge­ meindlichen Wahrung und Sicherung ihres eigenen Aufgabenbestandes an­ ders zu beantworten sein, als wenn es sich um öffentliche Einrichtungen mit kulturellem, sozialen und traditionsbildenden Hintergrund oder um wirt­ schaftliche Betätigung im Kernbestand von Selbstverwaltungsaufgaben handelt, die schon lange Zeit in kommunaler Alleinverantwortung lagen.1584 e) Unionsrechtliche Vorgaben für Monopole öffentlicher Unternehmen Auch die unionsrechtlichen Vorgaben zur Beurteilung staatlicher Mono­ pole führen zu sehr direktem Einfluss auf Privatisierungsentscheidungen. Neben der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umformung von Handels­ monopolen (Art. 37 AEUV) sind es vor allem die Bestimmungen der Art. 102 und 106 Abs. 1 AEUV, die die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt und die Erweiterung oder Aufrechterhaltung ausschließlicher oder besonderer Rechte in Bezug auf öffentliche Unternehmen kontrollieren.1585 Monopoloide Strukturen sind mit Wettbewerbsbedingungen zu harmoni­ sieren. Dabei steht europäisches Recht einer Monopolisierung auch von Daseinsvorsorgeleistungen nicht entgegen, wenn diese notwendig ist und wenn der Monopolist die Komponenten seiner Leistungen zu Marktbedin­ gungen durch öffentliche Aufträge beschafft.1586 Ein Verstoß gegen EU-Kartellrecht besitzt unmittelbare Auswirkungen auf die Grundfreiheiten, an die öffentliche Unternehmen gebunden sind.1587 Bei Dienstleistungsmonopolen, die nicht zu rechtfertigende Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV) bewirken können, ist bereits die Monopolbildung, nicht erst ein Monopolmissbrauch unzulässig.1588 Die Rechtsprechung des EuGH neigt dazu, die Ausübung der 1583  Sodan, Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, DÖV 2000, 361, 370. 1584  BVerwG v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382, 1383. 1585  Weiß (Fußn. 1508), 98. 1586  Heinze (Fußn. 829), 40. 1587  Weiß (Fußn. 1508), 101. 1588  Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole im EG-Vertrag 1996, 120 f.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

den öffentlichen und monopolartigen Unternehmen eingeräumten Aus­ schließlichkeitsrechte als Missbrauch anzusehen.1589 Dies gilt bereits für die bloße Existenz eines ausschließlichen Rechts, wenn es zu einer Verzerrung der Chancengleichheit und einer Beeinträchtigung ausländischer Anbieter führt.1590 Ein Verstoß gegen EU-Kartellrecht liegt auch vor, wenn sich ein Unternehmen ohne sachlichen Grund einen von dem Markt, auf dem es eine beherrschende Stellung besitzt, abgeleiteten Markt sichert und dort ebenfalls Wettbewerb ausschaltet.1591 Dasselbe Ergebnis zeigt sich im Rah­ men der Niederlassungsfreiheit, wenn ein Angebot oder eine Produktion eines bestimmten Guts monopolisiert wird. Art. 106 Abs. 2 AEUV legt auch hierbei die Voraussetzungen fest, unter denen die Gewährung ausschließli­ cher Rechte und damit die Errichtung staatlicher, insbesondere kommunaler Monopole gerechtfertigt ist.1592 Die Entflechtung von Monopolen führt zum Wegfall von Privilegien und Wettbewerbsvorteilen der öffentlichen Unter­ nehmen und damit zu einem faktischen Privatisierungsdruck. f) Sekundärrechtliche Rechtsakte sektoraler Marktöffnung Gestützt auf Art. 106 Abs. 3 AEUV und spezielle Befugnisse einzelner Sektoren, z. B. Art. 91 AEUV für den Verkehrsbereich, hat die Europäische Union verschiedene sekundärrechtliche Rechtsakte erlassen, die zu Markt­ öffnungen und in deren Folge zu Privatisierungen geführt haben, wie etwa dem Bereich der Telekommunikation, des Postdienstes, des Schienenver­ kehrs und der Energiewirtschaft. Im Gegensatz dazu hat der in diesem Abschnitt unter Ziff. IV. näher dar­ gestellte Rechtsrahmen für den Öffentlichen Personennahverkehr als spezi­ fische Sektorenregelung gerade einen Trend zu verstärkter Rekommunalisie­ rung der Aufgabe begründet. Mit der eigenständigen Befugnis des Art. 106 Abs. 3 AEUV kann die Kommission durch Richtlinien und Beschlüsse auch Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten zur Aufhebung ausschließlicher Rechte begründen, um die in Art. 106 Abs. 1 AEUV niedergelegten Grundsätze sekundärrechtlich zu 1589  Schmidt, Der Übergang öffentlicher Aufgabenerfüllung in private Rechtsfor­ men, ZGR 1996, 345, 346. 1590  Weiß (Fußn. 1508), 103 und EuGH v. 19.03.1991, C-202 / 88, Slg. 1991, I-01223, 1229 ff. 1591  Weiß (Fußn. 1508), 98; vgl. auch EuGH v. 13.12.1991, C-18 / 88, Slg. 1991, I-05941, Rdnr. 18 ff. für das Verbot eines Unternehmens mit marktbeherrschender Stellung, Fernsprechgeräte, die von anderen Unternehmen angeboten werden, an das eigene Netz anzuschließen. 1592  Für kommunale Monopolunternehmen: Badura (Fußn. 1012), 823.



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konkretisieren. Diese Vorschrift ist lex specialis zu Art. 103 und Art. 114 AEUV und stellt ein Instrument dar, das geeignet ist, im Ausgleich zu den mitgliedstaatlichen Interessen die Wettbewerbsvorstellungen der Europäi­ schen Union zum Verhältnis des Staates zur Wirtschaft durchzusetzen.1593 Der Gerichtshof hat hierzu allerdings die Grenzen dieser Rechtsetzungsbe­ fugnis der Kommission formuliert.1594 Mit einem entsprechenden Liberali­ sierungskonzept kann die Kommission dennoch das Gemeinschaftsinteresse definieren.1595 Die Festlegung auf eine marktwirtschaftliche Ordnung in diesen Sektoren kann zur Folge haben, dass ein besonderer Gemeinwohlauf­ trag, der das weitere Tätigwerden des Staates als Leistungserbringer durch einen öffentlichen Zweck legitimieren kann, nicht mehr erkennbar ist.1596

II. Beihilferecht 1. Anforderungen der Beihilfenkontrolle Werden von den Mitgliedstaaten Ausgleichszahlungen für Verpflichtungen von Unternehmen im Bereich der öffentlichen Dienste erbracht, können diese den Beihilferegelungen der Art. 107 Abs. 1 AEUV unterliegen.1597 Das Verbot staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gewährter Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und dadurch den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, verdient besondere Beachtung für die Kommunen, seit die Europäische Kommission finanzielle Erleichterungen für Leistungen der Daseinsvorsorge regelmäßig stichprobenartig überprüft.1598 Dies gilt ungeachtet der jüngsten Mitteilung der Europäischen Kommission zu Leitlinien für Regionalbeihilfen als Teil 1593  Schmidt

(Fußn. 855), 237. (Fußn. 855), 237, Fußn. 66: Richtlinie 2000 / 52 / EG der Kommission vom 26. Juli 2000 zur Änderung der Richtlinie 80 / 723 / EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen vom 26.07.2000 (ABl. Nr. L 193 vom 29.7.2000, S. 75) und hierzu EuGH v. 06.07.1982, C-188 / 80, Slg. 1982, 2545; EuGH v. 19.03.1991, C-202 / 88, Slg. 1991, I-01223 und EuGH v. 17.11.1992, C-271 / 90, Slg. 1992, I-05833. 1595  Weiß (Fußn. 1508), 120, Fußn. 148: EuGH v. 19.03.1991, C-202 / 88, Slg. 1991, I-01223, 1263, Rdnr. 14; EuGH v. 17.11.1992, C-271 / 90, Slg. 1992, I-05833, 5863 Rz. 12. 1596  So auch Penski, Staatlichkeit öffentlicher Verwaltung und ihre marktmäßige Modernisierung, DÖV 1999, 85, 89. 1597  Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (ABl. EG Nr. C 17 vom 19.01.2001, S. 4), insbesondere Tz. 33 ff. 1598  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 30, Fußn. 79: vgl. hierzu im Einzelnen Czerny, Die beihilfenrechtliche Beurteilung der staatlichen 1594  Schmidt

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einer umfassenderen Strategie zur Modernisierung der EU-Beihilfekontrolle, die auf die Förderung des Wachstums im Binnenmarkt abzielt. Dies soll künftig durch wirksamere Beihilfemaßnahmen und eine Konzentration der Beihilfenkontrolle auf die Fälle mit den stärksten Auswirkungen auf den Wettbewerb erreicht werden.1599 Das Beihilferecht definiert auch für eine steuernde und kontrollierende Einwirkung der Kommunen auf ihre Unternehmen und Beteiligungen die Grenzen der Zulässigkeit von Begünstigungen, die zur Erhaltung oder Stär­ kung ihrer Wettbewerbsfähigkeit beitragen und dadurch die Beihilfekriterien erfüllen können, wenn sie den von der EuGH-Rechtsprechung und den Be­ schlüssen der Europäischen Kommission gesetzten Rahmen überschreiten. 2. Der Beihilfebegriff a) Altmark-Trans-Kriterien zum Beihilfebegriff Ein Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Leistungen von Unternehmen ist nach dem Altmark-Trans-Urteil des EuGH im konkreten Fall nur dann nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren, wenn eine Reihe von Voraussetzun­ gen erfüllt ist. Erstens muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein. Zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegen­ über konkurrierenden Unternehmen begünstigt. Drittens darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfül­ lung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfül­ lung dieser Verpflichtungen (Nettomehrkosten) ganz oder teilweise zu de­ cken. Nur bei Einhaltung dieser Voraussetzung ist gewährleistet, dass dem betreffenden Unternehmen kein Vorteil gewährt wird, der dadurch, dass er die Wettbewerbsstellung dieses Unternehmens stärkt, den Wettbewerb ver­ fälscht oder zu verfälschen droht. Wenn viertens die Wahl des Unterneh­ mens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, im konkreten Fall nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Ver­ gabe öffentlicher Aufträge erfolgt, das die Auswahl desjenigen Bewerbers Finanzierung von Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse 1. Aufl. 2009, unter besonderer Berücksichtigung des Bereichs der Energiewirtschaft. 1599  Leitlinien vom 20.06.2013 für Regionalbeihilfen ab 01.07.2014 bis 2020, Juris.



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 271

ermöglicht, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemein­ heit erbringen kann, so ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnitt­ liches, gut geführtes Unternehmen bei der Erfüllung der betreffenden Ver­ pflichtungen hätte. Ein solches Unternehmen muss so angemessen mit Mitteln ausgestattet sein, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berück­ sichtigen sind.1600 Im Einklang mit dem vierten Altmark-Kriterium müssen damit die gewährten Ausgleichsleistungen entweder das Ergebnis einer öf­ fentlichen Ausschreibung sein, mit dem sich der Bieter ermitteln lässt, der diese Dienstleistungen zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit er­ bringen kann, oder das Ergebnis eines Leistungsvergleichs mit einem durch­ schnittlichen, gut geführten und mit den notwendigen Mitteln angemessen ausgestatteten Unternehmen.1601 Bei der Ermittlung der sog. Nettomehrkosten bzw. der Vermeidung einer Überkompensation liegen erhebliche Unsicherheiten in der praktischen An­ wendung.1602 Dabei ist der Begriff der Beihilfe weiter als der Begriff der Subvention im deutschen Recht, die nur positive Leistungen, nicht aber auch Maßnahmen umfasst, die in unterschiedlichster Weise Belastungen mindern, wie etwa eine Abgabenfreiheit1603 oder eine besondere Gestaltung von Besteuerungsgrundlagen. Hierzu hat das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Kommission gegen EdF“1604 zur Frage der Anwendbarkeit des „private investor tests“ auf hoheitliche Maßnahmen den Beihilfebegriff prä­ zisiert. Nach dem „private investor test“ liegt keine Beihilfe vor, wenn das begünstigte Unternehmen denselben Vorteil, der ihm aus Staatsmitteln ge­ währt wurde, auch unter normalen Marktbedingungen hätte erlangen kön­ nen. Als Beihilfe sind danach nur solche Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen, die mit der Eigenschaft des Staates als Investor in Zusam­ menhang stehen, während solche, die mit der Eigenschaft als Träger hoheit­ licher Gewalt verbunden sind, ausgeklammert bleiben müssen. In welcher 1600  EuGH

v. 24.07.2003, C-280 / 00, Slg. 2003, I-07747, Rdnr. 87–93. der Kommission Nr.  2012 / C 8 / 02, ABl. EU vom 11.01.2012 Nr.  C 8, S. 4, 13; siehe auch III. 1. b): Vergaberecht. 1602  Pielow / Ebbinghaus, Kommunale Daseinsvorsorge nach deutschem und unter Einfluss des europäischen Rechts, in: Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrs­ meyer (Hg.), Studie „Die Gestaltung kommunaler Daseinsvorsorge im Europäischen Binnenmarkt“, – empirische Untersuchung zu den Auswirkungen des europäischen Beihilfe- und Vergaberechts insbesondere im Abwasser- und Krankenhaussektor sowie in der Abfallentsorgung“, Februar 2010, 15, 42. 1603  Vahle, Subventionsrecht, Deutsche Verwaltungspraxis 2010, 5. 1604  EuGH v. 05.06.2012, C-124 / 10 P, EuZW 2012, 581, Rz. 78–81. 1601  Mitteilung

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Eigenschaft der Staat jeweils gehandelt hat – ob als Träger hoheitlicher Gewalt oder als Investor – ist von der Kommission anhand von Nachweisen des Mitgliedstaats und anderer Anhaltspunkte im Rahmen einer Gesamtwür­ digung festzustellen. Dabei ist auch das mit der Maßnahme verfolgte Ziel zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass der Mitgliedstaat den wirtschaftli­ chen Vorteil durch Mittel bewirkt hat, die steuerlicher Natur sind und damit in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgten, steht einem Ergebnis, nach dem der Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Anteilseigner gehandelt hat, da­ bei nicht entgegen.1605 b) Begünstigung durch den Einsatz staatlicher Mittel Als Beihilfen werden nur solche Vorteile angesehen, die direkt oder indi­ rekt aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Die Übertragung staatlicher Mittel kann in vielerlei Hinsicht erfolgen, so z. B. durch direkte Zuschüsse, Steuergutschriften und Sachleistungen. Selbst Investitionszuschüsse staatli­ cher Stellen für den Bau von Infrastruktureinrichtungen der Daseinsvorsorge, wie Start- oder Landebahnen für Flughäfen, die inzwischen üblicherweise miteinander im Wettbewerb stehen, können als wirtschaftliche Tätigkeit unter das europäische Beihilferecht fallen.1606 Auch kommunale Mittel sind staatli­ che Mittel in diesem Sinne. Mittel aus den Europäischen Strukturfonds sind ebenfalls staatliche Mittel gemäß Art. 107 AEUV, Mittel eines öffentlichen (kommunalen) Unternehmens stellen staatliche Mittel i. S. von Art. 107 AE­ UV dar, sofern die Behörden in der Lage sind, diese Mittel zu kontrollie­ ren.1607 Verfügt die Behörde über einen beherrschenden Einfluss im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der Transparenzrichtlinie,1608 so wird man diese Vorausset­ zung bejahen können. Ein solcher liegt vor, wenn die öffentliche Hand die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt oder über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte 1605  Montag / von Bonin, Die Entwicklung des Unionsrechts bis Mitte 2012, NJW 2012, 3553, 3557. 1606  EuGH v. 19.12.2012, C-288 / 11 P, IR 2013, 69, 70 zum Flughafen Leip­ zig / Halle, an dem die Städte Dresden, Halle / Saale und Leipzig neben dem Freistaat Sachsen und dem Land Sachsen-Anhalt als Aktionäre der Mitteldeutsche Flughafen AG beteiligt sind. Hierbei ist die Errichtung der Infrastruktur nicht von deren spä­ terer wirtschaftlicher Nutzung zu trennen. Nicht dem Beihilferecht unterfällt dage­ gen die Erschließungsregelung zur Baureifmachung von Grundstücken durch örtliche Behörden als Teil von deren öffentlichem Auftrag (Mitteilung der Kommission vom 27.03.2014, Juris). 1607  FdStBay 2002, Nr.  279 (S. 844) Fußn. 9: EuGH v. 16.05.2002, C-482 / 99, Slg. 2002, I-04397. 1608  Art. 2 der Transparenzrichtlinie 80 / 823 / EWG vom 25.06.1980 (ABl. Nr.  L 195 vom 29.07.1980, S. 35).



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verfügt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leistungsoder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann. Umstritten ist es, ob es sich bei der Gewährträgerhaftung oder Anstalts­ last um eine Beihilfe handelt.1609 Diese sind bei wirtschaftlicher Betätigung des Staates oder einer Kommune jedenfalls dann als Beihilfe anzusehen, wenn durch sie infolge der Durchgriffshaftung des Staates das Unternehmen eine verbesserte Kreditwürdigkeit erlangt und sich dadurch tatsächlich Zu­ wendungen1610 oder Refinanzierungsvorteile feststellen lassen.1611 Maßgeb­ lich für diesen Begriff ist die faktisch begünstigende Wirkung.1612 Die Durchgriffshaftung greift vor allem bei Insolvenz eines solchen Unterneh­ mens.1613 Wenn gegen eine Qualifizierung der Anstaltslast als Beihilfe ar­ gumentiert wird, dass Art. 345 AEUV die Eigentumsordnung in den einzel­ nen Mitgliedstaaten unberührt lässt, so ist dieses Argument schon deshalb nicht zwingend, weil das Eigentum an einem öffentlichen Unternehmen unabhängig von dessen Rechtsform ist und öffentliche Unternehmen in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften haftungsbeschränkt sind. Die Einord­ nung einer solchen staatlichen Zuwendung als Beihilfe verletzt damit nicht Art. 345 AEUV, sondern stellt lediglich die Gleichbehandlung zwischen öffentlichen und privaten Eigentümern her.1614 Allerdings wird zu Recht einzuwenden sein, dass der Unternehmensträger infolge seiner Garantenstel­ lung in jedem Fall verpflichtet ist, eine solche Insolvenz abzuwenden, so dass ein Haftungsdurchgriff gar nicht erst erforderlich wird. Bei öffentlichen Unternehmen, bei denen eine Insolvenz ausgeschlossen ist, kann jedoch 1609  Classen, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde und EG-Recht, in: Walle­ rath (Hg.), Kommunen im Wettbewerb – wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, Referate der 4. Greifswalder Verwaltungsfachtage im September 2000 an der ErnstMoritz-Arndt Universität Greifswald, 2001, 85, 92 m. w. N. in Fußn. 29; Ehlers (Fußn. 444), 574; Niedersachsen hat in § 144 Abs. 2 Satz 2 NKomVG aus diesem Grund geregelt, dass die Kommune nicht für Verbindlichkeiten der kommunalen Anstalt haftet. Für Sparkassen und Landesbanken hat sich die Bundesrepublik Deutschland mit der Europäischen Kommission auf die Abschaffung der Gewährträ­ gerhaftung verständigt (vgl. hierzu die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 27. März 2002, wonach für Verbindlichkeiten, die ab dem 19. Juli 2005 entste­ hen, die Gewährträgerhaftung entfiel und gleichzeitig die Anstaltslast umgestaltet wurde, Kirchhoff, Neue Strukturen und Produkte der Zusammenarbeit zwischen Landesbanken und Sparkassen nach Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaf­ tung, in: Bräunig (Hg.), Stand und Perspektiven der Öffentlichen Betriebswirt­ schaftslehre II, Festschrift für Prof. Peter Eichhorn anlässlich seiner Emeritierung, 2007, 232, 232 f.). 1610  Kluth (Fußn. 1515), 32. 1611  Weiß (Fußn. 1508), 115, Fußn. 129: Ehlers (Fußn. 1103), 507. 1612  Classen (Fußn. 1609), 92. 1613  Weiß (Fußn. 1508), 113 m. w. N. in Fußn. 121. 1614  EuGH v. 21.03.1991, C-305 / 89, Slg. 1991, I-01603, 1641, Rdnr. 24.

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eine Darlehensaufnahme als Dauerbeihilfe zu qualifizieren sein.1615 Ein Vergleich mit den Sparkassen, bei denen mit der Europäischen Kommission eine als „Brüsseler Konkordanz“ bezeichnete Einigung vom 17.07.2001 über die Umwandlung der Gewährträgerhaftung in eine bloße Eigentümer­ stellung der Trägerkommunen erzielt worden ist, drängt sich in solchen Fällen für Kommunalunternehmen auf. Dies gilt vor allem, wenn sich deren Tätigkeit nicht in der Erfüllung einer von der Trägerkommune übertragenen Sachaufgabe erschöpft, sondern wenn das Kommunalunternehmen als Hol­ ding eines kommunalen Konzerns Beteiligungen an Tochterunternehmen hält, die ihrerseits im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft stehen. Als Beihilfe dürften auch der Betrieb eines dauerdefizitären öffentlichen Unternehmens und dessen Aufrechterhaltung gelten, wenn der Träger die auflaufenden Defizite durch regelmäßige Kapitalaufstockungen oder Gesell­ schafterdarlehen mit Eigenkapital ersetzender Wirkung ausgleicht und da­ durch mit öffentlichen Mitteln ein ohne diese Begünstigung am Markt nicht wettbewerbsfähiges Unternehmen stützt. c) Anforderungen an den Betrauungsakt Der vom Staat oder einem anderen Hoheitsträger zu erlassende Betrauungs­ akt muss gegenüber dem jeweiligen Unternehmen oder der betroffenen Unter­ nehmensgruppe die Leistungen und Leistungsbedingungen benennen, mit de­ nen die Dienste „betraut“ werden.1616 Er kann durch Gesetz1617 erfolgen oder durch sonstigen Hoheitsakt (Verwaltungsakt), muss jedoch ein rechtlich ver­ bindlicher „öffentlicher Auftrag“ sein und darf nicht nur die Erteilung einer allgemein zugänglichen Erlaubnis beinhalten, bestimmte Tätigkeiten ausüben zu dürfen,1618 wie etwa die Erteilung einer gewerberechtlichen Zulassung mit Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfung des Unternehmers.1619 Der Betrau­ 1615  Weiß

(Fußn. 1508), 116. Die Zukunft städtischer Unternehmen unter europäischen Rahmen­ bedingungen, in: Deutscher Städtetag (Hg.), Daseinsvorsorge und Wettbewerb, – Für und Wider einer wirtschaftlichen Betätigung der Städte – Dokumentation der Veran­ staltung im Rahmen des Projektes „Zukunft der Stadt? – Stadt der Zukunft!“ am 13.02.2001 in Köln, 51, 55. 1617  EuGH v. 19.05.1993, C-320 / 91, Slg. 1993, I-02533. 1618  Püttner (Fußn. 1616), 55. 1619  Anders zu beurteilen ist aber wohl die darüber hinausgehende Genehmigung des Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen für die Errichtung, die Linienführung und den Betrieb nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes – PBefG in der Fassung vom 08.08.1990 (BGBl. I S. 1690), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.12.2012 (BGBl. I S. 2598), die eine Betriebspflicht (§ 21 PBefG) und eine Beför­ derungspflicht (§ 22 PBefG) vorsieht. 1616  Püttner,



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ungsakt ist nicht an eine bestimmte Rechts- oder Handlungsform gebunden,1620 muss aber durch oder infolge eines Hoheitsakts erfolgen.1621 Die Erteilung einer öffentlich-rechtlichen Konzession ist ausreichend.1622 Auch die klar umschriebene Formulierung eines Auftrags im Rahmen einer vertraglichen Regelung reicht für den Betrauungsakt aus. Besitzt das Unternehmen keine eigene Rechtspersönlichkeit, wie etwa öffentliche Ein­ richtungen der Gemeinde, Regie- oder Eigenbetriebe, erfolgt die Betrauung durch einen internen Organisationsakt, der aber entsprechend zu dokumen­ tieren ist. Bei Eigengesellschaften kann schließlich auch der Gesellschafts­ vertrag, sofern er ausreichend konkretisierte Formulierungen enthält, als Betrauungsakt angesehen werden. Für die Betrauung gemischt-wirtschaftli­ cher Unternehmen, die von einem Träger der öffentlichen Hand beherrscht werden, wird ein gesonderter Hoheitsakt für erforderlich gehalten. Nach dem Ansatz, den die Kommission in solchen Fällen verfolgt, müssen der Akt bzw. die Akte zumindest Folgendes festlegen: – Gegenstand und Dauer der Verpflichtungen zur Erbringung von öffent­ lichen Dienstleistungen; – das Unternehmen und gegebenenfalls das betreffende Gebiet; – die Art etwaiger dem Unternehmen durch die betreffende Behörde ge­ währter ausschließlicher oder besonderer Rechte; – die Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Aus­ gleichsleistungen und – Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung einer etwaigen Über­ kompensation.1623 Schließlich muss der Betrauungsakt auch einen Hinweis auf den Freistel­ lungsbeschluss enthalten, auf dessen Grundlage die Gewährung von Aus­ gleichsleistungen unionsrechtskonform erfolgen soll.1624 1620  Die Stadt München praktiziert seitdem ein sog. gesellschaftsrechtliches Mo­ dell eines dreistufigen Betrauungsaktes, dessen erste Stufe eine Aufgaben- und Zweckfestlegung im Gesellschaftsvertrag ist. In einer zweiten Stufe beschließt der Stadtrat jährlich im Voraus verbindliche strategische Unternehmensziele, die von der Geschäftsführung der Unternehmen umzusetzen sind. Die dritte Stufe des Betrau­ ungsaktes stellt die Genehmigung des Wirtschaftsplans für das jeweilige Unterneh­ men dar, die der Oberbürgermeister als verbindliche gesellschaftsrechtliche Weisung den Geschäftsführungen zuleitet (Stadt München, Sitzungsvorlage Nr. 02-08 / V 11763 des Direktoriums zur Stadtratsvollversammlung vom 12.03.2008 – D-I-R, S. 3 f.). 1621  EuGH v. 23.10.1997, C-159 / 94, Slg. 1997, I-05815, Rdnr. 65. 1622  EuGH v. 27.04.1994, C-393 / 92, Slg. 1994, I-01477, Rdnr. 66. 1623  Ziff. 3.3 der Mitteilung Nr. 2012 / C 8 / 02, ABl. EU vom 11.01.2012 Nr. C 8, S. 4, 12. 1624  Vgl. auch Sonder / Bühner (Fußn. 377), 300.

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d) Anwendung des Beihilferechts nach dem bisherigen Monti-Paket Die Kommission hatte bereits mit dem Monti-Paket vom 20.11.20051625 Konsequenzen aus der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Alt­ mark-Trans zur Anwendung des europäischen Beihilferechts auf Unterneh­ men gezogen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind. In der Freistellungsentscheidung1626 hatte das Monti-Paket dabei die Vo­ raussetzungen konkretisiert, unter denen Ausgleichszahlungen an Unterneh­ men, die solche Dienstleistungen erbringen, nicht der Notifizierungspflicht unterliegen und damit vereinbar sind mit dem Beihilferecht der Union. Mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen wurden die Vo­ raussetzungen benannt, unter denen Ausgleichszahlungen, die nicht unter die Freistellungsentscheidung fielen, unter Beachtung der Notifizierungs­ pflicht mit europäischem Beihilferecht vereinbar waren. Durch eine Änderung der Transparenzrichtlinie1627 wurde gewährleistet, dass Unternehmen, die staatliche Ausgleichszahlungen erhalten und sowohl öffentliche Dienstleistungen erbringen als auch auf anderen Gebieten tätig sind, hierüber getrennt Buch führen müssen. Dadurch wurde auch die Prü­ fung ermöglicht, ob eine Überkompensation durch Ausgleichszahlungen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vorliegt. Mit der auch für öffentliche Unternehmen geltenden (allgemeinen) Deminimis-Verordnung vom 15.12.20061628 (Fortgeltung bis 31.12.2013), wur­ den diejenigen Beihilfen von der Notifizierungspflicht ausgenommen, die wegen ihrer geringen Bedeutung für den Binnenmarkt nicht alle Tatbe­ standsmerkmale einer wettbewerbsverfälschenden Beihilfe erfüllen. So ist 1625  Das Monti-Paket umfasste die Freistellungsentscheidung der Kommission (2005 / 842 / EG) vom 29.11.2005 (ABl. EU Nr.  L 312 vom 29.11.2005, S. 67), den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen vom 28.11.2005 (ABl. EU Nr. C 297 vom 29.11.2005, S. 4), die De-minimis-Verordnung (EG / 1998 / 2006) vom 15.12.2006 (ABl. EU Nr. L 379 vom 28.12.2006, S. 5) und die Änderung der Transparenzricht­ linie (2005 / 81 / EG) vom 28.11.2005 (ABl. EU Nr.  L 312 vom 29.11.2005, S. 47). 1626  Vgl. Fußn. 1625. 1627  Neufassung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d) der Richtlinie 80 / 723 / EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb be­ stimmter Unternehmen (ABl. Nr. L 195 vom 29.7.1980, S. 35), geändert durch die Richtlinie 2000 / 52 / EG (ABl. EU Nr.  L 193 vom 29.7.2000, S. 75). 1628  Verordnung (EG) Nr.  1998 / 2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen (ABl. EG Nr. L 379 vom 28.12.2006, S. 5).



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das Kriterium einer Beeinträchtigung des Handels nur dann erfüllt, wenn das begünstigte Unternehmen wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten berühren. Die Kommission hatte deshalb dafür Schwellenwerte1629 festgelegt, bis zu denen die Beihilfevorschriften keine Anwendung finden. e) Modifizierungen des Beihilferechts durch das Almunia-Paket Mit dem Almunia-Paket hat die Europäische Union in den Jahren 2011 und 2012 das Monti-Paket nach umfangreichen Konsultationen mit dem Ziel einer Vereinfachung überarbeitet und an den Vertrag von Lissabon angepasst. aa) Mitteilung über die Anwendung der Beihilfevorschriften Es enthält in der „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“1630 eine zusammenfassende Darstellung der Schlüsselkonzepte der Reform. Die Mitteilung gilt unbeschadet der Anwendung anderer Rechtsvorschriften der Union, insbesondere derjenigen für das öffentliche Auftragswesen, und der sich aus dem AEUV und dem sektorspezifischen Unionsrecht ergebenden Bestimmungen.1631 Entscheidet eine Behörde, Drit­ te mit der Erbringung einer Dienstleistung zu betrauen, muss sie die Rechts­ vorschriften der Union für das öffentliche Auftragswesen befolgen.1632 Die Kommission gibt in dieser Mitteilung allerdings lediglich die EuGHRechtsprechung wieder und nimmt keine Abgrenzung zwischen wirtschaft­ 1629  Vgl.

Art. 2 Abs. 2 bis 5 der Verordnung. Nr.  2012 / C 8 / 02 (ABl. EU Nr.  C 8 vom 11.01.2012, S. 4). 1631  Vgl. Verordnung (EG) Nr.  800 / 2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem gemein­ samen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Grup­ penfreistellungsverordnung), ABl. EU Nr. L 214, S. 3, mit Leitlinien für die Beur­ teilung von staatlichen Regionalbeihilfen, Investitions- und Beschäftigungsbeihilfen für KMU, Beihilfen für Unternehmerinnentum, Umweltschutzbeihilfen, KMU-Bei­ hilfen für die Inanspruchnahme von Beratungsdiensten und für die Teilnahme an Messen, Risikokapitalbeihilfen, Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovati­ on, Ausbildungsbeihilfen und Beihilfen für benachteiligte und behinderte Arbeitneh­ mer oder Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen (Gemeinschaftsrahmen für staatli­ che Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation (ABl. EU Nr. C 323 vom 30.12.2006, S. 1). 1632  Vgl. hierzu im Einzelnen in diesem Abschnitt III. 1. 1630  Mitteilung

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lichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen vor. Da diese Unterschei­ dung von den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in dem jewei­ ligen Mitgliedstaat abhängt, ist es nach Auffassung der Kommission nicht möglich, eine erschöpfende Liste derjenigen Tätigkeiten aufzustellen, die grundsätzlich nicht-wirtschaftlicher Natur sind. Zur Frage der Binnenmarktrelevanz verweist die Kommission darauf, dass Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, die in den Anwendungsbereich von Art. 107 AEUV fallen, den Handel zwi­ schen Mitgliedstaaten beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen müs­ sen. Dies setzt normalerweise einen Wettbewerbsmarkt voraus. Deshalb gelten für Märkte, die entweder durch Rechtsvorschriften der Union oder durch mitgliedstaatliche Gesetze für den Wettbewerb geöffnet wurden oder sich de facto im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung für den Wettbewerb geöffnet haben, die EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen. Die Mitglied­ staaten verfügen jedoch nach wie vor über einen Ermessensspielraum, wie sie Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse definieren, organisieren und finanzieren wollen, wobei diese der Beihilfenkontrolle unterliegen, wenn dem (privaten oder öffentlichen) Dienstleistungserbringer (einschließlich interner Dienstleistungserbringer) Ausgleichsleistungen ge­ währt werden.1633 Die Binnenmarktrelevanz wird anhand von Beispielen für Tätigkeiten rein lokaler Natur ausgeschlossen, weil diese den Handel zwi­ schen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen. Beispiele hierfür sind Schwimm­ bäder, die überwiegend von den örtlichen Einwohnern genutzt werden, örtliche Krankenhäuser, die ausschließlich für die örtliche Bevölkerung be­ stimmt sind, örtliche Museen, die wahrscheinlich keine grenzüberschreiten­ den Besucher anziehen, und lokale Kulturveranstaltungen, bei denen das potenzielle Publikum örtlich begrenzt ist. bb) Freistellungsbeschluss für bestimmte Ausgleichsleistungen Die Freistellungsentscheidung des Monti-Pakets wird abgelöst durch den „Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäi­ schen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleis­ tungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind“.1634 Dieser Beschluss legt fest, unter welchen Voraussetzungen staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirt­ 1633  Ziff. 2.3 der Mitteilung Nr. 2012 / C 8 / 02 (ABl. EU Nr. C 8 vom 11.01.2012, S.  4, 9 f.). 1634  Beschluss 2012 / 21 / EU (ABl. EU Nr.  L 7 vom 11.01.2012, S. 3).



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schaftlichem Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt wer­ den, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden und folglich von der Notifizierungspflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV befreit sind. Neben einer Begrenzung der Geltungsdauer eines Betrauungsakts auf 10 Jahre1635 halbiert der Beschluss die bisherigen Schwellenwerte für die Freistellung von Ausgleichsleistungen auf 15 Mio. Euro pro Jahr1636 und verzichtet auf die bisher erforderliche Angabe eines Jahresumsatzes. Er stellt Krankenhäu­ ser und Ausgleichsleistungen für Gesundheitsdienste, Kinderbetreuung, Dienste der Langzeitpflege, die Betreuung und soziale Einbindung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen sowie den sozialen Wohnungsbau generell vom Beihilferecht frei. Nach der Transparenzregelung in Art. 7 und den verschärften Berichts­ pflichten des Art. 9 des Beschlusses muss für Ausgleichsleistungen von mehr als 15 Mio. EUR, die einem Unternehmen gewährt werden, das au­ ßerhalb des Anwendungsbereichs der Dienstleistung von allgemeinem wirt­ schaftlichem Interesse noch andere Tätigkeiten ausübt, die beihilfegewäh­ rende Stelle des Mitgliedstaates den Betrauungsakt oder eine Zusammenfas­ sung, die die in Artikel 4 genannten Angaben enthält, und den jährlichen Beihilfebetrag für das betreffende Unternehmen im Internet oder in sonstiger geeigneter Weise veröffentlichen. Bis spätestens 31.01.2014 mussten Beihil­ feregelungen an die Erfordernisse des Beschlusses angepasst werden. cc) EU-Rahmen für notifizierungspflichtige staatliche Beihilfen Der bisherige Gemeinschaftsrahmen des Monti-Pakets wird durch den „EU-Rahmen für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen“1637 ersetzt. Diese Mitteilung der Kommission benennt die Voraussetzungen, die für notifizierungspflich­ tige Beihilfen (d. h. von mehr als 15 Mio. EUR) erfüllt sein müssen, damit sie nach Art. 106 Abs. 2 AEUV für vereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt werden können. Entgegen der Zielsetzung nach Vereinfachung stellt die Mitteilung neue Erfordernisse bezüglich Effizienz und Qualität der zu erbringenden Dienst­ leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf, die eine fakti­ sche Verpflichtung zur Wahl eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens bedeuten. Sie verschärft damit deutlich die Anforderungen an die Geneh­ 1635  Art. 2

Abs. 2 Satz 1 des Beschlusses. Beschluss gilt nicht für die Bereiche Verkehr und Verkehrsinfrastruktur (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a). 1637  Mitteilung der Kommission zum EU-Rahmen für staatliche Beihilfen vom 28.12.2011 (ABl. EU Nr. C 8 vom 11.01.2012, S. 15). 1636  Der

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

migungsfähigkeit. Durch Konsultationen oder andere angemessene Mittel soll der echte Bedarf an Ausgleichsleistungen ermittelt werden. Für die Berechnung der Ausgleichsleistungen stehen entweder die „net-avoidedcost-Methode“ (d. h. die Differenz zwischen den Nettokosten des Unter­ nehmens mit bzw. ohne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen) oder die „Kostenallokationsmethode“ (d. h. die Differenz zwischen den im Betrau­ ungsakt zur Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen festge­ legten Kosten und den entsprechenden Einnahmen des Unternehmens) zur Verfügung.1638 Neben einer Begrenzung der Betrauungsdauer auf den Abschreibungszeit­ raum des Sachanlagevermögens sieht die Mitteilung als Genehmigungsvo­ raussetzung auch die Beachtung der Transparenzrichtlinie1639 und der EUVorschriften über das öffentliche Auftragswesen1640 sowie insbesondere bei Beauftragung mehrerer Unternehmen die Beachtung der Vorschriften über die Nichtdiskriminierung1641 vor. Im Interesse der Transparenz hat der betreffende Mitgliedstaat für jede in den Geltungsbereich dieser Mitteilung fallende Ausgleichsleistung für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Internet oder in sonstiger angemessener Weise die Ergebnisse der öffentlichen Kon­ sultation oder der sonstigen angemessenen Mittel, den Gegenstand und die Dauer der Verpflichtungen zur Erbringung von öffentlichen Dienstleistun­ gen, das Unternehmen und gegebenenfalls das betreffende Gebiet sowie den jährlichen Beihilfebetrag für das betreffende Unternehmen zu veröf­ fentlichen.1642 dd) De-minimis-Verordnungen zur Notifizierungsfreiheit Zur Komplettierung des Almunia-Pakets hat die Kommission am 25.04.2012 erstmals eine für Beihilfen bei Dienstleistungen von allgemei­ 1638  Ziff. 2.8 der Mitteilung vom 28.12.2011 (ABl. EU Nr. C 8 vom 11.01.2012, S.  15, 17 ff.). 1639  Richtlinie 2006 / 111 / EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb be­ stimmter Unternehmen (ABl. EU Nr. L 318 vom 17.11.2006, S. 17 – kodifizierte Fassung). 1640  Ziff. 2.6 der Mitteilung vom 28.12.2011 (ABl. EU Nr. C 8 vom 11.01.2012, S. 15, 17). 1641  Ziff. 2.7 der Mitteilung vom 28.12.2011 (ABl. EU Nr. C 8 vom 11.01.2012, S. 15, 17). 1642  Ziff. 2.7 der Mitteilung vom 28.12.2011 (ABl. EU Nr. C 8 vom 11.01.2012, S. 15, 21).



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nem wirtschaftlichem Interesse geltende „De-minimis-Verordnung“1643 er­ lassen. Danach gelten Beihilfen an Unternehmen für die Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse als Maßnahmen, die nicht alle Tatbestandsmerkmale von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen, und daher von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV befreit sind, wenn sie die in den Art. 2 Abs. 2 bis 8 der Verordnung genannten Voraus­ setzungen erfüllen. Der Schwellenwert ist hierbei für die Freistellung auf 500.000 EUR im Dreijahreszeitraum angehoben worden und es ist eine Gleichstellung der Regelungen zu Bürgschaften und Darlehen nach der bis 31.12.2013 noch fortgeltenden allgemeinen De-minimis-Verordnung1644 er­ folgt. Aus kommunaler Sicht kann diese Regelung begrüßt werden, doch sind insbesondere die umsatzsteuerrechtlichen Fragen bei der Gewährung von Ausgleichsleistungen1645 noch nicht gelöst.

III. Vergaberecht Das Vergaberecht ist ein Verfahrensrecht und hat seine Grundlage im Wettbewerbs- und Haushaltsrecht. Es regelt den Ablauf des Vergabeprozes­ ses und dient dazu, den Bedarf der öffentlichen Hand an Gütern und Dienst­ leistungen im Wettbewerb wirtschaftlich zu decken.1646 Hierzu setzt es der öffentlichen Hand bei der Ausübung ihrer Marktmacht als Auftraggeberin Grenzen sowohl im Interesse privater Mitbewerber als auch zur Gewährleis­ tung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.1647 Daneben gestattet es ihren Unternehmen auch, als Anbieter von Leistungen am Wett­ bewerb mit Privaten teilzunehmen.

1643  Verordnung (EU) Nr.  360 / 2012 der Kommission vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistun­ gen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen, ABl. EU vom 26.04.2012 Nr. L 114, S. 8. 1644  De-minimis-Verordnung (EG) Nr. 1998 / 2006 vom 15.12.2006, ABl. EU vom 28.12.2006 Nr. L 379, S. 5. 1645  Ein Betrauungsakt, in dem Leistungs- und Finanzparameter festgelegt wer­ den, kann aufgrund eines damit dokumentierten Leistungsverhältnisses eine Umsatz­ steuerpflicht auslösen, so dass zu empfehlen ist, die Finanzierung der Ausgleichs­ zahlung in Zweifelsfällen durch hoheitlichen Zuwendungsbescheid oder durch ein gesellschaftsrechtliches Modell, ggf. in Form einer Eigenkapitalaufstockung des Unternehmens, zu bewirken (vgl. auch das sog. Münchener Modell – Fußn. 1620). 1646  BT-Drs. 17 / 13500 vom 15.05.2013, S. 8. 1647  Gröpl (Fußn. 365), Rdnr. 9: Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist Ausfluss des allgemeinen Rationalitätsprinzips wirtschaftlicher Tätigkeit. Er gründet sich auf die Gemeinwohlverpflichtung des Staates.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

1. Rechtsrahmen für Dienstleistungsaufträge Die Europäische Kommission verfolgt seit der Vollendung des gemeinsa­ men Binnenmarkts das Ziel eines europaweit diskriminierungsfreien und transparenten Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Die europa­ rechtlichen Grundlagen dazu liefert seit dem Jahr 2004 das EU-Legislativ­ paket, bestehend aus der Vergabekoordinierungsrichtlinie1648 und der Sekto­ renkoordinierungsrichtlinie.1649 Entscheidet eine Behörde, Dritte mit der Erbringung einer Dienstleistung zu betrauen, muss sie die Rechtsvorschriften der Union für das öffentliche Auftragswesen befolgen, die in den Artikeln 49 bis 56 AEUV und den ge­ nannten Richtlinien sowie sektorspezifischen Vorschriften enthalten sind. Diese vergaberechtlichen Regelungen gelten auch für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.1650 Zu deren Novellierung hat die Kommission im Dezember 2011 Vorschläge für eine Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe1651 und für eine Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Ver­ kehrsversorgung sowie der Postdienste1652 vorgelegt und auch einen Richt­ linienvorschlag über die Konzessionsvergabe1653 erstellt. Für Personenver­ 1648  Richtlinie 2004 / 18 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau­ aufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. EU Nr. L 134 vom 30.04.2004, S.  114), die mit Wirkung vom 17.04.2014 durch die Richtlinie 2014 / 24 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004 / 18 / EG (ABl. EU vom 28.03.2014 Nr. L. 94, S. 65) ersetzt worden ist und für Vergaben eine wesentlich erweiterte Berücksichtigung von Umweltstandards gestattet. 1649  Richtlinie 2004 / 17 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Be­ reich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. EU Nr. L 134 vom 30.04.2004, S. 1), die mit Wirkung vom 17.04.2014 durch die Richtlinie 2014 / 25 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004 / 17 / EG (Abl. EU vom 28.03.2014 Nr. L 94, S. 243) aufgehoben und ersetzt worden ist. 1650  Otting / Ohler / Olgemöller, § 14 Vergaberecht, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 644, 648, Fußn. 9: Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öf­ fentliche Aufträge und den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse inklusive Sozialdienstleistungen vom 07.12.2010, SEC (2010) S. 1545 endg. 1651  KOM(2011) 896 / 2. 1652  KOM(2011) 895 endgültig. 1653  KOM(2011) 897 endgültig; vgl. hierzu die ab 17.04.2014 geltende Konzes­ sionsvergaberichtlinie (Fußn. 1676).



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kehrsdienstleistungen auf Straße und Schiene gilt die Verordnung (EG) Nr.  1370 / 20071654 als bereichsspezifische Sonderregelung. In Fällen, in denen die EU-Vergaberichtlinien ganz oder teilweise nicht angewendet werden können (z.  B. bei Dienstleistungskonzessionen und Dienstleistungsaufträgen nach Anhang II Teil B der bisherigen Richtlinie 2004 / 18 / EG einschließlich verschiedener Arten von Sozialdienstleistungen), muss die Vergabe dennoch im Einklang mit den AEUV-Bestimmungen über Transparenz, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und gegenseitige Aner­ kennung1655 erfolgen. Insbesondere das Verbot der Diskriminierung ist zu beachten; dieses schließt die Verpflichtung zur Transparenz und einen aus­ reichenden Grad an Öffentlichkeit des Vergabeverfahrens – in Form einer Bekanntmachung – zugunsten potenzieller Bieter ein, um eine Nachprüfung zu ermöglichen, ob es unparteiisch durchgeführt wurde. Auch bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen und bei Dienst­ leistungsaufträgen unterhalb der europäischen Schwellenwerte der bisheri­ gen Richtlinien 2004 / 18 / EG und 2004 / 17 / EG, die alle zwei Jahre neu festgesetzt werden,1656 sind die Grundfreiheiten und die Diskriminierungs­ verbote der europäischen Regelwerke sowie die Bindung an die Grundrech­ te zu beachten. In Deutschland wurden die europarechtlichen Vorgaben vor allem durch die §§ 97 bis 129 b GWB1657 und die Vergabeverordnung1658 mit Schwel­ lenwerten in Verbindung mit VOB / A, VOL / A und VOF sowie durch die 1654  Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Auf­ hebung der Verordnungen (EWG) Nr.  1191 / 69 und (EWG) Nr.  1107 / 70 des Rates (ABl. EU Nr. L 315 vom 03.12.2007, S. 1). 1655  EuGH v. 07.12.2000, C-324 / 98, Slg. 2000, I-10745, Rz. 60 bis 62 und Mit­ teilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (ABl. EU Nr. C 179 vom 01.08.2006, S. 2). 1656  Vgl. Verordnung (EU) Nr.  1251 / 2011 der Kommission vom 30. November 2011 zur Änderung der bisherigen Richtlinien 2004 / 17 / EG, 2004 / 18 / EG und 2009 / 81 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren (ABl. EU Nr. L 319 vom 02.12.2011, S. 43), mit Wirkung vom 01.01.2014 geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1336 / 2013 vom 13.12.2013 (ABl. EU Nr. L 335 vom 14.12.2013, S. 17) und Änderung der VgV vom 12.07.2012 (BGBl. I S. 1508) sowie die dynamische Verweisung in § 1 Abs. 2 SektV. 1657  Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntma­ chung vom 26.06.2013 (BGBl. I S. 1750, ber. S. 3245). 1658  Vergabeverordnung – VgV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003 (BGBl. I S. 169), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12.07.2012 (BGBl. I S. 1508).

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Sektorenverordnung für die Verkehrs-, Trinkwasser- und Energieversor­ gung1659 umgesetzt. Die dabei auftretenden diffizilen Rechtsfragen sorgen für hohen administrativen und Kostenaufwand bei den kommunalen Ge­ bietskörperschaften. Auch die Abgrenzungsprobleme zu vergabefreien Inhouse-Geschäften und zu interkommunaler Zusammenarbeit prägen vor al­ lem im Bereich kooperativer Aufgabenerledigung in der öffentlichen Da­ seinsvorsorge das Vergaberecht.1660 a) Kommunen als öffentliche Auftraggeber Die Kommunen sind nach § 98 Nr. 1 GWB auch mit ihren Sondervermö­ gen Regie- oder Eigenbetrieb als öffentliche Auftraggeber seit jeher nach kommunalem Haushaltsrecht verpflichtet, Aufträge in einem förmlichen Vergabeverfahren zu vergeben.1661 Für kommunale Anstalten des öffentlichen Rechts (Kommunalunterneh­ men), für Eigengesellschaften und für gemischt-öffentliche kommunale Unternehmen sowie für von den Kommunen beherrschte gemischt-wirt­ schaftliche Gesellschaften1662 gilt nach § 98 Nr. 2 GWB ein funktionaler Auftraggeberbegriff.1663 Als sog. „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“1664 unterliegen sie europäischem Vergaberecht, soweit sie zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht­ gewerblicher Art zu erfüllen.1665 In diesen Bereichen liegen auch die Schwerpunkte vergaberechtlicher Probleme. Für Vergaben durch natürliche und juristische Personen des privaten Rechts, die Sektorentätigkeiten auf dem Gebiet der Trinkwasser- oder Ener­ 1659  Sektorenverordnung – SektV – vom 23.09.2009 (BGBl. I S. 3110), zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.12.2011 (BGBl. I S. 2570). 1660  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 44. 1661  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 650. 1662  Bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen ist nach der Rechtsprechung des EuGH v. 11.01.2005, C-26 / 03, NVwZ 2005, 187, Rz. 49 ff., das Vergaberecht stets anzuwenden, da die öffentliche Hand und private Anteilseigner unabhängig von der Beteiligungshöhe unterschiedliche Interessen verfolgen würden. Vgl. auch Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 766 Fußn. 105 m. w. N. 1663  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 651, Fußn. 25: EuGH v. 20.09.1988, C-31 / 87, Slg. 1988, 4635, Rz. 11. 1664  Art. 1 Abs. 9 Richtlinie 2004 / 18 / EG und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) der Richt­ linie 2004 / 17 / EG: Der Begriff ist im Hinblick auf das deutsche Recht missverständ­ lich. Zur Neufassung siehe Fußn. 1648 und 1649. 1665  Beispielhaft und ohne Verbindlichkeit sind in Anhang III zur Richtlinie 2004 / 18 / EG solche Einrichtungen als öffentliche Auftraggeber aufgeführt – vgl. EuGH v. 11.06.2009, C-300 / 07, Slg. 2009, I-04779, Rz. 40 ff.



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gieversorgung oder des Verkehrs auf der Grundlage besonderer oder aus­ schließlicher Rechte wahrnehmen (§ 98 Nr. 4 GWB), gelten insbesondere die Sonderregelungen der Sektorenverordnung. aa) Im „Allgemeininteresse“ liegende Aufgaben Nach der Rechtsprechung des EuGH sind im Allgemeininteresse1666 lie­ gende Aufgaben solche, die zum einen auf andere Art als durch das Angebot von Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt erfüllt werden und die der Staat zum anderen aus Gründen des Allgemeininteresses selbst erfüllen oder auf deren Erfüllung er einen entscheidenden Einfluss nehmen möchte.1667 Insbesondere Aufgaben der sog. Daseinsvorsorge werden hierzu gezählt.1668 Unerheblich ist, ob derartige Aufgaben auch von Privatunternehmen erfüllt werden oder erfüllt werden können.1669 Unerheblich ist auch, welchen Anteil an der Gesamttätigkeit eines Unter­ nehmens die Erfüllung im Allgemeininteresse liegender Aufgaben hat.1670 Selbst wenn nur ein relativ geringer Teil der Tätigkeiten des Unternehmens im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art ist, unter­ fällt das Unternehmen nach der sog. Infizierungstheorie1671 im Interesse einer rechtssicheren Anwendung des Unionsrechts als Ganzes der Auftrag­ gebereigenschaft und damit, soweit die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, dem europäischen Vergaberecht. Allerdings ist innerhalb eines Kon­ zerns, der aus mehreren juristischen Personen besteht, jedes Tochterunter­ nehmen gesondert zu bewerten.1672 bb) Nichtgewerbliche öffentliche Aufgabe Mit dem Kriterium der „nichtgewerblichen“ Aufgabe soll eine Diskrimi­ nierung bei der Auftragsvergabe vermieden werden, die entstehen kann, 1666  „Allgemeininteresse“ ist ein Oberbegriff für gewerbliche und nichtgewerbli­ che öffentliche Aufgaben: EuGH v. 10.11.1998, C-360 / 96, Slg. 1998, I-06821, Rz. 36. 1667  EuGH v. 10.05.2001, C-223 / 99 u. a., Slg. 2001, I-03605, Rz. 37; EuGH v. 27.02.2003, C-373 / 00, Slg. 2003, I-01931, Rz. 50. 1668  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 652 m. w. N. in Fußn. 33. 1669  EuGH v. 10.11.1998, C-360 / 96, Slg. 1998, I-06821, Rz. 44 und 53; EuGH v. 10.04.2008, C-393 / 06, Slg. 2008, I-02339, Rz. 40. 1670  EuGH v. 15.01.1998, C-44 / 96, Slg. 1998, I-00073, Rz. 26 und 34. 1671  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 653, m. w. N. in Fußn. 36. 1672  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 653, Fußn. 37: EuGH v. 10.11.1998, C-360 / 96, Slg. 1998, I-06821, Rz. 55 ff.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

wenn sich der öffentliche Auftraggeber von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt.1673 Zur Beurteilung, ob bei einem kommunalen Unternehmen eine solche staatlich geschaffene marktbezogene Sonderstel­ lung1674 oder eine Tätigkeit gewerblicher Art vorliegt, sind alle erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte, wie etwa die Umstände der Gründung des Unternehmens, die Intensität des Wettbewerbs, dem sich das Unternehmen zu stellen hat, eine Gewinnerzielungsabsicht unter Beachtung der Ausrichtung der Geschäftsführung an Leistungs-, Effizienz- und Wirt­ schaftlichkeitskriterien sowie die Übernahme der mit der Tätigkeit verbun­ denen Risiken inklusive eines eventuellen Insolvenzrisikos und eine eventu­ elle Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln zu prüfen.1675 Ar­ beitet eine Einrichtung unter marktüblichen Bedingungen, ist sie gewinn­ orientiert, und trägt sie die mit der Ausübung ihrer Tätigkeit einhergehenden Verluste, ist sie nicht darauf ausgerichtet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen.1676 Als Beispiel für nichtgewerbliche Tätigkeit kommen als öffentliche Auf­ traggeber neben kommunalen Gesellschaften des sozialen Wohnungsbaus1677 oder Kongresszentren und Messegesellschaften auch regionale Wirtschafts­ förderungsgesellschaften sowie Gesellschaften im Bereich Medien und Technologie1678 in Frage. Eine kommunale finnische Wirtschaftsförderungs­ gesellschaft war hauptsächlich im Erwerb, Verkauf und der Vermietung von Immobilien sowie in der Organisation und Durchführung der Unterhaltung von Immobilien und in sonstigen für die Verwaltung der Immobilien not­ wendigen Nebenleistungen tätig. Sie hatte auch Planungs- und Bauleistun­ gen im Rahmen eines Immobilienprojekts (Errichtung mehrerer Bürogebäu­ de und eines Parkhauses) vergeben, die eine Impulswirkung für den Handel und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betreffenden Gebiets­ körperschaft mit positiven Auswirkungen im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Erhöhung der Steuereinnahmen und die Steigerung 1673  EuGH v. 03.10.2000, C-380 / 98, Slg. 2000, I-08035, Rz. 17 und EuGH v. 13.12.2007, C-337 / 06, Slg. 2007, I-11173, Rz. 36. 1674  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 654. 1675  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 654 und dort Fußn. 43: EuGH v. 16.10.2003, C-283 / 00, Slg. 2003, I-11697, Rz. 81; so auch OLG  Karlsruhe v. 17.04.2008, 8 U 228 / 06, VergabeR 2009, 108, Rdnr. 70 f. 1676  Vgl. Art. 3 Abs. 4 Satz 2 des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe vom 20.12.2011, KOM (2011) 897 endgültig. Die Richtlinie 2014 / 23 / EU des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsverga­ be (ABl. EU vom 28.03.2014 Nr. L 94, S. 1) ist am 17.04.2014 in Kraft getreten und von den Mitgliedstaaten bis 18.04.2016 umzusetzen. 1677  EuGH v. 01.02.2001, C-237 / 99, Slg. 2001, I-00939, Rz. 45. 1678  OLG  Naumburg v. 15.03.2007, 1 Verg 14 / 06, ZfBR 2007, 384.



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von Angebot und Nachfrage bei Waren und Dienstleistungen haben sollte. Der EuGH1679 hat in diesem Fall nicht entschieden, sondern dem vorlegen­ den Gericht die Prüfung überlassen, ob anhand der Kriterien des Gerichts­ hofs eine gewerbliche oder nichtgewerbliche Tätigkeit vorlag, das „Allge­ meininteresse“ aber bejaht. Vergleichbare Gesellschaften finden sich auch in Deutschland.1680 cc) Der Gründungszweck des Unternehmens Der Wortlaut der Bestimmung stellt auf die Zwecksetzung bei Gründung ab. Der besondere Gründungszweck des Unternehmens muss in der Erfül­ lung gerade der nichtgewerblichen Aufgaben liegen. Eine entsprechende Zwecksetzung nach Gründung hat der EuGH1681 jedoch inzwischen als ausreichend angesehen. Im umgekehrten Fall nachträglicher Veränderung des Aufgabenspektrums von ursprünglich nichtgewerblichen zu rein ge­ werblichen Aufgaben allerdings ist strittig, ob es auf die tatsächlich ausge­ übten oder die satzungsmäßigen Unternehmenstätigkeiten ankommt.1682 Nach hiesiger Auffassung ist auch in diesen Fällen der satzungsmäßige Unternehmenszweck entscheidend. Soll sich der Aufgabenbereich ändern, so ist die Satzung anzupassen. dd) Sektorentätigkeiten Tätigkeiten von natürlichen oder juristischen Personen des privaten Rechts auf den Gebieten der Trinkwasser- und Energieversorgung sowie des Verkehrs unterfallen nach § 98 Nr. 4 GWB dem europäischen Vergabe­ recht1683 nach Maßgabe der Sektorenverordnung, wenn sie entweder ihre Tätigkeit aufgrund besonderer oder ausschließlicher Rechte ausüben, d. h., wenn die Ausübung der Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vor­ behalten ist und die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. So werden zwar kommunale Ver­ kehrsunternehmen infolge ihrer Gewinnorientierung als gewerblich einge­ 1679  EuGH

v. 22.05.2003, C-18 / 01, Slg. 2003, I-05321, Rz. 41 ff. ist die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der kreisfreien Stadt Amberg als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen nicht nur auf den Gebieten der klassischen Förderung von ansässigen und ansiedlungswilligen Unternehmen durch Vermittlung und Beratung, sondern auch als Baubetreuer und Bauträger sowie als Entwickler von örtlichen Infrastrukturprojekten tätig. 1681  EuGH v. 12.12.2002, C-470 / 99, Slg. 2002, I-11617, Rz. 56 f. 1682  Nachweise hierzu bei Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 654 Fußn. 48 und 49. 1683  EuGH v. 10.04.2008, C-393 / 06, Slg. 2008, I-02339, Rz. 49 ff. 1680  So

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

stuft, sie unterliegen aber der Sektorenverordnung.1684 Zu den Tätigkeiten auf dem Gebiet des Verkehrs zählen nach Ziff. 4 der Anlage zu § 98 Nr. 4 GWB auch das Erbringen von Verkehrsleistungen, die Bereitstellung oder das Betreiben von Infrastruktureinrichtungen zur Versorgung der Allgemein­ heit, z. B. im öffentlichen Personennahverkehr mit Kraftomnibussen und Oberleitungsbussen.1685 Auch Sportstätten können hierunter fallen.1686 b) Anwendbarkeit des Vergaberechts aa) Vergaben nach europäischem Vergaberecht Liegt die Auftraggebereigenschaft vor, so finden die Regeln der §§ 97 ff. GWB nur Anwendung, wenn als weitere Voraussetzungen ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag vorliegt, die europäischen Schwellenwerte erreicht oder überschritten werden und keiner der Ausnahmetatbestände nach §§ 100 bis 100 c GWB eingreift. Voraussetzung hierfür ist stets, dass ein Beschaf­ fungsvorgang gegeben ist, es also um die Bestellung von Waren, von Dienstleistungen in Form eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages oder von Bauleistungen bei Dritten aufgrund eines entgeltlichen Vertrages geht.1687 bb) Öffentlicher Dienstleistungsauftrag und Dienstleistungskonzession Ein öffentlicher Auftrag setzt immer zwei selbständige Rechtsobjekte voraus, also die Vergabe an einen „Dritten“. Öffentliche Dienstleistungsauf­ träge (§ 99 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 GWB) sind entgeltliche Verträge von öf­ fentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die Beschaffung von Dienstleistungen. Die frühere sog. Ahlhorn-Rechtsprechung des OLG Düs­ seldorf1688 zur Anwendung des Vergaberechts auf Verträge, durch die eine Gemeinde Grundstücke mit Bauverpflichtung an Private veräußert, ist durch die Entscheidung des EuGH1689 und die Anpassung von § 99 Abs. 3 GWB 1684  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 655, Fußn. 58: Vergabekammer Lü­ neburg v. 17.04.2009, VgK-11 / 2009, Juris, Rdnr. 39 f. 1685  Im Einzelnen siehe unten IV. 3. d). 1686  Bosch, Die Entwicklung des deutschen Kartellrechts, NJW 2013, 1857, 1859; vgl. OLG  Koblenz v. 13.12.2012, U 73 / 12 Kart, W 56 / 12 Kart, NZKart 2013, 164 zur Infrastruktureinrichtung Nürburgring-Nordschleife. 1687  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 45. 1688  OLG Düsseldorf v. 13.06.2007, VII-Verg 2 / 07 u. a., VergabeR 2007, 634. 1689  EuGH v. 25.03.2010, C-451 / 08, Slg. 2010, I-02673, Rz. 54.



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inzwischen überholt. Ein öffentlicher Bauauftrag liegt hiernach nur vor, wenn der Vertrag eine rechtlich durchsetzbare Bauverpflichtung begründen soll und die Gemeinde ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an der Bauleistung hat.1690 Von Dienstleistungsaufträgen zu unterscheiden sind Dienstleistungskon­ zessionen, auf die das Vergaberecht – anders als auf sog. Baukonzessio­ nen – keine Anwendung findet. „Dienstleistungskonzessionen“ sind Verträge, die von öffentlichen Dienst­ leistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Prei­ ses besteht (vgl. bisher Art. 1 Abs. 4 Richtlinie 2004 / 18 / EG und Art. 1 Abs. 3 Buchst. b) Richtlinie 2004 / 17 / EG und nun Richtlinie 2014 / 23 / EU über die Konzessionsvergabe). Entscheidend für das Vorliegen von Dienst­ leistungskonzessionen ist die Übernahme des Betriebsrisikos durch den Leistungserbringer,1691 auch wenn das vom öffentlichen Auftraggeber einge­ gangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt.1692 Unter den Begriff der Dienstleistungskonzession fallen auch der Erwerb oder die Miete von Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen oder Rechten daran ungeachtet der Finanzmodalitäten dieser Aufträge.1693 Wasserwirtschaftliche Konzessionsverträge sind nach der Vorschrift des § 103 Abs. 1 Nr. 2 GWB a. F.,1694 die gemäß § 131 Abs. 6 GWB weiter anzuwenden ist, von dem Anwendungsbereich des Kartellrechts ausgenom­ men. Um der – nicht gesetzlich gesperrten – kartellbehördlichen Preiskon­ trolle zu entgehen, ist hier aktuell ein Trend zur Rekommunalisierung der Wasserversorgung zu beobachten,1695 der sich bei Einbeziehung der Wasser­ 1690  So jetzt auch OLG Düsseldorf v. 09.06.2010, VII-Verg 9 / 10 u. a., VergabeR 2010, 971 ff.; vgl. auch Otting, Städtebauliche Verträge und der EuGH – Was bleibt von „Ahlhorn“?, NJW 2010, 2167 ff. 1691  EuGH v. 10.11.2011, C-348 / 10, NVwZ 2012, 236, Rz. 45 ff. 1692  EuGH v. 10.09.2009, C-206 / 08, Slg. 2009, I-08377, Ls. 3. 1693  Vgl. § 100 Abs. 5 GWB. 1694  GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.02.1990 (BGBl. I S. 235), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.08.1998 (BGBl. I S. 2512). 1695  Byok, Die Entwicklung des Vergaberechts seit 2011, NJW 2012, 1124, 1130; Die ursprünglich geplante EU-Konzessionsrichtlinie (vgl. Fußn. 1653) bezog nach Anhang III Ziff. 4 auch Dienstleistungskonzessionen öffentlicher Auftraggeber oder Vergabestellen für die Wasserversorgung unter bestimmten Voraussetzungen in ihren

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versorgung in die geplante EU-Konzessionsrichtlinie1696 noch verstärkt hätte, um wettbewerbliche Vergabeverfahren zu vermeiden.1697 Die Richtli­ nie sollte nach dem Vorschlag der Kommission Gebietskörperschaften ver­ pflichten, ein faires und transparentes Verfahren durchzuführen, wenn sie im Rahmen ihrer Autonomie die Entscheidung getroffen haben, die Wasserver­ sorgung am Markt zu vergeben oder zu privatisieren.1698 Strom- und Gaskonzessionen unterliegen nicht dem Vergaberecht, da sie nicht der Warenbeschaffung dienen, sondern die Wegebenutzung nach § 46 EnWG1699 betreffen. Das Bundeskartellamt hat aber der Stadt Mettmann mit Entscheidung vom 06.12.20121700 untersagt, die Wegerechte für den Betrieb des Strom- und Gasnetzes ohne ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren „inhouse“ an ihr eigenes Tochterunternehmen zu verge­ ben.1701 Die Stadt Mettmann hatte zunächst im Rahmen eines europaweiten Vergabeverfahrens einen Kooperationspartner mit einer Minderheitsbeteili­ gung für ihr neu zu gründendes Stadtwerk gesucht. Das kommunale Stadt­ werk sollte dann ohne Auswahlverfahren die Konzession für die Strom- und Gasnetze erhalten. Andere Bewerber, die sich allein für die Konzession in­ teressierten, wurden damit ausgeschlossen, selbst wenn sie das Netz effizi­ enter oder verbraucherfreundlicher hätten betreiben können. Obwohl im Rahmen der Konzessionsvergabe der Bewerber ausgewählt werden sollte, der den besten Netzbetrieb gewährleistete, hat sich die Stadt Mettmann in erster Linie an ihren finanziellen Interessen orientiert. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes müssen jedoch bei der Auswahl des Konzessionärs die Kriterien einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizien­ ten und umweltverträglichen Versorgung im Rahmen einer wettbewerblichen und diskriminierungsfreien Konzessionsvergabe berücksichtigt werden.1702 Geltungsbereich ein. Die Europäische Kommission hat inzwischen davon Abstand genommen (vgl. Fußn. 641 und Verheyen, Das laufende Gesetzgebungsverfahren für Dienstleistungskonzessionen, Landkreis 2012, 568 f.); vgl. auch Byok, Die Entwick­ lung des Vergaberechts seit 2013, NJW 2014, 1492, 1498 und OLG Düsseldorf v. 09.01.2013, VII-Verg 26 / 12, Verg 26 / 12, NZBau 2013, 120. 1696  Siehe oben Fußn. 1676. 1697  Siehe oben Fußn. 1695. 1698  Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 24.01.2013, Juris. 1699  Energiewirtschaftsgesetz vom 07.07.2005 (BGBl. I S. 1970, ber. S. 3621), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31.05.2013 (BGBl. I S. 1388). 1700  Untersagung der Konzessionsvergabe der Stadt Mettmann für Strom- und Gasnetze, Pressemitteilung des Bundeskartellamtes vom 06.12.2012, Juris. 1701  Byok, Die Entwicklung des Vergaberechts seit 2012, NJW 2013, 1488, 1494, Fußn. 109: so auch OLG Düsseldorf v. 09.01.2013, VII-Verg 26 / 12, Verg 26 / 12, NZBau 2013, 120. 1702  Vgl. Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessions­



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Ein Verstoß gegen die §§ 19, 20 GWB liege deshalb vor, wenn sich die Auswahlkriterien nicht auf das Netz bezögen und verbundene Unternehmen als Bieter ohne sachlichen Grund bevorzugt würden.1703 Auch für Dienstleistungskonzessionen gelten die Grundregeln der europäi­ schen Verträge im Allgemeinen sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und die daraus folgende Transparenzpflicht im Besonderen.1704 Die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten, insbesondere der Dienstleistungs- und der Niederlas­ sungsfreiheit, setzen ebenfalls keinen Beschaffungsvorgang voraus. Vergaberechtlich als Dienstleistungskonzessionen sind auch PPP-Konzes­ sions-Modelle anzusehen. Hierbei besteht nur eine vertragliche Regelung mit dem Privaten, der auch eine kommunale Eigengesellschaft sein kann, jedoch sind die Grundsätze der Gleichheit, Transparenz und Nichtdiskriminierung zu beachten.1705 Diese Verpflichtung zur Durchführung eines fairen und transpa­ renten Verfahrens kann z. B. durch ein strukturiertes Bieterverfahren oder durch Rahmenvereinbarungen nach VOL / A gewährleistet werden.1706 Zur Durchsetzung der den Bietern nach den Vergaberichtlinien einge­ räumten Rechte wurden die Rechtsmittelrichtlinie1707 und die Rechtsmittel­ richtlinie betreffend die Sektoren1708 erlassen, nach denen die Mitgliedstaa­ ten ein formelles Nachprüfungsverfahren für die Einhaltung des Verfahrens der Vergabe öffentlicher Aufträge nach europäischem Vergaberecht einzu­ richten haben.1709

nehmers 15. Dezember 2010 und Byok (Fußn. 1701), NJW 2013, 1494, Fußn. 108: OLG  Schleswig v. 22.11.2012, 16 U (Kart) 22 / 12, EnWZ 2013, 84 ff. 1703  Bosch (Fußn. 1686), 1858. 1704  Ständige Rechtsprechung vgl. EuGH v. 13.10.2005, C-458 / 03, Slg. 2005, I-08585, Rz. 46 bis 49; EuGH v. 13.11.2008, C-324 / 07, Slg. 2008, I-08457, Rz. 25. 1705  Hellermann (Fußn. 418), 208, Fußn. 273: EuGH v. 13.10 2005, C-458 / 03, NZBau 2005, 644, 647; OLG Celle v. 05.02.2004, 13 Verg 26 / 03, NZBau 2005, 51. 1706  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 657 und Fußn. 64: Hertwig, Verga­ berecht und staatliche (Grundstücks-)Verkäufe, NZBau 2011, 9 ff. 1707  Richtlinie 89 / 665 / EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 (ABl. Nr. L 395 vom 30. Dezember 1989, S. 33). 1708  Richtlinie 92 / 13 / EWG des Rates vom 25. Februar 1992 (ABl. Nr. L 76 vom 23. März 1992, S. 14). 1709  § 97 Abs. 7 GWB räumt den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen ein subjektives Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren ein.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

cc) Vergaben unterhalb der europäischen Schwellenwerte In Deutschland ist Grundlage der staatlichen Beschaffung traditionell das Haushaltsrecht. Dieses hat nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Grundsät­ ze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzege­ setz – HGrG) die wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Haushalts­ mittel zum Ziel. Zu diesem Zweck legt § 30 HGrG die öffentliche Aus­ schreibung als Regelform der Auftragsvergabe fest.1710 Dieser Grundsatz wird in den Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder konkretisiert. Hierzu zählen auch die Gemeindehaushaltsverordnungen1711 und die durch Vergabeerlasse präzisierten „Vergabegrundsätze“ mit Wertgrenzen für frei­ händige und beschränkte Vergaben,1712 wonach beim Abschluss von Verträ­ gen nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren ist. Auch wenn es für Vergaben von Dienstleistungsaufträgen unterhalb der Schwellenwerte bei den haushaltsrechtlichen Vorschriften verbleibt, gelten nach Landesrecht für die öffentlichen Auftraggeber, insbesondere für die Kommunen, die besonderen Vergabe-, Tariftreue- und / oder Mittelstandsför­ derungsgesetze1713 mit zusätzlichen Anforderungen.1714 In Übereinstimmung 1710  BVerfG

v. 13.06.2006, 1 BvR 1160 / 03, BVerfGE 116, 135, 136. z. B. § 31 Verordnung über das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswe­ sen der Gemeinden, der Landkreise und der Bezirke nach den Grundsätzen der Kameralistik (Kommunalhaushaltsverordnung – Kameralistik – KommHVKamera­ listik), BayRS II, 443, zuletzt geändert durch Verordnung vom 03.01.2011 (GVBl. S. 22); § 25 Verordnung über das Haushaltswesen der Gemeinden im Land Nord­ rhein-Westfalen (Gemeindehaushaltsverordnung NRW – GemHVO NRW) vom 16.11.2004 (GV. NRW. 2004, S. 644), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.09.2012 (GV. NRW. S. 432). 1712  Nachweise hierzu bei Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 663 Fußn. 96 und 97. 1713  Vgl. insbesondere Hessisches Landesvergabegesetz (HessVergG) vom 25.03.2013, GVBl. S. 121); Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern (VgG M-V) vom 07.07.2011 (GVOBl. M-V 2011, S. 411), geändert durch Gesetz vom 25.06.2012 (GVOBl. M-V S. 238); Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz (NTVergG) vom 31.10.2013, (GVBl. 2013, S. 259); Tariftreue- und Vergabegesetz NordrheinWestfalen – TVgG – NRW vom 10.01.2012 (GV. NRW. 2012, S. 17); Landestarif­ treuegesetz – LTTG – Rheinland-Pfalz vom 01.12.2010 (GVBl S. 426); Sächsisches Vergabegesetz (SächsVergabeG) vom 14.02.2013 (SächsGVBl. 2013, S. 109); Lan­ desvergabegesetzes Sachsen-Anhalt (LVG-LSA) vom 19.12.2012 (GVBl. LSA 2012, S. 536), geändert durch Gesetz vom 30.07.2013 (GVBl. LSA S. 402); Tariftreue- und Vergabegesetz (TTG-SH) vom 31.05.2013, (GVBl SH 2013, 239); vgl. auch Baye­ risches Mittelstandsförderungsgesetz – MfG vom 20.12.2007 (GVBl. S. 926); Gesetz zur Mittelstandsförderung Baden-Württemberg vom 19.12.2000 (GBl. S. 745). 1714  Byok (Fußn. 1701), 1492 m. w. N. in Fußn. 76: Mit Ausnahme von Bayern haben mittlerweile alle Bundesländer eigene Tariftreue- und / oder Vergabegesetze erlassen. 1711  Vgl.



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mit der Rechtsprechung des EuGH1715 sind solche vergabefremden Kriteri­ en, aber auch die Kriterien Umweltfreundlichkeit und Energieeffizienz bei einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand und bei hinreichend transparenter Kennzeichnung in der Leistungsbeschreibung zu­ lässig.1716 Dagegen sind die kommunalhaushaltsrechtlichen Vorschriften auf kom­ munale Unternehmen in Privatrechtsform grundsätzlich nicht anwendbar.1717 Bei Vergaben handeln staatliche Stellen zwar nicht als Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG, sondern werden als Nachfrager am Markt tätig, um den Bedarf an bestimmten Gütern oder Leistungen zu de­ cken. Unterhalb der europäischen Schwellenwerte ist das Vergaberecht als Teil des öffentlichen Haushaltsrechts Innenrecht der Verwaltung. Ein Rechtsanspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfah­ ren besteht insoweit nicht. Allerdings hat jede staatliche Stelle bei ihrem Handeln, unabhängig von der Handlungsform und dem betroffenen Lebens­ bereich, die in dem Gleichheitssatz niedergelegte Gerechtigkeitsvorstellung zu beachten. Prüfungsgegenstand bei der Vergabe ist allerdings nicht auch die Beach­ tung kommunalrechtlicher Vorschriften,1718 da es sich hierbei um Marktzu­ trittsvorschriften handelt. In der Rechtsprechung wurde aus diesem Grund jedoch ein Ausschluss von der Auftragsvergabe bejaht, da eine Teilnahme am Markt bei Verstößen gegen diese Vorschriften unzulässig sei.1719 Dies überzeugt jedoch nicht, denn die Konkurrenten haben nur einen Anspruch auf Einhaltung des Vergabeverfahrens.1720 Die Bindung an die Grundrechte, insbesondere das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG,1721 gilt auch bei Vergabeentscheidungen unterhalb der europäischen Schwellenwerte. Auch die Nutzung zivilrechtlicher Hand­ lungsformen oder der Einsatz privatrechtlicher Organisationsformen enthebt sie nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG. Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischt-wirtschaftliche Unterneh­ men unterliegen damit ebenso wie in ihrem Alleineigentum stehende öffent­ 1715  EuGH

v. 17.09.2002, C-513 / 99, Slg. 2002, I-07213, Rz. 55 ff. m. w. N. § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB. 1717  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 665 m. w. N. dort in Fußn. 106. 1718  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 766, m. w. N. in Fußn. 108: Burgi, Das Kartell­ vergaberecht als Sanktions- und Rechtsschutzinstrument bei Verstößen gegen das kommunale Wirtschaftsrecht?, NZBau 2003, 539, 543. 1719  OLG Düsseldorf v. 17.06.2002, VII-Verg 18 / 02 u. a., NZBau 2002, 626, 628. 1720  So auch Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 766. 1721  BVerfG v. 13.06.2006, 1 BvR 1160 / 03, BVerfGE 116, 135, Rz. 65. 1716  Vgl.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

liche Unternehmen, die privatrechtlich organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.1722 2. Inhouse-Vergaben von Kommunen Öffentliche Auftraggeber können ihre Aufgaben auch mit eigenen admi­ nistrativen, technischen und sonstigen Mitteln erfüllen, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienst­ stellen gehören.1723 Nicht unter das Vergaberecht fallen Inhouse-Vergaben von Kommunen im engeren Sinn, d. h. an ihre Regie- oder Eigenbetriebe als reiner Leistungs­ austausch innerhalb der jeweiligen Kommune,1724 sowie Inhouse-Vergaben im weiteren Sinn1725 an eine rechtsfähige Person, wenn diese funktional wie eine eigene Dienststelle mit entsprechender Kontrolle anzusehen ist und diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörper­ schaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile halten. In seiner Teckal-Entscheidung1726 hat der EuGH damit den Begriff des öffent­ lichen Auftrags teleologisch reduziert.1727 Die Teckal-Kriterien werden vom EuGH sowohl bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen,1728 und zwar auch im Öffentlichen Personennahverkehr mit den Besonderheiten gemäß der bereichsspezifischen Regelung1729 der Verordnung (EG) 1370 / 2007,1730 als auch bei allen Dienstleistungskonzessionen1731 angewendet.

1722  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226, 245 ff.: Davon unberührt bleibt die Rechtsstellung privater Minderheitsgesellschafter als Grund­ rechtsträger insbesondere des Eigentumsgrundrechts unmittelbar gegenüber den öf­ fentlichen Anteilseignern und sonst gegenüber der öffentlichen Gewalt. 1723  EuGH v. 11.01.2005, C-26 / 03, NVwZ 2005, 187, Rz. 48. 1724  OLG Düsseldorf v. 06.07.2011, VII-Verg 39 / 11 u. a., NZBau 2011, 769, 770. 1725  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 668. 1726  EuGH v. 18.11.1999, C-107 / 98, Slg. 1999, I-08121, Rz. 49 ff. 1727  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 668, Fußn. 125: BGH v. 08.02.2011, X ZB 4 / 10, BGHZ 188, 200, 205 f. 1728  EuGH v. 10.09.2009, C-573 / 07, Slg. 2009, I-08127, Rz. 35 ff. 1729  OLG München v. 22.06.2011, Verg 6 / 11, NZBau 2011, 701, 704. 1730  Verordnung (EG) Nr.  1370 / 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Straße und Schiene und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr.  1191 / 69 und (EWG) Nr.  1107 / 70 des Rates vom 23.10.2007 (ABl. EU vom 03.12.2007 Nr. L 315, S. 1). 1731  EuGH v. 13.10.2005, C-458 / 03, Slg. 2005, I-08585, Rz. 43 und 61 ff.



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 295

a) Das Kontrollkriterium Bei der Beurteilung der Frage, ob vom Auftraggeber eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausgeübt wird, sind alle Rechtsvorschriften und maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen.1732 Hierzu muss er sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen (operativen) Entschei­ dungen ausschlaggebend einwirken können.1733 Das Kriterium wird bei einer kommunalen Eigengesellschaft in der Rechtsform der GmbH mit einem Aufsichtsrat ebenso wie bei einem Kom­ munalunternehmen regelmäßig erfüllt sein, erst recht, wenn sich der Gesell­ schafter bzw. der Anstaltsträger weitergehende Informations-, Weisungs- und Kontrollrechte in der Satzung vorbehalten hat.1734 Bei einer Aktiengesellschaft, deren Rechtsform stärker verselbstständigt ist, kommt es auf die Prüfung des Einzelfalls an. Im Fall Parking Brixen1735 hat der EuGH es als Verstoß gegen die Niederlassungs- und die Dienstleis­ tungsfreiheit sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskri­ minierung und der Transparenz angesehen, dass eine öffentliche Dienstleis­ tungskonzession ohne Ausschreibung an eine Aktiengesellschaft (nach ita­ lienischem Recht) vergeben wurde. Diese ist durch Umwandlung eines Sonderbetriebs einer öffentlichen Stelle entstanden, ihr Gesellschaftszweck wurde auf bedeutende neue Bereiche ausgeweitet, ihr Kapital sollte bald für Fremdkapital offen stehen, ihr geografischer Tätigkeitsbereich wurde auf das gesamte Land und das Ausland ausgedehnt und ihr Verwaltungsrat hat­ te sehr weitgehende Vollmachten der Verwaltung inne, die er selbstständig ausüben konnte. Ausgeschlossen ist das Kriterium jedenfalls bei einer Marktausrichtung, die eine Kontrolle durch den Auftraggeber schwierig gestaltet oder wenn ein Unternehmen, das sich seinem Zweck entsprechend örtlich betätigen soll, seinen geografischen Tätigkeitsbereich weit über die Gemeindegrenzen hinaus erstreckt.1736 In einem Fall, in dem eine öffentliche Stelle einer Aktiengesellschaft mit vollständig öffentlichem Kapital als Minderheitsgesellschafterin beitritt, um dieser (gemischt-öffentlichen) Gesellschaft die Verwaltung einer öffentlichen 1732  Otting / Ohler / Olgemöller

(Fußn. 1650), 669. v. 13.10.2005, C-458 / 03, Slg. 2005, I-08585, Rz. 65; EuGH v. 11.05.2006, C-340 / 04, Slg. 2006, I-4137, Rz. 36; EuGH v. 10.09.2009, C-573 / 07, Slg. 2009, I-08127, Rz. 65. 1734  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 670, Fußn. 135: BGH v. 12.06.2001, X ZB 10 / 01, NZBau 2001, 517, 519; OLG Hamburg v. 14.12.2010, 1 Verg. 5 / 10, NZBau 2011, 185, 186. 1735  EuGH v. 13.10.2005, C-458 / 03, Slg. 2005, I-08585, Rz. 72. 1736  EuGH v. 10.09.2009, C-573 / 07, Slg. 2009, I-08127, Rz. 66, 73, 76. 1733  EuGH

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

Dienstleistung zu übertragen, kann die Kontrolle, die die öffentlichen Stellen als Gesellschafter über diese Gesellschaft ausüben, dann, wenn die Kontrolle von diesen Stellen gemeinsam ausgeübt wird, als Kontrolle wie über ihre ei­ genen Dienststellen angesehen werden. In einem solchen Fall zu verlangen, dass die Kontrolle durch eine öffentliche Stelle individuell erfolgen müsse, hätte die Wirkung, dass eine Ausschreibung vorgeschrieben würde.1737 In sei­ ner Entscheidung in der Rechtssache Econord SpA hat der EuGH das Krite­ rium einer gemeinsamen Kontrolle bei einem gemischt-öffentlichen Unter­ nehmen mit besonders geringer Beteiligung einzelner öffentlicher Dienststel­ len (zusammen nur 0,2%) neben einem öffentlichen Hauptaktionär nur dann als erfüllt angesehen, wenn jede dieser Stellen sowohl am Kapital als auch an den Leitungsorganen der Einrichtung beteiligt ist.1738 Ausgeschlossen ist das Kriterium einer Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle bei jeder auch noch so kleinen Beteiligung eines Privaten an dem Auftragnehmer.1739 Damit sind gemischt-wirtschaftliche Unternehmen ebenso wenig in-house-fähig wie PPP-Projekte. Das Kontrollkriterium muss in allen Fällen während der gesamten Vertragslaufzeit erfüllt sein.1740 Ob auch eine mittelbare Beteiligung Privater (Splitterbesitz auf der vierten Be­ teiligungsebene) der In-house-Fähigkeit entgegensteht, ist bisher nicht ab­ schließend geklärt. In einem solchen Fall käme es darauf an, ob ungeachtet des Splitterbesitzes auf der vierten Beteiligungsebene der maßgebliche Einfluss der Gesellschafter auf die Geschäftsführung des Auftraggebers gesichert ist.1741 b) Das Wesentlichkeitskriterium Ist ein von einem oder mehreren Auftraggebern kontrolliertes Unterneh­ men auf dem Markt tätig und kann es deshalb mit anderen Unternehmen in Wettbewerb treten, besteht kein Grund, es durch Inhouse-Vergaben gegen­ über Mitbewerbern zu begünstigen.1742 Zur Beurteilung der Frage, ob das Unternehmen im Wesentlichen für seine Gesellschafter tätig und jede andere Tätigkeit nur nebensächlich ist, 1737  EuGH v. 13.11.2008, C-324 / 07, Slg. 2008, I-08457, Rz. 47 ff. und EuGH v. 10.09.2009, C-573 / 07, Slg. 2009, I-08127, Rz. 63. 1738  EuGH v. 29.11.2012, C-182 / 11 u. a., EWS 2012, 523, Rz. 30–33. 1739  EuGH v. 11.01.2005, C-26 / 03, NVwZ 2005, 187, Rz. 49; EuGH v. 13.11.2008, C-324 / 07, Slg. 2008, I-08457, Rz. 70. 1740  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 673. 1741  OLG Frankfurt v. 30.08.2011, 11 Verg 3 / 11, ZfBR 2012, 77, Rz. 42. 1742  EuGH v. 11.05.2006, C-340 / 04, Slg. 2006, I-4137, Rz. 60 ff.; OLG Hamburg v. 14.12.2010, 1 Verg. 5 / 10, NZBau 2011, 185, 186; Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 674.



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sind alle qualitativen und quantitativen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen,1743 wobei vor allem der Umsatz entscheidend ist. Der EuGH lässt 90% des Umsatzes mit der kontrollierenden Stelle genü­ gen.1744 Maßgebend soll nach Auffassung des OLG Hamburg1745 der Umsatz sein, den das Unternehmen aufgrund der Vergabeentscheidung der kontrol­ lierenden Körperschaft erzielt. Bei dieser Entscheidung handelte es sich um eine Stromlieferung und damit um die Betätigung auf einem liberalisierten Markt. Folgt man dieser Auffassung, so wären auch Stadtwerke als Eigen­ gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH oder sogar Eigenbetriebe wegen der hauptsächlichen Belieferung ihrer Privatkunden im Stadtgebiet nicht in-house-fähig mit der Folge, dass die Trägerkommune für ihren eige­ nen Strombedarf ausschreibungspflichtig würde. Diese Auffassung wird je­ denfalls für diejenigen Stadtwerke nicht geteilt, die ihre Strom- und Gasver­ sorgungsumsätze – gleichgültig ob im Bereich der Grundversorgung oder mit Vertragskunden – im Wesentlichen im örtlichen Bereich der Trägerkom­ mune erzielen. Das OLG Frankfurt1746 hat Kundenumsätze im Bereich der nicht liberalisierten Trinkwasserversorgung nicht als Drittumsätze beurteilt. Ist die Inhouse-beauftragte Gesellschaft selbst ausschreibungspflichtig, so ist sie nicht verpflichtet, die beauftragten Leistungen selbst zu erbringen, sondern sie kann sich die Leistungen auch am Markt beschaffen. Falls sie selbst kontrollierendes Unternehmen (z. B. gegenüber Tochterunternehmen) ist, dürften dieselben Grundsätze gelten.1747 Sektorenauftraggeber können sich auf das Konzernprivileg des § 100b Abs. 6 bis Abs. 9 GWB berufen, das die Auftragsvergabe zwischen konzern­ angehörigen Gesellschaften vereinfacht.1748 Soweit es sich nicht um Sekto­ renauftraggeber handelt, ist weitgehend ungeklärt, ob an Mutter- oder Schwestergesellschaften Inhouse-Aufträge vergeben werden können.1749 3. Interkommunale Zusammenarbeit Seit die Europäische Kommission im Zuge eines Vertragsverletzungsver­ fahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland auch interkommunale Ko­ 1743  OLG  Celle

v. 05.02.2004, 13 Verg 26 / 03, NZBau 2005, 51, Rz. 44. v. 19.04.2007, C-295 / 05, Slg. 2007, I-02999, Rz. 63. 1745  OLG Hamburg v. 14.12.2010, 1 Verg. 5 / 10, NZBau 2011, 185, 187. 1746  So auch OLG Frankfurt v. 30.08.2011, 11 Verg 3 / 11, ZfBR 2012, 77, 81. 1747  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 682. 1748  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 682. 1749  Für die Zulässigkeit sowohl bei Mutter- als auch bei Schwesterunternehmen zutreffend Krajewski / Wethkamp, Die vergaberechtsfreie Übertragung öffentlicher Aufgaben, DVBl 2008, 355, 359. 1744  EuGH

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

operationen1750 auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung und insbesondere der Daseinsvorsorge dem Vergaberecht unterworfen hatte, haben sich die Unsicherheiten beim Zusammenwirken mehrerer Einrichtungen der öffent­ lichen Hand zu einem gemeinsamen Zweck verstärkt.1751 Eine sog. horizontale Zusammenarbeit öffentlicher Stellen auf vertragli­ cher Grundlage ist ausschreibungsfrei. Im Falle der Stadtreinigung Hamburg hat der EuGH1752 den Vertrag über die Zusammenarbeit der Landkreise Harburg, Rotenburg (Wümme), Soltau-Fallingbostel und Stade mit der Stadtreinigung Hamburg als interkommunale Zusammenarbeit vom Verga­ berecht freigestellt. Dies gilt allerdings nur für die sog. „echte“ Zusammen­ arbeit ausschließlich öffentlicher Auftraggeber ohne jede Beteiligung priva­ ten Kapitals, die nur auf Überlegungen im Zusammenhang mit einem öf­ fentlichen Interesse beruht und sich nicht als Beschaffung einer Leistung am Markt darstellt.1753 Nicht von der Freistellung erfasst ist der Vertrag zwi­ schen der Stadtreinigung Hamburg und der Betreiberin der Müllverwer­ tungsanlage „Rügenberger Damm“, einem gemischtwirtschaftlichen Unter­ nehmen.1754 Bei der Zusammenarbeit von ausschließlich öffentlichen Aufgabenträ­ gern unterliegt die mandatierende Aufgabenübertragung, bei der die Aufga­ be für alle Aufgabenträger von einem oder mehreren Beteiligten wahrge­ nommen wird, ohne dass die Aufgaben selbst übergehen, der Ausschrei­ bungspflicht. Bei der sog. delegierenden Aufgabenübertragung wird die Aufgabe von der übernehmenden Einheit an Stelle der Beteiligten erfüllt. Im deutschen Schrifttum wurde die delegierende Aufgabenübertragung bis­ her als ein der Vergabe vorgelagerter Organisationsakt angesehen.1755 In diesem Fall, bei dem die Stadt Düren die Reinigung der in ihrem Stadtge­ biet gelegenen Gebäude des Kreises gegen Kostenerstattung übernehmen wollte, war das OLG Düsseldorf1756 in seiner Vorlageentscheidung an den EuGH der Auffassung, es liege ein Organisationsakt vor, weil die Aufgabe vollständig übertragen werde. Der EuGH hat jedoch mit Urteil vom 1750  Vgl. den inzwischen durch Einstellung des Verfahrens abgeschlossenen Fall der niedersächsischen Gemeinde Hirte (Übertragung der Wasserversorgung auf einen Zweckverband). 1751  Bogumil / Pielow / Ebbinghaus / Gerber / Kohrsmeyer (Fußn. 368), 47. 1752  EuGH v. 09.06.2009, C-480 / 06, Slg. 2009, I-04747, insb. Rz. 31 ff. 1753  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 679, Fußn. 181: EuGH v. 13.01.2005, C-84 / 03, Slg. 2005, I-00139, Rz. 37 ff. 1754  Betreiberin ist die MRV Müllverwertung Rügenberger Damm GmbH & Co. KG. 1755  Burgi, Warum die kommunale Zusammenarbeit kein vergaberechtspflichtiger Beschaffungsvorgang ist, NZBau 2005, 208 ff. 1756  OLG Düsseldorf v. 06.07.2011, VII-Verg 39 / 11 u. a., NZBau 2011, 769.



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13.06.20131757 entschieden, dass es sich um einen öffentlichen Auftrag handelt, der in einem Vergabeverfahren vergeben werden muss, weil kein Inhouse-Geschäft vorliege und es sich auch nicht um eine Zusammenarbeit zur Erfüllung der den Vertragspartnern obliegenden Gemeinwohlaufgabe, sondern um ein Hilfsgeschäft handele. 4. Kommunale Unternehmen als Bieter Erhalten kommunale Unternehmen zulässigerweise staatliche Beihilfen als Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (Art. 106 Abs. 2 AEUV), wird vom EuGH ein Ausschluss vom Vergabeverfahren bei Bauaufträgen im Anwendungsbereich des Europarechts als europarechtswidrig angesehen.1758 Unterhalb der europarechtlichen Schwellenwerte kommen bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen neben dem in § 6 Abs. 7 VOL / A genannten Aus­ schluss von Justizvollzugsanstalten bei Bauaufträgen der Ausschluss der in § 6 Abs. 1 Nr. 3 VOB / A zusätzlich genannten Einrichtungen der Jugendhilfe, der Aus- und Fortbildungseinrichtungen und der Betriebe der öffentlichen Hand sowie der Verwaltungen in Betracht, um Wettbewerbsverzerrungen von vorne herein auszuschließen.1759

IV. Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberecht im Sektor ÖPNV Der Nahverkehrsmarkt war von jeher durch einen Dualismus von öffent­ lichen und privaten Verkehrsunternehmen gekennzeichnet, die allesamt teils eigenwirtschaftliche und teils nur gemeinwirtschaftlich zu erbringende Ver­ kehrsdienstleistungen angeboten haben. Seit der Liberalisierung der euro­ päischen Verkehrsmärkte stehen die Verkehrsunternehmen nicht mehr nur in einem intermodalen Wettbewerb mit dem motorisierten Individualverkehr, sondern zusätzlich in Konkurrenz untereinander.1760 Die Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs in kommunaler Trägerschaft und die in der Regel kommunalen Aufgabenträger1761 müssen dadurch ihre Strukturen 1757  EuGH

v. 13.06.2013, C-386 / 11, Juris. (Fußn. 1650), 684 m. w. N. in Fußn. 204 und 205; EuGH v. 03.03.2005, C-21 / 03, Slg. 2005, I-01559, für Projektanten. 1759  Otting / Ohler / Olgemöller (Fußn. 1650), 685. 1760  Kleemeyer / Mietzsch, § 56 Öffentlicher Personennahverkehr, in: Mann / Pütt­ ner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 629 f. 1761  Aufgabenträger sind die von den Ländern benannten Behörden, die für die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung der Bevölkerung mit Ver­ 1758  Otting / Ohler / Olgemöller

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

anpassen, um im Spannungsfeld zwischen Liberalisierung und Gemeinwohl­ verpflichtung eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrs­ leistungen als Aufgabe der Daseinsvorsorge1762 weiterhin sicherstellen zu können.1763 Der öffentliche Verkehr sorgt für die Mobilität der Bevölkerung mit einem für alle zugänglichen qualitativ hochwertigen, flächendeckenden und preiswerten Angebot. Er leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz und besitzt sozialpolitische Bedeutung für das Funktionieren der Gesellschaft.1764 Viele dieser Personenverkehrsdienste, die im allgemei­ nen Interesse erforderlich sind, können nicht kommerziell betrieben werden und benötigen finanzielle Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemein­ wirtschaftlicher Verpflichtungen.1765 1. Rechtsrahmen für den öffentlichen Personenverkehr Mit der am 03.12.2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1370 / 2007 besitzt die Europäische Union nun einen Rechtsrahmen, der für den Bereich des innerstaatlichen und des grenzüberschreitenden öffentlichen Personen­ verkehrs auf Schiene und Straße (mit Ausnahme von Verkehrsdiensten, die hauptsächlich aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden) die Bedingungen für solche Ausgleichsleistun­ gen festlegt, die Behörden den Betreibern dieser Dienste gewähren (Art. 1 VO). Dabei hat die Bundesrepublik Deutschland von der Ermächtigung in Art. 3 Abs. 2 und 3 VO Gebrauch gemacht und Ausgleichszahlungen für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrkarten des Ausbildungsverkehrs (§ 45 a PBefG), die das Rückgrat der staatlichen Förderung des Öffentli­ chen Personennahverkehrs bilden, aus dem Anwendungsbereich der Verord­ kehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr zuständig sind (§ 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG i. d. F. vom 08.08.1990 (BGBl. I S. 1690), zul. geänd. durch G. vom 14.12.2012 (BGBl. I S. 2598). 1762  § 4 Regionalisierungsgesetz vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378, ber. S. 2395), zul. geänd. durch G. vom 14.12.2012 (BGBl. I S. 2598). 1763  Die nachstehenden Ausführungen des Abschnitts IV. beruhen auf einem Vor­ trag des Verfassers „ÖPNV im Umbruch – Herausforderungen für Verkehrsunterneh­ men und Aufgabenträger“ vom 24.01.2008 bei der IHK Nürnberg. Sie wurden an die Änderung des PBefG durch das Gesetz zur Änderung personenbeförderungs­ rechtlicher Vorschriften vom 14.12.2012 (BGBl. I S. 2598) zur Umsetzung der Ver­ ordnung (EG) Nr.  1370 / 2007 angepasst. 1764  Kleemeyer / Mietzsch (Fußn. 1760), 630. 1765  Vgl. Verordnung (EG) Nr.  1370 / 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr.  1191 / 69 und (EWG) Nr.  1107 / 70 des Rates (ABl. EU vom 03.12.2007 Nr.  L 315, S. 1), 5. Erwägungs­ grund.



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nung ausgenommen (§ 8 Abs. 4 Satz 3 PBefG). Gleiches gilt für sog. dere­ gulierte Personenverkehrsmärkte,1766 insbesondere für die eigenwirtschaft­ lich erbrachte ausreichende Verkehrsbedienung mit einer Gesamt- oder Teilleistung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2, § 8 a Abs. 2 Satz 4 PBefG). Zur Eigenwirtschaftlichkeit zählen ne­ ben Beförderungsentgelten und Ausgleichsleistungen auf der Grundlage allgemeiner Vorschriften auch sonstige Unternehmenserträge im handels­ rechtlichen Sinn, soweit sie nicht Ausgleichsleistungen für gemeinwirt­ schaftliche Verpflichtungen sind und auch keine ausschließlichen Rechte gewährt werden (§ 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG). Damit können kommunale Unternehmen weiterhin im Querverbund Eigentümerzahlungen erhalten und eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen erbringen, ohne dass diese unter den Beihilfebegriff fallen.1767 Eine der entscheidenden Vorgaben des ÖPNV-Rechtsrahmens besteht in der Trennung der politischen von der unternehmerischen Aufgabe. Für die Kommunen als Aufgabenträger sind die Anforderungen an die einzuhalten­ den Verfahren und die bereitzustellenden Informationen nicht zu unterschät­ zen.1768 Für Verkehrsleistungen, die Unternehmen als öffentliche Personenver­ kehrsdienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen, gelten in den Grenzen der beschränkten Einzelermächtigung1769 die Wettbewerbs­ regeln der Verträge, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tat­ sächlich verhindert. (Art. 14, 106 Abs. 2, 93 AEUV). Öffentlicher Personen­ nahverkehr ist überwiegend dazu bestimmt, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr bei einer gesamten Reiseweite von 50 Kilo­ metern oder einer gesamten Reisezeit von nicht mehr als einer Stunde in der Mehrzahl der Beförderungsfälle zu befriedigen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 PBefG). Soweit für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen einem von der zuständigen Behörde1770 ausgewählten Betreiber ausschließliche Rechte oder Ausgleichsleistungen gleich welcher Art gewährt werden oder 1766  8.

Erwägungsgrund der VO (EG) 1370 / 2007. (Fußn. 1760), 631. 1768  Häusler, Ausgewählte Praxisbeispiele – I. Bereich „Öffentlicher Personen­ nahverkehr“, in: Schraml / Becker / Wurzel (Hg.), Rechtspraxis der kommunalen Un­ ternehmen, [Handbuch], 2010, 521, 553. 1769  Siehe oben Abschnitt C. I. 1. 1770  Die zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (EG) Nr.  1370 / 22007 soll grundsätzlich mit dem Aufgabenträger identisch sein (§ 8a Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 PBefG). 1767  Kleemeyer / Mietzsch

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

soweit dafür durch allgemeine Vorschriften für alle Fahrgäste oder bestimm­ te Gruppen von Fahrgästen Höchsttarife festgesetzt werden, hat dies im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags mit dem ausgewählten Verkehrsunternehmen zu erfolgen (Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 der VO). 2. Obligatorischer Inhalt von Betrauungsakten Zu den Anforderungen an den obligatorischen Inhalt eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages und einer allgemeinen Vorschrift1771 orientiert sich die Verordnung an den Kriterien des Altmark-Trans-Urteils des EuGH.1772 Ein „öffentlicher Dienstleistungsauftrag“ einer zuständigen Behörde er­ fordert einen oder mehrere rechtsverbindliche Betrauungsakte gegenüber einem Betreiber für die Erbringung oder Verwaltung von öffentlichen Per­ sonenverkehrsdiensten mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen. Der Betrauungsakt kann auch eine „Selbstbetrauungsentscheidung“ der zuständi­ gen Behörde sein (Eigenproduktion) oder die Betrauung eines internen Betreibers mit der Erbringung dieser Dienstleistungen (Art. 2 Buchst. i) VO (EG) Nr.  1370 / 2007). Jeder Betrauungsakt, gleichgültig ob bei Gewährung ausschließlicher Rechte oder von Ausgleichsleistungen für gemeinwirt­ schaftliche Verpflichtungen (Art. 3 Abs. 1 VO), muss – die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der Betreiber und deren geo­ graphischen Geltungsbereich definieren (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) VO), – die Parameter für die Berechnung einer Ausgleichsleistung und die Art und den Umfang einer eventuell gewährten Ausschließlichkeit vorab in objektiver und transparenter Weise aufstellen (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) 1. Hs. VO), – Überkompensationen unter Berücksichtigung der Einnahmen und eines angemessenen Gewinns der Betreiber im Sinne einer Nettoeffektkalkula­ tion vermeiden und die Durchführungsvorschriften für die Kosten und die Aufteilung der Einnahmen beinhalten (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) Satz 2 und Buchst. c) sowie Abs. 2 VO). Darüber hinaus muss der Dienstleistungsauftrag eine befristete Laufzeit (grundsätzlich 10 Jahre Bus / 15 Jahre Schiene) einhalten (Art. 4 Abs. 3 und 4 VO), vorgegebene Sozial- und Qualitätsstandards beachten und eine trans­ parente Quote für Unteraufträge festlegen (Art. 4 Abs. 3 bis 7 VO). 1771  Art. 2 Buchst. l) Verordnung (EG) Nr.  1370 / 2007: Eine Maßnahme, die dis­ kriminierungsfrei für alle Personenverkehrsdienste derselben Art in einem bestimm­ ten geografischen Gebiet, das im Zuständigkeitsbereich einer zuständigen Behörde liegt, gilt. 1772  Siehe oben Fußn. 1600.



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 303

Jede Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vor­ schrift oder im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienstleistungsauf­ trag muss den Kriterien des Art. 4 der VO entsprechen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 VO). 3. Öffentlicher Dienstleistungsauftrag und allgemeine Vorschrift a) Eigenproduktion und Direktvergabe an internen Betreiber Die zuständige örtliche Behörde oder eine Gruppe von Behörden, die integrierte öffentliche Personenverkehrsdienste1773 anbieten (Aufgabenträ­ ger), können auf der Grundlage eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages – wie dies § 8 a Abs. 3 PBefG nun vorsieht – öffentliche Personenverkehrs­ dienste nach Art. 5 Abs. 2 und Abs. 4 VO selbst erbringen oder einen inter­ nen Betreiber ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren damit beauftragen. Während für die Eigenproduktion keine zusätzlichen Anforderungen gel­ ten, sind für eine Direktvergabe an einen internen Betreiber weitere Vorga­ ben zu beachten. Typische interne Betreiber von Personenverkehrsdiensten sind in Deutschland kommunale Unternehmen. Abweichend von dem vom EuGH1774 für Inhouse-Vergaben aufgestellten Kriterium einer Kontrolle des internen Auftragnehmers wie über eine eigene Dienststelle1775 muss die zuständige Behörde nicht zu 100% Eigentümerin eines internen Betreibers sein. Damit können auch öffentlich-private Part­ nerschaften oder gemischt-wirtschaftliche Unternehmen interne Betreiber sein, wenn beherrschender öffentlicher Einfluss besteht und aufgrund ande­ rer Kriterien festgestellt werden kann, dass eine entsprechende Kontrolle tatsächlich ausgeübt wird (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a) VO). Eine wesentliche Einschränkung bei direkt vergebenen Leistungen bedeu­ tet allerdings die Regelung, dass nicht nur der interne Betreiber, sondern auch jede andere Einheit, auf die dieser Betreiber einen auch nur geringfü­ gigen Einfluss ausübt (wie z. B. auf Minderheitsbeteiligungen jeder Art, Tochter-, Schwester- oder Enkelunternehmen), sich frühestens zwei Jahre vor Ablauf des Direktauftrages an wettbewerblichen Verfahren zur Vergabe 1773  Art. 2 Buchst. m) Verordnung (EG) Nr.  1370 / 2007: Beförderungsleistungen, die innerhalb eines festgelegten geografischen Gebiets im Verbund erbracht werden und für die ein einziger Informationsdienst, eine einzige Fahrausweisregelung und ein einziger Fahrplan besteht (z. B. Nahverkehrszweckverbände oder Verkehrskoope­ rationen). 1774  Fußn. 1726. 1775  Abschnitt C. III. 2. a).

304

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

von Personenverkehrsdienstleistungen außerhalb des Zuständigkeitsgebiets des Aufgabenträgers beteiligen dürfen (Art. 5 Abs. 2 Buchst. b) und c) VO). Schließlich müssen interne Betreiber auch gewährleisten, dass sie die überwiegende Leistung, mit der sie vom Aufgabenträger intern beauftragt wurden, selbst erbringen (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. e) VO). Das OLG München verlangt hierfür, dass sich eine Beschränkung auf einen bestimm­ ten Prozentanteil aus der Betrauungsentscheidung selbst ergeben muss, an­ sonsten ist die Direktvergabe aus diesem Grund unwirksam.1776 Jede solche Ausgleichsleistung, die direkt oder im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift vergeben werden soll (Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Art. 5 Abs. 2, 4, 5, 6 VO), unterliegt darüber hinaus den Bestimmungen des Anhangs zur VO, der die Regeln für die Berechnung der zulässigen Aus­ gleichsleistung enthält. Liegen die hierfür vorgeschriebenen Voraussetzungen vor, hat der Aufga­ benträger über eine entsprechende Direktvergabe Beschluss zu fassen. Für kommunale Unternehmen bedeuten die gelockerten Direktvergabe­ regeln bei Personenverkehrsdienstleistungen im Vergleich mit anderen Sek­ toren wirtschaftlicher Betätigung reduzierte Anforderungen an das Kontrollund das Wesentlichkeitskriterium für In-house-Vergaben.1777 Diese entbinden den kommunalen Aufgabenträger aber auch im ÖPNV nicht von seiner grundsätzlichen verfassungs- und kommunalrechtlich gebotenen Verpflich­ tung zur effektiven Steuerung und Kontrolle des Unternehmens zur Erfül­ lung des öffentlichen Zwecks. b) Direktvergabe an kleine und mittlere Unternehmen Öffentliche Dienstleistungsaufträge, die entweder einen geschätzten Jah­ resdurchschnittwert von weniger als 1 Mio. EUR oder eine jährliche öffent­ liche Personenverkehrsleistung von weniger als 300 000 km aufweisen, können ebenso direkt vergeben werden wie öffentliche Dienstleistungsauf­ träge an kleine und mittlere Unternehmen mit nicht mehr als 23 Fahrzeugen bei einem geschätzten Jahresdurchschnittwert von weniger als 2 Mio. EUR oder nicht mehr als 600 000 km jährlicher öffentlicher Personenverkehrs­ leistung (Art. 5 Abs. 4 VO, § 8 a Abs. 3 PBefG). Hierbei sind die Interessen des Mittelstandes angemessen zu berücksichtigen (§ 8 a Abs. 4 Satz 1 PBefG). Damit sollen als Ausfluss der auch grundrechtlich gebotenen Schutzpflicht1778 eines Hoheitsträgers kleine und mittlere private Konkur­ 1776  OLG

München v. 22.06.2011, Verg 6 / 11, NZBau 2011, 701, 704. hierzu in diesem Kapitel die Darstellung unter Abschnitt C. III. 2. 1778  Siehe die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt B. II. 2. e). 1777  Siehe



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 305

renten öffentlicher Unternehmen vor einer ggf. größeren Marktmacht eines kommunalen Unternehmens und vor einer Wettbewerbsbeeinträchtigung durch extensive Direktvergaben geschützt werden. c) Vergabe als Dienstleistungskonzession Eine ausschreibungsfreie Vergabe als Dienstleistungskonzession an einen Betreiber von Verkehrsleistungen kommt in Betracht, wenn die Vorausset­ zungen einer Inhouse-Vergabe vorliegen. Die Rechtsprechung des EuGH sieht die Voraussetzungen in der Rechtssache ANAV1779 bereits als erfüllt an, wenn die Gegenleistung für die Pflichten des Betreibers zumindest teil­ weise in der Verwertung der Dienstleistung gegenüber Dritten liegt, d. h., wenn sich der Verkehrsbetreiber zumindest teilweise aus Fahrgeldeinnahmen finanziert und damit das Nutzungsrisiko trägt. Die Artikel 49, 56 und 106 AEUV sowie der Grundsatz der Gleichbehandlung, das Verbot der Diskri­ minierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und der Grundsatz der Transparenz stehen dabei nicht einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es einer öffentlichen Körperschaft erlaubt, eine öffentliche Dienstleis­ tung freihändig an eine Gesellschaft zu vergeben, deren Kapital sie vollstän­ dig hält, sofern die öffentliche Körperschaft über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und die Ge­ sellschaft ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Körperschaft verrichtet, die ihre Anteile innehat. d) Vergabe an Dritte im wettbewerblichen Verfahren Werden Dritte, die keine internen Betreiber sind, für Verkehrsleistungen in Anspruch genommen, so müssen die öffentlichen Dienstleistungsaufträge grundsätzlich im Wege eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens (Art. 5 Abs. 3 VO, § 8 b PBefG) nach den Grundsätzen der Transparenz und Nicht­ diskriminierung vergeben werden. Dazu zählen auch Verkehrsunternehmen von Kommunen, die nicht – wie in der Regel kreisfreie Gemeinden und Landkreise – Aufgabenträger des allgemeinen öffentlichen Personennahver­ kehrs sind, oder andere öffentliche Unternehmen, wie z. B. die Regionalbus­ gesellschaften der Deutschen Bahn AG. Hierbei sind die Leistungen in Lose aufzuteilen (§ 8 a Abs. 4 Satz 2 PBefG). Für die Informationspflicht der nicht berücksichtigten Bieter und die Wartepflicht bis zum Vertragsschluss sowie für das Nachprüfungsverfah­ ren und die Rechtsfolgen einer darin festgestellten Unwirksamkeit der Ver­ 1779  EuGH

v. 06.04.2006, C-410 / 04, Slg. 2006, I-03303, Rz. 16.

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Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

gabe gelten die Vorschriften der §§ 101 a und 101 b GWB (§ 8 b Abs. 7 Satz 2 PBefG). Sind öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne der Verordnung (EG) Nr.  1370 / 2007 zugleich öffentliche Aufträge im Sinne des § 99 GWB, so gilt hierfür nach § 8 a Abs. 2 PBefG der Vierte Teil des GWB für entgelt­ liche Verträge über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Diese beruhen auf der Vergabeko­ ordinierungsrichtlinie1780 bzw. der Sektorenkoordinierungsrichtlinie.1781 4. Gewährung ausschließlicher Rechte Eines der vor Anpassung des PBefG an die Verordnung (EG) Nr.  1370 / 2007 heftig diskutierten Problemfelder betraf die Frage, ob mit der Erteilung einer Linienverkehrskonzession an den Betreiber einer Ver­ kehrsleistung die Gewährung eines ausschließlichen Rechts verbunden ist, d. h., eines Rechts, das einen Betreiber eines öffentlichen Dienstes berech­ tigt, bestimmte öffentliche Personenverkehrsdienste auf einer bestimmten Strecke oder in einem bestimmten Streckennetz oder Gebiet unter Aus­ schluss aller anderen solchen Betreiber zu erbringen.1782 Aufgabenträger und Genehmigungsbehörde gehören in Deutschland re­ gelmäßig unterschiedlichen Rechtsträgern an. Beide sind im Sinne der VO (EG) Nr. 1370 / 2007 „zuständige Behörde“ bzw. „zuständige örtliche Behör­ de“. Während die Aufgabenträger regelmäßig die Ausgleichsleistungen im Gegenzug für auferlegte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen (Art.  1 Abs. 1 Satz 2 VO) erbringen, gewähren die Genehmigungsbehörden den Betreibern bei der Erteilung von Linienkonzessionen nach zutreffender Auf­ fassung ein faktisches Monopol1783 und damit in der Terminologie der VO (EG) Nr.  1370 / 2007 „ausschließliche Rechte“ jedenfalls, wenn diese „im Gegenzug“ für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen entsprechend ausge­ staltet sind. „Öffentliche Dienstleistungsaufträge“ im Sinne der VO müssten damit sowohl von der Genehmigungsbehörde als auch vom Aufgabenträger erteilt werden.1784 Die Novelle zum PBefG hat diese Klippe zu umschiffen versucht. Hierzu gibt § 8 a Abs. 1 Satz 3 PBefG im Interesse einer europarechtskonformen kohärenten Gesetzgebung den Ländern als Sollvorschrift vor, dass die zu­ 1780  Siehe

Fußn. 1648. Fußn. 1649. 1782  Art. 2 Buchst. f) VO (EG) Nr.  1370 / 2007. 1783  Winnes, Der Ordnungsrahmen im deutschen Nahverkehr, 2005, 3. 1784  Winnes (Fußn. 1783), 42 f. und 182 f. 1781  Siehe



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 307

ständige Behörde nach der Verordnung grundsätzlich mit dem Aufgabenträ­ ger identisch sein soll. Außerdem regelt § 8 a Abs. 8 Satz 1 PBefG, dass die zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (d. i. der Aufgabenträger) in dem Dienstleistungs­ auftrag ein ausschließliches Recht gewähren kann, das sich aber nur auf den Schutz der Verkehrsleistungen beziehen darf, die Gegenstand des öffentli­ chen Dienstleistungsauftrages sind. Hierzu sind die Aufgabenträger „zustän­ dige örtliche Behörde“. Solange nach dem PBefG auch Genehmigungsbe­ hörden „ausschließliche Rechte“ in Form von Linienkonzessionen vergeben, können die Aufgabenträger ihre Rechte zur Direktvergabe nach der VO bzw. zur Eigenproduktion ohne deren Mitwirkung nicht in vollem Umfang wahrnehmen. Deshalb schreibt § 8 Abs. 3a PBefG nun vor, dass die Genehmigungsbe­ hörde an der Erfüllung der dem Aufgabenträger obliegenden Aufgabe nach § 8 Abs. 3 PBefG mitwirkt. Schließlich ist Versagungsgrund für eine Geneh­ migung beim Straßenbahn-, Obusverkehr und Linienverkehr mit Kraftfahr­ zeugen die Verletzung eines ausschließlichen Rechts, das von der zuständi­ gen Behörde nach § 8 a Abs. 1 PBefG in einem öffentlichen Dienstleis­ tungsauftrag unter Beachtung der Vorschriften des § 8 a Abs. 8 PBefG ge­ währt worden ist (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PBefG). Für die Gesetzgebung in den Ländern stellt sich nun die Frage, ob die bisherige Trennung von Genehmigungsbehörde und Aufgabenträger noch aufrecht zu erhalten sein wird.1785 Es wäre nur folgerichtig, den Aufgaben­ trägern als Finanziers des Nahverkehrs die Prüfungs- und Entscheidungs­ kompetenz sowohl hinsichtlich der subjektiven (Zuverlässigkeit, Eignung) als auch der objektiven Genehmigungsvoraussetzungen zu übertragen und so aus zwei Genehmigungsschritten einen einzigen zu machen.1786 Ohnehin ist es üblich, die Linienverkehrsgenehmigung erst dann zu erteilen, wenn der öffentliche Dienstleistungsauftrag wirksam geworden ist, weil ansonsten die Vorschriften des Vergaberechts leicht zu umgehen wären.1787 Künftig werden die Nahverkehrspläne der Aufgabenträger den Rahmen für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (§ 8 Abs. 3 Satz 8 PBefG) und die Grundlage für Qualitäts- und Sozialstandards (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 3 PBefG) bilden. Die Ziele dieser Nahverkehrspläne müssen deshalb so konkret formuliert werden, dass hieraus für öffentliche Dienst­ 1785  Saxinger, Das Verhältnis der Verordnung (EG) Nr.  1370 / 2007 zum nicht an sie angepassten deutschen Personenbeförderungsrecht, GewArch 2009, 350, 354. 1786  Kleemeyer / Mietzsch (Fußn. 1760), 634. 1787  Vgl. hierzu auch OLG München v. 22.06.2011, Verg 6 / 11, NZBau 2011, 701, Rz. 58.

308

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

leistungsaufträge in objektiver und transparenter Weise auch Art und Um­ fang der gewährten Ausschließlichkeit für Betreiber bestimmbar werden. Die Aufgabenträger haben auch sicher zu stellen, dass der Betrauungsakt, mit dem öffentliche Dienstleistungsaufträge vergeben werden, den Anforde­ rungen der Verordnung an Transparenz und Vorausbestimmtheit entspricht. Die Verzahnung von Nahverkehrsplanungen mit den Anforderungen an die Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen wird neue Organisationsstrukturen bei den Aufgabenträgern erfordern, weil sich die Aufgabenträger nicht mehr nur auf die bloße Vergabeentscheidung be­ schränken können, sondern während des gesamten Zeitraums, für den der öffentliche Dienstleistungsauftrag erteilt oder die allgemeine Vorschrift er­ lassen worden ist, die Einhaltung der zugrunde liegenden Anforderungen überwachen und ggf. regulierend eingreifen müssen. Diese Überwachung und Kontrolle ist bei internen Betreibern mit den Einwirkungspflichten zu koordinieren, die zur Erfüllung des mit dem Unternehmen verfolgten öffent­ lichen Zwecks geboten sind. Da der ÖPNV-Markt dadurch gekennzeichnet ist, dass private Auftragnehmer mit öffentlichen (kommunalen) Unterneh­ men in stetigem Wettbewerb gemeinsam Verkehrsdienstleistungen erbringen, müssen auch gleiche Maßstäbe für die Überwachung und Kontrolle der Dienstleistungsaufträge angelegt werden. Der sektorale Rechtsrahmen des ÖPNV beeinflusst sowohl das Ausmaß der Steuerungspflichten der kommunalen Aufgabenträger gegenüber allen Unternehmen des allgemeinen ÖPNV als auch den Umfang der zulässigen Ingerenzbefugnisse gegenüber ihren eigenen Verkehrsunternehmen. Vieles spricht deshalb dafür, die (kommunalen) Aufgabenträger für den allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr als örtliche Regulierungsbe­ hörden zu organisieren und mit entsprechenden Befugnissen auszustatten. Die Zuständigkeit der staatlichen Genehmigungsbehörden kann damit, so­ weit für solche Verkehre öffentliche Dienstleistungsaufträge von den Aufga­ benträgern an Dritte erteilt werden, auf eine rein gewerberechtliche Zulas­ sungsentscheidung für diese Verkehrsunternehmen reduziert werden. Für Linienverkehrsgenehmigungen bei Eigenproduktion, Direkt- oder InhouseVergaben der Aufgabenträger sollten im Interesse der Transparenz die staat­ lichen Behörden zuständig bleiben. Die Verpflichtung, bei Gewährung von ausschließlichen Rechten oder von Ausgleichsleistungen die Parameter sowie Art und Umfang zuvor in transpa­ renter und objektiver Weise aufzustellen, bedeutet auch, dass die bisherige Handhabung des steuerlichen Querverbunds, soweit pauschale Ausgleichsbe­ träge zugewiesen wurden, aufgegeben werden muss. Da sämtliche mittelba­ ren oder unmittelbaren Vorteile – gleich welcher Art – als Ausgleichsleistung zu werten sind, werden pauschalierte Zuwendungen, die bisher einer eigen­



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 309

wirtschaftlichen Bewertung von Verkehrsleistungen nicht entgegen standen, nunmehr als „Ausgleichsleistung“ nach Art. 2 Buchst. g) VO zu qualifizieren sein. Zur Vermeidung einer Umsatzsteuerpflicht für Leistungen zum Aus­ gleich gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen sollte der Betrauungsakt zu­ dem in hoheitlicher Form durch Zuwendungsbescheid ergehen.1788 Für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf den infolge fehlender Eigenwirtschaftlichkeit regulierten Personenverkehrsmärk­ ten hat die VO (EG) 1370 / 2007 das Recht der Behörden, ohne wettbewerb­ liches Vergabeverfahren öffentliche Personenverkehrsdienste selbst zu er­ bringen oder an einen internen Betreiber zu vergeben, gesichert und für Vergaben an Dritte transparente Wettbewerbsverfahren vorgeschrieben. Al­ lerdings hat das nationale Recht, insbesondere die Gesetzgebung in den Ländern, die gespaltenen Zuständigkeiten für öffentliche Dienstleistungsauf­ träge der in der Regel kommunalen Aufgabenträger und die daneben noch für erforderlich gehaltenen Linienverkehrsgenehmigungen der staatlichen Behörden bisher nicht beseitigt.

V. Folgerungen für Kommunen aus der europäischen Rechtsordnung Zum Begriff der Daseinsvorsorge kennt das europäische Recht keine Entsprechung. Das wirtschaftsliberale Konzept der Union folgt einem funk­ tionalen Ansatz und widmet der demokratisch-partizipatorischen Kompo­ nente des nationalen Daseinsvorsorgebegriffs keine Aufmerksamkeit. Als Äquivalent verwendet die Kommission die Formulierung „Dienste von all­ gemeinem Interesse“ als Oberbegriff für nicht marktbezogene und für marktbezogene Dienstleistungen. Da der Union die Zuständigkeit für nicht marktbezogene Dienstleistungen von allgemeinem Interesse fehlt, kennen die europäischen Verträge nur Dienste bzw. Dienstleistungen von allgemei­ nem wirtschaftlichem Interesse. Hierunter fallen auch marktbezogene Dienstleistungen, soweit sie im nationalen Recht als Aufgaben der Daseins­ vorsorge der „nichtwirtschaftlichen Betätigung“ zugeordnet sind. Die Begriffe des Unionsrechts sind eigenständig. Dies gilt insbesondere für den wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriff, der die Ausübung einer konkreten wirtschaftlichen, d. h. entgeltlichen, Tätigkeit unabhängig von deren Trägerschaft und Gewinnerzielungsabsicht umfasst. Das Wettbe­ werbsrecht der Union und die flankierenden Regelungen des Beihilfe- und Vergaberechts zielen auf die Gewährleistung eines fairen, diskriminierungs­ freien und die Grundfreiheiten sichernden transparenten Regelungskonzepts, 1788  Siehe

oben Fußn. 1645.

310

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

um bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse das Spannungsverhältnis zwischen der Wettbewerbssteuerung der Union und der Politiksteuerung der Mitgliedstaaten zu lösen. Auch die durch die Mitglied­ staaten oder deren Untergliederungen beherrschten öffentlichen oder mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestatteten Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, werden dem Wettbewerbsrecht unterstellt, soweit dadurch nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben verhindert wird. In diesen Fällen genießt Publizität bei der Wahrnehmung von Daseinsvorsor­ geaufgaben, die durch Art. 14 AEUV zu einem Strukturmerkmal der Euro­ päischen Union geworden sind, Vorrang vor dem Wettbewerbsprinzip.1789 Dagegen begünstigt das Unionsrecht den bereits durch das nationale Ver­ fassungsrecht erzeugten Zwang zur Privatisierung, soweit eine mit der Pri­ vatwirtschaft konkurrierende wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand dem europäischen Wettbewerbsrecht unterworfen ist. In diesen Wirt­ schaftsbereichen ist ein öffentliches Interesse im Sinne eines „öffentlichen Zwecks“ für eine durch staatliche Institutionen betriebene oder beherrschte wirtschaftliche Betätigung verfassungsrechtlich begründungsbedürftig. Der­ artige marktbezogene Tätigkeit findet vor allem in der Gewährleistung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten, aber nur ausnahmsweise in Grundrechten privater Konkurrenten, ihre Schranken. Die Regelungen des europäischen Wettbewerbsrechts führen zu einer transparenten Trennung genuin staatli­ cher von primär privater Tätigkeit. Sie erhöhen die Trennschärfe der Unter­ scheidung von Publizität und Privatheit wirtschaftlicher Betätigung und überlagern damit auch die vom Grundgesetz im Sinne einer wirtschaftspo­ litischen Neutralität1790 konzipierte nationale Wirtschaftsordnung. Zur Gewährleistung einer europarechtskonformen Ausgestaltung ihrer unternehmerischen Tätigkeit haben die Kommunen bei Wettbewerbsteilnah­ me ihre Einwirkungs- und Steuerungspflichten auch an den unionsrechtli­ chen Grenzen des Beihilfe- und des Vergaberechts auszurichten. Die Befug­ nisse verfassungsrechtlich gebotener Ingerenz werden durch Unionsrecht deutlich begrenzt. Das europäische Beihilferecht ist jedoch in seinem Anwendungsbereich ein immer noch unerschöpfliches Experimentierfeld, auf dem das Span­ nungsverhältnis zwischen Publizität und marktbezogener Tätigkeit für die Kommunen offenkundig wird. Dies gilt vor allem für die Anforderungen an einen Betrauungsakt für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem 1789  Vgl.

oben Fußn. 1566. oben Fußn. 756: BVerfG v. 01.03.1979, 1 BvL 21 / 78, BVerfGE 50,

1790  Siehe

290, 338.



C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen 311

Interesse. Eine Begünstigung eigener Unternehmen durch die Gewährung öffentlicher Mittel oder sonstiger Vorteile ist bereits bei Unternehmensgrün­ dung europarechtskonform auszugestalten, um Schadensersatzansprüche des nicht berücksichtigten Konkurrenten und eine Haftung der Geschäftsführung des durch eine unzulässige Beihilfe begünstigten Unternehmens mit Rück­ abwicklungspflicht der unzulässigen Zuwendung zu vermeiden. Auch die im Almunia-Paket als Leitfaden zusammengefassten Hilfestellungen entbinden nicht von einer konkreten Einzelfallbetrachtung. Sie gewähren Rechtssicher­ heit nur bei den vom Freistellungsbeschluss erfassten und der De-minimisVerordnung unterliegenden Ausgleichsleistungen. Für notifizierungspflichti­ ge Beihilfen des EU-Rahmens hat das Almunia-Paket das erklärte Ziel einer Vereinfachung verfehlt und die Anforderungen sogar verschärft. Hierfür gilt nach wie vor das Prinzip „Trial and Error“. Auch das europäische Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber und ihm folgend die nationalen Umsetzungsregelungen sind insbesondere für Kom­ munen und kommunale Unternehmen als „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ zur Erfüllung von „nichtgewerblichen“ im Allgemeininteresse lie­ genden öffentlichen Aufgaben eine unerschöpfliche Quelle immer differen­ zierterer Regulierungen. Vergaben von Dienstleistungsaufträgen und Dienst­ leistungskonzessionen im wettbewerblichen Vergabeverfahren sind mit ho­ hem administrativem und organisatorischem Aufwand verbunden. Dagegen bedeutet die In-house-Fähigkeit von Unternehmen nicht nur eine Freistellung von den Restriktionen des Vergaberechts, sondern sie gewährleistet auch eine den Anforderungen an Steuerung und Kontrolle sowie an die demokra­ tische Legitimation der Unternehmen genügende Publizität. Obwohl der nationale Gesetzgeber – vom BVerfG1791 zu Recht unbean­ standet – für Vergaben unterhalb der europäischen Schwellenwerte dem nicht berücksichtigten Bieter keinen Rechtsanspruch auf Einhaltung der Vergabevorschriften eingeräumt hat, wie dies für Vergaben im Rahmen der europäischen Schwellenwerte vorgesehen ist, hat die Vergabestelle auch in diesen Fällen die Grundrechtsbindung zu beachten. Der sektorspezifische Rechtsrahmen für den öffentlichen Personenverkehr hat die Kriterien der Rechtsprechung des EuGH zum unionsrechtlichen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberecht für die Aufgabenträger des allge­ meinen ÖPNV vor allem bei der Betrauung interner Betreiber mit Verkehrs­ dienstleistungen gelockert, aber die kommunalen Aufgabenträger auch vor neue organisatorische Herausforderungen gestellt. Auch nach der Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes1792 an die seit 03.12.2009 ohnehin unmit­ 1791  Siehe 1792  Siehe

oben Fußn. 1721. oben Fußn. 1763.

312

Kap. 2: Verfassungs- und unionsrechtliche Grundlagen

telbar geltende EG-Verordnung sind die von den Ländern zu regelnden Zuständigkeitsfragen zwischen den Aufgabenträgern des allgemeinen ÖPNV und den Genehmigungsbehörden für Linienverkehrsgenehmigungen weiter­ hin ungeklärt. Bisher wurden die Planungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für den all­ gemeinen öffentlichen Personennahverkehrs von den Aufgabenträgern nicht oder nur in einzelnen Fällen, etwa bei der Abgrenzung regionaler Nahver­ kehrsräume, erfüllt, weil diese Aufgaben traditionell von den Nahverkehrs­ unternehmen selbst wahrgenommen wurden oder in Verkehrsverbünden1793 bei der Betreiberorganisation der Verkehrsunternehmen angesiedelt waren. Der europäische Rechtsrahmen erfordert jedoch für den öffentlichen Perso­ nennahverkehr eine grundlegende Änderung dieser Organisationsstrukturen. Erforderlich ist eine transparente und diskriminierungsfreie Koordinierung der Ingerenzpflichten der Aufgabenträger gegenüber ihren internen Betrei­ bern mit den Überwachungspflichten aus Dienstleistungsaufträgen an priva­ te Konkurrenten kommunaler Verkehrsunternehmen. Mit dem Rechtsrahmen für den ÖPNV hat die Europäische Union einen Paradigmenwechsel von der Liberalisierung zur Rekommunalisierung einge­ leitet, der auch in anderen Sektoren noch stattfinden dürfte.1794 Die Aufga­ benträger des allgemeinen ÖPNV erhalten durch die Sektorenregelung neue Befugnisse zur Gestaltung der ÖPNV-Strukturen. Die zentrale Rolle, die ihnen für Koordinierungs- und Steuerungsfunktionen einer bedarfsgerechten Nahverkehrsstruktur zukommt, erfordert auch eine Verlagerung der (staat­ lichen) Zuständigkeit für Linienverkehrskonzessionen auf die kommunalen Aufgabenträger. Die Gewährleistung der Publizitätspflichten, die Sicherstel­ lung von Transparenz und die Kompatibilität mit den Kontrollpflichten ge­ genüber Privaten sprechen dafür, die Organisationsstrukturen der Aufgaben­ träger im ÖPNV denen von Regulierungsbehörden1795 anzunähern.

1793  Beispiele hierfür sind der Regensburger Verkehrsverbund oder die Verkehrs­ verbund Großraum Nürnberg GmbH. 1794  Ein weiteres Beispiel hierfür ist die Wasserversorgung, die von der Europäi­ schen Kommission aus dem Entwurf der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie end­ gültig herausgenommen wurde (vgl. Fußn. 641). 1795  Vgl. allgemein hierzu Kluth (Fußn. 872), 37.

Kapitel 3

Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung A. Ausgliederung und Deregulierung durch Privatisierung und Liberalisierung Die Begriffe Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung1796 sind Bestandteile eines Gesamtkonzepts unter dem Schlagwort „schlanker Staat“, einer Debatte, die ihren Ausgangspunkt in der Diagnose einer „Überforde­ rung des Staates“ nahm,1797 deren Auswirkungen in der Haushaltslage von Bund, Ländern und Gemeinden zu Tage treten und zu einem maßgeblichen Teil auf die immer größere Aufgabenlast des Staates zurückzuführen sind.1798 In besonderem Maße gilt dies für die Kommunen und deren örtliche Allzuständigkeit. Gerade in der Daseinsvorsorge sind die Kommunen schon lange an Grenzen ihrer Leistungs- und Finanzierungsfähigkeit gestoßen. Wettbewerbsdruck, kommunale Haushaltsprobleme und allgemeine strategi­ sche Überlegungen haben namentlich ab Mitte der 90er Jahre zu einer Welle von Auslagerungen und Kooperationen mit privaten Anbietern ge­ führt. Alfred Katz stellt diesen Wandel unter das Schlagwort: Von Omnipo­ tenz zu Subsidiarität und Dezentralisation.1799 Das staatliche Handeln sei deshalb sowohl im normativen als auch im administrativen und gerichtlichen Bereich auf das notwendige Maß zu be­ 1796  Stohrer (Fußn. 249), 89, 97 f., Fußn. 143 und 144: Deregulierung wird hier als Oberbegriff verwendet, der sowohl Maßnahmen der Liberalisierung als auch Maßnahmen der Privatisierung erfasst. Liberalisierung und Privatisierung stehen demgegenüber zueinander im Verhältnis zweier sich schneidender Kreise. Der Be­ griff der Liberalisierung ist ein Synonym für Maßnahmen der Marktöffnung. Zur Privatisierung siehe unten Abschnitt A. II. 1797  Stohrer (Fußn. 249), 76, Fußn. 1 m. w. N.; Herzog, Der überforderte Staat, in: Badura / Scholz (Hg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, 15 ff. 1798  Stohrer (Fußn. 249), 77 m. w. N. in Fußn. 7. 1799  Knemeyer (Fußn. 557), 23, Fußn. 17: Katz, Privatisierung öffentlicher Aufga­ ben, Kommunalrechtliche Bedingungen und wirtschaftliche Zielsetzungen. – Notari­ elle Vertragsgestaltung für Kommunen (NotRV), Würzburg 2003, 5 ff., 17.

314

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

schränken1800; der Staat habe sich auf seine Kernaufgaben zu konzentrie­ ren1801 und die Wahrnehmung anderer Aufgaben in den privaten Sektor zu verlagern.1802 Eingriffe des Staates in den wirtschaftlichen Wettbewerb seien auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken und so der Markt und seine Mechanismen zu stärken.1803

I. Ziele und Motive einer Ausgliederung von Verwaltungseinheiten 1. Ordnungs- und gesellschaftspolitische Vorstellungen Nicht zuletzt das Ziel, kommunale Dienstleistungen kostenbewusster und für die Bürgerschaft preiswerter und attraktiver zu erbringen, hat in der Vergangenheit zu einer Anlehnung an die Methoden der Privatwirtschaft geführt, zu der die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben vor allem bei wirt­ schaftlichen Dienstleistungen der Gemeinden in zunehmende Konkurrenz gestellt wurde. Die Rechtsformwahl wird dabei stets beeinflusst vom gesamtgesellschaft­ lichen Umfeld, in dem bis vor einiger Zeit noch neoliberale Vorstellungen dominierten1804 und Privatisierungsdiskussionen im Hinblick auf eine erwar­ tete größere Effizienz des kommunalen Unternehmens im Falle einer for­ mellen Privatisierung auslösten,1805 um sich im Wettbewerb zu behaup­ ten.1806 Mit der Angleichung der Kommunalwirtschaft an die Privatwirtschaft wird ökonomischen Beurteilungsmaßstäben und betriebswirtschaftlichem Denken sowie der Möglichkeit, Kooperationen mit Privaten einzugehen, hoher Stellenwert eingeräumt, wenn es darum geht, privates Know-how zu erschließen und fremdes Kapital zu mobilisieren.1807 Bis in die 90er Jahre war es dagegen noch gemeinsame gesellschaftspo­ litische Überzeugung, dass die kommunalen Aufgaben grundsätzlich öffent­ 1800  Stohrer

(Fußn. 249), 78, Fußn. 14. (Fußn. 249), 78, m. w. N. in Fußn. 16: Schuppert, Rückzug des Staa­ tes?, DÖV 1995, 761, 764 f. 1802  Stohrer (Fußn. 249), 78, Fußn. 17. 1803  Stohrer (Fußn. 249), 78, Fußn. 20. 1804  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 776, Fußn. 9: Schoch (Fußn. 536). 1805  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 776, Fußn. 10: Schmidt (Fußn. 1589), 347. 1806  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 776, Fußn. 12: Erbguth / Stollmann (Fußn. 466), 801 ff.; Zugmaier, Gemeindliche Unternehmen in Privatrechtsform, BayVBl 2001, 233, 234; Ehlers (Fußn.  633), 292 ff.; Engellandt, Die Einflussnahme der Kommu­ nen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan 1995, 6 ff.; Mann (Fußn. 358), 172, der von einer „populären Ökonomisierungsrhetorik“ spricht. 1807  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 775. 1801  Stohrer



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung315

lich-rechtlich, grundsätzlich auf das eigene Gebiet beschränkt und grund­ sätzlich ohne Beteiligung privater Dritter zu erfüllen waren. „Zwei politische Entwicklungen markierten Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts das Ende dieser heilen Welt: Zum einen die vom angloamerikanischen Raum auf den europäischen Kontinent überschwappende und erst jetzt allmählich auslaufende Grundwelle (‚Reaganomics‘, ‚Thatcherismus‘), wonach ‚Priva­ te‘ alles besser, schneller und vor allem billiger können als öffentliche Unternehmen, zum anderen die Einführung des Europäischen Binnen­ markts.“1808 Sie waren Teil eines politischen Programms und auch politi­ sches Gestaltungsmittel.1809 Der Anwendungsvorrang europäischen Rechts, das im Gegensatz zum Grundgesetz nicht wirtschaftspolitisch neutral ist,1810 sondern sich zum Mo­ dell einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb bekennt1811 und einen Binnenmarkt mit einer grundsätzlich staatsfernen Wirtschaftsordnung geschaffen hat1812 sowie die Geltung der Grundfreiheiten und deren Interpre­ tation durch den EuGH sind bedeutende Impulsgeber einer Deregulierung,1813 auch wenn Art. 14 AEUV nun dem Wettbewerb die „Dienste von allgemei­ nem wirtschaftlichem Interesse“ entgegenstellt.1814 Die Auswirkungen dieser Deregulierung sind nicht zu verkennen. Das Leitbild einer einheitlichen Kommunalverwaltung wird mit zunehmender Mediatisierung insbesondere bei der Wahl privatrechtlicher, untereinander verschachtelter Rechtsformen immer stärker verunklart. Die Einheit der Kommunalverwaltung, die traditionell durch ein hohes Maß an Zentralisa­ tion1815 und Konzentration1816 gesichert war, wird durch Ausgliederung und 1808  Knemeyer (Fußn. 557), 23, Fußn. 16: Wiethe-Körprich, Gemeindewirtschaft – nicht (mehr) nur ein nationales Thema, Bayerische Gemeindezeitung 2008, 65 f. 1809  Däubler (Fußn. 529), 33, der darin auch eine Disziplinierungsfunktion be­ triebs- und volkswirtschaftlicher Betrachtungsweisen mit der Gefahr der Erpressbar­ keit bei Sozialstandards sieht, wenn in Privatisierungskataloge selbst solche Bereiche einbezogen werden, die sich trotz Senkung von Personalkosten nicht mit Aussicht auf Gewinn unternehmerisch betreiben lassen. 1810  Stohrer (Fußn. 249), 102, Anm. 175: Zur wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes: BVerfG v. 20.07.1954, 1 BvR 459 / 52 u. a., BVerfGE 4, 7, 17 f.; BVerfG v. 11.06.1958, 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377, 400. 1811  Art. 3 Abs. 3 Satz 1 EUV, Art. 120 Satz 2 AEUV. 1812  Stohrer (Fußn. 249), 102, Fußn. 176 und 178. 1813  Stohrer (Fußn. 249), 107, Fußn. 213. 1814  Ronellenfitsch (Fußn. 825), 21, Fußn. 16: Badura (Fußn. 1576) ff.; siehe hier­ zu Kapitel 2 Abschnitt C. I. 2. b). 1815  Vgl. Fußn. 578 zum Begriff „Zentralisation“. 1816  Unter „Konzentration“ ist die Zusammenfassung möglichst vieler Kompeten­ zen bei möglichst wenigen Organen zu verstehen: Ehlers (Fußn. 493), Fußn. 3 m. w. N.

316

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

organisatorische Verselbstständigung nicht – wie früher – im Wesentlichen nur wirtschaftlicher Unternehmen, sondern inzwischen auch zahlreicher sonstiger kommunaler Einrichtungen, in Frage gestellt.1817 Dadurch wird die Wahrnehmung der verfassungsrechtlich geforderten Verantwortung für die Gemeindeverwaltung als Ganzes zunehmend erschwert.1818 Je mehr sich die Verwaltung mit „Trabanten“ umgibt, desto größer wird in der Tat die Gefahr einer undurchsichtigen Zerfaserung in eine Vielzahl von Organisationsein­ heiten.1819 Dies führt auch zu einem Verlust bzw. einer Einschränkung der Kontrolle, weil die kommunalen Vertretungsorgane in die laufende Ge­ schäftsführung keinerlei Einblicke mehr besitzen. „Es kommt auf diese Weise zu einer Abschwächung der Publizität, zu einer faktischen Begren­ zung vor allem der Rechte des jeweiligen Ratsplenums.“1820 Dieser Trend scheint sich in den letzten Jahren umzukehren; es zeichne sich sogar eine Tendenz zur Rekommunalisierung ab,1821 um einer verstärk­ ten kommunalen Steuerung und besseren Absicherung der Gemeinwohlzwe­ cke höheres Gewicht zu verleihen. Während Privatisierung bis dato der zentrale Begriff für eine „Modernisierung der Gemeinde“ war, gebe es ge­ genwärtig eine belegbare Trendwende hin zur Rekommunalisierung. Man könne sogar von einer „Krise der Privatisierung“ sprechen.1822 Allerdings sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls zu betrachten.1823 Im Zuge der offenkundig gewordenen Risiken immer stärker global aus­ gerichteter und damit immer anonymer und undurchsichtiger werdender 1817  Ehlers

(Fußn. 493). (Fußn. 358), 91, Fußn. 211: Schoch, Rechtsfragen der Privatisierung von Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung, DVBl 1994, 1, 9; Schoch (Fußn. 534), 973; Ehlers (Fußn. 493), 903; Ehlers (Fußn. 500), 141; Krölls, Rechtliche Grenzen der Privatisierungspolitik, GewArch 1995, 129 ff., 142; Püttner, Zur Wahl der Privat­ rechtsform für kommunale Unternehmen und Einrichtungen 1993, 36. 1819  Erbguth / Stollmann, Zur Rechtsformwahl bei der kommunalen Aufgabener­ füllung, StG 1994, 127, 129, Fußn. 23: Stober, Die privatrechtlich organisierte öf­ fentliche Verwaltung, NJW 1984, 449, 452. 1820  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 129, Fußn. 25: Leisner, Der Vorrang des Gesellschaftsinteresses bei den Eigengesellschaften der öffentlichen Hand, WiVerw 1983, 212, 225. 1821  Hellermann (Fußn. 418), 144, Fußn. 37: Säcker (Fußn. 371), 1106; Brüning, (Re-)Kommunalisierung von Aufgaben aus privater Hand – Maßstäbe und Grenzen, VerwArch 2009, 453. 1822  Bauer (Fußn. 1573), 330 m.  w. N. in Fußn. 11 unter Bezugnahme auf die Stadt Potsdam, die nach einer Privatisierungswelle (PPP-Modell mit 49%-Beteili­ gung von „Eurawasser“) bereits im Jahr 2000 den Weg der Rekommunalisierung ihrer Wasserversorgung durch Integration in die Eigengesellschaft Stadtwerke Pots­ dam GmbH gegangen ist. 1823  Hellermann (Fußn. 418), 144, Fußn. 38: Schoch (Fußn. 536), 381. 1818  Mann



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung317

Wirtschaftsverflechtungen nahm und nimmt auch in der Bevölkerung das Interesse an überschaubaren Wirtschaftseinheiten und lokaler Leistungs­ erbringung zu. Deutlich wird dies vor allem im Energieerzeugungs- und Versorgungsbereich, vor allem bei der Strom- und Gasversorgung. Dort wird die Entwicklung zur Rekommunalisierung auch begünstigt durch das Auslaufen von Konzessionsverträgen1824 und die zum Teil enttäuschten Er­ wartungen an ein besseres und kostengünstigeres Leistungsangebot auf den Feldern der privatisierten Daseinsvorsorge.1825 Für die kommunalen Vertre­ tungsorgane macht sich der Verlust an Steuerungs- und Einflussnahmemög­ lichkeiten auf die operative Tätigkeit vor allem der Unternehmen in Rechts­ formen des Privatrechts häufig erst nachträglich bemerkbar.1826 Bereits mit der Entscheidung, Verwaltungseinheiten, die der Erfüllung kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben dienen, aus der allgemeinen Kom­ munalverwaltung auszugliedern, werden die entscheidenden Weichen ge­ stellt für die Reichweite der künftigen Steuerungs-, Einwirkungs- und Kontrollbefugnisse der kommunalen Gremien. Dies gilt insbesondere für die Gewährleistung des Zugriffs auf die dafür erforderlichen Informationen, für die unter den Gesichtspunkten des Demokratie- und des Rechtsstaatsgebots notwendigen Anforderungen an die Publizität der Entscheidungsprozesse und für deren Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Bei Betätigung auf Märkten, in denen die Kommune im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft Dienstleistungen anbietet, hat sie die Grundrechtsausübung privater Konkurrenten und bei binnenmarktrelevanter Betätigung auch die Grundfreiheiten der europäischen Verträge durch diskriminierungsfreies und transparentes Handeln zu gewährleisten.1827 Die Anforderungen an die Entscheidungsprozesse betreffen dabei Publizi­ tät sowohl in der Grundbedeutung von Durchschaubarkeit und Nachvoll­ ziehbarkeit wie auch in der auf das Gemeinwesen bezogenen Publizitätsbe­ deutung mit dem daraus abgeleiteten Gebot der Rechtmäßigkeit und dem vom Demokratiegebot bestimmten Handeln der vom Volk als Souverän le­ gitimierten kommunalen Organe.1828 Bei Teilnahme der Kommune am Wettbewerb ist das Spannungsverhältnis zwischen publizistischer Unterneh­ menstätigkeit einerseits und autonomer wirtschaftlicher Betätigung sowie der Privatheit des Individuums andererseits durch eine Begründungsbedürf­ tigkeit geprägt, die bei der Entscheidung über die Errichtung eigener bzw. 1824  Byok

(Fußn. 1701), 1493. (Fußn. 450), 777 m. w. N. in Fußn. 14. 1826  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 777. 1827  Siehe oben Kapitel 2 Abschnitt C. und OVG Lüneburg v. 11.09.2013, 10 ME 87 / 12, 10 ME 88 / 12, Juris. 1828  Siehe oben Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. c). 1825  Uechtritz / Reck

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

kommunal beherrschter Unternehmen oder bei einer Minderheitsbeteiligung an Wirtschaftseinheiten Privater zu beachten ist. 2. Unternehmerische Gestaltungsziele einer Ausgliederung Voraussetzung für einen transparenten Entscheidungsprozess bei der Aus­ wahl einer geeigneten Organisationsform der zur Ausgliederung aus der allgemeinen Kommunalverwaltung vorgesehenen Verwaltungseinheit ist die aufgabenbezogene Ermittlung und Gewichtung der Vor- und Nachteile einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisation des zu gründen­ den Unternehmens. Dieser komplexe Entscheidungsprozess hat auf der Grundlage der unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Bundesländer grundsätzlich in öffentlicher Sitzung der kommunalen Beratungs- und Ent­ scheidungsgremien zu erfolgen.1829 Für eine Ausgliederung stehen die Aufgabenbereiche der kommunalen Leistungsverwaltung auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge im Fokus, die nach den kommunalrechtlichen Regelungen der einzelnen Bundesländer1830 keinem einheitlichen System folgen, sondern teils als wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Unternehmen, teils ohne eine solche Differenzierung einfach als „gemeindliche Unternehmen“ bezeichnet werden. Die Darstel­ lung beschränkt sich auf solche Ausgliederungen, die nach dem eingangs definierten Unternehmens- und Unternehmerbegriff1831 als kommunale Un1829  Siehe hierzu die Kommentierung von Hölzl / Hien et  al. (Hg.) (Fußn. 1339), Nr.  2 zu Art. 52 BayGO: Die Kontrollmöglichkeit durch die Öffentlichkeit besitzt wesentliche Bedeutung und ist Grundvoraussetzung für eine demokratische politi­ sche Willensbildung, vgl. BVerfG v. 03.03.2009, 2 BvC 3 / 07, 2 BvC 4 / 07, NVwZ 2009, 708, 712 f.; zu den Rechtsfolgen eines unzulässigen Ausschlusses der Öffent­ lichkeit vgl. VerfGH Münster v. 09.04.1976, 58 / 75, DVBl 1977, 45 und BayVGH v. 26.01.2009, 2 N 08.124, BayVBl 2009, 344; Hölzl / Hien et al. (Hg.) (Fußn. 1339), Nr. 2 zu Art. 52 BayGO vertritt eine differenzierende Auffassung zu der in Bayern immer noch grundsätzlich als bloße Ordnungsvorschrift angesehenen Bestimmung: Die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes sei ein gravierender Verstoß gegen tragende Verfahrensprinzipien der Kommunalverfassung. Ein missbräuchlicher Aus­ schluss der Öffentlichkeit müsse stets zur Nichtigkeit des Beschlusses und nicht nur bei Erlass einer Rechtsvorschrift führen. Etwas anderes gelte jedoch, soweit im Einzelfall vertretbare Gründe für einen Ausschluss sprächen. Dieser Ansicht wird zugestimmt. 1830  Auf die Darstellung hierzu unter Kapitel 2 Abschnitt A. III. 1. wird Bezug genommen. 1831  Siehe Kapitel 1 Abschnitt B. II. Nicht darunter fällt insbesondere die reine Vermögensverwaltung, für die § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 ThürKO ein bisher bundesweit einmaliges Modell einer Kapitalbeteiligung an privatrechtlichen Unter­ nehmen als Vermögensanlage ohne kommunalrechtliche Restriktionen geschaffen



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung319

ternehmen zu qualifizieren sind oder als unternehmerische Tätigkeit der Kommune bezeichnet werden können. Der Gründung eines kommunalen Unternehmens oder der Eingehung ei­ ner Beteiligung an privatrechtlichen Gesellschaften sollte ein sorgfältiger Planungs-, Abwägungs- und Entscheidungsprozess vorausgehen, um die schwierigen rechtlichen, organisatorischen, betriebswirtschaftlichen, perso­ nellen und finanziellen Probleme zu prüfen und einzelfallbezogen zu lö­ sen.1832 Eine transparente Entscheidungsfindung und deren Begründung verdeutlichen den kommunalen Gremien die mit einer Ausgliederung ver­ bundenen Grenzen künftiger Einflussnahme und Kontrolle und ermöglichen den davon betroffenen Gemeindeangehörigen, aber auch potenziellen priva­ ten Konkurrenten, durch Information über die damit verfolgten Ziele eine Bewertung, inwiefern ihre eigenen Interessen und Rechtspositionen durch die Entscheidung der kommunalen Mandatsträger und Beschlussgremien berührt sein können und gewahrt werden. a) Flexibilität und Effizienz als Ausgliederungsziele Das häufigste Kriterium bei der Wahl der Organisationsform kommunaler Unternehmen ist das der „Flexibilität“ bei der Ausgestaltung der Organisa­ tionsform sowie für das Handeln der Unternehmensleitung und bei Fragen der Personalwirtschaft.1833 aa) Flexibilität der Organisationsform Die Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform zieht weitreichende Konsequenzen für die Beziehung der Verwaltung im Außenverhältnis zum Bürger nach sich, beeinflusst dessen Rechte und Pflichten,1834 bestimmt die Steuerung und Kontrolle der Organisation und ihre innere Ordnung und legt Kompetenzen und Entscheidungsspielräume innerhalb des Unternehmens sowie im Verhältnis zwischen dem Unternehmen und seinem Träger im Wesentlichen fest.1835 hat, während in verschiedenen Bundesländern auch Minderheitsbeteiligungen am Kapital von privaten Gesellschaften von 5% in den Beteiligungsbericht aufzuneh­ men sind. Nach zutreffender Auffassung kommt es jedoch nicht auf die Beteili­ gungshöhe, sondern auf die mit der Beteiligung verfolgte Intention einer Vermögens­ anlage oder eines Beitrags zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe an. 1832  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 175. 1833  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 785. 1834  Gaß (Fußn. 420), 56, Fußn. 12: Erbguth / Stollmann (Fußn. 466), 801. 1835  Gaß (Fußn. 420), 56, Fußn. 13: Janson (Fußn. 366), 138.

320

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Während der Regiebetrieb, soweit er als kommunales Unternehmen ein­ zustufen ist,1836 im Hinblick auf seine Eingliederung in die allgemeine Kommunalverwaltung oft als „starr“ bezeichnet wird,1837 besteht beim Eigenbetrieb ein größerer Spielraum. Dieser stellt den herkömmlichen Orga­ nisationstyp für ein wirtschaftliches Unternehmen auf der Grundlage der DGO 1935 und der Eigenbetriebsverordnung von 1938 dar, der vom Orga­ nisationstypus her eine nicht-rechtsfähige öffentliche Anstalt ist. Zum Teil beschränken sich die landesrechtlichen Regelungen zum Eigenbetrieb in den Gemeindeordnungen oder Eigenbetriebsgesetzen auf wirtschaftliche Unter­ nehmen1838 oder sehen als Organisationstyp die eigenbetriebsähnliche Einrichtung1839 für die nichtwirtschaftliche Betätigung vor.1840 Möglich ist auch eine Zusammenfassung von wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Einrichtungen als Querverbund.1841 Da der Eigenbetrieb rechtlich unselbstständig und lediglich organisato­ risch verselbstständigt ist, stellt das Handeln des Eigenbetriebs Handeln der Kommune dar.1842 Er ist trotz fehlender rechtlicher Selbstständigkeit durch wirtschaftliche Autonomie ein Kompromiss zwischen notwendiger kommu­ naler Einflussnahme und Kontrolle sowie dem Streben nach wirtschaftlich orientierter Unternehmensführung.1843 Für den Eigenbetrieb als gemeind­ liches Unternehmen, das „außerhalb der allgemeinen Verwaltung“1844 als Sondervermögen geführt wird, bedarf es eines gesonderten Organisationsak­ tes der Gemeinde mit einer Regelung der sachlichen Zuständigkeit in der 1836  Siehe oben Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3. a) aa) und insbesondere Art. 88 Abs. 6 BayGO, wonach auch Regiebetriebe ganz oder teilweise nach den Vorschrif­ ten über die Wirtschaftsführung von Eigenbetrieben geführt und insoweit zu den kommunalen Unternehmen gerechnet werden können. 1837  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 785, Fußn. 37: Gaß (Fußn.  420), 59 f. 1838  Vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf, §§ 110 Abs. 1 Nr. 3, 116 Abs. 1 GO LSA. 1839  Brüning (Fußn. 413), 158. 1840  Hellermann (Fußn. 418), 150, Fußn. 54: Schraffer, Der kommunale Eigenbe­ trieb, 1993, 123; z. B. in Baden-Württemberg durch das Eigenbetriebsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.01.1992 (GBl. S. 21), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.04.2013 (GBl. S. 55, 57), Art. 88 Abs. 6 BayGO, § 121 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 127 Abs. 1 HGO, § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KV-MV, § 136 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 NKomVG, §§ 107 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3, 114 Abs. 1, 114a Abs. 1 GO NRW, § 86 Abs. 2 i. V. m. § 85 Abs. 4 Satz 1 GemO Rhl-Pf., § 109 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 35 Satz 1 Nr. 18a KSVG, § 95 Abs. 1 Nr. 2 SächsGO i. V. m. SächsEigBG vom 25.02.2010 (SächsGVBl. S. 38), §§ 106, 106a GO SH und §§ 76 Abs. 1, 129 Abs. 2 Nr. 9 und Nr. 10 ThürKO. 1841  Hellermann (Fußn. 418), 153. 1842  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 89. 1843  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 786, Fußn. 39: Süß, Eigenbetrieb oder Gesell­ schaft?, BayVBl 1986, 257, 258; Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 89. 1844  Vgl. Art. 88 Abs. 1 BayGO.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung321

Eigenbetriebssatzung, wenn dem Eigenbetrieb mit den übertragenen Aufga­ ben auch eigene Befugnisse zur Erhebung von öffentlichen Abgaben nach den kommunalabgaberechtlichen Vorschriften – einschließlich des Erlasses von Bescheiden – (z. B. Beiträgen, Gebühren, Kostenerstattungen) und ent­ sprechenden privatrechtlichen Entgelten (z. B. Baukosten- und Investitions­ kostenzuschüssen, Anschluss- und Leistungsentgelten) sowie für die Durch­ führung aller weiteren Maßnahmen im Vollzug eingeräumt werden sollen.1845 Ein bloßer Gemeinderatsbeschluss reicht dafür nicht aus.1846 Von allen öffentlich-rechtlichen Organisationsformen bietet das Kommunalunternehmen in denjenigen Bundesländern, die diese Rechtsform einge­ führt haben,1847 den weitaus größten Gestaltungsspielraum. Als Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtsfähigkeit ist das Kommunalunterneh­ men eine Rechtsform zwischen Eigenbetrieb und Eigengesellschaft, die die Vorteile der GmbH mit denen des öffentlichen Rechts verknüpft.1848 Die interne Aufbau- und Ablauforganisation kann bei Kommunalunternehmen in vergleichbarer Weise wie bei einer GmbH geregelt werden.1849 Damit fängt das Kommunalunternehmen Entwicklungen der Organisationsprivatisierung auf, die zu einer „demokratischen Schattenwirtschaft“ geführt haben.1850 Von den privatrechtlichen Organisationsformen erlaubt nur die GmbH einen ähnlich weitgehenden Gestaltungsspielraum wie das Kommunalunter­ nehmen, weil das GmbHG nur wenige zwingende Vorschriften kennt.1851 Demgegenüber enthalten für die Aktiengesellschaft die gesellschaftsrechtli­ chen Regelungen des AktG in großem Umfang zwingende Vorgaben, die zwar die Aufgabenbereiche des Vorstandes, des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung klar abgrenzen, aber dadurch auch den individuellen Bedürfnissen kommunaler Unternehmensträger nach Einflussnahme auf Entscheidungen des autonomen Leitungsorgans oder des Aufsichtsrats nicht entsprechen können.1852 Die Eignung der AG wird deshalb grundsätzlich in Frage gestellt und beschränkt sich allenfalls auf größere wirtschaftliche Unternehmen der Kommunen im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft, für 1845  BayVGH

v. 25.01.2010, 20 B 09.1553, BayVBl 2010, 536, 537. v. 26.06.1958, 28 IV 55, BayVBl 1959, 30. 1847  Siehe oben Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3. a) cc), Fußn. 448. 1848  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 108. 1849  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 132. 1850  Knemeyer (Fußn. 557), 25; Knemeyer, Das selbständige Kommunalunterneh­ men des Öffentlichen Rechts in Bayern, in: Kirchgäßner / Knemeyer / Schulz (Hg.), Das Kommunalunternehmen, Neue Rechtsform zwischen Eigenbetrieb und GmbH, 1997, 9, 10. 1851  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 788. 1852  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 788, Fußn. 51: Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 128. 1846  BayVGH

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

die Transparenz und Compliance-Vorgaben besondere Bedeutung entfal­ ten.1853 Sie erlangt aber auch Bedeutung im Konzernrecht, mit dem durch Beherrschungsverträge weitreichende Einflussmöglichkeiten der Kommune auf den Vorstand eröffnet sind.1854 bb) Effizienz der Unternehmensleitung Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Lei­ tungsorgane sind für den Unternehmenserfolg von Bedeutung, um mittels eigener Sachkunde effiziente und marktorientierte Entscheidungen treffen zu können.1855 Bei Regiebetrieben fehlt es an der Eigenverantwortlichkeit der Leitungsfunktion und der Trennung der Leitungs- von der Kontrollfunktion,1856 so dass sich diese Rechtsform kaum für wirtschaftlich orientiertes Verwal­ tungshandeln eignet und damit eher für nichtwirtschaftliche Einrichtungen in Frage kommt.1857 Eingeschränkt geeignet ist der Eigenbetrieb, bei dem Leitung und Kon­ trolle zwar getrennt sind, aber die Verteilung der Kontrollfunktion auf ver­ schiedene Organe (Werkausschuss, Gemeinderat, Bürgermeister) politisch bedingte Kompetenzkonflikte bergen kann.1858 Beim Eigenbetrieb ist die Werkleitung auch nur „verlängerter Arm der Gemeindevertretung“,1859 die sich durch den Werkausschuss und den Gemeinderat wesentliche Leitungs­ aufgaben vorbehalten kann.1860 Eingriffe in die Befugnisse der Werkleitung sind zwar nur zulässig, soweit das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht,1861 die Werkleitung ist aber meist nur zuständig für die laufende Betriebsführung und die wirtschaftliche Führung des Eigenbetriebs.1862 Mit dem Begriff der laufenden Betriebsführung sind vor allem diejenigen regelmäßig anfallenden Geschäfte erfasst, die das „Vorhalten“ der als Eigen­ 1853  Uechtritz / Reck 1854  Uechtritz / Reck

(Fußn. 450), 789. (Fußn. 450), 796; vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 4

Abschnitt A. II. 3. 1855  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 789, Fußn. 53: Hauser (Fußn. 455), 33; Gaß (Fußn.  420), 61 f. 1856  Gaß (Fußn. 420), 61, Fußn. 35: Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommu­ naler öffentlicher Unternehmen 1982, 146. 1857  Siehe oben Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3. a) aa). 1858  Gaß (Fußn. 420), 63, Fußn. 44: Engellandt (Fußn. 1806), 13; Ehlers (Fußn. 493), 901. 1859  Uechtritz / Reck (Fußn. 450)790, Fußn. 56: Hauser (Fußn. 455), 37. 1860  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 790, Fußn. 37: Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 91. 1861  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 94. 1862  Westermann / Cronauge (Fußn.  411), 92 f.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung323

betrieb geführten öffentlichen Einrichtung betreffen, wie Organisation des Betriebs, Personaleinsatz, Einkauf von Material und Bestellung von Fremd­ leistungen oder laufende Instandhaltung. Dazu gehören alle im täglichen Betrieb wiederkehrenden Maßnahmen, die typischerweise zur Aufrechter­ haltung des Betriebs notwendig sind. Ob darüber hinaus auch Maßnahmen, die die Benutzung der öffentlichen Einrichtung – und nicht nur ihr „Vorhal­ ten“ – betreffen, zur laufenden Betriebsführung rechnen, ist fraglich. Jeden­ falls könnten dies nur solche auf die Abwicklung der einzelnen Rechtsver­ hältnisse gerichteten Maßnahmen sein, die im täglichen Betrieb ständig wiederkehren und (deshalb) nach vorbestimmten „Mustern“ zu treffen sind.1863 Das Kommunalunternehmen mit der Vorstandsverfassung und dem Ver­ waltungsrat als Kontrollorgan ermöglicht dagegen in öffentlich-rechtlicher Organisationsform durch eine flexible Satzungsgestaltung eine für die Erfül­ lung der konkreten Aufgabenstellung maßgeschneiderte Balance zwischen der Steuerung des Unternehmens und den unternehmerischen Freiheiten des Vorstandes.1864 Nennenswerte Vorteile einer privatrechtlichen Rechtsform können sich für die Unternehmensleitung aus dem größeren Maß an Autonomie infolge der rechtlichen Selbstständigkeit der Gesellschaft und der dadurch möglichen Lockerung öffentlich-rechtlicher Bindungen bzw. der politischen Veranke­ rung ergeben.1865 Bei der GmbH kann der Geschäftsführung eine unterneh­ merische Aufgabenerfüllung durch die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags ebenso gestattet werden wie es umgekehrt der Gesellschafterversammlung möglich ist, durch weitgehende Eingriffsmöglichkeiten diese zu beschnei­ den,1866 wobei das jeweilige Kommunalrecht Vorgaben für Steuerung und Kontrolle enthalten und damit die Gestaltungsfreiheit begrenzen kann.1867 Schranken ergeben sich auch bei der mitbestimmten GmbH für den Einfluss auf den obligatorischen Aufsichtsrat. Die GmbH mit fakultativem Aufsichts­ rat kann jedoch mit einem Kommunalunternehmen vergleichbar ingerenzfä­ hig gestaltet werden. Die Aktiengesellschaft gewährleistet zwar durch zwingende gesetzliche Vorgaben für die Befugnisse der Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Haupt­ versammlung dem Vorstand größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhän­ 1863  OVG

Münster v. 07.12.1988, 22 A 1013 / 88, MittNWStGB 1989, 205, 205 f. (Fußn. 420), 64, Fußn. 49: Lux (Fußn. 1200), 14. 1865  Ehlers (Fußn. 493), 901. 1866  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 788, Fußn. 50: Ade / Beyer / Roloff / Krautter, Handbuch kommunales Beteiligungsmanagement 1997, 55 f. 1867  Gersdorf (Fußn. 1109), 333; Sollondz, Neues kommunales Unternehmens­ recht im Freistaat Sachsen, LKV 2003, 297, 299 zur SächsGemO. 1864  Gaß

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

gigkeit, besitzt damit aber deutliche Defizite im Hinblick auf die Einfluss­ nahme der Kommune,1868 die deren nur subsidiäre Zulässigkeit durch die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen1869 rechtfertigt. Auch die Einfluss­ möglichkeiten der Gemeinde über den Aufsichtsrat sind beschränkt, aber in gewissem Umfang einer Gestaltung zugänglich,1870 so dass der generelle Ausschluss der Aktiengesellschaft als zulässiger Rechtsform in Mecklen­ burg-Vorpommern1871 an Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu messen ist.1872 cc) Flexibilität der Personalwirtschaft und der Kostenstrukturen (1) Bindung an das Dienstrecht oder Geltung des Arbeitsrechts Der Aspekt der Flexibilität in der Personalwirtschaft wird häufig als Kri­ terium für die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform genannt. Je­ denfalls bei Unternehmensneugründungen können sich eine flexiblere Per­ sonalpolitik bei Einstellung und Beförderung und eine größere Motivation durch monetäre Anreize positiv auf die Leistungsbereitschaft der Beschäf­ tigten auswirken.1873 Leistungsgerechtere Bezahlung der Arbeitnehmer, aber auch geringere Sozialleistungen, leichtere Anpassung und auch Beendigung von Arbeitsver­ hältnissen bei veränderten Marktgegebenheiten halten die Befürworter einer Privatisierung für Vorteile, in der Gefahr des Sozialabbaus sehen die Priva­ tisierungsgegner Nachteile für die Beschäftigten.1874 Doch ist auch das Ta­ rifrecht häufig wegen einer Bindung an den Kommunalen Arbeitgeberver­ band nicht beliebig ausgestaltbar.1875 Für Regie- und Eigenbetriebe gelten die Regelungen des Beamtenrechts und des TVöD für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unmittelbar. Bei Beamten richtet sich die Besoldung jedoch danach, was in der jeweili­ 1868  Gaß

(Fußn. 420), 65. Fußn. 472. 1870  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 791, Fußn. 64; Mann (Fußn.  358), 205 m. w. N. in Fußn. 166; kritisch für Stimmbindungsverträge jedoch auf S. 214. 1871  Vgl. Fußn. 473. 1872  Siehe hierzu die Darstellung unter Abschnitt B. I. 2. b). 1873  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 797, Fußn. 82: Ehlers (Fußn. 633), 305 f. weist allerdings darauf hin, dass das Lohngefüge für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst – jedenfalls galt dies nach den früheren Regelungen des BAT – regelmäßig über dem der Privatwirtschaft liege. Skeptisch gegenüber angeblichen Vorteilen pri­ vatrechtlicher Organisationsform auch Hauser (Fußn.  455), 19 ff. 1874  Däubler (Fußn.  529), 24 f. 1875  Gaß (Fußn.  420), 130 ff. 1869  Vgl.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung325

gen Funktion geleistet werden soll, nicht aber danach, was tatsächlich ge­ leistet wird.1876 Da Beamte jedoch kein Streikrecht besitzen, entspricht der Einsatz von Beamten in Betrieben der Daseinsvorsorge dem öffentlichen Interesse,1877 erschwert aber auch durch die hohen Hürden für eine Entlas­ sung eine flexible Personalführung vor allem für Leitungsfunktionen. Dies gilt auch für Kommunalunternehmen, die selbst Dienstherrneigenschaft be­ sitzen können. Da im kommunalen Bereich nur bei öffentlich-rechtlichen Rechtsformen nach Art. 33 Abs. 4 GG die Wahlmöglichkeit besteht, Beamte mit den Vor­ teilen der besonderen Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn einzustellen oder privatrechtliche Beschäftigungsverhältnisse zu begründen, können sich hieraus auch Grenzen für die grundsätzliche Wahlfreiheit der Rechtsform ergeben.1878 Beamte sind dort einzusetzen, wo eine besondere Verantwort­ lichkeit gefordert ist, die im Sinne eines rechtsstaatlichen Gesetzesvollzugs einer besonderen persönlichen Absicherung des Amtswalters bedarf. Daher bestimmt der verfassungsrechtliche Grundgedanke der Garantie einer rechts­ staatlichen Aufgabenwahmehmung die Reichweite des Funktionsvorbe­ halts.1879 Privatrechtliche Organisationsformen sind streikanfälliger, wenn­ gleich bei lebensnotwendigen Daseinsvorsorgetätigkeiten auch für privat­ rechtliche Rechtsformen eine Einschränkung des Streikrechts gilt.1880 Das Bestreben, bestimmten Spitzenkräften mehr Entgelt zu zahlen, zwingt nicht zu einer Meidung öffentlich-rechtlicher Organisationsformen. Schließ­ lich bleibt es der öffentlichen Hand im Rahmen der durch Art. 33 Abs. 4 GG gezogenen Grenzen unbenommen, Führungskräfte im Angestelltenver­ hältnis zu beschäftigen.1881 Auf Ebene der Unternehmensleitung wird häufig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Vergütung frei zu gestalten, was nicht zuletzt auch zur „Unterbringung“ ehemaliger kommunaler Man­ datsträger genutzt wird.1882 Solche Beweggründe vermögen die Inanspruch­ nahme des Privatrechts natürlich nicht zu rechtfertigen.1883 1876  Hauser

(Fußn. 455), 22. (Fußn. 450), 797, Fußn. 86: Püttner (Fußn. 366), 88. 1878  Siehe hierzu die Darstellung von Umfang und Grenzen unter Abschnitt B. I. 2. a) bb). 1879  Manssen, Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG, ZBR 1999, 253, 255. 1880  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 134, Fußn. 76: Hauser (Fußn. 455), 25, Fußn. 29. 1881  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 130. 1882  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 799, Fußn. 95: Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 223; Ehlers (Fußn. 633), 308. 1883  Ehlers (Fußn. 493), 900. 1877  Uechtritz / Reck

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Ob eine Organisationsprivatisierung wirklich für alle Mitarbeiter zu einer großzügigeren Dienst- und Besoldungsregelung führt, lässt sich bezweifeln. Die seit 01.10.2005 geltenden Bestimmungen des TVöD haben gegenüber den Regelungen des früheren Bundesangestelltentarifs (BAT) sowohl bei den Arbeitszeiten als auch beim Einstiegsgehalt und bei der Leistungsab­ hängigkeit von Vergütungen spürbare Verbesserungen der Flexibilität ge­ bracht. Für die Arbeitnehmer kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform gilt infolge fehlender Dienstherrneigenschaft das Arbeitsrecht, wobei z. T. spezielle Tarifverträge, wie etwa in der Energiewirtschaft, Anwendung fin­ den. Soweit solche Regelungen nicht bestehen, wird regelmäßig auf die entsprechende Anwendung des TVöD zurückgegriffen, und zwar häufig auch wegen der Mitgliedschaft der öffentlichen Unternehmen im kommuna­ len Arbeitgeberverband mit dessen attraktiven Angeboten einer Zusatzver­ sorgung.1884 Für die betriebliche Mitbestimmung über die Organisation, den Arbeitsab­ lauf sowie bei personellen und sozialen Einzelentscheidungen gelten bei öf­ fentlich-rechtlichen Unternehmen die Personalvertretungsgesetze der Länder. Für privatrechtlich organisierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbei­ tern gilt die unternehmerische Mitbestimmung durch das Drittelbeteiligungs­ gesetz und ab 2000 Mitarbeitern ist das Mitbestimmungsgesetz anzuwenden. Nach Landesrecht ist dies z. T. auch für öffentlich-rechtliche Organisationen vorgeschrieben, was verfassungsrechtlich jedoch nicht unbedenklich ist.1885 Die Mitbestimmungsregelungen stellen aber keine grundsätzlichen Hürden für die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform dar, soweit das Letzt­ entscheidungsrecht beim öffentlich-rechtlichen Anteilseigner verbleibt.1886 (2) Gründungskosten und Preisgestaltung für Dienstleistungen Rechtsformabhängige einmalige und laufende Aufwendungen sind zwar bei privatrechtlichen Rechtsformen wegen der Beurkundungspflicht des Gesellschaftsvertrags der GmbH bzw. der Unternehmenssatzung der Aktiengesellschaft höher, fallen aber bei den auf Dauer angelegten Tätigkeiten 1884  Uechtritz / Reck

(Fußn. 450), 799, Fußn. 94: Hauser (Fußn. 455), 23. (Fußn. 420), 135 m. w. N. in Fußn. 412. Zutreffend jedoch Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse und verfassungsrechtliches Demokratiegebot 1986, 76: Solange hinreichende sachliche Gründe für eine Mitwirkung von Mitarbeiterver­ tretern vorliegen und durch die Beschränkung auf eine Drittelparität der letztent­ scheidende Einfluss des öffentlichen Unternehmensträgers gewährleistet ist, wird durch den Landesgesetzgeber auch das rechtsstaatliche Übermaßverbot gewahrt. 1886  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 135; im Einzelnen siehe unten Kapitel 4 Abschnitt B. I. und Kapitel 5 Abschnitt A. II. 2. 1885  Gaß



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung327

nicht ins Gewicht. Zudem gilt auch für ein Kommunalunternehmen bei ge­ werblicher Tätigkeit die Verpflichtung zur Eintragung ins Handelsregis­ ter.1887 Die schnelle und unkomplizierte Errichtung in der Gründungsphase und auch eine leichtere Auflösung privatrechtlicher Organisationsformen mögen zu diesen Zeitpunkten vorteilhaft erscheinen, wobei die damit ver­ bundenen Kosten für Notar und Registergericht die Bedeutung eines solchen Flexibilitätsvorsprungs wieder reduzieren.1888 Als Argumente für die Ausgliederung von Daseinsvorsorgeaufgaben in verselbstständigte Organisationseinheiten unter kaufmännischer Leitung werden auch eine kostenbewusstere Preisgestaltung für Dienstleistungen und ein effizienterer Einsatz öffentlicher Mittel zur Aufgabenerfüllung an­ geführt.1889 Diese können aber unabhängig von einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Rechtsform erreicht werden, sofern der Unterneh­ mensleitung die hierfür erforderlichen Gestaltungsspielräume eröffnet wer­ den. Auch das unionsrechtlich zu beachtende grundsätzliche Beihilfeverbot gilt unabhängig von der Rechtsform, in der die Dienstleistung am Markt erbracht wird.1890 b) Wettbewerbsteilnahme und Kooperationsfähigkeit Durch zunehmende Deregulierung und Beseitigung von Monopolen in Aufgabenbereichen, die ursprünglich allein den Kommunen zur Erfüllung zugewiesen waren, werden die kommunalen Unternehmen und die Kommu­ nen selbst mehr und mehr dem Wettbewerb, wie z. B. auf den Gebieten Abfallentsorgung, Energieversorgung, ÖPNV, ausgesetzt.1891 Vor diesem Hintergrund haben sich die Rahmenbedingungen auch im Bereich der Da­ seinsvorsorge verändert.1892 Durch Bündelung ihrer Nachfragemacht nutzen die Kommunen zunehmend die Vorteile der Liberalisierung und erreichen dadurch im Wettbewerb günstigere Konditionen, sie werden auch grenz­ überschreitend tätig oder kooperieren verstärkt mit Privaten, um sich zusätz­ liches Eigenkapital zu erschließen, deren Know-how zu nutzen oder auch nur ihr Marktgebiet zu erweitern. 1887  Gaß

(Fußn. 420), 66. (Fußn. 1819), 129. 1889  Däubler (Fußn. 529), 18, Fußn. 7: Herschel, Staatsentlastung und Entpoliti­ sierung, in: Wannagat (Hg.), Festschrift für Erich Fechner zum 70. Geburtstag, 1973, 55. 1890  Vgl. oben Kapitel 2 Abschnitt C. II. 1891  Gaß (Fußn. 420), 106. 1892  Gaß (Fußn. 420), 107, Fußn. 259: Unruh, Kritik des privatrechtlichen Ver­ waltungshandelns, DÖV 1997, 653 f.; Hellermann (Fußn.  797), 59 f. 1888  Erbguth / Stollmann

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Bei Unternehmen im Wettbewerb, insbesondere auf liberalisierten Märk­ ten, komme dem Kriterium der Effizienz der Wirtschaftsführung (gemeint ist die Loslösung von „sachfremden“ Einwirkungen der Politik1893) besonders hohes Gewicht zu, wobei häufig von den Steuerungsmöglichkeiten bewusst kein Gebrauch gemacht werde,1894 um nicht durch „Gängelei“ den mit der Organisationsprivatisierung verfolgten Zweck zu vereiteln. Diese Unterbin­ dung politischer Einflussnahme kann aber auch zu einer demokratisch be­ denklichen Reduktion der Effizienz politisch-demokratischer Steuerung und Kontrolle führen.1895 Das Spannungsverhältnis zwischen unternehmerischer Freiheit und notwendiger Steuerung und Kontrolle zur Erfüllung des öffent­ lichen Zwecks, der mit der organisatorischen Ausgliederung verfolgt werden soll, ist deshalb bereits bei einer Unternehmensgründung oder Beteiligung durch eine aufgabenspezifisch ausgewogene Gestaltung (Zweckprogrammie­ rung) der Unternehmenssatzung bzw. des Gesellschaftsvertrages zu lösen.1896 Verfolgt eine Kommune das Ziel, Privaten die Möglichkeit einer Teilha­ berschaft an einem Unternehmen einzuräumen, scheiden die öffentlichrechtlichen Organisationsformen des Regiebetriebs, des Eigenbetriebs und des Kommunalunternehmens aus.1897 Für solche Beteiligungsmöglichkeiten an kommunalen Unternehmen kom­ men damit vorrangig die privatrechtlichen Rechtsformen der GmbH oder der Aktiengesellschaft in Betracht.1898 Andererseits kann sich auch ein Kommu­ nalunternehmen an privatrechtlich organisierten Unternehmen in den Rechts­ formen der GmbH oder AG beteiligen, wobei auch hier die jeweiligen kom­ munalrechtlichen Regelungen zu beachten sind.1899 Die Besonderheit des 1893  Uechtritz / Reck

110.

1894  Gersdorf

(Fußn. 450), 782, Fußn. 28: Pitschas / Schoppa (Fußn. 416),

(Fußn.  1109), 333 f. (Fußn. 450), 782, Fußn. 30: Püttner (Fußn.  366), 136 f. 1896  Siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung unter Abschnitt A. II. 2. 1897  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 807. In öffentlich-rechtlicher interkommunaler Zusammenarbeit allerdings kann auch ein Regie- oder Eigenbetrieb eingesetzt werden, wenn die Trägerkommune einer anderen Gebietskörperschaft die Mitbenutzung durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung gestattet und der Betrieb damit auch für diese Kom­ mune die Aufgabe miterfüllt, für die er errichtet worden ist. Vgl. Hauser (Fußn. 455), 198. Im Übrigen ist der Zweckverband das für interkommunale Zusammenarbeit ge­ eignete Instrument, an dem sich auch Private beteiligen können. Siehe Britz, Funktion und Funktionsweise öffentlicher Unternehmen im Wandel, NVwZ 2001, 380, 418 ff.; Thode / Peres (Fußn. 446), 7 ff. Auch Kommunalunternehmen können sich an einem Zweckverband beteiligen, auch mehrere Kommunen können ein gemeinsames Kom­ munalunternehmen errichten (vgl. Art. 49, 50 BayKommZG, § 3 NKomZG). 1898  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 810, Fußn. 131: Habersack (Fußn.  517), 545 ff. 1899  Vgl. Fußn. 456; Neusinger / Lindt, Ein Unternehmen auf dem Vormarsch – 7 Jahre bayerisches Kommunalunternehmen, BayVBl 2002, 689, 694. 1895  Uechtritz / Reck



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung329

Beteiligungsmodells bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen,1900 auch als gesellschaftsrechtliche PPP bezeichnet, liegt in der Geltung des Verwal­ tungsprivatrechts1901 und ggf. des Verwaltungsgesellschaftsrechts1902 sowie der Grundrechtsbindung des Unternehmens.1903 Als problematisch ist dabei das erhebliche Potenzial an möglichen Interessenkonflikten anzusehen, aber auch die Einordnung der gesellschaftsrechtlichen PPP in die Systematik der Privatisierungsarten1904 und die sich für die Auswahl der Privaten ggf. erge­ benden europarechtlichen Vorgaben für Dienstleistungskonzessionen.1905 Die Beteiligungsfähigkeit für Private ist in der Tat ein Vorzug der privat­ rechtlichen Organisationsform.1906 Wettbewerbsdruck mit Privaten führe – so die Argumentation – zu rationellerer Leistungserbringung der öffentlichen Hand, daraus folge eine Haushaltsentlastung.1907 Die jüngste Statistik belegt allerdings, dass die Kommunen in Bayern im Jahr 2012 zwar in ihren Kern­ haushalten den Schuldenstand reduzieren konnten, während die kommunalen und mehrheitlich kommunal beherrschten Unternehmen ihre Verschuldung gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöht haben.1908 Auch wenn der Schulden­ stand der im Wettbewerb tätigen kommunalen Unternehmen allein über deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Privatwirtschaft keinen signifikanten Aussagewert besitzt, folgt hieraus doch, dass die Schwerpunkte kommunaler Leistungserbringung nach wie vor bei den kommunalen Unternehmen liegen und sich diese in den Kernhaushalten auch in Bezug auf das unternehmeri­ sche Risikopotenzial nicht transparent abbilden. Während für die öffentlich1900  Lämmerzahl

(Fußn. 496), 210. hierzu im Einzelnen in diesem Kapitel unter Abschnitt B. I. 2. c) bb). 1902  Lämmerzahl (Fußn. 496), 210, Anm. 142 und 143. 1903  Koppensteiner, Zur Grundrechtsfähigkeit gemischtwirtschaftlicher Unterneh­ mungen, NJW 1990, 3105, ff.; hierzu näher in Abschnitt B. I. 2. a) dd). 1904  Lämmerzahl (Fußn. 496), 211; vgl. hierzu auch die Abgrenzung zu funktio­ naler Privatisierung in Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3. b) bb) (3). 1905  Siehe hierzu Kapitel 2 Abschnitt C. III. 1. b) bb). 1906  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 132, Fußn. 53: Janson (Fußn. 366), 198, 203. 1907  Däubler (Fußn. 529), 33. 1908  Süddeutsche Zeitung, Kommunen senken ihre Schuldenlast, SZ vom 12.06.2013, PBM S. 36: Nach Angaben des Bayer. Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung hat sich im Jahr 2012 die Schuldenlast der bayerischen Kommu­ nen in ihren Kernhaushalten mit 14,5 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr um 3,1% oder 461 Mio. Euro reduziert. Dagegen sind die Schulden der öffentlichen Unter­ nehmen und Einrichtungen im gleichen Zeitraum um 8,5% auf 22,3 Mrd. Euro un­ abhängig von deren öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rechtsform ange­ wachsen (Eigenbetriebe inkl. Krankenhäuser mit 4,22 Mrd. Euro plus 1,4%, sonsti­ ge öffentlich-rechtlich geführte Betriebe mit 1,43 Mrd. Euro plus 17,1% und privatrechtliche Wirtschaftsunternehmen mit 16,59 Mrd. Euro plus 9,7%). 1901  Vgl.

330

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

rechtlich organisierten Unternehmen die Grundsätze der Haushaltsklarheit und der Öffentlichkeit für Transparenz bei der Verwaltung öffentlichen Ver­ mögens sorgen,1909 befreien sich die Rechtsträger bei der Verwendung privat­ rechtlicher Rechtsformen von den „Fesseln“ des Haushaltsrechts. Während öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen einer unmittelbaren Kontrolle durch die Rechnungshöfe unterliegen, gilt für privatrechtlich organisierte Un­ ternehmen die Betätigungsprüfung des Trägers in seiner Funktion als Gesell­ schafter, was jedenfalls zu einem Kontrollverlust führen kann.1910 Die Vermeidung der starren Regeln des Haushaltsrechts und damit eine flexiblere Reaktionsfähigkeit auf veränderte Nachfragen zielt auch auf eine höhere Akzeptanz der Bürger bei Leistungseinschränkungen (z. B. im ÖP­ NV). Allerdings ist die privatrechtliche Rechtsform bei der Ausgestaltung des Verfahrens für den Bürger weniger transparent.1911 Auch das Verwal­ tungsprivatrecht bietet nur ungewisse Bindungen.1912 Hinzu können Rechts­ schutzeinbußen für den Bürger beim Ausweichen auf den durch den Ver­ handlungsgrundsatz geprägten Zivilrechtsweg kommen, für den nicht der Untersuchungsgrundsatz des Verwaltungsrechtswegs gilt.1913 c) Finanzierungsmöglichkeiten und Begrenzung von Haftungsrisiken An die Rechtsform knüpft das Gesetz auch vielfach unterschiedliche Rechtsfolgen, insbesondere im Haftungs- und Vergaberecht, die sich auch auf die Angemessenheit und Effektivität der Aufgabenerfüllung auswirken und personalrechtliche sowie haushaltsrechtliche Konsequenzen haben.1914 Entscheidend ist dabei bereits im Stadium der Vorbereitung organisatori­ scher Ausgliederungen die Gewichtung der einzelnen Kriterien unter Be­ rücksichtigung der konkreten Rahmenbedingungen im Einzelfall. Für öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen besteht bei einem Fi­ nanzierungsbedarf über den Kapitalmarkt infolge der Haftung der nicht in­ solvenzfähigen Kommune1915 ein geringeres Kreditrisiko für die finanzie­ 1909  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 130, Fußn. 28: Bähr, Eigengesellschaft statt Eigenbetrieb?, ZKF 1982, 222, 223. 1910  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 129. 1911  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 133, Fußn. 65: Loeser, Wahl und Bewer­ tung von Rechtsformen für öffentliche Verwaltungsorganisationen 1988, 30. 1912  Ehlers (Fußn. 500), 424. 1913  Ehlers (Fußn. 633), 286. 1914  Gaß (Fußn. 420), 57, Fußn. 18: Ehlers (Fußn.  633), 292 ff. 1915  Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO vom 05.10.1994 (BGBl. I S. 2866), geändert durch Gesetz vom 15.07.2013 (BGBl. I S. 2379) gilt dies nur, wenn es Landesrecht



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung331

renden Banken, so dass die Konditionen für Kommunalkredite zugunsten solcher Unternehmen vielfach günstiger sind als für privatrechtlich organi­ sierte Unternehmen,1916 da es für die Konditionen auf die Finanzkraft des Trägers ankommt.1917 Auch wenn die Kreditbeschaffung bei privatrechtlich organisierten Unter­ nehmen möglicherweise unkomplizierter ist, sind die Konditionen nicht günstiger als für Kommunalkredite. Bessere Finanzierungskonditionen sind damit kein tragfähiges Argument für die Wahl privatrechtlicher Organisa­ tionsformen. Bei öffentlich-rechtlichen Rechtsformen ihrer Unternehmen besteht für die Kommune keine Möglichkeit der Haftungsbegrenzung. Für Regie- und Eigenbetriebe folgt dies aus der Identität mit der Trägerkommune,1918 für das Kommunalunternehmen aus der Gewährträgerhaftung, die für die Trä­ gerkommune zu einer unbeschränkten aber nachrangigen Einstandspflicht führt, soweit Gläubiger aus dem Vermögen des Kommunalunternehmens keine vollständige Befriedigung erlangen können.1919 In der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung bei privat­ rechtlichen Organisationsformen wird deshalb ein Vorteil gesehen, der nicht nur theoretischer Natur1920 sein dürfte, wie Insolvenzen kommunaler GmbHs1921 inzwischen zeigen, die sogar als Strategie zur Bewältigung wirtschaftlicher Krisen kommunaler Unternehmen diskutiert werden.1922 Ob hierbei Regressansprüche gegen die Trägerkommune in Betracht kom­ men, ist strittig.1923 Ein freiwilliges Einstehen der Kommune für ein sol­ bestimmt, vgl. z. B. Art. 77 BayGO, § 118 Abs. 2 BbgKVerf, § 128 Abs. 2 GO NRW. 1916  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 803, Fußn. 108: Erbguth / Stollmann (Fußn. 466), 805; Gaß (Fußn. 420), 85. 1917  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 130. 1918  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 800 m. w. N. in Fußn. 96: allg. Meinung. 1919  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 800, Fußn. 98: Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts 1999, 166 ff. 1920  So noch Erbguth / Stollmann (Fußn. 466), 807. 1921  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 801, Fußn. 100: OLG  Celle v. 12.07.2000, 9 U 125 / 99, ZIP 2000, 1981; BGH v. 20.09.2010, II ZR 78 / 09, NJW 2011, 221 und in jüngster Zeit die Insolvenz der Stadtwerke Gera AG (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 02.07.2014, HF2 S. 19). 1922  Tetzlaff, Strategien zur Bewältigung wirtschaftlicher Krisen bei kommunalen Unternehmen, KommJur 2006, 81 ff. 1923  Nachweise für Regressansprüche bei Hauser (Fußn. 455), 171; Gaß (Fußn. 420), 79; a.  A. Erbguth / Stollmann (Fußn. 466), 807 und Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 801, da für eine Gläubigerprivilegierung keine Rechtfertigung bestehe.

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ches Unternehmen kann jedoch einen unzulässigen Beihilfetatbestand dar­ stellen.1924 Bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben durch privatrechtlich organisierte Unternehmen oder einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Rechtsver­ hältnisses mit Anschluss- und Benutzungszwang wird eine Einstandspflicht der Kommune zu bejahen sein, weil das Argument der Freiwilligkeit des Vertragsschlusses entfällt und eine Verpflichtung der Kommune zur Auf­ rechterhaltung der Aufgabenerfüllung besteht.1925 Das Argument der Haftungsbeschränkung bei privatrechtlichen Rechtsfor­ men stellt jedoch keinen zwingenden Grund für die Wahl dieser Rechtsfor­ men dar, da sich aus dem Sozialstaatsprinzip, dem Rechtsstaatsprinzip und der durch das Demokratieprinzip gebotenen Nutzung des Einwirkungspoten­ zials des Trägers eine Verpflichtung ergeben dürfte, auch im Interesse der eigenen Kreditwürdigkeit eine drohende Insolvenz des Unternehmens durch geeignete und mit Beihilferecht zu vereinbarende Maßnahmen1926 (z. B. durch Bürgschaften) zu vermeiden.1927 d) Rahmenbedingungen des Steuer-, Beihilfeund Vergaberechts aa) Steuerrecht und Bewertungsvorschriften Bei Ausgliederung von Verwaltungseinheiten, die bislang in der allgemei­ nen Kommunalverwaltung ggf. als Betrieb gewerblicher Art (BgA) oder als gemeinnützige Organisationseinheit geführt wurden, stellen sich eine Reihe steuerrechtlicher Fragen, deren Klärung oft nur über eine verbindliche Aus­ kunft des Finanzamtes Planungssicherheit für die künftige Organisation verspricht. Dies gilt etwa für die Bewertung der zu übertragenden Vermö­ gensgegenstände bei Erstellung einer Eröffnungsbilanz sowie für eine Grunderwerbsteuerpflicht bei Übertragung von Grundstücken auf die auszu­ gliedernde Organisationseinheit,1928 für den Ausgleich bisher aufgelaufener 1924  Siehe hierzu die Darstellung unter Kapitel 2 Abschnitt C. II. 2. b). So auch Ehricke, Einstandspflicht des Staates in der Krise von kommunalen Energieversor­ gungsunternehmen, InfrastrukturRecht 2008, 248. 1925  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 802. 1926  Siehe hierzu Kapitel 2 Abschnitt C. II. 2. e). 1927  In diesem Sinne auch Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 133. 1928  Die Grunderwerbsteuerpflicht kann z. B. durch Verbleib der dem Betrieb des auszugliedernden Unternehmens dienenden Grundstücke in der allgemeinen Finanz­ verwaltung der Kommune als BgA vermieden werden, wenn diese an die auszuglie­ dernde Organisationseinheit verpachtet werden.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung333

Verluste oder bei bisher gemeinnützigen Organisationseinheiten für die Vermeidung einer Nachversteuerung von Ertragssteuern.1929 Zu beachten ist auch die durch Ausgliederung neu entstehende Umsatzsteuerpflicht für Leis­ tungs- oder Lieferbeziehungen zu anderen Teilen der Kommunalverwaltung. Auch die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit künfti­ gen Tochterunternehmen oder mittelbaren Beteiligungen der auszugliedern­ den Organisationseinheit sind vorab zu prüfen.1930 Dagegen ist seit dem Steuersenkungsgesetz1931 für die Körperschaftsteuer ebenso wie die Gewerbe- und Umsatzsteuer die „Rechtsformneutralität“ der Besteuerung hergestellt,1932 so dass das früher noch für die Rechtsformwahl maßgebliche Kriterium einer unterschiedlichen Steuerlast nun keine Rolle mehr spielt. bb) Beihilfe- und vergaberechtliche Gesichtspunkte Bei auszugliedernden Einheiten mit starken Leistungsbeziehungen zur restlichen Verwaltung ist in der Regel ein Betrauungsakt nach den vom EuGH entwickelten Kriterien des Altmark-Trans-Urteils mit den dazu prä­ zisierten Anforderungen der Europäischen Kommission und der Rechtspre­ chung des Gerichtshofs erforderlich,1933 wobei die Anwendung der Wettbe­ werbsregeln nicht von dem örtlichen oder regionalen Charakter der erbrach­ ten Dienstleistung und der Größe des Tätigkeitsgebiets abhängt.1934 Der Freistellungsbeschluss, die De-minimis-Regelungen und der EU-Rahmen des Almunia-Pakets der Europäischen Kommission sind deshalb als ent­ scheidungserhebliche Rahmenbedingungen bereits bei Erstellung der Unter­ nehmenskonzeption zu beachten.1935 Soweit die auszugliedernde Einheit für die Kommune künftig Dienstleis­ tungen erbringen soll, gelten oberhalb der jeweiligen Schwellenwerte die europarechtlichen Vergaberechtsregelungen.1936 Sollen In-house-Vergaben 1929  Deutscher Städtetag, Strategien guter Unternehmensführung 2009, Anlage 7, Ziff. 2.3.6. 1930  Beispiele hierzu sind Serviceunternehmen (ggf. mit privaten Gesellschaftern) für die Reinigung oder den Einkauf bei Kliniken, die als Kommunalunternehmen oder als privatrechtliche Gesellschaft geführt werden. 1931  Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmens­ besteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) vom 23.10.2000 (BGBl. I S. 1433). 1932  Gaß (Fußn. 420), 105. 1933  Im Einzelnen Kapitel 2 Abschnitt C. II. 2. c). 1934  Siehe Fußn. 403, dort insb. Ls. 2. 1935  Siehe hierzu die Darstellung unter Kapitel 2 Abschnitt C. II. 2. e). 1936  Siehe hierzu die Darstellung unter Kapitel 2 Abschnitt C. III. 1.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

ohne Verpflichtung zur Ausschreibung der Dienstleistungen erfolgen, so kommen dafür nur solche öffentlich-rechtlich organisierten eigenen Unter­ nehmen oder Eigengesellschaften in Betracht, auf die eine „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ tatsächlich ausgeübt wird und die im Wesent­ lichen nur für diese Trägerkommune(n) tätig sind. Eine auch noch so gerin­ ge Beteiligung Privater an kommunalen Unternehmen schließt deren Inhouse-Fähigkeit – von sektorenspezifischen Regelungen abgesehen1937 – grundsätzlich aus.1938 Um diese zu gewährleisten, sind an die Einwirkungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrumente besondere Anforderungen zu stel­ len.1939 Damit determiniert und überlagert europäisches Unionsrecht bei kommunalen Unternehmen im Wettbewerb die Ingerenz-Maßstäbe der Trä­ gerkommune jenseits des nationalen Verfassungsrechts. Soll im Zuge der Ausgliederung mit einem privaten Partner eine gesell­ schaftsrechtliche Beteiligung eingegangen oder eine öffentlich-private Part­ nerschaft in einem Betriebsführungs- oder Betreibervertrag, einem Erwer­ ber-, Leasing-, Inhaber-, Contracting- oder einem ähnlichen Modell ohne Außenwirkung1940 vereinbart oder eine Konzession1941 vergeben werden, so sind bereits für die Auswahl des Partners die Vorschriften des Vergaberechts zu beachten.1942

II. Steuerungsinstrumente bei Unternehmensgründung und Beteiligung Die ambivalenten Kriterien der Einwirkungsmöglichkeiten und der Kon­ trollbefugnisse der Kommune besitzen herausragende Bedeutung für die Wahl der Organisationsform, durch die der Umfang und die Instrumente kommunaler Einflussnahme auf das Unternehmen bestimmt und damit auch die Flexibilität der handelnden Unternehmensführung beeinflusst wer­ den.1943 Das Ziel größerer unternehmerischer Freiheit und Unabhängigkeit von Entscheidungen der kommunalen Beschlussorgane, das mit der Grün­ dung von und der Beteiligung an rechtlich selbstständigen Unternehmen – gleich ob in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisationsfor­ men – angestrebt wird, steht in einem kaum auflösbaren Spannungsverhält­ nis mit der gemeindlichen Pflicht zu angemessener Steuerung und Kon­ 1937  Siehe

hierzu das Beispiel des ÖPNV unter Kapitel 2 Abschnitt C. IV. 3. die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt C. III. 2. 1939  Vgl. Kapitel 4 Abschnitt B. II. und C. II. 1940  Lämmerzahl (Fußn. 496), 206. 1941  OVG  Lüneburg v. 11.09.2013, 10 ME 87 / 12, 10 ME 88 / 12, Juris. 1942  So auch Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), Anlage 7, Ziff. 1.2.5. 1943  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 792. 1938  Vgl.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung335

trolle ihrer Unternehmen,1944 um die Erfüllung des öffentlichen Zwecks zu gewährleisten. Bereits bei der Auswahl der für die Aufgabenwahrnehmung geeigneten Organisations- und Handlungsform haben die kommunalen Entscheidungs­ gremien die entscheidende Weichenstellung vorzunehmen, um den mit einer organisatorischen Ausgliederung drohenden Verlust an Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten durch die Gestaltung von Unternehmenssatzungen bzw. Gesellschaftsverträgen sowie durch den Aufbau und die Organisation eines Beteiligungs-Controllings1945 innerhalb der Kommunalverwaltung zu vermeiden. Jede Aufgabenverlagerung auf Unternehmen steht deshalb unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit und Zweckerreichung. Auch bei verselbststän­ digten Organisationsstrukturen muss ein mit der zentralen Aufgabenwahr­ nehmung durch die Kommunalverwaltung vergleichbares Legitimationsni­ veau gegenüber dem Gemeindevolk erhalten bleiben. Dies gilt vor allem für einen Ausgleich strukturbedingter Publizitäts- und Transparenzverluste bei Nutzung privatrechtlicher Organisations- und Handlungsformen und bei Beteiligung Privater an der kommunalen Aufgabenwahrnehmung. Der Ausgleich widerstreitender Ziele im Spannungsverhältnis zwischen den beiden Polen einer „politischen Gängelung“ und einer eigenverantwort­ lichen Unternehmensführung durch die dazu bestellten Organe ist stets in Abhängigkeit von der jeweiligen Aufgabe und dem damit verfolgten öffent­ lichen Zweck herbeizuführen. Erst bei der Ausgestaltung der Grenzen zwi­ schen eigenverantwortlichen Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen der Unternehmensorgane und der verfassungsrechtlich bzw. unionsrechtlich ge­ botenen Steuerung durch den Unternehmensträger sind auch die Besonder­ heiten der jeweiligen Rechtsform, insbesondere die auf Gesellschaftsrecht beruhenden Beschränkungen, zu beachten. Die aus dem Demokratieprinzip abzuleitenden Anforderungen müssen den besonderen Funktionsbedingungen der jeweiligen Betätigung Rechnung tragen und insoweit eine aufgaben- und funktionsgerechte Organstruktur zulassen.1946 1944  Gaß

(Fußn. 420), 68, 348. Beteiligungs-Controlling ist ein unternehmensexternes Instrument der Beteiligungssteuerung einschließlich der Beteiligungsverwaltung zu verstehen, das zu unterscheiden ist von unternehmensinternen Kontrollmechanismen (z. B. Kostenund Leistungsrechnung, Budgetierung oder ein Compliance Management System durch die interne Revision), die ein Controlling-Instrument für Unternehmensleitung und Aufsichtsorgane darstellen. 1946  Hellermann (Fußn. 418), 137, Fußn. 17: Löwer (Fußn. 1152), 443. 1945  Unter

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Für die kommunalen Verwaltungsorgane, aber auch für die Bürger muss der Zugang zu Informationen, die infolge der Ausgliederung nur bei den kommunalen Unternehmen vorhanden sind, gewährleistet sein und ihnen hierzu eine Kontrollmöglichkeit eingeräumt werden.1947 Durch diese Anfor­ derungen an Publizität und Transparenz darf jedoch der Unternehmenszweck nicht gefährdet werden, so dass auch hieraus ein Interessenkonflikt entste­ hen kann. Bei den Steuerungsaufgaben der Kommune ist die „Einwirkung“ durch Zielvorgaben und laufende Maßnahmen zur Überprüfung der Verwirklichung dieser Ziele von der „Kontrolle“1948 als nachträglicher Überprüfung der Unternehmenstätigkeit auf deren Übereinstimmung mit den Zielvorstellun­ gen zu unterscheiden.1949 Die Steuerung kommunaler Unternehmen und Beteiligungen stellt im Sinne einer politischen Gesamtverantwortung eine kommunalpolitische Füh­ rungsaufgabe dar. Eine gesetzliche Verpflichtung, ein Beteiligungsmanage­ ment einzurichten, gibt es gegenwärtig nur in einigen Bundesländern und in unterschiedlicher Ausprägung.1950 Aus dem Fehlen einer gesetzlichen Rege­ lung darf jedoch nicht der voreilige Schluss gezogen werden, eine Beteili­ gungsverwaltung sei entbehrlich.1951 Die vom Demokratieprinzip gebotene ununterbrochene Legitimationskette1952 und auch die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Ingerenzpflicht der Kommune fordern ausreichende Einflussund Kontrollmöglichkeiten1953, die keine kontrollfreien Räume zulassen.1954 Die Einrichtung eines effektiven Beteiligungsmanagements zählt deshalb zu den unabdingbaren Einwirkungspflichten.1955 Auch das sog. „Neue Kommu­ auch Gaß (Fußn. 420), 140, Fußn. 431. hierzu Kapitel 4 Abschnitt C. II. Das Unionsrecht verwendet den Be­ griff der „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ im Zusammenhang mit der In-house-Fähigkeit von öffentlichen Unternehmen demgegenüber in einem umfas­ senderen Sinn, der sowohl Einwirkung als auch nachträgliche Kontrollbefugnisse umfasst (siehe oben Kapitel 2 Abschnitt C. III. 2. a) und Fußn. 1733). 1949  Mann (Fußn. 358), 121. 1950  Vgl. § 98 BbgKVerf, § 75a KV M-V, § 150 NKomVG, § 118 Abs. 4 GO LSA. 1951  Huffmann, § 51 Kommunales Beteiligungsmanagement, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirt­ schaft, 2011, 382. 1952  Tietje, Die Neuordnung des Rechts wirtschaftlicher Betätigung und privat­ rechtlicher Beteiligung der Gemeinden 2002, 120; Zieglmeier, Kommunale Auf­ sichtsratsmitglieder, LKV 2005, 338, 338 f. 1953  Ade / Beyer / Roloff / Krautter (Fußn. 1866), 24. 1954  Spannowsky (Fußn.  524), 1075 f.; Spannowsky, Der Einfluss öffentlich-recht­ licher Zielsetzungen auf das Statut privatrechtlicher Eigengesellschaften in öffentli­ cher Hand, ZGR 1996, 400, 413; so auch Huffmann (Fußn. 1951), 383. 1947  So

1948  Vgl.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung337

nale Finanzmanagement für Gemeinden in Nordrhein-Westfalen“1956 hat die Einrichtung eines Beteiligungsmanagements nicht überflüssig werden las­ sen.1957 Mit der Übertragung von Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben neben bloß verwaltenden und prüfenden Tätigkeiten auf ein Beteiligungs­ management lassen sich Informationsbeschaffung, Analyse wirtschaftlicher Entwicklungen, Planungen und Risikomanagement organisieren.1958 Das Beteiligungsmanagement trägt damit zur organisatorischen Lösung der Steu­ erungsprobleme für die Kommune bei.1959 1955

Organisatorisch muss die Aufgabe der Unternehmenssteuerung an die Führungsspitze der Kommune in geeigneter Weise angebunden sein, um ein Beteiligungsmanagement zu gewährleisten, das die mit der Aufgabenerfül­ lung verfolgten politischen Ziele der Kommune umzusetzen in der Lage ist. Hierfür bedarf es eines institutionellen Rahmens für das Beteiligungsma­ nagement und für die dieser Organisationseinheit zur Steuerung zur Verfü­ gung stehenden Instrumente.1960 Dabei sind die organisatorischen Vorausset­ zungen zweckmäßigerweise bereits im Stadium der Vorbereitung von Unter­ nehmensgründungen oder Beteiligungen durch Einrichtung eines personell qualifiziert besetzten Beteiligungsmanagements zu schaffen. 1. Beteiligungsmanagement als Steuerungsinstrument der Kommune a) Organisatorische Rahmenbedingungen Von der Größe und der Organisationsstruktur der Kommune hängt es ab, wo das Beteiligungsmanagement in der Hierarchie der kommunalen Orga­ nisation angesiedelt wird. Für größere Städte mit einer Vielzahl von Unternehmen und Beteiligun­ gen in unterschiedlichen Aufgabenbereichen hat sich ein Modell bewährt, das ein dezentrales Beteiligungsmanagement vorsieht für die von den jewei­ 1955  Weiblen, Bessere Steuerung von Eigenbetrieben, Eigengesellschaften und Be­ teiligungen durch ein künftiges Beteiligungsmanagement?, Gemeindehaushalt 1995, 176, 177; Schön, Die Haftung kommunaler Aufsichtsratsmitglieder in Aktiengesell­ schaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1. Aufl. 2004, 52 f. 1956  Art. 15 Kommunales FinanzmanagementG NRW vom 16.11.2004 (GV.NRW. S. 644), in Kraft getreten am 01.01.2005. 1957  A. A. noch Hille, Grundlagen des kommunalen Beteiligungsmanagements, 1. Aufl. 2003, 1. 1958  Gaß (Fußn. 420), 420. 1959  Kumanoff / Schwarzkopf / Fröse, Die Einführung von Risikomanagementsyste­ men – eine Aufgabe der kommunalen Wirtschaftsführung, BayVBl 2001, 225, 233. 1960  Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), 8.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

ligen Referaten oder Dezernaten in Unternehmen ausgelagerten Aufgaben. Dieses muss jedoch zur Gewährleistung einer einheitlichen gesamtstädti­ schen Unternehmenssteuerung um ein zentrales Beteiligungsmanagement als Stabsstelle (Direktorium) bei der Stadtspitze ergänzt werden.1961 Die Stadt Leipzig mit 150 ausgegliederten Organisationseinheiten als Tochter- und Enkelunternehmen sowie sonstigen Beteiligungen1962 hat im Jahr 1993 die „Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH“ (BBVL) als ausgelagerte Konzernverwaltungsstelle für ein städtisches Beteiligungsmanagement als Eigengesellschaft gegründet, die auch anderen Kommunen Beratungsleistungen gegen Entgelt anbietet. Die Stadt Saarbrü­ cken hat für ihr Beteiligungsmanagement einen Eigenbetrieb gegründet, die Stadt Halle (Saale) hat ihr Beteiligungsmanagement in einer Anstalt des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) organisiert. Ob eine solche nur mittelbare Steuerung eine ausreichende Einflussnahme der gewählten Kommunalorgane gewährleistet, hängt weitgehend von der Unternehmens­ satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag des Steuerungsunternehmens selbst ab. Für sie haben deshalb dieselben Anforderungen an Einfluss und Kon­ trolle der Kommune zu gelten wie für die zu steuernden Unternehmen. Die Rechtsformen des Eigenbetriebs oder des Kommunalunternehmens, aber auch die GmbH, sind ihrer Struktur nach und bei entsprechender Ausgestal­ tung durchaus geeignet, diesen Einfluss und damit die „Steuerung der Steue­ rer“ in ausreichendem Maß zu gestatten. Für weniger große Städte und sonstige Kommunen wird sich eine an die Verwaltungsspitze als Stabsstelle angegliederte oder auch in der Wirtschaftsoder Finanzverwaltung angesiedelte Organisation des Beteiligungsmanage­ ments anbieten, wobei die dieser Einheit übertragenen Kompetenzen und die Qualität des damit betrauten Personals für die Effizienz und die Ein­ flussnahme auf die politische Steuerung durch das Hauptverwaltungsorgan der Kommune entscheidend sind. In der kommunalen Praxis nicht von der Hand zu weisen ist bei der organisatorischen Zuordnung des Beteiligungs­ managements zur Finanzverwaltung deren Neigung, den finanziellen (fiska­ lischen) Eigentümerinteressen der Kommune Vorrang vor den Belangen ei­ ner fachlich optimierten Aufgabenwahrnehmung durch die Unternehmen als Dienstleister für die Bedürfnisse der Einwohner einzuräumen. Die fiskali­ schen Interessen am Werterhalt und an der Wirtschaftlichkeit, insbesondere durch Gewinnabführung an den Kommunalhaushalt, können nur eine gegen­ über der Aufgabenerfüllung dienende Funktion besitzen. Eine Angliederung 1961  In dieser Form hat beispielsweise die bayerische Landeshauptstadt München ihr Beteiligungsmanagement organisiert. 1962  17. Beteiligungsbericht Stadt Leipzig 2010, http: /  / www.bbvl.de / userfiles /  bbvl / Inhaltsverzeichnis.pdf, zuletzt geprüft am 06.07.2013.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung339

des Beteiligungsmanagements an die Verwaltungsspitze trägt dabei eher zu einer mit den Gesamtzielen der Kommune korrespondierenden Unterneh­ menssteuerung bei. b) Effizientes Aufgabenspektrum des Beteiligungsmanagements Der Umfang der Aufgaben und Befugnisse des Beteiligungsmanagements besitzt entscheidenden Einfluss auf die Steuerungsfähigkeit vor allem derje­ nigen kommunalen Unternehmen, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihnen als politische Machtfaktoren innerhalb der kommunalen Organisa­ tionseinheiten oft unmittelbaren Zugang zu den politischen Entscheidungs­ ebenen und damit erhöhten Einfluss im Interesse eigener unternehmerischer Gestaltungsspielräume eröffnet. Eine effiziente Aufgabenerfüllung des Beteiligungsmanagements setzt – wie für die gesamte Kommunalverwaltung – neben langfristig zu verfolgen­ den strategischen Zielen die Definition mittelfristiger operationeller, etwa für eine Wahlperiode verbindlicher, Zielvorgaben auch für kommunale Un­ ternehmen voraus, die von der Verwaltungsspitze und dem Gemeinderat zur Erfüllung des mit der jeweiligen Verwaltungsaufgabe verfolgten öffentlichen Zwecks festgelegt werden müssen. Darauf aufbauend können die kommu­ nalen Unternehmen ihre fünfjährige Wirtschafts- und Finanzplanung und den jährlichen Wirtschaftsplan erstellen, der entsprechend den Regelungen in den jeweiligen Gemeindeordnungen einen Erfolgs-, Finanz- und Investi­ tionsplan umfasst. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der Kommune eine effiziente Steu­ erung durch ein Beteiligungsmanagement möglich. An einer fehlenden eige­ nen Zieldefinition der Kommune und an häufig wechselnden Zielvorstellun­ gen infolge sich verändernder politischer Mehrheiten scheitern vielfach eine langfristige strategische Ausrichtung und mittelfristige Zielvorgaben an kommunale Unternehmen. Dies hat nicht selten die Festlegung eigener vor­ nehmlich am wirtschaftlichen Unternehmenserfolg ausgerichteter Ziele der Unternehmensleitung zur Folge, die das Machtvakuum politischer Steue­ rungsdefizite der dazu berufenen Entscheidungsorgane füllen. Die dem Beteiligungsmanagement mit verbindlichen Unternehmenszielen übertragenen Aufgaben und Befugnisse dienen als Scharnier zwischen den Vorstellungen der Unternehmensleitungen zu den operativen Maßnahmen und den politischen Steuerungsvorgaben der Verwaltungsspitze. Neben der Beteiligungsverwaltung mit Mandatsbetreuung und Dokumentation, insbe­ sondere der Erstellung des Beteiligungsberichts, sollte das Beteiligungsma­ nagement vor allem ein Beteiligungscontrolling in strategischer und opera­ tiver Hinsicht als Finanz-, Leistungs-, Investitions- und Risikocontrolling

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

umfassen.1963 Es kann sich neben einem Umweltcontrolling mit Vorgaben für Öko-Audits oder für einen Public Corporate Governance Kodex auch auf die einheitliche Ausgestaltung von Gesellschaftsverträgen und Unterneh­ menssatzungen erstrecken oder zentral Beratungsleistungen im Steuer- oder Beihilferecht für die kommunalen Unternehmen anbieten. Bei der Gründung von Unternehmen oder der Eingehung von Beteiligun­ gen liegen die Aufgabenschwerpunkte des Beteiligungsmanagements in der Erarbeitung von Gesellschaftsverträgen, Unternehmenssatzungen und Ge­ schäftsordnungen für Unternehmensorgane, mit denen eine wirksame Pro­ grammierung auf den konkreten öffentlichen Zweck erfolgen muss, der die Errichtung bzw. Beteiligung erfordert bzw. rechtfertigt.1964 2. Zweckprogrammierung von Unternehmenssatzung und Gesellschaftsvertrag Mit der Festlegung des Gesellschaftszwecks wird bei privatrechtlich or­ ganisierten kommunalen Unternehmen die Entscheidung über deren öffent­ liche Zielsetzung getroffen, insbesondere darüber, ob die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung als sozialwirtschaftliches Ziel, eine ideelle Zielsetzung oder die Erwerbswirtschaft im Vordergrund stehen soll.1965 Eine möglichst präzise Festlegung des öffentlichen Zwecks in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag erweist sich als notwendige Grundbedingung zur Schaffung einer steuerungstauglichen Gesellschaft, und zwar in einem bifunktionalen Sinn: Sie ist einerseits gesellschaftsrechtliche Voraussetzung zur Realisierung der verfassungsrechtlich geforderten Einwirkungspflicht1966 durch effektive Steuerung,1967 zugleich aber auch Soll-Vorgabe zur Ermög­ lichung einer anschließenden Erfolgskontrolle der erreichten Ist-Werte hin­ sichtlich der öffentlichen Zweckverfolgung. Dies ist ein wichtiger Aspekt auch für die Beteiligungsverwaltung, weil kommunale Gesellschaften durchaus dazu neigen, sich im Laufe der Zeit von dem Zweck zu emanzi­ pieren, zu dem sie ursprünglich gegründet worden sind. Das gilt insbeson­ dere, wenn sich das Unternehmen durch Eingehen mittelbarer Beteiligungen weiter diversifiziert.1968 1963  Deutscher

Städtetag (Fußn. 1929), 19. hierzu die Vorgaben der jeweiligen landesrechtlichen Regelungen unter Kapitel 2 Abschnitt B. I. 2. b). 1965  Schön (Fußn. 1177), 440 m. w. N. in Fußn. 61. 1966  Mann (Fußn. 378), 215, Fußn. 36: insbesondere Schön (Fußn.  1177), 435 f.; Ehlers (Fußn. 500), 142. 1967  Ehlers (Fußn. 493), 904. 1968  Mann (Fußn. 378), 215. 1964  Siehe



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung341

Dazu genügt es nicht, dass nur der bei privatrechtlichen Gesellschaften zwingend aufzunehmende Gegenstand des Unternehmens (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG), näher umschrieben wird, wie dies in der Praxis häufig anzutreffen ist.1969 Der Unternehmensgegenstand bestimmt zweckneutral den Tätigkeitsrahmen, innerhalb dessen sich das Unternehmen bewegen kann. Dagegen umreißt der Gesellschaftszweck das damit verfolg­ te Ziel,1970 auch wenn gesellschaftsrechtlich das Verhältnis zwischen Unter­ nehmensgegenstand und Unternehmenszweck nicht immer unproblematisch ist1971 und beide zusammenfallen können.1972 Der Unternehmenszweck legt den finalen Sinn fest, während der Unternehmensgegenstand nur die einge­ setzten Mittel angibt1973 und damit keinen Kontrollmaßstab bildet.1974 Zwischen der Zweckprogrammierung eines kommunalen Unternehmens und den späteren Einwirkungsmöglichkeiten besteht eine direkte und dichte Verbindung. Bei gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften divergieren zudem die auf Durchsetzung der öffentlichen Aufgabe gerichteten Interessen der öffentlichen Hand mit dem vorrangig an einer Gewinnmaximierung orien­ tierten Interesse des privaten Gesellschafters.1975 Leisner1976 hat dies zutref­ fend wie folgt formuliert: „Das ‚Privatrecht‘ wird gegen die Volksvertretung ausgespielt – letztlich aber ‚Effizienz‘ gegen ‚Demokratie‘.“ Der möglichst präzisen Festlegung des öffentlichen Zwecks, dem das Unternehmen ver­ pflichtet ist, kommt deshalb für den Ausgleich der einander widerstreitenden abwägungsbedürftigen Prinzipien,1977 nämlich zwischen der mit privatem Know-how beabsichtigten Effizienzsteigerung1978 und dem Demokratieprin­ zip zur Erfüllung des öffentlichen Zwecks, entscheidende Bedeutung zu, damit nicht Publizität und Transparenz im Interesse der Effizienz verloren gehen.1979 1969  Ehlers

(Fußn. 493), 904. (Fußn. 378), 213. 1971  Kort, Die Bedeutung von Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck einer AG bei Auslagerung von Geschäftsbereichen auf gemeinnützige Gesellschaf­ ten, NZG 24, 929 m. w. N. in Fußn. 2: Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998, 13 ff., 194 ff. 1972  Oebbecke, § 8 Rechtliche Vorgaben für die Gründung kommunaler Unterneh­ men, in: Hoppe / Uechtritz / Reck (Hg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2012, 215, 230 m. w. N. in Fußn. 42: Vgl. Schön (Fußn.  1177), 440 ff. 1973  Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesell­ schaften durch ihre Gebietskörperschaften 1991, 122. 1974  Gaß (Fußn. 420), 361, Fußn. 55: Püttner (Fußn. 366), 235. 1975  Mann (Fußn. 378), 212. 1976  Leisner (Fußn. 1820), 225. 1977  Siehe hierzu Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. und Schuppert (Fußn. 7), 446. 1978  Siehe hierzu Abschnitt A. I. 2. a). 1979  Spannowsky (Fußn. 1954), 412. 1970  Mann

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Soweit einige Autoren einen „ungeschriebenen Rangvorbehalt“1980 öffent­ licher Interessen annehmen und deshalb eine Zweckprogrammierung nicht für erforderlich halten, hat Leisner1981 überzeugend dargelegt, dass ein sol­ cher Vorrang schon wegen seiner Unbestimmtheit als eindeutiger Verstoß ge­ gen das rechtsstaatliche (Norm-)Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig wäre. Auf solcher „Grundlage“ würde die pyramidale Ordnung der Normebenen im Grundgesetz (Art. 31, 28 Abs. 2 GG) ausgehebelt. Durch einen „ungeschrie­ benen Rangvorbehalt“ können die öffentlichen Verwaltungsinteressen nicht als satzungsmäßige Eigeninteressen der Gesellschaft verstanden werden.1982 Da Interessenkonflikte zwischen Gesellschaftern auf der Ebene und mit den Instrumentarien des Gesellschaftsrechts ausgetragen werden, ist eine Festle­ gung des öffentlichen Zwecks nicht nur verfassungsrechtlich und einfachge­ setzlich, sondern auch aus Gründen gesellschaftsrechtlicher Konfliktpräven­ tion geboten.1983 Damit ist der „öffentliche Zweck“ nur dann hinreichend konkret bestimmt, wenn er in der Unternehmenssatzung bzw. dem Gesell­ schaftsvertrag seinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden hat.1984 Unionsrechtlich ergibt sich insoweit ein grundsätzlicher Unterschied zwi­ schen gemischtwirtschaftlichen Unternehmen und den in-house-fähigen Ei­ gengesellschaften. Die Beziehung zwischen einer öffentlichen Stelle, die öffentlicher Auftraggeber ist, und ihren Dienststellen wird durch Überlegun­ gen und Erfordernisse bestimmt, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen. Die Anlage von privatem Kapital in einem Unternehmen beruht dagegen auf Überlegungen, die von privaten Interessen bestimmt werden und andersartige Ziele verfolgen.1985 Damit entsprechen kommunale Eigengesellschaften, die nach europäi­ schem Vergaberecht in-house-fähig sind,1986 wenn ihr Träger über sie eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle tatsächlich ausübt, mit einer Ausrichtung der Unternehmenssatzung am „öffentlichen Zweck“ zugleich den innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine effizien­ te Einwirkungspflicht ihrer Träger. Soweit ein eigenes Unternehmen auf dem Markt tätig ist, bewegt es sich auch innerhalb des von der Selbstver­ 1980  So z. B. Haverkate, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, VVD­ StRL Bd. 46 (Hg.) 1988 – Die Bedeutung gliedstaatlichen Verfassungsrechts in der Gegenwart, 217, 228. 1981  Leisner, Weisungsrechte der öffentlichen Hand gegenüber ihren Vertretern in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, GewArch 2009, 337, 340 f. 1982  Danwitz (Fußn. 517), 614. 1983  Mann (Fußn. 378), 212. 1984  So sinngemäß auch Mann, Steuernde Einflüsse der Kommunen in ihren Ge­ sellschaften, VBlBW 2010, 7, 9. 1985  EuGH v. 11.01.2005, C-26 / 03, NVwZ 2005, 187, Rz. 50. 1986  Vgl. hierzu die Darstellung unter Kapitel 2 Abschnitt C. III. 2.



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waltungsgarantie umfassten einwohnerbezogenen Aufgabenbereichs der örtlichen Gemeinschaft,1987 soweit sein räumlicher Tätigkeitsbereich dem Wesentlichkeitskriterium der Rechtsprechung des EuGH1988 entspricht. Für kommunale Unternehmen, die „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ erbringen und die Altmark-Trans-Kriterien des EuGH1989 erfüllen, ist die Wahrnehmung von Einwirkungsbefugnissen der Kommune bei einer am öffentlichen Zweck ausgerichteten Unternehmens­ satzung keine den Beihilfebegriff erfüllende Vorteilsgewährung bzw. von der Notifizierungspflicht als Beihilfe1990 freigestellt.1991 Die Zweckprogrammierung der Unternehmenssatzung muss auch erkennen lassen, dass die Erzielung von Gewinnen entsprechend den kommunalrechtli­ chen Vorschriften der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nur untergeordnet ist, wie etwa durch Bezugnahme auf die Grundsätze der Wirtschaftsführung.1992 Hierzu kann auch die Gestattung von verlustbringenden Geschäften und Maß­ nahmen zur Förderung der mit dem Unternehmen verfolgten Gemeinwohlauf­ gabe notwendig sein, wenn dies die Rentabilität des Unternehmens nicht ins­ gesamt gefährdet und nach der Art der Aufgabe zwingend erforderlich ist.1993 Eine solche Satzungsbestimmung kann auch im Interesse der Unternehmens­ leitung geboten sein, um bei eventuellen verlustbringenden Geschäften von persönlicher Haftung freigestellt zu sein. Auch für Geschäftspartner und Gläubiger des Unternehmens entfaltet eine entsprechende Formulierung eine Warnfunktion. Die Grenzen einer den öffentlichen Zweck programmierenden Satzungsregelung werden allerdings für einen Privaten, der eine Beteiligung an einem kommunalen Unternehmen beabsichtigt, erreicht sein, wenn die von diesem erwarteten wirtschaftlichen Vorteile die Einschränkungen nicht mehr überwiegen, die im Hinblick auf die Rentabilität des Unternehmens der Erfül­ lung des öffentlichen Zwecks geschuldet werden sollen. Ohne ausreichende Festlegung des öffentlichen Zwecks ist bei gemischt­ wirtschaftlichen Unternehmen die potenzielle Divergenz nicht auflösbar, die zwischen dem auf Durchsetzung der öffentlichen Aufgabe gerichteten Inte­ resse der Kommune und dem auf Gewinnmaximierung gerichteten Interesse des privaten Gesellschafters1994 besteht. Auch wenn dem Unternehmen an­ 1987  Siehe

hierzu Kapitel 2 Abschnitt B. I. 2. e) cc). v. 19.04.2007, C-295 / 05, Slg. 2007, I-02999, Rz. 63. 1989  Vgl. Fußn. 1600. 1990  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt C. II. 1. und 2. 1991  Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), 7. 1992  Mann (Fußn. 378), 214. 1993  Oebbecke (Fußn. 1972), 230. 1994  Mann (Fußn. 358), 183; so auch EuGH v. 11.01.2005, C-26 / 03, NVwZ 2005, 187, Rz. 50. 1988  EuGH

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

statt eines klar umrissenen Unternehmensziels gleich ein ganzes Bündel von Zielen vorgegeben werden sollte, wird in der Literatur1995 von einer Ver­ nachlässigung öffentlicher Zwecke gesprochen, da in diesen Fällen faktisch dem Unternehmensmanagement die Zielauswahl überlassen werde. In der Praxis allerdings mangelt es eher an einer konkreten und eindeutigen Ziel­ setzung.1996 Erfolgt keine Präzisierung des Gesellschaftszwecks in der Satzung, so wird der Unternehmensgegenstand regelmäßig zur Erkenntnisquelle für den Gesellschaftszweck, d. h., der Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens indiziert, dass der Gesellschaftszweck auf Gewinnerzielung gerichtet ist.1997 Da die Gründung von Aktiengesellschaften und GmbHs zu jedem gesetzlich erlaubten Zweck erfolgen kann, also nicht nur zu erwerbswirtschaftlichen, sondern auch ideellen, gemeinnützigen oder sonstigen nicht vorrangig auf Gewinnerzielung ausgerichteten Zwecken, besteht auch in der Literatur Übereinstimmung, dass bei Fehlen einer präzisen Zweckbestimmung das Unternehmen ausschließlich auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist.1998 Damit ist es zumindest dem Geschäftsführer einer GmbH – im Grundsatz aber auch dem Vorstand der AG – verwehrt, eine karitative oder gemeinnüt­ zige Unternehmenspolitik zu betreiben. Daran vermögen auch etwaige Weisungs- und Entsendungsrechte der öffentlichen Hand schon deshalb nichts zu ändern, weil auch sie in Übereinstimmung mit dem Gesellschafts­ zweck auszuüben sind.1999 Somit bildet die Zweckprogrammierung des Gesellschaftsvertrags die entscheidende Grundlage für die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit sämtli­ cher Einflussmöglichkeiten eines öffentlichen Unternehmensträgers in der nachfolgenden Betriebsphase sowohl bei Eigengesellschaften als auch bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen.2000 Die Ausübung von Organfunk­ tionen und Mitgliedschaftsrechten in Kapitalgesellschaften hat nämlich stets in Übereinstimmung mit dem satzungsmäßig festgelegten Gesellschafts­ zweck zu erfolgen, andernfalls drohen Abwehr- und Schadensersatzansprü­ che der Mitgesellschafter oder der Gesellschaft.2001 Alle im Interesse öffent­ licher Zweckverfolgung vorgenommenen Organhandlungen, Gesellschafter­ beschlüsse oder sonstigen Einwirkungen der öffentlichen Hand sind gesell­ 1995  Machura,

Die Kontrolle öffentlicher Unternehmen 1993, 63. (Fußn. 379), 167; Mann (Fußn. 1984), 10. 1997  Mann (Fußn. 1984), 9 m. w. N. in Fußn. 19: so schon RG v. 04.06.1940, II 171 / 39, RGZ 164, 129, 140. 1998  Möller (Fußn. 379), 167 m. w. N. in Fußn. 344. 1999  Habersack (Fußn. 517), 552. 2000  Im Einzelnen siehe hierzu die Darstellung unter Kapitel 3 Abschnitt A. II. 2. 2001  Mann (Fußn. 1984), 9, Fußn. 20: Leisner (Fußn.  1981), 341 ff. 1996  Möller



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung345

schaftsrechtlich grundsätzlich nur dann legitimiert, wenn die Ausrichtung auf den öffentlichen Zweck einen Ausdruck in der Satzung gefunden hat. Nur bei Aufnahme des öffentlichen Zwecks in die Satzung wird das öffent­ liche Interesse zu einem Eigeninteresse der Gesellschaft und damit die Gesellschaft zu einem Unternehmen mit einer der Kommune zurechenbaren Publizität. Fehlt eine konkrete Zweckprogrammierung, so besteht zumindest bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen neben dem vom öffentlichen Aufgabenträger zu vertretenden Gemeinwohlinteresse stets auch noch ein uneingeschränktes Gewinnmaximierungsinteresse der privaten Gesellschaf­ ter. Die Gegenläufigkeit der Zielrichtung beider Gesellschafterinteressen führt damit zwangsläufig zu einer „Identitätsspaltung“ eines öffentlichen Unternehmens, einer massiven Beeinträchtigung des gemeinsamen Unter­ nehmenszwecks. Sie wird dadurch zur permanenten Quelle für eine eigen­ dynamische Zielbestimmung der Unternehmensleitung ohne ausreichende Steuerungsinstrumente der Kommune. Eine Zweckprogrammierung der Unternehmenssatzung ist aber auch bei öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmen geboten. Obwohl bei Regieund Eigenbetrieben eine unmittelbare Kontrolle durch die demokratisch le­ gitimierten Organe der Kommune möglich ist, hat z. B. eine Analyse der rechtlichen Grundlagen für Jahresabschlüsse von Eigenbetrieben2002 im Jahr 2003 ergeben, dass diese hinsichtlich der Kontrolle, Transparenz und Pub­ lizität im Vergleich zu Kapitalgesellschaften noch nicht ausreichend entwi­ ckelt waren und den Zielsetzungen des Transparenz- und Publizitätsgeset­ zes2003 nicht entsprachen.2004 Auch bei Anstalten des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) ist eine Zweckprogrammierung der Unternehmenssatzung im Hinblick auf die Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes2005 geboten und in einzelnen Bundesländern auch aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung2006 vorgesehen.

2002  Zahradnik, Die Prüfung, Beratung und Offenlegung der Jahresabschlüsse von Eigenbetrieben in kritischer Analyse, ZögU 2003, 371, 392. 2003  TransPuG vom 19.07.2002 (BGBl. I S. 2681). 2004  Bremeier / Brinckmann / Killian / Schneider, Die Bedeutung des Corporate Governance Kodex für kommunale Unternehmen, ZögU 2005, 267, 277, Fußn. 27. 2005  Vgl. z. B. Art. 90 Abs. 1 Satz 1 BayGO; § 95 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf, § 126a Abs. 5 Satz 1 HGO, § 70a Abs. 2 Satz 1 KV M-V, § 114a Abs. 6 GO NRW, § 86b Abs. 1 Satz 1 GemO Rhl-Pf. 2006  § 94 Abs. 2 Satz 1 BbgKVerf, § 142 Satz 2 NKomVG.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Die in der Praxis häufigen Defizite beim Risikomanagement und Control­ ling kommunaler Unternehmen2007 beruhen zu einem erheblichen Teil darauf, dass sich in der Realität deutscher Kommunen kaum eine Unternehmenssat­ zung finden lässt, die eine Unterordnung des kommunalen Unternehmens un­ ter die Ziele lokaler Politik kontrollierbar macht.2008 Der manchmal kommu­ nalpolitisch sogar willkommene Verzicht auf eine Konkretisierung des öf­ fentlichen Zwecks bei Unternehmensgründung oder Beteiligung im Gesell­ schaftsvertrag oder der Unternehmenssatzung stellt für das Unternehmen einen entscheidenden „Geburtsfehler“ dar, weil damit die Unfähigkeit zu ef­ fizienter Steuerung programmiert wird. Zu Recht sehen deshalb die meisten landesrechtlichen Regelungen eine Zweckprogrammierung der Unterneh­ menssatzungen und Gesellschaftsverträge zwingend vor.2009 3. Public Corporate Governance Kodex als Leitlinie für Transparenz Die von der OECD entwickelten Corporate Governance Grundsätze2010 richten sich zwar in erster Linie an börsennotierte Publikumsgesellschaften, für die der Corporate-Governance-Rahmen transparente und leistungsfähige Märkte fördern, mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in Einklang stehen und eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten der verschiedenen Auf­ sichts-, Regulierungs- und Vollzugsinstanzen gewährleisten soll. Für börsen­ notierte Aktiengesellschaften hat die dafür eingerichtete Kommission der Bundesregierung den Deutschen Corporate Governance Kodex am 13.05.2013 neu gefasst.2011 Der Kodex wird auch nicht-börsennotierten Gesellschaften und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen empfohlen.2012 2007  Bremeier / Brinckmann / Killian / Schneider (Fußn. 2004), 274, Fußn. 25: Das Forschungsprojekt „Verselbstständigung öffentlicher Unternehmen – Rückzug der Politik?“ – Eine empirische Untersuchung der Beteiligungssteuerung in kleinen und mittleren Unternehmen, 2003, ergab, dass nur 11,2% der Kommunen ein einheit­ liches Controlling für alle kommunalen Unternehmen, 7,1% es für die meisten Un­ ternehmen und 65,1% es für keines ihrer Unternehmen nutzen. 2008  Bremeier / Brinckmann / Killian / Schneider (Fußn. 2004), 273, Fußn. 22: Innen­ ministerium Nordrhein-Westfalen, Bericht über die vergleichende Untersuchung „Be­ teiligungsverwaltung“, Düsseldorf 2001, 51. 2009  Siehe hierzu im Einzelnen die Nachweise unter Fußn. 2220. 2010  OECD, OECD-Grundsätze Corporate Governance – Neufassung 2004, http: /  / www.oecd.org / corporate / ca / corporategovernanceprinciples / 32159487.pdf, zuletzt geprüft am 29.07.2013. 2011  Regierungskommission DCGK, Deutscher Corporate Governance Kodex, Endfassung vom 13. Mai 2013, http: /  / www.corporate-governance-code.de / ger / down load / kodex_2013 / D_CorGov_Endfassung_Mai_2013.pdf. 2012  Schwintowski (Fußn. 1254), 612 fordert dagegen eine „von privaten Unter­ nehmen unterscheidbare eigenständige Corporate Governance“.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung347

Ein Entwurf der OECD für Unternehmen im öffentlichen Eigentum trifft zwar nicht voll die Probleme kommunaler Unternehmen, betont aber seine Anwendbarkeit auch auf diesen Bereich.2013 Bei kommunalen Unternehmen gibt es im Vergleich zu privaten Unternehmen eine Beziehung zwischen Bürgerschaft und Kommune einerseits, zwischen kommunaler Leitung und kommunalem Unternehmen andererseits und zudem noch Beziehungen zwi­ schen der kommunalen Leitung und der Gemeindevertretung. Besondere Probleme entstehen zusätzlich dadurch, dass die Kommunalverfassung mit Gesellschaftsrecht in Einklang zu bringen ist2014 und hinsichtlich der Ver­ zahnung der beiden Rechtsgebiete erhebliche Unsicherheiten bestehen.2015 Mit den vieldeutigen Begriffen „Corporate Governance“ oder „Good Govern­ance“ werden Steuerungs- und Handlungsbeziehungen der öffentli­ chen Verwaltung zu ihrer sozialen, ökonomischen und politischen Umwelt bezeichnet.2016 Governance in diesem Sinn ist auch ein Wertekonzept mit bestimmten Prinzipien wie Transparenz, Rechenschaftspflichtigkeit, Effizi­ enz und Effektivität als Konditionen einer erfolgreichen Sachpolitik.2017 Die Regeln der Corporate Governance sollen zu einer besseren Unternehmens­ kultur und zu einem größeren Unternehmenserfolg beitragen und insbeson­ dere vor Fehlentwicklungen schützen. Sie richten sich dabei nicht an die Gesellschafter oder Aktionäre, dienen mittelbar aber auch den Vermögensund Mitgliedschaftsinteressen des einzelnen Aktionärs. Sie kommen ihm aber lediglich als Reflex zugute und erheben das besondere Regelungsre­ gime deswegen nicht zu einem Schutzgegenstand seines Aktieneigentums.2018 Bei kommunalen Unternehmen dienen die Regeln auch den Bürgern als den materiellen Eigentümern dieser Unternehmen, die ein legitimes Interesse an Transparenz und Kontrolle haben.2019 Public Corporate Governance-Regeln haben die Wahrung der öffentlichen Interessen zum Ziel, die die Kommune mit ihren Unternehmen und Beteiligungen im Auftrag der Wähler umzuset­ zen hat. Neben den Organen der Beteiligungsgesellschaften sind deshalb auch die Organe der Kommune die Adressaten der Corporate Governance. 2013  OECD, OECD Guidelines on Corporate Governance of State-owned Enter­ prises – Comparative Report on Corporate Governance Enterprises, http: /  / www. oecd.org / corporate / ca / corporategovernanceofstate-ownedenterprises / 34803211.pdf, S. 4, zuletzt geprüft am 29.07.2013. 2014  Bremeier / Brinckmann / Killian / Schneider (Fußn. 2004), 269. 2015  Altmeppen, Die Einflussrechte der Gemeindeorgane in einer kommunalen GmbH, NJW 2003, 2561, 2567. 2016  König, Öffentliches Management und Governance als Verwaltungskonzepte, DÖV 2001, 617, 620. 2017  König (Fußn. 2016), 623. 2018  BVerfG v. 11.07.2012, 1 BvR 3142 / 07, 1BvR 1569 / 08, NJW 2012, 3081, 3083. 2019  Bremeier / Brinckmann / Killian / Schneider (Fußn. 2004), 272.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Ein der jeweiligen Unternehmensaufgabe angepasstes Leitungs-, Informa­ tions- und Kontrollsystem ist deshalb ein wesentliches Element guter kom­ munaler Unternehmensführung.2020 Von den deutschen Flächenstaaten haben Baden-Württemberg2021 und das Land Brandenburg2022 für landeseigene Unternehmen und Beteiligungen einen eigenen Public Corporate Governance Kodex erlassen. Der Deutsche Städtetag hatte bereits 2009 seinen Mitgliedern Hinweise und Strategien für die Steuerung städtischer Beteiligungen2023 gegeben und darin den Public Corporate Governance Kodex des Städtetags Nordrhein-Westfalen zur An­ wendung empfohlen. Eine Reihe von Städten hat sich durch eigene Kodizes oder Beteiligungsrichtlinien Standards für eine gute Führung ihrer Unter­ nehmen gesetzt.2024 Die explizit wertbezogene Ausrichtung von „Good Governance“ soll vor dem Hintergrund des Gewährleistungsstaates eine Antwort auf die strukturellen Defizite des Neuen Steuerungsmodells und bei Binnenstruktur-Reformmaßnahmen geben.2025 Dabei zeichnen sich als Grundlinien ein management-orientierter Ansatz, der das für die Privatwirt­ schaft entwickelte Corporate Governance-Konzept auf den öffentlichen Sektor übertragen will, und ein Konzept mit demokratisch-partizipatorischen Überlegungen ab, die im „Good Governance“-Denken eine neue Ebene von Demokratieverwirklichung sehen und auf eine Intensivierung demokrati­ scher Partizipationsrechte und -chancen abzielen.2026 Public Electronic Governance schließlich widmet sich den „Aufgaben von Staat und Verwal­ tung bei der Ausrichtung der gesellschaftlichen Lebensbereiche auf die Er­ 2020  Preussner, Corporate Governance in öffentlichen Unternehmen, NZG 2005, 575, 577 f.: Für die Leitungsorgane eines Unternehmens bedeutet dies die Einrich­ tung eines Risikomanagementsystems, für den Aufsichtsrat die ausreichende Infor­ mationsbeschaffung zur Ausübung seiner Überwachungs- und Beratungsfunktion gegenüber der Unternehmensleitung und für die Kontrollinstanzen insbesondere die Überprüfung der Einhaltung des IDW-Prüfungsstandards 720 sowie des § 53 HGrG. 2021  Baden-Württemberg, Public Corporate Governance Kodex des Landes BadenWürttemberg einschließlich der Anmerkungen zur Anwendung, http: /  / www.mfw. baden-wuerttemberg.de / fm7 / 1106 / Public%20Corporate%20Governance%20Kodex %20des%20Landes%20Baden-W%FCrttemberg.pdf, zuletzt geprüft am 29.07.2013. 2022  Land Brandenburg, Corporate Governance Kodex für die Beteiligungen des Landes Brandenburg an privatrechtlichen Unternehmen – Neufassung 2010 –, http: /  / www.mdf.brandenburg.de / sixcms / media.php / 4055 / 2010_09_21_Corpo rate%20Governace%20Kodex.pdf, zuletzt geprüft am 26.07.2013. 2023  Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), 20 und Anlage 3. 2024  Vgl. hierzu die Liste unter http: /  / www.haushaltssteuerung.de / beteiligungs richtlinien-public-corporate-governance-kodizes.html, zuletzt geprüft am 26.07.2013. 2025  Klenk / Nullmeier, Public Governance als Reformstrategie 2. Aufl. 2004, 9. 2026  Klages, Good Governance in entwickelten Ländern?, in: Hill / Klages (Hg.), Good Governance und Qualitätsmanagement, Europäische und internationale Ent­ wicklungen, 2000, 1, unter Verweis auf Klenk / Nullmeier (Fußn. 2025), 12.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung349

fordernisse der Informationsgesellschaft“2027 und zielt auch auf die Transpa­ renz des öffentlichen Sektors mit freiem Zugang zu und der Verlässlichkeit von Informationen.2028 Jeder dieser grundlegenden Ansätze ist für die Steuerung kommunaler Unternehmen relevant: Die Public Corporate Governance Kodizes (PCGK) besitzen keine Geset­ zeskraft, sondern sind Empfehlungen, die den Zweck verfolgen, die Gesell­ schaftsorgane an die Kodex-Bestimmungen und damit auch an Eingriffe der politischen Instanzen der Trägerkörperschaft in ihre unternehmerische Un­ abhängigkeit zu binden. Es bedarf deshalb eines gesellschaftsrechtlichen Inkorporationsaktes in dem Unternehmen, für das der PCGK gelten soll, wobei er für gemischtwirtschaftliche Unternehmen stets Anwendung finden soll.2029 Durch Übernahme in die Gesellschaftssatzung können auch nur einzelne Bestimmungen der Kodizes verbindlich gemacht werden, wobei jedoch die gesetzlichen Grenzen des zulässigen Inhalts der Satzung eine unüberwindliche Schranke bilden. Insbesondere an der zwingenden Kompe­ tenzverteilung zwischen den Organen einer Aktiengesellschaft finden die Bestimmungen der Kodizes ihre Grenzen.2030 Ziel der Kodizes ist es, analog zum Corporate Governance Kodex für börsennotierte Unternehmen, das Vertrauen in die öffentlichen Verwaltungen und ihre öffentlichen Unternehmen zu festigen bzw. wiederherzustellen,2031 indem anerkannte Standards guter und verantwortlicher Unternehmensfüh­ rung eingehalten werden.2032 Von anderen Reformtypen unterscheidet sich der Governance-Ansatz dadurch, dass er zur Bewältigung von Interessen­ konflikten und Interessenüberschneidungen auf eine Veränderung der grund­ legenden Vorstellungen und moralischen Überzeugungen der Akteure ab­ zielt.2033 2027  Reinermann / Lucke, Speyerer Definition von Electronic Governance, Electro­ nic government in Deutschland: Ziele, Stand, Barrieren, Beispiele, Umsetzung, 9, unter Bezugnahme auf Klenk / Nullmeier (Fußn. 2025), 12. 2028  Klenk / Nullmeier (Fußn. 2025), 11, unter Bezugnahme auf Adam, Die Entste­ hung des Governance-Konzepts bei Weltbank und UN, E+Z (Entwicklung und Zu­ sammenarbeit) 41 (10), 272, 274. 2029  Weber-Rey / Buckel, Corporate Governance in Aufsichtsräten von öffentlichen Unternehmen und die Rolle von Public Corporate Governance Kodizes, ZHR 177, 13, 37 ff. 2030  Raiser, Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit von Public Corporate Govern­ ance Kodizes, ZIP 2011, 353, 360. 2031  Ruter, Ein Corporate Governance Kodex für öffentliche Unternehmen?, ZögU 2004, 389, 390. 2032  Preussner (Fußn. 2020), 576. 2033  Klenk / Nullmeier (Fußn.  2025), 110 ff.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Im Sinne einer transparenten Unternehmensgestaltung sollte die Kommu­ ne deshalb bereits im Stadium der Unternehmensgründung oder Beteiligung eine Reihe von Maßnahmen sicherstellen: Zweckmäßig ist es, bereits im Gesellschaftsvertrag und nicht erst in einer Geschäftsordnung die Pflicht der Unternehmensorgane zur jährlichen Veröf­ fentlichung einer „Entsprechenserklärung“ über die Einhaltung der Empfeh­ lungen des PCGK zu verankern. Dies ist nicht nur bei der GmbH nach § 53 GmbHG, sondern auch bei der Aktiengesellschaft nach § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG zulässig.2034 Da ein öffentliches Unternehmen, das seinem Ziel und Zweck nach nicht vorrangig gewinnorientiert arbeitet, gegenüber privaten Unternehmen am Markt häufig den Nachteil besitzt, dass ihm ein Maßstab für seine Kosten­ effizienz fehlt, sollte Kostentransparenz durch organisatorische Differenzie­ rung bzw. Trennung der Bereiche hergestellt werden, die marktbezogen Leistungen anbieten oder nachfragen zu den Bereichen, die dies nicht tun.2035 Ebenso sollte zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger auf eine aus­ reichende Kapitalausstattung der nicht am Markt tätigen kommunalen Un­ ternehmen geachtet werden, um eine materielle Unterkapitalisierung2036 mit programmierten Betriebsdefiziten zu vermeiden. Politisch besonders um­ stritten ist die Forderung, Corporate Governance des öffentlichen Unterneh­ mens müsse für eine prinzipielle gesellschaftsrechtliche Trennung verlust­ bringender von gewinnbringenden Sparten sorgen (Trennungsprinzip),2037 weil damit der steuerliche Querverbund als mit guter Unternehmensführung unvereinbar indiziert wird. Diskussionswürdig ist nicht nur in diesem Zusammenhang auch die Überlegung, den Bürgern als den materiellen Eigentümern kommunaler Unternehmen2038 im Bereich der Daseinsvorsorge verstärkt die Möglichkeit zu Unternehmensbeteiligungen zu eröffnen2039 und mit einer solchen ­Betroffenenpartizipation2040 einen Beitrag zur Transparenz und zur Stär­ 2034  Weber-Rey / Buckel (Fußn. 2029), 40 f.; a. A. Raiser (Fußn. 2030), 357, der in dem erheblichen Druck, der dadurch auf die Unternehmensorgane ausgeübt werde, eine Gefahr für die eigenverantwortliche Leitung bzw. Überwachung sieht. Diese Auffassung wird allerdings nicht geteilt, weil diese Pflicht nicht unmittelbar auf die zwingende Kompetenzverteilung einwirkt und entsprechend dem Wesen der PCGK als bloßer Empfehlung begründete Abweichungen im Einzelfall möglich sind, ohne dass dies zu einer negativen Corporate Governance führen muss. 2035  Schwintowski (Fußn. 1254), 611. 2036  Schön (Fußn.  1177), 452 ff. 2037  Schwintowski (Fußn. 1254), 612. 2038  Bremeier / Brinckmann / Killian / Schneider (Fußn. 2004), 272. 2039  Schwintowski (Fußn. 1254), 612. 2040  Siehe hierzu Kapitel 2 Abschnitt A. I. 2. bis 4.



A. Ausgliederung durch Privatisierung und Liberalisierung351

kung des partizipatorischen Elements kommunaler Selbstverwaltung zu leisten.2041 Beim Abschluss von Arbeitsverträgen mit der Unternehmensleitung sollte die Verpflichtung der Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder enthalten sein, der Bekanntgabe ihrer im Geschäftsjahr jeweils gewährten Bezüge im Sinn von § 285 Nr. 9 Buchst. a HGB, ggf. unter Beachtung des § 286 Abs. 4 HGB, zuzustimmen.2042 Die Vergütungstransparenz wirkt zugleich als öf­ fentliche Kontrolle der Angemessenheit der Gesamtbezüge. Auch strikte Wettbewerbsverbote und die Verpflichtung, eine Befangenheit durch Inte­ ressenkonflikte unverzüglich dem Aufsichtsrat und ggf. anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung anzuzeigen, sollte Vertragsbestandteil sein. Bei der Benennung oder Entsendung von Mitgliedern in Aufsichtsorgane haben die kommunalen Entscheidungsgremien auf Transparenz zur Vermei­ dung von Interessenkollisionen und Loyalitätskonflikten zu achten. Hierbei sollen mögliche Interessenkonflikte, die aufgrund einer Beratungs- oder Organfunktion bei Kunden- oder Lieferbeziehungen, Kreditgebern des Un­ ternehmens oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können, bereits vor einer Bestellung offengelegt werden.2043 Die Mitglieder des Aufsichtsgremi­ ums müssen über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen, die eine ordnungsmäßige Wahrnehmung ihrer Aufga­ ben gewährleisten.2044 Für deren Benennung und Entsendung durch die Kommune muss vorrangig die Qualifikation entscheidend sein, nicht jedoch – wie dies gelegentlich den Anschein hat – parteipolitischer Proporz, so­ziale Bedürftigkeit oder machtpolitische Konstellationen. Alle Geschäfte zwischen dem Unternehmen und den Mitgliedern des Aufsichtsgremiums sowie deren Angehörigen haben branchenüblichen Standards zu entsprechen, für die der IDW-Prüfungsstandard 2552045 eine geeignete Orientierungshilfe darstellt. Auf die Angemessenheit der Vergütung und die Transparenz der individua­ lisierten Vergütungssätze durch Offenlegung auch im Beteiligungsbericht ist zu achten. Alle Aufgaben, die einer Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung einer GmbH oder die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft 2041  Siehe

hierzu in diesem Kapitel Abschnitt B. II. 2. a). insbesondere Art. 94 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 2 BayGO und die wei­ tergehende Ermächtigung in § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 KV M-V zu einer Satzungs­ regelung, dass § 286 Abs. 4 HGB keine Anwendung findet. 2043  Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), 10. 2044  Ruter, Der Public Corporate Governance Kodex – wie er erstellt wird und was er beinhaltet, ZKF 2005, 97, 99. 2045  http: /  / www.idw.de / idw / portal / n281334 / n281114 / n302246 / index.jsp, zuletzt geprüft am 30.07.2013. 2042  Vgl.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

als oberstem Organ privatrechtlich organisierter Unternehmen als Eigenge­ sellschaften oder kommunal beherrschter Gesellschaften unterliegen und von grundsätzlicher strategischer Bedeutung für das Unternehmen oder die Kommune sind, sollen vorab in den Beratungs- und Entscheidungsgremien der Kommune grundsätzlich in öffentlicher Sitzung2046 behandelt werden. An deren Votum sind die Vertreter der Kommune in diesen Unternehmens­ organen zu binden. Der Wirtschaftsplan und die Jahresabschlüsse der kom­ munalen Unternehmen sollen vor deren Feststellung durch die Unterneh­ mensorgane in öffentlicher Sitzung der kommunalen Gremien beraten wer­ den. Durch eine geeignete Vertretungsregelung ist auch sicherzustellen, dass an einer Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Entlas­ tung von Aufsichtsratsmitgliedern kein Vertreter der Kommune mitwirkt, der selbst Mitglied dieses Aufsichtsrats ist. Da die Kommune mit ihren Unternehmen auch dann einen Konzern bil­ det, wenn sie keine Beherrschungsverträge abgeschlossen hat, und eine gesetzliche Verpflichtung zu einem Konzernabschluss in diesen Fällen nicht besteht, sind auf die „Nebenhaushalte“ der Unternehmen die kommunalen Haushaltsvorschriften nicht anzuwenden, die für Transparenz der kommuna­ len Finanzen sorgen sollen, wie etwa die öffentlichen Haushaltsberatungen. Auch die Informationsgehalte, die sich aus einem Beteiligungsbericht erge­ ben sollen, sind häufig wenig präzise und lassen sich nur schwer zu einem transparenten Gesamtbild zusammenfügen. Ein Konzernabschluss sowie unterjährige Zwischenberichte können diese Defizite beheben.2047 Die Schwierigkeiten einer solchen Konzernrechnungslegung, die in der man­ gelnden Vergleichbarkeit haushaltsrechtlicher und handelsrechtlicher Vorga­ ben ihre Ursache haben, werden hierbei nicht verkannt.2048 Ein Public Corporate Governance Kodex als freiwillige Selbstverpflich­ tung der Kommune2049 kann bereits bei Unternehmensgründung oder Be­ teiligung einen Beitrag zur Transparenz und damit auch zur Sicherung des Vertrauens der Bürger in eine mit der organisatorischen Ausgliederung be­ 2046  Faber, Privatisierung streng geheim! – Öffentlichkeitsdefizite bei kommuna­ len Privatisierungen im Spannungsfeld zu den Anforderungen des Demokratieprin­ zips, NVwZ 2003, 1317, 1320; Ausnahmen kommen in Betracht, wenn hierfür zwingende Gesichtspunkte berechtigter Vertraulichkeit sprechen, etwa bei besonders schützenswerten Geschäftsgeheimnissen oder bei Marktstrategien. 2047  Bremeier / Brinckmann / Killian / Schneider (Fußn. 2004), 277. 2048  Vgl. die Neufassung von § 116 GO NRW durch das Kommunale Finanzma­ nagementG NRW vom 16.11.2004 (GV.NRW. S. 644). Danach hat die Gemeinde zu dem Gesamtabschluss ihren Jahresabschluss und die Jahresabschlüsse des gleichen Geschäftsjahres aller verselbstständigten Aufgabenbereiche in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form zu konsolidieren. 2049  Klenk / Nullmeier (Fußn. 2025), 11.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl353

absichtigte Aufgabenwahrnehmung leisten, um den Ausgleich zwischen den öffentlich-rechtlichen Bindungen und den spezifischen Anforderungen des Gesellschaftsrechts bei privatrechtlich organisierten Unternehmen zu fördern. Im Vergleich zur Verpflichtung der Kommune, den öffentlichen Zweck des Unternehmens in der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag rechtsver­ bindlich zu verankern, um dem Gemeinderat, der Verwaltungsspitze und dem Beteiligungsmanagement einen wirksamen Steuerungs- und Kontroll­ maßstab zu liefern, stellen die Empfehlungen der Public Corporate Gover­ nance Kodizes lediglich „soft law“2050 dar, dessen gewissenhafte Umsetzung vom politischen Willen und den moralischen Überzeugungen2051 der Akteu­ re maßgeblich geprägt wird.

B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl Die Diskussion um die Frage nach der „optimalen“ Rechtsform für kom­ munale Unternehmen ist nicht neu.2052 Die mit dem Unternehmen verfolgten Ziele und Zwecke sowie das Umfeld, in dem das Unternehmen tätig werden soll, spielen die entscheidende Rolle für die dafür zu wählende Rechtsform, für die stets eine Einzelfallprüfung anhand der wahrzunehmenden Aufgabe erforderlich ist.2053 Vor einer solchen Entscheidung steht die Kommune nicht nur bei der Neugründung von Unternehmen, sondern immer wieder aufs Neue, wenn sich etwa durch aktuelle Anforderungen an das Leistungs­ spektrum kommunaler Daseinsvorsorge ein Veränderungs- und Modernisie­ rungsdruck ergibt2054 oder wenn durch die Deregulierungspolitik auf euro­ päischer und nationaler Ebene zentrale Felder kommunaler Wirtschaftstätig­ keit in Wettbewerbsmärkte überführt werden und sich dadurch die äußeren Rahmenbedingungen grundlegend verändern.2055

2050  Soft Law ist vor allem im internationalen Bereich anzutreffen, hat aber auch Eingang in die Corporate Governance gefunden: http: /  / de.wikipedia.org / wiki / Soft_ Law, zuletzt geprüft am 22.08.2013. 2051  So titelte das Manager-Magazin 6 / 2012: „Compliance – Terror der Tugend“. 2052  Ehlers (Fußn.  493) ff. 2053  Pitschas / Schoppa (Fußn. 416), 111. 2054  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 774, Fußn. 3: Knemeyer, Vom kommunalen Wirtschaftsrecht zum kommunalen Unternehmensrecht, BayVBl 1999, 1. 2055  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 774, Fußn. 4: Papier (Fußn.  797) ff.; Britz (Fußn. 1897); Reck, Kommunale Unternehmen brauchen fairen Zugang zu Markt und Wettbewerb, DVBl 2009, 1546.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

I. Grundsatz der Wahlfreiheit der Organisations- und Handlungsform 1. Rechtsgrundlagen der Wahlfreiheit Die grundsätzlich freie Wahl der Rechtsform beruht nach der herrschen­ den Meinung in Rechtsprechung2056 und Literatur2057 auf dem gemeind­ lichen Organisationsermessen als Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG und der landesverfassungsrechtlichen Gewährleistun­ gen.2058 Die Wahlfreiheit, sich im Bereich der Leistungsverwaltung auch der Organisationsformen des Privatrechts zu bedienen,2059 gilt insbesondere für den Bereich der Daseinsvorsorge.2060 Zu der geschützten gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie gehört als Ausfluss der Organisationshoheit das Recht, die innere Verwaltungsorganisation unter Berücksichtigung örtlicher Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte zu regeln.2061 Teilweise wird auch auf die Rechtstradition der Organisationshoheit Bezug genommen,2062 die aber his­ torisch nur eingeschränkt belegbar ist.2063 Zur freien Rechtsformwahl kommt die Wahl der Handlungsformen hinzu, d. h. bei öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmen zu entscheiden, ob die Rechtsbeziehung zu den Leistungsnehmern öffentlich- oder privatrecht­ lich ausgestaltet werden soll. Aus der Verwendung einer privatrechtlichen Organisationsform folgert die Praxis dagegen selbstverständlich, dass auch das Rechtsverhältnis der Leistungserbringung nach Privatrecht zu beurteilen 2056  BayVGH vom 29.04.1987, 7 N 85 A 3193, BayVBl 1987, 557; BVerwG v. 18.10.1993, 5 B 26 / 93, BVerwGE 94, 229 m. w. N.; BGH v. 15.06.1967, III ZR 23 / 65, BGHZ 48, 98, 103; BGH v. 25.10.1973, III ZR 108 / 72, BGHZ 61, 296, 299; BGH v. 05.04.1984, III ZR 12 / 83, BGHZ 91, 84, 95 f. 2057  Pitschas / Schoppa (Fußn.  416), 105 ff.; Ehlers (Fußn. 1103), 555; Erbguth / Stollmann (Fußn. 466), 799; Gaß (Fußn. 420), 54, Fußn. 1: Ossenbühl, Öffent­ liches Recht und Privatrecht in der Leistungsverwaltung, DVBl 1974, 541; a. A. Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung 1989, 112. 2058  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 779, Fußn. 18: Ehlers (Fußn. 493), 898; Mann (Fußn.  358), 42 ff. 2059  Schmidt (Fußn. 1589), 356. 2060  Gaß (Fußn. 420), 54, Fußn. 4: Hellermann (Fußn.  797), 145 ff., 152 f. 2061  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 127, Fußn. 3: Cronauge, Das Recht der wirtschaftlichen Betätigung im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Kommunalverfassungsrechts in Nordrhein-Westfalen, Städte- und Gemeinderat 1993, 238, 239. 2062  BVerwG v. 18.10.1993, 5 B 26 / 93, BVerwGE 94, 229; Hellermann (Fußn. 418), 141, Fußn. 31; Püttner (Fußn. 1818), 19; Ehlers (Fußn. 493), 898 Fußn. 6. 2063  Mann (Fußn. 358), 43 m. w. N. in Fußn. 23.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl355

ist,2064 außer es liegt ein Fall der Beleihung2065 vor, für die es aber einer gesonderten gesetzlichen Ermächtigung bedarf,2066 die im Kommunalrecht nur ausnahmsweise vorgesehen ist.2067 Inwieweit dieser auf der geschichtlichen Entwicklung und den verschie­ denen historischen Erscheinungsformen des kommunalen Selbstverwal­ tungsrechts2068 beruhende Grundsatz der Wahlfreiheit der Organisations- und Handlungsform durch die Strukturprinzipien des Grundgesetzes und durch die Grundrechte Einschränkungen unterworfen ist, bedarf jedoch einer nä­ heren Prüfung. Jenseits der Feststellung der herrschenden Meinung oder einer gängigen Praxis bleibt die Suche nach der Rechtsgrundlage oder der dogmatischen Ableitung für die These von der Wahlfreiheit der Verwaltung ohne großen Ertrag.2069 So wird die Wahlfreiheit als abgeleiteter Rechtssatz bezeichnet, der eine Ausnahme zu der Regel bilde, dass öffentliche Verwaltung grund­ sätzlich in Formen des für sie geltenden Sonderrechts, also des öffentlichen Rechts, zu erfolgen habe.2070 Auch andere Herleitungen, die einen Umkehr­ schluss aus der Tatsache ziehen, dass die Gemeinden zu öffentlich-rechtlicher Gestaltung zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet seien,2071 vermögen nicht zu überzeugen. Der axiomatische Charakter, mit dem die Wahlfreiheit weit­ hin gehandhabt wird, kann schließlich auch durch den Legitimationsversuch als gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtssatz nur notdürftig verhüllt werden. Voraussetzungen, Anforderungen und Grenzen für die privatrechtli­ che Organisation und Ausgestaltung der kommunalen Leistungsverwaltung lässt dieser vieldeutige Befund aber gerade offen. Das Problem- und Kon­ fliktpotenzial der Wahlfreiheit wird jedoch erst angesichts der Konsequen­ 2064  Danwitz

(Fußn. 517), 600 m. w. N. in Fußn. 15. (Fußn. 527), 210: Beleihung ist Ausübung öffentlicher Verwaltung auf privater und nicht nur auf privatrechtlicher Basis. Bei der öffentlichen Verwal­ tung in privatrechtlicher Gestalt wandert die Verwaltung selbst in den Bereich des Privatrechts ab und nicht – wie bei der Beleihung – die Verwaltungsaufgabe in den Bereich des institutionell Privaten (201, Fußn. 49). Hierbei finden also lediglich „Grenzverschiebungen“ zwischen öffentlicher und privater Organisation des Staates statt (Köttgen, Die rechtsfähige Verwaltungseinheit, VerwArch 44, 1, 96). 2066  Hellermann (Fußn. 418), 140; Steiner, Der „beliehene Unternehmer“, JuS 1969, 69, 73, Fußn. 65 m. w. N. 2067  Siehe die Ermächtigung für Eigengesellschaften und gemischt-öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform durch § 85 Abs. 6 GemO Rhl-Pf. 2068  BVerfG v. 17.01.1979, 2 BvL 6 / 76, BVerfGE 50, 195, 201; BVerfG v. 12.01.1982, 2 BvR 113 / 81, BVerfGE 59, 216, 226. 2069  Danwitz (Fußn. 517), 600. 2070  Frotscher, Die Ausgestaltung kommunaler Nutzungsverhältnisse bei An­ schluß- und Benutzungszwang 1974, 11. 2071  Ehlers (Fußn.  633), 175 f. 2065  Steiner

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

zen deutlich, die das Staatshandeln in privaten Organisationsformen mit sich bringt.2072 Da das kommunale Selbstverwaltungsrecht im Rahmen der Gesetze ga­ rantiert ist, gilt die Formenwahlfreiheit jedenfalls dort, wo sie sich aus Normen ableiten lässt,2073 die im Einklang mit der Rechtsordnung stehen. Mit Rücksicht auf den Regelungsvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind dem Gesetzgeber jedoch sowohl im Kernbereich als auch in dessen Vorfeld Grenzen gesetzt, um einen ausreichenden Spielraum für die Ge­ meinde zu gewährleisten.2074 Gesetzgeberische Beschränkungen sind damit verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig.2075 Unionsrecht steht dieser Wahlfreiheit auch bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht entgegen.2076 Den Kommunen verbleibt die Wahlfreiheit in dem zulässigerweise vorgegebenen gesetzlichen Rahmen.2077 Es liegt dann grundsätzlich im Ermessen der Kommune, ob sie mit Gestaltungsmitteln des öffentlichen Rechts oder den Formen des Privatrechts tätig werden will.2078 Versteht man unter Wahlfreiheit allerdings, dass sich eine Kommune nach Belieben verhalten kann, so kann diesem Standpunkt nicht gefolgt werden. Die Selbstverwaltungsgarantie stellt kein Freiheitsgrundrecht dar, sondern ist als Kompetenzvorschrift anzusehen. Kompetenzen sind stets nach sach­ lichen und zweckgerichteten Erwägungen wahrzunehmen.2079 Nur insoweit gilt das Prinzip der organisatorischen Wahlfreiheit.2080 Hierbei kann die Gemeinde grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Organisationsermes­ sen2081 und nach den vom Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit geprägten lokalpolitischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen im Einzelfall2082 über die 2072  Danwitz

(Fußn. 517), 600. (Fußn. 420), 55, Fußn. 9: Unruh (Fußn. 1892), 662. 2074  Vgl. hierzu Kapitel 2 Abschnitt A. II. 2. 2075  BVerwG v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382, 1383. 2076  Burgi, Perspektiven kommunaler Wirtschaftstätigkeit im europäischen Rechtsrahmen, Landkreis 2003, 26 m. w. N. in Fußn. 7; vgl. hierzu auch Kapitel 2 Abschnitt A. II. 2. e). 2077  Hellermann (Fußn. 418), 142, Fußn. 32: Püttner (Fußn.  1818), 19 f. 2078  Hellermann (Fußn. 418), 142, Fußn. 33: OVG Münster v. 15.12.1994, 9 A 2251 / 93, NVwZ 1995, 1238, 1240. 2079  Ehlers (Fußn. 500), 141 m. w. N. in Fußn. 44. 2080  Erbguth / Stollmann (Fußn.  466), 799, m.  w.  N. in Fußn.  3; BVerwG v. 18.10.1993, 5 B 26 / 93, BVerwGE 94, 229, 231 f. 2081  Schmidt (Fußn. 1589), 349, Fußn. 22: Püttner (Fußn. 366), 85; Stober (Fußn. 1819), 454. 2082  Vgl. Katz, Verantwortlichkeiten und Grenzen bei „Privatisierung“ kommuna­ ler Aufgaben, NVwZ 2010, 405, 410. 2073  Gaß



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl357

geeignete Rechts- und Organisationsform für ihre Unternehmen entschei­ den.2083 Beschränkt werden kann diese Wahlfreiheit durch eine ausdrückli­ che Festlegung der Rechtsform durch die Rechtsordnung.2084 Während der Gemeinde eine formelle oder funktionale Privatisierung2085 grundsätzlich freisteht, kann die vollständige Übertragung der Aufgaben­ wahrnehmung auf Rechtsträger außerhalb der Kommunalverwaltung, insbe­ sondere eine Privatisierung der Aufgabe oder deren Verlagerung auf ein gemischtwirtschaftliches Beteiligungsunternehmen, zu Einbußen dieser Ei­ genverantwortlichkeit führen und damit auch die Verpflichtung zur Wahr­ nehmung des Selbstverwaltungsrechts2086 beeinträchtigen. Die Lehre von der Wahlfreiheit ist deshalb nicht unumstritten. Die An­ griffe auf die herrschende Meinung zielen entweder darauf ab, die Wahlfrei­ heit generell aufzugeben2087 oder diese im Sinne eines Regel-AusnahmeVerhältnisses zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht einzuschrän­ ken.2088 Die Hoheitsträger sollen nicht die Befugnis haben, dem eigens für sie geschaffenen Regime des öffentlichen Rechts zu entrinnen.2089 In der neueren Literatur wird an dem freien Organisationsermessen zunehmend 2083  Erbguth / Stollmann

(Fußn. 466), 799. (Fußn. 416), 109. 2085  Zu den Begriffen siehe Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3. b) bb) (3). 2086  BVerwG v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382, 1384. 2087  Koch (Fußn.  133), 47 ff.; Pestalozza, „Formenmißbrauch“ des Staates 1973, 166 ff. vertritt die Auffassung, die Wahl privatrechtlicher Rechtsformen beruhe auf einem doppelten Subsumtionsversuch des Staates bzw. seiner Untergliederungen. Mit der Wahl der Rechtsform werde die Absicht verfolgt, den zu regelnden Fall den Normen des Privatrechts zu unterwerfen. Dies setze aber als Vorfrage voraus, dass diese Normen für den Staat überhaupt zur Verfügung stehen. Wer den Staat ins Privatrecht wechseln lasse, mache ihn zum Herrn über die Kollisionsnorm, d. h., die Entscheidung über die personelle Geltung des öffentlichen und des privaten Rechts. Aus dem zwingenden Sonderrechtscharakter des öffentlichen Rechts leitet er ab, dass sich die staatliche Qualifikationshoheit nur auf die Sachnormen, nicht aber auf die Kollisionsnormen erstrecke, 172 ff. Allenfalls wenn „es an einer öffentlichrechtlichen Norm zur Regelung eines Sachverhalts fehlt“ (175), komme privatrecht­ liches Handeln der Verwaltung in Betracht. Denkbar sei nämlich auch, dass das Privatrecht ein Sonderrecht für „echte Private“ (191) sei. Wahlfreiheit der Verwal­ tung gebe es deshalb nicht. Diese Auffassung ist indes abzulehnen, da Pestalozza offensichtlich das öffentliche Recht selbst nur deshalb als Kollisionsregel benutzt, um den Staat als Schöpfer des Sonderrechts beim Wort zu nehmen (vgl. Zuleeg, Die Anwendungsbereiche des öffentlichen Rechts und des Privatrechts, VerwArch 73, 384, 389). 2088  So insbesondere Ehlers (Fußn. 493), 902; Zuleeg (Fußn. 2087), 397, leitet eine Vermutung zugunsten der Anwendung öffentlich-rechtlicher Normen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und dem „Verrechtlichungsgebot“ des Rechtsstaatsprinzips ab. 2089  Ehlers (Fußn. 493), 903. 2084  Pitschas / Schoppa

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Kritik geäußert mit der Zielrichtung, dass das Ausweichen auf Formen des Privatrechts nur subsidiär oder in begrenztem Umfang zulässig sein soll,2090 weil der Verantwortungsbereich der durch Wahlen legitimierten Volksvertre­ tungen geschmälert und damit auch der bürgerschaftliche Charakter der kommunalen Selbstverwaltung tangiert wird.2091 In der Tat bringt eine bei privatrechtlicher Unternehmensorganisation zwingende Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen auch für Bürger Nachteile, etwa wenn es darum geht, den Anspruch auf Benutzung einer in dieser Rechtsform betriebenen öffentlichen Einrichtung durchzusetzen. Die Organisationsform muss deshalb für die Verfolgung öffentlicher Zwecke geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein.2092 Insbesondere gegen die Überführung öffentlicher Einrichtungen nichtwirt­ schaftlicher Art in das private Organisationsrecht sind Bedenken angemeldet worden, da diese Einrichtungen zum Kernbereich der kommunalen Selbst­ verwaltung zählen. Hiervon bleibe wenig übrig, wenn die Kommunen diese Aufgaben mehr oder weniger nur noch von einer Anzahl „privatrechtlicher Neben-Verwaltungsträger“2093 wahrnehmen ließen. Umfang und Grenzen des kommunalen Organisationsermessens bei der Rechtsformwahl bestimmen sich innerhalb des jeweiligen gesetzlichen Rah­ mens nach der Art der zu erfüllenden Aufgabe2094 und den hierzu erforder­ lichen Befugnissen unter weitest gehender Gewährleistung einer dem De­ mokratieprinzip entsprechenden unterbrechungsfreien personellen und in­ haltlichen Legitimation, den Anforderungen des Rechts- und Sozialstaats­ prinzips an die Zweck-Mittel-Relation und der Grundrechtsbindung aller Handlungen der Organwalter. Die Organisations- und Handlungsformen stellen nur Instrumente zur Wahrnehmung der Aufgaben dar. Sie haben deshalb zu gewährleisten, dass der „öffentliche Zweck“ in jeder Rechtsform erfüllt und damit staatsbezo­ gene Publizität der Kommune auch beim Einsatz von Instrumenten des Privatrechts zugerechnet werden kann.

2090  Hellermann (Fußn. 418), 140, Fußn. 25: Ehlers (Fußn.  633), 375 ff.; Ehlers (Fußn.  493), 902 f.; Ehlers (Fußn.  1050), 105 ff. 2091  Ehlers (Fußn. 493), 903, Anm. 52 unter Bezug auf Oebbecke, Zweckver­ bandsbildung und Selbstverwaltungsgarantie 1982, 71 f. 2092  Ehlers (Fußn. 493), 903. 2093  Ehlers (Fußn. 493), 904. 2094  Brenner (Fußn. 694), 225 m. w. N. in Fußn. 7.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl359

2. Umfang und Grenzen der Wahlfreiheit Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der jeweiligen Rechtsform für ein kommunales Unternehmen und damit die Zulässigkeit der Entschei­ dung über die Rechtsformwahl bei einer Ausgliederung von Verwaltungsein­ heiten werden durch ein Geflecht aus unterschiedlichen und miteinander verwobenen Rechtsbeziehungen bestimmt: Zum einen ist das Rechtsverhältnis zwischen der Kommune und einer beabsichtigten rechtlich selbstständigen Organisationseinheit von Bedeu­ tung. Hierbei bestimmen die jeweilige Aufgabe und die zu ihrer Erfüllung bzw. Wahrnehmung erforderlichen verfassungsrechtlichen und durch den Rahmen der Gesetze bestimmten Anforderungen an Einwirkung und Kon­ trolle zur Unternehmenssteuerung Umfang und Grenzen der Zulässigkeit einer organisatorischen Selbstständigkeit gegenüber der allgemeinen Kom­ munalverwaltung. Im Verhältnis zwischen der Kommune und ihren Unternehmen hängt die Eignung der Rechtsform von der erforderlichen Selbstständigkeit des Unter­ nehmens zur Aufgabenerfüllung, angemessener Steuerung ihres Trägers durch Einwirkung und Kontrolle und von der Gewährleistung einer unun­ terbrochenen Legitimationskette zwischen dem Bürger und den Unterneh­ mensorganen ab. Die Anforderungen an Publizität und Transparenz der kommunalen Unternehmen haben sich nach den wahrzunehmenden Aufga­ ben zu richten und sich an den für die Kommune selbst geltenden Maßstä­ ben zu orientieren. Je näher eine Aufgabe am Kernbestand des Selbstverwaltungsrechts liegt, desto effektiver müssen diese Anforderungen inhaltlich ausgestaltet werden. Maßgeblich hierfür ist die inhaltliche und personelle Legitimation der recht­ lich selbstständigen Organisationseinheiten, die sich aus der Rechtsbezie­ hung zwischen der Kommune und ihren Wahlbürgern, dem „Teilvolk“ als Souverän, ableitet. Der Frage, ob und in welchem Umfang für diese auch ein Anspruch auf ordnungsmäßige Erfüllung der Ingerenzpflicht2095 und der Gewährleistung ausreichender Legitimation der Unternehmensorgane durch die Kommune besteht, ist im Hinblick auf Art. 38 Abs. 1 GG in der Ausle­ gung durch das BVerfG2096 gesondert nachzugehen.2097 2095  So Koch (Fußn.  133), 151, Fußn.  36 unter Bezugnahme auf Püttner (Fußn. 366), 120. 2096  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 340 f. 2097  Siehe hierzu die Darstellung unter Kapitel 4 Abschnitt B. I. und Kapitel 5 Abschnitt B. II. und III.

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Für die Nutzer öffentlicher Einrichtungen, die von kommunalen Unter­ nehmen betrieben, oder der Dienstleistungen, die von ihnen erbracht wer­ den, kann mit der organisatorischen Ausgliederung von Verwaltungseinhei­ ten ein Wechsel des Adressaten oder Vertragspartners für die Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Rechtsverhältnis verbunden sein. Während eine bloße Verlagerung von Aufgaben auf rechtlich unselbst­ ständige Organisationseinheiten, Regie- oder Eigenbetriebe, keine Änderung in der Aufgabenträgerschaft bewirkt, tritt bei Übertragung gemeindlicher Aufgaben auf ein Kommunalunternehmen als rechtlich selbstständiger An­ stalt des öffentlichen Rechts (oder auf einen Zweckverband als öffentlichrechtlicher Körperschaft) für den Nutzer stets ein „Partnerwechsel“ des Anspruchsadressaten ein. Eine echte „Dreiecksbeziehung“ zwischen der Kommune, einem Kommu­ nalunternehmen und dem Bürger kann entstehen, wenn nur bestimmte Auf­ gabenteile oder nur die Aufgabenwahrnehmung für die Kommune auf ein solches Unternehmen übertragen werden.2098 Ist das Unternehmen von der Kommune nur als Erfüllungsgehilfe in einem Umfang in die Aufgabenerfül­ lung eingeschaltet, wie sie auch ein Privater für die Kommune wahrnehmen könnte, ist allerdings fraglich, ob damit überhaupt Rechtsbeziehungen zu dem Unternehmen selbst ungeachtet dessen öffentlich-rechtlicher Rechts­ form entstehen2099 oder ob das Rechtsverhältnis weiterhin ausschließlich zum kommunalen Aufgabenträger besteht, dem für die Aufgabenerfüllung eine Garantenstellung zukommt.2100 Soweit eine organisatorische Ausgliederung in selbstständige Organisa­ tionseinheiten Rechtsbeziehungen des Bürgers sowohl zur Kommune als 2098  So hat beispielsweise die kreisfreie Stadt Amberg einem im Jahr 1996 zur wirtschaftlichen Betätigung auf dem Gebiet Stadtmarketing gegründeten Kommunal­ unternehmen (Amberger Congress Marketing – ACM) sämtliche Aufgaben des Be­ triebs des Amberger Congress Centrums (ACC) übertragen, dessen Benutzung in privatrechtlichen Handlungsformen erfolgt. Insoweit ist das Kommunalunternehmen an Stelle der Stadt Aufgabenträger. Außerdem ist diese Anstalt des öffentlichen Rechts auch Holding für die städtische Beteiligung an der Wirtschaftsförderungsge­ sellschaft Gewerbebau Amberg GmbH, einem gemischtwirtschaftlichen Unterneh­ men. Insoweit ist sie nur mit der Wahrnehmung der städtischen Aufgaben betraut, dessen Vorstand in Angelegenheiten der Holding den Oberbürgermeister zur Aus­ übung der Rechte als beherrschende Gesellschafterin der GmbH bevollmächtigt hat. Die Intensität der zur Steuerung des Kommunalunternehmens erforderlichen Ein­ griffs- und Kontrollbefugnisse des Stadtrates und des Verwaltungsrats sind dabei von der jeweiligen Aufgabe abhängig (vgl. § 7 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 der Unternehmenssat­ zung vom 29.03.1996, Amtsblatt der Stadt Amberg Nr. 7 vom 06.04.1996, geändert durch Satzung vom 25.06.2002, Amtsblatt der Stadt Amberg Nr. 13 vom 06.07.2002). 2099  Vgl. hierzu § 24 LVwG SH (Fußn. 504). 2100  Koch (Fußn. 133), 197 m. w. N. in Fußn. 25.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl361

auch zu deren Unternehmen entfaltet, besitzt diese Duplizierung der Adressa­ ten auch Auswirkungen auf die internen Rechtsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und der Trägerkommune, und zwar sowohl hinsichtlich der Ge­ währleistung ausreichender Legitimation des Unternehmens gegenüber dem Wahlbürger als Souverän als auch für die Nutzer dieser Einrichtungen und Dienstleistungen zur Sicherstellung von Zugangs- und Nutzungsansprüchen. Handeln diese Einheiten in Privatrechtsform, können zusätzliche Hindernisse einer effektiven Durchsetzung von Nutzeransprüchen entgegenstehen. Bei privatrechtlichen Organisationsformen kommunaler Unternehmen als Eigengesellschaften oder als kommunal beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen wird eine solche „Dreiecksbeziehung“ durch die Regelungen des Zivilrechts und insbesondere des Gesellschaftsrechts determiniert. Das Gesellschaftsrecht beeinflusst einerseits die Rechtsbeziehung zwi­ schen dem Unternehmen und der Kommune als Aufgabenträgerin, das Zi­ vilrecht im Übrigen auch noch das Rechtsverhältnis zum Bürger als Kunden des Unternehmens, weil privatrechtlich organisierte Unternehmen regelmä­ ßig nur in den Formen des Privatrechts handeln können. Das Gesellschafts­ recht hat, soweit es zwingender Natur ist, andererseits auch für die Teilha­ berechte des Bürgers als Souverän restringierenden Einfluss auf die Auf­ rechterhaltung einer ununterbrochenen Legitimationskette zu den Unterneh­ mensorganen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der jeweiligen privatrechtlichen Rechtsform hängt damit von der Gewährleistung ausreichender Einflussnah­ me und Kontrolle der Kommune über das Unternehmen ab, und zwar so­ wohl im Interesse der Zugänglichkeit zu den kommunalen Dienstleistungen der Daseinsvorsorge für die Kunden als auch zur Sicherstellung der demo­ kratischen Legitimation des Unternehmens durch den Souverän. Für beide Personengruppen kommt es darauf an, in welchem Umfang die gegenüber der Kommune selbst geltenden Maßstäbe des Zugangs zu Leistungen bzw. der inhaltlichen und personellen Legitimation auch gegenüber den Organen der ausgegliederten Verwaltungseinheiten angewendet werden müssen. Für die Nutzer öffentlicher Einrichtungen und Dienstleistungen sind Or­ ganisations- und Handlungsformen rechtlich selbstständiger kommunaler Unternehmen nur dann geeignet, wenn sie die diskriminierungsfreie Zu­ gänglichkeit zu den Dienstleistungen und Transparenz der Benutzungsbedin­ gungen im Vergleich zum Handeln der Kommune selbst nicht unverhältnis­ mäßig einschränken. Eine damit verbundene Abschwächung des Rechts­ schutzes muss durch sachliche Gründe und benennbare öffentliche Interessen gerechtfertigt werden können.2101 2101  Zuleeg

(Fußn. 2087), 399.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Bei öffentlichen Aufgaben, die von der Kommune in Form einer Unter­ nehmensbeteiligung als Minderheitsgesellschafterin / -aktionärin mit Priva­ ten oder gemeinsam mit anderen kommunalen oder staatlichen Trägern wahrgenommen werden, ist eine ununterbrochene Legitimationskette bis zu den Unternehmensorganen nicht immer gewährleistet. Sie endet häufig be­ reits bei den Organen der Kommune. Umstritten ist, inwieweit allgemeine Grundsätze des öffentlichen Rechts und eine direkte oder indirekte Grund­ rechtsbindung auch für die Rechtsbeziehung solcher Beteiligungsunterneh­ men gegenüber den Kunden oder Nutzern der von ihnen betriebenen Ein­ richtungen greifen.2102 Entscheidend ist insoweit, ob mit dem gemischt­ wirtschaftlichen Unternehmen auch bei einer Minderheitsbeteiligung der Kommune materiell öffentliche Verwaltung ausgeübt wird.2103 Der BGH2104 hat bei einer Minderheitsbeteiligung von 23% zwar keinen bestimmenden Einfluss der Kommune und damit keine Beherrschung des Unterneh­ mens2105 angenommen, aber das Unternehmen habe es aufgrund eines Konzessionsvertrages übernommen, faktisch einen Teil der der Kommune kraft öffentlichen Rechts obliegenden gemeindlichen Pflichtaufgabe (der Löschwasserversorgung) zu erfüllen. Damit unterliege es aber insoweit auch den Bindungen, die das öffentliche Recht für diese Art der öffentli­ chen Verwaltung dem jeweiligen Träger auferlegt. Soweit solche Unterneh­ men nur als Erfüllungsgehilfen für Aufgaben der öffentlichen Hand einge­ schaltet sind, wie es auch rein private Unternehmen sein können, ist ihr Handeln nach allgemeiner Meinung dem kommunalen Aufgabenträger un­ mittelbar zuzurechnen. In diesen Fällen sind Ansprüche der Nutzer gegen die Kommune zu richten. Bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen und PPP-Modellen sind auch noch die gesellschaftsrechtlichen bzw. vertraglichen Beziehungen der Kom­ mune zu ihren privaten Partnern von Bedeutung und deren Rechte und Pflichten als Teilhaber an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, insbe­ sondere ihre Grundrechtsbindung zu beachten.2106 Eine bereits bei der Rechtsformwahl zu berücksichtigende Rechtsbezie­ hung kann schließlich bei wirtschaftlicher Betätigung der Kommune oder ihres Unternehmens zu privaten Konkurrenten im Wettbewerb entstehen. Hierbei kann es auch für Ansprüche von Wettbewerbern zu einem „Adres­ satensplitting“ kommen. Geht es um die Zulässigkeit unternehmerischer Tätigkeit der Kommune an sich, also die Rechtmäßigkeit des Marktzugangs 2102  Vgl.

hierzu die Nachweise in Fußn. 931. v. 07.06.1977, 1 BvR 108 / 73, BVerfGE 45, 63, 80. 2104  BGH v. 24.09.1987, III  ZR  91 / 86, NVwZ-RR 1989, 388, 389 f. 2105  Koch (Fußn. 133), 99. 2106  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226, 245 ff. 2103  BVerfG



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl363

oder die Zulässigkeit einer Marktabschottung durch ein Monopol, so ist das Rechtsverhältnis zur Kommune betroffen. Geht es um das Verhalten selbst­ ständiger kommunaler Unternehmen bei geschäftlichen Handlungen im Markt, so steht das Rechtsverhältnis des Mitbewerbers zum Unternehmen im Vordergrund. Die Kommune kann in diesen Fällen aber auch aufgrund ihrer Verpflichtung zur Einwirkung auf das Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf das Gebot maßvoller Zurückhaltung, Anspruchsadressatin sein. Zugunsten von Konkurrenten kommunaler Unternehmenstätigkeit schließ­ lich bilden die Grundrechte und die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen des Wettbewerbsrechts mit den Instrumenten des Beihilferechts gegen Wett­ bewerbsverzerrungen2107 und des Vergaberechts zur Sicherung der Transpa­ renz bei Dienstleistungsaufträgen und Dienstleistungskonzessionen2108 an eigene oder beherrschte Unternehmen sowie zur Verhinderung unzulässiger In-house-Geschäfte2109 den Maßstab für die Zulässigkeit marktbezogener Betätigung ebenso wie für diskriminierungsfreies und maßvolles Verhalten bei geschäftlichen Handlungen im Markt. a) Verfassungsrechtliche Grenzen für die Wahl der Organisationsform aa) Kompetenzordnung und Schutzwirkung des Art. 28 Abs. 2 GG Selbstständige kommunale Unternehmen gehören zum Bild der kommu­ nalen Selbstverwaltung im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG.2110 Wäh­ rend über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unter­ schiedliche Auffassungen herrschen,2111 hat die für die gemeindlichen Ge­ bietskörperschaften maßgebliche Regelung des Art. 28 Abs. 2 GG bisher 2107  EuGH

v. 05.10.1994, C-280 / 93, Slg. 1994, I-04973. Kapitel 2 Abschnitt C. III. 1. b). 2109  OLG Düsseldorf v. 28.07.2011, VII-Verg 20 / 11 u. a., NZBau 2012, 50. 2110  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 783, Fußn. 34: kritisch Schoch (Fußn. 536); Ade /  Beyer / Roloff / Krautter (Fußn.  1866), 21 f. 2111  Ehlers (Fußn. 633), 113: Die grundsätzliche Kompetenzabgrenzung in Art. 30 GG gilt sowohl für die gesetzesakzessorische wie auch für die gesetzesfreie Erfül­ lung staatlicher Aufgaben, die auch nicht unter Verwendung privatrechtlicher Orga­ nisationsformen unterlaufen werden darf; vgl. BVerfG v. 28.02.1961, 2 BvG 1 / 60 u. a., BVerfGE 12, 205, 244 ff.; Ossenbühl (Fußn. 1047), 131 hält es für vertretbar, die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb ganz von der grundge­ setzlichen Kompetenzordnung freizustellen. Diese Auffassung wird nicht geteilt, da jede staatliche Tätigkeit einer Rechtfertigung durch einen öffentlichen Zweck bedarf. So auch Ehlers (Fußn. 633), 114. 2108  Siehe

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

kaum Anlass zu einer Kontroverse gegeben.2112 Im Gegensatz zur Rechts­ formwahl bei der Bundesverwaltung2113 lassen sich für den Bereich der kommunalen Unternehmen aus den Kompetenzvorschriften des Grundge­ setzes keine grundsätzlichen Argumente gegen die Wahl privater Rechts­ formen ableiten.2114 Allerdings soll die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen verschiede­ nen Hoheitsträgern verhindern, dass diese miteinander in Konkurrenz treten oder sich bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben behindern. Die Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis der Hoheitsträger untereinander folgt aus dem Bundesstaatsprinzip.2115 Der Zweck der Kom­ petenzbestimmungen lässt sich nur erreichen, wenn es den Hoheitsträgern auch versagt ist, auf dem Umweg über die privatrechtlichen Organisations­ formen die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch einen anderen Hoheitsträ­ ger zu durchkreuzen. Danach sind die Hoheitsträger bei der Ausübung ihrer Rechte und der Wahrnehmung ihrer Pflichten auch gehalten, auf ihre Unter­ nehmen „zügelnd“ einzuwirken, falls durch die tatsächliche Durchführung der Aufgabe ein anderer Hoheitsträger in seinem Wirkungskreis nachteilig beeinträchtigt werden könnte.2116 Bei überörtlicher Tätigkeit übt die Gemeinde keine Selbstverwaltung mehr aus, da die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung an das eigene Gebiet und die Einwohner bezogenen Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft anknüpft. Das aus der Beschränkung auf die eigenen Kompetenzgrenzen folgende Gebot der Rücksichtnahme und die horizontale Schutzwirkung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zugunsten der Zielkommune2117 fordern, dass deren berechtigte Interessen gewahrt werden2118 und deshalb ohne deren Zustimmung oder ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung keine auf anderes Gemeindegebiet ausgreifende aufgabenbezogene Betätigung zulässig ist.2119

2112  Ehlers

(Fußn. 633), 113. (Fußn. 358), 45 ff. im Hinblick auf Art. 87d Abs. 1 Satz 2 GG und die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern bei der Bundesauftrags­ verwaltung nach Art. 85 Abs. 3 und 4 GG. 2114  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 784. 2115  Spannowsky (Fußn. 1954), 413; vgl. auch BayVGH v. 04.09.1984, 1 B 82 A. 439, BayVBl 1985, 83. 2116  Spannowsky (Fußn. 524), 1075. 2117  Siehe Kapitel 2 Abschnitt A. II. 2. d). 2118  Nierhaus (Fußn. 723), 54. 2119  Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt B. I. 2. e) cc). 2113  Mann



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl365

bb) Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG als Regelvorgabe Da nur juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnisse begründen können, wird von Teilen der Lite­ ratur2120 aus Art. 33 Abs. 4 GG der Grundsatz entnommen, dass die Aus­ übung hoheitsrechtlicher Befugnisse in der Regel mittels öffentlich-rechtli­ cher Organisationsformen zu bewältigen ist.2121 Das BVerfG konnte in seiner Entscheidung zum Hessischen Maßregelvollzug offen lassen, inwieweit der Funktionsvorbehalt überhaupt für die leistende Verwaltung Geltung bean­ sprucht.2122 Bei teleologischer Interpretation des Art. 33 Abs. 4 GG wird die Einschlägigkeit des Funktionsvorbehaltes hierfür von der Literatur nicht grundsätzlich verneint,2123 allerdings unter Ausschluss fiskalischer Hilfsge­ schäfte und reiner Erwerbswirtschaft.2124 Nach wohl herrschender Mei­ nung2125 kann der Begriff „hoheitliche Befugnisse“ in Art. 33 Abs. 4 GG extensiv interpretiert werden, doch sei auch bei der Leistungsverwaltung für eine Abweichung von öffentlich-rechtlich organisierten dienstherrnfähigen Rechtsträgern ein sachlicher Grund erforderlich.2126 Art. 33 Abs. 4 GG zeigt, dass die Aufgaben zwar („in der Regel“) durch Beamte, daneben aber auch durch privatrechtlich Angestellte des öffentli­ chen Dienstes erfüllt werden können. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine „aufgabenorientierte quantitative Begrenzung der rechtsformbezogenen Wahlfreiheit des Staates“.2127 Vielmehr beinhaltet die „Regel“-Vorgabe aus­ weislich der Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 4 GG und nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift darüber hinaus eine qualitative Anforderung 2120  Im Hinblick auf die Einordnung von Aufgaben der Daseinsvorsorge werden im Wesentlichen drei Auffassungen vertreten: Nach einer weiten Auslegung des Vorbehalts sind die „hoheitlichen Befugnisse“ mit der Erfüllung öffentlicher Aufga­ ben gleichzusetzen. Eine zweite Auffassung sieht die Erfüllung öffentlicher Aufga­ ben dann als Ausübung hoheitlicher Befugnisse an, wenn sie in den Formen des öffentlichen Rechts erfolgt. Schließlich stellt eine dritte, enge Auffassung auf den eingreifenden Charakter der Tätigkeit ab, ohne dies allerdings von vornherein auf den Bereich der traditionell so bezeichneten sog. „Eingriffsverwaltung“ zu beschrän­ ken. Vgl. Brenner (Fußn. 694), 230, Fußn. 24 unter Bezugnahme auf Lübbe-Wolff, in: Dreier, Grundgesetz, Kommentar, Band II 1998, Art. 33 Rdnr. 57 ff. m. w. N. 2121  Ehlers (Fußn. 633), 121 und Fußn. 62 m. w. N. 2122  BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 140. 2123  Manssen (Fußn. 1879), 256. 2124  Mann (Fußn. 358), 50 m. w. N. in Fußn. 28. 2125  Ehlers (Fußn. 633), 122, Fußn. 70 m. w. N. 2126  Mann (Fußn. 358), 51, Fußn. 37: Ule / König / Laubinger / Wagener, Öffent­ licher Dienst 1977, 537, 561. 2127  So aber Mann (Fußn. 358), 49 m. w. N. in Fußn. 23.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

an die zugelassenen Ausnahmen.2128 Die Vorgaben des Art. 33 Abs. 4 GG gelten auch für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in privatrechtlicher Organisationsform.2129 Demgemäß entspricht es der vorherrschenden Auf­ fassung in Rechtsprechung und Literatur, dass Art. 33 Abs. 4 GG unabhän­ gig von der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisation des Aufgabenträgers anzuwenden ist.2130 Gerade im Hinblick auf die Wahrneh­ mung von Aufgaben der Daseinsvorsorge in privatrechtlicher Handlungs­ form liegt eine aufgabenorientierte Bestimmung der „hoheitlichen Befugnis­ se“ nahe, weshalb aus dem Bereich der Leistungsverwaltung zumindest diejenigen Aufgabenbereiche in der Regel Beamten vorzubehalten sind, die wesentliche Grundrechtsrelevanz aufweisen.2131 Dabei ist von Bedeutung, inwieweit der Staat beim Anbieten von Leistungen als Monopolist auftritt2132 und hierbei nicht nur faktische Auswirkungen auf Wettbewerber, sondern ihnen gegenüber belastende Eingriffe durch eine „Regelung“2133 erzeugt. Die Ausnahmemöglichkeit betrifft damit Fälle, in denen der Sicherungs­ zweck des Funktionsvorbehalts die Wahrnehmung der betreffenden hoheit­ lichen Aufgaben durch Berufsbeamte ausweislich bewährter Erfahrung nicht erfordert oder im Hinblick auf funktionelle Besonderheiten nicht in gleicher Weise wie im Regelfall angezeigt erscheinen lässt.2134 Die Ausnahmen müs­ sen durch einen besonderen sachlichen Grund gerechtfertigt sein und kön­ nen nicht allein mit einem rein fiskalischen Gesichtspunkt begründet wer­ den. Dieses Erfordernis des sachlichen Grundes schließt ein, dass Ausnah­ men durch „wertende Abgrenzung“ als „abwägende Berücksichtigung be­ sonderer Gründe“2135 durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt sind.2136 2128  BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 145: „In den Diskussionen des Parlamentarischen Rates wurden als Beispiele, für die die Ausnah­ memöglichkeit Spielraum eröffnen sollte, vor allem Bereiche genannt, die, sofern überhaupt als hoheitlich eingeordnet, jedenfalls als nicht primär hoheitlich geprägt erachtet wurden, wie wirtschaftliche Tätigkeiten der öffentlichen Hand, einschließ­ lich staatlicher und kommunaler Einrichtungen der Daseinsvorsorge, und das Gebiet der Fürsorge“. 2129  BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 134. 2130  BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 137: a. A. Manssen (Fußn. 1879), 257, der davon ausgeht, dass sich aus Art. 33 Abs. 4 GG grundsätzlich keine Grenzen für eine Privatisierung ergeben. 2131  Brenner (Fußn. 694), 230, Fußn. 25: ausführlich Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum 2000, 122 ff. 2132  Brenner (Fußn. 694), 230. 2133  Vgl. hierzu die Darstellung unter Kapitel 2 Abschnitt B. II. 2. 2134  BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 145. 2135  BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 148. 2136  BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 146 ff.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl367

Dies bedeutet aber zugleich, dass der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG nicht beliebig durch die Übertragung von Verwaltungskompetenzen auf publizistische oder gemischt-publizistische Privatrechtsvereinigungen mit ei­ genem Anstellungsrecht unterlaufen werden darf.2137 Da Art. 33 Abs. 4 GG unter anderem auch dem Schutz des von hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung in seinen Grundrechten betroffenen Bürgers dient, ist ein Eingriff nicht recht­ fertigungsfähig, wenn er gegen Art. 33 Abs. 4 GG verstößt.2138 Ein solcher Verstoß kann für den Zugang der Bürger zu grundlegenden Leistungen der Daseinsvorsorge, wie dies etwa Versorgungs- und Entsorgungsdienstleistun­ gen im Bereich der kommunalen Pflichtaufgaben oder Dienstleistungen kom­ munaler Verkehrsbetriebe mit Betriebspflicht sein können, bei zivilrechtli­ cher Gestaltung der Benutzungsbedingungen entstehen. Der Einsatz privat­ rechtlich Beschäftigter mit Streikrecht bietet nicht die gleiche Gewähr für eine Wahrnehmung von Aufgaben, auf die Einwohner existenziell angewie­ sen sein können wie eine von Art. 33 Abs. 5 GG durch das Berufsbeamten­ tum institutionell garantierte und besonders gesicherte qualifizierte, loyale und gesetzestreue Aufgabenerfüllung.2139 Gerade zur Erfüllung von Daseins­ vorsorgeaufgaben bei Grundbedürfnissen der örtlichen Gemeinschaft im Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung, wie etwa dem vom BayVerfGH entschiedenen Fall zum Bestattungswesen,2140 kann dies geboten sein. cc) Verfassungsgrundsätze als Schranken der Wahlfreiheit Grenzen für die Wahlfreiheit der Organisationsform werden vor allem durch die Verfassungsgrundsätze des Demokratie- und des Rechtsstaatsprin­ zips sowie insbesondere für den Bereich der Daseinsvorsorge durch das Sozialstaatsprinzip gezogen. (1) Demokratieprinzip Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt, dass die Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie sowie für ein demokratisches Wahlverfahren nicht nur auf Bundes- und Landesebene gelten sollen, sondern auch in den Untergliederungen der Län­ der, den Gemeinden und Gemeindeverbänden.2141 Die Vorschrift gewähr­ 2137  Ehlers

(Fußn. 633), 115. v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 126. 2139  BVerfG v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, Rdnr. 136. 2140  Vgl. BayVerfGH v. 07.10.2011, Vf. 32-VII-10, BayVBl 2012, 234 (Fußn. 789). 2141  Vgl. Kapitel 2 Abschnitt A. I. 2. und BVerfG v. 24.07.1979, 2 BvK 1 / 78, BVerfGE 52, 95 ff., 111. 2138  BVerfG

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leistet damit für alle Gebietskörperschaften auf dem Territorium der Bun­ desrepublik Deutschland die Einheitlichkeit der demokratischen Legitima­ tionsgrundlage.2142 Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzge­ bung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Wil­ len des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden. Ausgeschlossen sind deshalb Strukturen aller Art, die eine „Brechung“ oder „Verbiegung“ dieses Willens ermöglichen oder erleichtern.2143 Für die Be­ urteilung, ob ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation er­ reicht wird, haben die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in der Literatur unterschiedenen Formen der institutionellen, funktionel­ len, sachlich-inhaltlichen und der personellen Legitimation Bedeutung nicht je für sich, sondern nur in ihrem Zusammenwirken. Aus verfassungsrechtli­ cher Sicht entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimm­ tes Legitimationsniveau.2144 Für die Organisationsform der Eigengesellschaft sichert eine Ausgestal­ tung als in-house-fähiges Unternehmen ein Höchstmaß an organisatorischsachlicher Legitimation und zugleich an personeller Legitimation der Un­ ternehmensorgane, weil die Kommune mit der „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen (operativen) Entscheidungen ausschlaggebend einwirken kann.2145 Auch Eigengesellschaften, die nur deshalb nicht in-house-fähig sind, weil sie sich auf Wettbewerbsmärkten nicht im Wesentlichen nur für die eigene Kommune wirtschaftlich betätigen, sind infolge der Erfüllung des Kontroll­ kriteriums2146 mit ausreichend demokratisch legitimierten Ingerenz- und Kontrollmöglichkeiten der Trägerkommune ausgestattet. Die In-house-Fä­ higkeit ist damit maßstabsbildend für die Ingerenzpflichten bei Eigenge­ sellschaften.2147 2142  BVerfG

v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, 53 f. (Fußn. 529), 77, Fußn. 4: ähnlich Steiner (Fußn. 527), 269. 2144  BVerfG v. 24.05.1995, 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37, 67; siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung in Kapitel 4 Abschnitt B. I. 2145  EuGH v. 13.10.2005, C-458 / 03, Slg. 2005, I-08585, Rz. 65; EuGH v. 11.05.2006, C-340 / 04, Slg. 2006, I-4137, Rz. 36; EuGH v. 10.09.2009, C-573 / 07, Slg. 2009, I-08127, Rz. 65. 2146  Vgl. hierzu die Nachweise in Fußn. 1733. 2143  Däubler



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Dieser Einfluss lässt sich bei Unternehmensgründung oder Beteiligung insbesondere durch befristete Verträge für die Geschäftsführung und durch Auswahl des Personals bei der Stellenbesetzung und der vorzusehenden Möglichkeit einer Abberufung von Unternehmensorganen bewirken,2148 al­ lerdings nur bei der Rechtsform der GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat durch uneingeschränkte Informations- und Einwirkungsrechte auch auf das operative Handeln der Unternehmensorgane. Die Möglichkeit, geeignete Bedienstete der Kommune als nebenamtliches Vorstands- oder Geschäfts­ führungsmitglied mit grundsätzlich gemeinschaftlicher Vertretungsbefugnis zu installieren, erlaubt der Trägerkommune zusätzliche Einflussnahme auf die Unternehmensleitung und trägt auch zu verstärkter Identifikation des Unternehmens mit den kommunalen Zielen bei. 2147

Bei einer Aktiengesellschaft, die sich in alleinigem Eigentum von Kom­ munen befindet, stehen die der Rechtsform immanente Eigenverantwortlich­ keit des Vorstandes und die Weisungsunabhängigkeit des Aufsichtsrates mit deren weitgehenden Entscheidungsbefugnissen2149 einer wirksamen Steue­ rung und Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle und damit einer Inhouse-Fähigkeit des Unternehmens auch dann entgegen, wenn das Unter­ nehmen das Wesentlichkeitskriterium2150 erfüllen sollte. Auch wenn sich die Kommune bei einer Eigengesellschaft in der Rechtsform der Aktiengesell­ schaft oder einer GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat weitgehende Informationsrechte über das Geschäftsgebaren2151 und Ingerenzbefugnisse ­ vorbehält, die eine Globalsteuerung und ein Letztentscheidungsrecht in grundlegenden Fragen ermöglichen, sind die rechtlichen Möglichkeiten der Steuerung über einen obligatorischen Aufsichtsrat infolge der Weisungsun­ abhängigkeit der auf Veranlassung der Kommune gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitglieder begrenzt, da sich deren Tätigkeit ausschließlich an den Gesellschaftsinteressen zu orientieren hat.2152 Bei diesen Aufsichtsrats­ 2147  Vgl. auch Spannowsky (Fußn. 1954), 410, Fußn. 33: Das OVG  Lüneburg v. 05.02.1981, 7 B 88 / 77, UPR 1982, 92 f. hat sogar eine gewisse Einheit von Eigen­ gesellschaft und Kommune (bei der Zurechnung von Einwendungen im atomrecht­ lichen Genehmigungsverfahren) bejaht mit der Folge, dass die Beschäftigten einer Eigengesellschaft als „Amtsträger“ im strafrechtlichen Sinn anzusehen sind. A. A. war das OLG Düsseldorf v. 09.11.1993, U (Kart) 2 / 93, NWVBl 1994, 193 ff. für ein Kartellrechtsverfahren. 2148  Danwitz (Fußn. 517), 608; Engel, Grenzen und Formen der mittelbaren Kom­ munalverwaltung 1981, 159 ff.; Engellandt (Fußn.  1806), 52 ff. 2149  EuGH v. 13.10.2005, C-458 / 03, Slg. 2005, I-08585, Rz. 67 ff. 2150  Siehe hierzu Kapitel 2 Abschnitt C. III. 2. b). 2151  Danwitz (Fußn. 517), 608. 2152  Oebbecke (Fußn. 1490), 244, Fußn. 2: Geerlings, § 52 Das kommunale Auf­ sichtsratsmandat, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 427.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

mitgliedern2153 kann der rechtliche Legitimationszusammenhang zwischen entsendender Kommune und dem Entsandten nur über eine Befristung des Mandats und die Möglichkeit der Abberufung des Mandatsträgers herge­ stellt werden.2154 Deshalb hält Ehlers es für geboten, den Vorstand einer Eigengesellschaft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft zur Unterneh­ menssteuerung einer Weisungsbindung zu unterwerfen.2155 Allerdings kön­ nen nur die Vorschriften des Konzernrechts genutzt werden,2156 um bei Gesellschaften mit obligatorischem Aufsichtsrat mit einem Beherrschungs­ vertrag eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation der Entscheidun­ gen von Leitungsorganen zu gewährleisten. Entscheidungskompetenzen lassen Amts- oder Organträgern im Allgemei­ nen mehr oder minder weite Spielräume eigener Gestaltung. Sie können abgestuft etwa von Ermessensentscheidungen über die Inangriffnahme einer öffentlichen Aufgabe bis zur im Einzelnen gebundenen Anwendung kasuis­ tisch ausformulierter Rechtssätze auf bestimmte Sachverhalte reichen. Ha­ ben die Aufgaben eines Amtsträgers einen besonders geringen Entschei­ dungsgehalt, so mag dafür eine demokratische Legitimation ausreichen, bei der einzelne Legitimationselemente zurücktreten. Das kann jedoch nur in Betracht kommen, wenn Kompetenzen gegenständlich im Einzelnen und auch ihrem Umfang nach eng und inhaltlich messbar vorstrukturiert oder begrenzt sind.2157 Ob ein solches „Privileg“ auch für Unternehmensorgane gilt, die nach Gesellschaftsrecht eigenverantwortlich oder weisungsunabhän­ gig handeln, bedarf noch einer näheren Prüfung.2158 Bei Eigengesellschaften in der Rechtsform der GmbH, für die ein fakultativer Aufsichtsrat eingerichtet werden kann, besteht auch die Möglichkeit, statt eines solchen Aufsichtsrates einen Beirat oder ein sonstiges Experten­ gremien mit nur beratenden Aufgaben zu bestellen. Dabei ist ein Gremium nur dann als Aufsichtsrat im Sinne des § 52 GmbHG zu qualifizieren, wenn 2153  Ihre Stellung wird in der Literatur teilweise auch mit der gewählter Abge­ ordneter (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) als Repräsentanten im Sinne einer egalitär-de­ mokratischen Repräsentationstheorie verglichen: Lieschke, Die Weisungsbindungen der Gemeindevertreter in Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen 2002, 31 m. w. N. in Fußn. 126. 2154  Lieschke (Fußn. 2153), 31 m. w. N. in Fußn. 124; Raiser, Weisungen an Auf­ sichtsratsmitglieder?, ZGR 1978, 391, 396. 2155  Ehlers (Fußn. 493), 904; vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel 4 Abschnitt B. II. 1. b) aa) (3). 2156  Ehlers (Fußn. 493), 904, Fußn. 64: Emmerich (Fußn.  370), 213 ff.; Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesell­ schaften 1977, 97 ff.; Schneider, Die Gebietskörperschaft als Konzernspitze 1985, 88 ff. 2157  BVerfG v. 15.02.1978, 2 BvR 134 / 76 u. a., BVerfGE 47, 253, 273. 2158  Siehe Kapitel 4 Abschnitt B. I. 1.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl371

ihm zumindest die Aufgabe der Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG) obliegt.2159 Sofern dieses Gremium keine Überwachungs­ befugnisse besitzt, muss dessen Legitimation insoweit nicht auf das Volk zurückgeführt werden, denn aus dem Bereich des demokratisch zu legiti­ mierenden Handelns scheiden grundsätzlich bloß vorbereitende und rein konsultative Tätigkeiten aus.2160 In diesem Bereich können Vertreter gesell­ schaftlicher Interessen oder auch Mitarbeitervertretungen an der Wahrneh­ mung von Verwaltungsaufgaben teilnehmen. Verdichtet sich indes die un­ verbindliche, bloß beratende Teilhabe an der Aufgabenerfüllung zur Mitent­ scheidung, so wird staatliche Herrschaft ausgeübt, die demokratisch, d. h. vom Staatsvolk, legitimiert sein muss.2161 Bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und Eigengesellschaften, die einer Arbeitnehmermitbestimmung durch das MitbestG 1976 oder das Mon­ tanMitbestG unterliegen, sind besondere Anforderungen an die Legitimation zu stellen, da in diesen Fällen die Geschäftsführung der GmbH bzw. der Vorstand einer Aktiengesellschaft nicht mehr (allein) von Vertretern der Kommune, sondern von einem, bei der Aktiengesellschaft sogar unabhängi­ gen, nur teilweise mit Vertretern der Kommune besetzten Aufsichtsrat be­ stellt werden, so dass es dem Leitungsorgan an personeller Legitimation fehlen kann.2162 Hieraus folgt, dass kommunale Minderheitsbeteiligungen an gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften den Unternehmensorganen keine personelle Legitimation und der Tätigkeit nur unter der Voraussetzung einer entspre­ chenden Zweckprogrammierung der Unternehmenssatzung bzw. des Gesell­ schaftsvertrages eine inhaltliche demokratische Legitimation für die Wahr­ nehmung einer kommunalen Aufgabe gemeinsam mit Privaten vermitteln können, soweit der Private bei der konkreten Entscheidung dem Vorschlag der Kommune folgt. (2) Rechtsstaatsprinzip Das (in Art. 28 Abs. 1 GG, nicht aber in Art. 20 GG ausdrücklich erwähn­ te) Rechtsstaatsprinzip ist bedeutsam für die Art und Weise der Umsetzung des Volks- und Parlamentswillens, d. h., es darf nur mit „rechtsstaatlichen Mitteln“ geschehen.2163 2159  Lieschke

(Fußn. 2153), 43 m. w. N. in Fußn. 185. v. 15.02.1978, 2 BvR 134 / 76 u. a., BVerfGE 47, 253, 273. 2161  BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60, 73. 2162  Koch (Fußn. 133), 216; vgl. hierzu Kapitel 4 Abschnitt B. I. 2163  Däubler (Fußn. 529), 78. 2160  BVerfG

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Anforderungen an die materielle Rechtsstaatlichkeit mit den Gesichts­ punkten Gerechtigkeit und Rechtssicherheit2164 setzen vor allem der Schaf­ fung undurchsichtiger Organisationsstrukturen Grenzen, soweit diese die Rechtsschutzmöglichkeiten für die Bürger vermindern, materielle Rechts­ bindungen vernachlässigen oder Verantwortlichkeiten verunklaren.2165 Die Inanspruchnahme rechtlich selbstständiger Organisationsformen darf nicht zu einer Beeinträchtigung des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG und einer Befreiung von Grundrechtsbedingungen oder einer Ver­ kürzung des Grundrechtsschutzes führen.2166 Hieraus folgt, dass bereits bei der Gründung von Unternehmen in Privatrechtsform Vorkehrungen zu treffen sind, um Eigeninteressen der Handelnden auch durch ein hohes Maß an Transparenz auszuschließen. Aus dem Gebot einer rechtsstaatlich und demo­ kratisch strukturierten Staatsorganisation resultiert auch die Pflicht zur Ge­ währleistung einer ordnungs- und rechtmäßigen Kompetenzausübung. Damit muss bei der Ausgliederung der Aufgabenwahrnehmung auf rechtlich ver­ selbstständigte Organisationseinheiten auch in Bezug auf die fachliche, per­ sönliche und institutionelle Eignung der Organwalter eine prinzipielle Gleich­ wertigkeit mit der allgemeinen Verwaltung gewährleistet sein.2167 Durch das unmittelbar aus der Rechtsbindung der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Verwaltungsprivatrecht2168 soll bei Nutzung privatrechtlicher Or­ ganisationsformen diese Gleichwertigkeit sichergestellt werden, denn zwi­ schen materiellem Recht und der Organisationsform besteht eine Interdepen­ denz.2169 Die Verwaltung darf deshalb nur dann ins Privatrecht ausweichen, wenn sie auch dort den prinzipiellen Anforderungen, die die Verfassung an die Ausübung der Verwaltungstätigkeit stellt, nachkommen kann.2170 Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips sind auch die gesetz­ lichen Inkompatibilitätsregeln2171 zu betrachten, die der Vermeidung von 2164  Mann

(Fußn. 358), 85 m. w. N. in Fußn. 174. (Fußn. 358), 85, Fußn. 177: Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwal­ tungsaufgaben durch Private, in: Gallwas / Kriele / Ossenbühl / Simson (Hg.), Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Speyer am 8. und 9. Oktober 1970, VVDStRL (29), 1971, 136 ff., 137. 2166  Badura (Fußn. 189), 251. 2167  Steiner (Fußn. 527), 271 f. in Bezug auf eine Aufgabenübertragung auf Pri­ vate durch Beleihung m. w. N. in Fußn. 98, wobei der tatsächliche Schwerpunkt dieser Problematik nicht bei den Beliehenen, sondern allein schon wegen des Um­ fangs bei verwaltungseigenen Verwaltungsträgern des Privatrechts liege. 2168  Danwitz (Fußn. 517), 609. 2169  Ehlers (Fußn. 633), 109, Fußn. 2: Rupp, Die „Verwaltungsvorschriften“ im grundgesetzlichen Normensystem, JuS 1975, 609, 614; Starck, Die Grundrechte des Grundgesetzes, JuS 1981, 237, 242. 2170  Ehlers (Fußn. 633), 130. 2165  Mann



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl373

Interessenkollisionen und Entscheidungskonflikten dienen und daraus mög­ licherweise entstehenden Verfilzungen vorbeugen sollen. Da Art. 137 Abs. 1 GG nicht nur die Wählbarkeit, sondern als Ausnahme zu Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 GG auch die Ausübung des Mandats betrifft, dürfen leitende Angestellte eines öffentlichen Unternehmens, das von der entspre­ chenden Vertretungskörperschaft beherrscht wird, nicht zugleich Mandats­ träger derselben Vertretungskörperschaft sein.2172 Personen, die berechtigt sind, ein solches Unternehmen allein oder gemeinsam mit anderen nach außen zu vertreten, sind damit als „Angestellte des öffentlichen Dienstes“ im Sinne des Art. 137 Abs. 1 GG anzusehen. 2171

Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt hinsichtlich der Verantwortlichkeit der öffentlichen Hand weiterhin, dass der Rechtsstaat kontrollfreie Räume auch bei Einbeziehung Privater in die öffentliche Aufgabenwahrnehmung nicht entstehen lassen darf2173 und deshalb zur Einwirkung auf und zur Kontrolle des Unternehmens im Interesse einer effizienten Wahrnehmung der öffent­ lichen Aufgabe verpflichtet ist. Deshalb sind bei Einschaltung Privater in die Aufgabenerfüllung geeignete Kontrolleinrichtungen, namentlich bei der Auswahl des Privaten, in Anlehnung an die bei der Beleihung entwickelten Grundsätze2174 angezeigt.2175 Diese Auswahl hat beispielsweise bei Be­ triebsführungsmodellen (PPP) grundsätzlich in einem wettbewerblichen Verfahren durch Ausschreibung zu erfolgen,2176 bei Betreibermodellen oder Konzessionsvergaben durch einen Dienstleistungsauftrag bzw. eine Dienst­ leistungskonzession nach den Regelungen des Unionsrechts.2177 Schließlich ist auch bei der Rechtsformwahl der allgemeine Funktions­ vorbehalt gemeinwohlorientierter Aufgabenwahrnehmung als vorverfas­ sungsmäßiger Legitimationsgrund aller Staatlichkeit zu beachten, der die Erfüllung eines öffentlichen Zwecks fordert und rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit zu Finanzierungszwecken ausschließt.2178 2171  Vgl. beispielsweise die landesgesetzlichen Regelungen in Bayern (Art. 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayGO) und Baden-Württemberg (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c GemO BW). 2172  Mann (Fußn. 358), 71 und Fußn. 89 m. w. N. abweichender Meinungen zu BVerfG v. 21.01.1975, 2 BvR 197 / 74, BVerfGE 38, 326, 339 und BVerfG v. 04.04.1978, 2 BvR 1108 / 77, BVerfGE 48, 64, 85. 2173  Spannowsky (Fußn. 1954), 413. 2174  Steiner (Fußn. 527), 277; BVerwG v. 29.11.1955, I C 191.53, BVerwGE 2, 349, 353; BVerwG v. 26.06.1970, VII C 10.70, DVBl 1970, 736, 738. 2175  Däubler (Fußn. 529), 90. 2176  Hellermann (Fußn. 418), 205, Fußn. 256: Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 242. 2177  Vgl. hierzu die Darstellung unter Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3. b) bb) (3) und Kapitel 2 Abschnitt C. III. 1. b) bb). 2178  Mann (Fußn. 358), 80; vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel 2 Abschnitt B. I. 2.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

(3) Sozialstaatsprinzip Nach dem in Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG verankerten Sozialstaatsprin­ zip sind die Kommunen als Teil der staatlichen Ordnung verpflichtet, zur sozialen Sicherung und Gestaltung, zur Gewährleistung gleichmäßiger Las­ tenverteilung, zum Ausgleich und zu sozialer Gerechtigkeit sowie zur Ga­ rantie des Existenzminimums für ein menschenwürdiges Dasein tätig zu werden. Obwohl es keine institutionelle Garantie bestimmter Leistungen enthält und sich aus dem Sozialstaatsprinzip für den Bürger kein subjektivöffentliches Recht ableitet, wird der Staat im Bereich der Leistungsverwal­ tung und Daseinsvorsorge durch das objektiv-rechtliche Gebot, Grundbe­ dürfnisse der Bürger zu befriedigen, verpflichtet, ein Mindestmaß an Ver­ sorgung zu garantieren.2179 Allerdings lässt sich das Sozialstaatsprinzip als normative Verfassungsaussage mit verbindlicher Wirkung für alle Staatsge­ walt ohne konkrete Ausgestaltung nicht zu unmittelbaren Handlungsanwei­ sungen verdichten.2180 In den Gemeindeordnungen und Kommunalverfas­ sungen der Länder2181 ist das Sozialstaatsprinzip in den Vorschriften über die Verpflichtung zur Errichtung öffentlicher Einrichtungen im Rahmen der Leistungsfähigkeit mit korrespondierendem Benutzungsanspruch der Bürger konkretisiert, auch wenn die anzubietenden Leistungen nur unwirtschaftlich zu erbringen sein sollten,2182 denn Daseinsvorsorge bedeutet für die Kom­ mune auch Verpflichtung zur Selbstverwaltung. dd) Grundrechtsbindung als Schranke für die Wahlfreiheit Damit die Grundrechte ihre Funktion erfüllen können, bedarf es geeigne­ ter Organisationsformen und Verfahrensregeln.2183 Das hat das BVerfG be­ reits im Fernsehurteil2184 zum Ausdruck gebracht und in den Hochschulur­ teilen2185 noch einmal betont. Die Grundrechtsbestimmungen sind auch dann zu berücksichtigen, wenn die Verwaltung privatrechtliche Organisa­ 2179  Brenner

(Fußn. 694), 228 m. w. N. in Fußn. 15. (Fußn. 358), 87 m. w. N. in Fußn. 188. 2181  Vgl. hierzu § 10 GemO BW, Art. 21 BayGO, § 12 BbgKVerf, §§ 19, 20 HGO, § 14 KV M-V, § 30 NKomVG, § 8 GO NRW, § 14 GemO Rhl-Pf., § 19 Saarl. KSVG, § 10 SächsGemO, § 22 GO LSA, § 18 GO SH, § 14 ThürKO. 2182  Mann (Fußn. 358), 87; Schulz (Fußn. 445), 98; BayVerfGH v. 23.12.1957, Vf. 107-VII-56 u. a., VerfGHE BY 4, 113, 122. 2183  Ehlers (Fußn. 633), 151, Fußn. 229: BVerfG v. 20.12.1979, 1 BvR 385 / 77, BVerfGE 53, 30, 62 ff. 2184  BVerfG v. 28.02.1961, 2 BvG 1 / 60 u. a., BVerfGE 12, 205, 261 ff. 2185  BVerfG v. 29.05.1973, 1 BvR 424 / 71 u. a., BVerfGE 35, 79, 120 ff.; BVerfG v. 08.02.1977, 1 BvR 79 / 70 u. a., BVerfGE 43, 242, 267 ff. 2180  Mann



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl375

tionsformen verwendet.2186 Bei der Aufgabenerfüllung durch Eigengesell­ schaften oder kommunal beherrschte gemischt-wirtschaftliche Gesellschaf­ ten beansprucht der Grundrechtsschutz über das Verwaltungsprivatrecht Geltung.2187 Dabei sind Daseinsvorsorge und Verwaltungsprivatrecht als Sonderrecht der Hoheitsträger sowohl genetisch als auch dogmatisch eng miteinander verknüpft.2188 Konstruktiv ergibt sich die Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt und insbesondere ihre Verpflichtung auf die Grundrech­ te aus Art. 1 Abs. 3 GG.2189 Zu beachten ist allerdings, dass sich die Inhal­ te des Verwaltungsprivatrechts nicht allein aus den Grundrechten ermitteln lassen, sondern vor allem aus den einfachgesetzlichen Normen, denen inso­ weit als spezialgesetzlichen Entscheidungsregeln „Anwendungsvorrang“ zukommt.2190 Kann hierbei die Grundrechtsgewährleistung nur durch einen entspre­ chenden Schutz des Staates sichergestellt werden, sind die Kommunen verpflichtet, etwaige Grundrechtsdefizite auszugleichen2191 bzw. bereits durch die Wahl einer geeigneten Rechtsform zu vermeiden. Insofern folgt aus der Schutzpflicht des Staates eine Pflicht zur Einwirkung auf die Eigen­ gesellschaften oder Beteiligungsunternehmen, denn die Inanspruchnahme der Privatrechtsform darf zu keiner Einbuße von Grundrechtspositionen Dritter führen.2192 Als Teil der vollziehenden Gewalt sind die Gemeinden an die Grundrechte deshalb nicht nur dann gebunden, wenn sie in öffentlichrechtlicher Organisationsform tätig sind, sondern auch, wenn sie von ihrer grundsätzlichen Wahlfreiheit2193 zugunsten einer privatrechtlichen Organisa­ tionsform Gebrauch machen.2194 Dabei hat sich die Gemeinde im Rahmen 2186  Ehlers

(Fußn. 633), 151. Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, 1999, 73 ff. 2188  Ossenbühl (Fußn. 821), 514. 2189  Steiner (Fußn. 527), 264. 2190  Ossenbühl (Fußn. 821), 522, unter Hinweis auf Leisner, Grundrechte und Privatrecht 1960, 206 f., der eine Grundrechtsbindung prägnant überall dort zur Gel­ tung bringen will, wo aus der Sicht des Bürgers „ein Zustand unentrinnbarer Infe­ riorität geschaffen wird“. Mit dieser Formel fallen auch fiskalische Hilfsgeschäfte wie Auftragsvergaben nicht automatisch aus öffentlich-rechtlicher Bindung heraus, wenn sie im Zusammenhang mit der öffentlichen Aufgabe stehen, der sie dienen. 2191  Brenner (Fußn. 694), 231. 2192  Ehlers (Fußn. 633), 152 und Fußn. 253. 2193  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 762 m. w. N. in Fußn. 41: BVerwG v. 31.08.1961, VIII C 6.60, BVerwGE 13, 47, 98; BVerwG v. 11.02.1993, 4 C 18 / 91, BVerwGE 92, 56, 64; BVerwG v. 18.10.1993, 5 B 26 / 93, BVerwGE 94, 229, 231BGH v. 27.02.1962, I ZR 118 / 60, BGHZ 37, 1, 27; BGH v. 05.04.1984, III ZR 12 / 83, BGHZ 91, 84, 86; BGH v. 10.10.1991, III ZR 100 / 90, BGHZ 115, 311, 313. 2194  Pünder / Dittmar (Fußn. 887), 762, Fußn. 42: BGH v. 23.09.1969, VI ZR 19 / 68, BGHZ 52, 325, 328; BGH v. 05.04.1984, III ZR 12 / 83, BGHZ 91, 84, 98. 2187  Möstl,

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

ihrer Beteiligungsquote genügende Einwirkungsbefugnisse zu sichern, die eine Globalsteuerung und ein Letztentscheidungsrecht in grundlegenden Fragen zulassen. Praktisch realisiert sich diese Schutzpflicht in der Einfluss­ sicherung durch Vorschlag, Bestellung oder Entsendung weisungsabhängiger Vertreter in die Aufsichts- und Leitungsgremien der Gesellschaft.2195 Das BVerfG leitet diese auch für die Kommunen geltende Schutzpflicht aus der „objektiven Wertordnung“2196 ab, die die Grundrechte insgesamt2197 konstituieren.2198 Die Annahme eines „Wertsystems“ kommt auch darin zum Ausdruck, dass das BVerfG von der Menschenwürde2199 als „oberstem [Grund-] Wert“, „höchstem Rechtswert“, „oberstem“ oder „tragendem Kon­ stitutions-“ bzw. „Verfassungsprinzip“ spricht.2200 Aufgabe des Staates sind „Schutz und Förderung“2201 sowie die Bewahrung der Rechtsgüter vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter.2202 Auch wenn sich die Schutzpflicht vornehmlich aus der objektiven Wert­ ordnung des Grundgesetzes ableitet,2203 erfolgt der Einstieg in die Prüfung 2195  Brüning

(Fußn. 496), 289. v. 16.01.1957, 1 BvR 253 / 56, BVerfGE 6, 32, 40; BVerfG v. 15.01.1958, 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198, 204; BVerfG v. 25.01.1961, 1 BvR 9 / 57, BVerfGE 12, 113, 126; BVerfG v. 13.02.1964, 1 BvL 17 / 61, 1 BvR 494 / 60 u. a., BVerfGE 17, 232, 243; BVerfG v. 01.08.1978, 2 BvR 1013 / 77 u. a., BVerfGE 49, 24, 56; BVerfG v. 25.07.1979, 2 BvR 878 / 74, BVerfGE 52, 131, 165 f.; BVerfG v. 08.07.1997, 1 BvR 1934 / 93, BVerfGE 96, 189, 201. 2197  BVerfG v. 08.08.1978, 2 BvL 8 / 77, BVerfGE 49, 89, 140. 2198  Szczekalla (Fußn. 1395), 99. 2199  Vgl. Martić, Bericht über die 70. Jahrestagung der VVDStRL vom 29. Sep­ tember bis 2. Oktober 2010 in Berlin zum Thema „Der Schutzauftrag des Rechts“, BayVBl 2011, 585, 600: Auch Häberle sieht den Legitimationsgrund für den Schutzauftrag des Rechts in den klassischen Gesellschaftsvertrags- und Gerechtig­ keitslehren von Locke über Kant bis Rawls. Letztlich verorte sich alles in der Men­ schenwürde als kulturanthropologischer Prämisse allen Rechts. 2200  Szczekalla (Fußn. 1395), 99, Fußn. 44 m. w. N. 2201  Szczekalla (Fußn. 1395), 101, Fußn. 54 m. w. N. 2202  Szczekalla (Fußn. 1395), 101, Fußn. 56. 2203  Die Schutzpflicht soll nach der zweiten Entscheidung des BVerfG zur Schwangerschaftsunterbrechung (BVerfG v. 28.05.1993, 2 BvF 2 / 90 u. a., BVerfGE 88, 203, Ls. 1, S. 2, 251) und dem Schleyer-Urteil (BVerfG v. 16.10.1977, 1 BvQ 5 / 77, BVerfGE 46, 160, 164) in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG ihre Grundlage haben, wobei sich ihr Grund in Art. 1 Abs. 1 GG und ihr Ge­ genstand sowie ihr Maß durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG näher bestimme (BVerfG v. 14.01.1981, 1 BvR 612 / 72, BVerfGE 56, 54, 73; so auch Pielow / Ebbinghaus (Fußn. 1602), 20); vgl. auch Steiner, Das Zweite Grundsatzurteil zum Schwanger­ schaftsabbruch – Ein Gericht zwischen Verfassung und gesellschaftlicher Moral, in: Piazolo (Hg.), Das Bundesverfassungsgericht, Ein Gericht im Schnittpunkt von Recht und Politik, 1995, 107, 115. 2196  BVerfG



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl377

notwendigerweise über ein Einzelgrundrecht.2204 Ein subjektives Recht auf Schutz gilt dabei als Selbstverständlichkeit.2205 Schutzpflichttauglich sind alle Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte so­ wie alle grundrechtsgleichen Rechte; insbesondere das Wahlrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG beinhaltet eine Schutzfunktion.2206 Leitet man die Inge­ renzpflicht der Kommune aus der grundrechtlichen Schutzpflicht ab,2207 so kann sich hieraus auch die Direktive ergeben, dass das subjektive Recht des Bürgers als Souverän auf wirksame Mitgestaltung seiner im Wahlrecht zum Ausdruck kommenden Teilhaberechte2208 an der Erfüllung der Angelegen­ heiten der örtlichen Gemeinschaft nicht durch eine Unternehmensorganisa­ tion oder durch Beteiligungsstrukturen beeinträchtigt werden darf, die der Gemeinde Einfluss und Kontrolle auf die Wahrnehmung ihrer Aufgaben unverhältnismäßig erschweren oder gar vereiteln.2209 b) Einfachgesetzliche Schranken für die Wahl der Organisationsform Die kommunalrechtlichen Vorschriften der einzelnen Bundesländer sehen unterschiedlich weit reichende Einschränkungen für die Ausgliederung von Aufgaben in Unternehmen vor: Da in Bayern und Thüringen nicht mehr zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Unternehmen unterschieden wird, stellen Art.  87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayGO und – der bayerischen Regelung folgend – § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ThürKO klar, dass eine Gemeinde ein Unternehmen nur errichten darf, wenn die dem Unternehmen zu übertragenden Aufgaben für die Wahrnehmung außerhalb der allgemeinen Verwaltung geeignet sind. Sie 2204  Szczekalla

(Fußn. 1395), 148. (Fußn. 1395), 217 f. und Fußn. 712: BVerfG v. 29.10.1987, 2 BvR 624 / 83 u. a., BVerfGE 77, 170, 214: „Werden … Schutzpflichten verletzt, so liegt darin zugleich eine Verletzung des Grundrechts …, gegen die sich der Betrof­ fene mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen kann.“; vgl. auch: BVerfG v. 13.04.1978, 2 BvF 1 / 77 u. a., BVerfGE 48, 127, 161; BVerfG v. 24.04.1985, 2 BvF 2 / 83 u. a., BVerfGE 69, 1, 22; BVerfG v. 10.10.1995, 1 BvR 1476 / 91 u. a., BVerfGE 93, 266, 313 ff.; BVerfG v. 10.10.1995, 1 BvR 1476 / 91 u. a., BVerfGE 93, 266. 2206  Szczekalla (Fußn. 1395), 149, Fußn. 352: BVerfG v. 15.02.1967, 2 BvC 1 / 66, BVerfGE 21, 196, 199 f.; BVerfG v. 24.11.1981, 2 BvC 1 / 81, BVerfGE 59, 119, 127; BVerfG v. 10.04.1984, 2 BvC 2 / 83, BVerfGE 66, 369, 380. 2207  Spannowsky (Fußn. 1954), 420. 2208  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 340 f. 2209  Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 5 Abschnitt B. II. und III. 4. 2205  Szczekalla

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

schließen damit Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises grund­ sätzlich von einer Übertragung auf Unternehmen aus.2210 In Schleswig-Holstein sieht § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO vor, dass die Wahl einer privatrechtlichen Rechtsform nur zulässig ist, wenn ein wichtiges Interesse der Gemeinde an der Gründung oder der Beteiligung vorliegt und die kommunale Aufgabe dauerhaft mindestens ebenso gut wie in Organisationsformen des öffentlichen Rechts erfüllt wird. Auch in Thü­ ringen ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ThürKO eine Rechtsform des pri­ vaten Rechts nur zulässig, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut in einer Rechtsform des öffentlichen Rechts, insbesondere durch einen Eigen­ betrieb der Gemeinde, erfüllt werden kann oder wenn Private an der Erfül­ lung des öffentlichen Zwecks wesentlich beteiligt werden sollen und die Aufgabe hierfür geeignet ist. Für Mecklenburg-Vorpommern schließt Art. 68 Abs. 4 Satz 2 KV M-V die Errichtung einer Aktiengesellschaft sowie die Umwandlung von beste­ henden Unternehmen und Einrichtungen in eine solche generell aus, eine Regelung, deren Verfassungsmäßigkeit durchaus zweifelhaft ist, da bei staatlichen Eingriffen in das Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG stets nur zulässige Zwecke und zulässige Mittel eingesetzt wer­ den dürfen und die Zweck-Mittel-Relation den Anforderungen an Geeignet­ heit, Erforderlichkeit und Angemessenheit entsprechen muss, damit sie dem Übermaßverbot in der Abwägung mit anderen Grundentscheidungen der Verfassung genügen.2211 Ein Verstoß dieser landesrechtlichen Regelung ge­ gen das Übermaßverbot kann deshalb in Betracht kommen, wenn mit einer kommunal beherrschten Aktiengesellschaft Aufgaben im Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts mit notwendiger Beteiligung privaten Kapitals oder Know-hows wahrgenommen werden sollen und durch entsprechende Zweckprogrammierung der Unternehmenssatzung,2212 einen Beherrschungs­ vertrag oder in einer faktischen Konzernstruktur vergleichbare Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Trägerkommune gegenüber Organen der Aktien­ gesellschaft gewährleistet werden wie bei einer landesrechtlich zugelassenen privatrechtlichen Gesellschaftsform.2213 So gestatten die Regelungen in Baden-Württemberg,2214 Brandenburg,2215 Hessen,2216 Nordrhein-Westfalen,2217 Rheinland-Pfalz2218 und Sachsen2219 2210  Vgl.

oben Fußn. 897. (Fußn. 681), 1308. 2212  Siehe hierzu in diesem Kapitel Abschnitt A. II. 2. 2213  Vgl. hierzu Kapitel 4 Abschnitt A. II. 3. 2214  § 103 Abs. 2 GemO BW. 2215  § 96 Abs. 4 BbgKVerf. 2216  § 122 Abs. 3 HGO. 2211  Ehlers



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl379

die Rechtsform einer Aktiengesellschaft nur, wenn der öffentliche Zweck des Unternehmens (nachweislich) nicht ebenso gut in einer anderen (bzw. anderen privaten) Rechtsform erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Den Kommunen ist dadurch ein ausreichender Gestaltungsspielraum mit eigener Einschätzungsprärogative nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG eröffnet. 221722182219

Im Übrigen fordern alle landesrechtlichen Zulässigkeitsvorschriften für privatrechtlich organisierte kommunale Unternehmen die Sicherstellung der Erfüllung des öffentlichen Zwecks, teilweise auch durch entsprechende Re­ gelungen im Gesellschaftsvertrag oder der Unternehmenssatzung,2220 einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entspre­ chenden Überwachungsorgan, eine Haftungsbegrenzung der Gemeinde auf einen ihrer Leistungsfähigkeit entsprechenden angemessenen bzw. bestimm­ ten Betrag, die Aufstellung eines Wirtschaftsplans mit in der Regel fünfjäh­ riger Finanzplanung und bei entsprechender Beteiligungshöhe die Einhaltung der §§ 53 und 54 HGrG.2221 c) Schranken für die Wahlfreiheit der Handlungsform Kommunale Unternehmen sind nur besondere Organisationsformen einer öffentlichen Einrichtung oder Anstalt.2222 Während bei der Wahl der Orga­ nisationsform die Rechtsbeziehung der Kommune zum Unternehmen im Vordergrund steht, geht es bei der Gestaltung der Handlungsformen um das Rechtsverhältnis zu den Nutzern der Anstalt oder Einrichtung. Öffentliche Einrichtungen werden durch Widmung bestimmten Personen­ gruppen, in der Regel2223 Gemeindeangehörigen,2224 d. h. den Einwohnern, 2217  § 108

Abs. 4 GO NRW. Abs. 2 GemO Rhl-Pf. 2219  § 95 Abs. 2 SächsGemO. 2220  § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GemO BW, Art. 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO, § 69 Abs. 1 Nr. 3 KV M-V, § 137 Abs. 1 Nr. 5 NKomVG, § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GO NRW, § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GemO Rhl-Pf., § 117 Abs. 1 Nr. 2 GO LSA; nur § 96 Abs. 1 Nr. 1 SächsGemO fordert Regelungen zur Sicherstellung der Auf­ gabenerfüllung. 2221  § 103 Abs. 1 GemO BW, Art. 92 Abs. 1 und Art. 94 BayGO, § 96 Abs. 1 BbgKVerf, §§ 122 Abs. 1, Abs. 4 und 123 HGO,§§ 69, 73 KV M-V, § 137 NKomVG, § 108 Abs. 1 bis 3, § 112 GO NRW, §§ 87 und 89 GemO Rhl-Pf., § 110 Abs. 1 KSVG, § 96 SächsGemO, §§ 117, 121 GO LSA, § 102 Abs. 1 GO SH und §§ 73 Abs. 1, 75 Abs. 4 ThürKO. 2222  Vgl. Kapitel 2 Abschnitt A. III. 1. b) und dort insb. Fußn. 872. 2223  Vgl. aber § 12 Abs. 1 BbgKVerf: „Jedermann ist im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen.“ 2224  Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayGO. 2218  § 87

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

zur bestimmungsmäßigen Benutzung zugänglich gemacht.2225 Das Recht auf Benutzung öffentlicher Einrichtungen gilt für alle Einwohner als subjektivöffentliches Zugangs- und Benutzungsrecht.2226 Einwohner ist, wer tatsäch­ lich in der Gemeinde wohnt. Bürger ist, wer als Einwohner zur Teilnahme an Gemeinde- und Kreiswahlen berechtigt ist. Das Benutzungsverhältnis selbst kann öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich ausgestaltet sein.2227 So­ weit Gemeinden zur Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen verpflichtet sind (vgl. Art. 57 Abs. 2 BayGO), steht dieser Pflicht zur Schaffung und Erhaltung kein subjektives Recht der einzelnen Bürger gegenüber.2228 Zwi­ schen dem Benutzungsanspruch und der Lastentragung besteht Konnexität, d. h., anspruchsberechtigt sind die Gemeindeeinwohner und nach ausdrück­ licher gesetzlicher Regelung (vgl. z. B. Art. 21 Abs. 3 BayGO) auch Nicht­ einwohner („Forensen“), die im Gemeindegebiet ein Grundstück besitzen oder einen Gewerbebetrieb unterhalten, aber nur, soweit sich die Einrichtun­ gen auch darauf beziehen (z. B. Kanalisation), nicht aber Berufspendler. Nach pflichtmäßigem Ermessen kann auch Einwohnern von Nachbarge­ meinden ein Benutzungsanspruch eingeräumt werden. Ein Zulassungsan­ spruch zu öffentlichen Einrichtungen kann sich auch für politische Parteien ergeben.2229 Für den Widmungsakt ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, die Wid­ mung einer Einrichtung zum öffentlichen Zweck kann durch Satzung (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayGO), durch Gemeinderatsbeschluss oder durch konkludentes Handeln erfolgen,2230 auch durch bloße tatsächliche Bereitstel­ lung oder die Erhebung von Benutzungsgebühren.2231 Die Widmung zu einer öffentlichen Einrichtung setzt voraus, dass die Gemeinde hierüber Verfügungsmacht besitzt, und zwar, indem sie die Ein­ richtung selbst betreibt, durch juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts betreiben lässt unter der Voraussetzung, dass sie aufgrund ausreichender rechtlicher und tatsächlicher Einwirkungsmöglichkeiten diese „beherrscht“ oder die Einrichtung durch eine Privatperson aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages betreiben lässt, wenn ihr durch Vertrag Mitwir­ 2225  Mann (Fußn. 618), 339, Fußn. 41: allgemeine Ansicht, vgl. Burgi (Fußn. 646), § 16 Rdnr. 5; OVG Münster v. 18.03.1996, 9 A 384 / 93, NWVBl 1997, 29. 2226  Mann (Fußn. 618), 339. 2227  BayVGH v. 18.04.1988, 4 B 87.02975, BayVBl 1988, 726 f. 2228  Steiner (Fußn. 558), 165, Fußn. 367 m. w. N. 2229  Mann (Fußn. 618), 341, Fußn. 63: BVerwG v. 18.07.1969, VII C 56.68, BVerwGE 32, 333; BVerwG v. 13.12.1974, VII C 42.72, BVerwGE 47, 280, 286. 2230  BayVGH v. 23.03.1988, 4 B 86.02336, BayVBl 1989, 148, 149 m. w. N. 2231  Mann (Fußn. 618), 340, Fußn. 51: OVG Münster v. 18.05.1999, 15 A 2880 / 96, NWVBl 2000, 300, 301.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl381

kungs- und Mitspracherechte eingeräumt werden, die den Charakter der Einrichtung als „öffentlich“ wahren (Konzessionslösung).2232 Nach der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Auffassung liegt es grundsätzlich im Ermessen der Gemeinden, ob sie die Nutzungsver­ hältnisse ihrer öffentlichen Einrichtungen2233 öffentlich-rechtlich, zweistufig öffentlich- und privatrechtlich oder nur privatrechtlich regeln wollen.2234 Nichts anderes gilt für die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse zu den Nutzern öffentlicher Anstalten.2235 Bei öffentlich-rechtlicher Organisation besitzen die Gemeinden nach der Rechtsprechung die Möglichkeit, die Benutzungsverhältnisse entweder öf­ fentlich-rechtlich oder privatrechtlich unter Beachtung der Einschränkungen des Verwaltungsprivatrechts in grundsätzlicher Wahlfreiheit auszugestalten. Auch bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben gilt eine grundsätzliche Freiheit der Formenwahl.2236 Die Entscheidung der Gemeinde für die eine oder die andere Rechtsform des Benutzungsverhältnisses muss aber erkennbar sein, wobei eine Satzungsregelung als Indiz, nicht aber als notwendige Regelung für ein öffentlich-rechtlich gestaltetes Benutzungsverhältnis anzusehen ist.2237 Keine Wahlfreiheit besteht, wenn der Rechtscharakter eines Benutzungs­ verhältnisses spezialgesetzlich geregelt ist, die in Frage stehende Tätigkeit nur im Verhältnis der Über- und Unterordnung ausgeübt werden kann, etwa wenn ein Anschluss- und Benutzungszwang2238 begründet werden soll, der 2232  Steiner (Fußn. 558), 166, Fußn. 370: BayVGH v. 23.03.1988, 4 B 86.02336, BayVBl 1989, 148: Privater als „Verrichtungsgehilfe“. 2233  Ehlers (Fußn. 633), 175, Fußn. 8: Der Begriff der „Einrichtung“ geht weiter als der Begriff der Anstalt. Er dient auch zur Bezeichnung von benutzbaren öffent­ lichen Sachen ohne anstaltliche Organisation (vgl. z. B. Art. 21 Abs. 4 BayGO). Unter einer „öffentlichen Einrichtung“ im Sinne der Gemeindeordnungen ist „jede Einrichtung zu verstehen, die von der Gemeinde im öffentlichen Interesse unter­ halten und durch einen gemeindlichen Widmungsakt der allgemeinen Benutzung durch Gemeindeangehörige und ortsansässige Vereinigungen zugänglich gemacht wird.“(BayVGHE 22, 20, 22). Im Gegensatz zur öffentlichen Anstalt können öf­ fentliche Einrichtungen auch durch natürliche oder juristische Personen des Privat­ rechts betrieben werden. (VGH Mannheim v. 23.09.1980, I 3895 / 78, DVBl 1981, 220, 222). 2234  Ehlers (Fußn. 633), 175, m. w. N. in Fußn. 9. 2235  Ehlers (Fußn. 633), 183. 2236  BGH v. 05.04.1984, III ZR 12 / 83, BGHZ 91, 84, 95. 2237  Ehlers (Fußn. 633), 181 m. w. N. in Fußn. 5. 2238  Für den Anschluss- und Benutzungszwang bei öffentlichen Einrichtungen ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich, da hierbei Eingriffe in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG erfolgen können.

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

nur auf öffentlich-rechtlicher Grundlage möglich ist.2239 Nach der Recht­ sprechung des BVerwG2240 und des BGH2241 wird dadurch eine privatrecht­ liche Benutzungsregelung für eine öffentliche Einrichtung nicht ausgeschlos­ sen, wenn der Zugang für die Bürger durch eine entsprechende Gewährleis­ tung der Kommune im gleichen Umfang gesichert ist. Nach Auffassung von Ehlers2242 begleite aber der Benutzungszwang das gesamte Nutzungsverhält­ nis und färbe auf die Modalitäten der Benutzung ab, so dass eine Aufspal­ tung des Benutzungsverhältnisses in einen öffentlich-rechtlichen Begrün­ dungsakt und ein privatrechtliches Abwicklungsverhältnis entgegen der h. M.2243 unzulässig sei. Die Anwendung des Verwaltungsprivatrechts biete in solchen Fällen keinen Ausweg, weil das Verwaltungsprivatrecht nicht den gleichen Bindungswert wie das öffentliche Recht2244 besitze. Allerdings hindert auch für Ehlers eine einheitliche öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses mit Anschluss- und Benutzungs­ zwang eine Kommune nicht daran, einen Privaten als Erfüllungsgehilfen (Verwaltungshelfer) einzuschalten.2245 Bei einer materiellen Privatisierung oder einer Minderheitsbeteiligung an einer gemischt-wirtschaftlichen Ge­ sellschaft ohne Einwirkungsmöglichkeit der Kommune auf die Erfüllung der mit dem Unternehmen verfolgten öffentlichen Aufgabe liegt jedoch keine öffentliche Einrichtung mehr vor, für die ein Anschluss- oder Benutzungs­ zwang angeordnet werden könnte.2246 Bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform kann das Unter­ nehmen nach außen hin nicht öffentlich-rechtlich auftreten, es sei denn, es liegt der Ausnahmefall der Beleihung mit Hoheitsgewalt vor. Die Einschal­ tung eines Beliehenen bedarf jedoch einer gesetzlichen Grundlage,2247 die sich in den Gemeindeordnungen2248 regelmäßig2249 nicht findet.2250 Auch 2239  Ehlers

(Fußn. 633). 176. v. 06.04.2005, 8 CN 1 / 04, BVerwGE 123, 159, 162. 2241  BGH v. 05.04.1984, III ZR 12 / 83, BGHZ 91, 84, 96. 2242  Ehlers (Fußn. 633), 176, Fußn. 16 m. w. N. 2243  Ehlers (Fußn. 633), 176 m. w. N. in Fußn. 15. 2244  Ehlers (Fußn. 633), 177 mit Fußn. 19. 2245  Ehlers (Fußn. 633), 177, Fußn. 20: näher dazu Frotscher (Fußn.  2070), 21 ff. 2246  Mann (Fußn. 618), 350, Fußn. 124: BVerwG v. 06.04.2005, 8 CN 1 / 03, NVwZ 2005, 963. 2247  OVG Münster v. 27.09.1979, XVI A 2693 / 78, NJW 1980, 1406. 2248  Für Bayern: BayVGH v. 17.12.1991, 11 B 91.2603, BayVBl 1992, 374, 374; Steiner (Fußn. 2066). 2249  Vgl. aber § 85 Abs. 6 GemO Rhl-Pf. sowie Fußn. 502 und 2067. 2250  Ehlers (Fußn. 633), 177, Fußn. 20: Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluss- und Benutzungszwang 1980, 51. 2240  BVerwG



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl383

aus der Organisationshoheit der Gemeinde lässt sich eine Befugnis zur Auf­ gabenübertragung nicht ableiten, da „die Übertragung einer Verwaltungsauf­ gabe auf ein anderes Rechtssubjekt nicht mehr allein eine Frage der Verwal­ tungsorganisation im ‚Binnenbereich‘ eines Verwaltungsträgers ist“.2251 Eine fehlende gesetzliche Ermächtigung hierzu führt zur Rechtswidrigkeit des Handelns, ändert aber nichts an der Rechtsnatur der Handlungsweise.2252 Fraglich ist, ob die Konstruktion der Beleihung auch die Zuweisung öffent­ lich-rechtlich wahrzunehmender Befugnisse an Privatrechtsvereinigungen der öffentlichen Hand umfasst. Soweit sich das Schrifttum damit auseinan­ dersetzt, wird die Frage zumeist bejaht,2253 aber nur, soweit die Privatrechts­ vereinigung nicht lediglich als Erfüllungsgehilfe tätig ist. Das Charakteris­ tische der Beleihung liegt in der Ausübung von Verwaltungsbefugnissen auf privater Basis. Dies trifft auf die publizistischen Privatrechtsvereinigungen nicht zu. Sie sind deshalb nicht zu möglichen Adressaten einer Beleihung zu rechnen.2254 aa) Öffentlich-rechtliche Handlungsformen Bei öffentlich-rechtlichem Benutzungsverhältnis ist stets auch der Zu­ gangsanspruch gegenüber der öffentlich-rechtlich handelnden Gemeinde oder der selbstständigen Anstalt des öffentlichen Rechts für alle Gemeinde­ angehörigen und Gleichgestellte (Art. 21 Abs. 4 BayGO) öffentlich-recht­ licher Natur (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayGO, Art. 15 Abs. 1 BayGO). Für Auswärtige (Forensen) gilt ein Anspruch auf willkürfreie Ermessensent­ scheidung2255 mit Vorrang für Gemeindeangehörige nach Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV). Grenzen des Zulassungsanspruchs sind der Widmungszweck, Kapazitäts­ erschöpfung oder nach sachlichen Kriterien zu treffende Entscheidungen, wie etwa die Entscheidung nach Priorität, nach dem Grundsatz „bekannt und bewährt“ oder im Losverfahren.

2251  Koch (Fußn. 133), 208 m. w. N. in Fußn. 112; a. A. Trott zu Solz, Die staatlich beeinflusste Aktiengesellschaft als Instrument der öffentlichen Verwaltung 1975, 250. 2252  Ehlers (Fußn. 633), 173, Fußn. 5: OVG Münster v. 27.09.1979, XVI A 2693 / 78, NJW 1980, 1406, 1408. 2253  Ehlers (Fußn. 633), 110, Fußn. 5: Vogel (Fußn. 527), 195 m. Fußn. 41; Ossenbühl (Fußn. 2057), 542 m. w. N. in Fußn. 14. 2254  Ehlers (Fußn. 633), 110, m. Fußn. 5: Steiner (Fußn.  543), 531 f.; Steiner (Fußn.  527), 206 ff. 2255  BVerwG v. 07.01.1972, IV C 49.68, BVerwGE 39, 235.

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bb) Privatrechtliche Handlungsformen Bei privatrechtlichem Benutzungsverhältnis sieht die h. M. nach der von Ipsen2256 entwickelten Zweistufentheorie die Zweistufigkeit2257 der Rechts­ beziehung zum Nutzer vor, d. h., der Zulassungsanspruch ist stets öffentlichrechtlich2258 und bei privatrechtlichen Nutzungsverhältnissen von juristi­ schen Personen des Privatrechts als Verschaffungsanspruch gegen die Ge­ meinde zu richten, die durch Einwirkung auf das Unternehmen die Zulassung durchsetzen muss. Hierbei handelt es sich gegenüber der Gemeinde um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch,2259 der seine Grundlage in der Garanten­ stellung der Kommune als Aufgabenträgerin hat.2260 Ob daneben gegen die juristische Person des Privatrechts auch ein zivil­ rechtlicher Anspruch besteht, ist strittig. Das BVerwG2261 lässt diese Frage offen,2262 ein Teil der Literatur2263 bejaht einen solchen Anspruch.2264 Stei­ ner lehnt ihn zu Recht ab, weil der öffentlich-rechtliche Zulassungsanspruch bei privatrechtlichem Benutzungsverhältnis nicht in einen privatrechtlichen Anspruch „mutiert“.2265 Soweit Rechtsätze ein zweistufiges Vorgehen der Verwaltung zulassen, ohne es zu fordern, bedarf es nach Ehlers infolge des Verwaltungsprivat­ rechts2266 der Zweistufentheorie nicht mehr, da diese zu einer Zerstückelung einer einheitlichen Leistungsbeziehung in einen öffentlich-rechtlichen und 2256  Ipsen, Haushaltssubventionierung über zwei Stufen, in: Vogel (Hg.), Verfas­ sung, Verwaltung, Finanzen, 1972, 139 1972, ff. 2257  BVerwG v. 29.05.1990, 7 B 30 / 90, NVwZ 1991, 59; a. A. Ossenbühl (Fußn. 821), 519. 2258  Steiner (Fußn. 558), 167. 2259  Mann (Fußn. 618), 344, Fußn. 88: Schmidt-Aßmann / Röhl (Fußn. 645), Kap. 1, Rdnr. 113. 2260  Koch (Fußn. 133), 197, Fußn. 25. 2261  BVerwG v. 29.05.1990, 7 B 30 / 90, NVwZ 1991, 59. 2262  Steiner (Fußn. 558), 168. 2263  Vgl. Zuleeg (Fußn. 2087), 400, Fußn. 106: Weil ein dogmatisch anfechtbarer Einwirkungsanspruch gegen die Gemeinde weitgehend leer laufe (Püttner, Die Ein­ wirkungspflicht, DVBl 1975, 353), will Ossenbühl, Rechtliche Probleme der Zulas­ sung zu öffentlichen Stadthallen, DVBl 1973, 289, 294, den öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruch unmittelbar gegen die öffentliche Einrichtung in privatrecht­ licher Gestalt richten. 2264  Steiner (Fußn. 558), 186, Fußn. 385: Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung 1993, Rdnr. 363, 373. 2265  Steiner (Fußn. 558), 168; vgl. auch VGH Kassel v. 12.12.1985, 12.12.1985, NJW 1986, 2660. 2266  Ehlers (Fußn. 633), 187; Stober / Kluth / Müller / Peilert, Verwaltungsrecht 12. Aufl. 2007, § 22 III. 4. d) (S. 199 f.).



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl385

einen privatrechtlichen Teil führe. Auch Gründe des Rechts- und Konkur­ rentenschutzes erforderten nach Ehlers2267 keine zweistufigen Konstruktio­ nen. Der hierzu herausgestellte Grundsatz hat erhebliche Bedeutung für die Vergabe von Leistungssubventionen,2268 die nach Auffassung von Ehlers2269 entgegen einer weit verbreiteten Ansicht in Rechtsprechung und Literatur2270 stets einstufig öffentlich-rechtlich zu erfolgen habe, während die Vergabe öffentlicher Aufträge2271 ebenso einstufig, aber stets privatrechtlich zu beur­ teilen sei. Greift die Verwaltung in rechtlich zulässiger Weise auf die Handlungsfor­ men des Privatrechts zurück, stellt sich die Frage, ob sie dadurch ihren öffentlich-rechtlichen Bindungen entgehen kann. Im Mittelpunkt des Inte­ resses steht immer noch die Problematik einer Bindung der privatrechtsför­ migen Verwaltung an die Grundrechte.2272 Das Spektrum der Ansichten reicht von der Auffassung, dass die Verwal­ tung sich auf dem Boden des Privatrechts genauso bewegen könne wie jedes andere Privatrechtssubjekt,2273 bis hin zur Annahme einer unmittelbaren Grundrechtsgeltung für sämtliches Verwaltungshandeln.2274 Das private Ver­ trags- und Gesellschaftsrecht halten jedoch keine Instrumente zur Einhaltung der Zweckbindung bereit. Zur Vermeidung einer „Flucht ins Privatrecht“ müssen deshalb auch für die Leistungsverwaltung in privatrechtlichen Handlungsformen öffentlich-rechtliche Bindungen gelten.2275 Die wohl herrschende Meinung verfolgt mit der Lehre vom Verwaltungs­ privatrecht eine mittlere Linie. Dadurch werden die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modi­ fiziert. Danach hat die privatrechtlich handelnde Verwaltung nicht nur die Grundrechte zu beachten, sondern unterliegt weitergehenden öffentlichrechtlichen Bindungen,2276 wenn sie unmittelbar Verwaltungsaufgaben (bzw. öffentlich-rechtlich gesetzte Aufgaben oder Aufgaben der „Daseinsvorsor­ 2267  Ehlers

(Fußn. 633), 188. (Fußn. 633), 188, Fußn. 89. 2269  Ehlers (Fußn. 633), 189. 2270  Ehlers (Fußn. 633), 189 Fußn. 86 und 87 m. w. N. 2271  Ehlers (Fußn. 633), 189 f., Fußn. 101 m. w. N.; dies gelte entgegen anderslau­ tender Stimmen in Rechtsprechung (Fußn. 98 m.  w.  N.) und Literatur (Fußn. 99 m. w. N.) auch, soweit gesetzliche Normen eine Bevorzugung eines bestimmten Per­ sonenkreises bei der Auftragsvergabe vorschreiben (z. B. Mittelstandsförderung). 2272  Ehlers (Fußn.  633), 212 m. w. N. 2273  Emmerich (Fußn.  370), 120 ff. 2274  Ehlers (Fußn. 633), 213 m. w. N. in Fußn. 220. 2275  Danwitz (Fußn. 517), 601. 2276  BGH v. 05.04.1984, III ZR 12 / 83, BGHZ 91, 84, 97. 2268  Ehlers

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ge“) erfüllt. Damit bezieht die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht ihre Rechtfertigung aus der Publizität auch bei Erfüllung kommunaler Aufgaben in privatrechtlicher Handlungsform. Wenn auch keine Bindung an alle Grundsätze des Verwaltungsrechts be­ steht, ist doch davon auszugehen, dass die in den Formen des Privatrechts handelnde Verwaltung jedenfalls die grundlegenden Prinzipien öffentlicher Finanzgebarung zu beachten hat.2277 Dabei kommt den Grundrechten unmittelbare Geltung zu, wenn auch das privatrechtliche Handeln der Verwaltung als Ausübung vollziehender Gewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG anzuse­ hen ist.2278 Dies gilt für die Leistungsverwaltung in gleicher Weise wie für die Eingriffsverwaltung und unabhängig von der Rechtsform und der Ziel­ setzung des Handelns.2279 Grundrechtsgeltung bedeutet aber nicht in allen Fällen ihre Anwendung, wenn nämlich unterverfassungsrechtliche Spezial­ normen die zu entscheidenden Konfliktfälle grundgesetzkonform lösen, ist ein unmittelbarer Durchgriff auf das allgemeine Verfassungsrecht weder notwendig noch zulässig, „weil dadurch die verfassungslegitime Aufgabe des Gesetzgebers, die Grundrechte zu konkretisieren und auszuformen, missachtet würde“.2280 So bietet das Wettbewerbsrecht2281 mit § 20 GWB zwar bei einer marktbeherrschenden Stellung eines kommunalen Unterneh­ mens und Art.  102 AEUV bei Binnenmarktrelevanz Schutz gegen Diskriminierung,2282 doch verbietet Art. 3 GG jegliche Diskriminierung und geht damit weiter.2283 Dagegen wird für die Bedarfsdeckungs- und Vermögensverwertungsge­ schäfte sowie die eigenwirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand eine Grundrechtsbindung verneint.2284 Der BGH2285 vertritt die Auffassung, dass Bedarfsdeckungsgeschäfte zwar ausschließlich den Regeln des Privatrechts unterliegen, die öffentliche Hand im Gegensatz zu Privatpersonen aber auch hier gewissen Bindungen und Schranken, insbesondere dem aus Art. 3 GG folgenden Willkürverbot, unterliegt.2286 Auch Püttner2287 hält bei „fiskali­ 2277  Danwitz

(Fußn. 517), 602. (Fußn. 633), 214. 2279  Ehlers (Fußn. 633), 216. 2280  Ehlers (Fußn. 633), 217, Fußn. 252: Ossenbühl (Fußn. 821), 521. 2281  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt B. II. 3. e). 2282  Vgl. Kapitel 2 Abschnitt C. I. 3. 2283  BGH v. 14.12.1976, VI ZR 251 / 73, DÖV 1977, 529 ff. 2284  Ehlers (Fußn. 633), 213 m. w. N. in Fußn. 222. 2285  BGH v. 23.09.1969, VI ZR 19 / 68, BGHZ 52, 325, 327; BGH v. 26.11.1975, VIII ZR 164 / 74, BGHZ 65, 284, 287; BGH v. 14.12.1976, VI ZR 251 / 73, DÖV 1977, 529 ff. 2286  Ehlers (Fußn. 633), 213. 2287  Püttner (Fußn.  989), 147 f. 2278  Ehlers



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl387

schem Handeln“ Fälle für denkbar, bei denen der geschützte Freiheitsbereich tangiert werde.2288 Er erkennt außerdem eine „strukturelle Wirkung“ der Grundrechte an.2289 Stein2290 nimmt die „privatrechtlichen Hilfsgeschäfte“ der Verwaltung und die „erwerbswirtschaftliche Betätigung“ der öffentlichen Hand nur insoweit von der Grundrechtsbindung aus, als der Staat keine Mo­ nopolstellung besitzt.2291 Die Bindung an die Grundrechte verpflichtet die privatrechtlich handeln­ de Verwaltung zugleich zum Schutz der Grundrechte und zur Beachtung der durch die Grundrechtsbestimmungen vermittelten Verfassungsprinzipien, soweit diese für die privatrechtlich auftretende Verwaltung Bedeutung ha­ ben.2292 Desgleichen ist auch die Bindung an die nach Art. 20 und 28 Abs. 1 GG für alle Staatsgewalt geltenden Prinzipien der Rechts- und Sozialstaatlich­ keit anzunehmen.2293 Das hat insbesondere zur Folge, dass auch die privat­ rechtlich handelnde Verwaltung die kompetenziellen Schranken der Art. 30 und 28 Abs. 2 GG und das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete2294 Übermaßverbot beachten muss.2295 Ob auch Art. 34 GG auf die privatrechtlich handelnde Verwaltung An­ wendung findet, wird nicht einheitlich beantwortet. Die herrschende Mei­ nung verneint dies.2296 Ehlers hält es für vertretbar, die Amtshaftungsgrund­ sätze auf die privatrechtlich handelnde Verwaltung mit Ausnahme der „rein fiskalischen“ Verwaltung auszudehnen, da auch insoweit Staatsaufgaben auf der Grundlage und in den Grenzen des öffentlichen Rechts erfüllt wer­ den.2297 Allerdings ist Art. 34 GG nur eine Überleitungsvorschrift, verschiebt also nur die Passivlegitimation, ohne die haftungsbegründende Norm (§ 89 BGB) zu berühren, die von einer privatrechtlichen Haftung des „Fiskus“ 2288  Ehlers

(Fußn. 633), 213, Fußn. 226. (Fußn.  989), 141 f. 2290  Stein / Frank, Staatsrecht – Lehrbuch, 21. Aufl. 2010, 225. 2291  Ehlers (Fußn. 633), 214. 2292  Ehlers (Fußn. 633), 222, Fußn. 285: Das ist nicht der Fall, wenn die verfas­ sungsrechtlichen Bestimmungen nur die mit Eingriffsmitteln arbeitende Verwaltung betreffen, da die privatrechtliche Verwaltung regelmäßig in anderer Weise vorgeht. Etwas anderes gilt aber, wenn die privatrechtlich handelnde Verwaltung etwa gegen­ über einem nicht bedachten Konkurrenten eines subventionierten Wettbewerbers tä­ tig wird. 2293  Ehlers (Fußn. 633), 222. 2294  BVerfG v. 05.03.1968, 1 BvR 579 / 67, BVerfGE 23, 127, 133 f. m. w. N. 2295  Vgl. in diesem Kapitel Abschnitt B. I. 2. a) und Ehlers (Fußn. 633), 223. 2296  Ehlers (Fußn. 633), 223, Fußn. 290: BGH v. 24.09.1962, III ZR 201 / 61, BGHZ 38, 49, 51; Martens (Fußn. 4), 99. 2297  Ehlers (Fußn. 633), 224. 2289  Püttner

388

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

ausgeht. Deshalb soll die Haftung in Übereinstimmung mit der herrschen­ den Meinung von der Rechtsform des Handelns abhängig gemacht wer­ den.2298 Eine Sonderregelung für die Überleitung von Amtshaftungsansprü­ chen enthält Art. 93 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 BayGO. Danach wird die Person, die die Gemeinde in einem privatrechtlich organisierten kommunalen Unter­ nehmen vertritt oder werden Personen, die von der Gemeinde in einen Aufsichtsrat entsandt werden, durch die Gemeinde von der Haftung freige­ stellt, wenn sie aus ihrer Tätigkeit haftbar gemacht werden. Dies gilt auch für Personen, die auf Veranlassung der Gemeinde als nebenamtliche Mit­ glieder des geschäftsführenden Unternehmensorgans bestellt sind. Dadurch werden Organe eines Unternehmens in Privatrechtsform Amtsträgern der Kommune haftungsrechtlich gleichgestellt, unabhängig davon, ob sie öffent­ liche Aufgaben für die Gemeinde wahrnehmen oder nur fiskalische Hilfsge­ schäfte tätigen. Die Verwaltung unterliegt auch bei privatrechtlicher Betätigung zahlrei­ chen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts, die für Privatpersonen unter gleichen Umständen nicht gelten, wie etwa die gesetzlichen Zuständigkeitsund Vertretungsregelungen, die Haushaltsvorschriften oder die besonderen Beschränkungen der Gemeindeordnungen für die Ausgestaltung der privat­ rechtlichen Rechtsgeschäfte.2299 Insbesondere diejenigen öffentlich-rechtli­ chen Vorschriften, die sich als Konkretisierung des Verfassungsrechts erwei­ sen, binden die Verwaltung auch bei privatrechtlichem Handeln.2300 Materiell-rechtliche Bindungen ergeben sich beispielsweise aus den ent­ sprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder zu §§ 40, 55, 56 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 VwVfG. Das in § 40 VwVfG enthal­ tene Verbot des Ermessensmissbrauchs etwa lässt sich auf den Gleichheits­ satz und das Übermaßverbot zurückführen.2301 Im Einzelfall bereitet die Konkretisierung der rechtsstaatlichen Anforderungen, die in den Verwal­ tungsverfahrensgesetzen normiert sind, im Bereich privatrechtlichen Verwal­ tungshandelns infolge der Art und Weise der methodischen Ableitung jedoch erhebliche Schwierigkeiten.2302 Am eingehendsten dürfte die Bindung an das öffentliche Recht dort sein, wo eine weitgehende Freiheit der Formenwahl besteht, um eine Schlechterstellung der Bürger bei Verwendung privatrechtli­ cher anstelle öffentlich-rechtlicher Handlungsformen auszuschließen.2303 Im 2298  Ehlers

(Fußn. 633), 224, Fußn. 297 m. w. N. (Fußn. 633), 226. 2300  Ehlers (Fußn. 633), 228: z. B. §§ 14, 30 VwVfG, die auf dem Rechtsstaats­ prinzip bzw. auf Art. 14 GG beruhen. 2301  Ehlers (Fußn. 633), 230. 2302  Ehlers (Fußn. 633), 231. 2303  Ehlers (Fußn. 633), 232. 2299  Ehlers



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl389

Übrigen ist die privatrechtlich handelnde Verwaltung bei der unmittelbaren Erfüllung von Verwaltungsaufgaben stärker öffentlich-rechtlich gebunden als bei einem Tätigwerden zur Bedarfsdeckung. Am schwächsten sind die öffent­ lich-rechtlichen Bindungen bei der konkurrierenden Teilnahme am Wettbe­ werb und bei der Vermögensverwertung.2304 Angesichts der Überlagerung des Privatrechts durch öffentlich-rechtliche Normen wird im Schrifttum häufig die Tendenz zur Nivellierung fortbeste­ hender Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Verwaltungshandeln in den Vordergrund gerückt.2305 Allerdings kennt das Verwaltungsprivatrecht im Vergleich zu öffentlich-rechtlicher Verwaltungs­ tätigkeit (§ 1 Abs. 1 VwVfG) weder ein Recht auf Akteneinsicht (§ 29 VwVfG), noch ein Anhörungsrecht Beteiligter (§ 28 VwVfG), auch keine Begründungspflicht von Entscheidungen wie für Verwaltungsakte (§ 39 VwVfG), keine Pflicht zur Aktenvorlage im gerichtlichen Verfahren (§ 99 VwGO) und keinen Untersuchungsgrundsatz wie im Verwaltungsverfahren (§ 24 VwVfG) oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 86 VwGO). Diese Defizite betreffen allesamt das Rechtsverhältnis zu den Nutzern öf­ fentlicher Einrichtungen in privatrechtlichen Handlungsformen. Es ist des­ halb geboten, hieraus Konsequenzen für die aufgabenbezogene Zulässigkeit privatrechtlicher Handlungsformen jedenfalls für diejenigen Fallgruppen zu prüfen, für die auch öffentlich-rechtliche Handlungsformen die Erfüllung der kommunalen Aufgabe mit vergleichbarer Effizienz gestatten. Dafür bieten diejenigen Ansätze in der Literatur jedoch keine Lösung, die unter Bezugnahme auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben eine Modifika­ tion des Gesellschaftsrechts durch das öffentliche Recht vorschlagen, indem die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht einfach in das Gesellschaftsrecht hinein zu einem Verwaltungsgesellschaftsrecht2306 verlängert wird.2307 Denn das Verwaltungsgesellschaftsrecht zielt nur auf eine verfassungskonforme Auslegung des Gesellschaftsrechts zur Nivellierung der Normwidersprüche, die sich aus der mangelnden Kongruenz von Einwirkungsbefugnissen und Einwirkungspflichten2308 ergibt und nur das Innenverhältnis zwischen der Kommune und der privatrechtlich handelnden Gesellschaft betrifft.2309 Bei 2304  Ehlers

(Fußn. 633), 232. (Fußn. 517), 602, Fußn. 25: Fischedick, Die Wahl der Benutzungs­ form kommunaler Einrichtungen 1986, 90 ff. 2306  Kraft, Das Verwaltungsgesellschaftsrecht 1982, 231 ff.; Danwitz (Fußn. 517), 622 ff. 2307  Spannowsky (Fußn. 1954), 422. 2308  Spannowsky (Fußn. 524), 1076. 2309  Mann, Kritik am Konzept des Verwaltungsgesellschaftsrechts, Verw 2002, 463, 464. Der Fragestellung wird deshalb in Kapitel 4 Abschnitt A. II. 4. nachge­ gangen. 2305  Danwitz

390

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

der Geltung öffentlich-rechtlicher Handlungsmaximen für privatrechtliche Handlungsformen ist aber das Verhältnis der Kommune bzw. des Unterneh­ mens zum Bürger betroffen.

II. Lösungsansätze zur Vermeidung von Zielkonflikten bei Ausgliederungsvorhaben Deregulierung und Privatisierung sowie die Beseitigung von Monopolen durch Marktliberalisierung in den 90er Jahren zielten bei kommunalen Dienstleistungen auf Effizienzsteigerung und Wettbewerbsfähigkeit durch Flexibilisierung der Organisations- und Handlungsformen mit größeren Ge­ staltungsspielräumen für die Unternehmensleitungen bei der Personalwirt­ schaft, den Kostenstrukturen und den Haushaltsbestimmungen. Die Metho­ den und ökonomischen Beurteilungsmaßstäbe der Privatwirtschaft haben unter dem Einfluss und dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts mit dessen Modell der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb und ei­ ner grundsätzlich staatsfernen Wirtschaftsordnung die kommunalen Organi­ sationsstrukturen durch Ausgliederung und Verselbstständigung maßgeblich geprägt. Sie haben dadurch aber zu einer Beeinträchtigung der Steuerbarkeit und Kontrollierbarkeit im Hinblick auf die Erfüllung des öffentlichen Zwecks der Daseinsvorsorgeaufgaben in der Leistungsverwaltung geführt. Diese Erkenntnis und ein zeitlich zusammentreffendes Auslaufen von Konzessionsverträgen im Energiebereich2310 haben bei den kommunalen Beschlussgremien und Mandatsträgern eine Neigung zur Rekommunalisie­ rung von Aufgaben der Daseinsvorsorge ausgelöst. Das wachsende Interesse der Bevölkerung an überschaubaren Strukturen lokaler Daseinsvorsorge in einer immer stärker globalisierten, anonymen und intransparenten Wirt­ schaftsordnung, aber auch enttäuschte Erwartungen an eine kostengünstige­ re Leistungserbringung durch Privatisierungen, haben diesen Trend unter­ stützt und fördern das Streben nach verstärkter Partizipation an Entschei­ dungen der Kommunen. Diese Tendenz hat aber in der Praxis weder zu einem generellen Verzicht auf eine weitere Ausgliederung von Aufgaben in kommunale Unternehmen oder zu deren Beschränkung auf öffentlich-rechtliche Organisations- und 2310  Süddeutsche Zeitung Nr.  217 vom 19.09.2013, Seite HF2: Allein zwischen 2010 und 2015 liefen bzw. laufen bundesweit von rund 14.000 Konzessionsverträgen ca. 8000 Konzessionen aus. Nach Schätzungen des Bundeskartellamtes und der Bundesnetzagentur stehen bis 2016 die meisten der rund 20.000 „Wegenutzungsverträge“ zur Disposition. Seit 2007 haben mehr als 200 Kommunen die in den Neunzigerjah­ ren des vorigen Jahrhunderts privatisierten Gas- und Stromnetze zurückerworben (Uhlmann, Russische Saunanächte, Süddeutsche Zeitung vom 07.07.2014, 17 HF2).



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl391

Handlungsformen geführt, obwohl mit dem Kommunalunternehmen als rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts eine zur Rechtsform der GmbH als Eigengesellschaft konkurrenzfähige Unternehmensform in der jeweiligen Ausgestaltung des Landesrechts nahezu flächendeckend geschaffen wurde. Für eine je nach Aufgabenstellung erforderliche Nutzung privaten Knowhows oder Kapitals kommen weiterhin nur privatrechtliche Organisations­ formen als gemischtwirtschaftliche Unternehmen oder PPP-Modelle in Be­ tracht, die vor allem bei kommunaler wirtschaftlicher Betätigung auf libe­ ralisierten Wettbewerbsmärkten aus dem Kanon kommunaler Unterneh­ mensformen nicht mehr wegzudenken sind. Dies gilt unabhängig davon, dass privatrechtliche Organisationen weder durch günstigere Finanzierungs­ möglichkeiten noch durch eine wirksame Begrenzung von Haftungsrisiken oder durch geringere Steuerbelastungen aus der Körperschaft-, Gewerbeoder Umsatzsteuer Vorteile genießen. Dabei determinieren die Vorgaben des Unionsrechts bei Wettbewerbsteil­ nahme des Unternehmens mit den Instrumenten des Beihilfe- und Vergabe­ rechts die Einhaltung der Wettbewerbsregeln und damit auch die IngerenzMaßstäbe für den öffentlichen Unternehmensträger. Diese Vorgaben sind nicht von einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisationsund Handlungsform des Unternehmens abhängig und gelten in gleicher Weise für die Kommune als alleiniger Unternehmensträgerin wie als beherr­ schender Gesellschafterin eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens oder PPP-Modells. Bei einer geplanten Beteiligung Privater an einem kommunalen Unter­ nehmen sieht das Unionsrecht für die Auswahl des Partners ein transparen­ tes und diskriminierungsfreies Verfahren vor. Die in-house-fähige Ausgestal­ tung einer Eigengesellschaft oder eines Kommunalunternehmens in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts ist dabei maßstabsbildend für die Anforderungen an Legitimation und Steuerungsfähigkeit selbststän­ diger Unternehmen. 1. Strategien zur Konfliktprävention in der Entscheidungsphase a) Einrichtung und Ausgestaltung von Steuerungsinstrumenten Da bereits bei der Entscheidung über eine Unternehmensgründung oder Beteiligung die Weichenstellung für die künftige Steuerungs- und Kontrollfä­ higkeit der Aufgabenwahrnehmung kommunaler Unternehmen erfolgt, führt die in der Praxis oft vernachlässigte politische Definition der damit verfolg­

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Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

ten lang- und mittelfristigen Ziele der Kommune zu einem Machtvakuum, das häufig durch eigene am wirtschaftlichen Unternehmenserfolg ausgerich­ tete Ziele der Unternehmensleitung gefüllt wird. Eine vorgelagerte Definition der strategischen Ziele und grundlegenden operativen Entscheidungsvorga­ ben und deren verbindliche Festlegung für die Unternehmensleitung durch Zielvereinbarungen vermeiden oder verringern zumindest die Risiken, die sich hieraus für eine künftige Unternehmenssteuerung ergeben können. Zu den notwendigen Steuerungsinstrumenten zählen auch der frühzeitige Aufbau eines Beteiligungsmanagements mit qualifizierter personeller Beset­ zung und einer Ausstattung mit ausreichenden Befugnissen gegenüber den Unternehmen für ein effektives Beteiligungscontrolling und zur Beratung der kommunalen Vertretungs- und Beschlussorgane. Maßgebliche Bedeutung als Steuerungs- und Kontrollinstrument besitzt die dargestellte Konkretisierung des öffentlichen Zwecks in den Unterneh­ menssatzungen bzw. Gesellschaftsverträgen vor allem bei einer beabsichtig­ ten Beteiligung Privater. Sie kann bei allen kommunalen Unternehmen eine Kontrolle der Zweckerreichung nicht nur durch die Organe der Unterneh­ mensträgerin sicherstellen, sondern mit ausreichenden Informationen auch der politisch interessierten Öffentlichkeit und den Gemeindebürgern als den materiellen Eigentümern des Unternehmens ermöglichen zu prüfen und zu bewerten, ob das Unternehmen den öffentlichen Zweck tatsächlich erfüllt. Hierzu können auch Public Corporate Governance Kodizes (PCGK) die­ nen, die mit Empfehlungen zu Transparenz, Effizienz, Effektivität2311 und Re­ chenschaftspflichtigkeit das öffentliche Interesse wahren und zu einer besse­ ren Unternehmenskultur beitragen wollen. Sie richten sich als freiwillige Selbstverpflichtung an die kommunalen Entscheidungsgremien, aber erst nach einer Inkorporation in das Unternehmen auch an dessen Organe, wobei ihre gewissenhafte Umsetzung als Wertekonzepte und „soft law“ entscheidend vom politischen Willen und der „Tugendhaftigkeit“ der Akteure abhängt. Ein Compliance Management System (CMS)2312, das mit IDW PS 980 als Bestandteil des Deutschen Corporate Governance Kodex2313 Eingang in 2311  Wirtschaftlichkeit und Effizienz werden häufig synonym verwendet, aber Effizienz bezieht auch außerökonomische Zweckmäßigkeiten mit ein (siehe Chmielewicz / Eichhorn, Handwörterbuch der Öffentlichen Betriebswirtschaft 1989, 1795 ff., 1802). Effektivität betrifft dagegen das Maß der Zielerreichung einer vorgegebenen Aufgabe (vgl. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip 1971, 7; Steinberg, Komplexe Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, DÖV 1982, 619, 620 f.). 2312  Im Einzelnen wird hierauf im Zusammenhang mit den Publizitätspflichten der Unternehmensorgane in Kapitel 5 Abschnitt A. I. 4. eingegangen. 2313  Regierungskommission DCGK, Deutscher Corporate Governance Kodex, Endfassung vom 13. Mai 2013, http: /  / www.corporate-governance-code.de / ger / down



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl393

die Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer auch für öffent­ liche Unternehmen gefunden hat,2314 soll bei Unternehmensleitungen und Aufsichtsorganen durch die Installierung von sog. „Compliance Officers“2315 Risiken für Regelverstöße rechtzeitig erkennen und Regelkonformität si­ cherstellen.2316 Damit stehen die Empfehlungen von PCGK und CMS in der sprachge­ schichtlichen Tradition des Publizitätsbegriffs2317 von Kant im Einklang mit dem Prinzip der „Publizität“, das die „Einhelligkeit der Politik mit der Moral“2318 herstellen und gewährleisten soll. b) Ausrichtung des Auswahlermessens an den Bürgerinteressen Die Freiheit der Wahl der Organisations- und Handlungsform, in der eine Kommune ihre Aufgaben erfüllt, ist zwar als Ausfluss ihrer Organisations­ hoheit Schutzgegenstand des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gegen­ über staatlichen Eingriffen,2319 doch bedeutet dies nicht, dass die Kommune hierbei nach Belieben entscheiden könnte. Art. 28 Abs. 2 GG fordert viel­ mehr, dass die eingeräumten Kompetenzen nach sachlichen Erwägungen eigenverantwortlich ausgeübt werden. Dies gilt auch für den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung, der vor staatlichen Eingriffen geschützt ist, aber gleichzeitig eine Verpflichtung der Kommune zur örtlichen Daseinsvor­ sorge für ihre Bürger beinhaltet.2320 Kompetenzkonflikte können auch durch Beschränkung kommunaler Un­ ternehmenstätigkeit auf Selbstverwaltungsangelegenheiten mit Gebietsbe­ zug zur örtlichen Gemeinschaft vermieden werden. Dies gilt sowohl für die Vermeidung von Eingriffen in die Zuständigkeit staatlicher Aufgaben­ träger, beispielsweise bei Angelegenheiten der Wirtschaftsförderung durch finanzielle Leistungen oder Vergünstigungen der Gemeinde für Ansied­ lungsvorhaben, als auch von Eingriffen eines Landkreises in gemeindliche load / kodex_2013 / D_CorGov_Endfassung_Mai_2013.pdf, Ziff. 3.4, 4.1.3, 5.2 und 5.3, zuletzt geprüft am 26.07.2013. 2314  Institut der Wirtschaftsprüfer, Verlautbarungen – IDW Prüfungsstandards, http: /  / www.idw.de / idw / portal /  n281334 / n281114 / n302246 / index.jsp, IDW PS 980 vom 11.03.2011 (WPg Supplement 2 / 2011, S. 78 ff., FN-IDW 4 / 2011, S. 203 ff.), zuletzt geprüft am 16.09.2013. 2315  Vgl. BGH v. 17.07.2009, 5 StR 394 / 08, BGHSt 54, 44, 49. 2316  Torp, Compliance management system 2004; Hauschka / Besch, Corporate Compliance 2. Aufl. 2010, 2 ff. 2317  Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. a). 2318  Siehe hierzu den Nachweis in Fußn. 54. 2319  Siehe die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt A. II. 2. c). 2320  BVerwG v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382, 1383 f.

394

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

Aufgaben,2321 wie etwa der Förderung des Breitensports durch den Betrieb einer Mehrzweckhalle in einer einzelnen kreisangehörigen Gemeinde über die Kreisumlage2322 oder für eine überörtliche Betätigung einer Gemeinde auf dem Gebiet anderer Kommunen ohne deren Einwilligung und ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung.2323 Soweit die einzelnen Bundesländer in unterschiedlichem Maß den gesetz­ lichen Rahmen für die Wahlfreiheit ausdrücklich und in verfassungskonfor­ mer Weise2324 festgelegt haben, bedarf es für die Feststellung des zulässigen Umfangs und der Grenzen keines Rekurses auf Verfassungsgrundsätze oder Grundrechte. Diese erzeugen allerdings Schranken für die sachgerechte Ermessensausübung bei der Rechtsformwahl, soweit der Gesetzgeber die Wahlfreiheit ausdrücklich der Eigenverantwortlichkeit kommunaler Selbst­ verwaltung überlassen und auf einen Vorrang oder Ausschluss einzelner Organisations- oder Handlungsformen verzichtet hat.2325 Maßstab für Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Organisa­ tions- und Handlungsform sind deren Auswirkungen auf geschützte Rechts­ positionen der von der Aufgabenwahrnehmung betroffenen Nutzer von Einrichtungen oder Dienstleistungen des Unternehmens sowie auf das hier­ bei zu gewährleistende Legitimationsniveau. Für Aufgaben im Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts mit wesentli­ cher Grundrechtsrelevanz, bei monopolartiger Stellung oder bei der Wahr­ nehmung von Pflichtaufgaben mit Anschluss- und Benutzungszwang kann Art. 33 Abs. 4 GG eine Schranke für die Ausgliederung in privatrechtliche Unternehmensformen darstellen. Hierbei kann der Sicherungszweck bei grundlegenden Daseinsvorsorgeleistungen für den Bürger auch den Einsatz 2321  BVerwG v. 23.09.2013, 8 C 1 / 12, JurisPR 19 / 2013 mit Anm. Deiseroth, Rdnr. 14 f.: Bei der ihm zustehenden Festsetzung der Kreisumlage darf der Kreis in vertikaler Richtung – neben der gebotenen Beachtung des abwägungsfesten Kernbe­ reichs kommunaler Mindestfinanzausstattung – seine eigenen Aufgaben und Interes­ sen nicht willkürlich („beliebig“), also nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen. Aller­ dings haben die kreisangehörigen Gemeinden auch die – im Rahmen der gesetz­ lichen Vorgaben erfolgende – eigenverantwortliche Aufgabenbestimmung des Land­ kreises im Grundsatz als rechtmäßig hinzunehmen. 2322  BayVGH v. 04.11.1992, 4 B 90.718, BayVBl 1993, 112; BayVGH v. 29.05.1995, 4 B 94.2586, BayVBl 1995, 659. 2323  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt B. I. 2. e) cc). 2324  Vgl. hierzu die Ausführungen zu Art. 68 Abs. 4 Satz 2 KV M-V in diesem Kapitel unter Abschnitt B. I. 2. b). 2325  Dies gilt für den Freistaat Bayern, der zudem nicht mehr zwischen wirt­ schaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung unterscheidet (Art. 86, 87 BayGO), für Niedersachsen (§§ 136, 137 NKomVG) und das Saarland (§§ 108–110 KSVG).



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl395

von Berufsbeamten fordern.2326 Zur Gewährleistung ausreichender Publizität kann in solchen Fällen das Auswahlermessen der Kommune durch verfas­ sungskonforme Interpretation der Wahlfreiheit auf die Verwendung des für den Staat geschaffenen Sonderrechts2327 mit öffentlich-rechtlichen Organisa­ tionsformen, dem Eigenbetrieb oder Kommunalunternehmen mit Dienstherrn­ eigenschaft, reduziert sein. Auch die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips können das Auswahler­ messen zur Vermeidung undurchsichtiger verschachtelter Organisations­ strukturen für Dienstleistungen gegenüber den Bürgern binden. Zur Opti­ mierung des steuerlichen Querverbunds konstruierte kommunale Holdingge­ sellschaften mit Über-Kreuz-Beteiligungen von Tochterunternehmen, Enkelund Urenkel- und mit diesen verbundene Schwesterunternehmen mit operativen Dienstleistungsaufgaben gegenüber den Bürgern zählen hierzu. Solche Strukturen behindern den Zugang zu Daseinsvorsorgeleistungen und beeinträchtigen einen effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG der auf die Dienstleistungen angewiesenen Nutzer in unangemessener Weise. Dies gilt auch, soweit durch das faktische oder das Vertragskonzernrecht die Kommune selbst weitreichende und dem Demokratieprinzip genügende In­ gerenz- und Kontrollbefugnisse über die Unternehmensorgane besitzt. Der­ artige Organisationsstrukturen sind infolge ihrer Intransparenz mit dem Er­ fordernis klarer und nachvollziehbarer Zuständigkeiten für hoheitliches Handeln auch im Bereich der Leistungsverwaltung unvereinbar und versto­ ßen damit gegen die Zweck-Mittel-Relation des Rechtsstaatsprinzips. Das Entstehen von „Dreiecksbeziehungen“ zwischen den Bürgern und der Kommune sowie zu deren selbstständigem Unternehmen kann auch bei öf­ fentlich-rechtlicher Organisationsform als Kommunalunternehmen Rechts­ schutzprobleme im Hinblick auf die zutreffende Adressatenauswahl hervor­ rufen, wenn Aufgaben der Kommune teilweise auf das Kommunalunterneh­ men übertragen und andere Aufgaben demselben Unternehmen nur zur Wahrnehmung im Namen der Gemeinde zugewiesen werden sollen. In diesen Fällen ist es ein aus der Publizität folgendes Gebot zur Transparenz, dass die Unternehmenssatzung in einer für die Geltendmachung von An­ sprüchen der Bürger nachvollziehbaren Weise den jeweiligen Adressaten bezeichnet, denn Publizität hat Information zur Voraussetzung und Transpa­ renz zum Ziel.

2326  Siehe 2327  Vgl.

hierzu in diesem Kapitel Abschnitt B. I. 2. a) bb) und Fußn. 2134. die Darstellung in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) bb) (1).

396

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

c) Bindung des Auswahlermessens durch Konkurrentenschutz Die Zwitterstellung kommunaler Unternehmen im Wettbewerb mit ihrer Bindung an den Träger öffentlicher Gewalt und als Konkurrent zu privaten Anbietern fordert eine strikte und transparente Trennung unternehmerischer Geschäftstätigkeit zulässiger kommunaler Erwerbswirtschaft von hoheitli­ cher Tätigkeit. Zweck des UWG ist es, unlauteres Verhalten im Wettbewerb wie die Förderung geschäftlicher Handlungen eigener oder fremder Unter­ nehmen durch Verquickung mit Hoheitsaufgaben zu vermeiden, die Ver­ pflichtung zu maßvoller Interessenverfolgung kommunaler Unternehmen bei geschäftlichen Aktivitäten zu gewährleisten und eine wettbewerbswidrige Einflussnahme auf die Art und Weise wirtschaftlicher Betätigung bei einer marktbeherrschenden Stellung zu verhindern.2328 Lauterkeitsrecht bildet damit eine Schranke für die Einwirkungsbefugnisse der Kommunen zur Unternehmenssteuerung durch hoheitliche Einflussnahme auf geschäftliche Handlungen. Auch die aus den Grundrechten abzuleitende Schutzpflicht zugunsten privater Wettbewerber2329 hindert die Kommune zwar nicht an einem Marktzutritt durch eigene oder von ihr beherrschte Unternehmen, sie fordert aber die Rücksichtnahme vor allem auf private Konkurrenzunternehmen etwa durch die Vermeidung aggressiver Marktstrategien. Als Ausgleich für die Gewährung öffentlicher Mittel an kommunale Un­ ternehmen im Wettbewerb fordert Unionsrecht deren Betrauung mit der Erfüllung konkreter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen durch einen Betrauungsakt, der den Altmark-Trans-Kriterien der EuGH-Rechtsprechung entspricht.2330 Dies gilt ungeachtet des weiten Wertungsspielraums bei der Qualifizierung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe, die „univer­ sal und obligatorisch“ sein, also einen allgemeinen Bedarf der Bevölkerung decken muss, damit sie als „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftli­ chem Interesse (DAWI)“ anzuerkennen ist.2331 Ein Beispiel hierfür ist die Beauftragung eines kommunalen Unternehmens mit der Errichtung oder dem Ausbau eines Daten-Hochgeschwindigkeitsnetzes, zu denen Privatun­ ternehmen mangels Wirtschaftlichkeit im ländlichen Raum nicht bereit sind, so dass auch „Marktversagen“ ein Tätigwerden der öffentlichen Hand zur Erfüllung des Raumordnungsziels gleichwertiger Lebensverhältnisse recht­ fertigt.

2328  Siehe

hierzu die Erörterung in Kapitel 2 Abschnitt B. II. 3. und 4. Kapitel 2 Abschnitt B. II. 2. 2330  Siehe in diesem Kapitel Abschnitt A. I. 2. d) bb). 2331  EuG v. 16.09.2013, 79 / 10 u. a., Juris. 2329  Vgl.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl397

2. Vorschläge zur Unternehmensgestaltung bei wirtschaftlicher Betätigung a) Verstärkung bürgerschaftlicher Partizipationselemente Nach dem Leitbild des Art. 28 GG soll die örtliche Gemeinschaft durch die kommunale Selbstverwaltung ihr Schicksal in eigener Verantwortung solidarisch gestalten2332 und durch „Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten“ wirksam am Gemeinwesen auf örtlicher Ebene teilnehmen.2333 Mit partizipatorischen Elementen, wie dies auch die kollek­ tiven Instrumente Bürgerbegehren und Bürgerentscheid darstellen, soll den von örtlichen Angelegenheiten Betroffenen „institutionalisierter Betroffe­ nenschutz durch Betroffenenteilnahme“2334 gewährleistet werden.2335 Indivi­ duelle partizipatorische Instrumente aber kennen die Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungen mit Ausnahme der Hessischen Gemeindeord­ nung nicht. Diese gestattet den Gemeinden ausschließlich auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung erneuerbarer Energien sowie der Verteilung von hieraus gewonnener thermischer Energie sich wirtschaft­ lich zu betätigen, „wenn die Betätigung innerhalb des Gemeindegebietes oder im regionalen Umfeld in den Formen interkommunaler Zusammenar­ beit und unter Beteiligung privater Dritter erfolgt. Die Beteiligung der Ge­ meinden soll dabei einen Anteil von 50 Prozent nicht übersteigen. Die wirtschaftliche Beteiligung der Einwohner soll ermöglicht werden. Ist trotz einer Markterkundung die geforderte Beteiligung privater Dritter und Ein­ wohner nicht zu erreichen, kann die Gemeinde ihren Anteil an der neuen Gesellschaft entsprechend steigern.“2336 Diesem Modell liegt der Gedanke zugrunde, dass den Gemeindeangehö­ rigen als den materiellen Eigentümern kommunaler Unternehmen2337 ver­ stärkt auch Möglichkeiten zu einer Unternehmensbeteiligung eröffnet wer­ den sollten.2338 Einem solchen Beteiligungsmodell für Einwohner stehen kommunalrecht­ liche Vorschriften auch in anderen Bundesländern nicht entgegen. In den 90er Jahren hat sich eine nicht unerhebliche Anzahl von Stadtwer­ ken unter dem Eindruck der gestiegenen Wettbewerbsanforderungen durch 2332  Siehe

oben Fußn. 602. Peters, Fußn. 603. 2334  Vgl. die Nachweise in Fußn. 590. 2335  Siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt A. I. 2. und 3. 2336  § 121 Abs. 1a Sätze 1 bis 4 HGO. 2337  Vgl. Fußn. 2038. 2338  So insbesondere Schwintowski, vgl. Fußn. 2039. 2333  So

398

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

die Liberalisierung des europäischen Strom- und Gasmarktes veranlasst gese­ hen, die traditionelle Rechtsform des Eigenbetriebs in die einer GmbH oder Aktiengesellschaft umzuwandeln. Ziel des Rechtsformwechsels war häufig die Herstellung der Beteiligungsfähigkeit der Stadtwerke für damals noch vertikal integrierte überregional tätige Energieversorgungsunternehmen.2339 Die Unternehmenskonzentration im Energiebereich auf einige wenige überregionale Energieerzeuger und die Entflechtungsvorschriften für den Netzbetrieb haben jedoch sowohl deren Bereitschaft zu einer Minderheits­ beteiligung an Stadtwerken verringert als auch die Neigung der Kommunen zur Aufnahme eines „strategischen Partners“ in ihre Versorgungsunterneh­ men. Stattdessen haben Kooperationen unter den Stadtwerken und unterneh­ mensinterne Restrukturierungsmaßnahmen deren Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Die Tendenz zu leistungsfähiger kommu­ nal gesteuerter Energieerzeugung und -versorgung ist auch politisch und administrativ durch die kommunalen Vertretungsorgane unterstützt worden und wird auch durch die wachsende Dezentralisierung der Energieerzeugung aus regenerativen Quellen gefördert.2340 Allerdings hat dieser Trend bisher nicht zu einer örtlichen wirtschaftli­ chen Beteiligung der Bürger an lokalen Energieversorgungsunternehmen der Kommunen geführt. Dabei kann die Erschließung zusätzlichen privaten Kapitals zum Ausbau regionaler oder lokaler Erzeugung erneuerbarer Ener­ gien für eine Kommune wirtschaftlich und finanztechnisch aber auch kom­ munalpolitisch ein attraktives Projekt darstellen, weil mit einer wirtschaftli­ chen Unternehmensbeteiligung der Bürger, beispielsweise in der Rechtsform der GmbH & Co. KG mit den Einwohnern als Kommanditisten oder als KGaA, im Gegensatz zu einer Beteiligung überregionaler Energieversorger mit Privatkapital in lokaler Wertschöpfung eine verbesserte Kapitalausstat­ tung eines Stadtwerks zu erreichen ist. Kommunalpolitisch führt ein solches allen Einwohnern der Gemeinde offenstehendes Modell zu verstärkter Identifikation mit der Erfüllung kom­ munaler Daseinsvorsorgeaufgaben durch öffentliche Einrichtungen, auf de­ ren Zugänglichkeit die Einwohner in ihrer Funktion als Nutzer ohnehin ei­ nen Rechtsanspruch in Konnexität mit der Lastentragung besitzen.2341 Auch als Letztverbrauchern von Energie steht ihnen mindestens ein Anspruch auf Grundversorgung2342 zu. Als Gesellschafter und gleichzeitig Kunden eines 2339  Vgl. zum Begriff jetzt § 3 Nr. 38 EnWG vom 07.07.2005 (BGBl. I S. 1970, ber. S. 3621), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.02.2013 (BGBl. I S. 346). 2340  Zwischen 2005 und 2012 wurden in Deutschland sogar 70 Stadtwerke neu gegründet, vgl. Süddeutsche Zeitung (Fußn. 2310). 2341  Vgl. beispielsweise Art. 21 Abs. 1 BayGO. 2342  §§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 25, 36 ff. EnWG.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl399

solchen Unternehmens sind sie an einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltfreundlichen leitungsgebun­ denen Versorgung mit Elektrizität und Gas (§ 1 Abs. 1 EnWG) besonders interessiert. Die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Bürgerbeteiligung an einem kom­ munalen Versorgungsunternehmen verstärkt als ergänzendes partizipatori­ sches Element kommunaler Selbstverwaltung2343 auch die über das Wahl­ recht zu den kommunalen Vertretungskörperschaften zu gewährleistende demokratische Legitimation der wirtschaftlichen Unternehmen. Das Modell verknüpft damit die zur Aufgabenerfüllung durch den öffentlichen Zweck gebotene Publizität auf einem wichtigen Feld elementarer Daseinsvorsorge mit dem örtlichen Souverän als materiellem Eigentümer des kommunalen Unternehmens, von dem dieses seine Legitimation im demokratischen Rechtsstaat ableitet.2344 Ob ein solches Modell auch für öffentliche Einrichtungen im Bereich anderer elementarer Daseinsvorsorgeaufgaben, wie etwa der Entsorgungs­ wirtschaft oder bei Einrichtungen des ruhenden Verkehrs (z. B. öffentlichen Parkgaragen), geeignet ist, bedarf einer gesonderten Untersuchung, die den Rahmen dieser Darstellung sprengen würde. b) Landesgesetzliche Ermächtigungen zu öffentlich-rechtlicher Handlungsform für kommunale Unternehmen in Privatrechtsform Während öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen von der grund­ sätzlichen Wahlmöglichkeit Gebrauch machen können, ob sie das Rechts­ verhältnis zu den Nutzern einer öffentlichen Einrichtung oder Anstalt öffent­ lich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestalten, kann bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform ein Unternehmen den Bürgern ohne gesetzliche Ermächtigung nicht die mit öffentlich-rechtlichen Handlungsfor­ men verbundenen Vorteile gewähren, obwohl sich die Erfüllung der öffent­ lichen Aufgabe nur formell durch die Organisationsform unterscheidet. Zwar unterliegt die Verwaltung auch beim Handeln in Privatrechtsform nach der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht bei der Wahrnehmung öffentli­ cher Aufgaben einer Reihe öffentlich-rechtlicher Bindungen, doch verblei­ ben gerade im Verhältnis zu den Nutzern vielfältige Defizite im Hinblick 2343  Schmidt-Aßmann (Fußn. 175), 381 spricht von einer dualen Legitimation kommunaler Selbstverwaltung, die sich in den Instituten bürgerschaftlicher Mitwir­ kung ausdrücke. 2344  Siehe hierzu die Erörterung in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) cc) und Kapi­ tel 2 Abschnitt A. I. 4.

400

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

auf die Zugänglichkeit von Informationen2345 und damit auf Transparenz des Handelns in Privatrechtsform und auf effektiven Rechtsschutz.2346 Das Land Rheinland-Pfalz hat hierauf mit einer Ermächtigung der Ge­ meinden2347 reagiert und diesen das Recht verliehen, durch Satzung, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf, juristischen Personen des Privatrechts, an denen ausschließlich sie und andere kommunale Körperschaf­ ten beteiligt sind, bei der Erfüllung von einzelnen Selbstverwaltungsaufga­ ben an ihrer Stelle tätig zu werden, wenn Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen. Der Beliehene ist insoweit anstelle der Gemeinde Behörde im Sinne des § 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes. Er hat das Recht, aufgrund von Satzungen der Gemeinde Verwaltungsakte zu erlassen, insbesondere auch den Anschluss- und Benutzungszwang durchzusetzen, sowie öffentlich-rechtliche Entgelte zu erheben. Eine generelle Regelung mit ähnlicher Zielsetzung findet sich in § 24 LVwG des Landes Schleswig-Holstein.2348 Danach können juristischen Per­ sonen des Privatrechts durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zur Erledigung in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts übertragen werden, sofern die Aufgabe auch von dem übertragenden Träger öffentlicher Verwaltung in den Handlungsformen des Privatrechts erfüllt werden darf, die Zuständigkeit einer Behörde nicht aus­ drücklich vorgeschrieben ist und die Eigenart der Aufgabe oder ein über­ wiegendes öffentliches Interesse nicht entgegensteht. Die Regelung umfasst damit auch die Möglichkeit einer Beleihung von kommunal beherrschten gemischtwirtschaftlichen Unternehmen. Die Ansatzpunkte beider Landesgesetzgeber gestatten die Vermeidung der Nachteile, die aus der notwendigen Verwendung privatrechtlicher Hand­ lungsformen bei der Wahrnehmung kommunaler Aufgaben in Organisations­ formen des Privatrechts im Hinblick auf den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG einerseits und für einen effektiven Rechtsschutz der Kunden und Nutzer von Daseinsvorsorgeleistungen dieser Unternehmen nach Art. 19 Abs. 4 GG andererseits entstehen können.2349 Die übrigen Bundesländer haben hierzu keine vergleichbare Regelung getroffen. Dabei gibt es eine Reihe von Gründen, die es de lege ferenda als 2345  Vgl. hierzu die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit von Sitzungen von Auf­ sichtsräten der Gesellschaften. 2346  Siehe hierzu die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt B. I. 2. c). 2347  § 85 Abs. 6 GemO Rhl-Pf. 2348  Vgl. Fußn. 502. 2349  Auf die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt B. I. 2. a) bb) und cc) (2) sowie c) bb) wird verwiesen.



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl401

überlegenswert erscheinen lassen, den Kommunen durch Schaffung einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung eine zusätzliche Option zur Nut­ zung öffentlich-rechtlicher Handlungsformen für Eigengesellschaften, ge­ mischt-öffentliche Gesellschaften und kommunal beherrschte gemischtwirt­ schaftliche Unternehmen zu eröffnen. Zugunsten der Kommunen wird da­ durch die Wahlfreiheit der Handlungsform ihrer Unternehmen unabhängig von deren Rechtsform erweitert und mit einer Anwendung der Regelungen über die Rechtsaufsicht zugleich durch Re-Publifizierung eine Rechtmäßig­ keitskontrolle unmittelbar gegenüber dem Unternehmen ermöglicht. Die Schwächen einer bloßen Betätigungsprüfung staatlicher Prüfungsorgane bei der Kommune2350 werden dadurch vermieden. Da insbesondere in Bayern und Thüringen keine Unterscheidung mehr zwischen nichtwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Betätigung getroffen wird, kann damit vorrangig im Bereich der Pflichtaufgaben, bei einem An­ schluss- und Benutzungszwang und bei kommunalen Daseinsvorsorgeauf­ gaben, die dem Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung vor allem im kulturellen, sozialen und gemeinnützigen Bereich zuzuordnen sind, eine die Durchsetzung von Nutzeransprüchen beeinträchtigende und durch das Zivilrecht determinierte „Dreiecksbeziehung“ vermieden werden. Das Mo­ dell ist aber auch für diejenigen Bundesländer geeignet, die für nichtwirt­ schaftliche Aufgaben der Daseinsvorsorge privatrechtliche Organisations­ formen zulassen.2351 Für eine zulässige erwerbswirtschaftliche Betätigung auf Wettbewerbs­ märkten2352 erscheinen dagegen privatrechtliche Handlungsformen kommu­ naler Unternehmen als angemessen, um strukturelle Wettbewerbsvorteile, die sich aus öffentlich-rechtlichen Handlungsformen bei privatrechtlicher Organisation zu Lasten von Konkurrenten ergeben könnten, vorzubeugen. Denn die europäischen Wettbewerbsregeln zielen – vorbehaltlich des Art. 106 Abs. 2 AEUV – auf eine Gleichstellung der öffentlichen mit priva­ ten Unternehmen und auf eine Anpassung der öffentlichen Wirtschaft an die Privatwirtschaft.2353

2350  Siehe

hierzu die Darstellung unter Kapitel 4 Abschnitt C. II. 2. b). insbesondere § 106 a GemO BW, §§ 68 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, 122 KV M-V, § 136 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 NKomVG, § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GO NRW, §§ 108 Abs. 2 Nr. 1, 110 Abs. 1 Saarl.KSVG und die Dar­ stellung in Kapitel 2 Abschnitt A. III. 1. b). 2352  Siehe Kapitel 2 Abschnitt B. I. 2. e). 2353  Auf die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt C. I. 3. d) und die Nachweise in Fußn. 1581, 1583 und 1584 wird verwiesen. 2351  Vgl.

402

Kap. 3: Publizität bei Unternehmensgründung und Beteiligung

c) Minderheitsbeteiligung als Vermögensverwaltung Im Gegensatz zu Eigengesellschaften und kommunal beherrschten ge­ mischtwirtschaftlichen Unternehmen bergen Unternehmensbeteiligungen ei­ ner Kommune als Minderheitsgesellschafterin oder Minderheitsaktionärin, auch, soweit sie gemeinsam mit anderen kommunalen oder staatlichen Trägern erfolgen, stets die Gefahr, dass die verfassungsrechtlich gebotene Rückführbarkeit der Legitimationskette der Unternehmensorgane auf das Volk nicht gewährleistet werden kann.2354 In solchen Fällen ist die jeweilige Kommune als Trägerin der Aufgabenverantwortung für ihren Teil der Erfül­ lung des mit dem Unternehmen beabsichtigten öffentlichen Zwecks auf die rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten beschränkt, die ihr das Gesellschafts­ recht als Gesellschafterin oder Aktionärin gewährt.2355 Im Interesse der Gleichbehandlung der Gesellschafter und Aktionäre stehen ihr Sonderrechte nur zu, soweit diese durch Gesetz (vgl. §§ 394, 395 AktG) ausdrücklich eingeräumt werden. Die Einwirkungsbefugnisse auf ein solches privatrechtlich organisiertes Unternehmen beurteilen sich dabei ausschließlich nach Gesellschaftsrecht, während die Einwirkungspflichten ihre Grundlage im öffentlichen Recht finden. Die Diskrepanz zwischen den beschränkten Einwirkungsmöglichkei­ ten auf diese gemischtwirtschaftlichen Unternehmen und der Verantwortung für eine pflichtmäßige Aufgabenerledigung kann notfalls dazu führen, dass die Beteiligung mangels ausreichend gewährleisteter Einflussnahme auf die Erfüllung des öffentlichen Zwecks aufgegeben werden muss.2356 Eine ähn­ liche Zwangslage kann eintreten, wenn der öffentliche Zweck eines Unter­ nehmens der Gemeinde entfallen ist. Als Alternative hierzu hat der Freistaat Thüringen mit § 66 Abs. 2 und Abs. 3 ThürKO ein interessantes Modell einer Kapitalbeteiligung an privat­ rechtlichen Unternehmen als Vermögensanlage ohne kommunalrechtliche Restriktionen geschaffen. Danach dürfen die Gemeinden oder Unternehmen, an denen die Gemeinde unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, Geschäfts­ anteile oder Aktien solcher Unternehmen in privater Rechtsform besitzen, an denen die Gemeinde unmittelbar oder mittelbar beteiligt war, bevor durch einen von der Rechtsaufsichtsbehörde genehmigten Gemeinderatsbe­ schluss festgestellt worden ist, dass der öffentliche Zweck dieses Unterneh­ mens entfallen ist. In begründeten Ausnahmefällen kann die Rechtsauf­ sichtsbehörde auch den Erwerb oder Besitz anderer Aktien oder Geschäfts­ 2354  Spannowsky

(Fußn. 524), 1074. (Fußn. 524), 1074, Fußn. 11: Püttner, Die Vertretung der Ge­ meinden in wirtschaftlichen Unternehmen, DVBl 1986, 748, 751 f. 2356  Püttner (Fußn. 2263), 356; Spannowsky (Fußn. 524), 1076. 2355  Spannowsky



B. Entscheidungskriterien und Lösungsansätze zur Formenwahl403

anteile einer Gemeinde oder eines Unternehmens, an dem die Gemeinde unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, genehmigen. Diese Beteiligung der Gemeinde soll auf Dauer grundsätzlich in eine Minderheitsbeteiligung über­ führt werden. Zuschüsse der Gemeinde an solche Unternehmen sind unzu­ lässig. Bei Geldanlagen ist auf eine ausreichende Sicherheit zu achten; sie sollen einen angemessenen Ertrag bringen. Das Land Brandenburg hat in § 91 Abs. 7 BbgKVerf geregelt, dass die Verwaltung des Gemeindevermögens, insbesondere das unmittelbare oder mittelbare Halten von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, keine wirt­ schaftliche Betätigung darstellt. Soweit in verschiedenen Bundesländern auch Minderheitsbeteiligungen am Kapital von privaten Gesellschaften ab 5% in den Beteiligungsbericht aufzunehmen sind, stellt sich für Beteiligungen unterhalb dieser Schwelle die Frage, ob diese ausschließlich als Vermögensanlage anzusehen sind. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt es dafür jedoch nicht auf die Beteiligungshöhe, sondern auf die mit der Beteiligung verfolgte Intention einer Vermögensanlage oder eines Beitrags zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe an, so dass auch Beteiligungen über 5% zur Vermögensverwaltung eingegangen werden können. Regelungen, die mit denen in Thüringen vergleichbar sind, finden sich in den übrigen Bundesländern nicht. Allerdings zählt die Finanzhoheit der Gemeinden als Grundlage finanzieller Eigenverantwortlichkeit (Art.  28 Abs. 2 Satz 3 GG) zum unantastbaren Kern der Selbstverwaltungsgaran­ tie.2357 Sie umfasst jedenfalls auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermäch­ tigung das Recht zu eigenverantwortlicher Einnahmen- und Ausgabenwirt­ schaft und auch das Recht, Gemeindevermögen in geeigneten Beteiligungen ertragsorientiert anzulegen. Dennoch wird die Schaffung eines mit der Re­ gelung Thüringens vergleichbaren Auffangtatbestands insbesondere bei Entfallen eines mit einer Beteiligung verfolgten öffentlichen Zwecks auch durch die übrigen Landesgesetzgeber für zielführend gehalten.

2357  Vgl.

die Nachweise bei Fußn. 744 in Kapitel 2 Abschnitt A. II. 2. c).

Kapitel 4

Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner I. Zugang zu Steuerungsressourcen als Voraussetzung für Publizität An die Organisationsgestaltung kommunaler Unternehmenstätigkeit stellt das Grundgesetz drei zentrale Anforderungen: Das Unternehmen muss der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. Zur Ausrichtung auf den öffentli­ chen Zweck müssen ausreichende Möglichkeiten der Steuerung und Kon­ trolle des Unternehmens bestehen. Alle wesentlichen Unternehmensent­ scheidungen müssen von demokratisch legitimierten Entscheidungsträgern getroffen werden.2358 Im Rahmen der ihnen vom örtlichen Teilvolk verliehenen Legitimation steht den kommunalen Organen bei der Erfüllung von Aufgaben der Selbst­ verwaltung ein weiter Handlungs- und Gestaltungsspielraum mit eigener Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Aufgabenbereiche und der Wahr­ nehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge zu, der im Kernbereich auch vor staatlichen Eingriffen geschützt ist. Die den Kommunen hierfür zur Verfügung stehenden Organisations- und Handlungsformen erfüllen die Anforderungen an Steuerungs- und Kontroll­ möglichkeiten sowie an die erforderliche personelle und inhaltliche Legiti­ mation in unterschiedlichem Maße. Die Art der Aufgabe, nicht die Rechts­ form, in der sie erfüllt oder wahrgenommen wird, bestimmt den Maßstab für die vom Demokratieprinzip geforderte Einflussnahme der Trägerkom­ mune auf ihr Unternehmen. Die Zulässigkeit der Organisations- und Hand­ lungsform hängt damit davon ab, ob sie für die Erfüllung oder Wahrneh­ mung der jeweiligen Aufgabe geeignet, erforderlich und angemessen ist. Daseinsvorsorgeaufgaben, die zum Kernbereich kommunaler Selbstverwal­ 2358  So insbesondere Mann (Fußn. 1984), 8, Fußn. 4: Vgl. auch Strobel, Wei­ sungsfreiheit oder Weisungsgebundenheit kommunaler Vertreter in Eigen- und Be­ teiligungsgesellschaften?, DVBl 2005, 77, 78.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner405

tung gehören, werden regelmäßig ein gesteigertes Maß an Steuerung und eine engere Einbindung in oder Anbindung an die allgemeine Organisa­ tionsstruktur der Kommune erfordern als wirtschaftliche Betätigung im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft oder eine zulässige Erwerbswirt­ schaft.2359 Die Grenzen für wettbewerbliche und zulässige erwerbswirtschaftliche Betätigung werden zudem durch die Grundrechte konkurrierender Marktteil­ nehmer, die aus der Wertordnung des Grundgesetzes abgeleiteten Schutz­ pflichten sowie die einfachgesetzlichen Regelungen des Lauterkeits- und Wettbewerbsrechts gezogen und im Anwendungsbereich des Unionsrechts durch Beihilfe- und Vergaberecht sowie deren sektorenspezifischen Modifi­ kationen flankiert.2360 Jede Ausgliederung in mehr oder weniger selbstständige Organisations­ einheiten verringert für die kommunalen Entscheidungsträger nicht nur den Einfluss auf die operativ zu erfüllenden oder wahrzunehmenden Aufgaben, sondern beeinträchtigt auch die unverzichtbare Zugänglichkeit zu Informa­ tionen als Steuerungsressource2361 und Voraussetzung für jegliche Form der Publizität. 1. Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht von Organen öffentlicher Unternehmen Publizität in der Bedeutung von Staatlichkeit2362 findet ihre Grenzen in zweifacher Hinsicht: Wie die historische Ableitung des Publizitätsbegriffs2363 belegt, bildet einerseits das „privatum“, die geschützte Sphäre des Individu­ ums, und andererseits das „secretum“ als das staatlicher Herrschaft imma­ nente Geheimnis mit seinen Wurzeln in den „arcana imperii“ jeweils einen Gegenbegriff zu staatsbezogener Publizität.2364 Während das „privatum“2365 den für den Staat unantastbaren Herrschafts­ bereich Privater, das „dominium“, schützt und damit staatlichen Eingriffen 2359  Ehlers (Fußn. 633), 231 f.; so auch Schulz (Fußn. 445), 102 für das Kommu­ nalunternehmen. 2360  Siehe hierzu die umfassende Darstellung in Kapitel 2. 2361  Zum Begriff vgl. Fußn. 268. 2362  Siehe hierzu die Nachweise bei Martens (Fußn. 4), vgl. Fußn. 91. 2363  Auf die ausführliche Darstellung der geschichtlichen Ableitung des Publizi­ tätsbegriffs in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. wird verwiesen. 2364  Vgl. Fußn.  183 m. w. N. 2365  Martens (Fußn. 4), 30, verweist hierzu darauf, dass die spätrömische Auffas­ sung, wonach „jeder, der nicht Kaiser ist“, „privatus“ heißt, in den deutschrechtli­ chen Rechtskreis übernommen worden ist.

406 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

„nach außen hin“ Grenzen setzt, stellt das „secretum“ eine systemimmanen­ te Schranke staatlicher Publizität für das Handeln aller mit der Erfüllung oder Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betrauten Amtsträger und Organ­ walter dar.2366 Beide Schranken der Publizität sind damit, allerdings mit unterschiedlicher Zielrichtung, Antonyme zu ein und derselben Medaille, der Publizität staatlichen Handelns. Bedeutsam wird diese Erkenntnis für die Einordnung von Verschwiegen­ heitspflichten der Organe kommunaler Unternehmen und Beteiligungen gegenüber Informationsansprüchen ihrer Träger als Voraussetzung für deren effektive Einwirkung und Kontrolle zur Erfüllung des öffentlichen Zwecks. Die rechtliche Anerkennung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen be­ ruht nicht auf einer umfassenden gesetzlichen Ausgestaltung, sondern auf ei­ ner Vielzahl von Regelungen, die jedoch alle auf dem gemeinsamen Gedan­ ken des Schutzes vor „Ausspähung“ der Geheimnisse beruhen, wie er bei­ spielsweise in § 17 Abs. 1 und Abs. 2 UWG zum Wettbewerbsschutz oder in §§ 203 f. StGB für Amts- und Privatgeheimnisse und in §§ 404 AktG, 85 GmbHG für Geheimnisse einer Gesellschaft zum Ausdruck kommt.2367 Zivil­ rechtlich ist der Geheimnisträger durch Schadensersatz- und Unterlassungs­ ansprüche vor unbefugter Geheimnisverletzung über § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 17 UWG und § 826 BGB geschützt.2368 Der BGH sieht deren Schutz nicht im eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1 BGB und damit auch nicht im Eigentum verankert. Allerdings entstammen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der privatrechtlichen Sphäre und erhal­ ten von dort auch ihre Prägung.2369 Dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes unterfallen sie nach überwiegender Ansicht nicht, weil sie für den Inhaber kein subjektives Recht an einem Vermögensgegenstand darstellen.2370 Ihr Schutz beruht nach Auffassung des BVerwG auf Art. 12 Abs. 1 GG.2371 Würde man auch die Verschwiegenheitspflicht von Organen öffentlicher Unternehmen über vertrauliche Angaben sowie Betriebs- und Geschäftsge­ 2366  Im feudalistischen Staat war das „secretum“ Bestandteil des Herrschaftsap­ parats der Obrigkeit (siehe Fußn. 41). Durch die Aufklärung wird dem Prinzip der Geheimhaltung das Prinzip der Öffentlichkeit entgegengesetzt. Damit steht nun das „publicum“ nicht mehr nur dem „privatum“, sondern vor allem dem „secretum“ gegenüber, das zur rechtfertigungsbedürftigen Ausnahme gegenüber dem Anspruch des Volkes wird (vgl. Fußn. 45). 2367  Wolff, Der verfassungsrechtliche Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheim­ nisse, NJW 1997, 98. 2368  BGH v. 21.12.1962, I ZR 47 / 61, BGHZ 38, 391, 395. 2369  Schröder, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Umwelt­ schutzrecht, UPR 1985, 394, 396. 2370  Wolff (Fußn. 2367), 101 m. w. N. in Fußn. 51. 2371  BVerwG v. 18.04.1985, 3 C 34 / 84, BVerwGE 71, 183, 189, 197.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner407

heimnisse im „privatum“ als einer unternehmenseigenen geschützten „Privat­ sphäre“ der verselbstständigten Organisation verankert sehen, so stünde die­ ser Sichtweise zudem entgegen, dass öffentliche Unternehmen, die kompe­ tenzgebunden Aufgaben der öffentlichen Verwaltung für ihren Träger erfüllen oder wahrnehmen, unmittelbarer Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG unterliegen2372 und sich nicht wie Unternehmen der Privatwirtschaft auf „Pri­ vatautonomie“ und auf eigene Grundrechte berufen können.2373 Begibt sich die Verwaltung zulässigerweise auf den Boden des Privatrechts, unterwirft sie sich zwar dessen Rechtssätzen, doch bleibt ihr „Privatautonomie“ bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben gerade versagt.2374 Dies gilt nicht nur für Eigengesellschaften der öffentlichen Hand, sondern in gleicher Weise für die von ihr beherrschten gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, die der Erfüllung eines öffentlichen Zwecks dienen. Wie oben dargestellt,2375 bildet dabei die „Zweckprogrammierung“ der Unter­ nehmenssatzung die entscheidende Grundlage für Einwirkungsmöglichkei­ ten zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe. Während die Verankerung des öffentlichen Zwecks in der Unternehmenssatzung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen vor allem dem Ausgleich zwischen den divergierenden Inte­ ressen der privaten Anteilseigner an einer Effizienzsteigerung durch deren Know-how mit denen der öffentlichen Hand an Publizität und Transparenz öffentlicher Aufgabenerfüllung dient, besteht im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ein solcher Interessengegensatz der Anteilseigner nicht. Alle Anteilseigner gemischtwirtschaftlicher Unter­ nehmen besitzen ein gemeinsames Unternehmensinteresse am Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Wahrnehmung des mit dem Un­ ternehmensgegenstand verfolgten öffentlichen Zwecks. Hieraus folgt auch für die Verschwiegenheitspflichten von Organen pri­ vatrechtlich organisierter gemischtwirtschaftlicher Unternehmen ebenso wie der Eigengesellschaften, dass sie bei der Erfüllung von Verwaltungsaufga­ ben ihre Grundlage und innere Rechtfertigung nicht im „privatum“, dem vor staatlichen Eingriffen geschützten „dominium“ als dem staatsfernen und in der Privatautonomie wurzelnden Antonym zur Publizität finden, sondern im „secretum“ als systemimmanenter Schranke staatlicher Publizität. Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit, Geheimhaltung stellen in der freiheit­ lichen Demokratie jedoch die Abweichung von der Regel dar. Dies macht 2372  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226 zum gemischtwirt­ schaftlichen Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft. 2373  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt A. II. m.  w.  N. in Fußn. 654 und Abschnitt B. I. 2. m. w. N. in Fußn. 988. 2374  Ehlers (Fußn. 633), 74, Fußn. 1: h. M. 2375  Vgl. Kapitel 3 Abschnitt A. II. 2.

408 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

sie nicht unstatthaft, sondern nur rechtfertigungsbedürftig. Dem Grundgesetz lässt sich allerdings kein Verfassungsgrundsatz entnehmen, dass Nicht-Öf­ fentlichkeit generell begründungsbedürftig ist.2376 Umfang und Reichweite des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann der Gesetzgeber deshalb nach grund­ sätzlich freiem Ermessen ausgestalten. 2. Rechtfertigungsbedürftigkeit der Verschwiegenheit im Unternehmensinteresse Auch öffentliche Unternehmen besitzen für ihren Tätigkeitsbereich ein schützenswertes Interesse an der Geheimhaltung von Unternehmensinterna gegenüber Dritten.2377 Für die Unternehmensorgane ist die Wahrung der Verschwiegenheit über Unternehmensinterna Ausfluss ihrer Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen.2378 Die Schutzwirkung entfaltet sich zwar „nach außen hin“ für objektiv im Unternehmensinteresse2379 geheimhal­ tungsbedürftige Tatsachen, etwa gegenüber Konkurrenten oder anderen Personen aus dem „Publikum“, die an Informationen interessiert sind, ohne zum engeren Kreis der an der öffentlichen Aufgabe beteiligten Informa­ tionsberechtigten zu zählen. Die Pflicht zur Verschwiegenheit hat ihre Grundlage aber in der öffentlichen Aufgabe, deren Erfüllung sie sicherzu­ stellen hat. Jestaedt bezeichnet Nichtöffentlichkeit als den „Preis effektiver Aufga­ benerfüllung im Dienste eines primären Rechtswertes“, auf dessen Verwirk­ lichung sie zielt.2380 Dieser muss in concreto gewichtiger sein als der durch die Nichtöffentlichkeit staatlichen Handelns beeinträchtigte. Diese Art von Effizienz hat damit materiellen Rechtfertigungsbedarf, entweder weil die rechtlich geschützten Inhalte selbst der Geheimhaltung bedürfen oder weil sie vom Staat benannt werden, da sie nur bei Geheimhaltung effektiv und zielführend sein können.2381 Von Nichtöffentlichkeit kann der Erfolg staat­ lichen Handelns abhängen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann auch dazu dienen, die innere Willensbildung des Staates „gegen Fremdeinblick 2376  Jestaedt (Fußn. 111), 220, Fußn. 66: Martens (Fußn. 4), 50–80; a. A. Scherzberg (Fußn. 44), passim, insb. 291 ff., 320 ff., 336 ff. 2377  Schraml (Fußn. 460), 203. 2378  Schwintowski, Verschwiegenheitspflicht für politisch legitimierte Mitglieder des Aufsichtsrats, NJW 1990, 1009, 1011 und Fußn. 27: Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht im Aktienrecht 1972, 17 ff. 2379  Möller (Fußn. 379), 144, Fußn. 239: BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 329. 2380  Jestaedt (Fußn.  576), 591 f. 2381  Jestaedt (Fußn. 111), 224.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner409

und Fremdeinfluss abzuschirmen“.2382 Durch Amtsverschwiegenheit, das Beratungsgeheimnis2383 oder das Wahlgeheimnis nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG soll sich auch der demokratische Legitimations­ zusammenhang ungestört entfalten können.2384 a) Vom Unternehmensträger abgeleitete Verschwiegenheitspflicht gegenüber Dritten Damit stellt sich die Frage, ob ein öffentliches Unternehmen ein eigen­ ständiges, von seinem Träger zu unterscheidendes „Unternehmensinteresse“ an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen oder Informationen gegenüber seinem Träger für sich in Anspruch nehmen kann. Für Unternehmen, die gegenüber ihrem Träger nicht oder nur als Sondervermögen verselbststän­ digt sind, kann ein schützenswertes Unternehmensinteresse zweifelsfrei nur in Bezug auf außenstehende Dritte bestehen. Inwieweit diese Einschränkung auch für rechtlich selbstständige Unter­ nehmen in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rechtsform gilt, be­ darf einer näheren Betrachtung: Verortet man die Verschwiegenheitspflicht von Organen öffentlicher Un­ ternehmen im Gegensatz zu denen der Privatwirtschaft zutreffend nicht im „privatum“, sondern im „secretum“, dem staatlichen Aufgaben vorbehaltenen Dienst- oder Amtsgeheimnis der im öffentlichen Dienst Beschäftigten, so ist deren Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf Geheimnisse, die den Unterneh­ mensgegenstand betreffen, mit dem Akt der Unternehmensgründung oder der Eingehung einer beherrschenden Beteiligung vom Unternehmensträger abge­ leitet. Sie kann daher ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht weiter reichen als diejenige der Trägerkörperschaft selbst. Hiernach beantwortet sich auch die Frage nach der Berechtigung der Organwalter kommunaler Un­ ternehmen, sich gegenüber ihrem Träger, dem „Legitimationsmittler“, auf Geheimnisse in Bezug auf die Erfüllung bzw. Wahrnehmung einer übertrage­ nen oder gemeinsam wahrzunehmenden öffentlichen Aufgabe zu berufen, um einer Einwirkung und Kontrolle zu entgehen. Wie die Publizität, so bezieht auch deren Gegenbegriff, das „secretum“, im demokratischen Rechtsstaat die erforderliche Legitimation ausschließlich 2382  Isensee, Anwendung der Grundrechte auf juristische Personen, in: Isen­ see / Paehlke-Gärtner (Hg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutsch­ land, Band 10 – Gesamtregister, 2000, § 118 Rdnr. 4. 2383  Ob auch Kollegialorganen kommunaler Unternehmen ein „Beratungsgeheim­ nis“ zusteht, ist umstritten: Siehe hierzu Volhard, „Presseerklärungen“ von Mitglie­ dern des Aufsichtsrats einer AG, GRUR 1980, 496, 498. 2384  Jestaedt (Fußn.  111), 227 ff.

410 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

vom Volk. Im Gegensatz zum feudalistischen oder absolutistischen Staat sind damit das „Öffentliche“ und das „Geheime“ durch einen inneren Zu­ sammenhang verknüpft.2385 Für ein eigenständiges schutzwürdiges „Unter­ nehmensinteresse“ an der Geheimhaltung von steuerungs- oder kontrollrele­ vanten Informationen vor dem eigenen „Schöpfer“ können sich jedenfalls die Organe kommunaler Unternehmen nicht auf eine Legitimation berufen, die sie unmittelbar von der Kommune ableiten könnten. Somit drängt sich die Frage auf, ob der Gesetzgeber selbst mit der Schaffung rechtlich ver­ selbstständigter Organisationsformen eine rechtsformabhängige Verschwie­ genheitspflicht der Unternehmensorgane im „Unternehmensinteresse“ be­ gründet und sich hieraus möglicherweise ergebende Normwidersprüche für kommunale Unternehmen in Kauf genommen hat. b) Regelung der Verschwiegenheitspflicht durch den Gesetzgeber Mit dem Gesellschaftsrecht hat der Gesetzgeber eine in sich abgeschlos­ sene gesetzliche Regelung geschaffen. „Rechte und Pflichten der Gesell­ schaftsorgane und ihrer Mitglieder bestimmen sich ausschließlich nach Gesellschaftsrecht, und der für das Kommunalrecht zuständige Gesetzgeber kann in diesen Bereich nicht eindringen.“2386 Die Auslagerung von Aufgaben kommunaler Leistungsverwaltung auf Eigengesellschaften und die Beteiligung an privatrechtlich organisierten ju­ ristischen Personen unterliegen damit im Vergleich mit öffentlich-rechtlichen Organisationen einem doppelten Rechtsregime.2387 Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht zu­ gunsten einer Auskunfts- oder Berichtspflicht gegenüber der eigenen Trä­ gerkörperschaft einzuschränken ist, um die Legitimationskette zwischen den vom Volk demokratisch gewählten Repräsentanten der Gebietskörperschaft und den Organen der kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform zu gewährleisten.2388 2385  Siehe hierzu Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) cc) sowie Novotny, Klandestine Öffentlichkeit, http: /  / eipcp.net /  transversal / 0605 / nowotny / de, 1, zuletzt geprüft am 04.07.2014 und Siegert / Vogl (Fußn. 49). 2386  Schwintowski (Fußn. 2378), 1013, Fußn. 55: Püttner (Fußn. 2355), 751; BGH v. 29.01.1962, II ZR 1 / 61, BGHZ 36, 296, 306; BGH v. 13.10.1977, II ZR 123 / 76, BGHZ 69, 334 ff. 2387  Erichsen, Die Vertretung der Kommunen in den Mitgliederorganen von ju­ ristischen Personen des Privatrechts 1990, 12. 2388  Rottmann, Die Rückkehr des Öffentlichen in die öffentlichen Unternehmen, ZögU 2006, 259, 260, Fußn. 2: Strobel, Verschwiegenheits- und Auskunftspflicht kommunaler Vertreter im Aufsichtsrat öffentlicher Unternehmen 1. Aufl. 2002, 88 ff.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner411

Die herrschende Meinung und die Rechtsprechung haben diese Konflikt­ fälle im Sinne eines Vorrangs des Gesellschaftsrechts2389 auch bei der ge­ sellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht vor den öffentlich-rechtlichen Auskunftspflichten beantwortet.2390 Zur Lösung dieses Normenkonflikts wird zum einen auf Art. 31 GG verwiesen und argumentiert, im Konfliktfall gehe Gesellschaftsrecht als Bundesrecht dem Kommunalrecht vor.2391 Ande­ rerseits wird eine Kollision von vorneherein für ausgeschlossen gehalten, weil Gesellschaftsrecht und Kommunalrecht, insbesondere das Kommunal­ verfassungsrecht, nicht denselben Gegenstand regeln und es deshalb nur um eine harmonisierende Auslegung gehen könne.2392 Kommunalverfassungsrecht umfasst die Errichtung und organisatorische Ausgestaltung der Kommune als Trägerin öffentlicher Verwaltung. Dazu gehören insbesondere die Regelung der Organe und ihrer Zuständigkeit sowie das Verfahren der Willensbildung als wesentliche Voraussetzung ihrer Handlungsfähigkeit.2393 Das Gesellschaftsrecht kann (mangels bundesrech­ ter Gesetzgebungskompetenz) keine Regelungen über die Organisation und die organschaftliche Vertretung der Kommunen treffen. Der Gesetzgeber des Kommunalrechts dagegen kann keine die Organisation und das Verfahren der Gesellschaft regelnden Normen erlassen. Insoweit scheidet eine Nor­ menkollision und mit ihr die Anwendbarkeit von Art. 31 GG aus. Beide Rechtsmaterien können aber das Verhalten der organschaftlichen Vertreter der Kommunen in den Gesellschaftsorganen regeln, da es sich hierbei sowohl um organschaftliches Handeln der Kommunen als auch um die Ausübung von Rechten im Gesellschaftsorgan handelt. Dabei entste­ hende echte Normkollisionen können durch Art. 31 GG gelöst werden.2394 Hierbei orientiert sich der Gesetzgeber des Kommunalrechts an den Ge­ 2389  Will, Informationszugriff auf AG-Aufsichtsratsmitglieder durch Gemeinden, VerwArch 94, 248 m. w. N. in Fußn. 3; a. A. Danwitz (Fußn. 517). 2390  Rottmann (Fußn. 2388), 260, Fußn. 6: Möller (Fußn.  379), 140 ff., 235 ff.; Keßler, Die Rechtsstellung kommunaler Aufsichtsräte, in: Arendt / Ossola-Haring (Hg.), Die GmbH mit kommunaler Beteiligung und die gemeinnützige GmbH, Handbuch für Geschäftsführer und Gesellschafter, 2004, 48, 57. 2391  Erichsen (Fußn. 2387), 13, Fußn. 5: BGH v. 13.10.1977, II ZR 123 / 76, BGHZ 69, 334, 340; Nesselmüller (Fußn. 2156), 93; Treder, Weisungsgebundenheit und Verschwiegenheitspflicht eines von der Gemeinde entsandten Aufsichtsratsmit­ gliedes in den Aufsichtsrat einer der Gemeinde gehörenden GmbH, Gemeindehaus­ halt 1986, 145, 146. 2392  Erichsen (Fußn. 2387), 13, Fußn. 9: insbes. Püttner (Fußn. 2355), 751. Vor der Novelle 1965 zum Aktiengesetz wurde auch noch die These vom Vorrang des öffentlichen Rechts vertreten, solange die (bundesrechtliche) Vorschrift des § 70 DGO noch galt. 2393  Erichsen (Fußn. 2387), 16 m. w. N. in Fußn. 24. 2394  Erichsen (Fußn. 2387), 16.

412 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

sellschaftsformen als vorgegebenen Organisationsformen, ohne auf diese einzuwirken. Infolge dieses grundsätzlichen Vorrangs des Gesellschafts­ rechts gegenüber dem Kommunalrecht entsteht für die Informationsrechte der Kommune gegenüber der Gesellschaft tatsächlich die Gefahr eines Kontrollverlusts für eine erfolgreiche und rationelle Unternehmenssteue­ rung. Die Gegenansicht will deshalb das Prinzip der demokratischen Verant­ wortlichkeit und die Verfolgung des öffentlichen Zwecks bei wirtschaftlicher Betätigung der Kommunen in Privatrechtsform durch einen generellen Vor­ rang öffentlich-rechtlicher Bindungen mit einer Modifikation des Gesell­ schaftsrechts, dem „Verwaltungsgesellschaftsrecht“2395 sicherstellen. Sie geht von Weisungsrechten der Kommune gegenüber ihren Aufsichtsratsmit­ gliedern2396 und Berichtspflichten kommunaler Vertreter in den Aufsichtsrä­ ten gegenüber den zuständigen Kommunalorganen einschließlich der Volks­ vertretung2397 aus. Die Begründung für diese Auffassung wird indes nicht geteilt. Wie die Auslegung des § 395 AktG zeigen wird,2398 ist es nicht er­ forderlich, dass das Gesellschaftsrecht durch das Verwaltungsgesellschafts­ recht „zurechtgeformt“2399 wird. Die Verschwiegenheitspflicht über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie vertrauliche Daten und Verwaltungsinterna soll das Unternehmen vielmehr vor einer die Aufgabenerfüllung beeinträchtigenden Preisgabe an das „Publikum“, die unbeteiligte aber an Tatsachen und Informationen inte­ ressierte gesellschaftliche Öffentlichkeit, bewahren. Gegenüber dem Anspruch des Wahlbürgers als dem Souverän und mate­ riellen Eigentümer öffentlicher Unternehmen auf Zugang zu Informationen, die für die Ausübung des Wahlrechts relevant sind, steht ein von den Orga­ nen der Kommune oder der kommunalen Unternehmen für sich in Anspruch genommenes „secretum“ dagegen in einem rechtfertigungsbedürftigen Span­ nungsverhältnis. Nicht-Öffentlichkeit ist mit kollidierenden Rechtsgütern, die Öffentlichkeit fordern, abzuwägen.2400 Beschränkungen der dem demo­ kratischen Staat wesensimmanenten Publizität für seine Bürger sind deshalb auch bei organisatorischer Auslagerung von Verwaltungsaufgaben in recht­ lich selbstständige Organisationseinheiten an den für den Aufgabenträger 2395  Rottmann (Fußn. 2388), 260, Fußn. 7: Kraft (Fußn.  2306), 20 ff.; Danwitz (Fußn.  517), 603 ff.; Strobel (Fußn. 2388), 193. 2396  Danwitz (Fußn.  517), 625 f. 2397  Rottmann (Fußn. 2388), 261, Fußn. 10: Danwitz (Fußn.  517), 623 f.; Kraft (Fußn.  2306), 20 ff. 2398  Dazu sogleich in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 2. a) cc) (2). 2399  Püttner (Fußn. 2355), 751; a. A. Strobel (Fußn.  2388), 193 f. 2400  Jestaedt (Fußn. 111), 224.



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selbst geltenden Maßstäben, und damit den Grundsätzen der Erforderlich­ keit, Eignung und Verhältnismäßigkeit zu messen. Dies gilt ungeachtet der häufig „jedermann“ Zugang zu vorhandenen Informationen gewährenden Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetze der Bundesländer und der von einzelnen Kommunen für den eigenen Wirkungskreis erlassenen Infor­ mationsfreiheitssatzungen.2401

II. Informationsbeschaffung durch kommunale Unternehmensträger Die rechtlichen Möglichkeiten der Beschaffung von Informationen als Voraussetzung für eine verantwortungsbewusste kommunale Aufgabenerfül­ lung hängen entscheidend von der hierfür gewählten Organisations- und Handlungsform ab. Bereits bei der Gründung von Unternehmen und der Eingehung von Beteiligungen sind deshalb die in Kapitel 3 dargestellten Entscheidungskriterien für die Formenwahl2402 und die notwendige Ausrich­ tung des Unternehmens am öffentlichen Zweck2403 zu beachten. Der Zugriff auf Informationen und der Umgang mit ihnen stellt aber auch das zentrale Steuerungsmedium für die Kommune dar.2404 1. Öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen Für öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen gestaltet sich die Be­ schaffung von steuerungs- und kontrollrelevanten Informationen durch die Trägerkommune vergleichsweise unproblematisch dar. Sie ist im Innenver­ hältnis zwischen dem Unternehmen und der Kommunalverwaltung nicht durch Normwidersprüche geprägt, wie sie sich bei privatrechtlichen Organi­ sationsformen ergeben können. a) Regie- und Eigenbetriebe Soweit kommunale Aufgaben der Daseinsvorsorge für die örtliche Ein­ wohnerschaft von der Gemeinde selbst durch Eigenbetriebe, vergleichbar unternehmerisch tätige Regiebetriebe oder öffentliche Einrichtungen mit (Binnen-)Marktrelevanz2405 insbesondere als Sondervermögen ohne eigene 2401  Dazu

im Einzelnen Kapitel 5 Abschnitt A. II. 5. a). dazu Kapitel 3 Abschnitt B. I. 2403  Siehe hierzu in Kapitel 3 Abschnitt A. II. und B. II. 2404  Meiski (Fußn. 284), 302. 2405  Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3. a) aa) und bb). 2402  Vgl.

414 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Rechtspersönlichkeit2406 wahrgenommen werden, ist für die Kommune ein hohes Maß an Information zur Einflussnahme durch Steuerung und Kon­ trolle der Aufgabenerfüllung sowie eine mit der allgemeinen Verwaltungstä­ tigkeit vergleichbare Publizität gegenüber ihren Bürgern gewährleistet. Regelmäßige Berichtspflichten der Werkleitung bzw. vergleichbarer Lei­ tungsorgane gegenüber den zuständigen Gemeindeorganen (Bürgermeister bzw. Hauptverwaltungsbeamten oder Gemeindevorstand, dem Werk- bzw. Betriebsausschuss bzw. der Betriebskommission) sind überwiegend in den Eigenbetriebsgesetzen oder Eigenbetriebsverordnungen statuiert.2407 Verschwiegenheitspflichten gegenüber den Organen der Gemeinde beste­ hen für die Leitungsorgane dieser kommunalen Unternehmen nicht. Gegen­ über Dritten richten sich deren Verschwiegenheitspflichten über Interna ei­ nes Unternehmens in der Organisationsform des Regie- oder Eigenbetriebs nach den allgemeinen Vorschriften des Kommunalrechts, ggf. mit der Ver­ 2406  § 96 Abs. 1 Nr. 3 GemO BW, Art. 88 Abs. 1 BayGO, §§ 86 Abs. 1 Satz 1, 93 Abs. 1 BbgKVerf, §§ 115 Abs. 1 Nr. 3, 127 Abs. 1 HGO, § 64 KV M-V, § 130 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 NKomVG, §§ 97 Abs. 1 Nr. 3, 114, 107 Abs. 2 GO NRW, §§ 86 Abs. 1 und Abs. 2, 85 Abs. 4 Satz 1 GemO Rhl-Pf, §§ 102 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 109 Saarl.KSVG, § 91 Abs. 1 Nr. 1 SächsGemO i. V. m. SächsEigBG vom 15. Februar 2010 (SächsGVBl. 2010, S. 38), § 110 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 GO LSA, §§ 97 Abs. 1 und Abs. 2, 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 106 GO SH und § 76 Abs. 1 ThürKO. 2407  Vgl. für Baden-Württemberg § 5 Abs. 3 Gesetz über die Eigenbetriebe der Gemeinden (Eigenbetriebsgesetz – EigBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Januar 1992 (GBl. 1992 S. 21), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.04.2013 (GBL. S. 55, 57), § 19 Bayer. Eigenbetriebsverordnung (EBV) vom 29. Mai 1987 (GVBl. 1987, S. 195), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.04.2013 (GVBl. 174), §§ 5, 20 Brandenburgische Verordnung über die Eigenbetriebe der Gemeinden (Ei­ genbetriebsverordnung – EigV) vom 26. März 2009 (GVBl. II 2009, S. 150), §§ 4, 21 Hessisches Eigenbetriebsgesetz (EigBGes) in der Fassung vom 9. Juni 1989 (GVBl. I 1989, S. 154), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.12.2011 (GVBl. I S. 786, ber. 800), §§ 3, 19 Eigenbetriebsverordnung (EigVO M-V) vom 25. Februar 2008 (GVOBl. M-V 2008, S. 71), § 3 Eigenbetriebsverordnung (EigBetrVO) vom 27. Januar 2011 (Nds. GVBl. 2011, S. 21), §§ 6, 7 und 20 Eigenbetriebsverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (EigVO NRW) vom 16. November 2004 (GV. NRW. 2004, S. 644), zuletzt geändert durch VO vom 13.08.2012 (GV. NRW. S. 296), §§ 4, 21 Eigenbetriebs- und Anstaltsverordnung (EigAnVO) vom 5. Oktober 1999 (GVBl. 1999, S. 373), § 5 Gesetz über kommunale Eigenbetriebe im Freistaat Sach­ sen (Sächsisches Eigenbetriebsgesetz – SächsEigBG) vom 15. Februar 2010 (Sächs­ GVBl. 2010, S. 38), § 6 Gesetz über die kommunalen Eigenbetriebe im Land Sachsen-Anhalt (Eigenbetriebsgesetz – EigBG) vom 24. März 1997 (GVBl. LSA 1997, S. 446), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.05.2009 (GVBl. LSA S. 238, ber. 251), §§ 3, 18 Schleswig-Holst. Landesverordnung über die Eigenbetriebe der Gemeinden (Eigenbetriebsverordnung – EigVO –) vom 15. August 2007 (GVOBl. 2007, S. 404), zuletzt geändert durch VO vom 07.12.2012 (GVOBl. S. 772) und § 19 Thüringer Eigenbetriebsverordnung (ThürEBV) vom 15. Juli 1993 (GVBl. 1993, S. 432), zuletzt geändert durch VO vom 30.11.2011 (GVBl. 561).



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pflichtung zur Behandlung dieser Unternehmensinterna in nichtöffentlicher Sitzung.2408 Damit soll der Schutz vertraulicher Angaben sowie von Be­ triebs- oder Geschäftsgeheimnissen vor unbefugter Bekanntgabe sicherge­ stellt werden. Die Mitglieder der Werkleitung als Beschäftigte der Kommu­ ne bzw. die ehrenamtlichen Mitglieder des Werkausschusses oder eines vergleichbaren Organs unterliegen damit unmittelbar den dienstrechtlichen bzw. kommunalrechtlichen Verschwiegenheitspflichten mit entsprechenden Sanktionen bei deren Verletzung.2409 b) Kommunalunternehmen (rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts) Die durch Landesrecht2410 geschaffene rechtsfähige Anstalt des öffentli­ chen Rechts ist besser als der Eigenbetrieb geeignet, den Kommunen mehr Autonomie und Flexibilität zu bieten. Wegen des Vorbehalts des Gesetzes kommt ein Kommunalunternehmen jedoch nur in Betracht, wenn diese Rechtsform vom Landesgesetzgeber vorgesehen ist.2411 Diese Rechtsform eignet sich auch im Vergleich mit privatrechtlichen Unternehmensformen besser zur Steuerung und Kontrolle durch die Kommune,2412 weil die Über­ wachung der laufenden Geschäftstätigkeit des Kommunalunternehmens von der externen Einwirkung der Gemeinde weitgehend auf das Organ Verwal­ tungsrat und damit auf das Unternehmen selbst verlagert ist.2413 Soweit die einzelnen Bundesländer Anstalten des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) errichtet haben,2414 verwenden sie hierfür unter­ 2408  Siehe z. B. §§ 35 Abs. 2, 17 Abs. 2 GemO BW, §§ 26 Abs. 3, 33 Abs. 2, 157 Abs. 3 Saarl.KSVG, §§ 37 Abs. 2, 19 Abs. 2 SächsGemO und die Nachweise in Fußn. 2442 für die Flächenstaaten mit Anstalten des öffentlichen Rechts (Kommu­ nalunternehmen). 2409  Zu den Sanktionen bei Pflichtverletzung vgl. z. B. Art. 20 Abs. 4 BayGO, § 25 Abs. 5 BbgKVerf, § 172 Abs. 1 KV M-V, § 40 Abs. 2 NKomVG, § 30 Abs. 6 GO NRW, §§ 20 Abs. 2, 19 Abs. 3 GemO Rhl-Pf, § 134 Abs. 3 Nr. 2 GO SH sowie bei Amtsträgern § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 und Satz 2 StGB. 2410  Zur Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers vgl. Fußn. 453. 2411  Hellermann (Fußn. 418), 160, Fußn. 94: Mann (Fußn. 449), 558. 2412  Hellermann (Fußn. 418), 159. 2413  Ruffert (Fußn. 1164), 54, Fußn. 139: Knemeyer, Das selbständige Kommunal­ unternehmen des Öffentlichen Rechts in Bayern, in: Henneke (Hg.), Organisation kommunaler Aufgabenerfüllung, Optimierungspotentiale im Spannungsfeld von ­Demokratie und Effizienz; Professorengespräch des Deutschen Landkreistages am 20. und 21. März 1997 im Rhein-Sieg-Kreis, 1998, 133, 138. 2414  Einen anderen Weg hat Baden-Württemberg und ihm folgend Sachsen einge­ schlagen und sich für den Ausbau der Eigenbetriebsform entschieden (vgl. Gesetz zur Änderung gemeindewirtschaftsrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze vom

416 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

schiedliche Bezeichnungen. Teilweise wird von Kommunalunternehmen,2415 teilweise von einer kommunalen Anstalt,2416 im Übrigen von einer rechtsfä­ higen Anstalt des öffentlichen Rechts2417 gesprochen. Gerade wegen dieser öffentlich-rechtlichen Alternative hat sich eine öffentlich-rechtliche Gesell­ schaft nicht durchgesetzt.2418 Ein wesentlicher Vorteil des Kommunalunter­ nehmens wird darin gesehen, die komplizierte Gemengelage zwischen dem öffentlich-rechtlichen Kommunalrecht und dem Gesellschaftsrecht bei kom­ munaler Betätigung in den Formen des Privatrechts zu vermeiden.2419 Die rechtliche Verselbstständigung bedeutet, dass das Kommunalunter­ nehmen eigener Träger von Rechten und Pflichten ist, die Trägerkommune hat nur die nachrangige Einstandspflicht2420 der Gewährträgerhaftung oder Anstaltslast2421 mit einer Restkompetenz für die Erfüllung der Aufgaben in dem Umfang, in dem sie auf das Kommunalunternehmen einwirken kann.2422 Mit der rechtlichen Verselbstständigung verlagern sich jedoch auch der Besitz und die Herrschaft über steuerungsrelevante Informationen von der Kommune auf das Unternehmen. Dabei sind die den Kommunen kraft Gesetzes vorbehaltenen Einwir­ kungsrechte auf die Organe des Kommunalunternehmens vergleichsweise gering, wobei die Mindestbefugnisse der Kommune noch hinter denen des Aktienrechts zurückbleiben. Die Kommune kann jedoch durch Gestaltung der Unternehmenssatzung eine der Aufgabenerfüllung entsprechende zweck­ mäßige Unternehmensstruktur selbst normieren und Steuerungsinstrumente in der Unternehmenssatzung etablieren.2423 Da hierdurch sowohl die Befug­ nisse des grundsätzlich eigenverantwortlichen Vorstandes zugunsten des 19.7.1999 (GBl. S. 292)). Hierzu auch Weiblen, Die Novellierung des Gemeindewirt­ schaftsrechts zur besseren Steuerung und zu mehr Verantwortung für die Gemein­ den, BWGZ 1999, 1005 ff und Weiblen, Das neue kommunale Unternehmensrecht – Freibrief für neue Märkte oder Interessenausgleich?, BWGZ 2000, 177 ff. 2415  Art. 89 Abs. 1 Satz 1 BayGO, § 70 Abs. 1 KV M-V, § 1 Abs. 1 Satz 1 AnstG Sachsen-Anhalt, § 106 a Abs. 1 Satz 1 GO S-H. 2416  § 94 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf, § 141 Abs. 1 Satz 1 NKomVG, § 76 a Abs. 1 Satz 1 ThürKO. 2417  § 126 a Abs. 1 Satz 1 HGO, § 114 a Abs. 1 Satz 1 GO NRW, § 86 a Abs. 1 Satz 1 GemO Rhl-Pf. 2418  Hellermann (Fußn. 418), 159, Fußn. 89: Schmidt (Fußn. 1589), 358. 2419  Ruffert (Fußn.  1164), 53 f. 2420  Nachweise unter Fußn. 1919. 2421  Hellermann (Fußn. 418), 164. 2422  Schulz, Das Kommunalunternehmen, in: Kirchgäßner / Knemeyer / Schulz (Hg.), Das Kommunalunternehmen, Neue Rechtsform zwischen Eigenbetrieb und GmbH, 1997, 18, 20. 2423  Gaß (Fußn. 420), 350, Fußn. 11: Thode / Peres (Fußn. 446), 7.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner417

Verwaltungsrats reduziert2424 als auch die Weisungsbefugnisse des Gemein­ derats gegenüber dem Verwaltungsrat erweitert werden können, wird die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der bindenden Festlegung kommunaler Ingerenzrechte ausgeglichen.2425 Dem Kommunalunternehmen können einzelne Aufgaben vollständig oder teilweise übertragen werden oder alle Aufgaben, die mit einem bestimmten öffentlichen Zweck verbunden sind,2426 sowohl Pflichtaufgaben als auch frei­ willige Aufgaben, auch übertragene Angelegenheiten,2427 und zwar entweder nur zur Wahrnehmung (Durchführung) im Namen der Kommune2428 oder – im Gegensatz zu den privatrechtlichen Organisationsformen2429 – als eige­ nem Aufgabenträger2430 mit Satzungsrecht, Anschluss- und Benutzungs­ zwang, Dienstherrneigenschaft, Gebühren- und Vollstreckungsrecht. Die Or­ ganisationsform steht für die wirtschaftliche wie auch die nichtwirtschaftliche Betätigung2431 zur Verfügung, soweit die kommunalrechtlichen Vorschriften hierzu noch differenzieren. Da die Anstalt ihre Aufgaben und Befugnisse von der Trägerkommune ableitet, kann der zulässige Aufgabenumfang der öffent­ lich-rechtlichen Anstalt nicht weiter reichen als derjenige der Kommune selbst.2432 Als rechtlich selbstständige Organisation besitzt die öffentlichrechtliche Anstalt gegenüber Dritten ein eigenes schützenswertes Interesse an der Geheimhaltung ihrer Unternehmensinterna, insbesondere ihrer Betriebsoder Geschäftsgeheimnisse und der vertraulichen Angaben ihrer Organe.2433 2424  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 794, Fußn. 72: Mann (Fußn. 449), 558; Thode /  Peres (Fußn. 446), 7. 2425  Schulz (Fußn. 445), 133. 2426  Hellermann (Fußn. 418), 167. 2427  Hellermann (Fußn. 418), 168, Fußn. 117 für Bayern: Art. 89 Abs. 2 Satz  1 und Satz 3 BayGO. 2428  Ehlers (Fußn. 444), 559. 2429  Hellermann (Fußn. 418), 168, Fußn. 119 und 121: Schulz (Fußn.  2422), 18 f., Kostenbader, Neue Wege der Organisation in der Kommunalwirtschaft am Beispiel Bayerns, in: Ziekow (Hg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, Vorträge im Rahmen der Speyerer Gespräche zum Öffentlichen Wirt­ schaftsrecht vom 29. Sept. bis 1. Okt. 1999 an der Deutschen Hochschule für Ver­ waltungswissenschaften Speyer, 2000, 93, 94. 2430  Hellermann (Fußn. 418), 168, Fußn. 118 m. w. N. 2431  In Niedersachsen mit den Einschränkungen der §§ 141 Abs. 1 Satz 1, 136 Abs. 3 und Abs. 4 NKomVG, in Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe des § 114 a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GO NRW. 2432  Zu den kommunalen Aufgaben, insbesondere zu Umfang und Grenzen der Selbstverwaltung und wirtschaftlichen Betätigung siehe die Ausführungen in Kapitel 2 Abschnitt A. II. und III. sowie Abschnitt B. I. und II. 2433  Vgl. für Bayern und für Nordrhein-Westfalen jeweils § 4 Satz 1 und Satz 2 KUV, für Sachsen-Anhalt § 7 Satz 1 und Satz 2 AnstVO und für Schleswig-Holstein § 5 Satz 1 KUVO.

418 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Dieser Schutz dient ausschließlich dem Unternehmensinteresse und stellt des­ halb eine Publizitätsschranke gegenüber allen an der Erfüllung oder Wahr­ nehmung der Verwaltungsaufgabe nicht beteiligten Personen, dem „Publi­ kum“ als der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, dar. Die grundsätzliche Schutzwürdigkeit objektiver Unternehmensgeheimnisse besteht sowohl für Aufgaben, die von der Kommune auf das Kommunalunternehmen übertragen worden sind als auch für die nur als Erfüllungsgehilfe der Aufgabenträgerin wahrgenommenen Tätigkeiten und unabhängig davon, ob diese in öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsform ausgeübt werden. Der Verwaltungsrat vereinigt in sich die Funktionen, die bei der GmbH zwischen dem Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung aufgeteilt sind.2434 Als kollegial strukturiertes Organ des Kommunalunternehmens, das für strategische Entscheidungen zuständig ist, Kontrollfunktionen für den Gewährträger wahrnimmt und die Geschäftsführung des Vorstandes zu über­ wachen hat,2435 besitzt er gegenüber dem Vorstand ein uneingeschränktes Auskunfts- und Einsichtsrecht,2436 das in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein in Verordnungen zum Kommunal­ unternehmen konkretisiert worden ist.2437 Daneben können in der Unternehmenssatzung weitere Informations- und Berichtspflichten des Vorstandes gegenüber dem Verwaltungsrat und dem Gemeinderat festgelegt werden. Die Möglichkeiten reichen von der Einräu­ mung punktueller Informationsrechte für das kommunale Kollegialorgan Gemeinderat bzw. für den Hauptverwaltungsbeamten bis hin zu einer Be­ richtspflicht der Anstaltsorgane gegenüber der Gemeinde in bestimmten Angelegenheiten oder zeitlichen Abständen.2438 Zwingend ist die Kommune über Auswirkungen auf ihren Haushalt zu unterrichten.2439 Im Interesse ei­ ner ungehinderten Informationsbeschaffung zur Unternehmenssteuerung und 2434  Westermann / Cronauge

(Fußn. 411), 112. (Fußn. 460), 195. 2436  Gaß (Fußn. 420), 357, Fußn. 35: Schulz (Fußn. 2422), 23. 2437  Für Bayern in § 21 Verordnung über Kommunalunternehmen (KUV) vom 19. März 1998 (GVBl. 1998, S. 220), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.04.2013 (GVBl. S. 174), für Nordrhein-Westfalen § 21 Verordnung über kommunale Unter­ nehmen und Einrichtungen als Anstalt des öffentlichen Rechts (Kommunalunterneh­ mensverordnung – KUV) vom 24. Oktober 2001 (GV. NRW. 2001, S. 773), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.12.2009 (GV. NRW. S. 963), für Sachsen-Anhalt § 18 Verordnung über die kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts (Anstalts­ verordnung – AnstVO) vom 14. Januar 2004 (GVBl. LSA 2004, S. 38) und Schles­ wig-Holstein § 21 Landesverordnung über Kommunalunternehmen als Anstalt des öffentlichen Rechts (KUVO) vom 01.Dezember 2008 (GVOBl. 2008, S. 735). 2438  Schraml (Fußn. 460), 203. 2439  Jeweils § 21 Abs. 2 Satz 2 KUV in Bayern und NRW sowie § 18 Abs. 2 AnstVO und § 21 Abs. 2 Satz 2 KUVO. 2435  Schraml



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner419

einer transparenten Unternehmensstruktur sollte eine diesen Anforderungen entsprechende Gestaltung der Unternehmenssatzung auch ein lokalpoliti­ sches Gebot sein. Die Vorschriften über Kommunalunternehmen können damit auch der Trägerkommune im Vergleich zur GmbH oder Aktiengesellschaft weiterge­ hende Informationsmöglichkeiten eröffnen,2440 da die Organe der Anstalt dem Träger gegenüber von der Pflicht zur Verschwiegenheit, die sie über alle vertraulichen Angaben sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Unternehmens auch nach ihrem Ausscheiden zu bewahren haben, befreit sind.2441 Diese unilaterale gesetzliche Entbindung der Anstaltsorgane von ihrer Verschwiegenheitspflicht setzt allerdings im Unternehmensinteresse eigene Geheimhaltungspflichten der Informationsadressaten voraus. Für die in der Unternehmenssatzung zu bestimmenden Organe der Kommune als Empfän­ ger der Informationen ergeben sich die Verschwiegenheitspflichten aus den Vorschriften des Kommunalrechts.2442 Diese gelten für alle durch die Be­ richte der Unternehmensorgane erhaltenen Informationen über vertrauliche Angaben sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Kommunalunter­ nehmens. Informationen hierzu sind deshalb einer nichtöffentlichen Sitzung des kommunalen Kollegialorgans vorzubehalten.2443 Ihre Grundlage findet die von den Unternehmensorganen zu den Organen der Kommune verlän­ gerte Verschwiegenheitspflicht als Ausnahme vom Grundsatz der Publizität im „secretum“. Hieraus folgt, dass sie Informationsansprüchen der Bürger als örtlichem Souverän gegenüber rechtfertigungsbedürftig ist, also insbe­ sondere zum Schutz objektiver Unternehmensgeheimnisse erforderlich, ge­ eignet und angemessen sein muss. In einigen Bundesländern ist der Grund­ satz der Öffentlichkeit für Beratungen des Verwaltungsrats zu bestimmten Gegenständen ausdrücklich festgelegt.2444

2440  Schulz

(Fußn. 2422), 23. ausdrücklich für Bayern in § 4 Satz 3 KUV, für Nordrhein-Westfalen in § 4 Satz 3 KUV. für Sachsen-Anhalt in § 7 Satz 3 AnstVO und für SchleswigHolstein in § 5 Satz 2 KUVO. 2442  Vgl. z. B. Art. 20 Abs. 2, 56 Abs. 1 Satz 2, Art. 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayGO, §§ 21 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 2 BbgKVerf, §§ 24, 21 Abs. 2 HGO, §§ 23 Abs. 6, 105 Abs. 6, 19 Abs. 4 KV M-V, § 40 Abs. 1 NKomVG, §§ 43 Abs. 2, 30 Abs. 1 GO NRW, § 20 Abs. 1 GemO Rhl-Pf, §§ 30 Abs. 2, 50 Abs. 2 GO LSA, §§ 32 Abs. 3, 21 Abs. 1 und 2 GO SH und §§ 12 Abs. 3, 94 Abs. 3 ThürKO. 2443  Schraml (Fußn. 460), 203. 2444  Vgl. § 126 a Abs. 6 Satz 2 HGO, § 114 a Abs. 7 Sätze 3 und 4 GO NRW, §§ 40, 76 b Abs. 2 Satz 6 ThürKO. 2441  So

420 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

2. Eigengesellschaft und kommunal beherrschte Gesellschaft Bei privatrechtlich organisierten kommunalen Unternehmen in Form von Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften tragen neben der rechtlichen Ver­ selbstständigung auch die Regeln des Gesellschaftsrechts zu einem Verlust an Einflussnahme der Kommune bei. Hierfür ist von Bedeutung, dass juris­ tische Personen des Privatrechts nur in den vom Gesetzgeber vorgeformten Typen errichtet werden können.2445 Der Regelungszugriff des Gesellschaftsrechts und des Kommunalrechts auf Eigengesellschaften und Gesellschaften mit kommunaler Mehrheitsbe­ teiligung hat die Frage nach Kollisionsregeln aufgeworfen, da die in erster Linie für eine erwerbswirtschaftliche Betätigung konzipierten Vorschriften des Gesellschaftsrechts nicht immer mit den am Gemeinwohl und an sozial­ politisch orientierter Daseinsvorsorge ausgerichteten Zielen der Kommunal­ wirtschaft in Einklang zu bringen sind.2446 Anders als bei Eigenbetrieben und vergleichbar organisierten Regiebetrie­ ben, bei denen an der Entscheidungsfindung stets eigene Organe der Ge­ meinde beteiligt sind, kann bei den gesellschaftsrechtlich verfassten Unter­ nehmen eine Steuerung nur mittelbar erfolgen. Sie vollzieht sich im Wege der Einwirkung auf die Willensbildung in den Organen der Gesellschaft.2447 Auch die Beschaffung von Informationen, die hierfür erforderlich sind, er­ folgt nur mittelbar über Auskunfts- und Berichtspflichten der Unterneh­ mensorgane. Bereits bei Kommunalunternehmen als öffentlich-rechtlichen Anstalten führt die Verselbstständigung durch die Rechtsform für die Kom­ mune selbst zu nur noch mittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten, die aller­ dings in der Unternehmenssatzung wirksam ausgestaltet werden können.2448 Auch eine von einer juristischen Person des Privatrechts betriebene Ein­ richtung stellt eine öffentliche Einrichtung der Kommune dar, wenn sie den von ihr zu verfolgenden öffentlichen Zwecken dient und die Kommune diese Zweckbindung gegenüber der privatrechtlichen Gesellschaft auch durchsetzen kann.2449 Für die zulässige wirtschaftliche Betätigung in privat­ rechtlicher Organisations- und Handlungsform gilt nichts anderes. Bei der Verschwiegenheitspflicht von Organen privatrechtlich organisier­ ter kommunaler Eigengesellschaften oder beherrschter Beteiligungsunter­ 2445  Erichsen

(Fußn. 2387), 15. (Fußn. 2387), 14, Fußn. 4: Nesselmüller (Fußn.  2156), 1 ff.; Büchner (Fußn.  1856), 139 ff. 2447  Mann (Fußn.  378), 217 f. 2448  Siehe oben Ziffer 1. b). 2449  BVerwG v. 21.07.1989, 7 B 184 / 88, NJW 1990, 134, 135. 2446  Erichsen



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner421

nehmen steht das grundsätzliche dogmatische Verhältnis zwischen öffentli­ chem Recht und Gesellschaftsrecht im Fokus.2450 Als Ausfluss der bundes­ rechtlichen Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) ist primärer Unternehmenszweck der gesellschaftsrechtlichen Organisationsformen die Gewinnerzielungsabsicht, die vor allem bei kom­ munal beherrschten gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen im Widerspruch zu dem zu erfüllenden öffentlichen Zweck2451 stehen kann.2452 Insbesondere bei Beteiligungsunternehmen ist der Unternehmenszweck deshalb zu kon­ kretisieren und entsprechend den Anforderungen zu programmieren, um der Unternehmensleitung einen verbindlichen Pflichtenrahmen vorzugeben, den sie zu beachten und zu vollziehen hat.2453 Eine differenzierende Betrachtung der beiden in der Praxis bedeutsamsten Organisationsformen, der Aktiengesellschaft und der GmbH, erscheint dabei wegen der unterschiedlichen Unternehmensstruktur zweckmäßig, denn bei der Aktiengesellschaft darf die Leitungsbefugnis und Eigenverantwortlich­ keit des Vorstands, insbesondere nach eigenem Ermessen zu entscheiden, nicht eingeschränkt werden.2454 a) Informationsbeschaffung bei Organen der Aktiengesellschaft Das Gesellschaftsrecht enthält für die Aktiengesellschaft weitgehend zwingende gesetzliche Vorgaben für die Befugnisse der Organe Vorstand und Aufsichtsrat sowie für die Hauptversammlung. Die Kompetenzen sind zwischen den Organen und ihren Aufgaben klar abgegrenzt. Durch die Sat­ zung sind Abweichungen von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur zu­ lässig, wenn sie ausdrücklich zugelassen sind. Nur soweit keine abschlie­ ßende Regelung vorliegt, sind auch ergänzende Vorschriften zulässig (§ 23 Abs. 5 AktG). 2450  Rottmann

(Fußn. 2388), 261. (Fußn.  2148), 264 f.; Püttner (Fußn. 2263), 356. 2452  Gaß (Fußn. 420), 359, Fußn. 48: Schulz (Fußn. 445), 100; Püttner (Fußn. 366), 235 f. 2453  Gaß (Fußn. 420), 360, Fußn. 50: Spannowsky (Fußn.  1954), 424 f.; Schön (Fußn.  1177), 436 f.; Ehlers, Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik Deutschland, JZ 1990, 1089, 1091; Engellandt (Fußn. 1806), 28 f.; Mutius, Sinn, Möglichkeiten und Grenzen einer Kontrolle der Erfüllung öffent­ licher Aufgaben öffentlicher Unternehmen, Kontrolle öffentlicher Unternehmen 1982, 29, 34; vgl. auch die Ausführungen in Kapitel 3 Abschnitt A. II. 2. 2454  Gaß (Fußn. 420), 360, Fußn. 52: Breuer, Umwandlung kommunaler Eigenbe­ triebe und nichtwirtschaftlicher Unternehmen i. S. d. Gemeindeordnung NW in Ge­ sellschaften 1991, 54. 2451  Engel

422 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Bei der Aktiengesellschaft bilden Vorstand und Aufsichtsrat zusammen die Verwaltung.2455 Während der Vorstand die Aktiengesellschaft eigenver­ antwortlich nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag und eventuell Geschäftsan­ weisung leitet und die Gesellschaft gerichtlich sowie außergerichtlich nach außen vertritt (§§ 76 ff. AktG), hat der Aufsichtsrat nur gesellschaftsinterne, vor allem Überwachungs- und Mitbestimmungsaufgaben (§§ 84, 111, 112 AktG). Die Geschäftsleitung ist also „Außenorgan“ der Gesellschaft, der Aufsichtsrat „Innenorgan“.2456 aa) Eigenverantwortlichkeit des Vorstands und Information der Aktionäre Die Regelungen, dass der Vorstand die Aktiengesellschaft „unter eigener Verantwortung“ leitet (§ 76 Abs. 1 AktG) und die Bestellung des Vorstan­ des durch den Aufsichtsrat (§ 84 Abs. 1 AktG) sind zwingendes Recht. Schon dadurch wird eine rechtliche Nähebeziehung der Vorstandsmitglie­ der zu den Aktionären verhindert. Bei der Aktiengesellschaft ist auch das „Unternehmensinteresse“ nach der organisatorischen Grundstruktur von dem der Aktionäre getrennt,2457 auch wenn sie dem Vorstand nicht als Fremde gegenüberstehen, also nicht Dritte sind.2458 Die Hauptversammlung darf den Vorstand weder lenken noch kontrollieren. Damit besitzt eine Kommune auch als alleinige Aktionärin keinen unmittelbaren Einfluss auf die Führung der Geschäfte.2459 Die Hauptversammlung kann auf unterneh­ mensleitende Entscheidungen nur Einfluss nehmen, wenn der Vorstand aus­ drücklich hierum ersucht (§ 119 Abs. 2 AktG), wozu er nach der Recht­ sprechung des BGH2460 nur „ausnahmsweise“ bei „grundlegenden Ent­ scheidungen“ verpflichtet ist, die „so tief in die Mitgliedsrechte der Ak­ tionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse“ eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise eine Entscheidung der Hauptversammlung einholt.

2455  Brenner

(Fußn. 694), 239. (Fußn. 2378), 1010. 2457  Altmeppen, Zur Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder einer kommunalen GmbH, in: Burgard / Hadding / Mülbert / Nietsch / Welter (Hg.), Festschrift für Uwe H. Schneider zum 70. Geburtstag, 2011, 1, 5. 2458  Kittner, Unternehmensverfassung und Information, ZHR 1972, 208, 237. 2459  Gaß (Fußn. 420), 365, Fußn. 77: Kraft (Fußn.  2306), 152 f.; Breuer (Fußn. 2454), 140. 2460  BGH v. 25.02.1982, II ZR 174 / 80, BGHZ 83, 124, 131. 2456  Schwintowski



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner423

(1) Vorstand als Herr über die Unternehmensgeheimnisse Über eine Bekanntgabe der Interna des Unternehmens entscheidet generell der Vorstand. Er allein ist dafür zuständig und in seiner Funktion als eigenver­ antwortlicher Geschäftsleiter befugt zu bestimmen, wann und welche geheim­ haltungsbedürftigen Tatsachen offenbart werden dürfen, soweit es nicht um Tatsachen geht, die in die alleinige Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallen.2461 Der Vorstand als „Herr der Gesellschaftsgeheimnisse“ kann jedoch nicht Tatsachen für geheimhaltungsbedürftig erklären, die es objektiv nicht sind.2462 Für bestimmte Unternehmensinterna kann er zwar auf deren Ge­ heimhaltung verzichten, eine Geheimhaltungspflicht aber nicht selbst be­ gründen.2463 Der Kreis der Unternehmensinterna ist vielmehr objektiv zu bestimmen und seine Abgrenzung richtet sich nach dem Bedürfnis der Ge­ heimhaltung im Interesse der Gesellschaft.2464 Darunter fällt, was bei ver­ nünftiger und sachkundiger Unternehmensführung (noch) unbekannt bleiben sollte. Durch die Verschwiegenheitspflicht soll die Gesellschaft schon gegen eine bloße Gefährdung ihrer Interessen durch die Weitergabe der vertrau­ lichen Informationen über den Kreis der Organmitglieder hinaus geschützt werden.2465 Den Kreis der unter Verschwiegenheit fallenden Informationen regelt § 116 in Verbindung mit § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG abschließend, er ist durch die Unternehmenssatzung weder erweiterbar noch einschränkbar.2466 Dies gilt auch im Verhältnis zu den Aktionären.2467 Bestätigt wird dies durch § 131 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 AktG, wonach die Aktionäre ihre Aus­ kunftsrechte nur in der Hauptversammlung ausüben können und unter Be­ achtung des Grundsatzes (§ 53 a AktG), dass allen Aktionären gleichberech­ tigter Zugang zu den Informationen zusteht.2468 Ein Geheimnis im Sinne des Gesellschaftsrechts ist jede unbekannte Tatsache, deren Weitergabe zu einem Schaden für die Gesellschaft führen 2461  Volhard

(Fußn. 2383), 498 m. w. N. in Fußn. 48 und 49. v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 329. 2463  Volhard (Fußn. 2383), 498. 2464  BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 329 f.; ähnlich Wessing / Hölters, Die Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern nach dem Inkrafttreten des Mitbestimmungsgesetzes, DB 1976, 1671, 1674, der dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied keinen Beurteilungsspielraum darüber zugesteht. 2465  Schmidt-Aßmann / Ulmer, Die Berichterstattung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Gebietskörperschaft nach § 394 AktG, BB Beilage 1988, 1, 4. 2466  BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 327. 2467  Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 4. 2468  Vgl. hierzu im Einzelnen und auch zu Auskunftsrechten im Konzern Decher, Information im Konzern und Auskunftsrecht der Aktionäre gem. § 131 Abs. 4 AktG, ZHR 158, 473, insbes. 491 ff. 2462  BGH

424 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

würde, wobei der Schaden nicht materieller Natur sein muss, sondern auch immaterielle Schäden wie die Minderung des Ansehens der Gesellschaft und einen Vertrauensverlust in sie erfasst werden.2469 Unbekannt sind Tatsachen, wenn sie nur einem beschränkten kleinen Personenkreis, der seinerseits spezifischen Treuepflichten unterworfen ist, zugänglich sind. Von einer unbekannten und damit geheimhaltungsbedürfti­ gen Tatsache wird nach den Grundsätzen des Gesellschaftsrechts bereits dann ausgegangen, wenn ein nicht unerheblicher Zeit- und Mittelaufwand nötig ist, um vollständige Tatsachenkenntnis zu erlangen.2470 Entscheidend ist, ob es neben dem Kreis der Informierten eine relevante Zahl von Perso­ nen gibt, die zumindest potenziell an der fraglichen Information interessiert sein könnte.2471 Das Gesellschaftsrecht stellt also bei der Beurteilung der Unbekanntheit auf die tatsächliche Zugänglichkeit der Information für Drit­ te ab,2472 d. h., auf Publizität in ihrer Grundbedeutung.2473 Kein Geheimnis ist hingegen, „was bewusst jedermann offenbar ist“.2474 Tatsachen sind nicht nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse2475, sondern auch Meinungsäußerungen etwa über die finanzielle Lage der Gesellschaft oder über Marktdaten eines Produkts.2476 2469  Rottmann

(Fußn. 2388), 264, Fußn. 26: Möller (Fußn.  379), 144 ff. (Fußn.  2388), 101 m. w. N. 2471  Schwintowski (Fußn. 2378), 1011 und Fußn. 27: Stebut (Fußn.  2378), 17 ff. 2472  Rottmann (Fußn. 2388), 264. 2473  Vgl. Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) aa) und c) aa). 2474  Rottmann (Fußn. 2388), 264, Fußn. 27: BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 329. 2475  Die Europäische Kommission hat am 28.11.2013, COM (2013) 813 endg., den Vorschlag für eine Richtlinie vorgelegt, mit der die Europäische Union durch eine einheitliche Klärung des Begriffs „Geschäftsgeheimnis“ die stark fragmentier­ ten Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten harmonisieren und den Geheimnis­ schutz stärken will. Nach Art. 2 des Vorschlags (2013 / 0402 (COD)) für eine „Richtlinie des Europäi­ schen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ sind „Geschäftsgeheimnis“ Informationen, die alle nachstehenden Kriterien erfüllen: a)  sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personenkreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind; b)  sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind; c) sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Ge­ heimhaltungsmaßnahmen der Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Infor­ mationen besitzt; vgl. www.ec.europa.eu, zuletzt geprüft am 04.12.2013. 2476  Stebut (Fußn.  2378), 6 ff. 2470  Strobel



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner425

Diese Grundsätze gelten auch für vertrauliche Angaben,2477 das sind „Vorgänge im persönlichen Lebensbereich oder im Organbereich von Vor­ stand und Aufsichtsrat oder im sonstigen Unternehmensbereich liegende Vorkommnisse“,2478 also Vorgänge, die geeignet sind, das Ansehen des Unternehmens, den „good will“, in der Öffentlichkeit zu schädigen.2479 Als Richtschnur für Verschwiegenheit lautet der für alle Organwalter geltende Grundsatz, „dem Unternehmen zu nützen und nicht zu schaden“.2480 Das LG Freiburg2481 hat in einem zur GmbH entschiedenen Fall den gesellschaftsrechtlichen Begriff „Geheimnis“ in §§ 85 GmbHG, 93 Abs. 1, 116 AktG dagegen unter Rückgriff auf öffentlich-rechtliche Wertungen aus­ gelegt. Es hat ihn damit in den Gegenbegriff zur Publizität als personenbe­ zogenem Wertbegriff in der Bedeutung von Staatlichkeit uminterpretiert und ihn damit (zutreffend) dem „secretum“ zugeordnet.2482 Es lehnte nämlich die Unbekanntheit einer durch ein Aufsichtsratsmitglied einer kommunalen Gesellschaft verbreiteten Tatsache mit dem Verweis darauf ab, dass die Gesellschaft vollständig im Eigentum der Kommune stehe und im Bereich der genuin öffentlichen Aufgaben tätig sei. Bei der rechtlichen Bewertung der Frage der Unbekanntheit sei die be­ sondere Situation des hier maßgeblichen Verwaltungsprivatrechts zu beach­ ten, wenn die Gesellschaft im Bereich der öffentlichen Aufgaben tätig sei. Dies gelte insbesondere, wenn die Mittel für eine Aufgabe direkt von der Gemeinde erbracht und die Angelegenheit nach kommunalrechtlichen Grundsätzen im Gemeinderat in zulässigerweise öffentlicher Sitzung disku­ 2477  Nach Wenninger, Die aktienrechtliche Schweigepflicht 1983, 117, ist der Begriff „vertrauliche Angaben“ dadurch gekennzeichnet, dass es sich nicht wie bei den Geheimnissen um „unbekannte“, sondern um „bekannte“ Tatsachen handelt, die, wenn auch offenkundig, so doch nicht notwendigerweise „allgemein bekannt sein“ müssten. Die Vertraulichkeit bestimmt sich dabei nach objektiven Kriterien, so dass es nicht darauf ankommt, ob Mitteilungen als vertraulich gekennzeichnet sind, vgl. Stebut (Fußn. 2378), 58. 2478  Schwintowski (Fußn. 2378), 1012, Fußn. 47: Säcker, Informationsrechte der Betriebs- und Aufsichtsratsmitglieder und Geheimsphäre des Unternehmens 1979, 63. 2479  Kittner (Fußn. 2458), 223 m. w. N. in Fußn. 80, misst dagegen dem Begriff „vertrauliche Angaben“ gegenüber dem allgemeinen Geheimnisbegriff keine eigen­ ständige Bedeutung zu. Hueck, Zur Verschwiegenheitspflicht der Arbeitnehmerver­ treter im Aufsichtsrat, Recht der Arbeit 28, 35, 37 f. m. w. N. in Fußn. 18, legt mit zutreffender Begründung und in Übereinstimmung mit der h. M. die Eigenständigkeit der Begriffe dar. 2480  Säcker, Aktuelle Probleme der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmit­ glieder, NJW 1986, 803. 2481  LG Freiburg v. 08.12.2004, 10 O 49 / 04, unveröffentlicht, 4. 2482  Siehe Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) bb) (5) und cc).

426 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

tiert worden wäre, sofern sich die Kommune bei der Wahrnehmung der Aufgabe nicht der privatrechtlichen Organisationsform bedient hätte. Zwar habe eine sich wirtschaftlich betätigende Gesellschaft ein berechtigtes Inte­ resse daran, Fehlentscheidungen, die etwa ihr Ansehen schädigen könnten, solange nicht an die Öffentlichkeit zu lassen, bis zumindest entschieden ist, wie intern damit umgegangen wird. Die Vorschrift (hier § 35 GemO BW) über die Sitzungsöffentlichkeit sei aber im Interesse der Gemeindeeinwoh­ ner geschaffen worden, um es ihnen zu ermöglichen, die Entscheidungsfin­ dung in der Gemeinde zu verfolgen und auch zu kontrollieren. Diese beson­ dere Entscheidung des Gesetzgebers könne eine Gemeinde nicht dadurch umgehen, dass sie in privatrechtlicher Organisationsform tätig werde und eine gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung für sich in An­ spruch nehme.2483 Wollte man der Argumentation des LG Freiburg folgen, würde jedoch zumindest für kommunale Eigengesellschaften mit dem Vorrang des Gesell­ schaftsrechts gebrochen.2484 Diese Sichtweise unterstellt, dass einer kommunalen Eigengesellschaft kein eigenständiges Unternehmensinteresse an der Geheimhaltung bestimm­ ter Tatsachen oder vertraulicher Unternehmensinterna zusteht, das von dem Interesse ihres Trägers unabhängig ist. Ein solches der privatrechtlichen Rechtsform eigenes Unternehmensinteresse hat jedoch der Gesetzgeber mit der Kodifizierung des Aktienrechts geschaffen: Unternehmen der Privatwirtschaft können sich im Gegensatz zu öffentli­ chen Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform nicht auf ein vom Souverän abgeleitetes „secretum“ als Schranke des aller Staatlichkeit imma­ nenten Öffentlichkeitsprinzips berufen. Sie bedürfen deshalb gegenüber außenstehenden Dritten eines eigenen gesetzlich begründeten Schutzes ihres Gesellschaftszwecks der Gewinnerzielungsabsicht im Interesse ihrer Gläubi­ ger2485 und zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.2486 Als Ausfluss ihrer Treuepflicht2487 zum Unternehmen haben die Verwaltungsorgane Vorstand und Aufsichtsrat diesen Schutz durch Verschwiegenheit zu gewährleisten, wenn sich dieser darin auch nicht erschöpft.2488 Der für die Privatwirtschaft geschaffene Typus der Aktiengesellschaft ist zwar nach den entsprechenden Regelungen des Landesrechts auch kommunalen Unternehmen zugänglich, 2483  Rottmann

(Fußn. 2388), 265. (Fußn. 2388), 267. 2485  Schön (Fußn.  1177), 453 ff. 2486  Spieker, Die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, NJW 1965, 1937, 1940. 2487  Säcker (Fußn. 2480). 2488  Wenninger (Fußn. 2477), 102 ff., 136. 2484  Rottmann



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner427

aber nur in der Form, wie ihn das Aktienrecht für alle sich dieser Rechts­ form bedienenden Anteilseigner bereitstellt.2489 Der Argumentation des LG Freiburg kann damit nicht gefolgt werden. Auch wenn man, insoweit zutreffend, die Verschwiegenheitspflichten der kommunalen Organe nach den für Kommunen geltenden eigenen Maßstä­ ben zu beurteilen hat, bedeutet dies für eine Bekanntgabe von Informationen über Interna ihrer privatrechtlich organisierten Gesellschaften, dass damit die ausschließliche Zuständigkeit des Vorstandes und dessen Verantwortlich­ keit zur Geheimhaltung und damit Gesellschaftsrecht verletzt würde. Aus der Bindung an Gesetz und Recht bei der Erfüllung von Verwaltungsaufga­ ben auch in einer Organisationsform des Privatrechts folgt jedoch, dass sich eine Trägerkommune, wenn sie sich dieser Organisationsform bedient, an deren zwingende Regelungen auch dann gebunden ist, wenn sie Unterneh­ mensinterna innerhalb der eigenen Organe der Kommune zur Diskussion stellt. Die dem Bürgermeister von den Gemeindeordnungen als gemeinde­ interne Selbstkontrolle eingeräumte eigene Beanstandungsbefugnis2490 bzw. auferlegte Beanstandungspflicht2491 gilt auch für Verstöße des Gemeinderats gegen Gesellschaftsrecht.2492 Während der jeweilige Landesgesetzgeber selbstständige öffentlich-recht­ lich organisierte Unternehmen in der Rechtsform der kommunalen Anstalt (Kommunalunternehmen) ausdrücklich von Verschwiegenheitspflichten ge­ genüber deren Trägerkommune befreien konnte, steht ihm diese Befugnis ge­ genüber Gesellschaften mangels Gesetzgebungsbefugnis nicht zu. Verschwie­ genheitspflichten, die sich aus dem Gesellschaftsrecht für die Unternehmens­ organe ergeben, sind nur in dem Maße disponibel, wie Gesellschaftsrecht selbst dies gestattet. Nach mittlerweile ganz herrschender Meinung gibt es auch für Eigengesellschaften der Kommunen keine ungeschriebenen Sonder­ rechte.2493 Nur die gesetzlich ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen der 2489  Während für Unternehmen der Privatwirtschaft Betriebs- und Geschäftsge­ heimnisse zumindest gegenüber staatlichen Eingriffen auch Grundrechtsschutz ge­ nießen (Art. 19 Abs. 3, Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG), können sich Unternehmen der öffentlichen Hand nach der Rechtsprechung des BVerfG v. 02.05.1967, 1 BvR 578 / 63, BVerfGE 21, 362 darauf grundsätzlich nicht berufen. Für sie ist damit der durch den Gesetzgeber des Aktiengesetzes geschaffene Schutz durch die Verschwie­ genheitspflicht der Unternehmensorgane in vollem Umfang konstitutiv. 2490  Vgl. z. B. Art. 59 Abs. 2 BayGO. 2491  Vgl. VGH Kassel v. 09.02.2012, 8 A 2043 / 10, DVBl 2012, 647, 648 zu § 63 Abs. 2 HGO. 2492  Berger, Aktienrecht als Kontrollmaßstab der gemeindeinternen Beanstan­ dung, DVBl 2013, 825, 826 ff. 2493  Die gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten reichen nach Spannowsky (Fußn. 1954), 423; Raiser, Konzernverflechtungen unter Einschluß öffentlicher Un­ ternehmen, ZGR 1996, 458, 477; Schön (Fußn. 1955), 35; Lieschke (Fußn. 2153),

428 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

§§ 394 und 395 AktG gestatten Abweichungen von der Verschwiegenheits­ pflicht zugunsten einer Gebietskörperschaft als deren Eignerin oder Teilhabe­ rin einer Aktiengesellschaft. (2) Informationsbeschaffung der Aktionäre in der Hauptversammlung Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft stellt als Vertretungsorgan der Eigentümer das verbindende Organ zwischen der selbstständigen juris­ tischen Person und den Aktionären dar, denen damit jedoch nur eine be­ schränkte Möglichkeit eingeräumt wird, auf die Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen.2494 Durch die gesetzlich begründete Verschwiegenheitspflicht des Vorstandes können deutliche Defizite im Hinblick auf die Informationsbeschaffung und die Einflussnahme der Kommune als Aktionärin auftreten.2495 Bei Eigenge­ sellschaften und kommunal beherrschten Beteiligungsunternehmen in der Organisationsform der Aktiengesellschaft verbleiben ihr nur wenige Mög­ lichkeiten eines unmittelbaren Zugriffs auf die beim Vorstand vorhandenen Informationen: Die möglichst konkrete Fixierung des Gesellschaftszwecks, dem der Ge­ genstand des Unternehmens dienen soll, in der Unternehmenssatzung selbst bietet eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass auch für den Vorstand einer Aktiengesellschaft im Rahmen seiner eigenverantwortlichen Leitung die Interessen der Kommune als Anteilseignerin zum Bestandteil des Unter­ nehmensinteresses gehören. Ergänzende Leitlinien eines Public Corporate Governance Kodex können auch im Hinblick auf die Verschwiegenheits­ pflicht und die eigenverantwortliche Informationspolitik des Vorstands ge­ genüber den Aktionären die Transparenz erhöhen.2496 Das Forum hierfür ist allerdings nur die Hauptversammlung, wobei in kommunal beherrschten Aktiengesellschaften auch die Minderheitsaktionäre gleichen Informationszugang erhalten müssen.2497 Gegenüber dem Vorstand der Aktiengesellschaft besitzt die Hauptversammlung mit Ausnahme von §§ 120 Abs. 3 Satz 2, 175 Abs. 1, 176 Abs. 1 und Abs. 2, §§ 293 und 295 Abs. 1 AktG sowie § 318 HGB kein kollektives Informationsrecht. 114 aus; dagegen halten Danwitz (Fußn. 517), 622 und Ossenbühl, Mitbestimmung in Eigengesellschaften der öffentlichen Hand, ZGR 1996, 504, 513 f. solche Sonder­ rechte für erforderlich. 2494  Brenner (Fußn. 694), 239. 2495  Gaß (Fußn. 420), 65. 2496  Auf die Darstellung in Kapitel 3 Abschnitt A. II. 2. und 3. wird Bezug ge­ nommen. 2497  §§ 53 a, 131 Abs. 1 Satz 1 AktG.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner429

Jeder Aktionär hat jedoch ein individuelles Informationsrecht nach §§ 131 Abs. 1, 132 AktG. Allerdings bezieht sich das Auskunftsrecht gegenüber dem Vorstand auf Angelegenheiten der Gesellschaft nur, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung erforder­ lich sind (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dem Vorstand steht regelmäßig ein Auskunftsverweigerungsrecht bei der Anfrage eines Aktionärs in der Haupt­ versammlung zu Gegenständen vertraulicher Beratungen im Aufsichtsrat zu.2498 Daneben bestehen weitere individuelle Informationsrechte nur nach §§ 124 Abs. 2, 125 Abs. 2, 175 Abs. 2 und 186 Abs. 4 AktG. Weitergehende Regelungen über Informationsrechte sind weder durch Satzung noch durch Kommunalrecht möglich. Darüber hinaus sind für kommunale Anteilseigner zusätzliche Informationen nur über die (nachträgliche) Kontrolle im Rah­ men der Betätigungsprüfung der Gemeinde nach §§ 53, 54 HGrG zu er­ langen.2499 Eine lediglich informelle Einflussnahme ermöglicht der Kommune die Bestellung „gemeindenaher“ hauptamtlicher oder nebenamtlicher Vorstands­ mitglieder, die hauptamtlich bei der Trägerkommune beschäftigt sind, über die Bestellung durch einen allein oder mehrheitlich mit Repräsentanten der Kommune besetzten Aufsichtsrat. Damit verbleiben nur geringe rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten für eine direkte Einflussnahme auf das Leitungs­ organ einer Aktiengesellschaft. Eine Satzungsregelung, die eine Bestellung durch den Aufsichtsrat von einer Zustimmung der Kommune als Aktionärin abhängig macht, ist unzulässig.2500 Inwieweit die Rechtsform der Aktienge­ sellschaft auch die In-house-Fähigkeit einer kommunalen Eigengesellschaft ausschließt, ist nach der EuGH-Entscheidung zu „Parking Brixen“2501 davon abhängig, ob diese Organisationsform eine „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ gestattet. Dieser kann nicht nur die Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes, sondern auch die grundsätzliche Unabhängigkeit des Auf­ sichtsrats entgegenstehen. Auf die gegenüber dem Vorstand bestehenden Informations- und Steuerungsmöglichkeiten einer Kommune im Rahmen eines Konzerns wird gesondert eingegangen.2502 2498  BGH v. 05.11.2013, II ZB 28 / 12, NJW 2014, 541: Hierbei handelt es sich um eine zulässige beschränkende Maßnahme nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 der Aktionärsrechterichtlinie; vgl. auch Hirte, Die Entwicklung des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts im Jahr 2013, NJW 2014, 1219, 1220. 2499  Gaß (Fußn. 420), 389 m. w. N. in Fußn. 198 und Engellandt (Fußn. 1806), 161. 2500  Noack, Gesellschaftsrechtliche Fragen kommunaler Beteiligung an Gesell­ schaften des Privatrechts, StGR 1995, 379, 380. 2501  EuGH v. 13.10.2005, C-458 / 03, Slg. 2005, I-08585; vgl. Kapitel 2 Abschnitt C. III. 2. 2502  Siehe in diesem Kapitel Abschnitt A. II. 3.

430 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Berichtspflichten eines Vertreters in der Hauptversammlung richten sich nach dem Innenverhältnis zum vertretenen Aktionär. Soweit zur Vertretung in der Hauptversammlung ein Organ der Kommune berufen ist, bestimmt sich dessen Berichtspflicht über die in der Hauptversammlung erhaltenen Informationen nach Kommunalverfassungsrecht,2503 für rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter nach Auftragsrecht (§ 666 BGB).2504 Eine Berichtspflicht der Vertreter gegenüber dem Gemeinderat wird, soweit ausdrückliche Rege­ lungen in den Gemeindeordnungen fehlen, aus dem Auftragsverhältnis ab­ geleitet bzw. auf die Treuepflicht gestützt.2505 Das LG Deggendorf2506 sieht das Rechtsverhältnis der Gemeinde zu ihren Vertretern in den Gesellschafts­ organen stets als öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis an. Allerdings sind Berichte über die zu den Tagesordnungspunkten einer Hauptversammlung gegebenen Informationen regelmäßig nicht ausreichend für Entscheidungen des Gemeinderats zur Unternehmenssteuerung. bb) Verschwiegenheitspflicht und Unabhängigkeit des Aufsichtsrates Die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder einer Aktienge­ sellschaft über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat bekannt geworden sind, bildet das Gegenstück zur umfassenden Informationspflicht des Vorstandes gegen­ über dem Aufsichtsrat (§ 90 AktG) und in Ergänzung dazu zu dessen Ein­ sichts- und Kontrollrecht (§ 111 Abs. 2 AktG). Die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats hängt entscheidend davon ab, dass er alle für seine Kontroll­ tätigkeit erforderlichen Informationen erhält, und zwar auch über Geschäfts­ geheimnisse von überragender Bedeutung für die Gesellschaft.2507 Aus der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates folgt dessen Unabhängigkeit von externer Einwirkung bei der Ausübung seines höchstpersönlichen Amtes.2508 Die Aufsichtsratstätigkeit ist sowohl im Aktienrecht als auch bei der GmbH als Nebenamt2509 ausgestaltet. Aus der höchstpersönlichen Tätigkeit folgt, 2503  OVG  Lüneburg

v. 03.06.2009, 10 LC 217 / 07, DVBl 2009, 920. (Fußn. 2387), 44. 2505  Oebbecke (Fußn. 1490), 255 m. w. N. in Fußn. 57. 2506  LG Deggendorf v. 13.12.2004, 3 O 520 / 04, BayVBl 2006, 315 f., bestätigend OLG München vom 26.01.2005, 8 W 602 / 05, Juris; so auch Oebbecke (Fußn. 1490), 253. 2507  Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 3. 2508  Raiser (Fußn. 2154), 394; Lieschke (Fußn. 2153), 25. 2509  Für ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder besteht eine Verpflichtung zur Übernahme eines Aufsichtsratsmandats (vgl. z. B. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayGO). Diese stellt ein abgeleitetes Ehrenamt dar, vgl. Schön (Fußn. 1955), 29 m. w. N. in 2504  Erichsen



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner431

dass die Aufsichtsräte ihre Aufgaben auch nicht durch andere wahrnehmen lassen können (§ 111 Abs. 5 AktG).2510 Durch die Übernahme eines Auf­ sichtsratsmandats entsteht eine besondere Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Aufsichtsratsmitglied, die es bei der Ausübung der Tätigkeit allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet.2511 Mit der Verankerung der Verschwiegenheitspflicht der Organe in der Treuepflicht zum Unternehmen2512 soll die auf gegenseitigem Vertrauen und umfassender Information beruhende innere Organisationsstruktur der Aktien­ gesellschaft gegen Störungen der Kooperationsbeziehung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat durch Einwirkung von außen geschützt werden. Die in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG normierte Pflicht, über vertrauliche An­ gaben sowie über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft Verschwiegenheit zu wahren, zählt auch zu den Grundvoraussetzungen einer guten Unternehmensführung (PCGK) nicht nur für Vorstandsmitglieder. Sie gilt für die Mitglieder des Aufsichtsrats nach § 116 Satz 1 AktG entspre­ chend. § 116 Satz 2 AktG hebt diese Pflicht zur Verschwiegenheit zusätzlich hervor und konkretisiert sie zugleich für die erhaltenen vertraulichen Be­ richte und vertraulichen Beratungen.2513 Ein über die allgemeine Verschwie­ genheitspflicht hinausgehendes, mit dem des Richters vergleichbares Bera­ tungsgeheimnis (§ 43 DRiG) ist für den Aufsichtsrat gesetzlich nicht festge­ legt.2514 Der BGH hat sich bisher, soweit ersichtlich, hierzu nicht explizit geäußert, aber ein „grundsätzliches“ Verbot, „Gegenstand, Verlauf und Er­ gebnis“ von Verhandlungen des Aufsichtsrates zu offenbaren, als für zu weitgehend angesehen.2515 Fußn. 51. Auch für Beamte einschließlich kommunaler Wahlbeamter besteht eine grundsätzliche Pflicht zur Übernahme einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst (Art. 81 BayBG, Art. 43 Abs. 2 Satz 2 KWBG). Um eine solche handelt es sich bei einem Aufsichtsratsmandat in einer Eigengesellschaft oder in einer kommunal be­ herrschten Gesellschaft (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 Bayer. Nebentätigkeitsverordnung). Bereits bei der Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder ist deshalb auf mögliche Inte­ ressenskollisionen oder Loyalitätskonflikte im Hinblick auf die Hauptbeschäftigung zu achten (vgl. oben Kapitel 3 Abschnitt A. II. 3.). 2510  Schön (Fußn. 1955), 28. 2511  BGH v. 29.01.1962, II ZR  1 / 61, BGHZ 36, 296, 306. 2512  Möller (Fußn. 379), 140 sowie dort Fußn. 220 m. w. N. 2513  Oetker, Aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder öffentlicher Unternehmen und freier Zugang zu Informationen, in: Martinek (Hg.), Festschrift für Dieter Reuter zum 70. Geburtstag am 16. Oktober 2010, 2010, 1091, 1092. 2514  Ausdrücklich ablehnend OLG Düsseldorf, AG 74, 52, nach Volhard (Fußn. 2383), 499 Fußn. 59. 2515  Spieker (Fußn. 2486), 1939, sieht die Wahrung der Vertraulichkeit von Infor­ mationen bei Aufsichtsräten als Ausnahme von der Regel an, die auch von der Art

432 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Während die Stimmabgabe und die Stellungnahmen anderer Aufsichts­ ratsmitglieder im weitesten Sinne unter die Schweigepflicht fallen, ist kein Mitglied des Aufsichtsrates gehindert, sein eigenes Stimmverhalten offen zu legen.2516 In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass zwischen dem Individualakt der Bekanntgabe des eigenen Abstimmungsverhaltens des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und dem Beschlussergebnis als Bestandteil eines kollektiven Willensaktes der Organs Aufsichtsrat zu unterscheiden ist. Mit dem Beschluss des Organs als Ergebnis der Beratung einer Vielzahl von Einzelstellungnahmen erlangt das Abstimmungsergebnis ein vom Individu­ alakt des Abstimmungsverhaltens des einzelnen Mitglieds unabhängiges rechtliches Eigenleben. Ist der Beschlussgegenstand geheimhaltungsbedürf­ tig, so ist es auch das Beschlussergebnis.2517 Da ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht nur dann möglich ist, wenn die offenbarte Tatsache nicht vom Offenbarenden selbst herrührt, ist dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied die Bekanntgabe seines eigenen Ab­ stimmungsverhaltens gestattet, wenn der zugrunde liegende Beschlussge­ genstand nicht selbst als Geheimnis anzusehen ist oder vertrauliche Angaben enthält.2518 Strittig ist, ob die Stellung des Aufsichtsrates mit dem freien Mandat des Parlamentariers vergleichbar ist.2519 Soweit Aufsichtsräte kommunale Man­ datsträger sind, die von der gewählten Volksvertretung in den Aufsichtsrat entsandt werden, besäßen sie als Angehörige der Exekutive kein „freies Mandat“ im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.2520 Demgegenüber vertritt Schwintowski mit zutreffenden Argumenten die Auffassung, die Mitglieder der kommunalen Vertretungskörperschaft als Vertreter des Gemeindevolks hätten ebenso wie Abgeordnete des Bundestags oder der Landtage verfas­ sungsrechtlich den Status eines Repräsentanten des Volkes auf Ebene der Gemeinde.2521 Diesem Status korrespondiere das „freie Mandat“ im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Deren Pflichten ergeben sich aus der Verfas­ der Information und dem Zeitpunkt ihrer Offenbarung abhänge. A. A. Veith, Zur Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, NJW 1966, 526, 527 f., der für diese These Spiekers keine Stütze im Gesetz erkennt. Hierfür seien ein Beschluss des Aufsichtsrates und die Abstimmung mit der Geschäftsleitung erforderlich. 2516  BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 331. 2517  Säcker (Fußn. 2480), 809. 2518  Säcker (Fußn. 2480), 808. 2519  Volhard (Fußn. 2383), 499. 2520  Grams, Pflichten von Mandatsträgern in Aufsichtsgremien kommunaler Pri­ vatunternehmen, LKV 1997, 397, 399. 2521  Schwintowski (Fußn. 2378), 1014, Fußn. 69: Häberle, Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit des Abgeordnetenstatus, NJW 1976, 537; siehe hierzu im Einzel­ nen Kapitel 5 Abschnitt B. III. 1.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner433

sungsbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Beachtung der Gesetze, d. h., sie haben die gesellschaftsrechtlichen Pflichten als Aufsichtsräte von Verfas­ sungs wegen zu beachten.2522 Die Pflichtenstellung eines Aufsichtsratsmit­ glieds ist auch nicht in gesellschaftsrechtliche Pflichten auf der einen und die freie politische Mandatsausübung auf der anderen Seite teilbar.2523 Die durch das Aktiengesetz angeordnete Verschwiegenheitspflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds greift daher in das freie Mandat des vom Volk bestellten Repräsentanten ein. Dieser Eingriff muss dem Verhältnismä­ ßigkeitsgrundsatz entsprechen, d.  h., er muss erforderlich, geeignet und proportional sein, weil er Verfassungsrang besitzt und auf dem Rechtsstaats­ prinzip beruht. Der Grundsatz ergibt sich bereits aus dem Wesen der Grund­ rechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt nur soweit be­ schränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläss­ lich ist.2524 Der Aufsichtsrat hat zwar als „Innenorgan“ nur gesellschaftsinterne Auf­ gaben. „Allgemeine Öffentlichkeitsarbeit“ gehört mithin weder zu den ge­ sellschaftsrechtlichen noch zu den gesetzlichen Aufgaben des Aufsichtsrates. Presse- oder sonstige Erklärungen für die Gesellschaft gegenüber Medien abzugeben, ist nur die Geschäftsleitung befugt.2525 Diese Kompetenzbegren­ zung für allgemeine Öffentlichkeitsarbeit steht im Einklang mit den Grund­ werten der Verfassung, insbesondere mit Art. 5 GG. Der Aufsichtsrat als Organ und einzelne Gruppen von Aufsichtsratsmitgliedern sind als solche nicht grundrechtsfähig.2526 Etwas anderes gilt für das einzelne Aufsichtsratsmitglied, das jedoch durch die ihm obliegende Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung über den eigentlichen Geheimnis­ bereich hinaus inhaltlich beschränkt wird. Die Treuepflicht ist als Schranke im Rahmen des Art. 5 GG anerkannt.2527 Für die aktienrechtliche Verschwie­ genheitspflicht ergibt sich dies auch aus §§ 93, 116, 404 AktG.2528 Sie muss 2522  Schwintowski

(Fußn. 2378), 1014. v. 21.12.1979, 2 ZR 244 / 78, NJW 1980, 1629, 1630. 2524  Schwintowski (Fußn. 2378), 1014, Fußn. 72: BVerfG v. 15.12.1965, 1 BvR 513 / 65, BVerfGE 19, 342, 348 f. 2525  Schwintowski (Fußn. 2378), 1010. 2526  Schwintowski (Fußn. 2378), 1010, Fußn. 14: Volhard (Fußn.  2383) ff. m. w. N. 2527  Schwintowski (Fußn. 2378), 1010, Fußn. 18: Säcker, Vorkehrungen zum Schutz der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht und gesellschaftsrechtliche Treue­ pflicht der Aufsichtsratsmitglieder, in: Fischer / Lutter / Stimpel / Wiedemann (Hg.), Festschrift für Robert Fischer, 1979, 635, 636. 2528  Säcker (Fußn.  2480), 804 m. w. N. 2523  BGH

434 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

ihrerseits im Lichte der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit ausgelegt werden.2529 Das Organisationsrecht kann für Organ- und Amtswalter Verschwiegenheitspflichten statuieren. Damit korre­ spondiert aber kein absolutes Schweigegebot.2530 Der BGH hat die Unab­ hängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder auch gegenüber dem Gesellschaftsinteresse ausgesprochen und hierzu ein „gesellschaftsrechtliches Verhältnis­ mäßigkeitsprinzip“ entwickelt.2531 In Ausnahmefällen kann eine Information der Öffentlichkeit durch ein Aufsichtsratsmitglied und politischen Mandats­ träger „im Interesse des Unternehmens“ erforderlich sein, so dass sonst der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen als „ultima ratio“ auch an die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Bei besonders krassem gesell­ schaftswidrigem Verhalten ist allerdings eine Abberufung aus wichtigem Grund möglich.2532 cc) §§ 394, 395 AktG als Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht Ausnahmen von der Verschwiegenheitsverpflichtung sind gesetzlich ge­ genüber den Aktionären grundsätzlich nicht zugelassen. Nur für „kommuna­ le“ Aufsichtsräte gilt die Besonderheit, dass die Verschwiegenheitsverpflich­ tung im dem Umfang gelockert werden kann, in dem § 394 AktG dafür Möglichkeiten einräumt.2533 Für Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlas­ sung der Kommune in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt wurden, ist die Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem in § 395 AktG genannten Personenkreis und nur insoweit gelockert, als die Kenntnis von vertrauli­ chen Angaben und Geheimnissen der Gesellschaft für die Zwecke der Be­ richte von Bedeutung ist (§ 394 Satz 2 AktG).2534 2529  Säcker (Fußn. 2480), 804; vgl. hierzu auch BVerfG v. 28.04.1976, 1 BvR 71 / 73, BVerfGE 42, 133, 139 ff. zu der mit § 93 Abs. 1 Satz  2 AktG strukturell vergleichbaren Vorschrift des § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG 72 für Betriebsratsmitglie­ der. 2530  Schwintowski (Fußn. 2378), 1012 m. w. N. in Fußn. 33. 2531  Schwintowski, Gesellschaftsrechtliche Bindungen für entsandte Aufsichtsrats­ mitglieder in öffentlichen Unternehmen, NJW 1995, 1316, 1319, Fußn. 25: BGH v. 05.06.1975, II ZR 23 / 74, BGHZ 65, 15, 330. 2532  Schwintowski (Fußn.  2531), 1320 f. 2533  Huffmann (Fußn. 1951), 391. 2534  Will (Fußn. 2389), 252, Fußn. 17: Bei mittelbarer Beteiligung der Kommune an einer Aktiengesellschaft kommt es für die Lockerung der Verschwiegenheits­ pflicht nach §§ 394, 395 AktG darauf an, ob der in einer solchen Aktiengesellschaft (vom unabhängigen Vorstand der Obergesellschaft) gewählte Aufsichtsrat noch als Repräsentant der Kommune erscheint. Hierzu im Einzelnen: Möller (Fußn. 379), 289 f.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner435

Teleologisch wird § 394 AktG so ausgelegt, dass das Informationsprivileg nur soweit greift, wie ein Bedürfnis auf Seiten der Gebietskörperschaft nach Einwirkung auf das betreffende kommunale Unternehmen besteht. Voraus­ setzung für ein solches Bedürfnis sei eine „ins Gewicht fallende Beteili­ gung“ der Gebietskörperschaft. Fehle es hieran, so sei für eine Durch­ brechung der Verschwiegenheitspflicht kein Raum.2535 Nach zutreffender Auffassung sind §§ 394, 395 AktG aber nicht nur bei einer ins Gewicht fallenden, d.  h. mehrheitlichen, Beteiligung einer Gebietskörperschaft anwendbar,2536 sondern unabhängig von der Beteiligungshöhe, weil auch ein Pflichtenkonflikt zwischen gesellschaftsrechtlicher Verschwiegenheitspflicht und kommunalrechtlicher Berichtspflicht unabhängig von der Beteiligungs­ höhe und ebenso unabhängig davon bestehen kann, ob eine mittelbare oder eine unmittelbare Beteiligung vorliegt.2537 Ungeachtet der Entstehungsgeschichte der §§ 394, 395 AktG2538 besteht auch für eine Begrenzung der nach § 394 AktG verfügbaren Informationen auf solche, die zu Prüfungs- und Kontrollzwecken nach §§ 53, 54 HGrG benötigt werden, kein Anlass. Die Regelung beruht vielmehr auf dem Inte­ resse der öffentlichen Hand an aktiver Einflussnahme auf die von ihr gehal­ tenen Unternehmen und an deren umfassender, über die aktienrechtliche Pflichtprüfung hinausgehender, Kontrolle.2539 Inhaltlich ist die Weitergabe von Informationen damit durch den Zweck der Berichte beschränkt, der Kommune die Steuerung und Kontrolle ihrer Beteiligung zu ermöglichen.2540 Deshalb werden Detailinformationen über die Geschäftsführung (insbesondere aus dem operativen Geschäft) in der Regel nicht bedeutsam sein.2541

2535  Geerlings

(Fußn. 2152), 432. (Fußn. 2388), 162, Fußn. 3: So aber Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 7; Möller (Fußn. 379), 153; Vogel, Die Verschwiegenheitspflicht der Vertreter kommunaler Gebietskörperschaften im Aufsichtsrat der GmbH, Städte- und Gemeinderat 1996, 252, 254. 2537  Strobel (Fußn. 2388), 163. 2538  Siehe hierzu Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 6. 2539  Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 6. 2540  Strobel (Fußn. 2388), 171, Fußn. 51: Knemeyer, Kommunale Wirtschaftsun­ ternehmen zwischen Eigenverantwortlichkeit und Kontrollen, Städtetag 1992, 317, 321. 2541  Strobel (Fußn. 2388), 172, Fußn. 54: Möller (Fußn. 379), 153. 2536  Strobel

436 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

(1) B  estehende Berichtspflichten als Voraussetzung für Ausnahmen nach § 394 AktG Allerdings begründet § 394 AktG keine Berichtspflicht, sondern setzt sie voraus, wobei umstritten ist, ob diese einer gesetzlichen Grundlage bedarf oder ob die Begründung vertraglicher Pflichten ausreicht.2542 Überwiegend wird eine vertraglich begründete Berichtspflicht nicht für ausreichend gehalten, weil damit die Verschwiegenheitspflicht faktisch zur Disposition der Gemeinde gestellt würde.2543 Berichtspflichten können sowohl bundes- als auch landesrechtlich begrün­ det werden, es genügt dafür jede demokratisch legitimierte gesetzliche Re­ gelung, die dem Informationsinteresse der Kommune zur Steuerung und Kontrolle ihrer Unternehmen und Beteiligungen gerecht wird.2544 Landesrechtliche Berichtspflichten für Aufsichtsräte finden sich in den Gemeindeordnungen und in sonstigen gesetzlichen Grundlagen.2545 Sie kön­ nen sich insbesondere aus dem kommunalen Wirtschaftsrecht oder aus dem Kommunalverfassungsrecht ergeben, wobei jedoch für die grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder nach §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft2546 zu beachten ist, dass diese nur für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, 2542  Vgl. hierzu auch Bormann, Mehr „Transparenz“ bei Unternehmen mit Betei­ ligung von Gebietskörperschaften?, NZG 2011, 926, und den inzwischen durch die Bundestagswahl der Diskontinuität verfallenen Gesetzentwurf der 17. Legislatur­ periode zur Änderung des Aktiengesetzes (VorstKoG) – BT-Drs. 17 / 14214 vom 26.06.2013, den der Bundesrat in seiner Sitzung vom 20.09.2013 an den Vermitt­ lungsausschuss überwiesen hat. Durch Ergänzung von § 394 AktG mit einem neuen Satz 4 war folgende Klarstellung vorgesehen: „Die Berichtspflicht nach Satz 1 kann auf Gesetz, auf Satzung oder auf dem Aufsichtsrat in Textform mitgeteiltem Rechts­ geschäft beruhen.“ (Vgl. Art. 1 Nr. 22 des Gesetzentwurfs in der Fassung des Rechtsausschusses). 2543  Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 9, hält eine gesetzliche Grundlage für erforderlich, ebenso Strobel (Fußn. 2388), 165; a. A. in Fußn. 19: Stebut (Fußn. 2378), 130 und in Fußn. 20: Kropff, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff (Hg.), Aktienge­ setz, 1973, §§ 394, 395 AktG, Rz. 22 f. (Siehe hierzu aber Fußn. 2542). 2544  Strobel (Fußn.  2388), 167. Bundesrechtliche Auskunftspflichten bestehen beispielsweise für kommunale Unternehmen als Inhaber von Linienverkehrsgeneh­ migungen gegenüber der Genehmigungsbehörde (§ 54 a Abs. 1 Nr. 2 PBefG) im Zusammenwirken mit der Kommune als Aufgabenträger nach § 8 Abs. 3 PBefG. 2545  Will (Fußn. 2389), 252, Fußn. 19: Martens, Privilegiertes Informationsverhal­ ten von Aufsichtsratsmitgliedern einer Gebietskörperschaft nach § 394 AktG, AG 1984, 29, 33; Schwintowski (Fußn. 2378), 1014. 2546  Will (Fußn. 2389), 251, Fußn. 11: BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 329.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner437

nicht aber für vertrauliche Angaben nach § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG strafbe­ wehrt ist. Kommunalrechtliche Berichtspflichten enthalten die Vorschriften des kommunalen Wirtschaftsrechts in Bayern,2547 Brandenburg,2548 Hessen,2549 Niedersachsen,2550 Mecklenburg-Vorpommern,2551 Nordrhein-Westfalen,2552 dem Saarland,2553 Sachsen2554 und Schleswig-Holstein.2555 Durch Kommunalverfassungsrecht wird in Baden-Württemberg,2556 in Rheinland-Pfalz,2557 Sachsen-Anhalt2558 und Thüringen2559 dem Bürgermeis­ ter eine Berichtspflicht über bedeutsame Angelegenheiten der Gesellschaften gegenüber dem Gemeinderat auferlegt, soweit er gleichzeitig Aufsichtsrat ist. Hierdurch kann aber die Verschwiegenheitspflicht nur für den Bürger­ meister nach §§ 394, 395 AktG gelockert werden.2560 Ob die in den Gemeindeordnungen enthaltenen Weisungsrechte, die nur vorbehaltlich entgegenstehender Regelungen des Gesellschaftsrechts gelten,2561 auch Berichtspflichten umfassen, ist fraglich. Jedenfalls soweit Gesellschaftsrecht einem Weisungsrecht gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern entgegensteht, kann hieraus auch keine Berichtspflicht abgeleitet werden.2562 Im Übrigen wären Berichtspflichten nicht Folge, sondern Voraussetzung für Weisungen, weil sie gerade dazu dienen sollen, die für eine Steuerung er­ forderlichen Informationen zu beschaffen. 2547  Art. 93

7482 f.

2548  § 97

Abs. 2 Satz  2 BayGO; vgl. LT-Drs. 13 / 10828 vom 23.04.1998,

Abs. 7 BbgKVerf. Abs. 1 Satz 5 HGO. 2550  §§ 138 Abs. 4 Satz 2, 150 Sätze 2–4 NKomVG. 2551  § 71 Abs. 4 Satz 1 KV M-V. 2552  § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 GO NRW, wobei als „Vertreter“ auch die Reprä­ sentanten der Gemeinde in Aufsichtsrat anzusehen sind. Vgl. Will (Fußn. 2389), 259 m. w. N. in Fußn.  43. 2553  §§ 114, 115 Abs. 1 KSVG: Auch hier umfasst der Begriff „Vertreter“ die Repräsentanten der Kommune im Aufsichtsrat. Vgl. Will (Fußn. 2389), 260, Fußn. 46. 2554  § 98 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SächsGemO. 2555  § 104 Abs. 1 Satz 3 GO SH. 2556  § 24 Abs. 3 GemO BW. 2557  § 33 Abs. 1 GemO Rhl-Pf. 2558  § 62 Abs. 2 Satz 1 GO LSA. 2559  § 22 Abs. 3 Satz 3 ThürKO, soweit hierzu Beschlüsse des Gemeinderats er­ gangen sind. 2560  Will (Fußn. 2389), 261. 2561  Siehe hierzu die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt B. II. 1.b) aa) (2). 2562  Will (Fußn. 2389), 262. 2549  § 125

438 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Ebenso wenig lassen sich aus den §§ 53, 54 HGrG Berichtspflichten für Aufsichtsräte ableiten, weil diese Vorschriften nur die Kommune binden.2563 Ob durch Beamtenrecht für Kommunalbeamte als von der Gemeinde ent­ sandte oder gewählte Aufsichtsratsmitglieder eine Berichtspflicht begründet werden kann, ist strittig.2564 Teilweise wird eine Befreiung von gesellschafts­ rechtlichen Bindungen angenommen.2565 Beamtenrechtliche Befolgungs­ pflichten lösen nach überwiegender Ansicht keine aus der beamtenrechtli­ chen Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn folgenden Berichtspflichten aus, da das Aktienrecht den Aufsichtsrat als unabhängiges und eigenverant­ wortliches Überwachungs- und Kontrollorgan konzipiert hat (§ 111 Abs. 5 AktG).2566 Ob sich aus der beamtenrechtlichen Pflicht zur Beratung und Un­ terstützung jedenfalls gegenüber dem Bürgermeister als Vorgesetztem eine solche Pflicht ableiten lässt, erscheint im Hinblick auf einen auch dadurch ggf. entstehenden Pflichtenkonflikt zwischen nebenamtlichem Aufsichtsrats­ mandat und dem Hauptamt fraglich. Natürlich gelten auch für diesem Perso­ nenkreis angehörende Aufsichtsratsmitglieder die kommunalrechtlichen Be­ richtspflichten gegenüber den in § 395 AktG genannten Berichtsadressaten. (2) Zulässige Berichtsadressaten nach § 395 AktG Wer Adressat von Berichten der auf Veranlassung der Kommune entsand­ ten oder gewählten Aufsichtsratsmitglieder ist, insbesondere, ob eine Infor­ mationsweitergabe an die Volksvertretung der Kommune nach § 395 Abs. 1 Hs. 1 AktG zulässig sein kann, ist zunächst durch Auslegung des Wortlauts zu ermitteln.2567 Übereinstimmung besteht darin, dass die Vorschrift den Kreis der unmittelbaren Berichtsempfänger abschließend auf Personen festlegt, die mit der Verwaltung und der Prüfung von Beteiligungen betraut sind.2568 Die Beteiligung der Kommune zu „verwalten“, sind dem Wortlaut nach vor allem die Beteiligungsverwaltung und deren Vorgesetzte, insbesondere der Bürgermeister, berufen.2569 2563  Möller

(Fußn. 379), 157. (Fußn. 2389), 263 m. w. N. in Fußn. 53: Dagegen Zöllner, Berichtspflicht beamteter Aufsichtsratsmitglieder aufgrund von § 55 BBG?, AG 1984, 147, 148 f. 2565  Grams (Fußn. 2520), 399, Fußn. 16: Lutter / Grunewald, Öffentliches Haus­ haltsrecht und privates Gesellschaftsrecht, WM 1984, 385, 397. 2566  Strobel (Fußn. 2388), 170 m. w. N. in Fußn. 46: Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 20; Möller (Fußn. 379), 156; Zöllner (Fußn. 2564), 148. 2567  Strobel (Fußn. 2388), 173. 2568  Strobel (Fußn. 2388), 173, Fußn. 64: Vogel (Fußn. 2536), 255; Treder (Fußn. 2391), 147. 2569  Strobel (Fußn. 2388), 174. 2564  Will



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner439

Eine effektiv gestaltete Beteiligungsverwaltung kann mit den Instrumen­ ten des strategischen und des operativen Beteiligungscontrollings und der Mandatsbetreuung für die Aufsichtsratsmitglieder2570 zweifellos zur Gewin­ nung steuerungsrelevanter Informationen für die Kommune beitragen. Sie kann den auf Veranlassung der Gemeinde entsandten oder gewählten Auf­ sichtsratsmitgliedern auch eine Beratung anbieten, deren Zulässigkeit aller­ dings keine Selbstverständlichkeit darstellt,2571 da eine Beratung durch ge­ sellschaftsfremde Personen nur in begrenztem Umfang gestattet ist.2572 Mit dem Gebot persönlicher und eigenverantwortlicher Amtsausübung (§ 111 Abs. 5 AktG) ist es nicht vereinbar, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine Aufgaben oder einen wesentlichen Teil davon laufend einem Außenstehen­ den zur selbständigen Erledigung überträgt oder auch nur bei ihrer Wahr­ nehmung einen „ständigen Berater“ einschaltet, weil dadurch die Gefahr besteht, dass auf Dauer auch die Vertraulichkeit leidet.2573 Allerdings kann es im Interesse des Unternehmens angezeigt sein, dass fachkundiger Rat auch von außerhalb des Unternehmens eingeholt wird.2574 Deshalb steht dem Aufsichtsrat als Gremium, nicht aber dem einzelnen Mitglied, die Be­ fugnis zu, Sachverständige zur Beratung über „einzelne“ Gegenstände zuzu­ ziehen (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AktG) oder sie für „bestimmte“ Prüfungsaufga­ ben zu beauftragen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG). Teilweise wird auch gefordert, der Beteiligungsverwaltung in Aufsichts­ räten Gaststatus einzuräumen, da insbesondere die Mandatsbetreuung auf einen kontinuierlichen Informationsfluss über das Geschehen in der Gesell­ schaft angewiesen sei.2575 Die hierdurch zu gewinnenden Informationen über Unternehmensinterna, die Willensbildung beim Zustandekommen von Entscheidungen sowie das Abstimmungsverhalten der einzelnen Aufsichts­ ratsmitglieder gingen jedoch weit über das Maß an Lockerung der Ver­ schwiegenheitspflicht hinaus, das § 394 AktG der Beteiligungsverwaltung als zulässiger Adressatin von Berichten zugesteht. Insbesondere bei ge­ mischtwirtschaftlichen Unternehmen, die von der Kommune beherrscht werden, würden einem Gast damit Informationen auch über das Verhalten der Aufsichtsratsmitglieder der übrigen Aktionäre bekannt. Ein solcher per­ manenter Gaststatus wird damit auch für die Beteiligungsverwaltung als zulässigem Berichtsadressaten nach § 395 AktG abgelehnt. 2570  Siehe

hierzu die Darstellung in Kapitel 3 Abschnitt A. II. 1. (Fußn. 1955), 54. 2572  Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat 2. Aufl. 1984, 177. 2573  BGH v. 15.11.1982, II ZR 27 / 82, BGHZ 85, 293, 296. 2574  Möller (Fußn. 379), 149, Fußn. 265: BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 332. 2575  Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), 16. 2571  Schön

440 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Immer noch heftig umstritten ist, ob der Gemeinderat als örtliche Volks­ vertretung zu den Berichtsadressaten nach § 395 AktG gezählt werden kann. Nach Auffassung von Will2576 laufen kommunalrechtliche Berichtspflich­ ten über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft gegenüber dem Gemeinderatsplenum leer, weil dabei die in § 395 AktG geforderte Einhaltung der auf die Berichtsadressaten weiterverlagerten Verschwiegen­ heitspflicht nicht gewährleistet werden könne. Aus diesem Grund müsse sich die Berichtspflicht auf den Bürgermeister als Berichtsadressaten begrenzen, dessen Aufgabe es sei, über eine ange­ messene Unterrichtung des Gemeinderats zu entscheiden. Dem Informa­ tionsinteresse des Gemeinderats an der Tätigkeit der kommunalen Gesell­ schaft werde auch durch den jährlichen Beteiligungsbericht ausreichend Rechnung getragen.2577 Diese Auffassung verkennt allerdings, dass Unter­ nehmensinterna, die dem Gemeinderat nicht berichtet werden dürfen, erst recht nicht in den Beteiligungsbericht aufgenommen werden dürfen, da dieser nicht nur als Informationsquelle für den Gemeinderat, sondern insbe­ sondere der Unterrichtung der Öffentlichkeit dient.2578 Die Frage, ob es rechtlich zulässig oder gar geboten ist, den Gemeinderat in den Kreis der Adressaten von Berichten der auf seine Veranlassung ge­ wählten oder entsandten Aufsichtsräte einbeziehen, ist jedoch für die Wirk­ samkeit der Steuerung kommunaler Gesellschaften von entscheidender Be­ deutung. Zu bedenken ist, dass bei der Aktiengesellschaft – abgesehen von einer Konzernstruktur – relevante Einflussmöglichkeiten auf die laufende Geschäftspolitik des Unternehmens wenn überhaupt, dann nur über den Aufsichtsrat eröffnet sind, so dass ein legitimes Interesse an Berichten über steuerungsrelevante Tatsachen durch die entsandten oder auf kommunale Veranlassung gewählten Aufsichtsratsmitglieder besteht. Hinzu kommt, dass bereits durch die Ausgliederung kommunaler Aufgaben in rechtlich ver­ selbstständigte Unternehmen ein Transparenzverlust für die Entscheidungs­ findung entsteht, mit dem auch die demokratische Legitimation sowie die Partizipation des Volkes an den Meinungsfindungs- und Entscheidungspro­ zessen verloren gehen kann.2579 Der Kreis der Berichtsadressaten richtet sich grundsätzlich nach dem Organisationsrecht der Gebietskörperschaft,2580 wobei aber „als aktienrecht­ 2576  Will

(Fußn. 2389), 263 m. w. N. in Fußn. 60. Ganzer / Tremml, Die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder einer kommunalen Eigengesellschaft in der Rechtsform einer mitbestimmten GmbH, GewArch 2010, 141, 149. 2578  Vgl. z. B. Art. 94 Abs. 3 Sätze 4 und 5 BayGO. 2579  Meiski (Fußn. 284), 301 m. w. N. in Fußn. 6. 2580  Ossenbühl (Fußn. 2493), 513; Püttner (Fußn. 2355), 752. 2577  So



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner441

liche Vorgabe und ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 394 S. 1 AktG“ sicherzustellen sei, dass nur Personen oder Gremien als Berichts­ adressaten in Betracht kommen, die „nach der Zahl und Zusammensetzung“ die Gewähr dafür bieten, dass die durch § 395 Abs. 1 AktG auf die Be­ richtsadressaten erstreckte Geheimhaltung respektiert wird.2581 Ein Teil der Literatur hält eine direkte Berichterstattung vor dem Gemein­ derat oder eine Zuleitung von Berichten an das Ratsplenum mit der in § 395 AktG geforderten wirksamen körperschaftsinternen Geheimhaltung deshalb für nicht vereinbar, weil vorrangige Merkmale politischer Gremien „Publi­ zität und Transparenz, nicht die rechtlich umhegte Geheimhaltung“ seien. Im Rahmen einer abstrakten Wertung seien sie deshalb keine tauglichen Berichtsadressaten.2582 Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, den (ehrenamtlichen) Mitgliedern eines Gemeinderats werde die Wahrung der Vertraulichkeit in Angelegenheiten kommunaler Gesellschaften schlichtweg nicht zugetraut. Ein Ausschluss der kommunalen Volksvertretung wird allerdings weder vom Wortlaut des § 395 AktG gedeckt, noch der Entstehungsgeschichte der Vor­ schrift und schon gar nicht dem damit verfolgten Zweck gerecht. Er ist schließlich auch an den Maßstäben der Gesetzgebungskompetenz und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu überprüfen: Zutreffend ist, dass schon dem Wortlaut nach der Gemeinderat als das demokratisch legitimierte Repräsentativorgan der Gemeinde nicht damit betraut ist, die Beteiligung an den kommunalen Unternehmen zu „ver­ walten“.2583 Er besitzt jedoch die kommunalverfassungsrechtliche Kon­ trollkompetenz, die (gerade) ihn zur Richtungskontrolle der kommuna­ len Unternehmenstätigkeit berechtigt und verpflichtet. Der Kontrollaspekt der Ingerenzpflichten findet den gesetzespositiven Ausdruck gerade in der kommunalverfassungsrechtlichen Kontrollkompetenz der Volksvertre­ 2581  Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 9; Zu dieser Auffassung ist allerdings auf die Rechtsprechung des BVerfG v. 28.02.2012, 2 BvE 8 / 11, BVerfGE 130, 318, zum Neunergremium EFSF hinzuweisen. Danach gewährleistet das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Prinzip der repräsentativen Demokratie auch die Gleichheit im Status als Vertreter des ganzen Volkes. Dieser Grundsatz fußt letztlich auf dem durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit. Werden insbesondere Aufgaben der Information und Kontrolle von Ausschüssen wahrgenommen, müssen diese nicht nur dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, sondern auch dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs in das jedem Volks­ vertreter zustehenden Informations- und Kontrollrecht namentlich in Haushaltsfragen entsprechen. Für grundsätzlich vertrauliche Informationen über Unternehmensinterna gegenüber Mitgliedern des Gemeinderates können keine anderen Maßstäbe gelten. 2582  Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 22. 2583  Strobel (Fußn. 2388), 174.

442 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

tung.2584 Die Ausübung dieser Kontrollkompetenz setzt hinreichende Kenntnis über unternehmensinterne Tatsachen zwingend voraus. Dabei ist der Begriff „prüfen“ umfassend als Überprüfen oder Nachprü­ fen eines Sachverhalts auf seine Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu verstehen. Somit spricht eine Vermutung dafür, dass § 395 Abs. 1 Hs. 1 AktG die Volksvertretung nicht aus dem Kreis der Berichtsempfänger ausschließen wollte.2585 Der Begriff „prüfen“ ist zwar auch Bestandteil der Steuerung durch Kon­ trolle, doch beinhaltet auch der Kontrollbegriff nicht nur die nachträgliche externe Kontrolle durch die Rechnungsprüfung, sondern umfasst auch die begleitende Überwachung der Geschäftspolitik, wie die Mitwirkung des Auf­ sichtsrats als interner Kontrollinstanz der Gesellschaft zeigt.2586 Diese er­ streckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik; sie ist nicht auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung beschränkt, sondern muss die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung einbeziehen. Eine so verstandene Kontrolle kann wirksam nur durch ständige Diskussion mit dem Vorstand und insofern durch dessen laufende Beratung ausgeübt werden. Die Beratung ist deshalb das vorrangige Mittel der in die Zukunft gerichteten Kontrolle des Vorstands.2587 Der Aufsichtsrat hat dafür zu sorgen, dass ein funktionierendes internes Controlling-System für strategische (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AktG) und operative Planungen (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG) eingerichtet ist,2588 mit dem er Informationen für seine Kontrollfunktion nach § 171 AktG, für die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts so­ wie über den cash-flow (§ 111 AktG) erhält. Strittig ist, ob er selbst für seine Zwecke an Stelle des Vorstandes ein solches Controlling-System einrichten kann.2589 Für das operative Controlling hat dies der BGH zu Recht ver­ neint.2590 Berichte der Aufsichtsratsmitglieder an „ihre“ Kommune müssen deshalb gerade solche Informationen enthalten, deren Prüfung im Hinblick auf die politische Kontrollkompetenz Angelegenheit des Gemeinderats ist. 2584  Strobel (Fußn. 2388), 195; vgl. § 24 Abs. 3 bis Abs. 5 GemO BW, Art. 30 Abs. 3 BayGO, § 29 Abs. 1 BbgKVerf, § 50 Abs. 2 HGO, § 34 KV M-V, § 58 Abs. 4 NKomVG, § 55 GO NRW, § 33 GemO Rhl-Pf, § 37 Saarl.KSVG, § 28 Abs. 4 bis Abs. 6 SächsGemO, § 44 Abs. 5 bis Abs. 7 GO LSA, § 30 GO SH und § 22 Abs. 3 Sätze 2 und 3 ThürKO. 2585  Strobel (Fußn. 2388), 175. 2586  Mann (Fußn. 358), 230. 2587  BGH v. 25.03.1991, II ZR 188 / 89, BGHZ 114, 127, 130. 2588  Möller (Fußn. 379), 192 m. w. N. in Fußn. 442: Scheffler, Die Überwachungs­ aufgabe des Aufsichtsrats im Konzern, DB 1994, 793, 798. 2589  Möller (Fußn. 379), 203. 2590  BGH v. 25.03.1991, II ZR 188 / 89, BGHZ 114, 127, 130.



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Zweck der Lockerung der Verschwiegenheitspflicht, die mit Wirkung vom 01.01.1998 eingefügt wurde und bei der damals der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages (fälschlicherweise) von einer bestehenden haus­ haltsrechtlichen Berichtspflicht (damals § 111 Abs. 1 Nr. 2 RHO und ent­ sprechende landesrechtliche Haushaltsvorschriften) ausging,2591 war es gera­ de, eine Überwachung der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Gesell­ schaften unter Berücksichtigung der öffentlichen Aufgaben zu ermöglichen,2592 um den Ingerenzpflichten zu genügen und den Konflikt zwischen der Ver­ schwiegenheits- und der Auskunftspflicht zu lösen.2593 Im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ging man davon aus, dass das Prüfungsrecht um der parlamentarischen Verantwortlichkeit und Kontrolle willen, der auch die privatrechtlichen Gesellschaften öffentlicher Körperschaften unterliegen, gerechtfertigt sei.2594 Damit belegt auch die Entstehungsgeschichte der §§ 394, 395 AktG, dass die Volksvertretung unter dem Begriff „prüfen“ ein geeigneter Berichtsadressat sein sollte. Dafür, dass der Bundesgesetzgeber den Gemeinderat als Berichtsadressa­ ten ausschließen wollte, findet sich dagegen auch in der Entstehungsge­ schichte des § 395 AktG kein Nachweis. Mit einer solchen Beschränkung hätte der Gesetzgeber die nachweislich verfolgten Ziele einer wirksamen Unternehmenssteuerung selbst konterkariert. Die auf die Privatwirtschaft zugeschnittene Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft führt zu einer Konzentration aller für die Aufgabenwahr­ nehmung durch die Gesellschaft erforderlichen Informationen in Händen der Unternehmensorgane Vorstand und Aufsichtsrat, während die für die Aufga­ benerfüllung durch die Gesellschaft gegenüber dem Volk verantwortliche Kommune als Aktionärin auf die vom Vorstand gegebenen Auskünfte zu den Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung beschränkt ist. Die Struktur der Aktiengesellschaft führt infolge der weitgehenden Unabhängig­ keit der Organe Vorstand und Aufsichtsrat von den Aktionären zu einer Trennung der Herrschaft über die steuerungsrelevanten Informationen von der Verantwortlichkeit der Aktionäre als Träger der öffentlichen Aufgabe. Die §§ 394, 395 AktG bezwecken jedoch gerade die zur Unternehmenssteu­ erung erforderliche Zusammenführung dieser Informationen beim Aufgaben­ 2591  Strobel

(Fußn. 2388), 175 f. m. w. N. in Fußn. 76 und 80. (Fußn. 2388), 177, Fußn. 87: Hüffer, Aktiengesetz 10. Aufl. 2012, § 394 Rz. 44, sieht den Zweck in der haushaltsrechtlichen Überwachung, auch so­ weit die Kommune herrschendes Unternehmen im Konzern ist; vgl. auch Schoepke, Zur Problematik der Gesellschaftsform für kommunale Unternehmen, VBlBW 1994, 81, 87. 2593  Strobel (Fußn. 2388), 179, Fußn. 94: Martens (Fußn.  2545), 31 ff. 2594  Strobel (Fußn. 2388), 179, Nachweise in Fußn. 97: Reischl im Kurzprotokoll der 127. Sitzung des Rechtsausschusses vom 02.04.1965, S. 15 und Kuchtner, S. 17. 2592  Strobel

444 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

träger, um die Rückbindung auf die vom Volk als Souverän legitimierte Volksvertretung sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund wäre es unverständlich, wenn der Bundesgesetz­ geber den unmittelbar demokratisch legitimierten Gemeinderat aus dem Kreis der Berichtsadressaten hätte ausschließen und nur eine nachgeordnete Verwaltungseinheit mit einer lediglich vom Gemeinderat abgeleiteten Legi­ timation zum Berichtsempfänger hätte bestimmen wollen. Der Gesetzgeber des Gesellschaftsrechts, der seine Kompetenz aus dem Recht der Wirtschaft ableitet (Art. 74 Nr. 11 GG), ist auf die Regelung der Organisation der Gesellschaft, der Mitgliedschaftsrechte und des bei der Entscheidungsbildung zu beachtenden Verfahrens beschränkt.2595 Die orga­ nisatorische Ausgestaltung der Kommune als Trägerin öffentlicher Verwal­ tung ist dagegen Bestandteil des Kommunalverfassungsrechts. Dazu gehören unter Beachtung des Kernbereichs der kommunalen Organisationshoheit nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG insbesondere die Regelung der Organe und ihrer Zuständigkeit sowie das Verfahren der Willensbildung als wesentliche Voraussetzung ihrer Handlungsfähigkeit.2596 Das Recht, die in­ nere Verwaltungsorganisation unter Berücksichtigung örtlicher Zweckmä­ ßigkeitsgesichtspunkte zu regeln, gehört als Ausfluss der Organisationsho­ heit zu der geschützten gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie.2597 Wer Adressat der Berichtspflicht ist, ergibt sich damit ausschließlich aus dem Organisationsrecht der Gebietskörperschaft in den Grenzen der §§ 394, 395 AktG.2598 Dies ist auf kommunaler Ebene grundsätzlich der Gemeinderat.2599 Teilweise wird mit Blick auf die Größe des Gremiums der Bürgermeister als geeigneter Adressat der Berichtspflichten angesehen, zumal dieser über § 395 AktG als Vorgesetzter der Beteiligungsverwaltung in den besonderen Kreis der schweigepflichtigen Amtsträger einbezogen ist.2600 Zutreffend an dieser Auffassung ist der Ausgangspunkt der Argumenta­ tion, nämlich dass bereits aus § 395 Abs. 2 AktG das Erfordernis der Auf­ rechterhaltung des Geheimnisschutzes durch die Berichtsadressaten folgt, so dass auch innerhalb der Gebietskörperschaft Geheimhaltung geboten ist.2601 2595  Erichsen

(Fußn. 2387), 16. (Fußn. 2387), 16 m. w. N. in Fußn. 24. 2597  Erbguth / Stollmann (Fußn. 1819), 127, Fußn. 3: Cronauge (Fußn. 2061), 239. 2598  Geerlings (Fußn. 2152), 432. 2599  So auch Geerlings (Fußn. 2152), 432 und im Ergebnis auch Zieglmeier (Fußn. 1952), 340; a. A. Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 9; Noack (Fußn. 2500). 2600  Erichsen (Fußn.  2387), 23 ff. 2601  Strobel (Fußn. 2388), 200, Fußn. 227: Möller (Fußn. 379), 159; so auch Burgi, Öffentlichkeit von Ratssitzungen bei Angelegenheiten kommunaler Unterneh­ men?, NVwZ 2014, 609, 612. 2596  Erichsen



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner445

Diese kann jedoch durch nichtöffentliche Sitzung gewährleistet werden.2602 Dabei unterliegen die Mitglieder des Gemeinderats zwar nicht der Sanktion des § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG, sondern den kommunalrechtlichen Verschwie­ genheitspflichten2603 und, soweit sie Amtsträger sind, der für diese geltenden Sanktion des § 203 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 StGB bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht.2604 Im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung erachtet der noch über­ wiegende Teil des Schrifttums eine Weitergabe von Informationen an den Gemeinderat nach §§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 AktG für unzulässig, weil sie mit der von den aktienrechtlichen Sondervorschriften geforderten körper­ schaftsinternen Geheimhaltung nicht vereinbar sei.2605 Trotz der gemeinde­ rechtlichen Schweigepflicht bestehe durch die interessenspluralistische Zu­ sammensetzung der Volksvertretung die Gefahr, dass geheimhaltungsbedürf­ tige Unternehmensinterna an die Öffentlichkeit gelangen.2606 Gerade die interessenspluralistische Zusammensetzung des Gemeinderates gewährleistet jedoch eine Abbildung des Volkswillens, auf dem die gesamte Tätigkeit der Kommune basiert. Die Gemeindehoheiten, zu denen auch die kommunale Organisationsho­ heit zählt, sind Bestandteil des Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit, die zum Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung gehört.2607 Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet dabei Eigenverantwortlichkeit nicht nur bezüglich be­ stimmter Sachaufgaben, sondern für die gesamte Verwaltung.2608 Soweit die Rechtsordnung nicht eine ausdrückliche Beschränkung enthält,2609 kann die Gemeinde grundsätzlich nach ihrem pflichtmäßigen 2602  Strobel (Fußn. 2388), 201; vgl. hierzu § 35 Abs. 2 GemO BW, Art. 52 Abs. 2, 56a Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 2 BayGO, §§ 31 Abs. 2, 31 BbgKVerf, §§ 35 Abs. 2, 24 52 Sätze 2 und 3 HGO, §§ 29 Abs. 5, 23 Abs. 6 KV M-V, §§ 59 Abs. 5, 40 NKomVG, §§ 30, 43, 48 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 und Abs. 3 GO NRW, §§ 35 Abs. 1, 20 GemO Rhl-Pf., §§ 33 Abs. 3, 40 Abs. 2 und 3 Saarl.KSVG, § 37 Abs. 1 und Abs. 2 Sächs­ GemO, § 50 Abs. 2 und 3 GO LSA, §§ 35 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 32 Abs. 3 Satz 1, 21 Abs. 2 bis 5 GO SH und §§ 40 Abs. 1, 12 Abs. 3 ThürKO. 2603  Siehe hierzu die Einzelnachweise unter Fußn. 2442. 2604  Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 10. 2605  Strobel (Fußn. 2388), 199, Fußn. 213: so etwa Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 22, Vogel (Fußn. 2536), 255. 2606  Strobel (Fußn. 2388), 199, Fußn. 217: Noack (Fußn.  2500), 385; auch Schwintowski (Fußn.  2378), 1010 m. w. N. 2607  Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 23 mit Fußn. 50: Schmehl (Fußn. 741), 326. 2608  Siehe hierzu die Darstellung zu den Schutzgegenständen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in Kapitel 2 Abschnitt A. II. 2. c) sowie BVerfG v. 07.01.1999, 2 BvR 929 / 97, NVwZ 1999, 520, 521. 2609  Vgl. in diesem Sinne auch Pitschas / Schoppa (Fußn. 416), 109, bezogen auf die Wahlfreiheit der Organisationsform für Unternehmen.

446 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Organisationsermessen2610 und nach den vom Grundsatz der Eigenverant­ wortlichkeit geprägten lokalpolitischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen2611 entscheiden, ob sie die Prüfung ihrer Beteiligungen durch den Gemeinderat selbst vornehmen lässt, einer von diesem eingesetzten Verwaltungseinheit oder einem Gemeinderatsausschuss (z. B. dem Rechnungsprüfungsausschuss) überträgt. In welcher Form die Auskunftserteilung oder Berichterstattung der auf Veranlassung der Gemeinde gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitglie­ der erfolgt, bestimmt sich nach dem von der Volksvertretung selbst gewähl­ ten Kontrollinstrument, dem Auskunftsrecht, dem Fragerecht oder dem Akteneinsichtsrecht. Das Fragerecht eines Gemeinderatsmitglieds kann da­ bei weder durch Geschäftsordnung noch durch Gemeinderatsbeschluss aus­ geschlossen werden.2612 Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es in der eigenverantwortlichen Entscheidungshoheit der Kommune liegt, ob sie das Gemeinderatsplenum für einen geeigneten Berichtsadressaten hält und ihm die für die Unterneh­ menssteuerung erforderlichen Informationen durch Berichte der auf seine Veranlassung entsandten oder gewählten Aufsichtsratsmitglieder nach § 395 AktG in geeigneter Form und unter Beachtung der eigenen kommunalrecht­ lichen Verschwiegenheitspflichten zukommen lässt. Ob es bei größeren Städten zweckmäßig ist, ein Stadtratsplenum in allen Fällen oder nur bei besonders bedeutsamen Angelegenheiten mit der Entge­ gennahme von Aufsichtsratsberichten – nicht selten für eine Vielzahl von Eigengesellschaften oder beherrschten Beteiligungsunternehmen in entspre­ chender Rechtsform – zu befassen, ist vor allem eine Frage der Praktikabi­ lität, aber im Einzelfall auch der parteipolitischen Konstellation und der lokalpolitischen Klugheit. Nicht jede unvernünftige Entscheidung ist aber auch rechtswidrig. b) Informationsbeschaffung bei der GmbH In der kommunalen Praxis ist die GmbH der Regelfall, da die Aktiengesell­ schaft für das Gros der Kommunen überdimensioniert und zu schwerfällig ist, soweit sie landesrechtlich überhaupt zugelassen ist. Der kommunale Ge­ staltungsspielraum und die damit verbundene Steuerungsfähigkeit werden als 2610  Schmidt (Fußn. 1589), 349, Fußn. 22: Püttner (Fußn. 366), 85; Stober (Fußn. 1819), 454. 2611  Vgl. Katz (Fußn. 2082), 410. 2612  Strobel (Fußn. 2388), 205, Fußn. 252: VGH Mannheim v. 06.06.1988, 1 S 2460 / 87, DVBl 1989, 155.



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wesentliche Vorteile der GmbH gesehen.2613 Die GmbH unterscheidet sich von der Aktiengesellschaft grundlegend. Materiell ist die GmbH, die nur um der Haftungsbeschränkung willen juristische Person ist, „Personengesell­ schaft“, so dass den Gesellschaftern die Steuerung des Unternehmens auch gegen die Gesellschaftsinteressen gestattet ist.2614 Nach herrschender Mei­ nung kennt das GmbH-Recht auch kein vom Gesellschafterinteresse zu schei­ dendes Gesellschaftsinteresse, das die Geschäftsführer gegen die Gesell­ schafter verteidigen müssten.2615 Damit besitzt eine Kommune als Alleinoder Mehrheitsgesellschafterin erhebliche Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung.2616 Die Veränderbarkeit der organisatorischen Grundstrukturen durch den Gesellschaftsvertrag gestattet der Kommune im Interesse der Einflussnahme und Kontrolle auch weitreichende Veränderun­ gen der typischen Kompetenzverteilung zwischen den Organen.2617 Die gesetzlichen Regelungen über die Kompetenzen der Gesellschafter­ versammlung sind grundsätzlich dispositiv (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 GmbHG). Im Gegensatz zu den Anteilseignern der Aktiengesellschaft sind die Gesell­ schafter die „Herren der GmbH“.2618 Der Geschäftsführung ist durch das GmbH-Recht dagegen kein eigener Verantwortungsbereich garantiert, so dass die Geschäftsführungsbefugnis durch Gesellschafterbeschluss mittels einer Weisung im Einzelfall2619 oder durch einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte im Gesellschafts­ 2613  Bätge, Kommunale Vertreter im Aufsichtsrat einer GmbH im Spannungsfeld zwischen Gesellschafts- und Kommunalrecht, in: Beckmann / Mansel / MatuscheBeckmann (Hg.), Weitsicht in Versicherung und Wirtschaft, Gedächtnisschrift für Ulrich Hübner, 2012, 463, 464. 2614  Altmeppen (Fußn. 2457), 7, Fußn. 26: Flume, Die juristische Person – Allge­ meiner Teil des bürgerlichen Rechts 1983, 61 f. 2615  Schön (Fußn. 1177), 444 m. w. N. in Fußn. 90: Flume (Fußn.  2614), 56 ff. 2616  Gaß (Fußn. 420), 362, Fußn. 56: Breuer (Fußn. 2454), 113; Engellandt (Fußn. 1806), 53; Nesselmüller (Fußn. 2156), 60. 2617  Gaß (Fußn. 420), 361. 2618  Mann (Fußn. 358), 179. 2619  Der rechtliche Status des GmbH-Geschäftsführers unterscheidet sich fund­ mental von dem des weisungsunabhängigen Vorstands einer Aktiengesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG). Der EuGH v. 11.11.2010, C-232 / 09, Slg. 2010, I-11405-11465 (Da­ nosa) hat abweichend von der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1982, 1270) einer GmbH-Geschäftsführerin, die einer Kapitalgesellschaft ge­ genüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 2 der Richtlinie EWG / 92 / 85 über die Durchführung von Maß­ nahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwan­ geren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Ar­ beitsplatz zuerkannt, wenn sie ihre Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält (vgl. hierzu auch die Ur­

448 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

vertrag eingeschränkt werden kann.2620 Nicht entzogen werden können dem Geschäftsführer jedoch nach allgemeiner Ansicht die Außenvertretung und die zur Erhaltung des Stammkapitals bestehenden Pflichten (§§ 30, 31, 33, 43 Abs. 3, 49 Abs. 3 GmbHG), die Registerpflichten, die Jahresabschluss­ pflicht (§ 264 HGB), die Buchführungspflichten (§§ 40, 41 GmbHG), steu­ erbezogene Pflichten (§ 34 AO) und andere Kernaufgaben, die für die wirtschaftliche Aufgabenerfüllung unerlässlich sind.2621 aa) Pflicht der Geschäftsführung zur Information der Gesellschafter § 51a GmbHG gewährt dem Gesellschafter ein umfassendes Recht auf Auskunft über alle Angelegenheiten der GmbH und auf Einsicht in ihre Unterlagen. Hierbei handelt es sich nicht um ein Minderheitsrecht, sondern ein Individualrecht. Werden in der Gesellschafterversammlung Auskünfte zu bestimmten Tagesordnungspunkten verlangt, so gilt dafür nicht §  51a GmbHG,2622 denn es ist kein Organrecht, das der sachgerechten Ausübung des Stimmrechts dient, sondern ein vom kollektiven Informationsrecht der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 6 GmbHG zu unterscheidendes eigennütziges Mitgliedschaftsrecht.2623 Es beruht auf dem Gedanken, dass es zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern keine Geheimnisse gibt. Hiervon darf zum Nachteil der Gesellschafter auch nicht durch eine Sat­ zungsregelung abgewichen werden.2624 Mit dieser Regelung hat der Bundesgesetzgeber für die von ihm geschaf­ fene Organisationsform der GmbH aufgrund seiner Gesetzgebungskompe­ tenz für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) die Geschäftsführung als Unternehmensorgan von der grundsätzlichen gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht gegenüber den einzelnen Gesellschaftern befreit, soweit nicht zu besorgen ist, dass diese die erhaltenen Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken zum Nachteil des Unternehmens verwenden (§ 51a Abs. 2 Satz 1 GmbHG).2625 teilsanmerkung von Kempermann, Der GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer, NJW-Spezial 2013, 655 f.). 2620  Grams (Fußn. 2520), 401; Mann (Fußn. 358), 211. 2621  Gaß (Fußn.  420), 361  f.; strittig vgl. Schön (Fußn.  1177), 444 m. w. N. Fußn. 91. 2622  Lutter, in: Lutter / Hommelhoff (Hg.), GmbH-Gesetz, 2009, § 51a GmbHG, Rdnr. 23 a. 2623  Lutter (Fußn. 2622), Rdnr. 1 m. w. N. in Fußn. 1: Grunewald, Einsichts- und Auskunftsrecht des GmbH-Gesellschafters nach neuem Recht, ZHR 146, 211, 216 f. 2624  Lutter (Fußn. 2622), Rdnr. 32.



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Die Kehrseite des umfassenden Informationsrechts ist die Pflicht zu ver­ traulicher Behandlung der erhaltenen Informationen, die aus der Treuepflicht des Gesellschafters zum Unternehmen folgt und eine Weitergabe nur an Empfänger gestattet, die ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.2626 Die Beratung der Kommune über hierdurch erhaltene vertrauliche Angaben oder Geheimnisse des Unternehmens ist damit in der Regel durch Nichtöf­ fentlichkeit der Sitzungen kommunaler Gremien zu gewährleisten.2627 So­ weit Stimmen in der Literatur lediglich eine Information des Gemeinderats durch den Filter des Bürgermeisters zulassen wollen,2628 ist zu bedenken, dass es auch Aufgabe des Gemeinderates ist, die Tätigkeit des Bürgermeis­ ters in den kommunalen Unternehmen zu überwachen. Dem zu Überwa­ chenden kann jedoch nicht die Entscheidung darüber überlassen werden, was der Gemeinderat hierüber wissen darf und was nicht.2629 2625

bb) Informationsbeschaffung durch die Gesellschafterversammlung Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft, bei der eine „die Vertretung kanali­ sierende Regelung“ nicht oder nur ausnahmsweise angängig ist (vgl. im Falle des § 69 AktG), gehen Rechtsprechung und Lehre bei der GmbH grundsätzlich von der Zulässigkeit von Vertretungsklauseln aus, solange der Vertretene den Vertreter durch Weisungen an seinen Willen binden und ihn jederzeit abberufen kann.2630 Da das Gesellschaftsrecht nur regelt, welches Organ die Gesellschaft vertritt, und das Kommunalrecht bestimmt, wer in einem Organ die Gesellschafter vertritt, liegt insoweit kein Fall des Art. 31 GG vor, weil es sich um unterschiedliche Regelungsgegenstände handelt.2631 Damit ist auch nicht im Gesellschaftsvertrag,2632 wohl aber in der Ge­ schäftsordnung des jeweiligen kommunalen Gremiums regelbar, wer die 2625  Nach der Rechtsprechung des BGH v. 11.11.2002, II ZR 125 / 02, BGHZ 152, 339, die zu einer aus einem Verein ausgegliederten GmbH ergangen ist, sind die Mitglieder des obersten Organs des Hauptgesellschafters keine gesellschaftsfremden Dritten, denen gegenüber eine Verschwiegenheit bestünde. Siehe hierzu auch Meiski (Fußn. 284), 303, der diese Rechtsprechung auch für das Verhältnis zum Gemeinde­ rat für übertragbar hält; a. A. Ganzer / Tremml (Fußn. 2577), 147. 2626  Lutter (Fußn. 2622), Rdnr. 24. 2627  Vgl. in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 2. a). 2628  So insbesondere Ganzer / Tremml (Fußn. 2577), 149. 2629  Meiski (Fußn. 284), 304. 2630  Püttner (Fußn. 2355), 752 m. w. N. in Fußn. 33. 2631  Gaß (Fußn. 420), 367, Fußn. 89: Püttner (Fußn. 2355), 751; Schwintowski (Fußn. 2378), 1014; Erichsen (Fußn. 2387), 16. 2632  Gaß (Fußn. 420), 368, Fußn. 95: BayVGH v. 02.02.2000, 4 B 99.1377, BayVBl 2000, 309 mit Anmerkung von Schulz, BayVBl 2000, 764.

450 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Kommune in den Gesellschaftsorganen vertritt, soweit keine abschließende Regelung durch den Landesgesetzgeber getroffen ist. Das Kommunalrecht sieht häufig vor, dass die Vertretung der Kommune in der Gesellschafterversammlung durch ihren gesetzlichen Vertreter wahr­ zunehmen ist.2633 Nach Kommunalrecht richtet sich auch die Frage, ob der Gesellschaftervertreter für die Stimmrechtsausübung in der Gesellschafter­ versammlung einen Ratsbeschluss braucht (vgl. z. B. Art. 29, 37 BayGO). Bei der Vertretung der Gemeinde in der Gesellschafterversammlung tre­ ten Probleme vor allem dort auf, wo die kommunalrechtlichen Vorschriften eine von der allgemeinen Vertretung abweichende Regelung treffen (z. B. § 63 Abs. 2, 113 GO NRW). Erfolgt die Bestellung mehrerer Vertreter (§ 113 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GO NRW) nach Proporz, ist fraglich, ob deren Stimmrecht durch Mehrheitsbeschluss des Gemeinderats festgelegt werden kann.2634 Vergleichbare Streitfragen bestehen in Baden-Württem­ berg (§ 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GemO BW), in Niedersachsen (§ 138 Abs. 1 Satz 2 NKomVG) sowie in Rheinland-Pfalz (§ 88 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 Satz 1 GemO Rhl-Pf.) und im Saarland (§ 114 Abs. 2 KSVG) für weitere Vertreter. Bei der GmbH ist eine gespaltene Stimmabgabe ge­ sellschaftsrechtlich unzulässig, weil die GmbH deutliche personalistische Züge2635 aufweist, die im Gegensatz zur Aktiengesellschaft, von der die Kommune mehrere Aktien besitzt, den Gesellschafter als Person zum Adressaten der aus der Mitgliedschaft folgenden Verwaltungsrechte ma­ ­ chen.2636 Bei der GmbH führt damit die organisatorische Verselbstständigung zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben nicht zwingend zu einer Verlagerung steuerungsrelevanter Informationen von der aufgabenverantwortlichen Kom­ mune auf die diese Aufgaben wahrnehmende Gesellschaft. Die Kenntnis sowohl des organschaftlichen als auch der bestellten weiteren Vertreter der Kommune in der Gesellschafterversammlung ist der Kommune zuzurech­ nen. Diese kann bei Eigengesellschaften und bei den von ihr beherrschten 2633  Der Bürgermeister als Organ der Gemeinde ist grundsätzlich deren Vertreter in der Gesellschafterversammlung in Bayern (Art. 93 Abs. 1 Satz 1 BayGO), in Mecklenburg-Vorpommern (§ 71 Abs. 1 Satz 1 KV M-V), in Rheinland-Pfalz (§ 88 Abs. 1 Satz 1 GemO Rhl-Pf.), im Saarland (§ 114 Abs. 1 Satz 1 KSVG), in Sachsen (§ 98 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO) und in Sachsen-Anhalt (§ 119 Abs. 1 Satz 1 GO LSA), in der Funktion als Hauptverwaltungsbeamter in Brandenburg (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf) und als Vertreter von Amts wegen für den Gemeindevorstand in Hessen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 HGO). Auch in Schleswig-Holstein soll es der gesetz­ liche Vertreter der Gemeinde sein (§ 104 Abs. 1 Satz 2 GO SH). 2634  Püttner (Fußn. 2355), 753. 2635  Vgl. Altmeppen (Fußn. 2457), 7, Fußn. 26. 2636  Mann (Fußn. 1984), 13, Fußn. 84.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner451

gemischtwirtschaftlichen Unternehmen durch Gestaltung der Satzung darü­ ber hinaus sicherstellen, dass sie als Gesellschafterin jederzeit Zugriff auf die bei allen Organen der Gesellschaft vorhandenen steuerungsrelevanten Informationen auch für den Gemeinderat erhält. Für Berichtspflichten kommunaler Vertreter in der Gesellschafterver­ sammlung gegenüber dem Gemeinderat kann auf die auch für die GmbH geltende Darstellung zu den Berichtspflichten der Vertreter in der Hauptver­ sammlung einer Aktiengesellschaft verwiesen werden.2637 cc) Verschwiegenheitspflicht eines GmbH-Aufsichtsrates Die Gesellschafter einer GmbH besitzen nach § 51 a GmbHG und als Mitglieder der Gesellschafterversammlung bzw. als Alleingesellschafter weitreichende Informationsansprüche gegen die Gesellschaft zu steuerungs­ relevanten Tatsachen. Zwischen dem Aufsichtsrat und den Mitgliedern der Gesellschafterversammlung gibt es mit Ausnahme der in § 51 a Abs. 2 und Abs. 3 GmbHG geregelten Fälle keine Verschwiegenheitspflicht.2638 Bei der GmbH sind die Gesellschafter im Gegensatz zu den Anteilseignern der Aktiengesellschaft das zentrale Entscheidungsorgan einer hierarchisch ge­ gliederten Gesellschaftsstruktur.2639 Für die Steuerungsfähigkeit der GmbH kommt es deshalb maßgeblich auf den Einfluss der Gesellschafter auf die Geschäftsführung und damit auf eine entsprechende Mehrheit in der Gesell­ schafterversammlung an. Selbst bei der Verweigerung einer nach der Sat­ zung der GmbH erforderlichen Zustimmung des Aufsichtsrates zu bestimm­ ten Geschäften kann auf Verlangen der Geschäftsführung die fehlende Aufsichtsratszustimmung durch eine Dreiviertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen in der Gesellschafterversammlung überstimmt werden (§ 111 Abs. 4 Satz 3 und Satz 4 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG).2640 Zu Recht wird deshalb hinterfragt, ob die auf Veranlassung einer Kom­ mune in den Aufsichtsrat einer GmbH gewählten oder entsandten Aufsichts­ ratsmitglieder in gleicher Weise wie bei der Aktiengesellschaft gegenüber ihrer Gebietskörperschaft Verschwiegenheit über Betriebs- und Geschäftsge­ heimnisse und vertrauliche Angaben der Gesellschaft zu wahren haben und ob es ggf. zu deren Lockerung einer analogen Anwendung der §§ 394, 395 AktG für Berichtspflichten bedarf.2641 2637  Siehe

in diesem Kapitel Abschnitt A. II. 2. a) aa) (2). (Fußn. 420), 396, Fußn. 237: h. M. 2639  BGH v. 06.03.1997, II  ZB  4 / 96, BGHZ 135, 48, 55 f. 2640  Lieschke (Fußn. 2153), 159. 2641  Bätge (Fußn. 2613), 465. 2638  Gaß

452 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Die Fragestellung hängt damit zusammen, dass das Gesellschaftsrecht mit § 52 Abs. 1 GmbHG zur Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglie­ der auf die Regelung für Aktiengesellschaften in §§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 AktG, nicht aber auf die §§ 394, 395 AktG, verweist.2642 Sowohl die Mitglieder eines obligatorischen wie des fakultativen Auf­ sichtsrats einer GmbH sind damit zur Verschwiegenheit verpflichtet. Für die Mitglieder des obligatorischen Aufsichtsrats ergibt sich dies aus § 25 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 MitbestG,2643 aus § 2 MontanMitbestG2644 i. V. m. dem Montan-Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz2645 oder aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG2646 jeweils i. V. m. §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Allerdings besteht für die Mitglieder des Aufsichtsrates einer GmbH im Vergleich zu denen der Aktiengesellschaft nicht die Gefahr, dass vertrauli­ che Informationen und Geheimnisse der Gesellschaft mit einer Information der Gesellschafter „nach außen“ getragen werden, weil die Mitglieder der Gesellschafterversammlung als Informationsempfänger im Gegensatz zu Aktionären der Verschwiegenheitspflicht als (internes) Gesellschaftsorgan unterworfen und damit ebenso wenig wie die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat Dritte sind.2647 Bezugspunkt der in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG geregelten Verschwiegenheitspflicht ist damit allein das Interesse des Unter­ nehmens, sich davor zu bewahren, dass geheimhaltungsbedürftige Informa­ tionen an die Öffentlichkeit getragen werden. Dies gilt auch für den obliga­ torischen Aufsichtsrat, denn in der GmbH verdrängen die mitbestimmungs­ rechtlichen Vorschriften die generelle Kompetenz der Gesellschafterver­ sammlung nur hinsichtlich der Bestellung und der Abberufung der Geschäftsführung. Dagegen tritt die Überwachungskompetenz des fakultati­ ven wie des obligatorischen Aufsichtsrats hinter die der Gesellschafterver­ 2642  Bätge

(Fußn. 2613), 474. vom 04. Mai 1976 (BGBl. I S. 1153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044). 2644  Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie – MontanMitbestG (BGBl. III 801-2), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407). 2645  Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitneh­ mer in den Vorständen und Aufsichtsräten der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie – MontanMitbestErgG (BGBl. III 801-3), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011(BGBl. I S. 3044). 2646  Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044), das mit Wirkung ab 01.07.2004 an die Stelle des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 getreten ist. 2647  Strittig, nach Ansicht von Lutter, Information und Vertraulichkeit im Auf­ sichtsrat 3. Aufl. 2006, 199 sind die Gesellschafter nicht Dritte. Gaß (Fußn. 420), 397 sieht dagegen die Gebietskörperschaft als Trägerkommune als Dritten an. 2643  Mitbestimmungsgesetz



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner453

sammlung zugewiesene Zuständigkeit für die Überwachung der Geschäfts­ führung zurück.2648 Wie bei der Aktiengesellschaft besteht auch bei der GmbH die Verpflich­ tung zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten. Bei der GmbH ist allerdings strittig, ob die Gebietskörperschaft auch für die auf ihre Veranlassung ent­ sandten oder gewählten Mitglieder des GmbH-Aufsichtsrats als Dritte ange­ sehen werden kann.2649 Strittig ist insbesondere, ob bei der GmbH eine ausdrückliche Satzungs­ regelung erforderlich ist, damit für diese Aufsichtsratsmitglieder unmittelbar gegenüber dem in §§ 394, 395 AktG genannten Personenkreis der Gebiets­ körperschaft eine Lockerung der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegen­ heitspflicht zulässig ist, da in § 52 Abs. 1 GmbHG auf diese Vorschriften nicht verwiesen wird. Der Gesetzgeber hatte in der Vergangenheit auf eine Ergänzung des § 52 Abs. 1 GmbHG durch Verweis auf §§ 394, 395 AktG verzichtet, weil er mit der herrschenden Meinung in der Literatur2650 die Analogie zur Aktienge­ sellschaft für möglich hielt.2651 Ein neuerlicher Versuch, § 52 Abs. 1 GmbHG um die beiden Bestimmungen des Aktiengesetzes zu ergänzen, ist in der 17. Legislaturperiode am Bundesrat gescheitert.2652 Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Aufsichtsrates bei der Überwa­ chung und Kontrolle der Unternehmensleitung stellt auch bei der GmbH einen ungeschriebenen Grundsatz dar, der Bestandteil der Mindestüberwa­ chungsbefugnis ist.2653 Allerdings müssen sich die Mitglieder sowohl des obligatorischen als auch des fakultativen Aufsichtsrats bei der Geschäftsfüh­ rung selbst um die Beschaffung von Informationen bemühen, da § 52 Abs. 1 GmbHG nicht auf § 90 Abs. 1 und Abs. 2 AktG verweist. Deshalb ist auch für die GmbH ein funktionierendes Informationssystem, wie etwa die Ein­ richtung eines bei der Geschäftsführung angesiedelten strategischen Con­ 2648  BGH

v. 06.03.1997, II  ZB  4 / 96, BGHZ 135, 48, 57 f. insbesondere Gaß (Fußn. 420), 397; a. A. Lutter (Fußn. 2647), 199. 2650  Gaß (Fußn. 420), 397, Fußn. 241: Noack (Fußn. 2500), 386; Vogel (Fußn. 2536), 253. 2651  Strobel (Fußn. 2388), 217, Fußn. 24 m.w.N: Stenograf. Protokoll der 90. Sit­ zung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 27.02.1980, S. 43; vgl. hierzu Altmeppen (Fußn. 2457), 12. 2652  Siehe auch den inzwischen durch die Bundestagswahl der Diskontinuität verfallenen Gesetzentwurf der 17. Legislaturperiode zur Änderung des Aktiengeset­ zes (VorstKoG) – BT-Drs. 17 / 14214 vom 26.06.2013 (Fußn. 2542). 2653  Möller (Fußn. 379), 227, Fußn. 51: so Treder (Fußn.  2391), 146 f.; Spannow­ sky (Fußn. 524), 1074 unter Hinweis auf den grundsätzlichen Vorrang des Gesell­ schaftsrechts hierfür mit Bezugnahme auf BGH v. 29.01.1962, II ZR  1 / 61, BGHZ 36, 296, 306. 2649  So

454 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

trolling-Systems, vorzusehen, das auch dem Aufsichtsrat Informationsrechte einräumt und für die Geschäftsführung Berichtspflichten begründet.2654 Nur unter dieser Voraussetzung macht es Sinn, dass mit einer entspre­ chenden Satzungsregelung die für das Eingreifen des Berichtsprivilegs der Gebietskörperschaften vorausgesetzten Informations- und Berichtspflichten sowohl beim fakultativen2655 als auch beim obligatorischen2656 Aufsichtsrat begründet werden. In diesen Fällen kommt es auf die Frage, ob die Gebiets­ körperschaft wegen ihrer Stellung als Gesellschafterin im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsräte als Dritte anzusehen ist, im Er­ gebnis nicht an.2657 Zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsfunktion ist aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für Beschränkungen der Verschwie­ genheitspflicht zu beachten.2658 Da die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats als ein pluralistisch zusammengesetztes Organ die Unterwerfung unter die Verschwiegenheitspflicht mit einschließt,2659 muss sich diese am Unterneh­ menswohl ausrichten, so dass eine Einschränkung der Verschwiegenheits­ pflicht auch bei einer Satzungsregelung nur in dem nach §§ 394, 395 AktG zulässigen Rahmen und unter Beachtung der eigenen Verschwiegenheits­ pflichten der Berichtsadressaten verhältnismäßig ist.2660 Die rechtliche Stellung und die Befugnisse des Aufsichtsrats einer GmbH unterscheiden sich danach, ob es sich um einen obligatorischen oder einen fakultativen Aufsichtsrat handelt. Deshalb ist zunächst zu untersuchen ob die Regelungen zur Arbeitnehmermitbestimmung Einfluss auf die Verschwiegenheitspflicht für die Mitglieder obligatorischer Aufsichtsräte ­ besitzen. 2654  Möller

(Fußn. 379), 243. Lutter (Fußn. 2647), 242 f., der die Informationsrechte und die Ver­ schwiegenheitspflicht bei der GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat für dispositiv hält, weil der Aufsichtsrat in seinen Befugnissen an die Interessen der Gesellschafter gebunden ist und die Gesellschafter im GmbH-Recht nicht als außenstehende Dritte zu betrachten sind. 2656  Lutter (Fußn.  2647), 240 f. 2657  Möller (Fußn.  379), 237 f. 2658  Möller (Fußn. 379), 240, Fußn. 93: Meyer-Landrut, Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 1976, 510, 516, der zwar von einer möglichen Konkretisierung der Schweigepflicht nach Art und Umfang ausgeht, für diese aber keine verschärfende oder aufhebende Regelung zulassen will. Seiner Ansicht nach gelten die vom BGH formulierten Rechtssätze zum aktienrechtlichen Schweigegebot uneingeschränkt auch für Aufsichtsratsmitglieder in GmbHs, für den obligatorischen wie auch für den fakultativen Aufsichtsrat. 2659  Siehe hierzu in diesem Kapitel Abschnitt A. I. und Säcker (Fußn. 2480), 807. 2660  Möller (Fußn. 379), 241. 2655  Vgl.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner455

(1) Obligatorischer Aufsichtsrat der GmbH Bei der GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat besteht eine mit der Aktiengesellschaft vergleichbare Sach- und Interessenlage, die eine analoge Anwendung der §§ 394, 395 AktG rechtfertigt.2661 Die Regelungen über die Arbeitnehmermitbestimmung unterwerfen auch die GmbH dem an der Ak­ tiengesellschaft orientierten und institutionell im Aufsichtsrat angesiedelten Mitbestimmungsmodell. Hierdurch werden Zusammensetzung, Funktion und Organisation durch zwingendes Recht bestimmt. In den vom Mitbe­ stimmungsgesetz mit in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG), den vom Montan-Mitbestimmungsgesetz (§ 1 Abs. 2 Mon­ tanMitBestG) in Verbindung mit dem Montan-Mitbestimmungs-Ergänzungs­ gesetz erfassten Unternehmen mit in der Regel mehr als 1000 Arbeitneh­ mern, die eine für kommunale Unternehmen eher seltene Ausnahme darstel­ len, oder in den GmbHs mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern nach dem Drittelbeteiligungsgesetz, die im kommunalen Bereich häufig anzutref­ fen sind, besitzen die Aufsichtsräte die Personalkompetenz für die Bestel­ lung und Abberufung der Geschäftsführung. Für den obligatorischen GmbHAufsichtsrat gilt das insoweit zwingende Kompetenzgefüge des Aufsichtsrats nach dem Aktiengesetz.2662 Die Weisungsunabhängigkeit aller Mitglieder des Aufsichtsrates nach dem MontanMitbestG ist in § 4 Abs. 3 Montan­ MitbestG ausdrücklich geregelt, während das MitbestG 1976 auf eine ver­ gleichbare Bestimmung verzichtet hat.2663 Davon unberührt bleibt allerdings auch für die mitbestimmte GmbH das Weisungsrecht der Gesellschafterver­ sammlung gegenüber der Geschäftsführung als entscheidendem Unterschied zur Weisungsunabhängigkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft. Der vom Gesetzgeber als selbstständiges und selbstverantwortliches Kon­ trollorgan gegenüber Vorstand bzw. Geschäftsführung ausgestaltete Auf­ sichtsrat verträgt zwar keine Einflussnahme von außen.2664 Andererseits gilt aber für die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft entsandten oder gewählten Aufsichtsratsmitglieder: „Jedes Aufsichtsratsmitglied ist berech­ tigt und sogar verpflichtet, bei seinen Entscheidungen im Unternehmen auch die Interessen der Anteilseigner und damit auch die Interessen der öffentli­ chen Hand mitzuberücksichtigen.“2665 2661  Strobel (Fußn. 2388), 212, Fußn. 3: Noack (Fußn. 2500), 386; Kropff (Fußn. 2543), Rz. 10; Möller (Fußn. 379), 236. 2662  Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften 1988, 131, Fußn. 522. 2663  Raiser (Fußn. 2154), 393. 2664  Schwintowski (Fußn. 2531), 1318. 2665  Schwintowski (Fußn. 2378), 1014, Fußn. 63: Lutter (Fußn. 2572).

456 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder eines obligatorischen GmbHAufsichtsrats kann jedoch ohne Verstoß gegen Arbeitnehmerinteressen dis­ ponibel sein, auch wenn § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG und § 3 Abs. 1 MitbestErgG auf § 109 AktG über die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen verweisen.2666 Bei der mitbestimmten GmbH als Eigengesellschaft haben die Arbeitneh­ mer jedenfalls keinen Anspruch darauf, dass die Aufsichtsräte der Anteils­ eignerin weisungsfrei und unabhängig sind,2667 auch wenn sich die Mitbe­ stimmung wegen des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung ge­ genüber der Geschäftsführung der mitbestimmten GmbH letztlich als „Farce“ erweisen sollte.2668 Bei kommunal beherrschten gemischtwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform der GmbH, die der Arbeitnehmermitbe­ stimmung unterliegen, besteht zwar eine Verpflichtung der Gesellschafter zu gegenseitiger Rücksichtnahme,2669 durch Gestaltung der Unternehmenssat­ zung kann aber auch hier ein Verstoß gegen Arbeitnehmerinteressen bei einer Lockerung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber einer Gebietskör­ perschaft ausgeschlossen werden. Im Ergebnis stehen damit bei der GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat die Mitbestimmungsregelungen für Arbeitnehmer einer unmittelbaren Infor­ mation auch des Gemeinderats der auf Veranlassung der Kommune entsand­ ten oder gewählten Aufsichtsratsmitglieder nicht entgegen. Da der Aufsichtsrat auch bei der mitbestimmten GmbH kein neben der Ge­ sellschaft bestehendes besonderes Organ, sondern in die hierarchische Verfas­ sung eingebunden ist, besteht nicht nur ein Bedürfnis zu umfassender Infor­ mation der Gesellschafter insgesamt durch deren Vertreter in der Gesellschaf­ terversammlung, sondern auch unmittelbar jedes einzelnen Gesellschafters, damit dieser seine Mitgliedschaftsrechte sachgerecht wahrnehmen kann.2670 (2) Fakultativer Aufsichtsrat Beim fakultativen Aufsichtsrat kommt nach alledem der Regelung im Gesellschaftsvertrag für die Frage entscheidende Bedeutung zu, welche der in § 52 Abs. 1 GmbHG aufgeführten Bestimmungen über den Aufsichtsrat 2666  Altmeppen (Fußn. 2457), 14, Fußn. 56: BGH v. 06.03.1997, II  ZB  4 / 96, BGHZ 135, 48, 56 f. 2667  Altmeppen (Fußn. 2457), 13. 2668  Altmeppen (Fußn. 2457), 13, Fußn. 55: Koppensteiner, in: Rowedder / SchmidtLeithoff (Hg.), Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), 2002, § 37 GmbHG, Rz. 33. 2669  BGH v. 05.06.1975, II ZR 23 / 74, BGHZ 65, 15, 18 f. 2670  BGH v. 06.03.1997, II  ZB  4 / 96, BGHZ 135, 48, 57 f.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner457

der Aktiengesellschaft auf die GmbH angewendet werden sollen.2671 Für Entsenderechte gelten bei der GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat – anders als bei den Gesellschaften mit Arbeitnehmermitbestimmung – nicht die Beschränkungen des § 101 Abs. 2 AktG, so dass auch mehr als ein Drittel der Aufsichtsratssitze von entsandten Mitgliedern besetzt werden können. Durch das Entsenderecht wird zwischen der entsendenden Kommune und der Gesellschaft jedoch kein vertragsähnliches Rechtsverhältnis begründet, sondern es handelt sich um ein Sonderrecht, das auf dem Mitgliedschafts­ recht des Gesellschafters beruht und dessen Ausübung auch dem Treue­ pflichtgebot unterliegt.2672 Auch für den fakultativen Aufsichtsrat stellt sich die Frage, inwieweit ein Informationsfluss unmittelbar zwischen Mitgliedern des Aufsichtsrats und Informationsinteressenten der Kommune zulässig ist. Für Mitglieder eines fakultativen GmbH-Aufsichtsrates hält Bätge eine analoge Anwendung der §§ 394, 395 AktG nicht für nötig, weil bereits die Gesellschafterversamm­ lung über eine umfassende Unterrichtungskompetenz verfügt.2673 Schließlich ist aus der Weisungskompetenz gegenüber der Geschäftsführung sogar das Recht des einzelnen Gesellschafters abzuleiten, über alle Interna der Gesell­ schaft informiert zu werden.2674 Dies bedeutet aber, dass eine Information der Gebietskörperschaft nur über den „Filter“ ihres organschaftlichen Ver­ treters bzw. bestellter weiterer Vertreter in der Gesellschafterversammlung zu erfolgen hätte. Da die Regelungen der §§ 95 bis 116 AktG und des § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und die Verantwortlichkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats nach § 52 GmbHG grundsätzlich auch für die GmbH mit fakultativem Auf­ sichtsrat gelten, soll das Prinzip der Verschwiegenheit von Aufsichtsratsmit­ gliedern2675 nicht disponibel sein. Insbesondere Treder sieht das Verschwie­ genheitsgebot als Grundprinzip des Aufsichtsratsrechts an, das nicht zur Disposition der Gesellschafter gestellt werden dürfe.2676 Dass dieses Prinzip aus staatsrechtlichen Gründen erheblich eingeschränkt sei,2677 ist in der Literatur mit dem Argument verworfen worden, dass die 2671  Bätge

(Fußn. 2613), 466. (Fußn. 379), 222, Fußn. 29. 2673  Bätge (Fußn. 2613), 476, Fußn. 40: Ganzer / Tremml (Fußn. 2577), 144 m. w. N. 2674  Bätge (Fußn. 2613), 477, Fußn. 42: BGH v. 06.03.1997, II  ZB  4 / 96, BGHZ 135, 48 ff. 2675  Altmeppen (Fußn. 2457), 10 m. w. N. in Fußn. 39. 2676  Treder (Fußn. 2391), 148. 2677  Altmeppen (Fußn. 2457), 10, Fußn. 40: VG Regensburg v. 02.02.2005, RN  3 K 04.1408, LKV 2005, 365. 2672  Möller

458 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

„Vertraulichkeit“ von Sitzungen der Aufsichtsräte „zwingend“ sei.2678 Hier­ auf wird im Hinblick auf die Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen noch gesondert einzugehen sein. Die Überwachungskompetenz des fakultativen Aufsichtsrats ist allein auf die Gewährung einer Mindestbefugnis beschränkt, die die Überprüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts einschließt. Soweit in der Satzung keine weiteren Regelungen enthalten sind, begrenzt sich die Aufgabe des fakultativen Aufsichtsrats auf diese Mindestkontrollrechte, mit denen er dann insbesondere nicht zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsfüh­ rung und nicht zur Feststellung der Bilanz befugt ist und ihm auch keine Informationsrechte nach § 90 Abs. 1 und Abs. 2 AktG zustehen, da § 52 Abs. 1 GmbHG weder auf §§ 84 und 172 AktG noch auf § 90 Abs. 1 und Abs. 2 AktG verweist.2679 Auch soweit diesem nur die Mindestkontrollbefugnisse zugestanden wer­ den, darf er als Kontrollorgan aber keinen Drittinteressen ausgesetzt sein, er ist allein dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet. Dies impliziert zugleich die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates, die sich unmittelbar aus der Funk­ tion des Kontrollbegriffs in § 111 AktG auch für die GmbH ergibt.2680 Die Interessen der Gebietskörperschaft werden aber gerade durch deren Vertreter in der Gesellschafterversammlung artikuliert und setzen bei steuerungsrele­ vanten Entscheidungen regelmäßig einen Beschluss des kommunalen Gre­ miums voraus. Dies gilt unabhängig davon, dass selbst bei einer Eigenge­ sellschaft2681 und erst Recht bei einer von der Kommune beherrschten ge­ mischtwirtschaftlichen GmbH außerdem ein Beschluss der Gesellschafter­ versammlung erforderlich ist, um einer steuernden Einflussnahme durch einen Gemeinderatsbeschluss gesellschaftsintern Geltung zu verleihen, da es sich um eine gegenüber der Kommune rechtlich verselbstständigte juristi­ sche Person handelt.2682 Nach zutreffender Auffassung ist es bei der Einmann-GmbH mit fakulta­ tivem Aufsichtsrat Angelegenheit des Gesellschafters, die Verschwiegen­ 2678  Altmeppen (Fußn. 2457), 10, Fußn. 41: So insb. Wilhelm, Öffentlichkeit und Haftung bei Aufsichtsräten in einer kommunalen GmbH, DB 2009, 944, 946: „Es ist offenkundig, dass durch die Nicht-Öffentlichkeit der Aufsichtsratssitzungen ausge­ schlossen werden muss, dass jedes Aufsichtsratsmitglied statt der ausschließlichen Sachberatung sich ständig überlegen muss, wie wohl seine – öffentlich verfolgbare – Meinungsbildung und Entscheidung auf seine politische Gruppe und Wählerklientel wirken wird und welchen Beitrag er um der öffentlichen Wirkung willen liefern sollte.“ 2679  Möller (Fußn. 379), 220. 2680  Schwintowski (Fußn. 2531), 1318. 2681  A. A. Nesselmüller (Fußn. 2156), 59 f., der das Sitzungsprotokoll der Volks­ vertretung der Gebietskörperschaft als ausreichend ansieht. 2682  Mann (Fußn. 358), 211.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner459

heitspflicht aufzuheben. Schließlich könnte sich auch der gesamte Ge­ meinderat zum Aufsichtsrat bestellen. Die GmbH wird hinsichtlich des fakul­ tativen Aufsichtsrats von der Privatautonomie des Gesellschafters ­be­herrscht,2683 der jedenfalls bei der Einmann-GmbH „Herr“ des „Geheim­ nisses“ ist.2684 Dies gilt auch für die kommunal beherrschte gemischtwirt­ schaftliche GmbH, allerdings unter Beachtung des Grundsatzes, dass die Aufsichtsratsmitglieder ebenso wenig wie die Gesellschafter dem Gesell­ schaftszweck widersprechende eigene Interessen gegen die anderer Gesell­ schafter verfolgen dürfen. Gegenstände und Umfang des Verschwiegenheitsgebots können danach durch Satzungsregelung sowohl erweitert als auch eingeschränkt werden.2685 Die äußerste Schranke bildet § 85 GmbHG, der die unbefugte Verletzung der Geheimhaltungspflicht unter Strafe stellt.2686 Allerdings ist es allein Sache der entsandten Aufsichtsratsmitglieder, inwieweit sie eigenverant­ wortlich öffentliche Interessen in die Unternehmensinteressen einbezie­ hen2687 und damit die grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht gegenüber „ihrer“ Gebietskörperschaft aufheben. Deren unmittelbare Berichterstattung wird häufig für die Entscheidungsfindung der kommunalen Beschlussgremi­ en wegen der umfassenden Informationsmöglichkeiten durch die Gesell­ schaftervertreter entbehrlich sein. In solchen Fällen wäre eine von der Ge­ bietskörperschaft angeordnete Berichtspflicht für die Aufsichtsräte unver­ hältnismäßig und damit nicht geboten, so dass eine Berichterstattung unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Verschwiegenheit verweigert werden könnte. (3) Z  wischenergebnis zur Verschwiegenheitspflicht des GmbH-Aufsichtsrats Sieht man eine analoge Anwendung der §§ 394, 395 AktG bei der GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat als sachgerecht an, so gestatten die kommunalrechtlichen Berichtspflichten auch für die mitbestimmte GmbH eine unmittelbare Berichterstattung gegenüber der Gebietskörper­ schaft in dem Umfang und gegenüber dem Kreis der Berichtsadressaten, wie er nach der hier vertretenen Ansicht für die Aktiengesellschaft be­ schrieben worden ist. 2683  Altmeppen 2684  Altmeppen

2566.

2685  Strobel

(Fußn. 2457), 8. (Fußn. 2457), 11, Fußn. 45: so auch schon Altmeppen (Fußn. 2015),

(Fußn.  2388), 213 f. (Fußn. 379), 239 m. w. N. in Fußn. 89. 2687  Schwintowski (Fußn. 2531), 1318. 2686  Möller

460 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Stellt man auch für die Stellung des Aufsichtsrats auf die grundlegenden Unterschiede in den Organisationsstrukturen der Aktiengesellschaft und der GmbH ab, so erlaubt die Disponibilität des GmbH-Rechts den Gesellschaf­ tern darüber hinaus grundsätzlich, in der Unternehmenssatzung die gesell­ schaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten der Mitglieder des Aufsichts­ rats gegenüber „ihrer“ Gebietskörperschaft einzuschränken. Dies gilt für GmbHs mit obligatorischem und mit fakultativem Aufsichtsrat gleicherma­ ßen. Die Entscheidung, welcher der genannten dogmatischen Ansätze für eine Lockerung der Verschwiegenheitspflicht zugunsten einer Kommune als alleiniger Unternehmensträgerin oder als mehrheitlich Beteiligte gewählt wird, kann jedoch dahingestellt bleiben. Einschränkungen der organschaft­ lichen Rechtsstellung des Aufsichtsrates, zu der die Unabhängigkeit bei der Ausübung der Überwachungs- und Kontrollfunktion und als Korrelat hierzu die Verschwiegenheit über vertrauliche Angaben und Geheimnisse des Un­ ternehmens zählen, sind nur zulässig, soweit Gesellschaftsrecht selbst sie eröffnet. Maßstab für jede Lockerung des gesellschaftsrechtlichen Verschwiegen­ heitsgebots ist die Verpflichtung der Gebietskörperschaft zu wirksamer Steuerung und Kontrolle ihrer Unternehmen. In der Abwägung mit dem Prinzip der Publizität staatlichen Handelns werden die Grenzen hierfür durch den Verfassungsgrundsatz2688 der Verhältnismäßigkeit bestimmt. Kommunalrechtlich geforderte Berichte der auf Veranlassung einer Gebiets­ körperschaft in einen Aufsichtsrat entsandten oder gewählten Mitglieder haben sich auf Informationen zu beschränken, die erforderlich, geeignet und im Hinblick auf die grundsätzliche Eigenverantwortlichkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats als Organ eines rechtlich selbstständigen Unternehmens proportional sind.2689 Diese Grenzen gelten auch für Satzungsregelungen, die bei GmbHs die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder von obligatori­ schen oder fakultativen Aufsichtsräten zugunsten der eigenen Gebietskör­ perschaft lockern. 3. Kommunale Konzernstrukturen und Beteiligungsunternehmen Ziel des Konzernrechts ist es in erster Linie, vor dem Hintergrund einer immer intensiveren Verflechtung von Unternehmen die Gefahren für außen­ stehende Gesellschafter und Gläubiger, die mit einer Abhängigkeitslage der Unternehmen verbunden sind, zu minimieren und eine „Verfassung“ für den 2688  BVerfG 2689  So

v. 15.12.1965, 1 BvR 513 / 65, BVerfGE 19, 342, 348 f. auch Schwintowski (Fußn. 2378), 1014.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner461

Konzern als Wirtschaftseinheit zur Verfügung zu stellen.2690 Hierzu eröffnet das Konzernrecht dem herrschenden Unternehmen weitgehende Steuerungsund Einflussmöglichkeiten auf das abhängige bzw. beherrschte Unternehmen mit verbindlichen Weisungen auch gegenüber dem Vorstand einer Aktienge­ sellschaft. Als abhängiges Unternehmen kommt auch die GmbH in Betracht, obwohl die Regelungen nur im Aktienrecht enthalten sind.2691 Allerdings hat die Rechtsprechung für den GmbH-Konzern ein eigenes Modell entwickelt.2692 Die vorangegangene Darstellung hat gezeigt, dass bei der Aktiengesellschaft die Eigenverantwortlichkeit und Weisungsunabhängigkeit des Vor­ standes (§ 76 Abs. 1 AktG) und die in der Hauptversammlung auf Auskünf­ te zu den Tagesordnungspunkten beschränkten Informationsansprüche von Aktionären sowohl bei Eigengesellschaften als auch bei beherrschten ge­ mischtwirtschaftlichen Unternehmen der Trägerkommune die Beschaffung von Informationen erschweren, die sie zur Unternehmenssteuerung und Kontrolle benötigt. Selbst den auf ihre Veranlassung entsandten oder ge­ wählten Mitgliedern des Aufsichtsrates gestatten nur die §§ 394, 395 AktG bei gesetzlich vorgesehenen Berichtspflichten eine Lockerung der gesell­ schaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht nach der hier vertretenen Auf­ fassung auch gegenüber der kommunalen Volksvertretung. Eine auf den öffentlichen Zweck ausgerichtete Unternehmenssatzung mindert zwar, aber beseitigt nicht das Konfliktpotenzial, das sich aus der Herrschaft der Gesell­ schaftsorgane über die erforderlichen Informationen und dem vom Unter­ nehmen definierten Gesellschaftsinteresse in Bezug auf das öffentliche In­ teresse der aufgabenverantwortlichen Trägerkommune ergibt. Eine Identität dieser Interessen wird zudem durch die Vielfalt an Aufgaben verhindert, die Kommunen im Rahmen der allgemeinen Verwaltung als übertragene oder Selbstverwaltungsaufgaben mit wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung auf den Gebieten der Daseinsvorsorge sowie bei einer durch den Wettbewerb mit der Privatwirtschaft geprägten Marktteilnahme erfüllen. Dabei verfolgen sie miteinander nicht selten konkurrierende oder sogar konfligierende Ziele.2693 2690  Gaß

8 ff.

(Fußn. 420), 401; Emmerich / Habersack, Konzernrecht 10. Aufl. 2013,

2691  Gaß (Fußn. 420), 402, Fußn. 266: Paschke (Fußn. 396), 266 m. w. N. – vgl. § 51a Abs. 2 GmbHG: „einem verbundenen Unternehmen“. 2692  Vgl. BGH v. 05.06.1975, II ZR 23 / 74, BGHZ 65, 15; BGH v. 16.09.1985, II  ZR 275 / 84, BGHZ 95, 330; BGH v. 24.10.1988, II ZB 7 / 88, BGHZ 105, 324,; BGH v. 11.11.1991, II ZR 287 / 90, BGHZ 116, 37; BGH v. 29.03.1993, II ZR 265 / 91, NJW 1993, 1200. 2693  Eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, an der neben einer kreisfreien Stadt als Mehrheitsgesellschafterin auch ein Landkreis beteiligt ist, wird im Interes­

462 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Auch für die GmbH besteht eine vergleichbare, wenn auch infolge der Identität des Gesellschaftsinteresses mit dem Gesellschafterinteresse weni­ ger konfliktträchtige Konstellation. Ungeachtet der Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführung und der steuernden Einflussnahme der Gesellschafter­ versammlung muss das Unternehmensinteresse nicht mit den Zielen des Unternehmensträgers bei der Erfüllung der übrigen kommunalen Aufgaben identisch sein. Auch die unabhängige Stellung der Mitglieder des obligato­ rischen wie des fakultativen Aufsichtsrats bei Ausübung der Überwachungsund Kontrollbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung kann zu dieser Divergenz beitragen. Hinzu kommt, dass angesichts des Primats der Gesell­ schafterversammlung für Minderheitsgesellschafter und Gesellschaftsgläubi­ ger ein erhöhtes Risiko dafür besteht, dass steuerungsrelevante Informatio­ nen bevorzugt zu Zwecken genutzt werden, die außerhalb des Gesellschafts­ interesses liegen.2694 Für die Gläubiger einer GmbH erhöhen sich diese Risiken sogar noch bei Eigengesellschaften, weil bei diesen keine Kontrol­ le durch Minderheitsgesellschafter stattfindet.2695 Schließlich bedürfen Wei­ sungen der Trägerkommune an die Geschäftsführung zur Vermeidung von Anfechtungsrechten nach den auf die GmbH entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 243 ff. AktG2696 stets des Umwegs über einen Beschluss der Gesellschafterversammlung. Diesen im allgemeinen Gesellschaftsrecht nicht hinreichend berücksich­ tigten Gefahren soll mit dem Sonderrecht der Konzerne begegnet werden.2697 Zweck des Konzernrechts ist es, Minderheitsaktionäre bzw. -gesellschafter und die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft vor einer Durchsetzung ge­ sellschaftsfremder Interessen des herrschenden Unternehmens zu schüt­ zen.2698 Grundlegendes Kriterium für den Unternehmensbegriff ist deshalb im Konzernrecht, dass sich aus der zusätzlichen wirtschaftlichen Betätigung eines die Gesellschaft beherrschenden Aktionärs / Gesellschafters außerhalb se einer gemeinsamen Wohnungspolitik an Investitionen nicht nur im Stadtgebiet interessiert sein. Besteht daneben eine städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft, deren Gesellschaftszweck die Errichtung von gewerblichen Objekten zur Ansiedlung und Bestandspflege von Unternehmen im Stadtgebiet ist, die dafür aber auch Inter­ esse an der Errichtung von Wohngebäuden für Betriebsinhaber hat, so können die sich teilweise überschneidenden Unternehmensziele durchaus dazu führen, dass die Kommune mit der Förderung der Investitionsentscheidung des einen Unternehmens das andere in seiner wirtschaftlichen Entwicklung benachteiligt. 2694  Mann (Fußn. 378), 242. 2695  Oebbecke (Fußn. 386), 4. 2696  Drescher, in: Henssler / Strohn (Hg.), Gesellschaftsrecht, 2011, § 243 AktG, Rdnr. 2. 2697  Mann (Fußn. 378), 233. 2698  Gaß (Fußn. 420), 402, Fußn. 271: Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1994, 402 ff.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner463

der Gesellschaft ein Interessenkonflikt ergeben kann.2699 Auf die anderwei­ tige wirtschaftliche Betätigung kommt es nicht an,2700 da bei der öffentli­ chen Hand – wie oben dargestellt – wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung auch andere als die Interessen des abhängigen Unterneh­ mens zum Tragen kommen. Dabei ist die bloße Gefahr ausreichend, die sich „aus der latenten graduellen Verschiedenheit der Verhaltensmuster öffentli­ cher Akteure im Vergleich zu privaten Beteiligungsträgern“ für die Beteili­ gungsgesellschaft ergibt.2701 Ein Konzern wird grundsätzlich wie eine wirtschaftliche Unternehmens­ einheit geführt.2702 Er ist durch die einheitliche Leitung definiert.2703 Ein Konzernverbund kann entweder auf vertraglicher Rechtsgrundlage, d.  h. durch Abschluss eines Beherrschungsvertrages, oder aufgrund der tatsächli­ chen Verhältnisse (sog. faktischer Konzern) be- bzw. entstehen. a) Zulässigkeit eines kommunalen Vertragskonzerns Als Mittel der Einflussnahme auf Eigengesellschaften und gemischtwirt­ schaftliche Unternehmen scheint sich der Beherrschungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG geradezu anzubieten, weil sich auf diese Weise erreichen lässt, dass der ansonsten weisungsunabhängige Vorstand einer Aktiengesellschaft hinsichtlich der Leitung des Unternehmens gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG Weisungen unterliegt.2704 Der Abschluss von Beherrschungsvertragen führt aber für Kommunen durch die Einbindung in einen Konzernverbund nicht nur zu Steuerungsvorteilen, sondern angesichts der in § 302 Abs. 1 AktG geregelten Verpflichtung zum Ausgleich von Jahresfehlbeträgen auch zu Nachteilen infolge von Haftungsrisiken.2705 Auch wenn im GmbH-Recht gegenüber der Geschäftsführung Weisungen gestattet sind, erfolgt durch das Vertragskonzernrecht eine vollständige Interessensausrichtung des abhängi­ 2699  Gaß (Fußn. 420), 404, Fußn. 275: Ehlers (Fußn. 633), 141; Paschke (Fußn. 396), 267; a. A. Büchner (Fußn. 1856), 288 und Kraft (Fußn. 2306), 187 ff., dagegen: Emmerich, Die öffentliche Unternehmung im deutschen Konzern- und Wettbewerbs­ recht, Die Aktiengesellschaft; Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, für deut­ sches, europäisches und internationales Unternehmens- und Kapitalmarktrecht 1976, 225, 225 ff. 2700  BGH v. 17.03.1997, II ZB 3 / 96, BGHZ 135, 107, 114 f.; Raiser (Fußn. 2493), 465. 2701  BGH v. 17.03.1997, II ZB 3 / 96, BGHZ 135, 107, 113 f.; vgl. hierzu auch den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff in Kapitel 1 Abschnitt B. II. 1. und 4. 2702  Scheffler (Fußn.  2588), 795 m. w. N. 2703  Oebbecke (Fußn. 386), 5. 2704  Schmidt (Fußn. 1589), 360. 2705  Schmidt (Fußn. 1589), 361.

464 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

gen Unternehmens auf das Konzerninteresse des herrschenden Unterneh­ mens.2706 Diese gewinnt vor allem für Unternehmensgläubiger und Minder­ heitsgesellschafter dort an Bedeutung, wo die Unternehmenssatzung zur Wahrnehmung der kommunalen Aufgabe durch den Gegenstand des Unter­ nehmens nicht oder in nicht ausreichendem Maß auf die Erfüllung des öf­ fentlichen Zwecks ausgerichtet ist.2707 Für kommunale Unternehmen im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft sind darüber hinaus die beihilferecht­ lichen Anforderungen des Unionsrechts zu berücksichtigen.2708 Die unterschiedliche Ausprägung der Vorschriften über die Kommunal­ wirtschaft in den einzelnen Bundesländern erfordert im Hinblick auf die vorgeschriebene Haftungsbegrenzung eine differenzierende Betrachtung der Zulässigkeit von Beherrschungsverträgen zwischen Kommunen und deren Unternehmen. Alle Gemeindeordnungen bzw. Kommunalverfassungen ver­ langen als Kriterium für die Zulässigkeit privatrechtlicher Organisationsfor­ men eine Begrenzung der Haftung auf einen ihrer Leistungsfähigkeit ent­ sprechenden angemessenen bzw. auf einen bestimmten Betrag.2709 Einzelne Autoren halten wegen dieses kommunalrechtlichen Gebots einen kommunal beherrschten Vertragskonzern generell für unzulässig.2710 Dagegen erklärt die wohl überwiegende Meinung die Begrenzung der Haftung „auf einen bestimmten Betrag“ durch teleologische Reduktion für auf das Konzernrecht nicht anwendbar, weil es die Kommune als herr­ schendes Unternehmen infolge ihrer Weisungsbefugnisse im Konzern selbst in der Hand habe, in welchem Umfange sie Haftungsrisiken eingehe und diese deshalb beherrschen könne.2711 Die Haftungsbegrenzungspflicht des Kommunalrechts stehe einer unbegrenzten Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG nicht entgegen,2712 denn es sei gerade Zweck der Regelung, wie bei einem Regie- oder Eigenbetrieb Einfluss auf das selbstständige Unternehmen zu gewinnen, so dass die Haftungsbegrenzung nicht einschlä­ gig sei.2713 2706  Paschke

(Fußn. 396), 273; Mann (Fußn. 378), 236. wird auf die in der Praxis selten anzutreffende ausreichende Zweck­ programmierung der Unternehmenssatzungen und die Darstellung in Kapitel 3 Ab­ schnitt A. II. 2. Bezug genommen. 2708  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt C. II. 2709  Siehe hierzu die Nachweise in Fußn. 2221. 2710  Engellandt (Fußn. 1806), 42; Gundlach / Frenzel / Schmidt, Das kommunale Aufsichtsratsmitglied im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Recht und Gesell­ schaftsrecht, LKV 2001, 246, 248. 2711  Schmidt (Fußn. 1589), 361. 2712  Gaß (Fußn. 420), 409 m. w. N. in Fußn. 299: insbesondere Pfeifer (Fußn. 1973), 138. 2713  Gaß (Fußn. 420), 409 ff. m. w. N. in Fußn. 305. 2707  Hierzu



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner465

In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen finden sich jedoch über die dargestellte Haftungsregelung hinaus Bestimmungen, nach denen sich die Kommune nicht zur Übernahme von Verlusten in unbestimmter bzw. unangemessener Höhe verpflichten darf.2714 Damit sollen bei Verwendung einer privatrechtlichen Rechtsform nicht noch weitere Haftungsrisiken eingegangen werden können, so dass die Kommunen in diesen Bundesländern nicht selbst Partner von Beherr­ schungsverträgen sein können.2715 Als Ausweg hierfür wird die Zwischenschaltung einer Holding zwischen der Kommune und den Unternehmen angeboten, die auch im Rahmen eines steuerlichen Querverbundes durch einen Beherrschungs- und Gewinnabfüh­ rungsvertrag attraktiv sein kann. Unternehmensgegenstand der Holding ist das Halten der Beteiligungen und deren Verwaltung im kaufmännischen und personellen Bereich sowie die Steuerung durch entsprechende Weisungen. Zu diesem Zweck werden von der Holding Beherrschungsverträge mit den dadurch abhängigen Unternehmen geschlossen.2716 Um auf die Holding Einfluss und Kontrolle ausüben zu können, kommt als mögliche Rechtsform die GmbH als Eigengesellschaft oder – noch bes­ ser – das Kommunalunternehmen als öffentlich-rechtliche Anstalt in Be­ tracht. Gaß2717 sieht die Holding zwar kritisch, doch bietet diese noch zu­ sätzliche Synergieeffekte im Personal-, Rechnungs- und Beschaffungswesen, im Marketing, der EDV und dem Konzern-Controlling,2718 so dass sie – auch was die Qualität der Steuerung operativer Tätigkeiten der abhängigen 2714  § 137 Abs. 1 Nr. 4 NKomVG, § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 mit einer Ausnah­ memöglichkeit durch die Aufsichtsbehörde nach Satz 2 GO NRW, § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GemO Rhl-Pf, § 117 Abs. 1 Nr. 6 GO LSA und § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 ThürKO. 2715  So im Ergebnis Mann (Fußn. 378), 240, der aus diesen Gründen sogar die Zwischenschaltung einer Holding-Gesellschaft ablehnt. 2716  Insbesondere bei Stadtwerken mit mehreren querverbundfähigen Sparten (Energie- und Gasversorgung einschließlich eines getrennten Netzbetriebs sowie dem Betrieb von Freizeitbädern und Parkgaragen, die durch Blockheizkraftwerke oder andere technische Einrichtungen verbunden sind und auch eine wirtschaftliche Einheit bilden,) ermöglicht eine Holding-Konstruktion die Gewinn- und Verlustver­ rechnung der einzelnen Spartengesellschaften auf der Ebene der Holding. 2717  Gaß (Fußn. 420), 419, Fußn. 343. 2718  Möller (Fußn. 379), 292 ff. m. w. N. in Fußn. 176 und 177: Das KonzernControlling soll die Konzernleitung bei der strategischen und finanziellen Führung des Konzerns unterstützen und das Agieren der abhängigen Unternehmen nach den Zielvorgaben des Konzerns sicherstellen. Es beruht auf einem hierarchischen Pla­ nungs-, Überwachungs- und Informationssystem und sichert den für den Konzern­ abschluss nach § 294 Abs. 3 HGB erforderlichen Informationsfluss.

466 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Gesellschaften angeht – gegenüber einem Vertragskonzern unmittelbar mit der Gemeinde zu bevorzugen ist. Auch wenn sich durch Holding-Konstruk­ tionen Transparenzverluste und Mediatisierungseffekte ergeben,2719 liegt ein entscheidender Vorteil der Holding-Konstruktion in der einheitlichen Lei­ tung des Konzerns durch einen Fachmann als Vorstand oder Geschäftsführer der Holding an Stelle einer durch den Bürgermeister oder beauftragte Ver­ waltungsbeamte und durch einen ehrenamtlichen Gemeinderat repräsentier­ ten Kommune als Organe eines herrschenden Unternehmens. Bei Leistungs­ beziehungen zwischen der Kommune und einer Holding, die der Kommune „eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ verschafft, können bei Dienstleistungsaufträgen oder Dienstleistungskonzessionen auch an Aktien­ gesellschaften2720 In-house-Vergaben erfolgen, wenn sowohl die Holding als auch deren abhängige Unternehmen im Wesentlichen nur für die Kommune tätig sind. Zur Zulässigkeit von In-house-Vergaben wird im Einzelnen auf die Darstellung in Kapitel 2 verwiesen.2721 Soweit nach Landesrecht ein kommunaler Vertragskonzern durch den Abschluss von Beherrschungsverträgen entweder direkt mit der Kommune oder über eine von dieser steuerungsfähig gestaltete GmbH oder ein Kom­ munalunternehmen als Holding zulässig ist, können darin auch für den Vorstand einer Aktiengesellschaft umfangreiche Berichtspflichten gegenüber dem herrschenden Unternehmen vereinbart werden. Wegen des Verlusts der Autonomie entfällt für den Vorstand der Vertraulichkeitsschutz des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG.2722 Damit erhält eine Gemeinde auch Einblick in die unternehmerischen Vorstandsentscheidungen, der zur Vorbereitung steuern­ der Einflussnahme hilfreich sein kann. Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats wird durch das Kon­ zernrecht nicht berührt.2723 Da sich die Berichtspflichten des Vorstands ge­ genüber dem Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens auch auf alle Belange der konzernverbundenen Unternehmen erstrecken, beziehen sich die damit korrespondierenden Verschwiegenheitspflichten der Aufsichtsrats­ mitglieder des herrschenden Unternehmens auch auf Unternehmensinterna der abhängigen Unternehmen.2724 2719  Mann (Fußn.  378), 240 m.  w.  N. in Fußn.  177, insbesondere Stober (Fußn. 1819), 455, Noack (Fußn. 2500), 383 und Raiser (Fußn. 2493), 478. 2720  Siehe hierzu die Rechtsprechung des EuGH v. 13.10.2005, C-458 / 03, Slg. 2005, I-08585 zu „Parking Brixen“. 2721  Vgl. Kapitel 2 Abschnitt C. III. 2. 2722  Gaß (Fußn. 420), 412, Fußn. 312; auch Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, 57. 2723  Gaß (Fußn. 420), 412, Fußn. 310: Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht 9. Aufl. 2008, 157, 161. 2724  Lutter / Krieger (Fußn.  2722), 119 f.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner467

Strittig dagegen ist, in welchem Umfang die Aufsichtsratsmitglieder ab­ hängiger Unternehmen einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem herr­ schenden Unternehmen unterliegen.2725 Ist das abhängige Unternehmen eine Aktiengesellschaft, die in eine ande­ re Aktiengesellschaft als herrschendes Unternehmen durch einen Beherr­ schungsvertrag eingegliedert ist, so geht die überwiegende Meinung davon aus, dass der Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem Vorstand der Obergesellschaft zu umfassender Berichterstattung verpflichtet ist, soweit dies zur Ausübung der einheitlichen Konzernleitung erforderlich ist.2726 Hiergegen bestehen allerdings Bedenken, da die Weitergabe vertraulicher Informationen auch bei einer abhängigen Aktiengesellschaft in der Zustän­ digkeit des Vorstandes liegt.2727 Die aktienrechtliche Ordnung erkennt auch im Konzern die rechtliche Selbstständigkeit des abhängigen Unternehmens an, weil Konzernrecht nur für den Vorstand des abhängigen Unternehmens Sondervorschriften enthält. Für die Mitglieder des Aufsichtsrats als „Innen­ organ“ des abhängigen Unternehmens kommen für eine Lockerung der Verschwiegenheitspflicht auch im Konzern ausschließlich die §§ 394, 395 AktG in Betracht.2728 Nichts anderes gilt für Mitglieder des Aufsichtsrats einer abhängigen GmbH. Die Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführung der GmbH gegen­ über der Gesellschafterversammlung berührt nicht die Unabhängigkeit und Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder eines Aufsichtsrats in dessen Funk­ tion als Überwachungs- und Kontrollorgan der Geschäftsführung. Umstritten sind allerdings die Voraussetzungen, unter denen das Informa­ tionsprivileg nach §§ 394, 395 AktG für Mitglieder von Aufsichtsräten abhängiger Konzernunternehmen zur Anwendung kommen soll: Ist das abhängige Unternehmen unmittelbar gegenüber der Kommune als herrschendem Unternehmen2729 in den Konzern eingebunden, so wird eine „Veranlassung“ im Sinne von § 394 AktG angenommen, wenn sich die 2725  Nesselmüller (Fußn. 2156), 97 f. und Ehlers (Fußn. 633), 137 ff. halten sogar Weisungsrechte für zulässig. 2726  Möller (Fußn. 379), 283; a. A. jedoch Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 5, der nur ein Berichterstattungsrecht annimmt. 2727  Siehe hierzu die Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 2. a) aa). 2728  Zutreffend Möller (Fußn. 379), 286; a. A. Lutter / Krieger (Fußn. 2722), 120, der eine Lockerung der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsräte gegenüber dem Vorstand der Obergesellschaft entsprechend §§ 394, 395 AktG annimmt. 2729  Dies gilt nur, soweit kommunalrechtlich zulässig, vgl. aber oben Fußn. 2714.

468 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Entsendung oder Wahl der Aufsichtsratsmitglieder ursächlich auf die Ge­ bietskörperschaft zurückführen lässt.2730 Soweit die landesrechtlichen Rege­ lungen einen Beherrschungsvertrag unmittelbar zwischen der Kommune als herrschendem Unternehmen eines Konzerns zulassen, können damit auch die Aufsichtsratsmitglieder einer abhängigen Aktiengesellschaft nach §§ 394 395 AktG die erforderlichen steuerungsrelevanten Informationen für die Kommune liefern. Ist herrschendes Unternehmen allerdings eine Aktiengesellschaft als Holding, so ist deren weisungsunabhängiger Vorstand für die Wahl der Auf­ sichtsratsmitglieder des abhängigen Unternehmens zuständig. Trifft dieser eine eigenständige Entscheidung, so kann von einer „Veranlassung“ nach § 394 AktG durch die Gebietskörperschaft für Aufsichtsräte abhängiger Unternehmen nur dann gesprochen werden, wenn der Vorstand hierfür nach der Satzung der Zustimmung durch den Aufsichtsrat der Holding bedarf und die Zustimmung dieses Aufsichtsrats nachweislich für die Wahl ursächlich im Sinne einer ununterbrochenen Legitimationskette war. Die gleichen An­ forderungen gelten auch, wenn eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH als Holding der Mitbestimmung unterliegt.2731 Inwieweit ein solcher Nachweis angesichts einer geheimen Wahl gelingen kann, erscheint fraglich. Häufig wird erst die gewählte Person Rückschlüsse auf die Veranlassung durch die Kommune zulassen. Als Konzernholding ist die Aktiengesellschaft deshalb zur Unternehmenssteuerung nicht geeignet. Ist eine Aktiengesellschaft abhängiges Tochterunternehmen, so ist ein eigener Beherrschungsvertrag mit dem Enkelunternehmen erforderlich, um die Weisungsunabhängigkeit und Verschwiegenheitspflicht des Vorstandes des Enkelunternehmens als Aktiengesellschaft zu beseitigen. Die Verschwie­ genheitspflicht der Aufsichtsräte von Enkelunternehmen gestattet eine Lo­ ckerung nach §§ 394, 395 AktG gegenüber der Kommune und damit den Zugang zu steuerungsrelevanten Informationen allerdings nur, soweit für deren Wahl durch den Vorstand des Tochterunternehmens noch der Nach­ weis einer „Veranlassung“ durch die Kommune geführt werden kann. Handelt es sich jedoch im Vertragskonzern um eine GmbH als Holding, so unterliegt die für die Wahl der Aufsichtsräte abhängiger Unternehmen zuständige Geschäftsführung den Weisungen der Gesellschafterversamm­ lung, die von der kommunalen Gebietskörperschaft vorgeschlagenen Reprä­ sentanten in den Aufsichtsrat zu wählen, soweit der Kommune nicht bereits durch den Beherrschungsvertrag ein unmittelbares Entsendungsrecht einge­ räumt ist. 2730  Will

(Fußn. 2389), 252. (Fußn.  379), 289 f.

2731  Möller



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner469

Auch soweit ein Kommunalunternehmen als Anstalt des öffentlichen Rechts Konzernholding für abhängige Gesellschaften ist, kann der Kommu­ ne anstelle des für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder dieser Unternehmen zuständigen Vorstands der Anstalt im Beherrschungsvertrag ein Entsen­ dungsrecht der Kommune selbst eingeräumt werden. Ein solches Entsende­ recht kann allerdings auch ohne einen Beherrschungsvertrag im Gesell­ schaftsvertrag der abhängigen GmbH vorgesehen werden.2732 b) Faktischer kommunaler Konzern Zwischen der Kommune und einer abhängigen Gesellschaft kann auch ein faktisches Konzernverhältnis bestehen. Nimmt die Kommune zwar nicht auf vertraglicher Ebene, sondern tatsächlich Einfluss auf die Leitung des abhängigen Unternehmens und veranlasst diese zu Entscheidungen, die für das Unternehmen nachteilig sind, so kann hieraus eine Verlustausgleichs­ pflicht entstehen.2733 Bei Eigengesellschaften und bei Mehrheitsbeteiligungen in Form von Aktiengesellschaften wird Abhängigkeit vermutet, so dass grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass Kommunen mit diesen Gesellschaf­ ten faktische Konzerne bilden.2734 Jedoch besteht nur bei einer dem Gesell­ schaftsinteresse widersprechenden Einflussnahme eine Haftung für hand­ lungsbezogene Risiken, die damit vorhersehbar und kalkulierbar sind, so dass nach der hier vertretenen Auffassung kein Konflikt mit der kommunal­ rechtlichen Haftungsbegrenzung zu erwarten ist.2735 aa) Aktiengesellschaften im faktischen Konzern Bei der Aktiengesellschaft ist eine solche nachteilige Einwirkung des unternehmerischen Großaktionärs in gewisser Weise privilegiert. Wer Scha­ den stiftet, hat normalerweise sofort fälligen Schadensersatz zu leisten. Von 2732  Diese Konstruktion hat die kreisfreie Stadt Amberg für die Aufsichtsräte ihrer (gemischtwirtschaftlichen) Wirtschaftsförderungsgesellschaft Gewerbebau Am­ berg GmbH gewählt, deren Gesellschaftsanteile das Kommunalunternehmen Amber­ ger Congress Marketing (ACM) mehrheitlich hält. Dieses wird in der Gesellschaf­ terversammlung der GmbH durch den Oberbürgermeister (als Vertreter des Vorstands der ACM) mit Zustimmung des Verwaltungsrats vertreten, um eine enge Anbindung des Enkelunternehmens an die Kommune zu gewährleisten. 2733  Möller (Fußn. 379), 269. 2734  Gaß (Fußn. 420), 415, Fußn. 324: Ehlers (Fußn. 633), 143. 2735  Gaß (Fußn. 420), 416, Fußn. 327: Noack (Fußn. 2500), 383; Paschke (Fußn. 396), 279.

470 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

diesem Grundsatz weicht § 311 Abs. 2 Satz 1 AktG ab und lässt eine Nach­ teilszufügung zu, wenn diese später kompensiert wird. Allerdings hat der BGH2736 inzwischen klargestellt, dass bereits ein Hauptversammlungsbeschluss einer abhängigen Aktiengesellschaft, der ei­ nem mit Stimmenmehrheit des herrschenden Unternehmens herbeigeführten nachteiligen Geschäft zustimmt, den Nachteilsausgleich der Höhe nach be­ ziffern muss, um ein Anfechtungsrecht für Minderheitsaktionäre nach § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG zu vermeiden.2737 Geschieht dies nicht, kommt es zur Schadensersatzhaftung (§ 317 AktG), die auch von den Gläubigem der beherrschten Gesellschaft geltend gemacht werden kann.2738 Da ein „Nachteil“ i. S. d. § 311 AktG jedoch einen Sorgfaltsverstoß vor­ aussetzt, kann eine dem Gesellschaftszweck entsprechende Maßnahme keine Nachteilszufügung sein. Ist damit in der Satzung der abhängigen Gesell­ schaft der Gesellschaftszweck auf die Verfolgung öffentlicher Interessen ausgerichtet, dann sind die von der Gebietskörperschaft als herrschendem Unternehmen im Sinne öffentlicher Interessenswahrung veranlassten Maß­ nahmen gesellschaftszweckkonform und damit nicht „nachteilig“ im Sinn von § 311 AktG.2739 Allerdings bestehen beim faktischen Konzern mit einer Aktiengesellschaft mangels Verweisung auf § 308 AktG keine verbindlichen Weisungsrechte gegenüber der Unternehmensleitung der abhängigen Gesellschaft.2740 Strittig ist, ob der Vorstand unter Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht auch eine Berichtspflicht über Unternehmensinterna gegenüber der herrschenden Kommune besitzt. Infolge der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft besteht nach überwiegender Ansicht im faktischen Kon­ zern zwar keine rechtliche Verpflichtung zur Informationserteilung an das herrschende Unternehmen.2741 Wohl aber wird aufgrund entsprechender Veranlassung durch das herrschende Unternehmen dem Vorstand das Recht eingeräumt, Unternehmensinterna mitzuteilen, wenn dadurch entstehende Nachteile nach § 311 Abs. 2 AktG ausgeglichen werden.2742 Dies gilt nach überwiegender Meinung in der Literatur jedoch nur für solche Interna, die 2736  BGH

v. 26.06.2012, II ZR 30 / 11, ZIP 2012, 1753. Die Entwicklung des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts in Deutschland im Jahre 2012, NJW 2013, 1204, 1209; so auch die inzwischen h. M. 2738  Noack (Fußn. 2500), 383. 2739  Mann (Fußn. 378), 241 m. w. N. in Fußn. 182: Habersack (Fußn. 517), 557; Raiser (Fußn. 2493), 472. 2740  Gaß (Fußn. 420), 416 m. w. N. in Fußn. 332. 2741  Decher (Fußn. 2468), 475 m. w. N. in Fußn. 23. 2742  Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 5. 2737  Hirte,



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner471

für den Konzernabschluss und den Lagebericht nach § 294 Abs. 3 HGB erforderlich sind.2743 In Konzernangelegenheiten besteht für außenstehende Aktionäre – abgese­ hen von Auskünften im Zusammenhang mit der Rechnungslegung nach § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG – auch im faktischen Konzern kein Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 4 AktG, denn soweit es um die Ausübung einer einheitlichen Konzernleitung geht, ist kein Anlass für eine Gleichbehandlung zwischen dem herrschenden Unternehmen und einem außenstehenden Aktionär erkenn­ bar.2744 Das Konzernrecht stellt insoweit ein in sich geschlossenes, wenn auch nicht abschließendes System dar, in das sich die allgemeinen gesell­ schaftsrechtlichen Regeln nur unter Modifikationen einpassen lassen.2745 bb) Faktischer GmbH-Konzern Bei der GmbH ist wegen deren Wesensunterschiede zur Aktiengesellschaft die privilegierende Vorschrift des § 311 AktG nicht anwendbar.2746 Stattdes­ sen leitet der BGH infolge des Fehlens gesetzlicher Regeln aus der Treue­ pflicht gegenüber der Gesellschaft ein umfassendes Schädigungsverbot ab, dessen Verletzung den Mehrheitsgesellschafter analog § 43 GmbHG scha­ densersatzpflichtig macht.2747 Die in der früheren Rechtsprechung2748 vorgenommene Differenzierung zwischen einfachem faktischen Konzern und qualifiziert faktischem Kon­ zern ist mit dem Urteil des BGH zum Bremer Vulkan obsolet geworden, mit dem dieser das gesamte Rechtsinstitut des qualifiziert faktischen Kon­ zerns aufgegeben hat.2749 Damit kommt es beim faktischen Konzern für Sanktionen auf nachteilige Einzelmaßnahmen nach den Grundsätzen der 2743  Lutter

(Fußn. 2572), 51. (Fußn. 2468), 481 ff. m. w. N. zum Meinungsstand in Fußn. 26 und

2744  Decher

27.

2745  Wiedemann,

Die Unternehmensgruppe im Privatrecht 1988, 9. (Fußn. 386), 3; Noack (Fußn. 2500), 383. 2747  Mann (Fußn. 378), 242. 2748  BGH v. 16.09.1985, II  ZR 275 / 84, BGHZ 95, 330, 345 ff. 2749  BGH v. 17.09.2001, II ZR 178 / 99, BGHZ 149, 10, 16: § 309 Abs. 1 und Abs. 2 AktG finden keine Anwendung, weil der Schutz der abhängigen GmbH nicht dem Haftungssystem des Konzernrechts des Aktiengesetzes (§ 291 ff. AktG) folgt, sondern sich auf die Erhaltung des Stammkapitals nach §§ 30 f. GmbHG und die Gewährleistung des Bestandsschutzes der Gesellschaft beschränkt. Seit der „Trihotel“-Entscheidung des BGH v. 16.07.2007, II ZR 3 / 04, BGHZ 173, 246, 247, gründet sich die Haftung auf die Generalklausel des § 826 BGB, die gegenüber Erstattungsansprüchen nach §§ 31, 30 GmbHG nicht subsidiär ist. Soweit sie sich damit überschneidet, besteht Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. 2746  Oebbecke

472 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

allgemeinen Existenzvernichtungshaftung an.2750 Daran fehlt es auch bei der GmbH, wenn die Maßnahmen der Verfolgung der satzungsmäßigen Unter­ nehmensziele dienen.2751 Deshalb sind bei entsprechender Ausrichtung des Gesellschaftsvertrags einer abhängigen gemischtwirtschaftlichen GmbH auf den damit verfolgten öffentlichen Zweck nachteilige Beschlüsse des herr­ schenden Unternehmens keine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot der Gesell­ schafter untereinander. Während für die Geschäftsführung abhängiger Unternehmen zweifelsfrei Auskunfts- und Berichtspflichten gegenüber herrschenden Unternehmen bestehen, ist heftig umstritten, ob im faktischen Konzernverbund eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht für Aufsichtsratsmitglieder abhängiger Unternehmen nach §§ 394, 395 AktG zulässig ist. Von Teilen der Literatur wird diese auch beim faktischen GmbH-Konzern nur für In­ formationen über den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht nach §§ 171, 170 AktG zugelassen.2752 Die wohl herrschende Meinung hält sie dagegen im Interesse der ordnungsmäßigen Erfüllung einer einheitlichen Konzernleitungsmacht für erforderlich.2753 Für den faktischen Konzern kann aber eine Lockerung der Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsräten ge­ genüber dem herrschenden Unternehmen nicht weiter gehen als beim Ver­ tragskonzern, so dass für die Aufrechterhaltung der Verschwiegenheitspflicht nichts anderes gelten kann.2754 Eine faktische Konzernstruktur spielt damit bei der GmbH für die Gewin­ nung steuerungsrelevanter Informationen für die Kommune keine entschei­ dende Rolle. Wenn bereits der Gesellschaftsvertrag die Ausrichtung des abhängigen Unternehmens auf die Erfüllung des öffentlichen Zwecks ein­ deutig bestimmt, entstehen aus nachteiligen Geschäften für Minderheitsge­ sellschafter oder Gläubiger weder Anfechtungsrechte entsprechend § 243 Abs. 2 AktG noch Schadensersatzansprüche analog § 43 GmbHG. c) Kommunale Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen Gemischt-öffentliche Gesellschaften, an denen ausschließlich oder mehr­ heitlich die öffentliche Hand beteiligt ist und bei denen keiner dieser Ge­ 2750  Bicker, Offene Fragen der Existenzvernichtungshaftung im Konzern, DZWIR 2007, 284, 288. 2751  Oebbecke (Fußn. 386), 4; Noack (Fußn. 2500), 384. 2752  Möller (Fußn. 379), 284. 2753  Möller (Fußn.  379), 283 f.; Duden, Gleichbehandlung bei Auskünften an Ak­ tionäre, Festschrift für Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, 499, 506. 2754  Möller (Fußn. 379), 286 und Fußn. 153.



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner473

sellschafter oder Aktionäre eine beherrschende Stellung einnimmt, wie etwa bei interkommunaler Zusammenarbeit mehrerer Gebietskörperschaften im Standortmarketing oder Tourismus, zur Industrie- und Gewerbeansiedlung oder im Veranstaltungswesen, aber auch mit Unternehmen, an denen Kom­ munen neben staatlichen Stellen Minderheitsbeteiligungen halten, wie etwa bei Messe- oder Flughafen- / Flugplatzbetriebsgesellschaften üblich, nehmen für ihre Träger gemeinsam eine öffentliche Aufgabe wahr. Für die Steuerung dieser Unternehmen gelten die Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts entsprechend, wenn die Kommunen zusammen mindestens mehrheitlich unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind.2755 Die Beschaffung der dafür er­ forderlichen Informationen kann sich jedoch als schwierig erweisen, wenn nicht jede der beteiligten Körperschaften in allen Organen des Unterneh­ mens vertreten sein kann. Auch bei Minderheitsbeteiligungen von Kommunen an Unternehmen der Privatwirtschaft ist es der einzelnen Gebietskörperschaft nicht in allen Fäl­ len möglich, auf eine Steuerung und Kontrolle des Unternehmens effektiv einzuwirken, dass der öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt wird. Die Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungen sehen für solche Minderheitsbeteiligungen unterschiedliche Regelungen vor: Die Gemeinde hat in Bayern bei Minderheitsbeteiligungen darauf hinzuwirken, dass der öffentliche Zweck unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfüllt wird,2756 in Baden-Württemberg und RheinlandPfalz, dass Zuschüsse der Gemeinde zum Ausgleich von Verlusten so gering wie möglich gehalten werden.2757 In Brandenburg ist bei Minderheitsbetei­ ligungen, aber auch bei Mehrheitsbeteiligungen, bei denen ein bestimmen­ der Einfluss nicht geltend gemacht werden kann, darauf hinzuwirken, dass der öffentliche Zweck durch das Unternehmen erfüllt und der Gemeinde ein ihrer Beteiligung nach angemessener Einfluss in den satzungsmäßigen Auf­ sichtsgremien eingeräumt wird.2758 In Mecklenburg-Vorpommern soll die Gemeinde darauf hinwirken, dass in der Unternehmenssatzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag ein Teilnahmerecht des Bürgermeisters an den Sitzun­ gen des Aufsichtsrats oder eines ähnlichen Organs verankert wird.2759 In 2755  Vgl. § 105 a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 GemO BW, Art. 94 Abs. 2 Satz 2 BayGO, § 96 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 1 Satz 2 BbgKVerf, §§ 122 Abs. 5 und 123 Abs. 2 HGO, § 69 Abs. 2 KV M-V, § 137 Abs. 2 NKomVG, §§ 108 Abs. 6 und 113 Abs. 3 GO NRW, § 91 GemO Rhl-Pf, § 112 Saarl.KSVG, § 96 Abs. 1 und Abs. 2 SächsGemO, § 117 Abs. 2 GO LSA, § 102 Abs. 3 und Abs. 5 GO SH und § 75 Abs. 4 ThürKO. 2756  Art. 95 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BayGO. 2757  § 103 Abs. 3 Hs. 2 GemO BW; § 87 Abs. 4 Hs. 2 GemO Rhl-Pf. 2758  § 96 Abs. 3 Satz 1 BbgKVerf. 2759  § 73 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KV M-V.

474 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Niedersachsen und mit vergleichbarer Regelung auch in Nordrhein-Westfa­ len ist nur geregelt, dass die Kommune unabhängig von der Höhe einer Beteiligung verpflichtet ist, bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags einer Kapitalgesellschaft darauf hinzuwirken, dass ihr das Recht eingeräumt wird, Mitglieder in einen Aufsichtsrat zu entsenden.2760 Im Saarland, in Sachsen und Sachsen-Anhalt soll die Gemeinde darauf hinwirken, dass in den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung des Unternehmens Regelungen wie bei einer Mehrheitsbeteiligung aufgenommen werden.2761 Ein nach der Höhe der Beteiligung angemessener Einfluss in den Organen der Unterneh­ men wird in Hessen, Schleswig-Holstein und Thüringen ohne Differenzie­ rung zwischen Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen gefordert.2762 Die Verpflichtung, auf möglichst weit reichenden Einfluss hinzuwirken und den Entscheidungsgremien der beteiligten Gesellschafter bzw. Aktionä­ re ausreichende Informationen zur Mitwirkung an der Unternehmenssteue­ rung und Kontrolle einzuräumen kann durch entsprechende Absprachen zwischen den beteiligten Trägern umgesetzt werden. aa) Freiwillige gesellschaftsvertragliche Regelungen Steht dem Gesellschafter einer GmbH nach seiner Beteiligungsquote an dem Unternehmen kein Sitz im Aufsichtsrat zu, sind für die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern ausdrückliche oder konkludente Wahlabsprachen mit anderen Gesellschaftern möglich.2763 Auch die Vertreter der Kommunen in der Gesellschafterversammlung können unabhängig von den organisatorischen Normen des Gesellschafts­ rechts gesteigerte Einwirkungsrechte in Nebenverträgen schuldrechtlich, et­ wa für die Bestellung von Geschäftsführern, vereinbaren. Bei Aktiengesellschaften und GmbHs mit obligatorischem Aufsichtsrat allerdings steht die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats der Durchsetzbarkeit solcher Absprachen bei der Bestellung der Vorstandsmitglieder entgegen. Entsenderechte für Kommunen können aber im Rahmen der §§ 95, 101 AktG durch Satzung festgelegt und durch Absprachen für die Wahl durch die Hauptversammlung gesichert werden. Inwieweit auch durch einen Konzessionsvertrag beispielsweise Tariferhö­ hungen im Energie- oder Nahverkehrsbereich an die Zustimmung einer 2760  § 138

Abs. 3 Satz 1 NKomVG; § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GO NRW. Abs. 3 KSVG; § 97 Abs. 3 SächsGemO; § 117 Abs. 2 Satz 2 GO LSA. 2762  § 122 Abs. 1 HGO, § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO SH; § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ThürKO. 2763  Möller (Fußn. 379), 288. 2761  § 111



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner475

Gemeinde gebunden werden können, ist strittig. Konzessionsverträge im Energiebereich (§ 46 EnWG) unterliegen nicht dem Vergaberecht, sondern stellen Abreden rein wegerechtlicher Art dar, die in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben sind.2764 Sie begründen mit dem Recht zur Wegenutzung innerhalb einer Gemeinde jedoch nicht das Recht, auch auf die innere Struktur des konzessionierten Unternehmens einzuwirken.2765 Da Energieversorgungsunternehmen zwingend auf Wege­ nutzungsrechte angewiesen sind, liegt in einer Einflussnahme auf die Unter­ nehmensstruktur jedenfalls in den Fällen ein Missbrauch staatlicher Macht­ befugnisse2766 vor, in denen eine Kommune auf anderem Wege diesen Einfluss nicht erreichen könnte. Dies dürfte regelmäßig für kommunale Minderheitsbeteiligungen an privaten Versorgungsunternehmen zutreffen. Gegenüber Aktiengesellschaften käme eine solche Einwirkung auf die Un­ ternehmensleitung deshalb nur nach Konzernrecht über einen Beherr­ schungsvertrag in Betracht.2767 Aber auch bei GmbHs bestehen Bedenken. Qualifiziert man einen Konzessionsvertrag als öffentlich-rechtlichen Vertrag, so kann eine solche Regelung gegen das Verbot sachwidriger Koppelung als Ausfluss des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen.2768 Nimmt man mit der inzwischen herrschenden Meinung eine privatrechtliche Rechtsnatur von Konzessionsverträgen2769 an, so kann sich die Kommune auch hierbei nicht auf Privatautonomie berufen, sondern unterliegt den öf­ fentlich-rechtlichen Bindungen.2770 Konzessionsvertragliche Regelungen gestatten einer Kommune damit nicht, ein konzessioniertes Unternehmen infolge gesellschaftsrechtlich unzureichender Einflussnahme einer adminis­ trativen Kontrolle zu unterwerfen und sich dadurch betriebsrechtliche Kom­ petenzen zu verschaffen.2771

2764  Vgl. hierzu die Entscheidung des Bundeskartellamts gegen die Stadt Mett­ mann (Fußn. 1700). 2765  Schäfer (Fußn. 2662), 118. 2766  Kraft (Fußn.  2306), 224 f. 2767  So auch Gaß (Fußn. 420), 422. 2768  Büchner (Fußn. 1856), 223; vgl. aber BGH v. 24.09.1987, III ZR 91 / 86, NWVBl 1988, 213, 214 f. (Löschwasser), der trotz Minderheitsbeteiligung der Kom­ mune von nur 23% infolge eines Konzessionsvertrages eine faktische Einwirkung und damit die Bindung der Gesellschaft gegenüber den Bürgern an öffentliches Recht annimmt. 2769  BVerwG v. 29.03.1968, IV C 100.65, BVerwGE 29, 248, 251 f.; Büchner (Fußn. 1856), 222; Schäfer (Fußn. 2662), 118 m. w. N. in Fußn. 447 und 432. 2770  So auch Kraft (Fußn. 2306), 225; vgl. im Übrigen zu den Sach- und Dienst­ leistungskonzessionen die Darstellung in Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3. b) bb) (3). 2771  Gaß (Fußn. 420), 422 m. w. N. in Fußn. 356.

476 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

bb) Nutzung von Minderheitsbeteiligungen als Kapitalanlage Gelingt es einer Kommune nicht, bei Minderheitsbeteiligungen an ge­ mischtwirtschaftlichen Gesellschaften erfolgreich auf die Gewinnung steue­ rungsrelevanter Informationen zur Erfüllung des mit der Beteiligung ver­ folgten öffentlichen Zwecks hinzuwirken, wird jedoch augenfällig, dass die Gesellschaften nicht mehr innerhalb, sondern bereits außerhalb des Einwir­ kungsbereichs des öffentlichen Gesellschafters stehen.2772 In diesen Fällen kann sich die Beteiligung bei entsprechender Ertragskraft zur Kapitalanlage als wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu einer ansonsten gebotenen Veräußerung der Anteile eignen. Damit aber verlässt die Kommu­ ne den Bereich unmittelbarer Aufgabenerfüllung und zieht sich auf die Rolle reiner Vermögensverwaltung zurück. Hierzu wird auf die Regelungen in Thü­ ringen (§ 66 Abs. 2 und Abs. 3 ThürKO) und Brandenburg (§ 91 Abs. 7 Bbg­ KVerf) sowie die Ausführungen hierzu in Kapitel 3 verwiesen.2773 4. Zusammenfassung zur Beschaffung steuerungsrelevanter Unternehmensinformationen Für Kommunen besitzt die Beschaffung von Informationen, die bei den Organen ihrer Unternehmen und Beteiligungen vorhanden sind, in zweifa­ cher Hinsicht Bedeutung: Zum einen, von welchen Unternehmensorganen sie Informationen erhalten können, insbesondere soweit sie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betreffen oder vertraulicher Natur sind, und zum an­ deren, welche Adressaten und zu welchen Zwecken diese die Informationen verwenden und an Dritte weitergeben dürfen. Bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit können die Organe der Kommune auf alle Informationen uneingeschränkt zugreifen, die bei den Werkleitungen von Eigenbetrieben und vergleichbar organisierten Regiebetrieben vorhanden sind. Gegenüber Dritten gelten für Unternehmensinterna und Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse die dienst­ rechtlichen bzw. kommunalrechtlichen Grundsätze zur Verschwiegenheit für Unternehmensorgane wie für die kommunalen Verwaltungsorgane gleicher­ maßen. Bereits bei rechtlich selbstständigen Anstalten des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) ist die Herrschaft auch über steuerungsrelevante Informationen von der Trägerkommune auf die Unternehmensorgane verla­ gert. Die gesetzliche Befreiung von Verschwiegenheitspflichten gegenüber 2772  Mann 2773  Vgl.

(Fußn. 378), 246. Kapitel 3 Abschnitt B. II. 2. c).



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner477

dem Unternehmensträger erlaubt jedoch nach den landesrechtlichen Vor­ schriften und durch Gestaltung der Unternehmenssatzung umfassenden Zu­ griff auf alle Informationen unter Beachtung der für die Adressaten gelten­ den eigenen Verschwiegenheitspflichten. Dritten und insbesondere den Bürgern als dem örtlichen Souverän gegenüber haben sowohl die Unterneh­ mensorgane als auch die Organe der Kommune den Schutz von Unterneh­ mensinteressen mit dem für die Beratung in den kommunalen Gremien geltenden Grundsatz der Öffentlichkeit abzuwägen. Nichtöffentlichkeit ist damit auch in Bezug auf Unternehmensinformationen rechtfertigungsbedürf­ tig und muss objektiv erforderlich, geeignet und angemessen sein. Bei privatrechtlich organisierten Unternehmen tragen neben der rechtli­ chen Verselbstständigung auch die Regeln des Gesellschaftsrechts zu Defi­ ziten bei der Beschaffung von unternehmensintern verfügbaren Informatio­ nen durch die Anteilseigner oder Gesellschafter bei. Dies gilt in unter­ schiedlichem Ausmaß und jeweils abhängig von der Rechtsform sowohl für Eigengesellschaften und Mehrheitsbeteiligungen als auch für Minderheitsbe­ teiligungen an gemischt-öffentlichen Gesellschaften oder Unternehmen der Privatwirtschaft. Für Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft bestimmt zwingendes Gesellschaftsrecht den weisungsunabhängigen Vorstand als „Außenorgan“ zum Herrn über die Unternehmensgeheimnisse und begrenzt den Zugriff der Aktionäre weitgehend auf Informationen zu Tagesordnungs­ punkten der Hauptversammlung, für deren Ergebnisse allerdings uneinge­ schränkte Berichtspflichten der Aktionärsvertreter gegenüber den Gremien der kommunalen Anteilseigner gelten. Lediglich die gesellschaftsrechtlichen Sonderregeln des Konzernrechts gestatten durch einen Beherrschungsvertrag, soweit dieser nach Landesrecht von der Kommune als herrschendem Unternehmen direkt geschlossen wer­ den kann, mit der Übernahme der Leitungsmacht den Zugriff auf alle beim Vorstand des dadurch abhängigen Unternehmens vorhandenen Informatio­ nen. Bei einem nur faktischen Konzern reichen die den Aktionären zuste­ henden Informationen für eine Unternehmenssteuerung dagegen nicht aus. Die §§ 394, 395 AktG sehen für die auf Veranlassung einer Gebietskör­ perschaft entsandten oder gewählten Aufsichtsratsmitglieder eine Lockerung ihrer im Unternehmensinteresse bestehenden Verschwiegenheitspflicht nur bei nach anderen Rechtsvorschriften gegenüber einem bestimmten Adressa­ tenkreis bestehenden Berichtspflichten vor. Zu den zulässigen Berichts­ adressaten zählt nach der hier näher begründeten Auffassung auch der Ge­ meinderat oder einer seiner Ausschüsse als örtliche Volksvertretung. Auch Minderheitsaktionäre gemischt-öffentlicher Aktiengesellschaften können durch Absprachen über die Wahl oder Entsendung von Personen in

478 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

den Aufsichtsrat Zugang zu Informationen erhalten, der ihnen sonst ver­ wehrt wäre. Inhaltlich unterliegen die Berichte der Aufsichtsratsmitglieder jedoch ei­ ner Zweckbindung. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie vertraulicher Angaben der Gesellschaft im Unternehmensinteresse ist mit dem zur Unternehmenssteuerung für die Kommune geeigneten, erfor­ derlichen und angemessenen Informationsbedarf abzuwägen. Dritten gegen­ über haben die Berichtsadressaten die für sie selbst geltenden Verschwie­ genheitspflichten insbesondere durch Beratung in nichtöffentlicher Sitzung zu beachten. Die Informationen kommunaler Minderheitsaktionäre gemischt-wirtschaft­ licher Unternehmen der Privatwirtschaft werden sich in der Regel auf Aus­ künfte in der Hauptversammlung beschränken, wenn ihnen keine „eigenen“ Aufsichtsräte zustehen. Die Mehrheit der an wirtschaftlicher Effizienz inte­ ressierten privaten Aktionäre wird eine effektive Ausrichtung des Unterneh­ mens auf den öffentlichen Zweck nicht gestatten. Soweit solche Beteiligun­ gen landesrechtlich überhaupt zulässig sind, bleiben der Kommune als Alter­ native die Veräußerung der Unternehmensanteile oder bei ertragsstarken Be­ teiligungen die Zuführung der Dividenden zum Kommunalhaushalt als reine Vermögensanlage unter Verzicht auf die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Unternehmen in der Rechtsform der GmbH unterscheiden sich von der Aktiengesellschaft grundlegend durch ein hohes Maß an gesellschaftsver­ traglicher Gestaltungsfreiheit und dadurch, dass die weisungsabhängige Geschäftsführung kein Gesellschaftsinteresse gegenüber den Interessen der Gesellschafter als den Herren der GmbH zu bewahren hat, sondern vielmehr zu deren umfassender Information verpflichtet ist. Auch den Vertretern der Kommune in der Gesellschafterversammlung obliegt die umfassende Unter­ richtung der kommunalen Beschlussgremien über alle für die GmbH bedeu­ tenden Angelegenheiten. Beschränkungen für eine Weitergabe von Informationen gelten allerdings auch bei der GmbH für die auf Veranlassung der Kommune entsandten oder gewählten Aufsichtsratsmitglieder, und zwar gleichermaßen für obligatori­ sche und fakultative Aufsichtsräte. Die Unabhängigkeit der Aufsichtsräte von den Gesellschafterinteressen in Bezug auf ihre Überwachungs- und Kontrollbefugnisse setzt hierbei einer Berichterstattung Grenzen, die eine Lockerung der Verschwiegenheitspflichten auch durch Gesellschaftsvertrag nur im Rahmen der entsprechend anwendbaren §§ 394, 395 AktG gestatten. Wie bei der Aktiengesellschaft haben sich auch bei der GmbH Berichte auf Informationen zu beschränken, die zur Unternehmenssteuerung geeignet, erforderlich und zur Prüfung und Kontrolle durch die kommunalen Gremien angemessen sind. Soweit der Gesellschaftsvertrag der GmbH auf den öffent­



A. Informationszugang für Unternehmensträger und Anteilseigner479

lichen Zweck ausgerichtet ist, haben deren Organe auch bei gemischtwirt­ schaftlichen GmbHs die Interessen der Kommune an der Wahrnehmung ihrer spezifischen Aufgaben mit zu berücksichtigen. Durch das Vertragskon­ zernrecht kann auch bei der GmbH der Gefahr begegnet werden, dass au­ ßerhalb des Gesellschaftszwecks liegende Interessen eines Mehrheitsgesell­ schafters die wirtschaftlichen Belange von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern des Unternehmens beeinträchtigen. Soweit Landesrecht nicht gestattet, dass Kommunen unmittelbar als herrschende Unternehmen Ein­ fluss auf abhängige Gesellschaften ausüben, bietet die Zwischenschaltung einer Holding-GmbH als Eigengesellschaft oder eines Kommunalunterneh­ mens einen Ausweg. Dagegen ist eine Aktiengesellschaft als Konzernhol­ ding schon wegen der Weisungsunabhängigkeit des Vorstands ungeeignet. Faktische Konzernstrukturen dagegen spielen bei GmbHs zur Informa­ tionsgewinnung für die Kommune als herrschendes Unternehmen angesichts der ohnehin bestehenden umfassenden Informationsrechte der Gesellschafter keine entscheidende Rolle. Vor Haftungs- und Anfechtungsansprüchen aus Eingriffen des kommunalen Mehrheitsgesellschafters in Rechte von Minder­ heitsgesellschaftern oder Gläubigern schützt auch im faktischen Konzern eine Ausrichtung des Gesellschaftsvertrags auf den öffentlichen Unterneh­ menszweck. Bei Minderheitsbeteiligungen an gemischtwirtschaftlichen Unternehmen des Energiesektors oder der Telekommunikation gestatten Konzessionsver­ träge zur Wegenutzung infolge des Verbots sachwidriger Koppelung und der Gesetzesbindung der Kommune auch bei Aufgabenwahrnehmung in privat­ rechtlichen Handlungsformen keine weitergehende Informationsbeschaffung von den Unternehmensorganen als diese auch gesellschaftsrechtlich zulässig wäre. Vergleichbare Hindernisse für den Zugang zu den bei den Verkehrs­ unternehmen vorhandenen Informationen bestehen auch für die Aufgaben­ träger im öffentlichen Nahverkehr bei der Vergabe von Dienstleistungskon­ zessionen im Linienverkehr.2774 Für die Beschaffung von Informationen über rechtlich selbstständige ei­ gene Unternehmen oder Beteiligungen der Kommune ist somit die Rechts­ form des Unternehmens entscheidend. Wie in Kapitel 3 zur Unternehmens­ gründung und Eingehung von Beteiligungen dargestellt, ist zur Erfüllung oder Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge für ihre Bürger diejenige Organisations- und Handlungsform zu wählen, die sich zur eigenverantwortlichen Steuerung und Kontrolle in kommunaler Selbstver­ waltung gegenüber dem Souverän am besten eignet. 2774  Vgl. hierzu die Sektorenregelung für Vergaben im allgemeinen ÖPNV unter Kapitel 2 Abschnitt C. IV. 3.

480 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Nichts anderes gilt für die Gewinnung und Verwertung von Informationen als Voraussetzung für die Steuerung und Kontrolle kommunaler Unterneh­ men und Beteiligungen. Gestattet schon die Organisationsstruktur eines Unternehmens der Kommune den Zugang zu den dafür erforderlichen Infor­ mationen nicht, darf sie nicht etwa auf den Einsatz von Steuerungsinstru­ menten verzichten, sondern hat eine geeignete andere Organisationsform zu wählen. Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass ausreichende Informationen unabdingbare Voraussetzung für die Gewährleistung von Publizität durch Unternehmenssteuerung sind. Die dafür in Betracht kom­ menden Steuerungsinstrumente der Kommunen und ihre Grundlagen sind deshalb im folgenden Abschnitt zu untersuchen.

B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune I. Legitimation der Unternehmensorgane „Demokratische Legitimation ist nach dem Grundgesetz und der Landes­ verfassung geboten, wenn ‚Staatsgewalt‘ ausgeübt wird. Damit wird nicht nur die Wahrnehmung echter Hoheitsbefugnisse, sondern vielmehr der Ge­ samtbereich öffentlicher Verwaltung des Staates, der Gemeinden und der Gemeindeverbände einschließlich der von ihnen getragenen Einrichtungen des öffentlichen Rechts erfasst. Es soll keine vom Volk nicht legitimierten (und kontrollierten) Bereiche verwaltender Tätigkeit geben, unabhängig davon, ob es sich um obrigkeitliche Hoheitsverwaltung, schlichte Hoheits­ verwaltung oder verwaltungsprivatrechtliche Tätigkeit handelt.“2775 Kommunale Unternehmen müssen daher grundsätzlich der Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollverantwortung eines aus Wahlen hervorgegangenen repräsentativ-demokratischen Organs unterworfen sein.2776 Auslagerung und Organisationsprivatisierung dürfen die Gesamtverantwortlichkeit der kom­ munalen Entscheidungsorgane nicht grundlegend ändern. Die vom Demokratieprinzip geforderte Rückführbarkeit der Wahrneh­ mung staatlicher Aufgaben und Ausübung staatlicher Befugnisse auf das Staatsvolk, im Bereich der Kommune also auf das jeweilige „Teilvolk“, sowie die diesem gegenüber bestehende Verantwortlichkeit kann auf ver­ schiedene Weise realisiert werden, vorausgesetzt, es wird ein hinreichend 2775  VerfGH

Münster v. 15.09.1986, 17 / 85, OVGE  MüLü 39, 292, 294 f. Das Kommunalunternehmen 1997, m. w. N. in Fußn.  22. 2776  Kirchgäßner / Knemeyer / Schulz,

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B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune481

effektiver Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht.2777 Dabei können Defizite des einen Legitimationsaspekts durch eine das effektive Legitima­ tionsniveau sichernde Verwirklichung eines anderen Legitimationsaspekts kompensiert, nicht jedoch substituiert, werden.2778 1. Organisatorisch-personelle Legitimation Für die personelle Legitimation kommt es auf die Rückbindung an, die zwischen der Person des Staatsgewalt ausübenden Amtswalters und dem Träger der Staatsgewalt besteht. Die Kompetenz zur wirksamen Weitergabe der personellen Legitimation kommt den kommunalen Selbstverwaltungs­ gremien aufgrund der Personalhoheit2779 ohne besondere Verleihung zu. Die mit dem Einsetzungsakt dem jeweiligen Amtswalter verliehene personelle Legitimation ist jedoch dauerhaft zu binden, insbesondere durch die Pflicht zu gewissenhafter Amtsführung, zur Amtsverschwiegenheit und für die di­ rekt vom Volk gewählten Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften durch Weisungsfreiheit und die Verpflichtung auf ihre durch das öffentliche Wohl bestimmte Überzeugung.2780 Die organisatorisch-personelle demokratische Legitimation orientiert sich an dem Berufungsakt des einzelnen Amtswalters nach dem Grundsatz der individuellen Berufung durch das Volk oder durch volksgewählte Organe,2781 wobei die personelle Legitimation nicht in jedem Fall durch unmittelbare Volkswahl erfolgen muss. Auf kommunaler Ebene schreibt das Grundgesetz die unmittelbare Legitimation nur für den Gemeinderat als zentraler Füh­ rungsinstanz der Gemeinde vor.2782 In aller Regel genügt ein mittelbarer Legitimationszusammenhang, der durch eine ununterbrochene Legitimati­ onskette vom Volk über die von diesem gewählte Vertretung zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern hergestellt 2777  BVerfG

v. 12.10.1993, 2 BvR 2134 / 92 u. a., BVerfGE 89, 155, 182. (Fußn. 358), 67 m. w. N. in Fußn. 71: a. A. Jestaedt (Fußn.  576), 283 ff., der sogar eine Totalsubstitution für möglich hält; vgl. auch Koch (Fußn. 133), 212, unter Bezugnahme auf Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung 1991, 327 ff., der sich um den Nachweis bemüht hat, dass das Demokratieprinzip keine umfassende personelle und materielle Legitimation der Staatsgewalt erfordere, weil es sich hierbei nur um „unselbständige Bestandteile im Dienste eines einheitlichen Legitimationsprozesses“ handle, die keine eigenständige Bedeutung besäßen und sich deshalb auch gegenseitig substituieren könnten. 2779  Siehe hierzu die Darstellung der Schutzgegenstände des kommunalen Selbst­ verwaltungsrechts in Kapitel 2 Abschnitt A. II. 2. c). 2780  Schmidt-Aßmann (Fußn.  175), 362 f. 2781  Ossenbühl (Fußn. 2493), 509. 2782  BVerfG v. 15.02.1978, 2 BvR 134 / 76 u. a., BVerfGE 47, 253, 275. 2778  Mann

482 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

wird.2783 Uneingeschränkte personelle Legitimation besitzt ein Amtsträger somit, wenn er verfassungsgemäß sein Amt entweder im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament erhalten hat oder dadurch, dass er durch einen seinerseits personell legitimierten, unter Verantwortung gegenüber dem Parlament handelnden Amtsträger oder mit dessen Zustimmung bestellt worden ist (ununterbrochene Legitimationskette2784). Mitbestimmung in kommunalen Unternehmen ist Partizipation an der Ausübung von Staatsfunktionen.2785 Dabei ist die Mitentscheidung anderer als der vom Volk legitimierten Organe, wie etwa der Arbeitnehmer, mindes­ tens latent darauf angelegt, die demokratische Willensbildung mindestens um einen Teil ihrer Wirksamkeit zu bringen. Eine Betroffenenmitentschei­ dung lässt sich zu einer weiteren Art zulässiger Verwaltungslegitimation nur dann ausformen, wenn sie durch verfassungsrechtliche Grundlagen abgesi­ chert ist, die der in Art. 20 Abs. 2 GG normierten demokratischen Legitima­ tion nicht nachstehen. Gründe verwaltungspolitischer Zweckmäßigkeit rei­ chen dazu nicht aus.2786 In der Literatur wurden verminderte Anforderungen an die organisatorisch-personelle Legitimation mit einem aus dem Sozial­ staatsprinzip entwickelten „Prinzip abgestufter Stringenz“ begründet.2787 Das BVerfG gestattet zwar nicht, über das Teilvolk im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG2788 hinaus nach allgemeinen Merkmalen verfassten Per­ sonengemeinschaften oder von Entscheidungen besonders betroffenen Ein­ wohnergruppen beliebig Legitimationskraft beizumessen,2789 denn Volk und Betroffenenkreis sind unterschiedlich strukturierte Legitimationssubjekte.2790 Allerdings erkennt auch das BVerfG an, dass es „unwichtige“ Entscheidun­ gen geben kann, die nicht vollumfänglich demokratisch legitimiert sein müssen.2791 Volle demokratische Legitimation ist hierbei für die Wahrneh­ mung von Aufgaben der Daseinsvorsorge geboten, auf die die Bürger un­ entrinnbar angewiesen sind, während für die sonstige Leistungserbringung ein reduziertes Legitimationsniveau ausreiche und bei zulässiger erwerbs­ wirtschaftlicher Betätigung auf eine personelle Legitimation weitgehend verzichtet werden könne.2792 2783  BVerfG

v. 31.10.1990, 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60, 73. v. 31.10.1990, 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60, 73 f. 2785  Becker, Mitbestimmung in organisationsprivatisierten Unternehmen der öf­ fentlichen Hand, ZögU 2001, 1, 4. 2786  Schmidt-Aßmann (Fußn. 175), 374. 2787  Becker (Fußn. 2785), 6, Fußn. 19: Tettinger (Fußn.  1885), 23 ff. 2788  BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, 57. 2789  BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60, 75. 2790  Schmidt-Aßmann (Fußn. 175), 376. 2791  BVerfG v. 15.02.1978, 2 BvR 134 / 76 u. a., BVerfGE 47, 253, 274. 2792  Tettinger (Fußn.  1885), 31 ff. 2784  BVerfG



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune483

Mitgliedern von Kollegialorganen in mitbestimmten Unternehmen kann eine Bestellung durch Gruppen- oder Beschäftigtenvertretungen keine per­ sonelle demokratische Legitimation verschaffen.2793 Die Ausübung von Staatsgewalt durch Organe und Amtswalter ist bei mitbestimmten Unterneh­ men der Kommunen damit nur dann demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung der Amtsträger – personelle Legitimation vermittelnd – auf das Staatsvolk zurückführen lässt und auch das Handeln der Amtsträger selbst eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. Soweit es die Kommunalverfassungen zulassen, kann ein Gemeinderat zwar auch Arbeitnehmer in den Verwaltungsrat einer kommunalen An­ stalt2794 oder den Aufsichtsrat2795 einer kommunalen Gesellschaft entsenden oder durch die Hauptversammlung wählen lassen. In diesen Fällen handelt 2793  VerfGH Münster v. 15.09.1986, 17 / 85, OVGE  MüLü 39, 292 ff.; die Rege­ lungen zur betrieblichen Mitbestimmung wurzeln nach der Rechtsprechung des BayVerfGH vom 22.04.1959, Vf. 34-VII-58, BetrVerf 1959, 97 Ls. 1-3, in den Grundrechten der Arbeitnehmer. Art. 175 Satz 1 1. Alt. BV stellt nicht lediglich ei­ nen Programmsatz dar; er legt vielmehr die Grundzüge des Mitbestimmungsrechts des Arbeitnehmer als aktuelles Recht mit Verfassungsrang fest und enthält zumindest eine Garantie des Inhalts, dass in wirtschaftlichen Unternehmungen die die Arbeit­ nehmer berührenden Angelegenheiten nicht ohne deren Mitwirkung geregelt werden dürfen. Insoweit gewährt die Verfassungsnorm ein Grundrecht im Sinne von Art 98 BV. Bisher offen gelassen hat der BayVerfGH v. 14.02.2011, Vf. 2-VII-10, BayVBl 2012, 172, 174, ob die unternehmerische Mitbestimmung nach Art. 175 Satz 1 2. Alt BV ebenfalls ein Grundrecht oder nur einen Programmsatz darstellt. Beide Ver­ fassungsbestimmungen gelten auch für Unternehmen der öffentlichen Hand, wobei der Gesetzgeber einen weiten Spielraum hat, so dass der Ausschluss der Mitbestim­ mung von Mitarbeitern im Verwaltungsrat von Anstalten des öffentlichen Rechts (z. B. Kommunalunternehmen – Art. 90 Abs. 3 Satz 6 Nr. 1 BayGO) nicht gegen Art. 175 Satz 1 BV verstößt. Vgl. auch Lindner, Die Rechtsprechung des Bayeri­ schen Verfassungsgerichtshofs, BayVBl 2013, 549, 559. Vergleichbare Regelungen über den Ausschluss von Bediensteten der kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) aus dem Verwaltungsrat finden sich in § 126a Abs. 7 Satz 8 Nr. 1 HGO, § 70a Abs. 4 Satz 6 Nr. 1 KV M-V, § 114a Abs. 8 Satz 8 Nr. 1 GO NRW, § 76b Abs. 3 Satz 8 Nr. 1 ThürKO. 2794  So in § 145 Abs. 4 Satz 1 NKomVG. Nur beratende Stimme besitzen dage­ gen die Mitarbeitervertreter im Verwaltungsrat nach § 86b Abs. 3 Sätze 1 und 2 GemO Rhl-Pf. 2795  § 108 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 GO NRW sieht für den fakultativen Aufsichts­ rat der GmbH von kommunalen Eigengesellschaften und mehrheitlich beherrschten GmbHs die Bestellung von Arbeitnehmervertretern vor, die aus einer Vorschlagslis­ te mit der doppelten Anzahl der Kandidaten vom Rat bestellt werden. Schäfer (Fußn. 2662), 74, dagegen hält auch diese Form einer Übertragung der gemeind­ lichen Herrschaftsgewalt auf die Arbeitnehmervertreter unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit nicht mit den Anforderungen des Demokratieprinzips für vereinbar. A. A. Ehlers (Fußn. 444), 565. Inwieweit jedoch die in §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 108a Abs. 3 GO NRW vorgesehene Bindung (auch) der Arbeitnehmervertreter eines fa­ kultativen Aufsichtsrats an die Beschlüsse des Gemeinderates mit der unabhängigen

484 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

es sich jedoch nicht um Arbeitnehmervertreter im mitbestimmungsrechtli­ chen Sinn, denn durch die Wahl bzw. Entsendung werden diese Arbeitneh­ mer in die ununterbrochene demokratische Legitimationskette einbezo­ gen.2796 In Fällen, in denen das Gesetz ein solches Gremium als Kreations­ organ für die definitive Bestellung eines Amtsträgers vorsieht, das nur teils aus personell legitimierten Amtsträgern zusammengesetzt ist, erhält der zu Bestellende volle demokratische Legitimation für sein Amt nur dadurch, dass die die Entscheidung tragende Mehrheit sich ihrerseits aus einer Mehr­ heit unbeschränkt demokratisch legitimierter Mitglieder des Kreationsorgans ergibt und dadurch die Letztentscheidung eines der Volksvertretung verant­ wortlichen Verwaltungsträgers gesichert ist (sog. Verantwortungsgrenze).2797 Erfordert die Aufgabenstellung eines organisatorisch-personell demokra­ tisch legitimierten Gremiums, wie des mit Kontroll- und Überwachungsfunk­ tionen ausgestatteten Aufsichtsrates kommunaler Eigengesellschaften, be­ herrschter gemischt-öffentlicher oder gemischtwirtschaftlicher Unternehmen Weisungsunabhängigkeit bei der Entscheidungsfindung,2798 so geht damit eine „Legitimationsverdünnung“2799 einher, deren geringere Rechtfertigungs­ bedürftigkeit wegen der Unvereinbarkeit von Weisungen mit der konkreten Aufgabenstellung vom Demokratieprinzip akzeptiert wird.2800 Demokrati­ sche Kontrolle erfordert nicht notwendig eine Kontrolle jeder einzelnen Ent­ scheidung, vielmehr genügt die Verleihung von Macht auf Zeit dem Demo­ kratieprinzip. Deshalb hält der VGH Kassel die in § 125 Abs. 1 Satz 4 HGO vorgesehene Einschränkung des Weisungsrechts bei entgegenstehendem Ge­ sellschaftsrecht zu Recht für mit dem Demokratieprinzip vereinbar.2801 Die Vermittlung personeller demokratischer Legitimation setzt weiter voraus, dass die personell demokratisch legitimierten Mitglieder eines sol­ chen Kreationsorgans bei ihrer Mitwirkung an der Bestellung eines Amts­ trägers ihrerseits auch parlamentarisch verantwortlich handeln (Prinzip der doppelten Mehrheit). Das BVerfG leitet hieraus ein Drei-Stufen-Modell ab: Für die Regelung von Angelegenheiten mit dem Schwerpunkt im Beschäf­ tigungsverhältnis gestattet das Demokratieprinzip eine weitgehende Mitwir­ Stellung als Mitglied dieses Kontrollorgans vereinbar ist, wird im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Weisungen gegenüber Aufsichtsräten untersucht. 2796  Ossenbühl (Fußn. 2493), 511. 2797  Ehlers (Fußn. 444), 565, Fußn. 109: BVerfG v. 24.05.1995, 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37, 70. 2798  Siehe hierzu die Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 2. 2799  Der Begriff stammt von Emde (Fußn. 2778), 12. 2800  Lieschke (Fußn. 2153), 156; vgl. auch die Aufgaben von Rechnungshöfen oder Enteignungsbehörden. 2801  VGH Kassel v. 09.02.2012, 8 A 2043 / 10, DVBl 2012, 647, 650.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune485

kung von Angestelltenvertretern. Ein höheres Maß an demokratischer Legi­ timation erfordern Maßnahmen im Binnenbereich des Beschäftigungsver­ hältnisses, wie etwa das Absehen von öffentlicher Stellenausschreibung, so dass auf dieser Stufe nicht nur die Mehrheit der Mitglieder des Kreations­ organs demokratisch legitimiert sein muss, sondern auch die Entscheidung von dieser Mehrheit getragen werden muss. Auf der dritten Ebene schließ­ lich, die schwerpunktmäßig die Erledigung von Amtsaufgaben betrifft, darf die Verantwortlichkeit der legitimierten Mitglieder des Organs keine subs­ tanzielle Einschränkung erfahren, so dass die Mitwirkung nicht legitimierter Organmitglieder ggf. auf eine Empfehlung zu beschränken ist.2802 Die An­ wendbarkeit dieser zum Personalvertretungsrecht ergangenen Rechtspre­ chung auf die Arbeitnehmermitbestimmung in Aufsichtsräten kommunalen Eigengesellschaften ist umstritten.2803 2. Sachlich-inhaltliche Legitimation Die sachlich-inhaltliche Legitimation vermittelt die Bindung an inhaltli­ che Vorgaben der vom Volk direkt oder durch seine Repräsentanten getrof­ fenen Willensentscheidungen. In der kommunalen Verwaltung erfolgt diese Rückbindung zum einen an das parlamentarische Gesetz, an das auch Selbstverwaltungsträger gebunden sind, und zum anderen an die Vorgaben der gemeindlichen Volksvertretung im Rahmen der den kommunalen Kör­ perschaften eingeräumten Selbstverwaltungsangelegenheiten und deren eige­ nen Legitimationsquellen.2804 2802  BVerfG

v. 24.05.1995, 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37, 68 ff. hierzu OVG  Bremen v. 22.03.1977, 2 W 102 / 75, NJW 1977, 1153, zur Zulässigkeit der freiwilligen (auch paritätischen) Mitbestimmung in einer kommuna­ len Eigengesellschaft, wenn das Letztentscheidungsrecht dem Aufgabenträger zu­ steht, und Ehlers, Mitbestimmung in der öffentlichen Verwaltung, Jura 1997, 180, 184 f. Nicht geteilt wird die Auffassung von Ossenbühl (Fußn. 2493), 515 f., der diese zur Einigungsstelle im Personalvertretungsrecht ergangene Entscheidung für nicht übertragbar hält auf Eigengesellschaften der öffentlichen Hand, weil die direk­ te Mitbestimmung in diesen Unternehmen zu einer Aufweichung der demokratischen Anforderungen an die Zusammensetzung der Organe führe und nicht nur das Letzt­ entscheidungsrecht, sondern der gesamte Entscheidungsprozess legitimationsbedürf­ tig sei. Eine direkte Mitbestimmung in diesen Unternehmen sei deshalb mit dem Demokratieprinzip unvereinbar und verfassungswidrig. Becker (Fußn.  2785), 15 f. lehnt zwar eine unmodifizierte Anwendung der Mitbestimmungsregeln auf die un­ ternehmerische Betätigung des Staates ab, hält sie aber für zulässig, soweit die Ar­ beitnehmervertreter vom demokratisch legitimierten Vertretungsorgan der Kommune bestellt (und vor allem abberufen) werden. Er plädiert für eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts wie für Tendenzbetriebe nach § 1 Abs. 4 MitbestG. 2804  Im Einzelnen hierzu Janssen, Über die Grenzen des legislativen Zugriffs­ rechts 1990, 129 ff. 2803  Vgl.

486 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Als Ingerenzpflicht soll die sachlich-inhaltliche demokratische Legitima­ tion insbesondere bei privatrechtlich organisierten kommunalen Unterneh­ men bewirken, dass die Ausübung der Staatsgewalt ihrem Inhalt nach vom Volk hergeleitet wird, um mit den Instrumenten der Gesetzesbindung, der Weisungsabhängigkeit und der demokratischen Verantwortlichkeit der Exe­ kutive den Legitimationszusammenhang im Sinne des Volkswillens herzu­ stellen.2805 Inhaltlich legitimationsbedürftig ist die „Staatsgewalt“, d. h., der Gesamt­ bereich staatlichen Handelns,2806 jedenfalls, soweit das Handeln Entschei­ dungscharakter besitzt,2807 und zwar unabhängig davon, ob es unmittelbar nach außen wirkt oder nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schafft. Auch solche Entscheidungen be­ dürfen daher demokratischer Legitimation.2808 Es müssen stets „beide As­ pekte demokratischer Legitimierung, nämlich die personelle und die sachlich inhaltliche demokratische Legitimation“ zusammenwirken, damit das ver­ fassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau der vollziehenden Gewalt gewährleistet ist.2809 Auch wenn damit noch nicht geklärt ist, wie das bestimmte Legitimati­ onsniveau, das nicht unterschritten werden darf, zu ermitteln ist,2810 unter­ liegt grundsätzlich das gesamte Handeln der Verwaltung in Erfüllung un­ mittelbar oder mittelbar vorgegebener öffentlicher Aufgaben2811 unabhängig von der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisations- und Handlungsform einer tatsächlich wirksamen Kontrolle und Verantwortung, die gerade auch die Art der Wahrnehmung der eingeräumten Aufgaben umfasst.2812 Bei rechtlicher Ausgliederung von Verwaltungseinheiten führt der Aspekt der Verantwortung der Kommune für die Art der Aufgabener­ füllung zu besonderen Anforderungen,2813 damit sich die Verwaltung mit dem Ausweichen auf private Rechtsformen und dem damit einher gehen­ den Verlust an Transparenz dieser demokratischen Kontrolle nicht entzie­ 2805  Ossenbühl

(Fußn. 2493), 509. (Fußn. 358), 58. 2807  BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60, 73. 2808  BVerfG v. 24.05.1995, 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37, 69. 2809  VerfGH Koblenz v. 18.04.1994, VGH N 1 / 93, VGH N 2 / 93, NVwZ-RR 1994, 665, 668. 2810  Koch (Fußn. 133), 213. 2811  VerfGH Münster v. 15.09.1986, 17 / 85, OVGE MüLü 39, 292, 294 f m. w. N. sowie BVerfG v. 27.04.1959, 2 BvL 2 / 58, BVerfGE 9, 268; BVerfG v. 15.02.1978, 2 BvR 134 / 76 u. a., BVerfGE 47, 253, 273 f. 2812  Danwitz (Fußn. 517), 606 m. w. N. in Fußn. 41: Jestaedt (Fußn.  576), 334 ff. 2813  Mann (Fußn. 358), 66. 2806  Mann



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune487

hen kann.2814 Kommunale Selbstverwaltung und Gemeinwohlsicherung er­ fordern für ausgegliederte Verwaltungseinheiten die Übernahme und Erfül­ lung einer Gewährleistungsverantwortung mit maßvoller Regulierung.2815 Im Hinblick auf die materielle Legitimation kommt es deshalb darauf an, in welchem Umfang das Handeln von Organwaltern dieser Verwaltungsein­ heiten der inhaltlichen Steuerung und Kontrolle unterliegen muss.2816 So ist zu gewährleisten, dass die Art der Tätigkeit, für die das Unternehmen er­ richtet werden soll, nicht unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit durch die Unternehmensorgane selbst modifiziert oder erweitert werden kann, ohne dass der Unternehmensträger in der Lage ist, hierauf entschei­ denden Einfluss zu nehmen.2817 Soweit die Verfassungsordnung der öffent­ lichen Verwaltung die Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb mit eige­ nen Wirtschaftseinheiten gestattet, kann dies nicht ohne Rücksicht auf die eigenständigen Bewegungsgesetze des Wirtschaftsbereichs geschehen. Eine schematische Übertragung des Legitimationsmodells der hierarchisch orga­ nisierten Verwaltung auf öffentliche Unternehmen scheitert an den rechtlich anerkannten Besonderheiten dieses Bereichs. Als sachgerecht erscheint deshalb die Anknüpfung der Einwirkungspflicht an die Instrumente des Gesellschaftsrechts und nicht des öffentlichen Organisationsrechts mit der Folge einer vom Demokratieprinzip akzeptierten Ausdünnung des Legitima­ tionsniveaus der zulässigerweise privatrechtlich organisierten kommunalen Unternehmen.2818 Im Zielkonflikt zwischen öffentlichem Zweck und Wirt­ schaftlichkeit wird allerdings nur eine Abwägung zwischen den Einflussund Kontrollmöglichkeiten einerseits und den Belangen der Aufgabenerfül­ lung andererseits zum richtigen Ergebnis führen können.2819 Ob es auch noch weitere Legitimationsarten gibt, die sich auf eine Wil­ lensbildung durch andere Legitimationssubjekte als durch das Volk beziehen oder andere Legitimationsmodi betreffen,2820 ist umstritten. Als ergänzender Legitimationsmodus wird „Akzeptanz“ genannt,2821 um die sich Verwaltungsverfahren vor allem im Bereich des Umweltrechts be­ 2814  Gaß (Fußn. 420), 55. Fußn. 8: Stober (Fußn. 1819), 453; Ehlers (Fußn. 633), 259 ff., insbes. 268 ff.; a. A. Gusy, Die Bindung privatrechtlichen Verwaltungshan­ delns an das öffentliche Recht, DÖV 1984, 872, 881; Schoch (Fußn.  534), 970 f. 2815  Katz (Fußn. 2082), 411. 2816  Koch (Fußn. 133), 213. 2817  Danwitz (Fußn. 517), 608, Fußn. 47: Püttner (Fußn. 2263), 356. 2818  So auch Schmidt-Aßmann (Fußn.  175), 386 f. 2819  Schmidt (Fußn. 1589), 349. 2820  Schmidt-Aßmann (Fußn. 175), 368. 2821  Würtenberger, Akzeptanz durch Verwaltungsverfahren, NJW 1991, 257  ff.; Hoffmann-Riem, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts als Aufgabe, AöR 115, 400 ff., 414 f.

488 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

mühen. Schmidt-Aßmann sieht hierin zutreffend kein Rechtmäßigkeitskrite­ rium, sondern ein subjektives Richtigkeitsempfinden des Betroffenen, der deshalb eine Entscheidung hinnimmt.2822 Auf Wettbewerbsmärkten kann der Bürger ein Leistungsangebot eines kommunalen Unternehmens mit Angebo­ ten Privater vergleichen. Durch Annahme des kommunalen Angebots akzep­ tiert er damit zwar die Leistungen der Unternehmensleitung, diese verleihen dessen Leistungsangebot jedoch noch keinerlei Legitimation, auch wenn Marktmechanismen ein gewisses demokratisches Moment innewohnt.2823 Eine derart von einer nicht definierbaren und abgrenzbaren Gruppe von Benutzern vermittelte Akzeptanz beruht nicht auf dem durch Wahlen und Abstimmungen zum Ausdruck kommenden Mehrheitsprinzip des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und kann damit zu keiner auch nur ergänzenden demo­ kratischen Legitimation beitragen.2824 Als Legitimationssubjekt kommt jedoch die Betroffenenpartizipation in Betracht, die sich allerdings, wie die Darstellung in Kapitel 2 gezeigt hat,2825 meist in kollektiven Teilhaberechten und Partizipationschancen der infor­ mierten Öffentlichkeit äußert. Durch den Einfluss des Unionsrechts mit dessen partizipatorischen Elementen in allen Bereichen trägt sie auch im nationalen Recht zunehmend zumindest punktuell zu verstärkter Transpa­ renz bei. Zwar folgt daraus keine verfassungsrechtliche Norm, mit der eine durch Weisungsfreiheit von Unternehmensorganen entstehende „Legitimati­ onsverdünnung“ durch eine „Legitimationsverschiebung“ hin zu anderen als demokratisch vom Volk legitimierten Organen ausgeglichen werden könn­ te.2826 Allerdings ist Betroffenenpartizipation gerade der örtlich radizierten kommunalen Selbstverwaltung immanent und gehört zum Kernbereich staatsbezogener Publizität,2827 wenngleich sie in höherem Maße rechtferti­ gungsbedürftig ist,2828 aber auch zu gesteigerter Akzeptanz kommunaler Entscheidungen beiträgt.

2822  Schmidt-Aßmann

(Fußn.  295), 95 f. Kommunale Aufgabenerfüllung in Anstaltsform, in: Henneke (Hg.), Kommunale Aufgabenerfüllung durch ausgegliederte Einheiten, Professorengespräch des Deutschen Landkreistages am 16. und 17. März 2000 im Landkreis Kitzingen, 2000, 31, 42. 2824  Häußermann, Die Steuerung der kommunalen Eigengesellschaft, 1.  Aufl. 2004, 104. 2825  Vgl. Kapitel 2 Abschnitt A. I. 2. bis 4. 2826  Schmidt-Aßmann (Fußn.  175), 374 ff. 2827  Siehe hierzu in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. c) bb). 2828  Schmidt-Aßmann (Fußn. 175), 374, Fußn. 147: Emde (Fußn. 2778), 12. 2823  Kirchhof,



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune489

II. Steuerungsinstrumente der Kommune Die Einwirkungsmöglichkeiten der Kommune auf ihre Unternehmen hän­ gen maßgeblich von der gewählten Organisationsform ab,2829 die Einwir­ kungspflichten dagegen von der zu erfüllenden Aufgabe.2830 Zur Lösung einer sich hieraus ergebenden Diskrepanz2831 kommen als Instrumente bei privatrechtlichen Gesellschaften – soweit gesetzlich zulässig – öffentlichrechtliche oder gesellschaftsvertragliche Weisungsrechte, Stimmbindungsoder Poolverträge, konzernrechtliche Beherrschungsverträge oder konzessi­ onsvertragliche Einflussnahmen, die Bestellung nebenamtlicher Vorstandsbzw. Geschäftsführungsmitglieder oder der Abschluss von Zielvereinbarun­ gen in Betracht. Sie alle verfolgen das Ziel, „unkontrollierte Freiräume“ zu vermeiden.2832 Reichen diese Instrumente bei bestimmten Organisationsfor­ men nicht aus, um die Durchsetzung der gebotenen Ingerenzpflichten zu gewährleisten ohne die beabsichtigten Vorteile privatrechtlicher Organisati­ onstrukturen zu konterkarieren, bleiben als Auswege der Verzicht auf die Privatrechtsform und die Wahrnehmung der Aufgabe in öffentlich-rechtlichen Formen eines Kommunalunternehmens bzw. die Rekommunalisierung der Aufgabe in einem Eigenbetrieb oder, soweit es sich um freiwillige Aufga­ ben handelt, die nicht zum Kernbereich kommunaler Daseinsvorsorge zäh­ len, deren vollständige Privatisierung. 1. Weisungsrechte gegenüber Unternehmensorganen a) Öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen Vergleichsweise geringes Konfliktpotenzial zwischen der Kommune und ihren Unternehmen ergibt sich aus einer öffentlich-rechtlich organisierten Aufgabenerfüllung. Lediglich bei einer bloßen Aufgabenwahrnehmung durch ein rechtlich selbstständiges Kommunalunternehmen bedarf es einer näheren Ausgestaltung von Weisungsrechten durch die Unternehmenssatzung. aa) Regie- und Eigenbetriebe Bei Eigenbetrieben und vergleichbaren Regiebetrieben2833 als rechtlich unselbstständigen kommunalen Unternehmen außerhalb der allgemeinen 2829  Brenner

(Fußn. 694), 233. hierzu die Nachweise insbesondere in Fußn. 2359. 2831  Spannowsky (Fußn. 524), 1076. 2832  Schmidt (Fußn. 1589), 356, 363. 2833  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 1 Abschnitt B. II. 3.a) aa). 2830  Siehe

490 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Verwaltung (Sondervermögen) ist durch die enge Verzahnung zwischen dem Eigenbetrieb und der unmittelbaren Kommunalverwaltung die organisato­ risch-personelle ebenso wie die materiell-inhaltliche Legitimation der Unter­ nehmensorgane2834 gewährleistet. Allerdings birgt die Verteilung der Kom­ petenzen zwischen Werkleitung, Werkausschuss, Gemeinderat und Bürger­ meister „hohes Potenzial für politisch bedingte Kompetenzkonflikte“.2835 Sie stellt aber trotz erheblicher Gestaltungsmöglichkeiten2836 die Einheit der Kommunalverwaltung nicht in Frage, obwohl sie eine kaufmännische Ge­ schäftsführung bei davon getrennter Unternehmenskontrolle gestattet.2837 Die Werkleitung bzw. Betriebsleitung wird für die laufende eigenverant­ wortliche Betriebsführung regelmäßig durch den Gemeinderat bestellt bzw. gewählt (§ 4 Abs. 1 Satz 3 SächsEigBG), soweit nicht der Bürgermeister selbst (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 Saarl.EigVO; unzulässig jedoch in RheinlandPfalz nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EigAnVO) oder der Hauptverwaltungsbeamte (§ 93 Abs. 3 Satz 2 BbgKVerf) diese Aufgaben wahrnimmt. Dabei wird die Funktion regelmäßig auf Zeit verliehen, sie kann auch in einem Beamten­ verhältnis auf Zeit (vgl. § 4 Abs. 2 EigBG BW) erfolgen. Der Werkausschuss bzw. Betriebsausschuss wird durch den Gemeinderat als beratender oder beschließender Ausschuss (vgl. z. B. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 und Abs. 2 EigBG BW) für Angelegenheiten des Eigenbetriebs ein­ gerichtet, soweit dem Gemeinderat als oberstem Kontrollorgan nicht we­ sentliche Aufgaben (Entlastung der Betriebsleitung, Ergebnisverwendung bzw. Verlustbehandlung, Bestimmung des Abschlussprüfers) vorbehalten sind (§ 9 EigBG BW). Auch soweit durch Landesrecht für Eigenbetriebe mit mehr als 50 Beschäftigten (bis zu einem Drittel) bzw. mit mehr als 10 bis 50 Beschäftigten (zwei Arbeitnehmer) die Mitentscheidung von Arbeit­ nehmern oder / und fachkundigen Einwohnern im Werk- bzw. Betriebsaus­ schuss vorgesehen ist (§ 93 Abs. 2 BbgKVerf oder § 114 Abs. 3 GO NRW), wird die personelle Legitimation der Ausschussmitglieder dadurch gewähr­ leistet, dass die Vertreter dieser Personengruppen aus einer Vorschlagsliste der Beschäftigtenversammlung des Eigenbetriebs durch den Gemeinderat 2834  Westermann / Cronauge (Fußn. 411), 90: Willensbildung und Entscheidungs­ kompetenzen in Angelegenheiten des Eigenbetriebs sind vier verschiedenen Organen zugewiesen: Werkleitung, Hauptverwaltungsbeamter (Bürgermeister bzw. Stadt-, Gemeindedirektor), Werkausschuss und Rat bzw. Gemeindevertretung. Hinzu tritt – je nach Landesrecht – ein fünftes Organ, nämlich der für das Finanzwesen zustän­ dige Beamte (Kämmerer). 2835  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 786, Fußn. 43: Gaß (Fußn.  420), 63 m. w. N. 2836  Schulz (Fußn. 445), 132; Erbguth / Stollmann (Fußn. 466), 806. 2837  Uechtritz / Reck (Fußn. 450), 786, Fußn. 44: Altenmüller, Privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Form für kommunale Unternehmen?, VBlBW 1984, 61, 62.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune491

gewählt werden, die mindestens die doppelte Anzahl der zu wählenden Mitglieder und Stellvertreter enthalten muss. Die materiell-inhaltliche Legitimation der Entscheidungen des Gremiums kann dadurch sichergestellt werden, dass die Anzahl der sachkundigen Ein­ wohner zusammen mit der Anzahl der Beschäftigten die der Gemeindever­ treter nicht erreichen darf (§ 93 Abs. 2 Satz 8 BbgKVerf, § 114 Abs. 3 Satz 6 GO NRW) und die Entscheidungen von der demokratisch legitimierten Mehrheit der Mitglieder getroffen werden. Eine direkte Einflussnahme auf die operative Tätigkeit des Eigenbetriebs ist durch Weisungsrechte gesichert. In Baden-Württemberg kann der Bürger­ meister nach § 10 Abs. 1 EigBG der Betriebsleitung Weisungen erteilen, um die Einheitlichkeit der Gemeindeverwaltung zu wahren, die Erfüllung der Aufgaben des Eigenbetriebs zu sichern und Missstände zu beseitigen. Auch in Brandenburg steht diese Weisungsbefugnis dem Bürgermeister in seiner Funktion als Hauptverwaltungsbeamter zu (§ 9 Abs. 1 EigV). In Mecklen­ burg-Vorpommern sieht § 7 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EigVO M-V vor, dass der Bürgermeister als Vorgesetzter der Betriebsleitung dieser insbesondere zur Gewährleistung der Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung und einer ein­ heitlichen Verwaltungsführung, nicht aber zu Angelegenheiten der laufenden Betriebsführung Weisungen erteilen kann. In Niedersachsen kann die Be­ triebssatzung des Eigenbetriebs nach § 2 Abs. 2 Satz 2 EigBetrVO vorsehen, dass die Betriebsleitung vor einer Weisung zu hören ist. Auch in NordrheinWestfalen regeln § 6 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 und Abs. 3 EigVO NRW die Weisungsbefugnis des Bürgermeisters gegenüber der Betriebsleitung im Interesse der Einheitlichkeit der Verwaltungsführung, ausgenommen auch hier Angelegenheiten der laufenden Betriebsführung. Glaubt die Betriebslei­ tung nach pflichtmäßigem Ermessen die Verantwortung für die Durchfüh­ rung einer Weisung nicht übernehmen zu können, so hat sie sich an den Betriebsausschuss zu wenden. Wird keine Übereinstimmung zwischen dem Betriebsausschuss und dem Bürgermeister erzielt, so ist die Entscheidung des Hauptausschusses herbeizuführen. In Rheinland-Pfalz soll der Bürger­ meister nach § 6 Abs. 2 Satz 2 EigAnVO Einzelweisungen gegenüber der Werkleitung nur erteilen, wenn sie zur Sicherstellung der Gesetzmäßigkeit oder wichtiger Belange der Gemeinde oder der Einheit der Verwaltung oder zur Wahrung der Grundsätze eines geordneten Geschäftsganges notwendig sind. Nach § 10 Abs. 1 SächsEiBG kann der Bürgermeister der Betriebslei­ tung Weisungen erteilen, um die ordnungsgemäße Führung des Eigenbe­ triebs sicherzustellen. In Sachsen-Anhalt hat die Betriebsleitung die Be­ schlüsse des Gemeinderates und des Betriebsausschusses (§ 6 Abs. 2 Satz 1 EigBG) zu vollziehen. Hält der Bürgermeister dessen Beschlüsse für rechts­ widrig, muss er ihnen widersprechen. Er kann ihnen widersprechen, wenn übergeordnete Belange der Gemeinde entgegenstehen. Die Angelegenheit ist

492 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

daraufhin unverzüglich dem Gemeinderat zur Entscheidung vorzulegen (§ 8 Abs. 4 Sätze 1 bis 5 EigBG). In Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein und Thüringen sind Weisungs­ rechte gegenüber der Werkleitung zwar nicht ausdrücklich geregelt. Da die Kommune bei Regie- und Eigenbetrieben aber selbst hoheitliche Aufgaben wahrnimmt und sie auch selbst ausführt,2838 gelingt dieser Organisations­ form der „Spagat“ zwischen der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Unternehmensführung unter Berücksichtigung kaufmännischer Gesichts­ ­ punkte und der damit verbundenen Verselbständigung gegenüber der un­ mittelbaren Kommunalverwaltung einerseits sowie andererseits der Ge­ währleistung einer weitgehenden Kontrolle und Einflussnahme durch die Trägerkommune.2839 bb) Kommunalunternehmen (Anstalt des öffentlichen Rechts) Auch die landesrechtlich geschaffenen Kommunalunternehmen als recht­ lich selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts gewährleisten die or­ ganisatorisch-personelle Legitimation der Unternehmensorgane Vorstand und Verwaltungsrat durch eine ununterbrochene Legitimationskette. Für den Verwaltungsrat wird die enge Verbindung zur Kommune2840 da­ durch bewirkt, dass ihm der Bürgermeister als geborenes Mitglied angehört und in der Regel den Vorsitz führt.2841 Die übrigen Mitglieder des Verwal­ tungsrats werden vom kommunalen Vertretungsorgan durch Wahl oder Be­ schluss bestimmt. Soweit sie dem Gemeinderat angehören, ist ihre Amtszeit an die Funktion bzw. das Mandat bei der Kommune gekoppelt. Auch nicht dem Gemeinderat angehörende Personen können zu Verwaltungsräten be­ stellt werden, soweit sie nicht infolge von Inkompatibilitätsregelungen ausge­ schlossen sind.2842 Sie erhalten mit ihrer Bestellung durch den Gemeinderat 2838  Gaß

(Fußn. 420), 145.

2839  Westermann / Cronauge

(Fußn. 411), 89. (Fußn. 445), 132; Gaß (Fußn. 420), 352, Fußn. 17: Ehlers, Das selb­ ständige Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts, Kommunale Aufgabener­ füllung in Anstaltsform, 47, 60. 2841  Vgl. Art. 90 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BayGO, § 95 Abs. 2 BbgKVerf, § 126 a Abs. 7 Sätze 1 und 2 HGO, § 70 a Abs. 4 Sätze 1, 2 und 4 KV M-V, § 145 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 Sätze 1 und 2 NKomVG, § 114 a Abs. 8 Sätze 1 bis 4 GO NRW, § 88 b Abs. 3 Sätze 1 und 3 bis 5 GemO Rhl-Pf, § 5 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AnstG LSA, § 76 b Abs. 3 Sätze 1 und 2 ThürKO; lediglich in Schleswig-Holstein werden alle Mitglieder des Verwaltungsrats von der Gemeindevertretung gewählt (§ 4 Abs. 2 KUVO). 2842  Vgl. z. B. Art. 90 Abs. 3 Satz 6 BayGO. 2840  Schulz



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune493

mittelbar die erforderliche personelle Legitimation.2843 In Mecklenburg-Vor­ pommern sieht die Kommunalverfassung allerdings für die Besetzung des Verwaltungsrats ausdrücklich Spiegelbildlichkeit zum Gemeinderat vor.2844 Die Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern im Verwaltungsrat wird, soweit sie durch Landesrecht zugelassen oder vorgeschrieben ist, auf eine Beratung bzw. auf eine Mitwirkung im Rahmen des Personalvertretungsrechts be­ grenzt.2845 Die hierfür wählbaren Beschäftigten des Kommunalunternehmens besitzen zudem eine durch den Arbeitsvertrag mittelbar vom Vorstand abge­ leitete persönliche demokratische Legitimation.2846 Sie beeinträchtigt die Le­ gitimation des Verwaltungsrats nicht, auch wenn sie sich im Wesentlichen auf die Arbeitnehmerfunktion beschränkt, da auch sie dem öffentlichen Auftrag des Kommunalunternehmens verpflichtet sind. Der dem Leitungsorgan der Aktiengesellschaft nachgebildete Vorstand2847 wird in allen Bundesländern auf höchstens fünf Jahre mit der Option erneu­ ter Bestellung durch den Verwaltungsrat bestellt.2848 Damit korrespondieren 2843  Art. 90 Abs. 3 Sätze 4 und 5 BayGO, § 95 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 97 Abs. 1 Satz 6 und Satz 7 Nr. 1 und 2 BbgKVerf, § 126 a Abs. 7 Sätze 5 bis 7 HGO, § 70 a Abs. 4 Sätze 4 und 5 KV M-V, § 145 Abs. 7 Sätze 1 und 2 NKomVG, § 114 a Abs. 8 Sätze 5 bis 7 GO NRW, § 86 b Abs. 3 Satz 6 GemO Rhl-Pf, § 5 Abs. 4 Sätze 5 bis 8 AnstG LSA, § 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KUVO SH, § 76 b Abs. 3 Sätze 2 bis 4 ThürKO. 2844  § 70 a Abs. 4 Satz 3 KV M-V. 2845  Nicht dem Verwaltungsrat angehören dürfen Beamte und leitende oder haupt­ amtliche Arbeitnehmer des Kommunalunternehmens in Bayern (Art. 90 Abs. 3 Satz 6 Nr. 1 BayGO – Zur Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses vgl. Fußn. 2793), in Hessen (§ 126 a Abs. 7 Satz 8 Nr. 1 HGO), in Mecklenburg-Vorpommern (§ 70 a Abs. 4 Satz 6 Nr. 1 KV M-V), in Nordrhein-Westfalen (114 a Abs. 8 Satz 8 GO NRW), in Schleswig-Holstein (§ 106 a Abs. 5 i. V. m. § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO SH) und in Thüringen (§ 76 b Abs. 3 Satz 7 Nr. 1 ThürKO). In Niedersachsen muss mindestens eine bei der Anstalt beschäftigte Person und darf höchstens ein Drittel aller Mitglieder des Verwaltungsrats beim Kommunalunternehmen beschäftigt sein (§ 145 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Sätze 1 und 2 NKomVG) und deren Mitwirkung bestimmt sich nach dem Niedersächsischen Personalvertretungsgesetz. In RheinlandPfalz nimmt die von den Beschäftigten gewählte Mitarbeitervertretung an den Sit­ zungen des Verwaltungsrats generell nur mit beratender Stimme teil (§ 86 b Abs. 3 Satz 2 und Satz 7 GemO Rhl-Pf). Auch in Sachsen-Anhalt darf die Zahl der gleich­ falls nur mit beratender Stimme teilnahmeberechtigten Beschäftigtenvertreter ein Drittel aller Verwaltungsratsmitglieder nicht übersteigen (§ 5 Abs. 4 Sätze 2 und 2 AnstG). 2846  So auch Tettinger (Fußn. 1885), 67, für Beschäftigtenvertreter im Verwal­ tungsrat nordrhein-westfälischer Sparkassen. 2847  Schulz / Wager (Fußn. 447), 156. 2848  Art. 90 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayGO, § 95 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 BbgKVerf, § 126 a Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 HGO, § 70 a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 KV M-V, § 145 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 NKomVG, § 114 a Abs. 6 und Abs. 7 Satz 2 GO NRW, § 86 a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GemO Rhl-Pf, § 5 Abs. 2 und

494 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

die mit Leitung der Anstalt verbundene Eigenverantwortlichkeit und die dafür lediglich auf Zeit verliehene demokratische Legitimation. Weisungen des Verwaltungsrats an den Vorstand kann die Unternehmenssatzung nur vorsehen, soweit Kompetenzen vom Vorstand auf den Verwaltungsrat über­ tragen wurden.2849 Auch die Kommune kann mit Weisungen an ein neben­ amtliches Vorstandsmitglied, das hauptamtlich bei ihr beschäftigt ist, durch eine in der Unternehmenssatzung nur gemeinschaftlich mit dem hauptamt­ lichen Vorstandsmitglied zugelassene Vertretungsbefugnis2850 nicht auf die dem Vorstand vorbehaltenen Entscheidungen einwirken. Dies wäre eine Umgehung der Vorstandsverfassung und würde das nebenamtliche Vor­ standsmitglied bei Befolgung der Weisung einem unlösbaren Konflikt zwi­ schen Unternehmensinteresse und beamten- bzw. (dienst-)rechtlicher Wei­ sungsgebundenheit aussetzen.2851 Die Affinität des nebenamtlichen Vor­ standsmitglieds zur Trägerkommune kann in solchen Fällen aber ein gestei­ gertes Verständnis für deren Vorstellungen bewirken. Weisungsrechte des Gemeinderats sind jedoch in keinem Fall gegenüber dem Vorstand, sondern nur gegenüber dem Verwaltungsrat möglich.2852 Mit der Anordnung gesetzlicher Weisungsrechte und Zustimmungsvorbehal­ te zur Einflussnahme der Kommune auf die rechtlich selbstständige Anstalt haben sich die Landesgesetzgeber weitgehend zurückgehalten2853 und diese gegenüber dem Verwaltungsrat auf wesentliche Angelegenheiten beschränkt,2854 Abs. 3 Satz 2 AnstG LSA, § 4 Abs. 1 Satz 2 KUVO SH und § 76 b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 ThürKO. 2849  Gaß (Fußn. 420), 354, Fußn. 23: Mann (Fußn. 449), 558. 2850  So ausdrücklich § 6 Abs. 1 Satz 2 AnstG LSA und § 3 Abs. 3 KUVO SH sowie die entsprechende Regelungsbefugnis durch die Anstaltssatzung in § 95 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BbgKVerf. 2851  Gaß (Fußn. 420), 354, Fußn. 26: Ehlers (Fußn. 633), 137, für den Vorstand der Aktiengesellschaft als Beamten; hierbei handelt es sich um eine Ausnahme zu beamtenrechtlichen Weisungsgebundenheit, deren Rechtfertigung sich aus dem We­ sen der Vorstandstätigkeit ergibt. Weisungen an diese Personengruppe sind zwar grundsätzlich zulässig, aber für diese nicht verbindlich. 2852  Gaß (Fußn. 420), 354, Fußn. 24: vgl. aber § 114a Abs. 7 Satz 6 GO NRW: In der Satzung ist ein Genehmigungsvorbehalt für bestimmte Geschäfte möglich. 2853  Schulz (Fußn. 445), 133. 2854  Weisungen bzw. einem Zustimmungsvorbehalt der Kommune unterliegt de­ ren Kommunalunternehmen nach dem jeweiligen Landesrecht beim Erlass von Satzungen und Verordnungen (Art. 90 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayGO, § 126a Abs. 6 Satz 6 HGO, § 5 Abs. 3 Satz 4 AnstG LSA) und darüber hinaus bei Beteiligung an anderen Unternehmen (§ 145 Abs. 3 Satz 4 NKomVG, § 114a Abs. 7 Satz 3 Nr. 1 sowie Nr. 2 und Nr. 7 GO NRW, § 4 Abs. 1 Satz 4 KUVO SH) sowie bei der Ergebnisverwendung (§ 70a Abs. 3 Satz 4 und 5 i. V. m. § 71 Abs. 1 Satz 5 KV M-V) bzw. der Festsetzung allgemeiner Tarife und Entgelte (§ 76b Abs. 2 Satz 4 ThürKO).



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune495

sie aber für bestimmte andere Fälle2855 einer Ausgestaltung durch die Unter­ nehmenssatzung geöffnet. Die Kommune kann damit materiell-inhaltlich steuernden Einfluss auf das Kommunalunternehmen ausüben. Eine allgemei­ ne Weisungsbindung ist jedoch ausgeschlossen. Wird die Überwachungsauf­ gabe des Verwaltungsrats gegenüber dem Vorstand2856 berührt, steht die Un­ abhängigkeit bei der Überwachung des Vorstands auch einer Weisungsbin­ dung durch die Unternehmenssatzung entgegen. Damit die Kommune nicht in die eigenverantwortliche Unternehmensleitung durch den Vorstand auf dem Umweg über Weisungen an den Verwaltungsrat eingreifen kann, dürfen durch die Unternehmenssatzung auch keine weitergehenden Weisungsrechte gegenüber dem Verwaltungsrat begründet werden als sie diesem selbst ge­ genüber dem Vorstand zustehen.2857 Das Ziel und die Reichweite einer Einflussnahme haben sich an der Auf­ gabenstellung der rechtlich selbstständigen Anstalt zu orientieren.2858 Hat die Kommune dem Kommunalunternehmen bestimmte Aufgaben vollständig übertragen, so beschränken sich die laufenden Ingerenzbefugnis­ se mangels verbliebener eigener Aufgabenträgerschaft auf diesem Gebiet auf eine landesrechtlich vorgesehene Gewährträgerhaftung bzw. Anstaltslast für das Unternehmen und auf eine Überwachung der Einhaltung der sat­ zungsmäßigen Unternehmenszwecke.2859 Weitergehende Ingerenzpflichten ergeben sich für die Kommune aller­ dings, soweit sie dem Kommunalunternehmen Aufgaben nur zur Wahrneh­ mung übertragen hat. Da die Kommune in diesen Fällen weiterhin Auf­ gabenträgerin bleibt, kann sich hieraus sowohl im Verhältnis zum Ver­ waltungsrat als auch zum eigenverantwortlich handelnden Vorstand ein Konfliktpotenzial ergeben. Durch die rechtliche Trennung der Aufgaben­ wahrnehmung von der Aufgabenträgerschaft liegen in diesen Fällen die entscheidungsrelevanten Informationen zunächst ausschließlich bei den Un­ ternehmensorganen vor. Einige landesrechtliche Regelungen sehen hierfür zwar ausdrücklich vor, dass sich die Unternehmensorgane gegenüber der Kommune nicht auf eine Verschwiegenheitspflicht für Betriebs- und Ge­ 2855  Art. 90 Abs. 2 Satz 5 BayGO, § 95 Abs. 2 Satz 3 BbgKVerf, § 126a Abs. 6 Satz 7 HGO, § 145 Abs. 3 Satz 5 NKomVG, § 114a Abs. 7 Satz 7 GO NRW, § 5 Abs. 3 Satz 5 AnstG LSA, § 76b Abs. 2 Satz 5 ThürKO. 2856  Vgl. Art. 90 Abs. 2 Satz 1 BayGO und die vergleichbaren Bestimmungen in den anderen Bundesländern. 2857  Schulz / Wager (Fußn. 447), 161. 2858  Schulz (Fußn. 445), 133. 2859  Schulz / Wager (Fußn. 447), 150 und Schulz (Fußn. 2422), 19 f., der auch auf die Vergleichbarkeit mit dem Zweckverband hinweist.

496 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

schäftsgeheimnisse sowie vertrauliche Angaben berufen können,2860 eine Informationspflicht gegenüber der Kommune wurde aber gesetzlich nur ausnahmsweise für haushaltsrelevante Informationen angeordnet und im Übrigen einer Einzelfallregelung in der Unternehmenssatzung vorbehal­ ten.2861 Diese hat deshalb weitergehende Auskunfts- und Berichtspflichten der Unternehmensorgane in einem Umfang vorzusehen, der es der Kom­ mune gestattet, ihrer Steuerungsfunktion als Aufgabenträgerin auch im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen zum Bürger nachzukommen. Diese Informationen sind notwendige Voraussetzung für Steuerungsentscheidun­ gen der Kommune bei einer bloßen Aufgabenwahrnehmung durch das Kommunalunternehmen und Grundlage auch für die Rechtmäßigkeit kom­ munalrechtlicher Weisungen gegenüber dem Unternehmensorgan Verwal­ tungsrat. Maßstab für die Zulässigkeit von Weisungen gegenüber der selbstständigen Anstalt ist deren Eignung, Erforderlichkeit und Angemes­ senheit zur Einflussnahme auf deren Aufgabenwahrnehmung.2862 b) Privatrechtlich organisierte Unternehmen Die steuernde Einflussnahme auf privatrechtlich organisierte eigene Un­ ternehmen oder unternehmerische Beteiligungen hängt einerseits von der Rechtsform und andererseits als Folge der auch für öffentliche Unternehmen geltenden Mitbestimmungsregelungen von der Unternehmensgröße ab. Hier­ bei wird ein gegenüber öffentlich-rechtlichen Organisationsformen ungleich höheres Konfliktpotenzial zwischen der zu erfüllenden öffentlichen Aufgabe und deren Wahrnehmung durch rechtlich selbstständige Gesellschaften sichtbar, weil schon die notwendige Beschaffung steuerungsrelevanter Infor­ mationen an gesellschaftsrechtliche Grenzen stößt.2863 Soweit die jeweiligen Landesgesetzgeber privatrechtliche Organisations­ formen für kommunale Unternehmen zugelassen haben, bemühen sie sich in unterschiedlicher Weise um die Gewährleistung einer ununterbrochenen Legitimationskette zwischen den Organen der Kommune und den Unterneh­ mensorganen und um die Sicherstellung der Einflussnahme auf die Erfül­ lung des öffentlichen Zwecks der Unternehmenstätigkeit, zu dem die Ge­ sellschaft errichtet oder die Beteiligung eingegangen wurde.2864 Abhängig 2860  Siehe

hierzu die Nachweise in Fußn. 2441. Fußn. 2439. 2862  Zur Rechtsnatur von Weisungen nach Gesellschaftsrecht und Kommunalrecht siehe in diesem Kapitel unter Abschnitt B. II. 1. b) bb). 2863  Siehe hierzu die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 2. und 3. 2864  Hierzu wird auf die dargestellten Entscheidungskriterien und Lösungsansät­ ze zur Vermeidung und Bewältigung von Zielkonflikten bei der Unternehmensgrün­ 2861  Vgl.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune497

von der Rechtsform als GmbH oder als Aktiengesellschaft ist dieses Bemü­ hen in Bezug auf die jeweiligen Unternehmensorgane, die Gesellschafter­ versammlung der GmbH bzw. die Hauptversammlung als dem Eigentümer­ organ der Aktiengesellschaft, dem obligatorischen bzw. dem fakultativen Aufsichtsrat und dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung als dem Lei­ tungsorgan des Unternehmens, unterschiedlich erfolgreich. Die organisatorische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist umso wei­ ter, je weniger die Bürger auf die jeweiligen Leistungen der Daseinsvorsor­ ge angewiesen sind. Für Daseinsvorsorgeleistungen, die zwar zum Kernbe­ reich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu zählen sind, aber durch rechtlich verselbstständigte Unternehmen außerhalb der allgemeinen Verwaltung erbracht werden,2865 entsteht durch das Gebot der Beachtung gesellschaftsrechtlicher Organisationsvorgaben und die auch für öffentliche Unternehmen geltenden Mitbestimmungsrege­ lungen eine Abschwächung der organisatorisch-personellen Legitimation der Unternehmensorgane.2866 Je geringer durch das gesellschaftsrechtliche Organisationsstatut die per­ sonelle Legitimation der einzelnen Unternehmensorgane ausfällt und je weniger sie durch eine zur Unternehmenssteuerung erforderliche, geeignete und angemessene sachlich-inhaltliche Einflussnahme des kommunalen Auf­ gabenträgers auf die Unternehmensorgane kompensiert werden kann, umso höher werden für die Kommune auch die Schranken für die Zulässigkeit dieser Organisationsform bis hin zum völligen Verzicht sein müssen. Je weiter sich die öffentliche Aufgabe des Unternehmens vom Kernbe­ reich des Selbstverwaltungsrechts entfernt, insbesondere wenn das Unter­ nehmen auf Wettbewerbsmärkten außerhalb des Gemeindegebiets und in zulässiger Erwerbswirtschaft tätig wird oder in einem als Eigengesellschaft errichteten Unternehmen nachträglich Private als Mitgesellschafter oder Anteilseigner beteiligt, umso höher wird auch das Bedürfnis für den Bürger als Souverän, dass die Kommune dessen Wahlrecht dadurch nicht beein­ trächtigt. Unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines von der Kom­ mune nicht durch die Rechtsformwahl ausgehöhlten und sinnentleerten Wahlrechts für den Bürger als Souverän des örtlichen Teilvolks wird diesen Fragen in Kapitel 5 nachgegangen.

dung und der Eingehung von Beteiligungen in Kapitel 3 Abschnitt B. Bezug ge­ nommen. 2865  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt A. III. und Abschnitt B. I. 2866  Tettinger (Fußn. 1885), 50.

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aa) Landesrechtliche Regelungen zu Weisungen an kommunale Vertreter in Gesellschaftsorganen Regelungen über die Organisation und die organschaftliche Vertretung der Kommunen kann der Landesgesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungs­ kompetenz für das Kommunalrecht treffen. Gesellschaftsrechtliche Vor­ schriften stehen dem nicht entgegen.2867 Das Verhalten der organschaftlichen Vertreter der Kommunen in den Gesellschaftsorganen dagegen kann er nur regeln, soweit es sich nicht um die Ausübung von Rechten im Gesellschafts­ organ handelt, die Gegenstand des bundesrechtlichen Gesellschaftsrechts sind, so dass hierbei echte Normkollisionen entstehen können, die durch Art. 31 GG gelöst werden.2868 (1) G  esetzliche Weisungen an Vertreter im Anteilseignerorgan Regelmäßig vertritt der Bürgermeister2869 als organschaftlicher Vertreter die Gemeinde in der Gesellschafterversammlung oder in dem entsprechen­ den Organ der Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts, an denen die Gemeinde beteiligt ist.2870 Entscheidungen, die in der Gesell­ schafterversammlung einer GmbH oder der Hauptversammlung der Aktien­ gesellschaft über einen Abstimmungsgegenstand zu treffen sind, gehören wegen ihrer Bedeutung grundsätzlich nicht zu den laufenden Angelegenhei­ ten, so dass zur inhaltlichen Legitimation der Entscheidung ein Beschluss der Gemeindevertretung erforderlich ist.2871 Soweit der Kommune in diesem Organ weitere Vertreter zustehen bzw. zulässig sind, werden sie von der Gemeindevertretung überwiegend nach 2867  Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Rdnr. 12 zu Art. 93 BayGO; so auch Nesselmüller (Fußn. 2156), 56. 2868  Erichsen (Fußn. 2387), 16. 2869  § 104 Abs. 1 Satz 1 GemO BW, Art. 93 Abs. 1 Satz 1 BayGO, § 97 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. §§ 57 Abs. 1, 53 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf in seiner Funk­ tion als Hauptverwaltungsbeamter; § 125 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. §§ 65 Abs. 1, 71 Abs. 1 HGO, danach ist der Bürgermeister kraft Amtes Vertreter des Gemeindevorstands, § 71 Abs. 1 Satz 1 KV M-V, § 88 Abs. 1 Satz 1 GemO Rhl-Pf, § 114 Abs. 1 Satz 1 Saarl.KSVG, § 98 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO, § 119 Abs. 1 Satz 1 GO LSA, § 31 Abs. 1 ThürKO. 2870  Ebenfalls organschaftlich zur Vertretung berechtigt sind in ihrem Arbeitsge­ biet die Beigeordneten als allgemeine Vertreter des Hauptverwaltungsbeamten so­ weit die Kommunalverfassung diese Funktion vorsieht (vgl. Habermehl, Die Vertre­ tung der Kommune, DÖV 1987, 144, 145). 2871  Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Rdnr. 13 zu Art 93 BayGO.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune499

den Grundsätzen der Verhältniswahl bestellt.2872 Lediglich in RheinlandPfalz ist gesetzlich stets eine einheitliche Stimmabgabe mehrerer Vertreter vorgeschrieben, in der Gesellschafterversammlung der GmbH wird sie von der Literatur allgemein als zwingend angesehen.2873 Für die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ist strittig, ob mehrere Vertreter einer Kommune, die mehrere Aktien besitzt, unterschiedlich ab­ stimmen dürfen.2874 Soweit die Vertreter in diesem Organ nach Landesrecht an Beschlüsse des Gemeinderats bzw. Weisungen der Gemeinde gebunden sind,2875 kann eine einheitliche Stimmabgabe kommunalrechtlich beschlos­ sen werden, weil das Gesellschaftsrecht eine „die Vertretung kanalisierende Regelung“2876 (mit Ausnahme des § 69 Abs. 1 AktG, wenn eine Aktie meh­ reren Berechtigten zusteht) nicht vorsieht. Beschließt die Vertretungskörper­ schaft über Weisungen an die Vertreter der Kommune in der Hauptver­ sammlung, hat sie den Charakter einer Eigentümerversammlung.2877 Zur Unternehmenssteuerung reicht allerdings die Einflussnahme der Kommune auf die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft selbst bei ei­ ner Eigengesellschaft regelmäßig nicht aus.2878 Der Einfluss beschränkt sich auf die in § 119 Abs. 1 AktG geregelten Fälle, insbesondere die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrates, soweit diese nicht zu entsenden sind. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur ent­ scheiden, wenn der eigenverantwortliche und grundsätzlich weisungsunab­ hängige Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG) es verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG). Le­ 2872  § 104 Abs. 1 Satz 2 GemO BW, § 97 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 BbgKVerf, § 125 Abs. 1 Satz 3 HGO, § 88 Abs. 1 Satz 5 GemO Rhl-Pf, § 114 Abs. 2 Saarl.KSVG, § 98 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SächsGemO, § 119 Abs. 1 Satz 2 GO LSA. In Nieder­ sachsen werden sämtliche Vertreter gewählt, wobei der Hauptverwaltungsbeamte bei mehreren Vertretern dem Kreis anzugehören hat (§ 138 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 NKomVG), in Nordrhein-Westfalen gilt dies auch für den Bürgermeister (§ 113 Abs. 2 GO NRW); in Bayern sind weitere Vertreter nicht zulässig, in Schles­ wig-Holstein und Thüringen gleichfalls nicht vorgesehen. 2873  Siehe hierzu die Nachweise in Fußn. 2635. 2874  Zum Streitstand siehe Nesselmüller (Fußn. 2156), 58 in Fußn. 179 und 180. 2875  Siehe insbesondere die Regelungen in Baden-Württemberg (§ 104 Abs. 1 Satz 3 GemO BW), in Brandenburg (§ 97 Abs. 1 Satz 6 BbgKVerf), in Hessen (§ 125 Abs. 1 Satz 3 HGO, soweit nicht Gesellschaftsrecht entgegensteht), in Meck­ lenburg-Vorpommern (§ 71 Abs. 1 Satz 5 KV M-V), in Nordrhein-Westfalen (§ 113 Abs. 1 GO NRW), dem Saarland (§ 114 Abs. 4 KSVG), in Sachsen (§ 88 Abs. 1 Satz 6 SächsGemO) und in Sachsen-Anhalt (§ 119 Abs. 1 Satz 5 GO LSA), soweit in diesen Bundesländern von der Kommune mehrere Vertreter in das Anteilseigner­ organ einer Gesellschaft entsandt werden dürfen. 2876  Püttner (Fußn. 2355), 352 m. w. N. in Fußn. 31. 2877  Nesselmüller (Fußn. 2156), 57, Fußn. 174: Gerber, Die öffentliche Unterneh­ mung in privatrechtlicher Form 1928, 168. 2878  Brenner (Fußn. 694), 241; Koch (Fußn.  133), 155 f.

500 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

diglich das Konzernrecht eröffnet der Kommune als herrschender Gesell­ schaft2879 ein uneingeschränktes Weisungsrecht auch gegenüber dem Vor­ stand einer abhängigen Aktiengesellschaft. Im Gegensatz zur Hauptversammlung der Aktiengesellschaft sind die gesetzlichen Regelungen über die Kompetenzen der Gesellschafterversamm­ lung der GmbH grundsätzlich dispositiv (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 GmbHG). Anders als die Anteilseigner der Aktiengesellschaft können die Gesellschaf­ ter als „Herren der GmbH“2880 durch Weisungen gegenüber ihren Vertretern in der Gesellschafterversammlung unmittelbar auf die Geschäftsführung einwirken und dadurch sowohl organisatorisch-personell als auch sachlichinhaltlich eine ununterbrochene Legitimationskette zu diesen Unterneh­ mensorganen aufrechterhalten.2881 (2) W  eisungsregelungen gegenüber Mitgliedern von Aufsichtsräten Die von der Kommune in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft entsandten oder auf ihre Veranlassung gewählten Mitglieder sind nicht Rechtsvertreter der Kommune, sondern Interessenvertreter.2882 Die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates erfordert die Unabhängigkeit von externer Einwirkung bei der Ausübung des höchstpersönlichen Amtes.2883 Die Aufsichtsratstätigkeit ist sowohl im Aktienrecht als auch bei der GmbH als Nebenamt2884 ausge­ staltet. Damit wird deren organisatorisch-personelle Legitimation unmittelbar von den kommunalen Vertretungsorganen abgeleitet. Soweit der Kommune nach der Unternehmenssatzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag ein Entsen­ 2879  Vgl.

dazu die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 3. (Fußn. 358), 179. 2881  Vgl. Nachweis in Fußn. 2696. 2882  Widtmann / Grasser et  al. (Hg.) (Fußn. 1339), Rdnr. 1 zu Art. 93 BayGO. 2883  Siehe hierzu die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 2. so­ wie Raiser (Fußn. 2154), 394; Lieschke (Fußn. 2153), 25. 2884  Für ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder besteht eine Verpflichtung zur Übernahme eines Aufsichtsratsmandats (vgl. z. B. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayGO). Dieses stellt ein abgeleitetes Ehrenamt dar, vgl. Schön (Fußn. 1955), 29 m. w. N. in Fußn. 51). Auch für Beamte einschließlich kommunaler Wahlbeamter besteht eine grundsätzliche Pflicht zur Übernahme einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst (Art. 81 BayBG, Art. 43 Abs. 2 Satz 2 KWBG). Um eine solche handelt es sich bei einem Aufsichtsratsmandat in einer Eigengesellschaft oder in einer kommunal be­ herrschten Gesellschaft (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 Bayer. Nebentätigkeitsverordnung). Bereits bei der Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder ist deshalb auf mögliche Inte­ ressenskollisionen oder Loyalitätskonflikte im Hinblick auf die Hauptbeschäftigung zu achten (vgl. oben Kapitel 3 Abschnitt A. II. 3.). 2880  Mann



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune501

dungsrecht zusteht,2885 werden neben dem Bürgermeister als geborenem Auf­ sichtsratsmitglied die übrigen Mitglieder entsprechend den jeweiligen landes­ rechtlichen Regelungen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl von der Vertretungskörperschaft bestellt.2886 In Bayern,2887 Schleswig-Holstein und Thüringen besteht keine gesetzliche Bindung an den Proporz im Gemeinde­ rat, so dass auch die weiteren Mitglieder von der jeweiligen Mehrheitsfrakti­ on kommen können. Der Gemeinderat kann sich allerdings in der Geschäfts­ ordnung auch für eine Bestellung nach dem d’Hondt’schen Höchstzahlenver­ fahren entscheiden, soweit nicht die Satzung des Unternehmens oder der Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorschreibt.2888 Das Aktiengesetz und die für GmbHs mit obligatorischem Aufsichtsrat geltenden Mitbestimmungsregelungen unterwerfen diese Aufsichtsräte nach Funktion, Zusammensetzung und Organisation zwingendem Recht, für GmbHs mit fakultativem Aufsichtsrat verbleibt es dagegen für das Organund Kompetenzsystem bei der Geltung des weitgehend dispositiven GmbHRechts.2889 Die Mindestüberwachungsbefugnis gegenüber der Geschäftsfüh­ rung erfordert jedoch auch bei der GmbH eine durch den Gesellschaftsver­ trag oder für Weisungen der Gesellschafter in ihrem Kern unantastbare Unabhängigkeit der Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats.2890 Die Unterscheidung zwischen obligatorischen und fakultativen Aufsichts­ räten besitzt vor allem Bedeutung für die Frage, in welchem Umfang eine Kommune Einfluss auf von ihr entsandte oder auf ihre Veranlassung ge­ wählte Aufsichtsratsmitglieder nehmen kann, um die Erfüllung des öffentli­ chen Zwecks des Unternehmens, für den es errichtet wurde oder der Anlass für ihre Beteiligung war, sicherzustellen. 2885  Bei Aktiengesellschaften und bei GmbHs mit obligatorischem Aufsichtsrat ist das Recht zur Entsendung auf höchstens ein Drittel der sich aus dem Gesetz oder der Satzung ergebenden Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrats begrenzt (§ 101 Abs. 2 Satz 4 AktG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 8 Abs. 2 MitbestG). Bei GmbHs mit fakultativem Aufsichtsrat besteht eine solche Begrenzung nicht. 2886  Vgl. in Baden-Württemberg § 104 Abs. 2 GemO, in Brandenburg § 97 Abs. 2 und Abs. 3 BbgKVerf, in Hessen § 125 Abs. 2 Satz 2 HGO, Mecklenburg-Vorpom­ mern § 71 Abs. 2 Satz 1 KV M-V und Rheinland-Pfalz § 88 Abs. 3 GemO, jeweils vorbehaltlich entgegenstehender Vorschriften des Gesellschaftsrechts, in Niedersach­ sen § 138 Abs. 3 Sätze 2 und 3 NKomVG, in Nordrhein-Westfalen § 113 Abs. 3 GO NRW, im Saarland § 114 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 KSVG, in Sachsen § 98 Abs. 2 SächsGemO und in Sachsen-Anhalt § 119 Abs. 2 GO LSA. 2887  Bauer / Böhle et  al. (Hg.) (Fußn. 437), Rdnr. 19 zu Art. 93 BayGO. 2888  BayVGH v. 02.02.2000, 4 B 99.1377, BayVBl 2000, 764, 765; siehe hierzu die Anmerkung von Schulz, BayVBl 2000, 764; vgl. Gaß (Fußn. 420), 368, Fußn. 95. 2889  Altmeppen / Roth (Hg.), Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) 7. Aufl. 2012, Rdnr. 55 zu § 52 GmbHG. 2890  Siehe hierzu die Nachweise in Fußn. 2653.

502 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Die kommunalrechtlichen Vorschriften sehen häufig Weisungsrechte ge­ genüber dem Aufsichtsorgan eines privatrechtlichen Unternehmens durch Aufnahme in die Unternehmenssatzung bzw. den Gesellschaftsvertrag2891 vor oder durch eine ausdrückliche kommunalrechtliche Befugnis, Weisungen an Aufsichtsratsmitglieder zu erteilen2892 bzw. deren Verpflichtung zur Beach­ tung von Weisungen, meist unter dem gesetzlichen Vorbehalt entgegenste­ henden Gesellschaftsrechts.2893 Fehlt im Landesrecht ein Vorbehalt entgegen­ stehenden Gesellschaftsrechts, wie in Schleswig-Holstein,2894 wird eine kom­ munalrechtliche Weisungsbindung von einigen Autoren nach Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für verfassungswidrig gehalten, weil das Aktien­ recht durch die Novelle von 1965 eine abschließende Regelung getroffen ha­ 2891  Nach Art. 93 Abs. 2 Satz 3 BayGO soll sich die Gemeinde, soweit zulässig, Weisungsrechte im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung vorbehalten. Vergleichbare Regelungen gelten in Mecklenburg-Vorpommern (§ 71 Abs. 2 Satz 2 KV M-V), in Nordrhein-Westfalen (§ 108 Abs. 5 Nr. 2 GO NRW), soweit die Bestellung eines Aufsichtsrats gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Nach § 113 Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 GO NRW sind sie unabhängig davon an Beschlüsse des Rates gebunden, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. In Schleswig-Holstein soll die Gemeinde bei Beteiligung an Unternehmen auf Weisungsmöglichkeiten an ihre Aufsichtsräte hinwirken, soweit die Bestellung eines Aufsichtsrats nicht gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 102 Abs. 4 Satz 2 GO). 2892  In Rheinland-Pfalz kann der Gemeinderat den Vertretern der Gemeinde im Aufsichtsrat Weisungen erteilen, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen des Gesell­ schaftsrechts entgegenstehen (§ 88 Abs. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 6 GemO). In SachsenAnhalt gilt dieses Weisungsrecht nur gegenüber den von der Gemeinde in den Aufsichtsrat entsandten Mitgliedern (§ 119 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 5 GO LSA). Zur Rechtsnatur der kommunalrechtlichen Weisung siehe in diesem Kapitel Abschnitt B. II. 1. b) bb). 2893  Siehe § 113 Abs. 1 GO NRW. Eine Sonderregelung besteht in Hessen für die in den Aufsichtsrat entsandten Mitglieder. Nach § 125 Abs. 2 Sätze 1 und 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 HGO sind sie an die Weisungen des Gemeindevorstands gebunden, soweit nicht Vorschriften des Gesellschaftsrechts entgegenstehen. Der VGH Kassel v. 24.09.2008, 8 B 2037 / 08, LKRZ 2008, 420, 421 f., sieht darin zutreffend lediglich eine ergänzende spezielle Bestimmung zur Außenvertretung der Gemeinde nach § 71 HGO, die nur die Art und Weise der Außenvertretung in den Eigen- und Beteili­ gungsgesellschaften betreffe, im Innenverhältnis aber die Gemeindevertretung nicht hindere, dem Gemeindevorstand Vorgaben zum Inhalt der Weisungen zu machen. Kritisch hierzu Lange, Kommunalrecht 2013, 926, im Hinblick auf die rechtliche Verselbstständigung des Gemeindevorstands gegenüber der Gemeindevertretung. 2894  In Schleswig-Holstein haben die von der Gemeinde bestellten Mitglieder des Aufsichtsrats, aber auch ein bestelltes Vorstandsmitglied, die Weisungen der Ge­ meinde zu befolgen (§ 104 Abs. 2, § 25 Abs. 1 GO), ohne dass ein ausdrücklicher gesetzlicher Vorbehalt entgegenstehenden Gesellschaftsrechts besteht. Nach § 114 Abs. 4 Saarl.KSVG sind dagegen nur die Vertreter der Gemeinde in der Gesellschaf­ terversammlung an Weisungen der Gemeinde und an Beschlüsse des Gemeinderats und seiner Ausschüsse gebunden. Hierfür besteht zweifelsfrei die Gesetzgebungs­ kompetenz des Landesgesetzgebers.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune503

be, die der Gemeinde die ursprünglich in § 70 DGO 1935 vorgesehene Wei­ sungsbefugnis entzogen hat.2895 Vorzugswürdig erscheint demgegenüber die Auffassung von Oebbecke,2896 der die Vorschrift für bundesrechtskonform auslegungsfähig hält. Hinsichtlich der Weisungsbindung von Aufsichtsrats­ mitgliedern wird diese Auffassung geteilt, weil diese etwa in Aufsichtsräten der GmbH mit Ausnahme der Weisungsunabhängigkeit bei nicht entziehba­ ren Mindestüberwachungsbefugnissen gegenüber der Geschäftsführung grundsätzlich auch Weisungen der Gesellschafter über den Umweg der Ge­ sellschafterversammlung unterworfen sein können. Dies gilt auch für ent­ sandte Mitglieder in obligatorischen Aufsichtsräten, soweit die Satzung z. B. den Vorstand bzw. die Geschäftsführung für bestimmte Geschäfte Zustim­ mungsvorbehalten des Aufsichtsrats unterwirft. Für nicht mit Gesellschafts­ recht vereinbar wird jedoch die in Schleswig-Holstein auch auf den Vorstand einer Aktiengesellschaft ausgedehnte Weisungsbindung angesehen. Dessen Weisungsunabhängigkeit ist nach § 76 Abs. 1 AktG nur für die Kommune als herrschendes Konzernunternehmen im Rahmen eines Vertragskonzerns durch die Sondervorschrift des § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG aufzuheben. Hierbei han­ delt es sich allerdings als Bestandteil des bundesrechtlichen Gesellschafts­ rechts um eine abschließende Regelung, in die Landesrecht nicht eingreifen kann. Zum Teil werden – ohne die ausdrückliche Erwähnung von Weisungsbe­ fugnissen oder einer Weisungsbindung von Unternehmensorganen – Wei­ sungsrechte durch die Regelungen über eine Haftungsfreistellung von ent­ sandten oder auf Veranlassung der Kommune gewählten Aufsichtsratsmit­ gliedern auch bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung auf­ grund einer Weisung vorausgesetzt.2897 Darüber hinaus enthalten einige landesrechtliche Vorschriften die in Literatur und Rechtsprechung weithin auch ohne gesetzliche Regelung anerkannte Verpflichtung2898 zur eigenver­ antwortlichen Berücksichtigung der besonderen Interessen der Kommune.2899

2895  Püttner

(Fußn.  366), 234 f.; Lieschke (Fußn. 2153), 149. (Fußn. 1490), 244. 2897  Vgl. § 97 Abs. 1 Satz 6 BbgKVerf, § 138 Abs. 8 i. V. m. Abs. 6 Satz  2 NKomVG, § 114 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 Saarl.KSVG, § 98 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 6 SächsGemO, wobei „Vertreter“ im Aufsichtsrat jedenfalls haf­ tungsrechtlich den Vertretern in der Gesellschafterversammlung oder der Hauptver­ sammlung gleich stehen. Zur vergleichbaren Regelung in Thüringen siehe § 74 Abs. 3 ThürKO. 2898  Siehe hierzu die Nachweise in Fußn.  2665 und grundlegend BGH v. 29.01.1962, II ZR  1 / 61, BGHZ 36, 296, 306. 2899  So ausdrücklich § 104 Abs. 3 GemO BW, § 88 Abs. 4 GemO Rhl-Pf, § 104 Abs. 1 Satz 2 2. HS GO SH. 2896  Oebbecke

504 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

(3) Gesetzliche Regelungen zu Weisungen an Leitungsorgane Für Mitglieder des Leitungsorgans einer Gesellschaft, für die einer Kom­ mune ein Entsendungs- oder Vorschlagsrecht eingeräumt ist, trifft eine Reihe von Gemeindeordnungen Regelungen zur organisatorisch-personellen Legitimation. In Hessen sind in den Vorstand einer Gesellschaft entsandte Mitglieder an die Weisungen des Gemeindevorstands gebunden, soweit nicht Vorschriften des Gesellschaftsrechts entgegenstehen.2900 In NordrheinWestfalen ist für deren Bestellung oder die Ausübung eines Vorschlagsrechts nur die Zuständigkeit des Rates festgelegt.2901 In Rheinland-Pfalz kann der Gemeinderat für Vertreter der Kommune in der Geschäftsführung Richtlini­ en aufstellen oder ihnen Weisungen erteilen.2902 Auch im Saarland ist für die Ausübung eines Rechts auf Bestellung von Mitgliedern des Leitungsor­ gans einer Gesellschaft der Gemeinderat zuständig, bei mehreren Mitglie­ dern erfolgt eine Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl.2903 Wei­ sungsrechte sind dort gesetzlich nicht vorgesehen. Dagegen sieht in Sach­ sen-Anhalt die Gemeindeordnung, soweit nicht Gesellschaftsrecht entgegen­ steht, ein Weisungsrecht gegenüber den von der Gemeinde entsandten Mitgliedern eines Vorstands oder vergleichbaren Leitungsorgans vor, wobei ausdrücklich die Unvereinbarkeit einer solchen Funktion mit der Vertretung der Kommune in einer Gesellschafterversammlung oder einem Aufsichtsor­ gan festgelegt und damit insbesondere der Bürgermeister von der Unterneh­ mensleitung ausgeschlossen ist.2904 Soweit in Schleswig-Holstein von der Gemeinde aufgrund eines ihr eingeräumten Rechts bestellte Mitglieder des Vorstands Weisungen der Gemeinde ohne einen Vorbehalt entgegenstehen­ den Gesellschaftsrechts zu befolgen haben,2905 wird die Regelung des § 104 Abs. 2 GO SH als nicht mehr bundesrechtlich restriktiv auslegungsfähig und damit als verfassungswidrig angesehen.2906 Die übrigen Landesgesetzgeber haben zur Bestellung oder zur Zulässig­ keit von Weisungen gegenüber entsandten Leitungsorganen auf kommunal­ rechtliche Regelungen verzichtet, so dass gegenüber Leitungsorganen aus­ schließlich gesellschaftsrechtlich vorgesehene oder zugelassene Weisungen, 2900  Vgl. § 125 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 HGO; die Gemeindevertretung ist dadurch nicht gehindert, im Innenverhältnis auch dem Gemeindevorstand Wei­ sungen zu erteilen, siehe Fußn. 2893. 2901  § 113 Abs. 4 GO NRW. 2902  § 88 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 6 GemO Rhl-Pf. 2903  § 113 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 KSVG. 2904  § 119 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 5 und Abs. 1a GO LSA. 2905  § 104 Abs. 2 i. V. m. § 25 Abs. 1 GO SH. 2906  Siehe hierzu auch Oebbecke (Fußn. 1490), 244 m. w. N. in Fußn. 5: Gundlach / Frenzel / Schmidt (Fußn.  2710), 246 f.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune505

Zustimmungsvorbehalte oder sonstige Vorgaben der zuständigen Unterneh­ mensorgane in Betracht kommen. Vor einer Darstellung des zulässigen Umfangs und der Grenzen von ge­ sellschaftsvertraglichen oder kommunalrechtlichen Weisungsbefugnissen gegenüber Gesellschaftsorganen ist deren unterschiedliche Rechtsnatur zu untersuchen. (4) Z  wischenergebnis zu gesetzlichen Weisungsbefugnissen und Weisungsbindungen Weisungsbefugnisse gegenüber Unternehmensorganen können eine zivil­ rechtliche Grundlage im Gesellschaftsrecht haben, öffentlich-rechtlich durch Kommunal-(verfassungs-)recht begründet werden und auch einem Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag entspringen. Die Bindung von Unternehmensorganen an Weisungen, die auf Regelun­ gen der Unternehmenssatzung oder des Gesellschaftsvertrages beruhen, findet ihre zivilrechtliche Grundlage in der gesellschaftsrechtlichen Treue­ pflicht der Organwalter gegenüber dem Unternehmen bzw. der Gesellschaf­ ter sowie der Aktionäre untereinander.2907 Mit der Bindung von Vertretern oder Repräsentanten der Kommune in den Organen ihrer Unternehmen und Beteiligungen an Weisungen, Richt­ linien und Beschlüsse der Gemeindevertretung2908 soll die sachlich-inhalt­ liche Legitimation der Unternehmensentscheidungen gesichert und die Er­ füllung des öffentlichen Zwecks durch eine ununterbrochene Legitimati­ onskette zwischen den Wahlbürgern und den Unternehmen gewährleistet werden.2909 2907  BGH v. 05.06.1975, II ZR 23 / 74, BGHZ 65, 15, 18 f.; BGH v. 01.02.1988, II ZR 75 / 87, BGHZ 103, 184, 194. 2908  Weisungen betreffen konkrete Einzelfälle, während Richtlinien (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 6 GemO Rhl-Pf) für eine unbestimmte Anzahl von Anwendungsfällen einen rechtlichen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich Einzelfallentscheidungen zu bewegen haben. Weisungen wie Richtlinien beruhen auf Beschlüssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW), soweit sie von Kollegialorganen erlassen wurden. Richt­ linien bedürfen zu ihrer Verbindlichkeit für die Adressaten keiner gesonderten Um­ setzung durch ein Vollzugsorgan, während vom Gemeinderat als Kollegialorgan gefasste Beschlüsse zu Weisungen erst mit dem Vollzug durch den Bürgermeister Außenwirkung entfalten. Auch die in Hessen vorgesehene Bindung an Weisungen des Gemeindevorstands (vgl. Fußn. 2893) steht inhaltlichen Vorgaben durch Be­ schlüsse der Gemeindevertretung nicht entgegen (VGH Kassel v. 24.09.2008, 8 B 2037 / 08, LKRZ 2008, 420, 421 f.). 2909  Häußermann (Fußn. 2824), 100; Schedler / Proeller, New public management 2011, 232 ff.

506 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Wie die vorstehende Darstellung der landesrechtlichen Vertretungsrege­ lungen gezeigt hat, gehen alle Landesgesetzgeber von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Weisungen gegenüber Vertretern und Repräsentanten in Gesellschaftsorganen aus, auch wenn sie, wie in Bayern und MecklenburgVorpommern, auf ausdrückliche kommunalrechtliche Rechtsgrundlagen verzichten und von den Kommunen lediglich durch Verweisung auf das bundesrechtliche Gesellschaftsrecht fordern, dass diese gesellschaftsrecht­ lich zulässige Weisungsrechte in der Unternehmenssatzung bzw. dem Ge­ sellschaftsvertrag verankern. Dagegen enthalten die Gemeindeordnungen in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein eigene landes­ rechtliche Rechtsgrundlagen für Weisungen und Richtlinien bzw. schreiben sie, wie in Nordrhein-Westfalen, die Bindung an Beschlüsse des Rates und seiner Ausschüsse vor. Gegen landesrechtliche Bestimmungen, die vorsehen, die Spielräume des Gesellschaftsrechts zur Sicherung der Einflussnahme auf Unternehmen und Beteiligungen in Privatrechtsform zu nutzen, bestehen keine kompetenz­ rechtlichen Bedenken. Auch gesellschaftsrechtlich sind aber Weisungen zur Sicherung der sachlich-inhaltlichen Legitimation der Entscheidungen orga­ nisatorisch-personell legitimierter kommunaler Vertreter und Repräsentanten in den Unternehmensorganen2910 an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, weil es auf die Rechtsform, in der die Einflussnahme erfolgt, nicht ankommt. Die gesellschaftsrechtlichen Steuerungselemente müssen deshalb unter Beachtung zwingenden Gesellschaftsrechts zur Steuerung er­ forderlich, geeignet und angemessen sein. bb) Rechtsnatur von Weisungen nach Kommunal-(verfassungs-)recht Rechtlich problematisch sind landesrechtliche Regelungen, mit denen be­ absichtigt ist, gesellschaftsrechtlich determinierte Einwirkungsdefizite durch die Begründung vorbehaltloser kommunalrechtlicher Weisungsbefugnisse ge­ genüber Vertretern oder Repräsentanten der Kommune in allen Unterneh­ mensorganen ohne Rücksicht darauf auszugleichen, ob Gesellschaftsrecht eine Außensteuerung der jeweiligen Organwalter gestattet.2911 Die im Kommunalrecht ausdrücklich vorgesehenen Weisungsbefugnisse kommunaler Unternehmensträger gegenüber ihren Vertretern in den Gesell­ schaftsorganen sind öffentlich-rechtlicher Natur.2912 Ihr legitimes Ziel ist es, die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, die mit dem Unternehmen oder der 2910  BVerfG

v. 24.05.1995, 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37, 67 f., 72. hierzu Fußn. 2894 und 2906. 2912  Schmidt (Fußn. 1589), 353. 2911  Siehe



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune507

Beteiligung wahrgenommen wird, in Ergänzung der Spielräume sicherzu­ stellen, die das Gesellschaftsrecht eröffnet. Rechtsnatur und Reichweite der öffentlich-rechtlichen Weisungsbefugnis­ se hängen entscheidend davon ab, auf welches Organmitglied die Kommune einwirkt: (1) Rechtsnatur von Weisungen an Vertreter im Anteilseignerorgan Weisungen zum Abstimmungsverhalten des Bürgermeisters, soweit dieser alleiniger gesetzlicher Vertreter der Gemeinde in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder in der Gesellschafterversammlung einer GmbH ist, erfordern einen Beschluss des Gemeinderats, soweit es sich im Einzel­ fall nicht ausnahmsweise um eine laufende Angelegenheit handelt. Hierzu kann der Gemeinderat Richtlinien mit begrenztem Entscheidungsspielraum für die Ausübung der Vertretungsbefugnisse aufstellen.2913 Rechtsgrundlage ist das Organisationsrecht in der Ausgestaltung als kommunalverfassungs­ rechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Organen der Kommune.2914 Lässt der Bürgermeister sein Stimmrecht durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter ausüben, so gelten hierfür die bürgerlich-rechtlichen Bestimmun­ gen über den Auftrag gem. §§ 662 ff. BGB oder den Geschäftsbesorgungs­ vertrag gem. § 675 BGB entsprechend.2915 Eine solche Vertretung ist jedoch nur zulässig, soweit nicht der Gemeinderat selbst zur Bestellung von Ver­ tretern zuständig ist und diese bestellt hat. Werden mehrere Vertreter durch die Gemeindeordnung2916 oder durch Beschluss des Gemeinderats bzw. eines beschließenden Ausschusses an Weisungen zur einheitlichen Stimmabgabe in der Hauptversammlung ge­ bunden, geschieht dies gleichfalls auf kommunalverfassungsrechtlicher Grundlage.2917 Gesellschaftsrecht steht Weisungen an kommunale Vertreter in der Haupt­ versammlung der Aktiengesellschaft ebenso wenig wie gegenüber Vertretern in der Gesellschafterversammlung einer GmbH entgegen,2918 allerdings mit dem Unterschied, dass Entscheidungen der Gesellschafterversammlung eine 2913  Vgl.

z. B. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayGO. v. 03.06.2009, 10 LC 217 / 07, DVBl 2009, 920; Erichsen (Fußn. 2387), 45. 2915  Erichsen (Fußn. 2387), 44. 2916  Vgl. § 88 Abs. 2 GemO Rhl-Pf. 2917  Die Zulässigkeit von Interorganstreitigkeiten hierüber setzt eine mögliche Verletzung dem jeweiligen Organ zustehender eigener Rechte voraus (vgl. Weber /  Köppert, Kommunalrecht Bayern, 2. Aufl. 2013, 61 f., 65). 2918  Siehe im Einzelnen in diesem Kapitel Abschnitt B. II. 1. b) aa) (1). 2914  OVG  Lüneburg

508 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

umfassende inhaltliche Steuerung der GmbH erlauben, während durch Be­ schlüsse der Hauptversammlung eine sachlich-inhaltliche Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen der Aktiengesellschaft nur auf Verlangen des Vorstands (§ 119 Abs. 2 AktG) zulässig ist. (2) Rechtsnatur von Weisungen an Aufsichtsratsmitglieder Nicht dem Kommunalverfassungsrecht zuzuordnen ist dagegen die Rechtsnatur kommunalrechtlicher Weisungen an entsandte oder auf Veran­ lassung der Kommune gewählte Mitglieder eines Aufsichtsrats. Das Gesell­ schaftsrecht regelt dabei nur lückenhaft die mit dem Amt verbundenen Pflichten, ohne die Rechtsstellung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder auszugestalten.2919 Aufsichtsräte sind nicht Vertreter des entsendenden Akti­ onärs oder Gesellschafters, sondern eigenverantwortliche Mitglieder eines Unternehmensorgans und nur Repräsentanten der Kommune, in deren Inte­ ressen ihre Bestellung erfolgt ist. Der Status eines entsandten Aufsichtsrats­ mitglieds unterscheidet sich nicht von dem aller anderen Mitglieder dieses Gremiums.2920 Für Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat ist die aus ihrer unab­ hängigen Überwachungsfunktion abgeleitete Weisungsunabhängigkeit allge­ mein anerkannt2921 und § 4 Abs. 3 Satz 2 MontanMitbestG schließt eine Bindung an Aufträge und Weisungen ausdrücklich aus. Für Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats der GmbH wird diese Unabhängigkeit zu Recht allerdings nur für die Überwachungsfunktion an­ genommen.2922 Für zulässig gehalten werden dagegen Weisungen, wenn sie ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag finden.2923 2919  Raiser 2920  BGH

30.

(Fußn. 2154). v. 29.01.1962, II ZR 1 / 61, BGHZ 36, 296, 306; Lieschke (Fußn. 2153),

2921  Raiser (Fußn. 2154), 400 sieht das freie Mandat der Aufsichtsratsmitglieder als ungeschriebenen Grundsatz des Aktienrechts an, der auch nicht durch die Unter­ nehmenssatzung eingeschränkt werden kann. Strobel (Fußn. 2358), 79; VGH Kassel v. 09.02.2012, 8 A 2043 / 10, DVBl 2012, 647, 649. 2922  Lieschke (Fußn.  2153), 40  f. m.  w.  N. in Fußn. 173 und 174; Altmeppen (Fußn. 2015), 2566, hält dagegen Weisungen bei der mitbestimmungsfreien GmbH als kommunaler Eigengesellschaft mit beachtlichen Argumenten für zulässig, wenn sie im Gesellschaftsvertrag vorbehalten sind. Allerdings lässt sich diese Argumenta­ tion nur bedingt auf kommunal beherrschte gemischtwirtschaftliche GmbHs mit fa­ kultativem Aufsichtsrat übertragen, wie er selbst zugesteht. Bei diesen würde sich die Kommune nämlich der Gefahr aussetzen, ihre eigenen Interessen gegen diejeni­ gen der Mitgesellschafter zu verfolgen (vgl. Altmeppen (Fußn. 2457), 8 f.). Damit würde sie gegen die auch für Gesellschafter untereinander geltende Treuepflicht verstoßen (BGH v. 05.06.1975, II ZR 23 / 74, BGHZ 65, 15, 18 f.; ähnlich Möller



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune509

Nicht beantwortet ist damit aber die Frage, ob auch Kommunalrecht eine eigenständige Befugnisnorm für Weisungen an Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats ohne Verstoß gegen Gesellschaftsrecht begründen kann bzw. ob hierfür eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist. Kommunalrechtliche Weisungen können Aufsichtsräte in ihrem Status als unabhängige Aufsichtsorgane über das Leitungsorgan betreffen. Mit ihrer höchstpersönlichen Bestellung erhalten die Aufsichtsratsmitglieder, auch soweit sie im Hinblick auf ihre Stellung als Gemeinderäte oder organschaft­ liche Vertreter der Kommune entsandt oder zur Wahl vorgeschlagen werden, einen von der Kommune unabhängigen Status als Mitglied eines Unterneh­ mensorgans.2924 Dadurch sind sie für die Dauer ihres Mandats (mit der Möglichkeit einer Abberufung) nicht mehr als Beauftragte oder als organ­ schaftliche Vertreter der Kommune tätig, sondern in ihrer Funktion als Aufsichtsrat den Regeln des Gesellschaftsrechts unterworfen und dem Inte­ resse der Gesellschaft verpflichtet. Eine kommunalrechtliche Weisung greift deshalb als verbindliche Anordnung eines bestimmten Verhaltens in diesen außerhalb der kommunalverfassungsrechtlichen Organisationsstruktur2925 liegenden höchstpersönlichen Status ein und stellt damit für den Angewie­ senen eine hoheitliche Maßnahme in Form eines Verwaltungsakts dar. Zwar wird von Teilen der Literatur angenommen, die Weisung betreffe nur das interne Rechtsverhältnis des Aufsichtsratsmitglieds zum Weisungs­ geber, das vom externen Verhältnis des Aufsichtsrats zur Gesellschaft zu unterscheiden sei.2926 Zu Recht allerdings widerspricht der VGH Kassel2927 2923

(Fußn. 379), 280, allerdings nur für nachteilige Weisungen). Jedenfalls in diesen Fällen setzt die Mindestüberwachungsfunktion des fakultativen Aufsichtsrats gegen­ über der Geschäftsführung nach der hier vertretenen Auffassung auch einer gesell­ schaftsvertraglichen Weisungsbindung durch einzelne Gesellschafter Grenzen. 2923  Schmidt (Fußn. 1589), 354 m. w. N. in Fußn. 54; BVerwG v. 31.08.2011, 8 C 16.10, NJW 2011, 3735, ff.; vgl. hierzu die zutreffende Kritik in der Anmerkung von Altmeppen, NJW 2011, 3737 f., der die Argumentation des Gerichts zur kommunal­ rechtlichen Verpflichtung und zum verfassungsrechtlichen Gebot des Demokratieprin­ zips, sich angemessenen Einfluss zu sichern, als „petitio principii“ entlarvt. Treder (Fußn. 2391), 147, hält die Weisungsungebundenheit als gesellschaftsrechtliche „Grundnorm“ dagegen auch beim fakultativen Aufsichtsrat für nicht abdingbar. Die­ ser Auffassung wird jedoch nur insoweit beigepflichtet, als davon die Überwachungsund Kontrollfunktion gegenüber der Geschäftsführung betroffen ist, mit der Weisun­ gen nicht vereinbar sind. Eine solche Mindestüberwachungsbefugnis ist auch einem fakultativen Aufsichtsrat immanent (Möller (Fußn. 379), 224 m. w. N. in Fußn. 40). 2924  Lieschke (Fußn. 2153), 137 m. w. N. in Fußn. 676: Engellandt (Fußn. 1806), 24; Keßler, Die kommunale GmbH, GmbHR 2000, 71, 72. 2925  Lieschke (Fußn. 2153), 141. 2926  Schneider, GmbH und GmbH & Co KG in der Mitbestimmung, ZGR 1977, 335, 340: Weisungsbindung aufgrund eines Dienstverhältnisses. 2927  VGH Kassel v. 09.02.2012, 8 A 2043 / 10, DVBl 2012, 647, 648.

510 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

dieser Auffassung: Auch ein Verwaltungsakt, der einer das „Innenverhält­ nis“ zwischen Behörde und Adressaten regelnden Ermächtigungsgrundlage entspricht, ist trotzdem rechtswidrig, wenn er den Adressaten zu einer im „Außenverhältnis“ zu Dritten tatsächlich oder rechtlich unmöglichen, also rechtswidrigen Handlung verpflichtet; wenn diese Handlung aus tatsächli­ chen Gründen niemand ausführen kann oder wenn die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt wird, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht (z. B. zur Untreue nach § 266 StGB anstiftet), ist ein solcher Verwaltungsakt sogar nichtig (§ 44 Abs. 2 Nr. 4, 5 Hess.VwVfG). Der Auf­ fassung, dass nur Weisungen, die für die Gesellschaft nachteilig wären, als unverbindlich angesehen werden,2928 steht Gesellschaftsrecht als abschlie­ ßende Regelung entgegen,2929 in die Landesrecht mangels Gesetzgebungs­ kompetenz auch dann nicht mit kommunalrechtlichen Weisungsbefugnissen eindringen kann, wenn diese für die Gesellschaft objektiv vorteilhaft sind. Infolge der Rechtsnatur als belastender Verwaltungsakt gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied kann auf Landesrecht, das keine ausdrücklichen Wei­ sungsrechte vorsieht, sondern diese nur stillschweigend durch die jeweiligen Haftungsregelungen als zulässig unterstellt, eine kommunalrechtliche Wei­ sung gegenüber einem entsandten Aufsichtsratsmitglied nicht gestützt wer­ den.2930 Diese lässt sich auch nicht als Bestandteil eines öffentlich-rechtli­ chen Auftragsverhältnisses begründen, weil der Status als eigenverantwort­ liches Mitglied eines unabhängigen Überwachungsorgans gerade auftrags­ fremd ist. Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Einflussnahme der Kommune auf die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ergibt sich keine andere Beur­ teilung, da die Kommune mit der Wahl der privatrechtlichen Unternehmens­ form den Vorschriften des Gesellschaftsrechts unterliegt. Auch aus Art. 28 Abs. 2 GG kann kein gemeindlicher Anspruch abgeleitet werden, dass das Gesellschaftsrecht auf dem Weg einer „harmonisierenden“ Auslegung ent­ sprechend zurechtgeformt wird.2931 Abgesehen davon, dass das Verwal­ tungsprivatrecht in erster Linie das Außenverhältnis der Gesellschaft zum 2928  Westermann / Cronauge (Fußn.  411), 101 f.; Lieschke (Fußn.  2153), 64 m. w. N. in Fußn. 280. 2929  Püttner (Fußn. 2355), 751; Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 15. 2930  Nach Widtmann / Grasser et  al. (Hg.) (Fußn. 1339), Rdnr. 12 zu Art. 93 Bay­ GO könne aus der Verpflichtung zur Verankerung von Weisungsrechten in der Un­ ternehmenssatzung oder dem Gesellschaftsvertrag nicht geschlossen werden, dass Weisungen ohne Verankerung im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung generell unzulässig wären. Diese Auffassung bedarf allerdings im Hinblick auf die dargestell­ te Notwendigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Befugnisnorm für Weisungen gegenüber Mitgliedern von Aufsichtsräten einer Einschränkung. 2931  Püttner (Fußn.  2355), 751 m. w. N.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune511

Bürger oder zu Geschäftspartnern, also zu Dritten betrifft, besteht in der Literatur Einigkeit, dass die hieraus hergeleiteten Kontroll- und Einfluss­ möglichkeiten nicht gegen, sondern nur unter Ausnutzung der gesellschafts­ rechtlich gegebenen Spielräume umgesetzt werden können (wie z. B. durch Zweckprogrammierung der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags, durch Beherrschungsvertrag im Konzernrecht, Holdingstrukturen, Zustimmungs­ vorbehalte, Organ- und Gesellschafterbeschlüsse). Eine gesetzeskorrigieren­ de (das Gesellschaftsrecht modifizierende) Interpretation liefe der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht zuwider, wie der VGH Kassel zutreffend festgestellt hat. Die Gemeinde muss sich entweder vor der Ein­ gehung einer Beteiligung oder Gründung eines Unternehmens die gebotenen Kontrollrechte sichern oder davon Abstand nehmen.2932 Hieraus folgt, dass eine landesrechtliche Befugnisnorm auch an die von der Kommune entsandten Mitglieder eines Aufsichtsrats, unabhängig davon, ob er obligatorisch oder wie bei der mitbestimmungsfreien GmbH nur fa­ kultativ ist, keine weitergehenden Weisungen zulässt als Gesellschaftsrecht für Satzungsregelungen oder den Gesellschaftsvertrag ohnehin Spielräume gestattet.2933 Auch soweit kommunalgesetzliche Weisungsbefugnisse ausdrücklich vor­ gesehen sind, stehen sie, wie schon die nach Gesellschaftsrecht zulässigen Weisungsbefugnisse, unter dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt der Ver­ hältnismäßigkeit. Als Instrument der Unternehmenssteuerung für die Kom­ mune als „Legitimationsmittlerin“ muss eine Weisung zur sachlich-inhaltli­ chen Legitimation der Entscheidung des jeweiligen Unternehmensorgans gegenüber dem Wahlbürger erforderlich, geeignet und angemessen sein. Kommen für die Steuerung wirksamere Mittel in Betracht, wie etwa gesell­ schaftsrechtlich zulässige Weisungen an Mitglieder der Geschäftsführung einer GmbH durch eine Mehrheit der kommunalen Vertreter in der Gesell­ schafterversammlung, die den unabhängigen Überwachungsstatus von Auf­ sichtsratsmitgliedern nicht tangieren, so scheiden Weisungen auch an ent­ sandte Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot aus. (3) R  echtsnatur von Weisungen gegenüber Mitgliedern von Leitungsorganen Einzelne Gemeindeordnungen, wie in Hessen und Sachsen-Anhalt, sehen auch für die in Gesellschaften entsandten Mitglieder eines Leitungsor­ 2932  VGH 2933  So

Kassel v. 09.02.2012, 8 A 2043 / 10, DVBl 2012, 647, 650. im Ergebnis auch Lieschke (Fußn. 2153), 66.

512 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

gans2934 Weisungsbindungen und die Bindung an Beschlüsse kommunaler Gremien vor,2935 soweit Gesellschaftsrecht nicht entgegensteht. In Schles­ wig-Holstein fehlt sogar dieser Vorbehalt.2936 Im Vergleich zum Status von Aufsichtsratsmitgliedern trifft Gesellschafts­ recht für Leitungsorgane ausdrückliche Regelungen zu deren Status als Unternehmensorgan, dessen Amt im Gegensatz zum Aufsichtsratsmitglied nicht höchstpersönlicher Natur, wohl aber mit einem eigenen Aufgabenkreis ausgestattet ist. Mit ihrer Bestellung zum Unternehmensorgan erhalten auch entsandte Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft in gleicher Weise wie entsand­ te Mitglieder des Aufsichtsrats einen von ihrer Entsendungskörperschaft unabhängigen Status zur Ausübung der Leitungsfunktion, der sie nur noch organschaftlichen Pflichten gegenüber der Gesellschaft unterwirft. Dies gilt auch für nebenamtliche Mitglieder, die hauptamtlich in einem Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis zur Trägerkommune stehen.2937 Die Eigenverant­ wortlichkeit der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG schließt Weisungen explizit aus. Sie betreffen das Außenver­ hältnis des Leitungsorgans zur Gesellschaft.2938 Lediglich im Konzernver­ bund besteht durch einen Beherrschungsvertrag der Kommune als herr­ schendem Konzernunternehmen, soweit Landesrecht dies zulässt, ein unein­ geschränktes Weisungsrecht nach § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG.2939 Auch gegenüber dem Geschäftsführer einer GmbH mit fakultativem Auf­ sichtsrat sind unmittelbare Weisungsrechte der Kommune – wiederum abge­ sehen von einem durch Beherrschungsvertrag geschaffenen GmbH-Kon­ zern – ausschließlich durch entsprechende Ausgestaltung des Gesellschafts­ 2934  Bei Aktiengesellschaften muss das Entsendungsrecht in der Unternehmens­ satzung festgelegt sein (§ 101 Abs. 2 AktG). 2935  § 125 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 HGO, § 119 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 5 GO LSA und § 104 Abs. 2 i. V. m. § 25 Abs. 1 GO SH, vgl. hierzu Fußn. 2906. 2936  Zur verfassungsrechtlichen Problematik vgl. die Nachweise in Fußn. 2906. Weisungsbeschlüsse eines Gemeinderats müsste der Bürgermeister damit wegen ei­ nes Verstoßes gegen Gesellschaftsrecht ggf. beanstanden (vgl. Berger (Fußn. 2492), 830, im Hinblick auf die aus Art. 28 Abs. 2 GG abgeleitete umfassende Befugnis des Bürgermeisters zu kommunalrechtlicher Selbstkontrolle in Hessen). 2937  Siehe hierzu Fußn. 2851. 2938  Zutreffend VGH Kassel v. 04.05.2009, 8 B 304 / 09, UPR 2010, 106 f. für eine Anweisung an den Vorstand einer Aktiengesellschaft; so auch Strobel (Fußn. 2358), 79; a. A. Gaß (Fußn. 420), 382, der eine Trennung zwischen interner Bindung und unbeachtlicher Außenwirkung annimmt, soweit es sich um Beschäftig­ te der Kommunen handle. Dieser Auffassung wird aus den dargestellten Gründen nicht gefolgt. 2939  Siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 3.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune513

vertrags möglich (§ 52 Abs. 1 GmbHG) und nur über Weisungen an kom­ munale Vertreter in der Gesellschafterversammlung zulässig.2940 Die für entsandte Vorstände bestehenden Bestimmungen zu Weisungsbe­ fugnissen bzw. Weisungsbindungen in Hessen und Sachsen-Anhalt sind deshalb gesellschaftsrechtskonform eng auszulegen. Sie laufen leer, soweit Gesellschaftsrecht Weisungsfreiheit vorsieht oder Weisungsbefugnisse – wie bei der GmbH – Unternehmensorganen vorbehält. Auch soweit, wie in Hes­ sen, die Kommune selbst zulässigerweise herrschendes Unternehmen nach Vertragskonzernrecht sein kann, stellt § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG eine gesell­ schaftsrechtlich abschließende Sonderregelung für Weisungsbefugnisse und § 308 Abs. 2 AktG für Weisungsbindungen dar, die landesrechtliche Wei­ sungsbindungen für denselben Gegenstand mangels eigener Gesetzgebungs­ kompetenz ausschließt. Da in Sachsen-Anhalt eine Kommune nicht direkt herrschendes Konzernunternehmen sein darf,2941 sondern eine Holding zwischenschalten müsste, haben kommunalrechtliche Weisungsbefugnisse auch gegenüber Vorständen abhängiger Konzernunternehmen infolge der abschließenden Regelungen des vorrangigen Gesellschaftsrechts zurückzu­ stehen.2942 c) Zwischenergebnis zur Unternehmenssteuerung durch Weisungen Bei der Aktiengesellschaft beschränken sich die Weisungsbefugnisse auf Vertreter der Kommune in der Hauptversammlung, sofern nicht nach Lan­ desrecht ein Beherrschungsvertrag unmittelbar zwischen der Kommune als herrschendem Unternehmen und der abhängigen Gesellschaft geschlossen werden darf. Weisungen an von der Kommune entsandte Aufsichtsratsmit­ glieder sind dagegen ebenso ausgeschlossen wie gegenüber Vorstandsmit­ gliedern. Auch bei kommunal beherrschten mitbestimmten Aktiengesell­ schaften ist zwar die organisatorisch-personelle Legitimation des Vorstands bei mehrheitlicher Bestellung durch ihrerseits auf Veranlassung der Kom­ mune gewählte oder entsandte Aufsichtsräte sichergestellt. Die erforderliche sachlich-inhaltliche Legitimation von Entscheidungen des Vorstands einer Aktiengesellschaft kann dagegen nur noch rudimentär durch Zustimmungs­ vorbehalte des Aufsichtsrats für bestimmte Geschäfte und durch eine Veran­ kerung des öffentlichen Zwecks der Gesellschaft in der Unternehmenssat­ 2940  Engellandt, Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Kommunalaufsicht und der Kommunalparlamente in Gesellschaftsverträgen kommunaler Unternehmen, DÖV 1996, 71, 73 f.; Brenner (Fußn. 694), 246. 2941  § 117 Abs. 1 Nr. 6 GO LSA – vgl. Fußn. 2714. 2942  Brenner (Fußn. 694), 243.

514 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

zung gewährleistet werden.2943 Ohne Beherrschungsvertrag mit der Kommu­ ne direkt reichen die verbleibenden Weisungsbefugnisse zur laufenden Un­ ternehmenssteuerung wegen der auf Grundsatzentscheidungen beschränkten Befugnisse der Hauptversammlung nicht aus. Im Regelfall ist die Aktienge­ sellschaft damit zur Erfüllung kommunaler Aufgaben, die zum Kernbereich der Daseinsvorsorge zählen, ungeeignet und als Organisationsform nicht bzw. nur nachrangig für eine wirtschaftliche Betätigung auf Wettbewerbs­ märkten zur Herstellung von „Waffengleichheit“ mit privaten Konkurrenten sinnvoll, wie dies ein Großteil der landesrechtlichen Bestimmungen auch vorschreibt. Die Rechtsform der GmbH als Eigengesellschaft oder kommunal be­ herrschtem gemischtwirtschaftlichem Unternehmen ermöglicht dagegen eine wirksame Unternehmenssteuerung durch Weisungen der Kommune über ihre Vertreter in der Gesellschafterversammlung infolge des weitgehend dispositi­ ven Gesellschaftsrechts unter der Voraussetzung einer ausreichenden Konkre­ tisierung des öffentlichen Zwecks im Gesellschaftsvertrag. Aus der internen Entscheidungszuständigkeit des Gemeinderats folgt jedoch nicht die Kompe­ tenz zu dessen direkter Einwirkung auf Gesellschaftsorgane. Unmittelbare Eingriffsrechte für Beschlussorgane eines Gesellschafters können auch nicht durch den Gesellschaftsvertrag geschaffen werden, weil dadurch einerseits die Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstem Gesellschaftsorgan beeinträchtigt und andererseits die Kompetenz des gesetzlichen Vertreters der Kommune zur Außenvertretung verletzt würde.2944 Die Organrechte können deshalb nur durch entsprechende Weisungen an die Vertreter der Kommune in der Gesellschafterversammlung umgesetzt werden.2945 Auch ein obligatorischer Aufsichtsrat bei mitbestimmten GmbHs schränkt die umfassende gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnis der Gesellschaf­ terversammlung gegenüber der Geschäftsführung nicht ein. Gesellschafts­ recht steht auch nicht entgegen, wenn Vertretern der Kommune in der Ge­ sellschafterversammlung auf kommunal-(verfassungs-)rechtlicher Grundlage Weisungen erteilt werden. Weisungen der Kommune gegenüber Aufsichts­ ratsmitgliedern sind dagegen auch bei der GmbH unzulässig, soweit sie deren Überwachungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung tangieren. Zu sonstigen Aufgaben des Aufsichtsrates sind Weisungen an entsandte Mitglieder bei entsprechender Gestaltung des Gesellschaftsvertrags zwar möglich, aber im Regelfall zur Unternehmenssteuerung wegen direkter Wei­ sungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung durch die Mehrheitsver­ 2943  Siehe

hierzu die Darstellung in Kapitel 3 Abschnitt A. II. 2. (Fußn.  2870), 144 f. 2945  Zutreffend Engellandt (Fußn. 2940), 73 f.; a.  A. Nesselmüller (Fußn. 2156), 59 f. und Schäfer (Fußn. 2662), 104 f. für Eigengesellschaften. 2944  Habermehl



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune515

treter der Kommune in der Gesellschafterversammlung entbehrlich. Die Ausübung sowohl gesellschaftsvertraglich als auch kommunalrechtlich be­ gründeter Weisungsbefugnisse stellt damit auch gegenüber Mitgliedern des fakultativen Aufsichtsrats einen nicht erforderlichen hoheitlichen Eingriff in den höchstpersönlichen Status ihres Amtes dar und verletzt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Weisungsrechte gegenüber Organen öffentlich-rechtlicher Unternehmen in der Rechtsform des Eigenbetriebs oder eines vergleichbar organisierten Regiebetriebs gewährleisten die Steuerung und Kontrolle durch die Organe der Kommune umfassend. Bei der rechtlich selbstständigen Anstalt des öf­ fentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) gelingt bei einer entsprechenden Gestaltung der kommunalen Anstaltssatzung auch eine ausreichende Steue­ rung des Unternehmens über den Verwaltungsrat trotz der Zurückhaltung der jeweiligen Landesgesetzgebung zu gesetzlichen Weisungsrechten. Das Kommunalunternehmen stellt damit eine unter Steuerungsgesichtspunkten attraktive öffentlich-rechtliche Alternative zur GmbH dar, soweit nicht eine Beteiligung Privater an der Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben beab­ sichtigt ist, für die das Kommunalunternehmen selbst nur als Holding für Beteiligungsunternehmen zur Verfügung steht. 2. Sonstige Formen einer Einwirkung auf Unternehmensorgane Mit flankierenden vertraglichen Regelungen, wie Stimmrechtsbindungen, Konsortialvereinbarungen oder Konzessionsverträgen,2946 wird teilweise versucht, die Steuerungsdefizite, die sich bei Unternehmen in Privatrechts­ form durch eingeschränkte Weisungsbefugnisse der Kommune infolge zwin­ genden Gesellschaftsrechts ergeben, auszugleichen. a) Stimmbindungsverträge Aktionäre und auch die Gesellschafter der GmbH2947 sind grundsätzlich berechtigt, Stimmbindungsverträge untereinander und auch mit Nichtgesell­ schaftern abzuschließen.2948 Im Gesellschaftsvertrag der GmbH können Mehrstimmrechte oder stimmrechtslose Gesellschaftsanteile nach §  45 Abs. 2 GmbHG vereinbart werden.2949 Auch eine auf Dauer angelegte 2946  Spannowsky

(Fußn. 1954), 425. v. 29.05.1967, II ZR 105 / 66, BGHZ 48, 163, 166 f. 2948  Danwitz (Fußn. 517), 627. 2949  Schön (Fußn. 1177), 446 m. w. N. in Fußn. 101. 2947  BGH

516 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Stimmbindung in einem Konsortium ist nicht ungewöhnlich. Die Zulässig­ keit folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und für das Aktienrecht auch schon aus einem Umkehrschluss zu § 136 Abs. 2 AktG. Nicht unzu­ lässig ist danach die vertragliche Verpflichtung eines Kapitalgesellschafters, nach Weisung eines Mitgesellschafters abzustimmen.2950 Nichtig sind dage­ gen nur Verträge, durch die ein Aktionär sich verpflichtet, sein Stimmrecht nach Weisung der Gesellschaft bzw. ihrer Organe auszuüben. In der Praxis sind allerdings auch Stimmbindungsverträge, mit denen entsandte Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet werden, ihr Mandat in einer bestimmten Weise auszuüben und vor allem im Sinne des Entsendungsbe­ rechtigten zur Erreichung öffentlicher Zwecke abzustimmen, weit verbrei­ tet.2951 Als schuldrechtliche Verpflichtung lastet eine sich hieraus ergebende Befugnis zur Weisungserteilung während der gesamten Dauer des Aufsichts­ ratsmandats auf dem Status entsandter Aufsichtsratsmitglieder. Sie gerät damit ebenso wie punktuelle Weisungen in den grundsätzlichen Konflikt mit der Unabhängigkeit und Eigenverantwortung des Aufsichtsratsmitglieds. Von der überwiegenden Meinung der Literatur werden deshalb Stimmbin­ dungsverträge auch bei GmbH-Aufsichtsräten,2952 die über zulässige gesell­ schaftsrechtliche oder kommunalrechtliche Weisungen hinaus reichen, zu Recht als unzulässig und unwirksam angesehen.2953 Über die nur nachträg­ lich wirksamen Mittel der Nichtentlastung, Nichtwiederwahl oder vorzeiti­ gen Abberufung hinaus kann ein steuernder Einfluss auf Aufsichtsratsmit­ glieder durch einen Stimmbindungsvertrag damit rechtlich nicht abgesichert werden.2954 b) Zielvereinbarungen Die Doppelfunktion der Kommune als an Werterhalt und Wirtschaftlich­ keit interessierte (Mit-)Eigentümerin von Unternehmen und als Verantwort­ liche für deren öffentliche Aufgabenwahrnehmung im Interesse ihrer Bürger erfordert für die Beteiligungssteuerung kommunalpolitische Vorgaben zu Finanzzielen wie zu Fachzielen im Rahmen des Gesellschaftszwecks. Dabei 2950  BGH

v. 24.11.2008, II ZR 116 / 08, BGHZ 179, 13, 18 f. systematische Darstellung von Nebenverträgen zur Stimmbindung, ge­ spaltenen Stimmabgabe, Aufsichtsratsbesetzung und zur Besetzung des Vorstandes oder der Geschäftsführung findet sich bei Baumann / Reiss, Satzungsergänzende Ver­ einbarungen – Nebenverträge im Gesellschaftsrecht, ZGR 1989, 157 ff. 2952  Möller (Fußn. 379), 235. 2953  Mann (Fußn. 358), 208; Danwitz (Fußn. 517), 628 m. w. N. in Fußn. 124, der sie jedoch schon nicht für notwendig hält, weil er weitergehende Weisungsbefugnis­ se nach öffentlichem Recht als geeignete Steuerungsinstrumente anerkennt. 2954  Raiser (Fußn. 2154), 401. 2951  Eine



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune517

hängt es von der Rechtsform des Unternehmens ab, ob deren Umsetzung in Unternehmenskonzepte durch Zielvereinbarungen mit der Unternehmenslei­ tung zulässig ist. Bei der GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat kann die Geschäftsführung mit den Vertretern der Kommune als Allein- oder Mehrheitsgesellschafterin in der Gesellschafterversammlung nach allgemeiner Auffassung Zielverein­ barungen über das jährliche Arbeitsprogramm und den dafür zur Verfügung stehenden Finanzrahmen des Wirtschaftsplans schließen. Damit die Ergeb­ nisse einem Soll-Ist-Abgleich standhalten, müssen die Vereinbarungen klar formuliert und operationalisierbar sein.2955 Auch Vorgaben zum Benchmar­ king im Hinblick auf das Qualitätsmanagement und die Produktivität kön­ nen hierin getroffen werden.2956 Das Beteiligungsmanagement sollte den Prozess der Zielfindung begleiten, da die spätere Zielkontrolle zu deren Aufgaben zählt. Bei der Aktiengesellschaft und der GmbH mit obligatorischem Aufsichts­ rat sind dagegen Zielvereinbarungen zwischen dem Anteilseignerorgan und Vorstandsmitgliedern ausgeschlossen. Sie wären rechtlich als Bestandteil des Anstellungsvertrages zu qualifizieren, der für die Gesellschaft nach § 84 AktG mit dem Aufsichtsrat abgeschlossen wird. Auch die Aufsichtsratsmit­ glieder können die Rechte und Pflichten gegenüber der Gesellschaft nicht durch Vertrag mit einem Aktionär modifizieren2957 c) Konsortialvereinbarungen Bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen besteht nicht selten das Be­ dürfnis der öffentlichen Hand, außerhalb der Unternehmenssatzung durch Konsortialvertrag als Dauerabrede mit privaten Minderheitsgesellschaftern die künftige Firmenpolitik festzulegen und insbesondere zu regeln, ob künf­ tig neue Gesellschafter aufgenommen werden dürfen, welche Voraussetzun­ gen diese zu erfüllen haben und wie in solchen Fällen die Besetzung der Organe geregelt werden soll. Regelungen dieser Art wären in der Satzung einer Aktiengesellschaft unzulässig, soweit sie in die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats für die Besetzung des Vorstandes eingreifen würden.2958 2955  Deutscher

Städtetag (Fußn. 1929), 12. (Fußn.  411), 59 f. 2957  Raiser (Fußn. 2030), 354: Eine solche Bindung der Gesellschaft durch Ver­ trag mit der Kommune wäre als Beherrschungsvertrag nach Konzernrecht zu werten. 2958  Hommelhoff, Satzungsmäßige Eignungsvoraussetzungen für Vorstandsmit­ glieder einer Aktiengesellschaft, BB 1977, 322, 326, auch soweit in Konsortialver­ trägen Eignungsvoraussetzungen für die Person des Vorstandsmitglieds festgelegt werden, die in der Unternehmenssatzung unzulässig wären. 2956  Westermann / Cronauge

518 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Eine solche Konsortialabrede durch die Aktionäre wird jedoch als Einfluss­ möglichkeit des Mehrheitsaktionärs2959 auf die Personalpolitik für zulässig gehalten, weil dadurch der weisungsunabhängige Aufsichtsrat rechtlich nicht gehindert wäre, den „Wünschen“ der Aktionäre nicht zu entsprechen; aller­ dings könnte dies als wichtiger Grund eine Abberufung nach § 103 Abs. 1 AktG rechtfertigen.2960 Bei gemischtwirtschaftlichen Aktiengesellschaften, bei denen jeder der öffentlichen Anteilseigner für sich genommen nur Minderheitsgesellschafter ist, können die öffentlichen Anteilseigner durch eine rechtlich verbindliche Koordination ihrer Einflusspotenziale in Form eines Konsortialvertrags auch die Voraussetzungen für eine Beherrschung (Mehrmütterherrschaft) schaf­ fen.2961 Insgesamt wird man Konsortialverträge unter den genannten Voraus­ setzungen zwar für zulässig, aber für nicht notwendig zur Unternehmens­ steuerung ansehen müssen. d) Konzessionsverträge Hat ein Unternehmen es aufgrund eines Konzessionsvertrages übernom­ men, faktisch einen Teil der einer Kommune kraft öffentlichen Rechts ob­ liegenden gemeindlichen Pflichtaufgabe wahrzunehmen, so kann zwar bei einer Minderheitsbeteiligung der Kommune an dem Unternehmen von 23% noch nicht von einem beherrschenden Einfluss2962 ausgegangen werden, doch hat der BGH2963 angenommen, es unterliege insoweit auch den Bin­ dungen, die das öffentliche Recht für diese Art der öffentlichen Verwaltung dem jeweiligen Träger auferlegt. Konzessionsverträge können damit eine sachlich-inhaltliche Legitimation von Unternehmensentscheidungen auch 2959  BGH v. 07.06.1962, II ZR 131 / 61, WM 1962, 811 f. für den dort entschie­ denen Fall, bei dem der Mehrheitsaktionär den Aufsichtsrat ausschließlich mit Per­ sonen seiner Wahl besetzt und hiermit den Zweck verfolgt hat, das Anstellungsver­ hältnis eines Vorstandsmitglieds, das selbst eine größere Zahl Aktien besitzt, fristge­ mäß auslaufen zu lassen und die Wiederbestellung dieses Vorstandsmitglieds zu verhindern, um im Vorstand aufgetretene Spannungen zu beseitigen. 2960  Becker, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen 1. Aufl. 1997, 116. 2961  So beispielsweise der Konsortialvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt am Main für die Fraport AG, auch wenn das BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226, mehrheitlich einen solchen Konsortialvertrag oder die Sicherstellung eines sonstigen Interessengleichlaufs der öffentlichen Anteilseigner nicht als Voraussetzung für eine Beherrschung unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtsbindung der Aktiengesell­ schaft ansieht, (so aber das Minderheitsvotum von Richter Schluckebier, 269 f.). 2962  Koch (Fußn. 133), 99. 2963  BGH v. 24.09.1987, III  ZR  91 / 86, NVwZ-RR 1989, 388, 389 f.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune519

bei kommunalen Minderheitsbeteiligungen begründen. Das Recht zur Wege­ nutzung innerhalb einer Gemeinde umfasst jedoch nicht das Recht, auch auf die innere Struktur des konzessionierten Unternehmens einzuwirken.2964 Bei gesellschaftsrechtlich unzureichenden Einflussmöglichkeiten darf sich die Kommune nicht durch Konzessionsvertrag eine administrative Kontrolle mit betriebsrechtlichen Kompetenzen in dem Unternehmen verschaffen.2965 Der Konzessionsvertrag ist kein zulässiges Instrument zur Einflussnahme auf Unternehmensorgane des Konzessionärs. e) Informelle Einflussnahme auf Unternehmensorgane In der Praxis wird das Bedürfnis der örtlichen Politik nach Einflussnahme auf kommunale Unternehmenstätigkeit nur selten mit förmlichen Weisungen und nur in Sonderfällen durch vertragliche Absprachen erfüllt. Die in der juristischen Fachliteratur umfassend diskutierten Weisungsbefugnisse und deren Zulässigkeit gegenüber den jeweiligen Unternehmensorganen sind für den Konfliktfall zwischen der Kommune und ihren Unternehmen gedacht, der in der kommunalpolitischen Realität nach Möglichkeit durch informelle Einwirkungsmechanismen zwischen den im örtlichen Machtgefüge relevan­ ten Akteuren zu vermeiden versucht wird.2966 Deren informelle Einflussnah­ me vollzieht sich nicht selten jenseits der für Weisungen rechtlich zulässigen Inhalte und Grenzen des Gesellschafts- und des Kommunalrechts und lässt damit die Ergebnisverantwortlichkeit der Unternehmensorgane bewusst un­ angetastet. Raiser2967 konstatiert in diesem Zusammenhang: „Es scheint, dass sich das System seit Jahrzehnten auf solche Art selbst reguliert, weil der Einfluss, den die öffentliche Hand auf die Unternehmen auszuüben vermag, den politi­ schen Bedürfnissen genügt, ohne die aktienrechtliche Ordnung zu sprengen. Wenn nicht alles trügt, steht in diesem System aber das Weisungsrecht der Gemeinden gegenüber ihren Vertretern im Aufsichtsrat auf dem Papier. Nor­ malerweise braucht es nicht in Anspruch genommen zu werden. Würde es 2964  Schäfer

(Fußn. 2662), 118. (Fußn. 420), 422 m. w. N. in Fußn. 356; siehe hierzu auch in diesem Kapitel Abschnitt A. II. 3. c) aa). 2966  Regelmäßige Gespräche der Unternehmensleitung mit dem Bürgermeister vor einer Entscheidung über geplante Projekte des Unternehmens, nicht selten unter Beteiligung von Fraktionsvorsitzenden der im Gemeinderat vertretenen Parteien und Wählergruppen sowie Einladungen zu Fraktionssitzungen zur Erläuterung beabsich­ tigter Vorhaben gehören zum Alltag. Dabei erwarten die kommunalen Gesprächs­ partner als Selbstverständlichkeit, dass die geäußerten Wünsche und Bedenken als politische Vorgaben beachtet werden. 2967  Raiser (Fußn. 2154), 403. 2965  Gaß

520 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

aber zum manifesten Konflikt zwischen Gemeinde und Unternehmen kom­ men, könnte es nicht geltend gemacht werden, schon weil die Gemeinde auch die daraus folgende Schadensersatzpflicht zu scheuen hätte.“ Diese zutreffende Analyse kommunalpolitischer Handlungsweisen über­ deckt allerdings die grundsätzliche Problematik, die mit informeller politi­ scher Einflussnahme auf die Unternehmen entstehen kann. Die Ursachen für diese Vorgehensweise beruhen häufig bereits auf Gestaltungsdefiziten in der Phase der Unternehmensgründung oder Beteiligung. Hierzu zählen Ver­ säumnisse bei der Einrichtung und Ausgestaltung von Steuerungsinstrumen­ ten für die politische Spitze der Kommune wie der frühzeitige Aufbau eines wirksamen Beteiligungsmanagements oder die konkrete Verankerung des mit dem Unternehmensgegenstand verfolgten öffentlichen Zwecks in der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag. Idealerweise sollte zu diesen Instru­ menten auch die Implementierung der Transparenzgrundsätze eines Public Corporate Governance Kodex durch die Unternehmensorgane zählen,2968 obwohl diesem Instrument der Selbstregulierung die Befugnis zur Nichtbe­ folgung durchaus immanent ist.2969 Nicht selten fehlt auch eine politische Festlegung lang- und mittelfristig verbindlicher Ziele für die unternehmerische Betätigung der Kommune, weil der Zielhorizont durch das nachvollziehbare Bestreben bestimmt wird, zu politischen Wahlversprechen innerhalb der jeweiligen Amtsperiode Er­ gebnisse präsentieren zu können. Durch instabile und wechselnde Mehr­ heitsverhältnisse in der kommunalen Volksvertretung können selbst ur­ sprünglich einvernehmlich festgelegte Unternehmensziele während einer Wahlperiode maßgeblich verändert oder ganz aufgegeben werden.2970 Ein hieraus entstehendes Machtvakuum durch fehlende politische Steuerungsfä­ higkeit wird nicht selten durch vorwiegend am wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtete eigene Ziele der Unternehmensleitung durch Ersatzprojekte ausgefüllt, um vorhandene Personal- und Kapazitätsressourcen sinnvoll zu 2968  Siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung in Kapitel 3 Abschnitt A. II. und B. II. 1. a). 2969  Habersack, Möglichkeiten und Grenzen staatlicher und halbstaatlicher Ein­ griffe in die Unternehmensführung, NJW 2012, Beilage 3, 94, 95. 2970  Beispielsweise kann der Wechsel eines einzelnen Mitglieds des Gemeinderats zu einer anderen politischen Gruppierung dazu führen, dass infolge dadurch geän­ derter Mehrheitsverhältnisse bereits begonnene Infrastrukturprojekte kommunaler Unternehmen ungeachtet der bislang entstandenen Planungs- und Investitionskosten nicht mehr weiterverfolgt werden können, weil erforderliche Planungsentscheidun­ gen der Kommune für diese Projekte (z. B. die Ausweisung von Gewerbegebieten, die Errichtung dezentraler regenerativer Energieerzeugungsanlagen oder Vorhaben des sozialen Wohnungsbaus selbst auf unternehmenseigenen Grundstücken) nicht mehr getroffen werden.



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune521

nutzen. Da kommunale Unternehmen in Privatrechtsform nicht wie die zentralisierte öffentliche Verwaltung auf die politische Unabhängigkeit des Berufsbeamtentums zurückgreifen können, schärft die den Leitungsorganen der Unternehmen verliehene „Macht auf Zeit“2971 naturgemäß deren Blick für die Zeit danach. Die Verschleierung offenbarungsbedürftiger Zielkon­ flikte mit den Entscheidungsträgern der Kommune und deren jeweiligen Absichtserklärungen wird dadurch Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie. Kompromisse zwischen lokalpolitischen Machbarkeitsvorstellungen kom­ munaler Mandatsträger und den auf Fachkunde beruhenden Erkenntnissen über die wirtschaftlichen Unternehmenserfordernisse führen nicht selten zu suboptimalen Betriebsergebnissen. Die vom Gesellschaftsrecht den Unter­ nehmensorganen und vom Kommunalrecht den politisch verantwortlichen Mandatsträgern gegenüber dem Wahlbürger zugewiesenen unterschiedlichen Verantwortungsbereiche werden verwischt. Die Willensbildung der Unter­ nehmensorgane wird von Entscheidungsmechanismen mitgeprägt, die dem Grundsatz der Publizität entgegenwirken und damit die durch das Demokra­ tie- und das Rechtsstaatsprinzip gebotene Transparenz sowohl der Entschei­ dungsfindung als auch die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsergebnisse beeinträchtigen.2972 Finanzielle Schieflagen des Unternehmens als Spätfolge informeller politischer Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen durch dazu nicht berufene Akteure müssen schließlich mit öffentlichen Haushaltsmitteln ausgeglichen werden. Auf diese Weise wird das sich selbst regulierende System erneut stabilisiert. Die geschilderten Folgen informeller Einflussnahme verdeutlichen die rechtliche Fragwürdigkeit einer Missachtung der gesellschaftsrechtlichen Grenzen kommunaler Ingerenzrechte gegenüber den eigenen Kompetenzen der Unternehmensorgane vor allem im operativen Geschäft. Die Verantwort­ lichkeit der kommunalen Entscheidungsgremien und damit verbundene Haf­ tungsfolgen werden auf die Unternehmensorgane verlagert, die sich im Re­ gelfall dieser Form politischer Einflussnahme nur schwer entziehen können.

2971  Den Begriff verwendet der VGH Kassel v. 09.02.2012, 8 A 2043 / 10, DVBl 2012, 647, 650. 2972  BVerfG v. 05.11.1975, 2 BvR 193 / 74, BVerfGE 40, 296, 327: Das demokra­ tische und rechtsstaatliche Prinzip (Art. 20 GG) verlangt, „daß der gesamte Willens­ bildungsprozeß für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Denn dies ist die einzige wirksame Kontrolle. Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht mög­ lich.“

522 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

3. Inhaltliche Grenzen steuernder Einwirkung auf Unternehmen Die steuernde Einwirkung der Kommunen auf ihre rechtlich selbstständi­ gen Unternehmen stößt in verschiedener Hinsicht an rechtliche Grenzen: Das Organisationsrecht des jeweiligen Unternehmens stellt eine erste Hürde bereits für die Beschaffung steuerungsrelevanter Informationen von den zu grundsätzlicher Verschwiegenheit verpflichteten Unternehmensorga­ nen dar. Ein Einfallstor für den Zugriff auf die benötigten Informationen bietet die konkrete Ausgestaltung des öffentlichen Zwecks im Gesellschafts­ vertrag, dem das Unternehmen zur Aufgabenwahrnehmung zu dienen hat. Dabei bestimmt dessen Rechtsform darüber, ob es sich um ein weit geöff­ netes Informationsportal handelt, wie beim Kommunalunternehmen und der GmbH als Eigengesellschaft mit fakultativem Aufsichtsrat, oder um ein Nadelöhr, wie bei der Minderheitsbeteiligung an einer mitbestimmten Akti­ engesellschaft als gemischtwirtschaftlichem Unternehmen. Bei letzterer hindert bereits der den Aktionären nur in homöopathischen Dosen mögliche Informationszugriff über die Hauptversammlung eine wirksame Einfluss­ nahme auf die Steuerung der Gesellschaft.2973 Bei privatrechtlich organisierten Unternehmen begrenzen zwingende ge­ sellschaftsrechtliche Organisationsstrukturen eine direkte kommunale Ein­ flussnahme auf Entscheidungen von Unternehmensorganen durch Weisungen oder Richtlinien selbst dort, wo ausnahmsweise durch Berichtspflichten die Weitergabe steuerungsrelevanter Informationen an Organe der Kommune gestattet ist. In diesen Fällen sind Eignung, Erforderlichkeit und Angemes­ senheit der Organisationsform am Maßstab der jeweiligen Aufgabe zu prü­ fen. Bleiben die Ingerenzbefugnisse hinter den Ingerenzpflichten zurück, erfordert die dadurch entstehende Ausdünnung des Legitimationsniveaus ergänzende Kontrollmöglichkeiten oder den Verzicht auf die gewählte Rechtsform.2974 Bei Beteiligungsgesellschaften sollte, soweit Gesellschafts­ recht dies gestattet, die Durchsetzbarkeit von Einwirkungsregelungen auf die innere Struktur des Unternehmens bereits zur Voraussetzung für eine Unternehmensbeteiligung gemacht werden.2975 Weitere Einschränkungen der Ingerenzbefugnisse ergeben sich aus den Gegenständen und Inhalten von Weisungen. Eingriffe in das operative Ge­ schäft der Unternehmensleitung bergen die Gefahr, dass anstelle der Sorgfalt 2973  Siehe

hierzu die Ausführungen in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. wird auf die vorstehende Darstellung in Abschnitt B. II. 1. b) und 2. sowie auf die nachstehenden Ausführungen in Abschnitt C. verwiesen. 2975  Gaß (Fußn. 420), 358 f. und Fußn. 41: Kraft (Fußn. 2306), 21; Engel (Fußn. 2148), 264. 2974  Dazu



B. Unternehmenssteuerung durch Einwirkung der Kommune523

eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG) die Durchsetzung politischer Wunschvorstellun­ gen zum Maßstab guter Unternehmensführung erhoben wird.2976 Die Imple­ mentierung von Public Corporate Governance Kodizes (PCGK) durch die Unternehmensorgane und die Selbstbindung der Kommune zur Beachtung dieser Grundsätze können solchen Neigungen entgegenwirken.2977 Auch das Lauterkeitsrecht des UWG hält bei steuernder Einflussnahme auf geschäftliche Handlungen kommunaler Unternehmen im Wettbewerb mit Privaten erhebliche Fallstricke bereit. Soll durch kommunale Vorgaben zur Preisgestaltung eine Absatzförderung des eigenen Unternehmens be­ zweckt werden, liegt die Gefahr nahe, dass hoheitliche Weisungsbefugnisse des Kommunalrechts mit erwerbswirtschaftlichen Unternehmenszielen un­ zulässig verquickt werden. Für die Kommune besteht hierbei die Pflicht zu maßvoller Interessenvertretung.2978 Sie kann dadurch auch ein nach Landes­ recht ggf. unzulässiges faktisches Konzernverhältnis mit entsprechenden Haftungsfolgen2979 vermeiden. Das unionsrechtliche Wettbewerbsrecht mit seinen flankierenden Rege­ lungen des Beihilfe- und des Vergaberechts bestimmt sowohl bei „Dienst­ leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ als auch bei zuläs­ siger Erwerbswirtschaft kommunaler Unternehmen maßgeblich die Grenzen der Einwirkungsbefugnisse der Kommune. Jede Begünstigung durch Einsatz öffentlicher Mittel, wie beispielsweise die Gewährung zinsgünstiger Gesell­ schafterdarlehen, Gewerbesteuer-Stundungen oder eine Kapitalerhöhung aus Vermögen der Kommune, laufende Zuschüsse zur Aufrechterhaltung des Betriebs eines dauerdefizitären Unternehmens, aber auch die Anstaltslast bei Kommunalunternehmen, sind ungeachtet sektoraler Lockerungen, wie etwa durch den Rechtsrahmen für den allgemeinen ÖPNV,2980 anhand der Alt­ mark-Trans-Kriterien des EuGH und der Vorgaben der Europäischen Kom­ 2976  So kann eine Kommune auch bei einer mehrheitlich beherrschten GmbH über ihre Vertreter in der Gesellschafterversammlung zwar beschließen, dass das Unternehmen jährlich in bestimmtem Umfang Gewinne an den kommunalen Haus­ halt auszuschütten habe und mit erheblichem eigenem Investitionsbedarf begründete Gegenvorstellungen der Geschäftsführung durch Weisung übergehen. Wenn dadurch nicht auch den Belangen der Mitgesellschafter entsprochen wird und Gläubigerinte­ ressen vernachlässigt werden, kann diese planmäßige „Aussaugung“ der Gesellschaft auch deren „good will“ nachhaltig beschädigen. 2977  Auf die Darstellung in Kapitel 3 Abschnitt A. II. 3. wird Bezug genommen. 2978  Siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt B. II. 3. 2979  Vgl. Fußn 2714 und Kapitel 4 Abschnitt A. II. 3. b) bb): umfassendes Schä­ digungsverbot. 2980  Siehe hierzu die Darstellung der Sektorenregelung in Kapitel 2 Abschnitt C. IV.

524 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

mission (Almunia-Paket) rechtfertigungsbedürftig.2981 Eine vergleichbare Problematik stellt sich bei der Aufrechterhaltung nicht erforderlicher Mono­ pole und der Gewährung von ausschließlichen Rechten oder strukturpoli­ tisch begründeten Kapitalbeteiligungen an gemischtwirtschaftlichen Unter­ nehmen.2982 Besonders problematisch ist die nicht gerade seltene Praxis von Kommu­ nen, durch Dienstleistungsaufträge oder Dienstleistungskonzessionen „im Allgemeininteresse“ liegende „nicht gewerbliche öffentliche Aufgaben“ auf von ihnen beherrschte, aber nicht in-house-fähige Unternehmen ohne diskri­ minierungsfreies und transparentes Vergabeverfahren zu verlagern.2983 In diesen Fällen ist fraglich, ob die Kommune bei der Auftragserteilung noch privatrechtlich als Nachfragerin am Markt tätig ist oder bereits hoheitlich als Trägerin öffentlicher Gewalt auf das von ihr beherrschte Unternehmen einwirkt.2984 Zusammenfassend unterliegen die gesellschaftsrechtlich und kommunal­ rechtlich zulässigen Einwirkungsrechte auf die Unternehmensorgane zur laufenden Unternehmenssteuerung zusätzlichen inhaltlichen Schranken, die sich bei Unternehmen im Wettbewerb aus den Vorschriften des Lauterkeits­ rechts, dem unionsrechtlichen Wettbewerbsrecht und den beihilferechtlichen Regelungen sowie dem Vergaberecht ergeben. Das den Kommunen zur Verfügung stehende Instrumentarium zur Ein­ flussnahme auf ihre Unternehmen und Beteiligungen erschöpft sich aber nicht nur in Weisungen und Richtlinien für eine die laufende Tätigkeit der Unternehmen begleitende Einwirkung. Durch nachträgliche Kontrollinstru­ mente kann die künftige Handlungsweise der Organe korrigiert und die Erfüllung des öffentlichen Zwecks der wahrzunehmenden Aufgabe neu justiert werden.

2981  Auf Kapitel 2 Abschnitt C. II. wird verwiesen; vgl. auch Häußermann (Fußn.  2824), 148 ff. 2982  Becker (Fußn. 2960), 175, 183 f.; vgl. auch EuGH v. 21.03.1991, C-305 / 89, Slg. 1991, I-01603, 1640. 2983  So werden Kapazitätsengpässe bei der Personalausstattung kommunaler Bau­ abteilungen gelegentlich zum Anlass genommen, eine kommunal beherrschte ge­ mischtwirtschaftliche Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluss zu verpflichten, im Namen und auf Rechnung der Kommune Erschließungsleistungen, eine Baubetreu­ ung kommunaler Immobilien oder die schlüsselfertige Errichtung von Infrastruktur­ einrichtungen zu übernehmen, ohne die Beauftragung in einem transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahren auszuschreiben. 2984  Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2 Abschnitt C. III. 1. a) und b).



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung525

C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung Als Korrelat zur relativen Freiheit und Eigenverantwortlichkeit der Orga­ ne dezentralisierter Verwaltungseinheiten2985 fordert das Demokratieprinzip zur sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation, dass der Zusammen­ hang zwischen der Entscheidungskompetenz der Unternehmensorgane und der Verantwortlichkeit nicht aufgehoben wird,2986 und das Rechtsstaatsprin­ zip verlangt, dass die rechtsstaatliche Qualität staatlicher Motivation im Sinne einer allein aufgabenorientierten, „gerechten“ Aufgabenerfüllung ge­ wahrt bleibt.2987 Neben einer klaren und transparenten Aufgabenzuordnung an die Unternehmensorgane2988 muss deshalb auch durch geeignete Kontrol­ linstrumente bei kommunaler Wirtschaftstätigkeit die Verantwortung des Aufgabenträgers gegenüber dem Souverän sichergestellt sein. Im Gegensatz zu den unternehmenseigenen Kontroll- und Aufsichtsorga­ nen wirken die Kontrollinstrumente der Kommunalaufsicht und der Prü­ fungsorgane extern auf die Unternehmen ein. Die Kommunalaufsicht dient bereits bei der Rechtsformwahl neben der Rechtsbewahrungs- und Ord­ nungsfunktion2989 vor allem dem Schutz der Kommune vor den Risiken wirtschaftlicher Aktivitäten2990 durch präventive Anzeige- oder Genehmi­ gungspflichten. Zusätzlich zur Trägerkommune ist die selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) ein eigenes Objekt der Aufsicht, so dass die Aufsichtsbehörde bei den das Unternehmen betreffen­ den Maßnahmen nicht den Umweg über die Gemeinde gehen muss.2991 Privatrechtlich organisierte Unternehmen unterliegen dagegen nicht selbst der Kommunalaufsicht,2992 so dass die Kommunalaufsichtsbehörden ihre Aufsichtsrechte nur indirekt durch Einflussnahme auf die Kommune als 2985  BVerfG v. 23.01.1957, 2 BvF 3 / 56, BVerfGE 6, 104, 118; BVerfG v. 21.06.1988, 2 BvR 602 / 83, 2 BvR 974 / 83, BVerfGE 78, 331, 341. 2986  Mann (Fußn. 358), 86. 2987  Steiner (Fußn.  527), 272 f. 2988  Häußermann (Fußn. 2824), 130. 2989  Brüning, Zur Reanimation der Staatsaufsicht über die Kommunalwirtschaft, DÖV 2010, 553, 556. 2990  Ruffert (Fußn. 1164), 30. 2991  Schulz (Fußn. 445), 133. 2992  Vgl. aber SächsVerfGH v. 20.05.2005, Vf. 34-VIII-04, NVwZ 2005, 1057 ff., der in der Verpflichtung der Gemeinden nach § 96 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 2a Sächs­ GemO, der überörtlichen Prüfungsbehörde die Prüfung der Haushalts- und Wirt­ schaftsführung von gemeindlichen Unternehmen in Privatrechtsform zu ermöglichen, keine Verletzung der verfassungsrechtlich nur eingeschränkt gewährleisteten Organi­ sationshoheit sieht.

526 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Gesellschafterin bzw. Aktionärin wahrnehmen können.2993 Gesellschafts­ rechtlich unzulässig sind auch Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Kom­ munalaufsicht, da deren Einräumung zugunsten Dritter, die nicht Mitglieder eines Gesellschaftsorgans sind, mit dem „Selbstbestimmungsrecht der Ge­ sellschafter“ unvereinbar wäre.2994

I. Umfang und Grenzen der Kommunalaufsicht Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG ist auch die Grund­ lage der Kommunalaufsicht, weil im Rechtsstaat Selbstverwaltung ohne Staatsaufsicht nicht denkbar ist. Sie gewährleistet die Wahrung des Rechts, sichert den Vorbehalt und den Vorrang des Gesetzes auf kommunaler Ebene ab und sorgt dafür, dass die Selbstverwaltung die Grenzen ihrer in der Be­ troffenenpartizipation wurzelnden Legitimation2995 nicht missachtet.2996 Da es sich bei den Aufgaben der örtlichen Daseinsvorsorge in der Leis­ tungsverwaltung durchwegs um Angelegenheiten des eigenen Wirkungskrei­ ses handelt,2997 und zwar auch, soweit sie für die Gemeinden Pflichtaufga­ ben sind, wie etwa die Abfallentsorgung, beschränkt sich die Kommunalauf­ sicht auf eine Rechtskontrolle. Diese umfasst sowohl präventive Maßnahmen in Form von Anzeige- oder Genehmigungsvorbehalten2998 als auch die Ins­ trumente repressiver Aufsicht, wie das Unterrichtungsrecht, die Beanstan­ dung, die Ersatzvornahme und die Bestellung eines Beauftragten.2999 Die Kommunalaufsicht des Staates begründet den Gemeinden gegenüber Amtspflichten zur sachgemäßen Ausübung der Aufsicht, weil dadurch auch die Interessen der Gemeinden gefördert oder geschützt werden sollen. Auf deren Belange ist deshalb gebührend Rücksicht zu nehmen.3000 Dabei steht der Pflicht des Staates zu selbstverwaltungsfreundlichem Verhalten nach den Grundsätzen der Opportunität und der Verhältnismäßigkeit die Pflicht 2993  Engellandt

(Fußn. 2940), 73. Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen 1970, 181 ff., 191. 2995  BVerfG v. 12.07.1960, 2 BvR 373 / 60 u. a., BVerfGE 11, 266, 275 f.; BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 150; BVerfG v. 26.10.1994, 2 BvR 445 / 91, BVerfGE 91, 228, 244. 2996  Ruffert (Fußn. 1164), 30 f. m. w. N. in Fußn. 20. 2997  Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2 Abschnitt A. III. 2998  Vgl. Art. 96 BayGO, § 77 KV M-V, § 118 KSVG, § 123, 116 Abs. 6 GO LSA, §§ 72, 73 ThürKO, § 100 BbgKVerf, § 152 NKomVG, § 97 SächsGemO, § 101 Abs. 3 GO SH, §§ 107 Abs. 3 und Abs. 4, 107a Abs. 3 und 115 GO NRW, § 85 Abs. 6 Satz 1 GemO Rhl-Pf. 2999  Brüning (Fußn. 2989), 555. 3000  BGH v. 12.12.2002, III ZR 201 / 01, NJW 2003, 1318, 1319. 2994  Teichmann,



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung527

der Kommune zu Staatstreue gegenüber. Für Maßnahmen der Rechtsauf­ sicht ist eine Rechtsverletzung durch die Kommune Voraussetzung und zugleich Grenze.3001 1. Kommunalaufsicht bei Unternehmensgründung und Beteiligung Die Rechtsbewahrungs- und die Schutzfunktion der Aufsicht gegenüber der Gemeinde3002 fordern, dass bereits der Entscheidungsprozess der Kom­ mune zur Unternehmensgründung oder Beteiligung im Rahmen der Anzei­ ge- bzw. Genehmigungspflichten aufsichtlicher Kontrolle unterworfen ist. Hierzu gehören die Einhaltung und rechtliche Absicherung des mit dem Unternehmen verfolgten öffentlichen Zwecks örtlich radizierter Wirt­ schaftstätigkeit im Gesellschaftsvertrag bzw. der Unternehmenssatzung ebenso wie die Beachtung der Leistungsfähigkeitsgrenzen und der landes­ rechtlichen Subsidiaritätsklauseln, die als „Funktionssperre“ vorrangig dem Schutz der Kommune dienen.3003 Erforderlichkeit, Eignung und Angemessenheit der von der jeweiligen Aufgabe abhängigen Organisations- und Handlungsform des Unternehmens sind im Rahmen der verfassungsrechtlichen und kommunalrechtlichen so­ wie der unionsrechtlichen Grenzen unter Beachtung der Einschätzungsprä­ rogative der Kommune3004 und ihres weiten Organisationsermessens gleich­ falls einer präventiven aufsichtlichen Würdigung zugänglich, um Zielkon­ flikte mit der Erfüllung des öffentlichen Zwecks zu vermeiden3005 und auf die Einhaltung der Grenzen des kommunalen Bewertungsspielraums insbe­ sondere bei einer geplanten Betätigung in den Bereichen der Arbeitsmarktund Sozialpolitik oder der Standortsicherung zu achten.3006 Damit steht die Kommunalaufsicht nicht nur öffentlich-rechtlichen Organisationsformen mit präventiver Kontrolle über gemeindliches Wirtschaften zur Verfügung. Sie kann auch zur Auswahl einer für die öffentliche Aufgabe angemessenen steuerungsfähigen Rechtsform privatrechtlicher Gesellschaften beitragen. 3001  Brüning

(Fußn. 2989), 556. Die Staatsaufsicht über die Gemeinden und Kreise (Kommunal­ aufsicht), in: Mann / Püttner / Elvers (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Grundlagen und Kommunalverfassung, 2007, 217, 221 f.; vgl. auch Art. 83 Abs. 4 Satz 4 BV: „Der Staat schützt die Gemeinden bei Durchführung ihrer Aufgaben.“ 3003  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt B. I. 3004  BVerwG v. 22.02.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329, 333. 3005  Auf die Darstellung in Kapitel 3 Abschnitt B. I. und II. wird verwiesen. 3006  Ruffert (Fußn. 1164), 41. 3002  Knemeyer,

528 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Damit lassen sich künftige Ingerenzdefizite infolge einer gesellschaftsrecht­ lich determinierten „Legitimationsverdünnung“ durch frühzeitige Beratung vermeiden und im Konfliktfall ein Verzicht der Kommune auf ungeeignete Organisationsformen mit repressiven Aufsichtsmaßnahmen durchsetzen. 2. Unternehmensbegleitende Kommunalaufsicht Während Anzeige- und Genehmigungspflichten vor der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit durch die Kommune der Kommunalaufsicht ausreichende Kontrollkompetenzen einräumen, reduziert sich ein Zugriff der Aufsichtsbehörden nach Unternehmensgründung oder Beteiligung deut­ lich.3007 Bei der Kontrolle der laufenden Geschäftstätigkeit stehen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als allgemeine gemein­ dehaushaltsrechtliche Grundsätze im Vordergrund3008 und die überörtliche Rechnungsprüfung tritt neben die Kommunalaufsicht.3009 Schwierigkeiten bereitet zudem der rechtlich unbestimmte Wirtschaftlich­ keitsbegriff, der als formales Prinzip nur die Art der Durchführung be­ stimmter Handlungen betrifft. Wirtschaftlichkeit und Effizienz werden in der Ökonomie zwar häufig als Synonyma verwendet, aber Effizienz bezieht auch außerökonomische Zweckmäßigkeiten mit ein.3010 Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und das Sparsamkeitsprinzip als dessen Unterfall zielen darauf ab, ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen Res­ sourceneinsatz und Nutzen zu erreichen.3011 Als Rechtsprinzip lässt sich der Grundsatz eher graduell in Abhängigkeit von einem normativ vorgegebenen Ziel verwirklichen. Dieses aber wird durch externe Parameter bestimmt, die ihrerseits im politisch-staatsrechtlichen Bereich durch individuelle Wertun­ gen aufgeladen werden können.3012 Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz konsti­ 3007  Henneke, Das Recht der Kommunalwirtschaft in Gegenwart und Zukunft, NdsVBl 1999, 1. 3008  Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip 1988, 105 f. 3009  Ruffert (Fußn. 1164), 48, Fußn. 109: Wieland, Staatliche Finanzkontrolle im Bereich kommunaler Selbstverwaltung, DVBl 1999, 1470, 1471 f. 3010  Chmielewicz / Eichhorn (Fußn. 2311), 1795 ff., 1802. 3011  Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist damit Ausdruck des allgemeinen Ratio­ nalitätsprinzips, das namentlich die methodische Seite normativer Direktiven heraus­ hebt und in diesem Sinne auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit abstellt. Das Rationalitätsprinzip gründet sich auf die Gemeinwohlverpflichtung des Staates, die ihn nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG zum Dienst am Menschen anhält und nicht um­ gekehrt den Menschen zum Dienst am Staat (vgl. Gröpl (Fußn. 365), Rdnr. 9); BVerfG v. 21.09.1976, 2 BvR 350 / 75, BVerfGE 42, 312, 332; BVerfG v. 08.08.1978, 2 BvL 8 / 77, BVerfGE 49, 89, 132. 3012  Gröpl (Fußn. 365), Rdnr. 10.



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung529

tuiert damit ein spezifisches Verhältnismäßigkeitsprinzip in finanzieller Aus­ prägung.3013 Während der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG nur als Prüfungsmaßstab für den Bundesrechnungshof formuliert ist, entfaltet er Bindungswirkung für alle Gewalten dort, wo bei der Ausle­ gung von Gesetz und Recht Spielräume bestehen.3014 Eine aufsichtliche Prüfung der laufenden Geschäftstätigkeit gestaltet sich vor allem durch das Fehlen geeigneter Vergleichsmaßstäbe mit der Privat­ wirtschaft schwierig, weil öffentliche „meritorische“ Güter und „soziale“ Kosten öffentlicher Wirtschaftstätigkeit häufig nicht in Geld quantifizierbar sind.3015 Auch die von den Landesgesetzgebern verwendeten Abgrenzungs­ kriterien „besser“ oder „ebenso gut und wirtschaftlich“ sind als Vergleichs­ maßstäbe ungeeignet.3016 Hinzu kommt, dass nicht jede unternehmerische Einzelentscheidung rechtsaufsichtlich daraufhin überprüft werden kann, ob sie ein Privater besser hätte treffen können.3017 Einer solchen Kontrolldich­ te von Wirtschaftlichkeitsentscheidungen stünde zudem die Eigenverant­ wortlichkeitsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG entgegen. Die Kommunalauf­ sicht hat sich vielmehr schon aus Gründen der Praktikabilität und eigener Kapazitätsgrenzen am Kriterium der Erforderlichkeit anlassbezogenen Ein­ greifens in die laufende Geschäftstätigkeit kommunaler Unternehmen mes­ sen zu lassen. Zur Beschaffung der hierfür erforderlichen Informationen steht ihr ein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtetes Informa­ tionsrecht3018 zu, das ihr nicht die Kompetenz zur Ausforschung durch vollständige Überwachung oder Einmischung in eigenverantwortlich zu treffende Entscheidungen gibt.3019 Bei einer transparenten Konzeption der Kommune für eine an den Grund­ sätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ausgerichtete Unternehmens­ 3013  Gröpl (Fußn. 365), Rdnr. 12: VerfGH Münster v. 02.09.2003, 6 / 02, DÖV 2004, 121; Kirchhof, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, NVwZ 1983, 505, 514: jedenfalls ist dem Wirtschaftlich­ keitsgebot das Erfordernis zu entnehmen, ein bestimmtes Ziel mit dem geringstmög­ lichen Einsatz von Mitteln zu erreichen (vgl. VerfGH Koblenz, NVwZ-RR 1998, 145, 149; Gröpl, a.  a.  O., Art. 110 Rdnr. 141; v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S.  19 f.). 3014  Gröpl (Fußn. 365), Rdnr. 16 ff. 3015  Gröpl (Fußn. 365), Rdnr. 25. 3016  Siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt B. I. 4. und 5. 3017  Ruffert (Fußn. 1164), 48. 3018  Vgl. § 120 GemO BW, Art. 111 BayGO, § 112 BbgKVerf, § 137 HGO, §§ 80, 168 Abs. 1 KV M-V, § 172 NKomVG, § 121 GO NRW, § 120 GemO Rhl-Pf, § 129 Saarl.KSVG, §§ 113, 112 Abs. 1 SächsGemO, § 135 GO LSA, § 122 GO SH und § 119 ThürKO. 3019  Ruffert (Fußn.  1164), 49 f.; Knemeyer (Fußn.  3002), 226 ff.

530 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

tätigkeit kann sich das Einschreiten der Kommunalaufsicht auf eine anlass­ bezogene Plausibilitätsprüfung beschränken. Mit den in Kapitel 3 dargestell­ ten wesentlichen Gestaltungselementen kann die Kommune eigene Strategi­ en zur Konfliktbewältigung3020 entwickeln, mit denen eine Reduzierung des Entschließungs- und Auswahlermessens der Kommunalaufsicht auch bei solchen Unternehmensentscheidungen vermieden werden kann, die im Hin­ blick auf die Interessen der Privatwirtschaft als kritisch zu beurteilen sind.3021 Während für Eigenbetriebe als Sondervermögen der Kommune oder für vergleichbar organisierte Regiebetriebe eine aufsichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihres Geschäftsgebarens problemlos möglich ist,3022 bereitet sie bei rechtlich selbstständigen Unternehmen größere Schwierigkeiten. Bei Kommunalunternehmen als selbstständigen Anstalten des öffentlichen Rechts ist die kommunalaufsichtliche Kontrolle laufender Geschäftstätigkeit auf das Unternehmen selbst verlagert, während die Aufsicht über die Kom­ mune sich auf die Wahrnehmung ihrer Einwirkungs- und Kontrollpflichten beschränkt. Hieraus können Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Auswahl des geeigneten Aufsichtsobjekts entstehen. Soweit das Kommunalunterneh­ men Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft an Stelle der Gemeinde erfüllt oder für diese wahrnimmt, steht der Aufsichtsbehörde ausschließlich eine Rechtskontrolle zu, obwohl das Kommunalunternehmen selbst nicht Träger der Selbstverwaltungsgarantie ist.3023 Als Fachaufsichtsbehörde kann sie allerdings auch mit aufsichtlichen Weisungen tätig werden, soweit ein Kom­ munalunternehmen mit der Wahrnehmung von Angelegenheiten des übertra­ genen Wirkungskreises betraut ist.3024 Über kommunale Unternehmen in Privatrechtsform ist dagegen eine un­ mittelbare Staatsaufsicht ausgeschlossen, da diese im weitesten Sinne außer­ halb der hierarchischen Verwaltungsorganisation stehen. Bei ihnen erstreckt sich die Kommunalaufsicht ausschließlich auf die Kommune selbst und darauf, ob diese ihrer Ingerenzpflicht insbesondere unter den Bedingungen zwingenden Gesellschaftsrechts3025 genügt, die Grundrechtsbindung beach­ 3020  Kapitel

3 Abschnitt B. II. 1. (Fußn. 1105), 93; Ruffert (Fußn. 1164), 50, Anm. 119: a. A. Schröder, Kapitel 5, in: Achterberg / Würtenberger / Püttner / Battis (Hg.), Besonderes Ver­ waltungsrecht II, Ein Lehr- und Handbuch, 2000, Rdnr. 125. 3022  Scholz / Pitschas, Gemeindewirtschaft zwischen Verwaltungs- und Unterneh­ mensstruktur 1982, 36 ff. 3023  Ruffert (Fußn. 1164), 54. 3024  Zur Zulässigkeit einer Erfüllung oder Wahrnehmung von übertragenen Ange­ legenheiten durch ein Kommunalunternehmen siehe Kapitel 4 Abschnitt A. II. 1. b). 3025  Möstl (Fußn.  2187), 26 ff.; Schmidt (Fußn.  1589), 350 f. m. w. N. 3021  Heintzen



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung531

tet3026 und ob sie bei wettbewerblicher Tätigkeit die Anforderungen des Lauterkeitsrechts und des Unionsrechts beachtet.3027 Für Unternehmen in Privatrechtsform stellt sich die Einwirkung der Kommune damit als „Surro­ gat der Aufsicht“3028 dar. Allerdings kann der Landesgesetzgeber die Spiel­ räume des Gesellschaftsrechts auch für eine Kontrolle der Wirtschaftlichkeit privatrechtlich organisierter kommunaler Unternehmen durch die Prüfungs­ organe des Landes nutzen, indem er deren Haushalts- und Wirtschaftsfüh­ rung der überörtlichen Prüfung unterstellt.3029

II. Kontrolle der Unternehmenstätigkeit durch externe Prüfungen Die Vorschriften des Dritten Buches des Handelsgesetzbuchs gelten für die Rechnungslegung und Prüfung kommunaler Unternehmen, die ein Han­ delsgewerbe nach §§ 1 und 2 HGB betreiben, wobei § 263 HGB für Unter­ nehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit davon abweichende Vorschriften durch Landesrecht zulässt. Hierfür haben die Länder für Eigenbetriebe und für solche Regiebetriebe, die nach den Eigenbetriebsregeln geprüft werden,3030 in den Eigenbetriebs­ gesetzen und Eigenbetriebsverordnungen3031 Gebrauch gemacht. Für die übrigen Regiebetriebe gelten die Bestimmungen des Haushalts-, Kassen-, und Prüfungswesens der kommunalen Gebietskörperschaft.3032 Für selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalten (Kommunalunterneh­ men) ist der Gesetzgeber meist von dem für Eigenbetriebe geltenden Prü­ fungsrecht abgewichen und hat diese mit der Abschlussprüfung von Gesell­ schaften des privaten Rechts gleichgestellt.3033 3026  Stober

(Fußn. 1819), 456. in diesem Kapitel Abschnitt B. II. 3. 3028  Ruffert (Fußn. 1164), 52 m. w. N. in Fußn. 129: Burgi (Fußn. 531), 319; Ehlers (Fußn. 633), 268. 3029  So ausdrücklich SächsVerfGH v. 20.05.2005, Vf. 34-VIII-04, NVwZ 2005, 1057. 3030  Vgl. Fußn. 422: Art. 88 Abs. 6 BayGO, § 109 Abs. 4 Saarl.KSVG. 3031  Eine Auflistung der jeweiligen Gesetze und Verordnungen findet sich in Fußn. 2407. 3032  Albers, § 48 Rechnungslegung und Prüfung kommunaler Unternehmen, in: Mann / Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 2 Kommunale Wirtschaft, 2011, 272. 3033  Für Bayern Art. 91 Abs. 1 BayGO; vgl. auch Schulz (Fußn. 445), 132; eben­ so § 95 Abs. 4 BbgKVerf, §§ 70 b Abs. 1 i. V. m. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KV M-V, § 114 a Abs. 10 Satz 1 GO NRW, § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AnstG LSA; 3027  Vgl.

532 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Privatrechtlich organisierte kommunale Unternehmen unterliegen einer Wirtschaftlichkeits- und Finanzkontrolle durch die handelsrechtliche Ab­ schlussprüfung nach §§ 264 ff., 316 ff. HGB, deren vorrangiges Ziel die Überprüfung einer rechtskonformen und ordnungsmäßigen Rechnungsle­ gung nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Regeln ist.3034 Bei Gesellschaften, bei denen der Kommune die Mehrheit der Anteile oder mindestens der vierte Teil der Anteile zusammen mit anderen Gebietskör­ perschaften gehört, steht ihr das Recht zu, eine erweiterte Abschlussprü­ fung nach § 53 HGrG zu verlangen. Diese umfasst auch die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 HGrG) und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 HGrG).3035 Neben diese Prüfung der Unternehmen durch die Wirtschaftsprüfer tritt bei privatrechtlich organisierten Unternehmen fallweise die gesellschaftsrechtli­ che Betätigungsprüfung nach §§ 54, 44 HGrG3036 durch die örtlichen und überörtlichen Prüfungsorgane sowie eine kommunalrechtliche Betätigungs­ prüfung durch die örtliche Rechnungsprüfung.3037 Beide Betätigungsprüfun­ gen bei der Trägerkommune betreffen das Verhalten ihrer Vertreter in den Gesellschaftsorganen und dienen einer Aufgabenerfüllungskontrolle der Kommune, gewähren aber den Prüfungsorganen im erforderlichen Umfang auch unmittelbare Informationsrechte bei den Gesellschaften selbst.3038 Die Beteiligungsverwaltung schließlich hat durch ihr Beteiligungsmanagement und durch eine Schwerpunktsetzung für die Prüfung daran mitzuwirken, dass die Prüfungsberichte der Wirtschaftsprüfer eine geeignete Grundlage für ein transparentes Beteiligungscontrolling (insbesondere Finanzcontrolling, Leis­ tungscontrolling, Risikocontrolling) der Unternehmen bilden können.3039 1. Prüfung der kommunalen Unternehmen a) Jahresabschlussprüfung nach §§ 264 ff. HGB Für Eigenbetriebe sehen die landesrechtlichen Bestimmungen in aller Regel die Aufstellung eines kaufmännischen Jahresabschlusses vor, wobei Prüfung nach Eigenbetriebsrecht dagegen § 126 a Abs. 9 Satz 4 HGO, §§ 147 Abs. 1, 157 NKomVG, § 35 ff. EigAnVO Rhl-Pf, § 82 ThürKO. 3034  Art. 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO. 3035  Mann (Fußn.  358), 234 f. 3036  Vgl. Art. 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayGO. 3037  Vgl. z. B. Art. 106 Abs. 4 und Abs. 6 BayGO. 3038  Mann (Fußn.  358), 235 f. 3039  Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), 23.



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung533

die Rechnungslegungsvorschriften insgesamt strenger sind als die für bilan­ zierungspflichtige Kaufleute allgemein. So ist weitgehend einheitlich in al­ len Bundesländern ein erweiterter Prüfungsauftrag vorgesehen, der den Abschlussprüfer in Anlehnung an § 53 Abs. 1 HGrG auch zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Werkleitung und zur Darstellung wirtschaftlich be­ deutsamer Sachverhalte verpflichtet.3040 Die Schutzzwecke der Jahresab­ schlussprüfung haben bei Eigenbetrieben, für die die Kommune unbeschränkt haftet, naturgemäß andere Schwerpunkte als etwa bei Aktiengesellschaften, bei denen der Schutz von Anteilseignerinteressen im Vordergrund steht. Schutzwürdig sind bei Eigenbetrieben vor allem die Interessen der Bürger und der Einwohner, die in Form kommunaler Steuern letztlich die Belastun­ gen zu tragen haben, so dass auch ein hohes gesellschaftliches Interesse an Kontrolle, Transparenz und Publizität besteht.3041 Bei Gesellschaften3042 und überwiegend auch bei Kommunalunterneh­ men3043 erfolgt die Prüfung des Jahresabschlusses unabhängig von ihrer tatsächlichen Größe nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften (§ 267 Abs. 3 HGB). Der Jahresabschluss umfasst mindestens eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung, bei Kapitalgesellschaf­ ten zusätzlich einen Anhang (§ 284 HGB) und einen Lagebericht (§ 289 HGB). Die Prüfung durch unabhängige Wirtschaftsprüfer erfolgt unter Be­ achtung der vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) festgestellten deut­ schen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung und erstreckt sich auch auf die Buchführung, die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften und der sie ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder der Sat­ zung (§ 317 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HGB). Hat keine Prüfung stattgefun­ den, kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden.3044 Die Wahl der Abschlussprüfer obliegt grundsätzlich den Gesellschaftern (§ 318 Abs. 1 HGB), wobei die Zuständigkeit bei der GmbH durch den Gesellschaftsver­ trag auf den Aufsichtsrat übertragen werden kann. Davon unberührt bleibt jedoch die Pflicht der Geschäftsführung, den Jahresabschluss und den La­ 3040  Zahradnik (Fußn. 2002), 372; § 7 EigBVO BW, Art. 107 Abs. 1 BayGO, § 106 Abs. 1 BbgKVerf, § 27 Abs. 2 Hess. EigBGes., § 15 KPG M-V vom 06. April 1993 (GOVBl. M-V 1993, S. 250), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2009 (GOVBl. M-V, S. 687, S. 720), § 20 Nds.EigBetrVO, § 106 Abs. 1 GO NRW, § 89 GemO Rhl-Pf, § 124 Abs. 3 KSVG, § 17 Abs. 1 SächsEigBG, § 19 Abs. 1 EigBG LSA, § 13 KPG SH vom 28. Februar 2003 (GOVBl. 2003, S. 129), § 20 ThürEBV. 3041  Zahradnik (Fußn. 2002), 372 f.; zur gesellschaftlichen Publizität siehe Kapitel 5 Abschnitt A. I. und II. 4. 3042  Vgl. z. B. Art. 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO für Gesellschaften im Sinne des § 53 HGrG. 3043  Siehe Fußn. 3033. 3044  Albers (Fußn. 3032), 287.

534 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

gebericht zusammen mit dem Prüfungsbericht des Abschlussprüfers den Gesellschaftern vorzulegen (§ 42 Abs. 1 Satz 2 GmbHG), bei der Aktienge­ sellschaft aber ausschließlich dem Aufsichtsrat nach § 170 Abs. 1 und Abs. 3 AktG.3045 Auf der Grundlage des Prüfungsberichts ist der Aufsichtsrat sowohl bei der Aktiengesellschaft (§§ 171, 172 AktG) als auch bei der GmbH (§ 42 a GmbHG) zur Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses berufen, so dass hierdurch noch eine weitere Kontrollmöglichkeit zugunsten der öffent­ lichen Hand besteht.3046 b) Erweiterte Jahresabschlussprüfung (§ 53 HGrG) In den einzelnen Ländern ist das Recht zur erweiterten Abschlussprüfung für Unternehmen in Privatrechtsform unterschiedlich ausgestaltet.3047 Auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ist § 53 HGrG entsprechend anzuwenden (§ 55 HGrG), und zwar unabhängig von der Höhe der Beteili­ gung der jeweiligen Gebietskörperschaft.3048 Bei § 53 HGrG handelt es sich nicht um eine selbstständige Prüfung, sondern lediglich um eine Erweite­ rung der handelsrechtlichen Abschlussprüfung um bestimmte Aspekte.3049 Die haushaltsrechtlichen Kontrollbefugnisse ergänzen die handelsrechtliche Jahresabschlussprüfung, weil diese nicht zur Prüfung ausreicht, ob der öf­ fentliche Zweck eingehalten worden ist. Der Gebietskörperschaft steht unter den Beteiligungsvoraussetzungen des § 53 HGrG das Recht zu, im Rahmen der Abschlussprüfung auch die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, die Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage, die Liquidität und Renta­ bilität der Gesellschaft sowie die Ursachen für evtl. Verlustgeschäfte oder für einen Jahresfehlbetrag prüfen zu lassen.3050 § 53 HGrG stellt damit ein 3045  Will, Die besonderen Prüfungs- und Unterrichtungsrechte der Gemeinden gegenüber ihren Kapitalgesellschaften aus §§ 53, 54 HGrG, DÖV 2002, 319, 323. 3046  Mann (Fußn. 358), 231. 3047  Pflicht zur Regelung der erweiterten Abschlussprüfung bzw. Pflicht darauf hinzuwirken: § 105 Abs. 1 Nr.  1 GemO BW, Art. 94 Abs. 1 Satz  1 Nr.  3 BayGO, § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BbgKVerf, § 123 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGO, § 158 Abs. 1 Satz 3 NKomVG, § 89 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 GemO Rhl-Pf, § 111 Abs. 1 Nr. 4 a Saarl. KSVG, § 96 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO, § 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ThürKO; Sollbe­ stimmung: § 112 Abs. 1 Nr.  1 GO NRW, § 121 Abs. 3 GO LSA; Kannbestimmung: § 73 Abs. 2 KV M-V; keine landesrechtliche Regelung in Schleswig-Holstein. 3048  Wernsmann, Vorbem. zu §§ 66 ff. BHO / LHO, in: Gröpl (Hg.), Bundeshaus­ haltsordnung, Landeshaushaltsordnung (BHO / LHO), Staatliches Haushaltsrecht; Kommentar, 2011, Rdnr. 13. 3049  Will (Fußn. 3045), 320. 3050  Spannowsky (Fußn.  1954), 417 f.



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung535

Sonderrecht nur für Gebietskörperschaften dar und erweitert deren Informa­ tionsmöglichkeiten bei Kapitalgesellschaften.3051 Ein Verzicht auf die Aus­ übung der Prüfungsrechte nach § 53 HGrG kann angesichts der erforderli­ chen Kontrolle zur Einhaltung des öffentlichen Zwecks nur in engen Grenzen in Betracht kommen.3052 Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 HGrG umfasst üblicherweise nach den IDW Prüfstandards3053 die Organisation der Geschäftsführung mit ihrer institutionellen Ordnung und Geschäftsverteilung, das Instrumentarium mit dem betrieblichen Rech­ nungswesen sowie die Tätigkeit der Geschäftsführung bei strukturbestim­ menden Entscheidungen.3054 Hierzu gehört auch die Prüfung eines Risi­ kofrüherkennungssystems.3055 Zu Recht weist Mann darauf hin, dass mit dieser Prüfungserweiterung keine Aufgabenerfüllungskontrolle erfolgen kann, weil der Entscheidungsprozess der Geschäftsführung lediglich darauf­ hin überprüft werden kann, ob „wesentliche, grobfehlsame oder mißbräuch­ liche kaufmännische Ermessensentscheidungen oder vergleichbare Unterlas­ sungen“ getroffen worden sind.3056 Die Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens nach § 53 Abs. 1 Nr. 2 HGrG umfasst im Einzelnen neben der Entwicklung der Vermögens-, Ertrags-, Liquiditäts- und Rentabilitätslage vor allem Aussagen über die Ursachen eventueller verlustbringender Geschäfte und einen hier­ aus entstandenen Jahresfehlbetrag sowie die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens oder bei mehreren Betriebssparten wie bei kommunalen Energieversorgungsunternehmen ein näheres Eingehen auf die Spartener­ gebnisse.3057 Auch wenn die erweiterte Abschlussprüfung gegenüber der handelsrecht­ lichen Abschlussprüfung anspruchsvoller ist, wird das Niveau der Prüfung 3051  Wernsmann

(Fußn. 3048), Rdnr. 5. (Fußn. 3045), 325. 3053  Vgl. auch Donhauser, Beihilfekontrolle in kommunalen Beteiligungsunter­ nehmen – Die Bedeutung des IDW-Prüfungsstandards 700, KommunalPraxis spezial 2012, 19 ff. 3054  Will (Fußn. 3045), 322 m. w. N. in Fußn. 30. 3055  Vgl. IDW Prüfstandard 720 zur Berichterstattung über die Erweiterung der Abschlussprüfung nach § 53 HGrG (WPg 22 / 2006, S. 1452 ff., FN-IDW 11 / 2006, S. 749 ff., FN-IDW 2 / 2011, S. 113 f., WPg Supplement 1 / 2011, S. 1) und IDW PS 340 zur Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB (WPg 16 / 1999, S. 658 ff., FN-IDW 8 / 1999, S. 350 ff.). 3056  Mann (Fußn. 358), 233 m. w. N. in Fußn. 299. 3057  Machura (Fußn. 1995), 259; vgl. hierzu auch IDW PS 610 für die Prüfung von Energieversorgungsunternehmen (WPg Supplement 1 / 2013, S. 32 ff., FN-IDW 2 / 2013, S. 82 ff.). 3052  Will

536 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirt­ schaftsführung im Sinne von Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG damit nicht er­ reicht.3058 Die erweiterte Abschlussprüfung umfasst auch die Pflicht des Unterneh­ mens nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 HGrG zur unverzüglichen Übersendung des Abschlussberichts an die Gebietskörperschaft. Zu deren Gunsten stellt sie für die Unternehmen nach § 53 HGrG eine gesetzliche Ausnahme vom Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung3059 aller Anteilseigner nach § 131 Abs. 4 AktG dar, so dass die übrigen Aktionäre keinen Anspruch auf eine entsprechende Unterrichtung haben. Die Rechte nach § 53 HGrG stehen der Gebietskörperschaft nach § 53 Abs. 2 Satz 2 HGrG auch unmittelbar gegenüber Tochter- und Enkelunter­ nehmen zu, an denen sie nur mittelbar mehrheitlich im Sinne von § 53 Abs. 1 HGrG beteiligt ist.3060 2. Betätigungsprüfungen bei der Trägerkommune Die Betätigungsprüfung bei der Kommune als Anteilseignerin einer Akti­ engesellschaft oder als GmbH-Gesellschafterin soll der Rechnungsprüfung der Kommune eine Aufgabenerfüllungskontrolle ermöglichen.3061 Zur Klä­ rung von Fragen, die bei dieser Betätigungsprüfung auftreten, können der Rechnungsprüfungsbehörde bei Gesellschaften mit kommunalen Anteilen im Umfang von § 53 HGrG mit Dreiviertelmehrheit des vertretenen Kapitals in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag unmittelbare Unterrichtungsrechte bei den Unternehmen eingeräumt und zu diesem Zweck Einsicht in den Betrieb, die Bücher und die Schriften gewährt werden (§ 54 Abs. 1 HGrG). Daneben sehen die meisten Gemeindeordnungen auch eine kommunalrecht­ liche Betätigungsprüfung vor, für die die Voraussetzungen des § 54 HGrG nicht gelten. Meist steht auch in diesem Rahmen den Rechnungsprüfungs­ organen ein unmittelbares Einsichtsrecht in Unternehmensunterlagen zu. Obwohl sich beide Betätigungsprüfungen auf denselben Prüfungsgegenstand beziehen,3062 nämlich auf die Wahrnehmung der Einwirkungspflichten kom­ munaler Vertreter in den Anteilseignerorganen sowie der Repräsentanten der Kommune in den Überwachungsorganen der Gesellschaften und die Erfül­ 3058  So Mann (Fußn. 358), 235, unter Bezugnahme auf Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung 1996, 357 f., 381 ff. 3059  Decher (Fußn. 2468), 474. 3060  Lutter / Grunewald (Fußn. 2565), 388. 3061  Mann (Fußn. 358), 240. 3062  Loitz, Die Prüfung von öffentlichen Unternehmen 1997, 157 f.



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung537

lung der Aufgaben der Beteiligungsverwaltung,3063 unterscheiden sie sich nach ihrer Rechtsnatur deutlich. a) Gesellschaftsrechtliche Betätigungsprüfung nach § 54 HGrG Von der Möglichkeit zur gesellschaftsrechtlichen Betätigungsprüfung ha­ ben die jeweiligen Kommunalgesetze in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. Zum Teil ist die Einräumung von Prüfungsrechten nach § 54 HGrG bereits Zulässigkeitsvoraussetzung für diese Gesellschaften,3064 zum Teil besteht für die Gemeinde nur die Pflicht, auf die Einräumung dieser Rechte (ggf. nur, soweit es das Interesse der Kommune erfordert) hinzuwir­ ken.3065 Nur in Schleswig-Holstein nimmt die Gemeindeordnung auf die Einräumung von Rechten nach § 54 HGrG nicht Bezug. Die landesrechtlichen Bestimmungen modifizieren die mitgliedschaftli­ chen Rechte von Aktionären zugunsten der Gebietskörperschaften und stellen insoweit eine Ausnahme zum Gleichbehandlungsgebot des § 53 a AktG dar.3066 Sie halten sich als Teil des Organisationsrechts im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht und verstoßen auch nicht gegen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung.3067 Bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen wird eine nachträgliche Sat­ zungsänderung zur Einräumung von Rechten nach § 54 HGrG nicht selten an der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft privater Aktionäre scheitern,3068 so dass die Rechte bereits bei Unternehmensgründung oder Eingehung der Beteiligung verankert werden sollten.3069 Allerdings wird der Informations­ gewinn, der sich aus dem unmittelbaren Unterrichtungsrecht beim Unter­ 3063  VG Magdeburg v. 15.11.2007, 9 B 208 / 07, Juris, Rdnr. 19 f.; Will (Fußn. 3045),

325.

3064  Vgl. § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 d) GemO BW, § 111 Abs. 1 Nr. 4 b) und § 112 Abs. 1 Nr. 2 Saarl.KSVG, § 96 Abs. 2 Nr. 2 SächsGemO. 3065  Art. 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 BayGO, § 123 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 HGO, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KV M-V, § 158 Abs. 2 und Abs. 3 NKomVG, § 112 Abs. 1 Nr. 2 GO NRW, § 89 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 GemO Rhl-Pf, § 129 Abs. 3 und Abs. 4 GO LSA, § 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 ThürKO. 3066  Mann (Fußn. 618), 236; Lutter / Grunewald (Fußn. 2565), 393. 3067  SächsVerfGH v. 20.05.2005, Vf. 34-VIII-04, NVwZ 2005, 1057, 1059. 3068  Mann (Fußn. 358), 237. 3069  Bei Aktiengesellschaften kann die Kommune als Mehrheitsaktionärin den Vorstand nicht zwingen, das Stimmrecht in den Tochter- und Enkelunternehmen im Sinne der Kommune auszuüben, um dieser die Rechte nach § 54 HGrG einzuräu­ men, im Gegensatz zur weisungsabhängigen Geschäftsführung der GmbH (Lutter / Grunewald (Fußn. 2565), 394).

538 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

nehmen als zusätzlicher Erkenntnisquelle für die Rechnungsprüfung ergibt, umso geringer sein, je sorgfältiger und professioneller das Beteiligungsma­ nagement der Kommune auf die laufende Erfüllung der Ingerenzpflichten der Vertreter und Repräsentanten der Kommune in den Unternehmensorga­ nen hingewirkt und die wahrgenommenen Befugnisse dokumentiert hat. Das unmittelbare Informationsrecht nach § 54 HGrG dient auch der Aufdeckung von Mängeln bei Nachweis- und Dokumentationspflichten sowie bei der Mandatsbetreuung durch die Beteiligungsverwaltung und damit einer Kont­ rolle der Tätigkeit der Kontrolleure.3070 Hieraus ergeben sich zugleich die Grenzen für die Inanspruchnahme der Unternehmen zur Informationsbeschaffung. Prüfungsziel der gesellschafts­ rechtlichen Betätigungsprüfung ist es, Mängel bei der Einflussnahme auf die Steuerung der kommunalen Unternehmen sowie bei der Überwachung der Geschäfts- und Wirtschaftsführung zu erkennen und diese für die Zu­ kunft zu beseitigen.3071 Die durch zwingendes Gesellschaftsrecht vorgege­ benen Pflichten der Unternehmensorgane zur Verschwiegenheit einerseits, die Berichtspflichten nach §§ 394, 395 AktG und die Grenzen von Wei­ sungsbefugnissen nach Gesellschaftsrecht andererseits3072 sind auch im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Betätigungsprüfung von den kommu­ nalen Rechnungsprüfungsorganen zu beachten. Die Informationsbeschaf­ fung durch die Rechnungsprüfung muss als Eingriff eines externen Dritten in Belange des rechtlich selbstständigen Unternehmens3073 dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Sie muss objektiv erforderlich sein, d. h., die Information darf der Rechnungsprüfung nicht bereits aus anderen Quellen, insbesondere aus den der Kommune vorliegenden Ergebnissen der erweiterten Abschlussprüfung nach § 53 HGrG, aus den bei der Beteili­ gungsverwaltung vorhandenen Unterlagen oder aus Betätigungsprüfungen bei den Vertretern und Repräsentanten selbst, zugänglich sein. Sie muss geeignet sein, dem Prüfungsziel und nur diesem zu dienen, d. h., der Fra­ gestellung, ob die öffentlichen Mittel durch die zuständigen Vertretungs­ körperschaften wirtschaftlich und sparsam verwendet wurden und ob hier­ für die Überwachungsfunktion wirksam ausgeübt worden ist.3074 Sie muss 3070  Spannowsky

(Fußn. 1954), 418. Das kommunale Prüfungsrecht in Bayern 1982, 7. 3072  Im Einzelnen kann hierzu auf die Darstellung in diesem Kapitel unter Ab­ schnitt A. II. 2. und 3. sowie Abschnitt B. II. 1. b) und 3. Bezug genommen werden. 3073  Z. T. werden die auf Satzungsregelungen nach § 54 HGrG gestützten Einzel­ maßnahmen gegenüber den Unternehmen als Verwaltungsakte der Kommune für deren örtliche und auch für die überörtliche Rechnungsprüfung angesehen, so auch Heimrath, Rechnungs-, Berichts- und Prüfungswesen, in: Schraml / Becker / Wurzel (Hg.), Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, [Handbuch], 2010, 179, 249, Rdnr. 236. 3074  Albers (Fußn.  3032), 301 f. 3071  Schieder / Zeitler,



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung539

schließlich angemessen sein, d. h., sie darf die Kapazitäten des Unterneh­ mens nicht über Gebühr beanspruchen. Eine nicht gebotene örtliche Prü­ fung ist unverhältnismäßig.3075 Gegen ein diese Grenzen überschreitendes Informationsbegehren der Rechnungsprüfung kann sich das Unternehmen durch die Aufforderung, das Informationsbegehren näher zu begründen und am Ende auch auf dem Zivil­ rechtsweg, notfalls im Wege der einstweiligen Verfügung, zur Wehr setzen. b) Kommunalrechtliche Betätigungsprüfung Die kommunalrechtliche Betätigungsprüfung ist dagegen öffentlichrechtlicher Natur. Auch sie ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich angelegt und ausgestaltet. Während in einer Reihe von Gemeindeordnungen Voraussetzung für eine kommunalrechtliche Betätigungsprüfung ist, dass entweder die Gemeindevertretung3076 oder der Bürgermeister3077 die Rech­ nungsprüfung damit beauftragen, stellt in Sachsen die Verankerung der kommunalrechtlichen Betätigungsprüfung im Gesellschaftsvertrag bzw. der Unternehmenssatzung bereits eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Ge­ sellschaftsbeteiligung einer Kommune dar.3078 In Baden-Württemberg, Bay­ ern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen erstreckt sie sich auf Kommunalunternehmen (Anstalten des öffentlichen Rechts) und auf privat­ rechtlich organisierte Unternehmen.3079 Regelmäßig wird darin die Vorlage von Unterlagen, die zur Durchführung der Prüfung erforderlich sind bzw. die die Prüfungsorgane „für erforderlich halten“, verlangt. Die Rechnungsprüfung umfasst in Bayern, Sachsen und Thüringen auch die Buch-, Betriebs- und sonstigen Prüfungen, die sich die Gemeinde bei der Hingabe eines Darlehens oder sonst vorbehalten hat.3080 Unabhängig von der jeweiligen Formulierung gelten auch hierfür die oben bei der gesellschaftsrechtlichen Betätigungsprüfung genannten Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Hinzu kommt, dass die kommunalrechtliche Betäti­ gungsprüfung, soll sie bei Gesellschaften nicht mit der Betätigungsprüfung 3075  Wernsmann

(Fußn. 3048), Rdnr. 35. Abs. 2 Nr. 4 NKomVG, § 103 Abs. 2 Nr. 2 GO NRW, § 129 Abs. 1 Nr. 2 GO LSA, § 116 Abs. 2 Nr. 4 GO SH. 3077  § 112 Abs. 2 Nr. 5 GemO Rhl-Pf, § 121 Abs. 2 Nr. 1 Saarl.KSVG. 3078  § 96 Abs. 2 Nr. 2 a) SächsGemO. 3079  Vgl. §§ 114 Abs. 1, 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 e) GemO BW, Art. 106 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 BayGO, § 132 HGO, § 70b Abs. 1 und Abs. 2 KV M-V i. V. m. Kommunalprüfungsgesetz, §§ 76c Abs. 1, 84 Abs. 4 Satz 1 ThürKO. 3080  Art. 106 Abs. 4 Satz 3 BayGO, § 106 Abs. 2 Nr. 6 SächsGemO, § 84 Abs. 4 Satz 3 ThürKO. 3076  § 155

540 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

nach § 54 HGrG zu einer unzulässigen Doppelprüfung führen, sich auf die spezifisch kommunalrechtlich begründeten Pflichten von Vertretern und Repräsentanten der Kommune in den Unternehmensorganen als Prüfungsge­ genstand beschränken muss. Sie kann sich damit nur in den Grenzen der Spielräume bewegen, die das vorrangige Gesellschaftsrecht für kommunal­ rechtliche Weisungsbefugnisse oder Berichtsansprüche der Kommune und deren zulässigen Berichtsadressaten gegenüber gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten einräumt. Ob die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen und zur Erteilung von Auskünften an die Rechnungsprüfung für das rechtlich selbstständige Un­ ternehmen eine Regelung mit Außenwirkung und damit einen begründungs­ bedürftigen Verwaltungsakt darstellt, kann zweifelhaft sein. Kommunale Gesellschaften sind selbstständige und von der Kommune organisatorisch getrennte Rechtssubjekte, auch wenn sie öffentliche Aufgaben der Kommu­ ne wahrnehmen. Außenwirkung und damit die Rechtsnatur eines Verwal­ tungsakts der Trägerkommune können Rechtsakte ihrer Prüfungsorgane entfalten, die eine Verpflichtung zur Vorlage oder Übersendung von Unter­ nehmensunterlagen oder zu Auskünften des Unternehmens nicht für deren unternehmenseigenen Prüfungszwecke, sondern für Zwecke der Betäti­ gungsprüfung eines Dritten, nämlich der Kommune, begründen, soweit sie nicht auf gesellschaftsrechtlichen Regelungen (§ 51a GmbHG) beruhen.3081 Der Rechtsnatur als Verwaltungsakt steht damit auch nicht entgegen, dass es keinen gesellschaftsfremden Zweck im Sinne von § 51a GmbHG dar­ stellt, wenn die örtliche Rechnungsprüfung ihre Kontrollfunktion ausübt oder wenn die überörtlichen Prüfungsorgane mit der Betätigungsprüfung Aufgaben der Finanzkontrolle wahrnehmen.3082 Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nach verbreite­ ter Ansicht und der jüngeren Judikatur des BVerfG auf die Rechtsschutzga­ rantie des Art. 19 Abs. 4 GG nur berufen, soweit sie auch Träger materieller Grundrechte sein können,3083 obwohl Art. 19 Abs. 4 GG nicht allein Grund­ rechte, sondern allgemein subjektive Rechte schützt.3084 Für Kommunalun­ ternehmen scheidet damit gegenüber Eingriffen der Trägerkommune bei der 3081  So bereits für Einzelmaßnahmen im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Betätigungsprüfung nach § 54 HGrG Heimrath (Fußn. 3073), 249 Rdnr. 236. 3082  Vgl. Bayer Staatsministerium des Innern vom 13.10.2008, IB4-1517-35, S. 7, unveröffentlicht. 3083  Vgl. BVerfG v. 12.03.2003, 1 BvR 330 / 96 u. a., BVerfGE 107, 299, 310 f. für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 3084  Dreier / Bauer, Grundgesetz Kommentar Art. 19 III 3. Aufl. 2013, Rdnr. 43 und Fußn. 167: Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig (Hg.), GG-Kommentar 2003, Art. 19 IV, Rdnr. 40.



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung541

kommunalrechtlichen Betätigungsprüfung die Berufung auf die Rechts­ schutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG aus.3085 Art.  19 Abs.  4 GG ist zwar eine Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung,3086 allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat. Diese begründet keine materiellen subjektiven Rechtspositionen, sondern setzt sie voraus. „Im Rechtsstaat des Grundgesetzes gehört zur grundrecht­ lichen Garantie die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle.“3087 Für die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, bei der es sich nicht um ein Grund­ recht handelt, wird überwiegend vertreten, dass eine Erstreckung der Rechtsschutzgarantie auf die Kommune gegenüber dem Staat nicht in Be­ tracht komme.3088 Nichts anderes kann für eine kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsor­ ge im Verhältnis zur überörtlichen (staatlichen) Rechnungsprüfung gelten. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind von der öffentlichen Hand beherrschte (auch) gemischtwirtschaftliche Unternehmen „umfassend und insgesamt“ grundrechtsgebunden.3089 Kommunale Unternehmen können sich damit auch nicht gegenüber ihrer Trägerkommune auf eigene materiel­ le Grundrechte berufen. Zudem könnte die Tatsache, dass bei öffentlichen Unternehmen die den Unternehmensorganen einfachgesetzlich eingeräumten Verschwiegenheitspflichten nicht im „privatum“, sondern im „secretum“ wurzeln und damit von der öffentlichen Hand abgeleitet sind,3090 einem subjektiven Recht entgegenstehen. Damit kann durchaus zweifelhaft sein, ob einem von der Betätigungsprüfung betroffenen kommunalen Unterneh­ men überhaupt eigene subjektive Rechte gegenüber Informationsansprüchen der örtlichen Rechnungsprüfung der Kommune zustehen können. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellt mit seinen Elementen Erforderlichkeit, Eignung und Angemessenheit gleich­ falls nur objektives Verfassungsrecht dar. Auch mit einer extensiven Interpretation der Rechtsfigur des kommunal­ verfassungsrechtlichen Organstreits mit der Trägerkommune lässt sich für ein kommunales Unternehmen keine Klagebefugnis begründen. Nicht das jeweilige Unternehmensorgan, sondern das kommunale Unternehmen selbst 3085  Huber, in: von Mangoldt / Klein / Starck (Hg.), Kommentar zum Grundgesetz, 2010, Art. 19 III, Rdnr. 324. 3086  BVerfG v. 23.06.1981, 2 BvR 1107 / 77, 2 BvR 1124 / 77, 2 BvR 195 / 79, BVerfGE 58, 1, 40. 3087  BVerfG v. 12.03.2003, 1 BvR 330 / 96 u. a., BVerfGE 107, 229, 311. 3088  Schmidt-Aßmann (Fußn. 3084), Rdnr. 43 m. w. N. 3089  BVerfG v. 22.02.2011, 1 BvR 699 / 06, BVerfGE 128, 226, 244. 3090  Auf die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt A. I. 1. und 2. a) wird verwiesen.

542 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

wird zur Information verpflichtet. Das von der Rechtsprechung entwickelte Institut des Kommunalverfassungsstreits ist auf Streitfälle zwischen Orga­ nen der Kommune beschränkt. Für eine Ausdehnung auf einen Kompetenz­ streit zwischen der kommunalen Rechnungsprüfung und den Befugnissen von Unternehmensorganen fehlt es an einer vergleichbaren organisationsin­ ternen Konstellation. Ein Gesellschaftsorgan kann sich zwar auf seine ge­ sellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht als Ausfluss der Treuepflicht berufen, der auch die Kommune als Gesellschafterin infolge einer funktional zwischen den Unternehmensorganen und den Organen der Kommune auf­ geteilten Pflichtenstellung3091 unterliegt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein subjektives öffentliches Recht des Unternehmens. Die Kompetenzen, die der Landesgesetzgeber den Rechnungsprüfungsor­ ganen für eine wirksame kommunalrechtliche Betätigungsprüfung der Kommune verliehen hat, sind jedoch auch im Hinblick auf Mitwirkungspflichten der kommunalen Unternehmen zu beachten. Sie dienen nicht nur der Funk­ tionsfähigkeit einer dezentralisierten Kommunalverwaltung, sondern auch dem Schutz des rechtlich verselbstständigten Unternehmens vor kompetenz­ überschreitenden Eingriffen Dritter in die vom Gesellschaftsrecht bzw. vom Anstaltsrecht dem Unternehmen zugewiesenen Angelegenheiten, deren Wahrung ausschließlich dessen Organen im Unternehmensinteresse obliegt. Aus dieser Schutzfunktion lässt sich ein subjektives öffentliches Recht eines kommunalen Unternehmens auf Einhaltung der Grenzen der Betätigungs­ prüfung durch die Rechnungsprüfungsorgane sowohl der Kommune als auch der (staatlichen) überörtlichen Rechnungsprüfung ableiten. 3. Mitwirkung der Beteiligungsverwaltung an der Kontrolle Voraussetzung für eine wirksame nachträgliche Kontrolle sind prüffähige Zielvorgaben. Deshalb sehen einige Gemeindeordnungen vor, dass die Ge­ meinden bei Unternehmen in Privatrechtsform, an denen sie in einem § 53 HGrG entsprechenden Umfang beteiligt sind, in sinngemäßer Anwendung der für Eigenbetriebe geltenden Vorschriften für jedes Wirtschaftsjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen haben und, dass der Wirtschaftsführung eine fünfjährige Finanzplanung zugrunde zu legen ist.3092 Für die Beteiligungs­ 3091  Vgl.

die Darstellung in diesem Kapitel unter Abschnitt A. I. 1. Abs. 1 Nr. 5 a) GemO BW, Art. 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO, § 96 Satz 1 Nr. 6 BbgKVerf, § 122 Abs. 4 Nr. 1 a) und b) HGO, § 108 Abs. 3 Nr. 1 a) und b) GO NRW, § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 a) GemO Rhl-Pf, § 111 Nr. 3 Saarl.KSVG, § 96 Abs. 2 Nr. 4 SächsGemO, § 121 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LSA, § 102 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 GO SH.

3092  § 103

Abs. 1 Satz 1 Abs. 1 a) GO



C. Unternehmenskontrolle durch Aufsicht und Prüfung543

verwaltung kann die Überprüfung eines bestehenden Wirtschaftsplans mit Erfolgs-, Finanz- und Investitionsplan mit Stellenübersicht und fünfjähriger Finanzplanung Bestandteil eines unternehmensbegleitenden strategischen Beteiligungscontrollings sein,3093 indem die Wirtschaftspläne mit den Jah­ resergebnissen verglichen werden.3094 Zweifelhaft erscheint allerdings, ob diese Vorgaben auch bei allen gemischtwirtschaftlichen Unternehmen umge­ setzt werden können. Das Aktienrecht kennt keine Verpflichtung des Vor­ standes zu einer mehrjährigen Finanzplanung.3095 Auch auf dem Umweg über Public Corporate Governance Kodizes lässt sich eine solche Verpflich­ tung nicht herleiten. Daran hindert den Vorstand schon § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG, da er bei einer Mitteilung seiner Finanzplanung außerhalb der Haupt­ versammlung an die Kommune zu entsprechenden Auskünften gegenüber allen anderen Aktionären verpflichtet ist.3096 Bei Minderheitsbeteiligungen kann die Pflicht der Kommune, auf vergleichbare Kontrollrechte hinzuwir­ ken, im Einzelfall mit den Interessen der privaten Gesellschafter kollidieren und ihre Durchsetzung daran scheitern. In diesen Fällen bleibt der Kommu­ ne schließlich nur die Option, von einer solchen Beteiligung Abstand zu nehmen. 4. Zwischenergebnis zur externen Unternehmenskontrolle Zusammenfassend dienen die erweiterte Abschlussprüfung nach § 53 HGrG, die gesellschaftsrechtliche Betätigungsprüfung nach § 54 HGrG und die kommunalrechtliche Betätigungsprüfung bei der Kommune wie auch die Mitwirkung der Beteiligungsverwaltung an prüffähigen Zielvorgaben durch eine unternehmensbegleitende Kontrolle im Rahmen der Finanzplanungs­ pflicht3097 der spezifischen Steuerung kommunaler Unternehmen zur Erfül­ lung des öffentlichen Zwecks. Die Instrumente sind geeignet, als Ausgleich für sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizite, die bei rechtlich verselbstän­ digten, insbesondere bei privatrechtlich organisierten Unternehmen struktur­ bedingt unvermeidbar sind, ein ausreichendes Legitimationsniveau zwischen den von der Kommune als „Legitimationsmittlerin“ organisatorisch-personell legitimierten Unternehmensorganen und dem Wahlbürger als Souverän her­ zustellen. Voraussetzung ist allerdings, dass auf allen verantwortlichen 3093  Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), 18; vgl. hierzu auch Kapitel 3 Abschnitt A. II. 1. b). 3094  Weiblen (Fußn. 1955), 178. 3095  Mann (Fußn. 358), 239. 3096  Noack (Fußn. 2500), 381. 3097  Mann (Fußn. 358), 239; Spannowsky (Fußn.  1954), 418 f.

544 Kap. 4: Publizität durch Steuerung und Kontrolle kommunaler Unternehmen

Kontrollebenen die aus der Zweckbindung folgenden Gestaltungsdirektiven beachtet werden.3098 Das Demokratiegebot3099 und die Möglichkeit bürgerschaftlicher Partizi­ pation als Element kommunaler Selbstverwaltung, die ein Höchstmaß an bürgerschaftlicher Mitwirkung und Rückkopplung der Betroffenen auch bei der kommunalen Daseinsvorsorge fordert,3100 gebieten die Offenlegung der Prüfungsberichte auch dort, wo die Gemeindeordnungen wie in BadenWürttemberg und Bayern keine Bestimmungen zur öffentlichen Auslegung auch überörtlicher Prüfungsberichte enthalten.3101 Nichts anderes kann für die Berichte über die Prüfung der Jahresrechnungen von Eigenbetrieben gelten, jeweils unter Beachtung des Schutzes nicht veröffentlichungsfähiger Daten.3102 Transparenz politischer Entscheidungsprozesse gegenüber der Öffentlich­ keit stellt ein weiteres wesentliches Mittel der Kontrolle dar.3103 Die Rolle, die gesellschaftlicher Publizität3104 für die Gewinnung von Informationen und für die bürgerschaftliche Partizipation an kommunaler Unternehmenstä­ tigkeit, insbesondere zu deren Steuerung und Kontrolle auch durch den Wahlbürger als Souverän zukommt, ist deshalb im folgenden Kapitel zu untersuchen.

3098  Spannowsky

(Fußn. 1954), 428. jedenfalls Arnim, Die Öffentlichkeit kommunaler Finanzkontrollberichte als Verfassungsgebot 1981, 59 f., 64. 3100  Siehe oben Fußn. 712. 3101  Albers (Fußn. 3032), 302, Fußn. 72; anders beispielsweise § 5 Abs. 2 NKPG vom 16. Dezember 2004 (Nds.GVBl. 2004, S. 638). 3102  Zahradnik (Fußn. 2002), 391. 3103  Faber (Fußn. 2046), 1322. 3104  Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) dd) und c) cc). 3099  So

Kapitel 5

Gesellschaftsbezogene Publizität und Ingerenzansprüche der Bürger A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane I. Rechnungslegungs-, Bekanntmachungsund Registerpflichten Bei den in diesem Kapitel zu behandelnden Publizitätsaspekten geht es zunächst um die rein deskriptive Grundbedeutung des Publizitätsbegriffs3105 als Synonym für die Zugänglichkeit für einen unbestimmten Adressatenkreis zu Informationen durch die Vorschriften über die Rechnungslegung und die Verpflichtung zu öffentlicher Bekanntmachung von Unternehmensdaten. Diese bezwecken den Schutz von Gläubigern und Investoren, sollen aber auch Konkurrenten am Markt ausreichende Transparenz für deren eigene Geschäftspolitik liefern. Für den allgemeinen Geschäftsverkehr schaffen diese Publizitätspflichten damit Vertrauensschutz3106 und erhöhen die Si­ cherheit im Rechtsverkehr. Schließlich sind die daraus zu gewinnenden In­ formationen auch für die Wirtschaftspolitik von Bedeutung3107 und dienen somit einem allgemeinen öffentlichen Interesse.3108 Über diese Grundbedeutung hinaus hat der Gesetzgeber teilweise grup­ penspezifische Publizitätsansprüche geschaffen, etwa für Mitarbeiter kom­ munaler Unternehmen, für Mitglieder von kommunalen Gremien und die durch sie vertretenen Parteien, Fraktionen und Wählergruppen. Durch die Landespressegesetze hat er den Medien bevorzugte Auskunftsansprüche eingeräumt und durch Informationsfreiheitsregelungen für Jedermann allge­ meine oder zumindest sektorale Informationszugangsrechte begründet. Zusätzliche Publizitätspflichten bestehen für öffentliche Unternehmen ge­ genüber einem unbestimmten Personenkreis, der als Benutzer öffentlicher 3105  Vgl.

hierzu die Nachweise in Fußn. 73. Fußn. 80. 3107  Kaiser (Fußn.  83), 102 ff. 3108  Auf die grundlegende Darstellung in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. c) wird Bezug genommen. 3106  Siehe

546

Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Einrichtungen oder Anstalten bzw. als Kunde von Unternehmen in privat­ rechtlichen Organisations- und Handlungsformen auf Informationen über die Konditionen wichtiger Daseinsvorsorgeleistungen und hierfür auf Zugangs-, Teilhabe-, Schutz- und Abwehrrechte angewiesen ist. Hierzu zählen auch An­ sprüche auf Transparenz und Diskriminierungsfreiheit der Entscheidungs­ prozesse von Unternehmensorganen bei der Wahrnehmung öffentlicher Auf­ gaben. Jenseits der früheren Entgegensetzung von Staat und Gesellschaft bezeich­ net das BVerfG für den demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes Pub­ lizität als Teilhabe des Volkes durch das Wahlrecht als „vornehmstes Recht des Bürgers im demokratischen Staat“.3109 Damit stellt sich die Frage, inwie­ weit für das Volk als Souverän gewährleistet werden kann, dass das Wahl­ recht nicht inhaltlich entleert3110 wird, etwa weil die gewählten Vertreter in den kommunalen Gremien ihre aus dem Demokratieprinzip und der Legiti­ mation durch Wahlen und Abstimmungen abgeleiteten Steuerungs- und Kon­ trollpflichten gegenüber dezentralisierten Verwaltungseinheiten nicht im er­ forderlichen, geeigneten und angemessenen Umfang wahrnehmen. 1. Rechnungslegungspflichten Aufgabe des betrieblichen Rechnungswesens ist es zu prüfen, ob und inwieweit eine unternehmerische Betätigung der Kommune wirtschaftlich ist und den Erfolg der Tätigkeit korrekt ausweist. Die kommunalen Gebiets­ körperschaften unterliegen hierbei einem umfassenden Regelwerk, das der Unternehmenssteuerung dient. Zu den Instrumenten der Steuerung zählt auf der Grundlage der Buchführung die Rechnungslegung mit dem Lagebericht, mit denen die betriebswirtschaftlich relevanten Daten über realisierte oder geplante Geschäftsvorgänge und Geschäftsergebnisse erfasst und verarbeitet werden.3111 Der Rechenschaftslegung dienen die Abschlüsse (Bilanzen) vor allem zur Gewinnung von Informationen für Dritte und zum Vergleich mit anderen Unternehmen. Damit stellt die Rechnungslegung eine wichtige In­ formationsquelle für Gläubiger, finanzierende Kreditinstitute, aber auch für die Unternehmenseigner selbst dar.3112 Die rechtlichen Grundlagen, die für das Rechnungswesen und die Rech­ nungslegung gelten, hängen wesentlich von der Rechtsform des kommuna­ len Unternehmens ab. 3109  BVerfG v. 23.10.1951, 2 BvG 1 / 51, BVerfGE 1, 14, 33; siehe hierzu Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) cc). 3110  BVerfG v. 12.10.1993, 2 BvR 2134 / 92 u. a., BVerfGE 89, 155, 172. 3111  Albers (Fußn.  3032), 269 ff. 3112  Heimrath (Fußn. 3073), 209, Rdnr. 6 f.; Albers (Fußn. 3032), 271.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane547

Für Eigenbetriebe und vergleichbar organisierte Regiebetriebe ergeben sie sich aus den Eigenbetriebsgesetzen und Eigenbetriebsverordnungen3113 nach den Grundsätzen der kommunalen Doppik als Regelform, für die (wenigen) übrigen Regiebetriebe aus den Bestimmungen des Haushalts-, Kassen- und Prüfungswesens der kommunalen Gebietskörperschaft.3114 Schutzzweck der Rechnungslegungsvorschriften für diese rechtlich un­ selbstständigen kommunalen Unternehmen ist das hohe gesellschaftliche Interesse an Kontrolle, Transparenz und Publizität im Hinblick auf die schutzbedürftigen Belange der Bevölkerung sowohl für die Erfüllung von Pflichtaufgaben bei Monopolbetrieben als auch bei Wettbewerbsunterneh­ men für die Lastentragung oder für Leistungseinschränkungen infolge von Marktrisiken.3115 Bei kommunalen Unternehmen in den Rechtsformen des Privatrechts und bei rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts (Kommunalunterneh­ men) schreiben die Gemeindeordnungen regelmäßig für die Rechnungsle­ gung die Anwendung des Dritten Buches des HGB über große Kapitalge­ sellschaften vor,3116 deren vorrangiges Ziel die Überprüfung von Rechtskon­ formität und Ordnungsmäßigkeit des Rechnungswesens ist.3117 Soweit nach Landesrecht eine Kommune selbst herrschendes Konzernun­ ternehmen sein darf, besteht für sie eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach § 290 HGB mit öffentlicher Konzernrechnungsle­ gung nach der Methode der Vollkonsolidierung gemäß §§ 300 bis 309 HGB zur transparenten Darstellung des Vermögens, der Verpflichtungen und des 3113  Vgl. im Einzelnen die Auflistung der jeweiligen landesrechtlichen Regelun­ gen in Fußn. 2407. 3114  Albers (Fußn. 3032), 272. 3115  So auch Zahradnik (Fußn.  2002), 372 f. 3116  Soweit kommunale Unternehmen den Jahresabschluss nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften aufzustellen haben, finden auf sie die für Abschlussstichtage nach dem 31.12.2012 durch das KleinstkapitalgesellschaftenBilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG) vom 20.12.2012 (BGBl. I S. 2751) einge­ führten Erleichterungen bei der Rechnungslegung und Offenlegung auch dann keine Anwendung, wenn zwei der drei folgenden Merkmale an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen nicht überschritten werden, nämlich 350.000 EUR Bilanzsum­ me, 700.000 EUR Umsatzerlöse, 10 Arbeitnehmer. 3117  Vgl. Fußn. 3033 und 3042. Für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen besteht nach dem Bilanzrechtsreformgesetz vom 04. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3166) zu den Rechnungslegungsstandards ein Wahlrecht zur Anwendung der in­ ternationalen Rechnungslegungsgrundsätze in Einzel- oder Konzernabschlüssen, wobei die Verwendung des IFRS / IAS Standards (International Financial Reporting Standards / International Accounting Standards) nur für Informations- und Offenle­ gungszwecke möglich ist, weil für gewinnausschüttungs- und steuerliche Zwecke noch ein HGB-Abschluss erforderlich ist (vgl. Albers (Fußn. 3032), 277).

548

Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Ressourcenverbrauchs.3118 Umstritten ist dagegen nach wie vor, ob eine Konzernrechnungslegungspflicht für Gebietskörperschaften auch nach den Regeln der §§ 11 ff. des Publizitätsgesetzes3119 gilt, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise durchaus zu befürworten ist,3120 auch wenn vor allem bei Beteiligungsgesellschaften die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des HGB in der Fassung des seit 01.01.2010 anzuwendenden Bilanzmodernisie­ rungsgesetzes3121 in konsolidierten Abschlüssen zu erheblichem Anpas­ sungsbedarf für die nach den Grundsätzen der Doppik bilanzierenden Kommunen führen.3122 2. Bekanntmachungs- und Offenlegungspflichten a) Bekanntmachungspflicht bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen Für Eigenbetriebe, vergleichbar organisierte Regiebetriebe und für Kom­ munalunternehmen als Anstalten des öffentlichen Rechts sieht Landesrecht in der Regel vor, dass der Beschluss über die Feststellung des Jahresab­ schlusses und die Ergebnisverwendung bzw. Verlustbehandlung mit dem Prüfungsvermerk des Abschlussprüfers ortsüblich bekannt zu machen und für die Dauer von sieben Tagen öffentlich auszulegen bzw. (nur in NRW) zur Einsichtnahme dauerhaft verfügbar zu halten ist.3123 Der Jahresabschluss 3118  Zwirner / Busch / Hartmann (Fußn. 389), 202, Fußn. 27 unter Hinweis auf den Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 21.11.2003 zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts, Der Gemeindehaushalt 2004, 36 ff.: Gebietskörperschaften einschließlich der unter- oder nebengeordneten Behörden können inzwischen auch die Standards des gegenwärtig erarbeiteten weltweit geltenden IPSAS (International Public Sector Accounting Standards) anwenden, die aber nicht für privatrechtlich organisierte Beteiligungsgesellschaften gelten. Nur Hamburg und Hessen haben inzwischen für Gebietskörperschaften erste Konzernabschlüsse nach ­IPSAS vorgelegt (Zwirner / Busch / Hartmann (Fußn. 389), 203 m. w. N. in Fußn. 49). 3119  Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Kon­ zernen (Publizitätsgesetz – PublG) vom 15. August 1969 (BGBl. I S. 1189), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3746). 3120  Zum Streitstand vgl. Zwirner / Busch / Hartmann (Fußn. 389), 201 Fußn. 22 und 23. 3121  Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsge­ setz – BilMoG) vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1102). 3122  Ellerich, Standards staatlicher Doppik, WPg 2012, 1131, 1134  ff.; Zwirner / Busch / Hartmann (Fußn. 389), 203, z. B. abweichende Aktivierung bei Zuwen­ dungen, Beschränkung auf eine lineare Abschreibung und Passivierungsverbot für passive latente Steuern (im Gegensatz zur Passivierungspflicht nach HGB). 3123  Vgl. für Baden-Württemberg § 16 Abs. 4 EigBG, Bayern § 25 Abs. 4 EBV und § 27 Abs. 3 KUV, Brandenburg § 33 Abs. 3 EigV, Hessen § 27 Abs. 4 EigBGes,



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane549

und der Lagebericht selbst sind in keinem Bundesland öffentlich bekannt­ zumachen.3124 Auch eine öffentliche Auslegung des Prüfungsberichts findet nicht in allen Bundesländern statt. Wenn schon, wie in Rheinland-Pfalz (§ 114 Abs. 2 GO Rhl-Pf.), im Saarland (§ 101 Abs. 4 Saarl.KSVG) und in Schleswig-Holstein (§ 94 Abs. 4 GO SH) die Prüfungsberichte der Kommu­ nalverwaltung öffentlich auszulegen sind, spricht nichts dagegen, für Eigen­ betriebe als rechtlich unselbstständigen Sondervermögen entsprechend zu verfahren. Da Eigenbetriebe nur selten im Wettbewerb agieren, dürften auch kaum Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse bestehen, die vor einer Offenle­ gung geschützt werden müssten. Diese könnten im Übrigen auch unkennt­ lich gemacht werden.3125 Sonderregelungen gelten für kommunale Krankenhäuser und Pflegeein­ richtungen in öffentlich-rechtlichen Rechtsformen.3126 Energieversorgungs­ unternehmen haben unabhängig von ihrer Rechtsform nach §§ 3 Nr. 18, 10 EnWG einen Jahresabschluss nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des HGB aufstellen, prüfen zu lassen und offenzulegen. Bei vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen (§ 3 Nr. 38 EnWG) soll auch durch eine buchhalterische Entflechtung3127 Transparenz im Hin­ blick auf die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von anderen Unternehmen­ stätigkeiten sichergestellt werden.3128 b) Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften Für alle Kapitalgesellschaften begründet § 325 HGB eine Offenlegungs­ pflicht, die auf die Vierte Gesellschaftsrichtlinie3129 zurückgeht. Art. 47 Abs. 1 der Richtlinie ordnet die Offenlegung des ordnungsmäßig gebilligten Niedersachsen § 34 EigBetrVO, Nordrhein-Westfalen § 26 Abs. 4 EigVO und § 27 Abs. 3 KUV, Rheinland-Pfalz § 27 Abs. 3 EigAnVO, Saarland § 24 Abs. 4 EigVO, Sachsen § 19 Abs. 2 SächsEigBG, Sachsen-Anhalt § 24 AnstVO, Schleswig-Holstein § 24 Abs. 3 EigVO und § 27 Abs. 3 KUVO sowie Thüringen § 25 Abs. 4 ThürEBV. 3124  Zahradnik (Fußn. 2002), 390. 3125  Zahradnik (Fußn. 2002), 391. 3126  Heimrath (Fußn.  3073), 222 m. w. N. 3127  Im Einzelnen hierzu Kronawitter, Die Aufstellungs-, Prüfungs- und Offenle­ gungspflicht von Jahresabschlüssen kommunaler Photovoltaik-Betreiber nach § 10 Abs. 1 EnWG, BayVBl 2011, 135 ff. 3128  Heimrath (Fußn. 3073), 223; vgl. für erneuerbare Energien auch § 8 Abs. 1 KWKG und § 50 EEG 2012 i. V. m. IDW Prüfungshinweis 9.420.3 vom 30.03.2007. 3129  Vierte Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 (78 / 660 / EWG) (ABl. EG Nr.  L 222 vom 14.08.1978, S. 11), zuletzt geändert durch Richtlinie 2009 / 49 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 (ABl. EU Nr. L 164 vom 26.06.2009, S. 42).

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Jahresabschlusses und des Lageberichts sowie des Berichts der mit der Abschlussprüfung beauftragten Person nach den Vorschriften der Publizi­ tätsrichtlinie3130 an. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Richtlinien mit mehrfachen Änderungen der §§ 325 ff. HGB und durch Ergänzung von § 161 AktG3131 in nationales Recht umgesetzt.3132 Unter dem neu geschaffenen Begriff der Offenlegung ist die Einreichung zum elektronischen Bundesanzeiger und die bei großen Kapitalgesellschaften unverzügliche (§ 325 Abs. 2 HGB) Bekanntmachung von Jahresabschluss und Lagebericht samt Bestätigungsvermerk oder Versagungsvermerk unter Angabe des Jahresergebnisses sowie des Vorschlags für die Ergebnisverwen­ dung einschließlich des Berichts des Aufsichtsrates zu verstehen.3133 Wäh­ rend bei der Aktiengesellschaft der Vorstand einen Vorschlag über die Ver­ wendung des Ergebnisses unterbreiten muss (§ 170 Abs. 2 AktG), fehlt im GmbHG eine entsprechende Verpflichtung der Geschäftsführung. Allerdings verweist § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 170 AktG, so dass sowohl für die GmbH mit obligatorischem3134 als auch mit fakultativem Aufsichtsrat ein Gewinn­ vorschlag unterbreitet werden muss, der allerdings nur bei der GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat offenzulegen ist.3135 Bei der Aktiengesellschaft und der GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat erstreckt sich die Offenle­ gung auch auf den schriftlichen Bericht des Aufsichtsrates über das Ergebnis der Prüfung (§ 171 Abs. 2 AktG). Bei der GmbH mit fakultativem Aufsichts­ rat kann der Gesellschaftsvertrag abweichende Regelungen treffen.3136 Gänzlich vermeiden lässt sich die Publizitätspflicht nur bei Beteiligung von mindestens einer natürlichen Person als persönlich haftendem Ge­ 3130  Richtlinie 2009 / 101 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mit­ gliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmun­ gen gleichwertig zu gestalten (ABl. EU Nr. L 258 vom 01.10.2009, S. 11). 3131  Vgl. Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2681), Bilanzreformgesetz (BilReG) vom 04. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3166), Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Un­ ternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006 (BGBl. I S. 2553) und Bilanzrechtsmo­ dernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1102). 3132  Kersting, §§ 325 bis 330, in: Canaris / Habersack / Schäfer (Hg.), Handelsge­ setzbuch, 2010, 278. 3133  Hopt / Merkt, Bilanzrecht 2010, § 325 Rdnr. 3 f. 3134  § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG und § 3 Abs. 2 MontanMitbestG i. V. m. § 170 AktG. 3135  Kersting (Fußn. 3132), 288. 3136  Strittig ist, ob bei Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung der dann abzufassende Bericht des Aufsichtsrates offenzulegen ist oder ob es sich um eine freiwillige Offenlegung handelt, so Kersting (Fußn. 3132), 287 m. w. N. in Fußn. 60.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane551

sellschafter,3137 so dass für kommunale Unternehmen in der Praxis eine generelle Offenlegungspflicht wie für große Kapitalgesellschaften bestehen dürfte. Die Funktion der Offenlegung erschließt sich dabei nicht ohne weiteres. Der BGH3138 hatte, bestätigt durch einen Kammerbeschluss des BVerfG,3139 die Möglichkeiten Dritter eingeschränkt, von offengelegten Daten ohne Zustimmung des Unternehmens für eigenwirtschaftliche Zwecke Gebrauch zu machen, weil dadurch eine Persönlichkeitsverletzung (bei einem Famili­ enunternehmen) eintrete. Diese Rechtsprechung scheint indes überholt, denn der EuGH3140 hat in einer nachfolgenden Entscheidung den Zweck der Of­ fenlegung nicht auf den Schutz von Personen beschränkt, die mit der Ge­ sellschaft in einer besonderen Beziehung stehen, wie etwa Gläubiger oder die Gesellschafter. Als Dritter im Sinne der Vierten Gesellschaftsrichtli­ nie3141 ist vielmehr jedermann anzusehen. Damit besteht die Offenlegungs­ pflicht im Interesse der Allgemeinheit.3142 Da öffentlich verfügbare Informationen auch Eingang in Preise fänden, fördere die Offenlegung die Effizienz des Kapitalmarkts. Sie diene damit dem Funktionsschutz des Marktes und dem Schutz der Marktteilnehmer und stelle ein Korrelat zur Marktteilnahme dar.3143 Lassen sich aus den Vorschriften über die Offenlegung keine Beschrän­ kungen des Verwendungszwecks der offengelegten Informationen ableiten, so können die Informationen nicht nur von potenziellen Investoren, sondern auch von Konkurrenten genutzt werden, so dass ein Wettbewerbsvorsprung eines Unternehmens verloren gehen kann. Der EuGH3144 hat in seiner wei­ ten Interpretation der Offenlegungspflicht auch keinen Verstoß gegen Uni­ onsgrundrechte gesehen. Geheimhaltungsbedarf kann damit allenfalls durch „Aggregierung von Daten und möglichst allgemeine Aussagen“3145 befrie­ digt werden.

3137  LG  Osnabrück

v. 01.07.2005, 15 T 6 / 05, BB 2005, 2461. v. 08.02.1994, VI ZR 286 / 93, NJW 1994, 1281, 1282. 3139  BVerfG v. 03.05.1994, 1 BvR 737 / 94, NJW 1994, 1764. 3140  EuGH v. 04.12.1997, C-97 / 96, Slg. 1997, I-06843. 3141  Siehe Fußn. 3129. 3142  Kersting (Fußn. 3132), 281 m.  w. N. in Fußn. 22; a.  A. Brete, Streitschrift gegen die Offenlegungspflicht von Jahresabschlüssen, GmbHR 2009, 617, 618. 3143  Kersting (Fußn. 3132), 281 m. w. N. in Fußn. 24 und 25. 3144  EuGH v. 23.09.2004, C-435 / 02 und C-103 / 03, C-435 / 02, C-103 / 03, Slg. 2004, I-8663, Rdnr. 47 ff., 55. 3145  Kersting (Fußn. 3132), 284. 3138  BGH

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

3. Registerpflichten und sonstige Publizitätspflichten Mit dem Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossen­ schaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) ist das Handelsre­ gister im Internetzeitalter angekommen. Dokumente der Rechnungslegung sind seit 01.01.2007 nicht mehr beim Handelsregister abzugeben, sondern ausschließlich dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers im Word-, RTF-, Excel- oder XML-Format zu übermitteln.3146 Damit wurde reichlich verspätet eine europarechtskonforme Lösung auch für die geforderte Angabe von Personalien, insbesondere der aktuellen Aufsichtsratsliste, getroffen.3147 Grundsätzlich sind seitdem auch alle Unterlagen beim Handelsregister elek­ tronisch einzusehen. Über das beim elektronischen Bundesanzeiger geführte Unternehmensre­ gister (§ 8b HGB) besteht ein kostenloser zentraler Zugang für jedermann zu den offengelegten Rechnungslegungsunterlagen. Seine Einführung geht auf den Abschlussbericht der Regierungskommission Corporate Governance von 2001 zurück. Es dient zudem der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben.3148 Das Unternehmensregister enthält auch weitere Informationen, etwa zu Han­ delsregisterbekanntmachungen, Insolvenzbekanntmachungen und Veröffent­ lichungen über die Einberufung einer Hauptversammlung. Im Unterschied zum Handelsregister besteht für die Inhalte des Unternehmensregisters kein Vertrauensschutz. Es entfaltet weder positive noch negative Publizität. Vertrauensschutz nach § 15 HGB genießen nur die über das Unterneh­ mensregister abrufbaren eintragungspflichtigen Handelsregisterdaten. Was eintragungspflichtig, aber weder eingetragen noch positiv bekannt ist, kann der Kaufmann einem Dritten im Geschäftsverkehr nicht entgegenhalten (negative Publizität nach § 15 Abs. 1 HGB). Positive Publizität nach § 15 Abs. 3 HGB knüpft daran an, was im Register steht. Bei positiver Publizität, die das Vertrauen in die Richtigkeit einer bekanntgemachten Tatsache schützt,3149 kann sich der Rechtsverkehr (nach 15 Tagen ab Bekanntma­ 3146  Industrie- und Handelskammer Karlsruhe, Das elektronische Handels- und Unternehmensregister / Überwachung der Offenlegungspflichten für Unternehmens­ daten von Amts wegen, http: /  / www.karlsruhe.ihk.de DOKUMENT-NR. 3646, zu­ letzt geprüft am 11.03.2014. 3147  Noack, Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377 ff. 3148  Richtlinie 2004 / 109 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001 / 34 / EG (ABl. EU Nr.  L 390 vom 31.12.2004, S. 38) und Richtlinie 2009 / 101 / EG (Fußn. 3130). 3149  Preuß, § 15 HGB, in: Oetker (Hg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch (HGB), 2013, Rdnr. 53.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane553

chung § 15 Abs. 2 Satz 2 HGB) auf tatsächlich im Handelsregister stehende Tatsachen verlassen.3150 Welche Tatsachen eintragungspflichtig sind, ergibt sich nicht aus § 15 HGB. Eintragungspflichtig sind die im HGB, GmbHG und AktG abschlie­ ßend aufgezählten Tatsachen oder Rechtsverhältnisse.3151 Unberührt bleiben nach § 325 Abs. 5 HGB auf Gesetz, Gesellschaftsver­ trag oder Satzung beruhende Pflichten der Gesellschaft, die Rechnungsle­ gungsunterlagen in anderer Weise bekannt zu machen, einzureichen oder Personen zugänglich zu machen. Für kommunale Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffent­ lichen Rechts und für Gebietskörperschaften als herrschendem Konzernun­ ternehmen3152 (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 PublG) relevant sind hierbei die Pflichten zur Offenlegung des Konzernabschlusses nach § 15 des Publizitätsgesetzes für Großunternehmen, bei denen an drei aufeinanderfolgenden Abschluss­ stichtagen mindestens zwei der drei folgenden Voraussetzungen (§ 1 Abs. 1 PublG) erfüllt sind: 1. Die Bilanzsumme einer auf den Abschlussstichtag aufgestellten Jahresbi­ lanz übersteigt 65 Millionen Euro. 2. Die Umsatzerlöse des Unternehmens in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag übersteigen 130 Millionen Euro. 3. Das Unternehmen hat in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag durchschnittlich mehr als fünftausend Arbeitnehmer beschäftigt. Unberührt bleiben außerdem die Informationspflichten der Geschäftsfüh­ rung gegenüber GmbH-Gesellschaftern nach § 51a GmbHG und die Aus­ kunftsrechte der Aktionäre in der Hauptversammlung nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG gegenüber dem Vorstand.3153 4. Public Corporate Governance Kodex und Beteiligungsbericht Mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz wurden für börsennotierte Gesellschaften auch die offenzulegenden Unterlagen um die „Entsprechens­ erklärung“ nach § 161 AktG ergänzt. Soweit kommunale Unternehmen im 3150  Wamser

(Fußn. 80), § 15 HGB Rdnr. 1 und Rdnr. 13. insbesondere §§ 29, 31, 34, 53, 148 HGB, §§ 7, 39, 40, 54, 57, 67 GmbHG, §§ 45, 81, 106, 181, 266, 294 i. V. m. 291, 292 AktG. 3152  Strittig, aber wohl zutreffend, vgl. oben Fußn. 3120. 3153  Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 4 Abschnitt A. II. 2. a) aa) (2) und b) aa). 3151  Vgl.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Sinne einer transparenten Unternehmensführung die Grundsätze des Public Corporate Governance Kodex’ (PCGK) in ihre Unternehmensführung im­ plementiert haben,3154 folgt daraus auch für deren Organe eine Verpflichtung zur jährlichen Veröffentlichung der Entsprechenserklärung über die Einhal­ tung der Empfehlungen des PCGK. Diese freiwillige Selbstverpflichtung leistet einen Beitrag zur Transparenz und damit auch zur Sicherung des Vertrauens der Bürger bei einer Wahrnehmung kommunaler Aufgaben in organisatorisch ausgegliederten Unternehmen. Dem Ziel der Transparenz kommunaler Aufgaben für ihre Einwohner trotz organisatorischer Ausgliederung dient auch der kommunale Beteili­ gungs­bericht,3155 zu dem inzwischen alle Kommunalgesetze der Länder die Kommunen verpflichten.3156 Der jährlich zu erstellende Beteiligungsbericht soll auch den Mitgliedern des Gemeinderats Informationen über die Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts geben, an denen die Kommune unmittelbar oder mittel­ bar beteiligt ist. In dem Beteiligungsbericht sind für jedes Unternehmen mindestens der Unternehmensgegenstand, die Beteiligungsverhältnisse, die Besetzung der Organe, die Beteiligungen des Unternehmens und der Stand der Erfüllung des öffentlichen Zwecks sowie für das jeweilige letzte Ge­ schäftsjahr die Grundzüge des Geschäftsverlaufs, die Lage des Unterneh­ mens mit den wichtigsten Kennzahlen und die Bezüge des Leitungsorgans bzw. von dessen Mitgliedern darzustellen. Der Schutz geheimhaltungsbe­ dürftiger Tatsachen schränkt allerdings den Informationsgehalt des Beteili­ gungsberichts ein.3157 Was nicht öffentlich berichtet werden darf, darf auch nicht in den Beteiligungsbericht aufgenommen werden. Auch wenn es teilweise nicht vorgeschrieben ist, sollten im Beteiligungs­ bericht alle wirtschaftlichen Betätigungen der Kommune dargestellt und damit auch die Eigenbetriebe und Kommunalunternehmen einbezogen wer­ den. Der Bericht muss den Grundsätzen der Richtigkeit, Klarheit, Vollstän­ digkeit, Vergleichbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit genügen.3158 Die Steuerungsrelevanz des Beteiligungsberichts ist allerdings wegen seiner Vergangenheitsbezogenheit begrenzt.3159 Seine Bedeutung liegt vor allem 3154  Kapitel

3 Abschnitt A. II. 3. (Fußn. 3073), 228. 3156  Vgl. § 105 Abs. 2 und Abs. 3 GemO BW, Art. 94 Abs. 3 BayGO, § 91 Abs. 6 BbgKVerf, § 123a HGO, § 73 Abs. 3 und Abs. 4 KV M-V, §§ 151, 128 Abs. 6 Satz 4 NKomVG, § 117 GO NRW, § 90 Abs. 2 und Abs. 3 GemO Rhl-Pf., § 115 Abs. 2 Saarl.KSVG, § 99 SächsGemO, § 118 Abs. 2 und Abs. 3 GO LSA, § 45c Satz 4 GO SH und § 75a ThürKO. 3157  Ganzer / Tremml (Fußn. 2577), 149. 3158  Oebbecke (Fußn.  1490), 264 f. 3159  Heimrath (Fußn. 3073), 229. 3155  Heimrath



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane555

darin, dass er einen Überblick über die Beteiligungen gewährt und Verglei­ che erleichtert.3160 Die Erstellung des Beteiligungsberichts und die Möglich­ keit der Einsichtnahme für jedermann sind öffentlich bekannt zu geben. Der Beteiligungsbericht ist (so in Hessen nach § 123 a Abs. 3 HGO und in Rheinland-Pfalz nach § 90 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 GemO3161) in öffentlicher Sitzung des Gemeinderats zu erörtern.

II. Informationsmanagement für kommunale Unternehmen gegenüber gesellschaftlichen Gruppen Öffentlichkeit stellt ein Bauelement freiheitlicher Demokratie dar. Der Verfassungsstaat ist „Beteiligungsstaat“. Beteiligung aber setzt Publizität und Transparenz staatlichen Handelns für die Beteiligungsberechtigten vor­ aus.3162 Dabei äußert sich das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der poli­ tischen Willensbildung nicht nur in der Stimmabgabe bei Wahlen, sondern auch in der Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Mei­ nungsbildung.3163 Demokratie ist durch ihren parlamentsübergreifenden Prozesscharakter gekennzeichnet, durch ein vielseitiges und komplexes 3160  Weiblen, Beteiligungscontrolling und -management, in: Fabry / Augsten (Hg.), Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, 2002, Rdnr. 118. 3161  Der VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, Rdnr. 52 ff., sieht keine verfassungswidrige willkürliche Ungleichbehandlung kommunaler und kommunal beherrschter gemischtwirtschaftlicher Unternehmen gegenüber privatwirt­ schaftlichen Unternehmen und auch keine Wettbewerbsverzerrung darin, dass der Beteiligungsbericht im Gemeinderat in öffentlicher Sitzung zu erörtern und in geeig­ neter Form der Einwohnerschaft zugänglich zu machen ist. Eben diese Handhabung entspricht nämlich dem Zweck des Gesetzes; an ihm gemessen sind die Folgen der Regelung nicht unverhältnismäßig. Die Berichtspflicht soll für mehr Transparenz in der Kommunalwirtschaft sorgen. Zwar liegt (auch) der rheinland-pfälzischen Kom­ munalverfassung gemäß Art. 28 Abs. 1 GG und Art. 50 Abs. 1 LV das repräsentative Modell bürgerschaftlicher Interessenvertretung zugrunde. Trotzdem ist es nicht nur für die Ratsmitglieder, sondern auch und gerade für die Öffentlichkeit von erhebli­ chem Interesse, in welcher Form, in welchem Umfang und mit welchen Ergebnissen die Gemeinde sich wirtschaftlich betätigt. Die Bürger können nicht nur über die Teilnahme an Wahlen, sondern in verschiedener Weise auch unmittelbar auf die kommunale Willensbildung Einfluss nehmen. Erst aus der verfassungsrechtlich ge­ wollten Teilnahme der Bürger an der Kommunalverwaltung rechtfertigt sich letztlich die prinzipielle gemeindliche Zuständigkeit in örtlichen Angelegenheiten (vgl. auch BVerfG v. 23.11.1988, 2 BvR 1619 / 83 u. a., BVerfGE 79, 127, 151). Insofern ist es nur konsequent, dass die Gemeindeverwaltung nicht nur dem Gemeinderat, sondern auch der Öffentlichkeit Rechenschaft darüber abzulegen hat, ob und inwieweit sie ihre wirtschaftlichen Betätigungen und Verflechtungen (noch) für gerechtfertigt hält. 3162  Vgl. Nachweis in Fußn. 200. 3163  BVerfG v. 19.07.1966, 2 BvE 1 / 62 u. a., BVerfGE 20, 119, 98; vgl. auch BVerfG v. 02.03.1977, 2 BvE 1 / 76, BVerfGE 44, 125, 139 f.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Wechselspiel zwischen Wählern und Gewählten, Bürgern und staatlichen Instanzen mit entsprechenden Rückkoppelungseffekten.3164 Da parlamenta­ rische Demokratie auf dem Vertrauen des Volkes beruht, ist Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, nicht mög­ lich.3165 Außerhalb des Wahlgeschehens ist Publizität, deren Träger die Gesell­ schaft ist, Voraussetzung für eine begleitende Kontrolle staatlicher Herr­ schaftsausübung. Sie wirkt, wie Jestaedt es formuliert, indirekt kraft sozia­ ler Masse und intellektueller Klasse.3166 Auch gesellschaftliche Kontrolle kann, genauso wie die Kontrolle öffentlicher Unternehmen durch Ingerenz ihres Trägers,3167 nur auf der Grundlage von Information ausgeübt wer­ den.3168 Bei öffentlichen Unternehmen entspricht diese „Öffentlichkeit“ auch einem vitalen Interesse ihrer Beschäftigten im Rahmen der Mitbestim­ mungsregelungen.3169 Gesellschaftliche Kontrolle erzeugt auch die Öffent­ lichkeit, die durch Vermittlung der Medien Informations- und Austauschmög­ lichkeiten herstellt3170 oder eine „öffentliche Meinung“3171 prägt. Zu dieser Publizität zählt auch die staatsbezogene, aber dennoch im gesellschaftlichpolitischen Bereich wurzelnde Tätigkeit3172 der politischen Parteien3173 so­ wie im kommunalen Bereich die an der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Gemeindevertretung mitwirkenden Fraktionen und Wählergruppen (Rathausparteien).3174 Davon zu unterscheiden ist nach ihrer demokratischen und rechtsstaatli­ chen Herkunft diejenige Öffentlichkeit, bei der das Volk als Staatsorgan und der einzelne Wähler als Teil desselben auftritt und bei der ein vorausgehen­ 3164  Dreier / Bauer (Hg.) (Fußn. 68), Rdnr. 83 mit Anm. 247: BVerfG v. 09.04.1992, 2 BvE 2 / 89, BVerfGE 85, 264, 284: „Rückkoppelung zwischen Staatsorganen und Volk“. 3165  BVerfG v. 05.11.1975, 2 BvR 193 / 74, BVerfGE 40, 296, 327. 3166  Jestaedt (Fußn.  111), 217 f. 3167  Siehe hierzu Kapitel 4 Abschnitt A. 3168  Kittner (Fußn. 2458), 215 unter Bezugnahme auf Engler, Informations- und organisationstheoretische Aspekte der qualifizierten Mitbestimmung, 168 ff. m. w. N. 3169  Moxter, Der Einfluß von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten 1962, 136 m. w. N.; vgl. Kittner (Fußn. 2458), 215 f., Fußn. 43: BAG v. 20.11.1970, 1 AZR 409 / 69, AP, Nr.  8 zu § 72 BetrVG, Bl. 6. 3170  Jestaedt (Fußn. 111), 219. 3171  Siehe hierzu Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) dd) (2). 3172  BVerfG v. 05.04.1952, 2 BvH 1 / 52, BVerfGE 1, 208, 224; BVerfG v. 03.06.1954, 1 BvR 183 / 54, BVerfGE 3, 383, 393. 3173  Vgl. Nachweise in Fußn. 222. 3174  Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. I, 2. Aufl. 1984, 442.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane557

der öffentlicher Willensbildungsakt Voraussetzung für eine sachkundige Wahlentscheidung ist.3175 Wie das BVerfG in seinem Diätenurteil3176 festge­ stellt hat, verlangt das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip, dass der Willensbildungsprozess im Parlament „für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Denn dies ist die einzige wirksame Kontrolle.“ Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Gerade das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Aus­ einandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet Möglichkeiten eines Aus­ gleichs widerstreitender Interessen, die bei einem weniger transparenten Vorgehen sich nicht so ergäben.3177 Nichts anderes gilt auf der Ebene der Kommunen, deren Bedingungen für Demokratie keine anderen sind als im Bund.3178 „Das Transparenzprinzip ist auf allen Ebenen der öffentlichen Gewalt untrennbar mit der Partizipation des Volkes an Meinungsfindungs- und Entscheidungsprozessen verbunden.“3179 1. Sitzungsöffentlichkeit und Sitzungsteilnahme Die Sitzungsöffentlichkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für den sich in der Wahl vollziehenden Akt der Kontrolle für die Vergangenheit und der Legitimation für die Zukunft.3180 In der Kommunalverwaltung wird diesem Gebot durch die grundsätzliche Sitzungsöffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen Rechnung getragen.3181 Dabei ist die Sitzungs­ ­ öffentlichkeit keine neuere Erfindung, sondern sie war, wenn auch nicht uneingeschränkt, bereits in der preußischen Gemeindeordnung von 1850 enthalten.3182 Damit soll größtmögliche Transparenz der Entscheidungsfin­ dungsprozesse sowie der Entscheidung selbst und eine Kontrolle des Ver­ auch Jestaedt (Fußn. 111), 217 m. w. N. in Fußn. 52. v. 05.11.1975, 2 BvR 193 / 74, BVerfGE 40, 296, 327. 3177  BVerfG v. 14.01.1986, 2 BvE 14 / 83 u. a., BVerfGE 70, 324, 355. 3178  Meiski (Fußn. 284), 302. 3179  VG Regensburg v. 02.02.2005, RN 3 K 04.1408, LKV 2005, 365, 369. 3180  Müller, Die Verschwiegenheitspflicht der nordrheinwestfälischen Stadtrats­ mitglieder, VR 2011, 161 m. w. N. in Fußn. 6, insbesondere VGH Mannheim v. 18.06.1980, III 503 / 79, ZKF 1982, 95 und OVG Saarlouis v. 22.04.1993, 1 R 35 / 91, DÖV 1993, 964 mit Nachweisen in Fußn. 7. 3181  Vgl. § 35 GemO BW, Art. 52 BayGO, § 36 BbgKVerf, § 52 HGO, § 29 Abs. 5 KV M-V, § 64 NKomVG, § 48 Abs. 2 GO NRW, § 35 GemO Rhl-Pf., § 40 Saarl.KSVG, § 37 SächsGemO, § 50 GO LSA, § 35 GO SH und § 40 ThürKO. 3182  Gramlich, Zur „Öffentlichkeit“ von Gemeinderatssitzungen, DÖV 1982, 139 f. 3175  So

3176  BVerfG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

tretungsorgans durch die Bürger erreicht werden, auch um einer Beein­ flussung der Gemeindevertreter durch Dritte vorzubeugen.3183 Durch öf­ fentliche Gemeinderatssitzungen können sich die Gemeindebürger Kenntnis von politischen Zusammenhängen verschaffen und Informationen für ihre Wahlentscheidung gewinnen.3184 Bei Wahrnehmung kommunaler Aufgaben durch rechtlich verselbststän­ digte dezentrale Organisationseinheiten, deren Organe im Gegensatz zur Kommune ihre Entscheidungen grundsätzlich unter Ausschluss der Öffent­ lichkeit treffen und die häufig als Kaufleute handeln, geht für die davon betroffenen Bürger auch die Transparenz der Entscheidungsfindung und damit in erheblichem Maße die Kontrolle der demokratischen Legitimation sowie die Partizipation an den Meinungsbildungs- und Entscheidungsfin­ dungsprozessen verloren.3185 Grundsätzlich nichtöffentlich tagen alle Gremien privatrechtlich organi­ sierter Unternehmen, von der Gesellschafterversammlung der GmbH oder der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft3186 über die Geschäftsfüh­ rungsorgane und Vorstände, soweit diese aus mehreren Personen bestehen, 3183  Müller

(Fußn. 3180), 161. der kommunalen Wirklichkeit stellt sich die Teilnahme von Bürgerinnen und Bürgern an öffentlichen Sitzungen kommunaler Gremien allerdings eher als Ausnahme dar. Im Regelfall beschränkt sich die Öffentlichkeit auf die Anwesenheit der Medien, deren Berichterstattung den Bürgern damit jedoch nur „Information aus zweiter Hand“ vermitteln kann. Lediglich bei der Behandlung von Tagesordnungs­ punkten, die individuelle Interessen Betroffener unmittelbar tangieren, ist eine zah­ lenmäßig nennenswerte Zuhörerschaft in den Gremiensitzungen zu verzeichnen. Si­ gnifikant hierfür ist, dass sich deren Anwesenheit häufig auf die Behandlung des sie betreffenden Tagesordnungspunktes beschränkt. Diese Feststellung mag von Kom­ mune zu Kommune, abhängig von deren Größe und den lokalpolitischen Verhältnis­ sen variieren, sie spiegelt jedoch nach eigener jahrzehntelanger Erfahrung des Ver­ fassers in einer kreisfreien bayerischen Stadt ein zutreffendes Bild der Interessenla­ ge der Bürger an Sitzungen kommunaler Vertretungsorgane wider. Wesentlich höheres Interesse ließen dagegen Themen erwarten, deren öffentliche Erörterung sich aufgrund der Natur der Angelegenheit, gesetzlicher Regelungen oder zum Schutz von Belangen Dritter verbietet und bei denen die Öffentlichkeit von der Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen wird. Wie Reaktionen von Besu­ chern hierauf zeigen, wird der Fortsetzung einer Behandlung von Tagesordnungs­ punkten in nichtöffentlicher Sitzung nicht selten mit Misstrauen und Zweifeln an deren Notwendigkeit begegnet, vor allem, wenn vermutet werden kann, dass hierbei Belange Betroffener Gegenstand einer weiteren Beratung sein könnten. 3185  Meiski (Fußn. 284), 301 m. w. N. in Fußn. 6, insbesondere Schoch (Fußn. 536), 381, Faber (Fußn. 2046), 1319. 3186  Nach § 118 Abs. 4 AktG kann die Satzung oder die Geschäftsordnung nach § 129 Abs. 1 AktG vorsehen oder den Vorstand oder den Versammlungsleiter dazu ermächtigen vorzusehen, die Bild- und Tonübertragung der Versammlung zuzulas­ sen. 3184  In



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane559

bis hin zu den Aufsichtsräten.3187 Auch die Sitzungen des Verwaltungsrates eines selbstständigen Kommunalunternehmens finden grundsätzlich nichtöf­ fentlich statt.3188 Gerade im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewollte Teilnahme der Bürger an der Kommunalverwaltung haben diese ein berechtigtes Interesse zu erfahren, aus welchen Gründen etwa beabsichtigte Leistungseinschrän­ kungen bei Nahverkehrslinien, die ein kommunales Unternehmen betreibt, für erforderlich gehalten werden oder nach welchen Gesichtspunkten für Bäder oder Freizeiteinrichtungen Eintrittspreise für Familien oder Gruppen festgelegt werden. Die Transparenz der Meinungsbildungs- und Entschei­ dungsprozesse von Unternehmensorganen hat sich daran zu orientieren, wie eine vergleichbare Angelegenheit in den Gremien der Kommune selbst be­ handelt würde, dabei aber zusätzlich den Vorrang zwingenden Gesellschafts­ rechts bei privatrechtlichen Organisationsformen zu beachten. Auch ein Gemeinderat würde Kalkulationsgrundlagen für die Preisbil­ dung und Gestaltung der Tarife in der Strom- und Gasversorgung, für die Wettbewerb mit der Privatwirtschaft besteht, nicht in öffentlicher Sitzung für Konkurrenten zugänglich machen, wenn die Gemeinde ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge im Rahmen ihrer allgemeinen Verwaltung oder durch einen Eigenbetrieb erfüllt.3189 Bei kommunalen Unternehmen kommt es für den gebotenen Umfang an Transparenz auf eine Güter- und Interessenabwägung mit dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder vertraulichen Unternehmensan­ gaben an. Als Maßstab hierfür gilt, ob dem Unternehmen aus einer (vorzei­ tigen) Bekanntgabe objektiv Nachteile erwachsen.3190 Gleiches gilt, wenn der Kommune selbst als Unternehmensträgerin oder deren kommunalen Partnern aus einer öffentlichen Beratung für das Gemeinwohl oder privaten Partnern für deren Unternehmensinteressen Nachteile erwachsen.3191 Bei der Erfüllung kommunaler Aufgaben durch Monopolbetriebe, wie z.  B. bei 3187  Wilhelm

(Fußn. 2678), 945. für Bayern § 2 Abs. 4 KUV; lediglich soweit in Sitzungen des Verwal­ tungsrats Satzungen und Verordnungen beraten und beschlossen werden, die Rechte und Pflichten Dritter begründen, ist eine öffentliche Sitzung vorgeschrieben. 3189  Zu weitgehend wohl die Auffassung von Meiski (Fußn. 284), 303, der die Preisbildung auch bei Strom und Gas ohne Einschränkung einer öffentlichen Erör­ terung für zugänglich erachtet. 3190  Ähnlich auch Kittner (Fußn. 2458), 233. 3191  Burgi (Fußn. 2601), 614: Hierzu zählen beispielsweise Beratungen über Ver­ änderungen der Beteiligungsstruktur eines kommunalen Unternehmens, Vertragsver­ handlungen oder strategische Entscheidungen, die der Zustimmung der Gesellschaf­ ter bedürfen (vgl. OVG Münster v. 16.07.2009, 15 B 945 / 09, OVGE  MüLü 52, 193). 3188  Vgl.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Pflichtaufgaben der Abfallwirtschaft, werden an die Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse der Unternehmensorgane höhere Transparenzanfor­ derungen zu stellen sein als bei einer wirtschaftlichen Betätigung, die bei der Wahrnehmung kommunaler Aufgaben im Wettbewerb mit der Privat­ wirtschaft steht und sich dafür auf den Schutz ihrer Unternehmensgeheim­ nisse berufen kann.3192 a) Vorab-Veröffentlichung der Tagesordnung von Aufsichtsratssitzungen Für Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (§ 109 AktG) oder der GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat (§ 25 Abs. 1 Satz 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG) unterstellt zwingendes Gesellschafts­ recht ein vorrangiges Unternehmensinteresse an Vertraulichkeit und Ver­ schwiegenheit und statuiert deshalb für diese Organisationstypen die Nicht­ öffentlichkeit von Sitzungen, die aufgrund der Aufgaben und Funktionen des obligatorischen Aufsichtsrates auch nicht durch Satzung oder Gesell­ schaftsvertrag ganz oder teilweise aufgehoben oder durch Kommunalrecht modifiziert werden kann.3193 Für den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH fehlt eine eindeutige gesetzliche Regelung, weil § 52 Abs. 1 GmbHG nicht auf § 109 AktG verweist. Hieraus werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Dabei verwundert es auf den ersten Blick, dass gerade dem Aufsichtsrat als gesellschaftsinternem Kontrollorgan der Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung als zentralem Steuerungsorgan für die Transpa­ renz von Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen einer kommuna­ len GmbH eine herausgehobene Rolle zukommt. Doch werden in der Praxis dem Aufsichtsrat häufig wesentliche Kompetenzen der Gesellschafterver­ sammlung übertragen,3194 in der die Kommune oft nur durch den Bürger­ meister vertreten ist. Auch erfolgt die Besetzung der Mitglieder des Auf­ sichtsrats meist nach dem Verhältniswahlrecht und in der Regel mit örtlichen Mandatsträgern, so dass sich im Aufsichtsrat die wesentlichen politischen Gruppierungen artikulieren, obwohl die Aufsichtsräte nur Repräsentanten, nicht aber Vertreter der Kommune sind.3195 Die der Kontrollfunktion imma­ 3192  Siehe

hierzu Kapitel 4 Abschnitt A. I. 2. hierzu die Darstellung in Kapitel 4 Abschnitt A. II. 2. und die dortige Begründung zur Ablehnung der Auffassung des LG Freiburg (Fußn. 2481). 3194  Zieglmeier (Fußn.  1952), 338 f. 3195  In Bayern besteht keine gesetzliche Regelung, nach der die Spiegelbildlich­ keit, die für Ausschüsse des Gemeinderats nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 BayGO gilt, auch für die Besetzung von Organen kommunaler Gesellschaften gelten müsste (vgl. 3193  Siehe



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane561

nente Unabhängigkeit gegenüber der Entsendungskörperschaft führt zu einer Ausdünnung des Legitimationsniveaus, zu deren Ausgleich die verstärkte öffentliche Kontrolle der Aufgabenwahrnehmung durch den Bürger ein wirksames Gegengewicht bilden kann. So hatte das VG Regensburg3196 die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens bejaht, in dem über eine Verpflichtung der Stadt Passau zur Änderung der Satzungen ihrer GmbHs mit ausschließlich fakultativem Aufsichtsrat abge­ stimmt werden sollte. Durch die vorgeschlagene Satzungsänderung sollte die Geheimhaltungspflicht der Mitglieder aller fakultativen Aufsichtsräte der kommunalen GmbHs auf solche Tagesordnungspunkte beschränkt werden, die zum Wohl des jeweiligen städtischen Unternehmens zwingend der Ver­ schwiegenheit bedürfen. Zudem sollte die Satzung erlauben, dass den Me­ dien alle Tagesordnungspunkte, die nicht der Geheimhaltungspflicht unter­ liegen, vorab unter Angabe des Beratungsdatums bekannt gegeben werden. Das VG Regensburg geht mit der herrschenden Dogmatik vom grundsätz­ lichen Vorrang des Gesellschaftsrechts aus,3197 sieht aber bei der GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat in § 52 Abs. 1 GmbHG dispositives Recht, das es gestattet, im Gesellschaftsvertrag die Geheimhaltungspflichten der Auf­ sichtsratsmitglieder zu beschränken, ohne dass dadurch der Regelungsspiel­ raum der Vorschrift in Verbindung mit §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG in rechtswidriger Weise verletzt wird. In welchem Umfang die Verschwiegen­ heitspflicht von Aufsichtsräten einer kommunalen GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat gelockert werden kann, richte sich ausschließlich nach dem vom Öffentlichkeits- und Transparenzprinzip geprägten Kommunalrecht unter besonderer Berücksichtigung der Funktionsfähigkeit und Autonomie des jeweiligen Aufsichtsrats und der berechtigten Ansprüche Privater, des Allgemeinwohls, aber auch der zwingenden Unternehmensinteressen. Wo die Grenze bei der Einschränkung der Verschwiegenheitspflicht von Auf­ sichtsratsmitgliedern einer kommunalen GmbH zu ziehen ist, bestimme sich in einem Abwägungsprozess zwischen den genannten Belangen. Dabei könne die Verschwiegenheitspflicht nicht vollständig abgeschafft werden, insbesondere nicht bei „echten (nicht vorgeschützten)“ Betriebs- und Ge­ schäftsgeheimnissen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dieses Urteil zwar im Ergeb­ nis, jedoch mit abweichender Begründung bestätigt, ohne die über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgreifenden Ausführungen des VG Regens­ BayVGH v. 02.02.2000, 4 B 99.1377, BayVBl 2000, 309). Durch Gesellschaftsver­ trag kann allerdings die Besetzung des Aufsichtsrats nach dem Verhältniswahlrecht vorgesehen werden. 3196  VG Regensburg v. 02.02.2005, RN 3 K 04.1408, LKV 2005, 365. 3197  Rottmann (Fußn. 2388), 261.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

burg zu kommentieren. Mit einer Veröffentlichung der Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung solle die Öffentlichkeit schon vor der Aufsichtsratssit­ zung von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern Informationen dazu erhalten können, was in der Aufsichtsratssitzung behandelt werden soll. Auf diese Weise solle eine frühzeitige öffentliche Diskussion mit den Bürgern durch eine Information über die Themen, nicht aber über die interne Willensbil­ dung und Entscheidungsfindung im Gremium angestrebt werden. Es gehe daher nur darum, was in der Sitzung behandelt wird, nicht aber darum wie einzelne Tagesordnungspunkte entschieden werden.3198 Weder die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates noch die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit des Sitzungsverlaufs3199 werde dadurch in Frage gestellt. Die in § 52 Abs. 1 GmbHG in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 116 i. V. m. 93 AktG schreiben eine Verschwiegenheitspflicht (nur) für vertrauli­ che Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft vor und sind für fakultative Aufsichtsräte dispositives Recht, das durch den Gesellschaftsvertrag abwei­ chend von den Vorschriften des Aktiengesetzes geregelt werden kann.3200 Diese im Ergebnis begrüßenswerte Auffassung des BayVGH steht auch nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des BGH vom 05.06.1975,3201 die einen obligatorischen Aufsichtsrat betraf, und des BGH vom 13.10. 1977,3202 der die Möglichkeit von Einschränkungen der Verschwiegenheits­ pflicht nach § 52 Abs. 1 GmbHG gerade für Unternehmen der öffentlichen Hand bestätigte. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewollte Teilnahme der Bürger an der Kommunalverwaltung3203 hat die Öffentlichkeit auch ein berechtigtes Interesse an weitgehender Transparenz kommunaler wirtschaftlicher Betäti­ gung.3204 Altmeppen weist zu Recht darauf hin, dass es nicht Ziel der Kommune sein kann, ihre wirtschaftliche Betätigung vor der Öffentlichkeit möglichst geheim zu halten.3205 3198  BayVGH

v. 08.05.2006, 4 BV 05.756, BayVBl 2006, 534, 536. Bayerische Staatsministerium des Innern hält auch für den fakultativen Aufsichtsrat in Übereinstimmung mit maßgeblichen Stimmen der Literatur (Oebbecke (Fußn. 1972), 240 m. w. N. in Fußn. 96) die Anwendung des Rechtsgedankens des § 109 AktG für geboten (vgl. BayStMdI, vom 28.02.2007, Nr. 1B3-1515.5-59, unveröffentlicht, Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen der Stadtwerke Deggen­ dorf GmbH, S. 1). 3200  So insbesondere auch Altmeppen (Fußn. 2015), 2566. 3201  BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325. 3202  BGH v. 13.10.1977, II ZR 123 / 76, BGHZ 69, 334. 3203  VerfGH Koblenz v. 28.03.2000, N 12 / 98, DVBl 2000, 992, 997. 3204  Schwerdtner, Flucht in das Privatrecht – ein Spiel ohne Grenzen?, KommJur 2007, 169, 170. 3205  Altmeppen (Fußn. 2015), 2566. 3199  Das



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b) Teilnahme von Nichtmitgliedern an Aufsichtsratssitzungen Für die Aktiengesellschaft und die GmbH mit obligatorischem Aufsichts­ rat regelt § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse Personen, die weder dem Aufsichtsrat noch dem Vorstand angehören, nicht teilnehmen sollen. Nicht-Organmitglieder („Drit­ te“) sind damit im Grundsatz ausgeschlossen, um die Vertraulichkeit von Aufsichtsrats- und Ausschussberatungen zu gewährleisten.3206 Ausnahmen hierzu gestattet zwingendes Gesellschaftsrecht ausdrücklich nur in wenigen Fällen. Hierzu zählt die Verpflichtung des Abschlussprüfers nach §§ 109 Abs. 4, 171 Abs. 1 Satz 2 AktG, an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses über die Vorlage des Jahresab­ schlusses oder Konzernabschlusses teilzunehmen und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten. Die mündliche Berichterstattung soll in Ergänzung zum schriftlichen Prüfungsbericht zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung des Vorstands dienen und Gele­ genheit für Nachfragen zu konkreten Vorgängen bieten, die Prüfungsgegen­ stand waren.3207 Für den Aufsichtsrat wäre es pflichtwidrig, von einer Teilnahme des Abschlussprüfers abzusehen.3208 Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG können zur Beratung über einzelne Ge­ genstände der Tagesordnung Sachverständige und Auskunftspersonen durch Entscheidung des Vorsitzenden oder aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusses zugezogen werden. Dabei ist schon bei der Auswahl des Beraters darauf zu achten, dass einer Weitergabe an Dritte oder einem sonstigen Missbrauch von Informationen vorgebeugt wird.3209 Einem Aufsichtsratsmitglied steht aber kein generelles Recht zu, einen „ständigen Berater“ einzuschalten. Dadurch könnte nicht nur die Vertraulichkeit leiden, sondern vor allem be­ stünde die Gefahr, dass die vom Aufsichtsrat in eigener Verantwortung zu treffenden Entscheidungen entgegen dem Grundsatz des § 111 Abs. 5 AktG allgemein zu stark nach außen verlagert werden.3210 Auch die Unterneh­ menssatzung kann über § 109 AktG hinaus keine generelle Teilnahme Drit­ ter mit beratender Funktion an den Sitzungen eines obligatorischen Auf­ sichtsrats zulassen, weil nur Personen Einflussmöglichkeiten haben sollen, die im Aufsichtsrat auch Verantwortung tragen und in mitbestimmten Un­ 3206  Henssler, in: Henssler / Strohn (Hg.), Gesellschaftsrecht, 2011, § 109 AktG, Rdnr. 5. 3207  Goette / Habersack (Hg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz 3. Aufl. 2008–2013, § 171 Rdnr. 132 und Rdnr. 167. 3208  Hüffer (Fußn. 2592), § 171 AktG, Rdnr. 11a. 3209  BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 332. 3210  BGH v. 15.11.1982, II ZR 27 / 82, BGHZ 85, 293, 296.

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ternehmen dadurch auch der Paritätsgedanke umgangen würde.3211 Da dies für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer und der Anteilseigner in gleicher Weise gilt,3212 verbietet sich in diesen Gesellschaften auch eine regelmäßige Teilnahme von Mitarbeitern der Beteiligungsverwaltung der Kommune als Sachverständige zur Unterstützung „ihrer“ Aufsichtsräte oder zur eigenen Informationsgewinnung „aus erster Hand“, die für wirksame Steuerungsaufgaben der Kommune durchaus nützlich sein könnte.3213 Holt sich ein Aufsichtsratsmitglied auf eigene Veranlassung zu einzelnen Sach­ themen Anregungen oder Empfehlungen von der Beteiligungsverwaltung der Kommune, so steht deren Berücksichtigung, soweit sie mit dem Unter­ nehmensinteresse vereinbar sind, nichts entgegen.3214 Auch wenn zur Beratung im Aufsichtsrat Sachverständige oder Aus­ kunftspersonen zugezogen werden, hat jedes Aufsichtsratsmitglied Anspruch darauf, dass über alle Gegenstände ohne die Gegenwart Dritter, ggf. auch ohne die Teilnahme der Geschäftsführung, beraten und abgestimmt werden kann.3215 Für die GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat verweist § 52 Abs. 1 GmbHG nicht auf § 109 AktG. Gesellschaftsrecht lasse deshalb eine Übertragung des Öffentlichkeitsgrundsatzes des Kommunalrechts auch auf die Sitzungen ei­ nes fakultativen Aufsichtsrats zu.3216 Hierbei gehe es darum, welche Trans­ parenzpflichten kommunale Unternehmen gegenüber den Bürgern im Ver­ gleich zum Öffentlichkeitsgrundsatz der Gemeinderatssitzungen haben.3217 Der Öffentlichkeitsgrundsatz dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass gemeindliche Aufgaben auf Unternehmen in den Rechtsformen des Privat­ rechts verlagert werden und es dadurch zu einer „Selbstentmachtung des v. 30.01.2012, II ZB 20 / 11, BB 2012, 667 mit Anmerkung Otte, 668. Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat 1979, Rdnr. 131 ff. 3213  Zu einer solchen Empfehlung siehe aber Deutscher Städtetag (Fußn. 1929), 16. Häußermann (Fußn. 2824), 126 f. sieht in der Berufung sachverständiger Dritter in einen Aufsichtsrat durch die Kommune unter dem Gesichtspunkt der Sachkunde eine Erhöhung des Legitimationsniveaus. Da jedoch ausreichende Sachkunde Vor­ aussetzung für die Berufung jedes Aufsichtsratsmitgliedes ist, kann der Argumenta­ tion nicht gefolgt werden, dass aus diesem Grund „Dritte“ zu Aufsichtsräten bestellt werden sollten. 3214  Möller (Fußn. 379), 105. 3215  Zöllner / Noack, in: Baumbach / Hueck / Beurskens (Hg.), GmbHG Kommentar, 2013, § 52, Rdnr. 87. 3216  VG Regensburg v. 02.02.2005, RN 3 K 04.1408, LKV 2005, 365, 368 f.; im Ergebnis befürwortend auch Witzsch, Anmerkung zum Urteil des BayVGH vom 08.05.2006, BayVBl 2006, 534, BayVBl 2006, 735, 736. 3217  Rottmann (Fußn. 2388), 261; Striedl / Troidl (Fußn.  232), 297 m.  w.  N. in Fußn. 109. 3211  BGH

3212  Lutter,



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Organs Gemeinderat“ komme.3218 Literatur und Rechtsprechung gehen je­ doch überwiegend davon aus, dass der Rechtsgedanke des § 109 AktG auch auf den fakultativen Aufsichtsrat anzuwenden ist.3219 Mit der Regelung des § 52 Abs. 1 GmbHG hat der Bundesgesetzgeber zwar nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck gebracht, dass er in einer Einschrän­ kung der Geheimhaltungspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern keine Gefähr­ dung der Autonomie des fakultativen Aufsichtsrats sieht, wenn der Umfang der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder durch Gesell­ schaftsvertrag näher festgelegt, erweitert oder eingeschränkt wird.3220 Auch wenn es sich insoweit um dispositives Gesellschaftsrecht handelt, darf aber Dritten ein Recht auf Teilnahme an den Sitzungen eines fakultativen Auf­ sichtsrates nur insoweit eingeräumt werden, als dies mit der Stellung und den Aufgaben des Aufsichtsrates vereinbar ist. Der Grundsatz der Nichtöf­ fentlichkeit darf auch beim fakultativen Aufsichtsrat nicht unterlaufen wer­ den.3221 Auch durch Gesellschaftsvertrag kann deshalb Dritten, insbesonde­ re Ratsmitgliedern einer Kommune, kein allgemeines Teilnahmerecht an den Sitzungen eines fakultativen Aufsichtsrats ihres Unternehmens als Zuhörer eingeräumt werden. Ein solches Recht überschreitet die Grenzen der Sat­ zungsautonomie im Gesellschaftsrecht und ist sowohl gesellschaftsrechtlich als auch kommunalrechtlich unzulässig und offensichtlich rechtswidrig.3222 Auch der BGH3223 hat zu Recht hervorgehoben, dass eine unbefangene Meinungsäußerung und Meinungsbildung für eine sachgerechte Tätigkeit des Aufsichtsrats unerlässlich ist. Das BVerfG hat die Notwendigkeit, eine unbefangene Meinungsäußerung zu sichern und durch Geheimhaltungsvor­ schriften zu gewährleisten, in seinem Volkszählungsurteil3224 ausdrücklich anerkannt. Säcker verweist zutreffend darauf, dass diese Ausführungen des BVerfG nicht nur für den „Makroorganismus“ Gesellschaft, sondern sinn­ gemäß in gleicher Weise auch für den „Mikroorganismus“ Aufsichtsrat gelten.3225 3218  Striedl / Troidl (Fußn. 232), 297 m. w. N. in Fußn. 119: Troidl, Öffentliche Theater als Kommunalunternehmen (Art. 89 BayGO) 2004, 45 ff. 3219  Siehe hierzu die Nachweise in Fußn. 3199 und Lohner / Zieglmeier, Die Be­ setzung des Aufsichtsrats einer kommunalen GmbH und der Verbandsversammlung eines Zweckverbands, BayVBl 2007, 581, 583 f. 3220  BayVGH v. 08.05.2006, 4 BV 05.756, BayVBl 2006, 534, 536. 3221  Wilhelm (Fußn. 2678), 946, Fußn. 16 unter Bezugnahme auf die Stellungnah­ me des Bayerischen Staatsministeriums des Innern im Bayerischen Landtag (LTDrucks. 15 / 7754) vom 25.04.2007. 3222  Zutreffend OVG Münster v. 21.12.1995, 15 B 3199 / 95, NWVBl 1997, 67, 68. 3223  BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 332. 3224  BVerfG v. 15.12.1983, 1 BvR 209 / 83 u. a., BVerfGE 65, 1, 43. 3225  Säcker (Fußn. 2480), 807.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Häufig wird es schon von der Sache her angezeigt sein, dass Angelegen­ heiten, die im Aufsichtsrat besprochen werden, ebenso wie der Sitzungsver­ lauf und die Ergebnisse der Besprechung nicht oder nicht zur Unzeit nach außen dringen dürfen und deshalb im Unternehmensinteresse von allen Aufsichtsratsmitgliedern vertraulich zu behandeln sind. Die Beratung und Entscheidung über die Kontrollaufgaben gegenüber der Geschäftsführung sowie zu sonstigen vertraulichen Angaben im Interesse des Unternehmens und dessen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann deshalb auch im fakultativen Aufsichtsrat nicht in öffentlicher Sitzung oder in Anwesenheit Dritter stattfinden, soweit diese nicht auch bei obligatorischen Aufsichtsrä­ ten zulässig ist.3226 Nichtöffentlichkeit ist als Preis effektiver Aufgabenerfüllung materiell gerechtfertigt, soweit die innere Willensbildung „gegen Fremdeinblick und Fremdeinfluss abzuschirmen“3227 ist. Das offene Wort hinter verschlossenen Türen, um zu Kompromissen bei der Entscheidungsfindung zu kommen,3228 zählt hierzu ebenso wie der Schutz objektiver Geheimnisse, bei denen der Erfolg des Tätigwerdens auch davon abhängt, dass sie nicht vorzeitig be­ kannt werden. Ebenso wenig wie Öffentlichkeit3229 ist auch Nichtöffentlich­ keit Selbstzweck, sondern zur Gewährleistung der Effizienz staatlicher Aufgabenerfüllung rechtfertigungsfähig und im Hinblick auf deren verfas­ sungsrechtlich gebotene Transparenz rechtfertigungsbedürftig auch, soweit die dafür gewählte Organisationsform sie zum Grundsatz erhebt. So kann es auch im Unternehmensinteresse liegen, eine im Aufsichtsrat besprochene Angelegenheit öffentlich zu erörtern, um Missverständnisse auszuräumen, Gerüchten entgegenzutreten, Unruhe etwa bei Beschäftigten zu vermeiden oder sonst die Beziehungen und das Bild der Gesellschaft nach innen und außen günstig zu beeinflussen.3230 Diesem in der Praxis bestehenden Bedürfnis nach Öffentlichkeit kann bei einer GmbH mit fakul­ tativem Aufsichtsrat durch Aufteilung der Tagesordnung in einen öffentli­ chen und einen nichtöffentlichen Teil Rechnung getragen werden, da nicht alle Tagesordnungspunkte echte Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse oder geheim zu haltende Daten von Geschäftspartnern usw. betreffen.3231 Soweit 3226  Siehe hierzu die Darstellung zur Verschwiegenheitspflicht in Kapitel 4 Ab­ schnitt A. II. 2. b) cc) (2). 3227  Isensee (Fußn. 2382), § 118 Rdnr. 4. 3228  Jestaedt (Fußn.  111), 230 f. 3229  Jestaedt (Fußn. 111), 242. 3230  BGH v. 05.06.1975, II ZR 156 /  73, BGHZ 64, 325, 331. 3231  Die kreisfreie Stadt Amberg hatte diesen Rechtsstandpunkt bereits im An­ schluss an die Entscheidung des VG Regensburg vertreten und für ihre Gesellschaf­ ten mit fakultativem Aufsichtsrat sowie für ihre Kommunalunternehmen durch eine Aufteilung der Tagesordnung in einen vorgeschalteten öffentlichen und einen sich



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im öffentlichen Teil keine Aufsichtsratsfunktionen ausgeübt werden, die sich auf die Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung oder auf Strate­ gieentscheidungen des Unternehmens beziehen, und soweit dabei keine Entscheidungen getroffen werden, bestehen gegen eine solche begrenzte Öffentlichkeit keine Bedenken.3232 Zu öffentlichen Tagesordnungspunkten kann folglich auch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied Auskunft über die Beratungsthemen erteilen, ohne sich etwa nach § 85 GmbHG strafbar zu machen.3233 2. Interessenkonflikte innerhalb von Unternehmensorganen Zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland zählt die sog. Sozialpartnerschaft, deren Ziel es ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Partner vertrauensvoll zusammenwirken, statt die Konfrontation zu suchen. Auf der Ebene der wirtschaftlichen Unternehmen zeigt sich die Sozialpart­ nerschaft darin, dass den Arbeitnehmern weitreichende Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte eingeräumt worden sind.3234 Die verschiedenen Arten der Mitbestimmung, sowohl die im Beschäfti­ gungsverhältnis wurzelnde personelle oder, wie sie in privatrechtlich orga­ nisierten Unternehmen bezeichnet wird, betriebliche Mitbestimmung als auch die direktive oder unternehmerische Mitbestimmung stellen mit den damit verbundenen Rechten der Arbeitnehmervertretungen ein wichtiges Mittel zur Wahrung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen Mitarbeiters am Arbeitsplatz dar.3235 Sie gehen auf Vorstellun­ gen zurück, die auch den Grundrechtsverbürgungen der Art. 1, 2 und 5 Abs. 1 GG zugrunde liegen. Den Repräsentanten der Beschäftigten steht aber nicht die Befugnis zu, Grundrechte der Bediensteten „gleichsam ge­ sammelt“ wahrzunehmen. Ebenso wenig stehen Personalratsmitgliedern in anschließenden nichtöffentlichen Teil umgesetzt, um einer damals anhebenden brei­ ten Diskussion im Stadtrat entgegen zu kommen. 3232  So auch ausdrücklich BayStMdI, vom 28.02.2007, Nr. 1B3-1515.5-59, unver­ öffentlicht, Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen der Stadtwerke Deggendorf GmbH, S. 6. 3233  BayVGH v. 08.05.2006, 4 BV 05.756, BayVBl 2006, 534, 563; zweifelnd Wilhelm (Fußn. 2678), 946, Fußn. 20. 3234  Ehlers (Fußn. 2803). 3235  Ehlers (Fußn. 2803) m. w. N. in Fußn. 7: Richardi, Arbeitsgesetze 46. Aufl. 1994, Einf. 10 f. Dadurch unterscheidet sich die Arbeitnehmervertretung auch von den Arbeiterausschüssen der Kaiserzeit aufgrund der Arbeitsschutzgesetze von 1891 und in der Weimarer Zeit von den Beamtenvertretungen nach Art. 130 Abs. 3 WRV und den Betriebsarbeiterräten nach Art. 165 Abs. 2 WRV, die den Arbeitgebern als Kontrahenten gegenüber standen.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

dieser Eigenschaft selbst Grundrechte im Interesse der Erfüllung ihrer Auf­ gaben zur Seite.3236 Die Arbeitnehmervertreter üben – soweit gesetzlich zugelassen – im Ver­ waltungsrat von Kommunalunternehmen3237 nach den Personalvertretungs­ gesetzen der Länder oder bei privatrechtlich organisierten Unternehmen als Betriebsräte sowie bei mitbestimmten Gesellschaften der öffentlichen Hand im Aufsichtsrat ihren Einfluss aufgrund einer aus dem Sozialstaatsprinzip fließenden gesetzlichen Regelung aus, sie können sich aber nicht auf eine vom Volk abgeleitete Legitimation ihrer Funktion berufen.3238 In diesem Zusammenhang ist Publizität nicht als Partizipation an der Ausübung von Staatsfunktionen3239 zu verstehen. Sie dient vielmehr im Spannungsverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft der Grundrechtsver­ wirklichung der Belegschaft als gesellschaftlicher Gruppe, wegen deren besonderer und möglicherweise existenzieller Betroffenheit von Entschei­ dungen ihr der Gesetzgeber mittelbare Einflussmöglichkeiten über die Per­ sonalvertretung und die gewerkschaftlichen Organisationen durch Sitz und Stimme in Unternehmensorganen eröffnet hat. a) Interessenkonflikte von Repräsentanten der Belegschaft Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat eines Kommunalunternehmens oder im Aufsichtsrat einer Gesellschaft sind einerseits Organmitglieder und unterliegen als solche den Regeln des öffentlichen Anstalts- bzw. des priva­ ten Gesellschaftsrechts. Als Repräsentanten der Belegschaft ist ihre Stellung aber auch arbeitsrechtlich orientiert. Besonders deutlich wird dies bei Ar­ beitnehmervertretern, die selbst Beschäftigte des Unternehmens sind und ihm deshalb in zwei verschiedenen Rechtsverhältnissen angehören.3240 Für sie, aber auch für Gewerkschaftsvertreter in den Unternehmensorganen, entsteht dadurch ein interessensdualistisches Spannungsverhältnis. In ihrer Arbeitnehmervertreter- bzw. Gewerkschaftsfunktion sollen sie als Interes­ senwahrer der Belegschaft bzw. der gewerkschaftlich organisierten Arbeit­ nehmer auftreten, andererseits sind sie wie alle anderen Organmitglieder dem Unternehmensinteresse verpflichtet.3241 3236  BVerfG

v. 26.05.1970, 2 BvR 311 / 67, BVerfGE 28, 314, 323 f. Nachweise in Fußn. 2845. 3238  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 4 Abschnitt B. I. 1. und VerfGH Münster v. 15.09.1986, 17 / 85, OVGE  MüLü 39, 292. 3239  Becker (Fußn. 2785), 4. 3240  Hueck (Fußn. 2479). 3241  Wessing / Hölters (Fußn.  2464) f. 3237  Vgl.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane569

Von Bedeutung ist hierbei, dass die Mitgliedschaft sowohl im Verwal­ tungsrat einer Anstalt des öffentlichen Rechts als auch in einem Aufsichtsrat als Nebenamt konzipiert ist. Damit wird ein Interessenkonflikt mit dem Hauptamt des Organmitglieds erst ermöglicht, wenn nicht sogar angelegt.3242 So werden Gewerkschaftsvertreter von § 6 Abs. 3 und Abs. 4 MontanMit­ bestG sogar vorgeschrieben und zwar als Vertreter gerade der Gewerkschaf­ ten, die auch für die Tarifpolitik dieser Unternehmen zuständig sind.3243 Beim Abschluss von Firmentarifverträgen kann hierbei ein potenzieller Konflikt mit den Aufsichtsratspflichten und deren alleiniger Ausrichtung an den Unternehmensinteressen akut werden. Dieser Konflikt besteht nicht zwischen der Gewerkschaft und dem Unternehmen, sondern ausschließlich in der Person des jeweiligen Aufsichtsrats, der sich bei Entscheidungen hierüber entweder der Stimme enthalten oder der Beratung fernbleiben muss.3244 b) Verschwiegenheitspflicht und Informationsbedürfnis der Belegschaft Auch beim Bedürfnis der Belegschaft nach Informationen, die bei der Un­ ternehmensleitung oder zur Ausübung einer Steuerungs- und Kontrollfunkti­ on im Aufsichtsgremium vorhanden sind, geht es nicht um Publizitätsansprü­ che, die aus einer Legitimationskette vom Volk abgeleitet werden könnten. Betroffen ist das Spannungsverhältnis zwischen der Verschwiegenheitspflicht als Mitglied eines Unternehmensorgans mit Herrschaftswissen und den Inte­ ressen der Belegschaft an Information und Transparenz von Entscheidungs­ prozessen und deren Ergebnissen als gesellschaftlicher Gruppe. Ein besonderes Konfliktfeld stellt hierbei die Schweigepflicht von Reprä­ sentanten der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat dar, wenn in den Unterneh­ mensorganen über die Stilllegung oder Auslagerung von Betriebsteilen oder das „Outsourcen von Ressourcen“ mit drohendem Arbeitsplatzverlust ge­ sprochen wird und Arbeitnehmervertreter dies von sich aus der Belegschaft mitteilen möchten. Bei dieser Entscheidung wird das Unternehmensinteresse deutlich tangiert, auch könnten qualifizierte Mitarbeiter dadurch dem Unter­ nehmen frühzeitig den Rücken kehren und zu Wettbewerbern abwandern.3245 3242  Lutter,

Bankenvertreter im Aufsichtsrat, ZHR 145, 224, 235. v. 01.03.1979, 1 BvL 21 / 78, BVerfGE 50, 290, 370 ff. 3244  Lutter (Fußn. 3242), 246 f., insbesondere Nachweise in Fußn. 70. 3245  In diesem Zusammenhang ist auf § 17 Abs. 1 und Abs. 2 UWG zu verweisen, der die unbefugte Mitteilung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen für alle bei einem Unternehmen Beschäftigten während der Geltungsdauer eines Dienstverhält­ nisses unter Strafe stellt, wenn diese zu Wettbewerbszwecken oder aus Eigennutz, 3243  BVerfG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Soweit Kittner3246 eine Unterrichtung der Belegschaft auch durch Arbeit­ nehmervertreter umso eher für zulässig hält, je konkreter eine beabsichtigte Maßnahme ist, kann dieser Auffassung im Ergebnis nicht gefolgt werden. Abgesehen von der ausnahmsweisen Lockerung der Verschwiegenheits­ pflicht nach §§ 394, 395 AktG für Repräsentanten der Gebietskörperschaft im Aufsichtsrat gilt das generelle Schweigegebot auch für die Mitglieder, die von der Belegschaft dorthin delegiert werden.3247 Für die Verschwiegen­ heitspflicht der Arbeitnehmervertreter über vertrauliche Angaben und Ge­ heimnisse der Gesellschaft kommt es gleichfalls auf das Geheimhaltungsin­ teresse des Unternehmens an. Eine Einbeziehung des Informationsbedürf­ nisses der Belegschaft in das Unternehmensinteresse käme damit einer Be­ freiung von der Verschwiegenheitspflicht nahe, sobald sich eine Maßnahme nur konkret abzeichnet. Die Ansicht Kittners übersieht auch, dass die Ent­ scheidung zur Bekanntgabe von Informationen über Unternehmensinterna gegenüber Dritten grundsätzlich nicht dem „Innenorgan“ Aufsichtsrat und vor allem nicht einem einzelnen Mitglied, sondern im Regelfall dem Ge­ schäftsleitungsorgan obliegt.3248 Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Weitergabe von Informationen an die Belegschaft gerechtfertigt ist, ist bei mitbestimmten Unternehmen die Wertung des Gesetzgebers in § 79 BetrVG maßgeblich, der ausdrücklich die Pflicht zur Wahrung der Ver­ schwiegenheit klarstellt. Die Mitbestimmungsregelungen verändern damit das Unternehmensinteresse nicht. Ein nur aus der Mitbestimmung folgendes Informationsinteresse der Belegschaft kann deshalb ein im Übrigen begrün­ detes Geheimhaltungsinteresse weder aufheben noch durchbrechen. Dies gilt in Übereinstimmung mit der herrschenden Literaturmeinung auch ge­ genüber dem einer eigenen Schweigepflicht unterliegenden Betriebsrat.3249 Für diesen entscheidet der Arbeitgeber über eine Lockerung oder Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht, so dass eine eigene Abwägung und Entschei­ dung für Betriebsratsmitglieder grundsätzlich nicht in Betracht kommt.3250 zu Gunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Scha­ den zuzufügen, erfolgt. Eine Informationsweitergabe an Beschäftigte zur Unzeit kann diese hierzu verleiten. 3246  Kittner (Fußn.  2458), 244 f. 3247  Hueck (Fußn. 2479), 41 m. w. N. in Fußn. 50. 3248  Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 4 Abschnitt A. II. 2. a) aa) (1) und Hueck (Fußn. 2479), 40 m. w. N. in Fußn. 45; Veith (Fußn. 2515), 528. 3249  Hueck (Fußn. 2479), 41 m. w. N. in Fußn. 56; bestätigt wird die h. M. durch § 79 Abs. 1 Satz 5 BetrVG, der zwar die Schweigepflicht des Betriebsrats gegenüber dem Aufsichtsrat aufhebt, nicht aber umgekehrt. 3250  Isele, Die Verschwiegenheitspflichten der Arbeitnehmervertreter in den Mit­ bestimmungsorganen der Unternehmungen, in: Biedenkopf / Coing / Kronstein (Hg.), Das Unternehmen in der Rechtsordnung: Festgabe für Heinrich Kronstein aus Anlass seines 70. Geburtstages am 12. September 1967, 1967, 107, 112.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane571

Allerdings kann das Unternehmensinteresse im Rahmen einer Güterabwä­ gung auch zu einer Einschränkung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Belegschaft führen. Dies gilt insbesondere, wenn der durch die Weiter­ gabe einer Information drohende Schaden für das Unternehmen geringer ist als ein anderer Schaden, der durch die Unterrichtung der Belegschaft ver­ mieden werden kann.3251 c) Interessenkonflikte durch Nutzung von Insider-Informationen Besondere Interessenkonflikte zwischen den Belangen des Unternehmens und einer unternehmensfernen Haupttätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern können entstehen, wenn an einem kommunalen Unternehmen Kreditinstitu­ te als Gesellschafter beteiligt und durch deren Vorstände im Aufsichtsrat vertreten sind. Ob sich ein Vorrang der Unternehmensinteressen vor denje­ nigen des Kreditinstituts in konfliktträchtigen Fallkonstellationen mit den hauptberuflichen Vorstandspflichten vereinbaren lässt, darf in der Praxis durchaus bezweifelt werden. Eine Pflicht der Bank zu geschäftlicher Zu­ rückhaltung trotz Kenntnis ihres Vorstandes von Umständen, die Einfluss auf die geschäftlichen Interessen des Kreditinstituts haben, erscheint unrea­ listisch. Für den Vorstand eines Kreditinstituts wäre ein Verzicht auf geeig­ nete Konsequenzen sogar pflichtwidrig.3252 Auch wenn derartige Interessen­ konflikte nicht nur bei der Beteiligung von Kreditinstituten an Unternehmen der öffentlichen Hand auftreten, ist eine solche Beteiligung an einem ge­ mischtwirtschaftlichen Unternehmen besonders kritisch zu bewerten. Das Unternehmen selbst kann damit unfreiwillig als Informationslieferant mit Nachteilen für seine eigenen Geschäftspartner missbraucht werden. Auch durch die Implementierung von Public Corporate Governance Kodizes in die Unternehmensphilosophie kann einem Missbrauch von Insider-Wissen zwar entgegengewirkt, dieser aber nur durch Verzicht auf eine Unterneh­ mensbeteiligung von Kreditinstituten ausgeschlossen werden. 3251  So insbesondere Hueck (Fußn. 2479), 42 m. w. N. in Fußn. 60; weitergehend: Kittner (Fußn. 2458), 244. 3252  Siehe hierzu die Beispiele bei Lutter (Fußn. 3242). Aus Konstellationen die­ ser Art kann für Bankenvertreter ein zweifacher Konflikt erwachsen. Einerseits er­ halten die Kreditinstitute hierdurch Insiderinformationen und damit nicht nur fakti­ sche Wettbewerbsvorteile bei der Kreditvergabe an die Gesellschaft selbst und dar­ über hinaus als Gesellschafter über § 51a GmbHG auch Kenntnis von Konditionen konkurrierender Anbieter und Kreditgeber. Andererseits gewinnen sie auch für die weitere Geschäftstätigkeit ihres Kreditinstituts Erkenntnisse über Kunden, die zu­ gleich Geschäftspartner der Gesellschaft sind. Diese können ihren Handlungsspiel­ raum als Kreditinstitut maßgeblich beeinflussen, wobei deren Herkunft ihren Kun­ den selbst häufig verborgen bleibt.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

3. Teilhaberechte von Ratsmitgliedern, deren Fraktionen und Wählergruppen Besonders umstritten ist, ob den einzelnen Mitgliedern eines Gemeinde­ rats ein subjektiv-öffentliches Recht auf Auskunft über Angelegenheiten kommunaler Unternehmen zusteht und ob ein solches Recht auch Fraktio­ nen und Wählergruppen für sich in Anspruch nehmen können. Da sich Gemeinderatsmitglieder freiwillig zu Fraktionen oder in Wählergruppen zusammenschließen können, andererseits aber die Kommunalgesetze einzel­ ner Länder den Fraktionen und Wählergruppen in unterschiedlichem Um­ fang eigene Rechte gewähren, sind diese Fragen differenziert zu beantwor­ ten. Hierbei ist auch von Bedeutung, dass die meisten Gemeindeordnungen im Gegensatz zum Grundgesetz die politischen Parteien so gut wie gar nicht erwähnen,3253 die Aufgabe der Fraktionen und Wählergruppen aber, ver­ gleichbar mit derjenigen von Parteien, in der Mitwirkung bei der Willens­ bildung und Entscheidungsfindung auf kommunaler Ebene sehen.3254 a) Subjektiv-öffentliche Auskunfts-, Frageund Akteneinsichtsrechte Auch wenn der Gemeinderat „demokratisch legitimiertes kollegiales (Selbst-)Verwaltungsorgan“ ist,3255 gilt für seine Mitglieder als Vertreter der Gemeindebürger (vgl. Art. 30 Abs. 1 Satz 1 BayGO) der Grundsatz des freien Mandats in seinem Kernbestand auch nach bayerischem Verfassungs­ recht. „Der Gemeinderat verkörpert auf der kommunalen Ebene in gleicher Weise das System der repräsentativen Demokratie wie der Landtag auf Landesebene. Der Grundsatz, daß der Abgeordnete in der repräsentativen Demokratie von Weisungen seiner Wähler oder seiner Partei frei sein muß (Verbot des imperativen Mandats), gilt für das Gemeinderatsmitglied – un­ geachtet der sonstigen erheblichen Unterschiede der Aufgaben – ebenso wie für den Landtagsabgeordneten.“3256 3253  Striedl / Troidl (Fußn. 232), 291; in Bayern sind die Parteien in Art. 33 Bay­ GO lediglich bei der Zusammensetzung der Ausschüsse des Gemeinderats genannt, während die Fraktionen in der Gemeindeordnung überhaupt nicht erwähnt werden. 3254  Vgl. z.  B. § 36a Abs. 2 HGO, § 30a Abs. 3 GemO Rhl-Pf, § 35a Abs. 2 SächsGemO. 3255  Wurzel, Usurpation parlamentarischer Kompetenzen durch Stadt- und Ge­ meinderäte, BayVBl 1986, 417, 418 f. 3256  BayVerfGH v. 23.07.1984, Vf. 15-VII-83, BayVBl 1984, 621 (2. Leitsatz); vgl. zur Bayerischen Gemeindeordnung auch BVerwG v. 27.03.1992, 7 C 20 / 91, BVerwGE 90, 104, 105; BayVGH v. 09.03.1988, 4 B 86.03226, BayVBl 1988, 432, 433 f.; BayVGH v. 03.04.1990, 4 B 90.182, BayVBl 1990, 468, 469.



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Dabei erweist sich die demokratische Legitimationskette auf kommunaler Ebene gegenüber den demokratischen Strukturen auf Ebene des Bundes oder des Landes als enger, weil nicht nur die politischen Parteien, sondern auch Wählergruppen Wahlvorschläge einreichen können. Der Gemeinderat ist die Vertretung aller Gemeindebürger, nicht nur der in der Gemeinde vorhandenen politischen Parteien oder sonstigen Gruppierungen.3257 Das Auskunfts-, Frage- und Antragsrecht zu kommunalen Angelegenhei­ ten stellt für die Mitglieder kommunaler Vertretungsorgane einen wesentli­ chen Bestandteil der Mandatsausübung als gewählte Volksvertreter dar. So hat ein Gemeinderatsmitglied grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Beratungsgegenstand eines von ihm gestellten Antrags in die schriftliche Tagesordnung der Gemeinderatssitzung wenigstens stichwortartig aufge­ nommen wird.3258 Grundsätzlich anerkannt ist ebenso, dass sich aus der Stellung eines gewählten Mandatsträgers außer den gesetzlich verankerten Rechten auch ungeschriebene Mitgliedschaftsrechte ergeben können, die weder durch Geschäftsordnung noch durch Mehrheitsbeschluss einge­ schränkt oder entzogen werden können, wie das Informationsrecht und das Teilnahmerecht an einer Sitzung des Organs, dem das Mitglied angehört.3259 Jedes einzelne Mitglied eines Gemeinderats, des Hauptorgans der Kom­ mune, hat über alle wesentlichen Angelegenheiten mitzuentscheiden, und zwar auch über solche, die in dezentralisierten Organisationseinheiten der Kommune wahrgenommen werden. Hierzu ist das Gemeinderatsmitglied durch die Wahl unmittelbar legitimiert und zugleich verpflichtet, wie auch das Verbot der Enthaltung bei Abstimmungen (z. B. Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayGO) zeigt. Diese Verpflichtung umfasst auch die Beschaffung aller er­ forderlichen und sachdienlichen Informationen als Grundlage für die per­ sönliche Willensbildung und Entscheidungsfindung. Nur dann kann ein Gemeinderatsmitglied an der Steuerungs- und Kontrollfunktion der Vertre­ tungskörperschaft auch gegenüber kommunalen Unternehmen eigenverant­ wortlich, sachbezogen und frei von Einflüssen Dritter teilnehmen.3260 Aus dieser Mitwirkungspflicht erwächst auch eine Verantwortung für die kom­ munalen Unternehmen, durch die sich das einzelne Gemeinderatsmitglied auch von gesellschaftsfremden Dritten unterscheidet.3261 Da das Recht zur Überwachung der Gemeindeverwaltung dem Gemeinde­ rat als Kollegialorgan obliegt, wird jedoch überwiegend ein individuelles In­ 3257  Striedl / Troidl

(Fußn. 232), 291. v. 10.12.1986, 4 B 85 A. 916, BayVBl 1987, 239. 3259  BayVGH v. 03.04.1990, 4 B 90.182, BayVBl 1990, 468, 469 m. w. N. 3260  Vgl. auch Lohner / Zieglmeier (Fußn. 3219), 586. 3261  Meiski (Fußn. 284), 303. 3258  BayVGH

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

formationsrecht des einzelnen Gemeinderats über bestimmte Verwaltungs­ vorgänge weder als Auskunftsanspruch noch als Akteneinsichtsrecht aner­ kannt, soweit nicht ausdrücklich gesetzliche Regelungen ein subjektives Recht begründen. Für Bayern und Baden-Württemberg hat die Rechtspre­ chung ein solches subjektiv-öffentliches Informationsrecht des einzelnen Ge­ meinderatsmitglieds jedenfalls grundsätzlich verneint, schließlich könne ein Mitglied durch Ausübung seines Antragsrechts eine Entscheidung des Ple­ nums herbeiführen.3262 Zwar müsse der Bürgermeister im Rahmen der Bera­ tung von Tagesordnungspunkten Auskünfte geben, doch könne nur der ge­ samte Gemeinderat die Einholung bestimmter Informationen durch Beschluss erzwingen.3263 Das BVerwG3264 hat betont, dass es weder einen „allgemeinen Grundsatz des Parlamentsvorbehalts“ noch einen im Grundgesetz begründe­ ten Anspruch des einzelnen Gemeinderatsmitglieds auf Information über ver­ waltungsinterne Vorgänge gebe. Ob sich ein subjektives Recht eines einzelnen Gemeinderatsmitglieds auf Information als Annex aus seinem Stimmrecht ergeben kann, dessen verant­ wortungsbewusste Ausübung ein umfassendes Informationsrecht und eine Pflicht zur Sitzungsvorbereitung (Art. 20 Abs. 1 BayGO) voraussetzt,3265 ist entgegen der bisherigen restriktiven Rechtsprechung diskussionswürdig. Aus der Tatsache, dass alle Mitglieder des Gemeinderats grundsätzlich gleiche Mitwirkungsrechte haben,3266 lässt sich ein Recht auf gleiche Teilhabe an Informationen ableiten, die der erste Bürgermeister als Mitglied des Gemein­ derats (Art. 31 Abs. 1 BayGO) einem Gemeinderatsmitglied nicht ohne sach­ lichen Grund vorenthalten darf, da er in dieser Eigenschaft den übrigen Ge­ meinderatsmitgliedern rechtlich gleich gestellt ist.3267 Der Anspruch auf Zugang zu Informationen als Steuerungsressource ist Ausfluss der Legitimation durch das Volk als Souverän.3268 Die vom Volk abgeleitete Legitimation, die auf kommunaler Ebene durch die Möglichkeit des Panaschierens und Kumulierens von Wählerstimmen in besonderer Wei­ se auf einer Persönlichkeitswahl des einzelnen Gemeinderatsmitglieds be­ ruht, und die unabhängige Stellung, die ihm das freie Mandat verleiht, rechtfertigen kein „Informationsgefälle“3269 im Verhältnis zum direkt vom Volk gewählten ersten Bürgermeister. 3262  BayVGH v. 25.02.1970, 150 IV 68, BayVBl 1970, 222, 223; VGH Mann­ heim v. 14.12.1987, 1 S 2832 / 86, DVBl 1988, 799. 3263  BayVGH v. 15.12.2000, 4 ZE 00.3321, BayVBl 2001, 666. 3264  BVerwG v. 14.12.1989, 7 B 173 / 89, BayVBl 1990, 284. 3265  Striedl / Troidl (Fußn. 232), 295. 3266  BVerwG v. 07.12.1992, 7 B 49 / 92, BayVBl 1993, 437. 3267  Zutreffend Striedl / Troidl (Fußn. 232), 296 m. w. N. in Fußn. 95. 3268  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 4 Abschnitte A. und B. 3269  Striedl / Troidl (Fußn. 232), 296.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane575

Für eine rechtliche Neubewertung von individuellen Informationszu­ gangsansprüchen der Mitglieder des Gemeinderats durch die Rechtsprechung sprechen auch die Einwirkungen europäischen Unionsrechts, wie Art. 42 GrRCh, auf Entscheidungen, mit denen sekundäres Unionsrecht in den Mit­ gliedstaaten durchgeführt wird.3270 Soweit sie direkt durch den Gemeinderat (z. B. für Eigenbetriebe) zu treffen sind oder bei Entscheidungen kommuna­ ler Unternehmensorgane seiner Mitwirkung bedürfen, wie bei Vergaben oberhalb der europäischen Schwellenwerte, bei Inhouse-Geschäften oder beihilferelevanten Tatbeständen, besteht für Einzelne nach Unionsrecht ein uneingeschränktes Recht auf Zugang zu den dafür relevanten Dokumenten. Nichts anderes gilt für Umweltinformationen und – soweit Informationsfrei­ heitsregelungen bestehen – auch für den ungehinderten Zugang hierzu.3271 Es wäre ein schlichtweg nicht akzeptabler Systemwiderspruch, wenn die Informationszugangsrechte gerade für Mitglieder des Gemeinderats als ge­ wählten Vertretern des Volkes engeren Schranken unterlägen als die von Personen, die, ohne ein rechtliches Interesse dartun zu müssen, umfassenden Zugriff auf die bei informationspflichtigen Stellen vorhandenen Informatio­ nen erhalten.3272 Die meisten Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungen enthalten Regelungen zu individuellen Auskunfts- und Fragerechten, teilweise mit Ausnahme von geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten, sowie in be­ schränktem Umfang auch zu Akteneinsichtsrechten, die häufig durch Ge­ schäftsordnungen präzisiert werden.3273 Für die Erteilung von Auskünften 3270  Wie sich aus den Erläuterungen zur Art 51 GrRCh ergibt, soll die GrRCh „sowohl für die zentralen Behörden als auch für die regionalen oder lokalen Stellen sowie für die öffentlichen Einrichtungen“ der Mitgliedstaaten gelten. Die Verpflich­ tung zur Beachtung der Unionsgrundrechte besteht somit umfassend und betrifft Bund und Länder genauso wie Gemeinden und alle sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts, sofern ein unionsrechtlicher Anknüpfungspunkt gegeben ist. Dies gilt auch, wenn sich die öffentliche Hand privatrechtlich organisierter Einheiten zur Aufgabenwahrnehmung bedient. Die Erläuterungen zu Art 51 GrRCh (2007 / C 303 / 02) sind nach Art 6 Abs. 1 UAbs. 3 EUV zur Auslegung der Charta heranzu­ ziehen. 3271  Im Einzelnen hierzu in diesem Kapitel unter Abschnitt A. II. 5. 3272  Für Bayern ist auch auf Art. 23 Abs. 2 Satz 2 LKrO zu verweisen, der jedem Kreisrat einen Anspruch auf Auskunft durch das Landratsamt über Belange des Landkreises einräumt. Ob hierzu auch das Recht auf Akteneinsicht zählt, ist strittig; zum Meinungsstand vgl. Striedl / Troidl (Fußn. 232), 300, Fußn. 102. 3273  Vgl. Frage- bzw. Auskunftsrecht in § 24 Abs. 4 und Abs. 5 GO BW, § 30 Abs. 3 BbgKVerf, § 50 Abs. 2 Satz 4 HGO, § 34 Abs. 3 KV M-V, § 56 NKomVG, §§ 55 Abs. 1 Satz 2, 47 Abs. 2 Satz 2 GO NRW, § 33 Abs. 4 GemO Rhl-Pf, § 37 Saarl.KSVG, § 28 Abs. 5 SächsGemO, §§ 44 Abs. 6, 43 Abs. 3 Satz 2 GO LSA, § 30 Abs. 1 GO SH und § 22 Abs. 3 ThürKO, dort auch ein eingeschränktes indivi­ duelles Akteneinsichtsrecht, ebenso § 34 Abs. 4 KV M-V, § 55 Abs. 4 Satz 1 GO

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

durch den Bürgermeister über vertrauliche Angaben oder Geheimnisse, die zwar Dritten, nicht aber Mitgliedern des Hauptverwaltungsorgans der Kom­ mune als Unternehmensträgerin gegenüber geheim zu halten sind, kommt im Hinblick auf die eigenen Verschwiegenheitspflichten der Gemeinderats­ mitglieder3274 eine Information in nicht-öffentlicher Sitzung in Betracht. Kein Auskunftsrecht kommt dem einzelnen Mitglied des Gemeinderats al­ lerdings unmittelbar gegenüber den Unternehmensorganen zu, ebenso wenig wie einzelne Gemeinderatsmitglieder ohne spezielle Beauftragung durch den Gemeinderat Adressaten von Berichtspflichten nach § 395 AktG sein können.3275 Das dem einzelnen Mitglied durch die Wahl vom Volk verliehene Mandat beinhaltet damit zwar umfassende organinterne Teilhabe- und Mitgestal­ tungsrechte an der Ausübung von Staatsgewalt durch den Rat als dem nur in seiner Gesamtheit demokratisch legitimierten Vertretungsorgan der Kom­ mune. Ohne ausdrückliche Beauftragung, Entsendung in Unternehmensorga­ ne oder durch eine Wahl auf Vorschlag der Volksvertretung der Kommune kann deshalb das einzelne Ratsmitglied Organen kommunaler Unternehmen keine demokratische Legitimation vermitteln. Insoweit unterscheidet sich das einzelne Ratsmitglied nicht von unternehmensfremden Dritten. b) Teilhaberechte kommunaler Fraktionen und Wählergruppen Die unterschiedliche Beurteilung der Rechtsnatur von Gemeinderatsfrak­ tionen und ihrer Stellung durch Literatur und Rechtsprechung betrifft im Kern die Frage, ob Fraktionen und Wählergruppen der Sphäre der Gesell­ schaft zuzuordnen sind oder ob sie als Organteile der Volksvertretung auf kommunaler Ebene dem Bereich staatsbezogener Publizität zugerechnet werden müssen.3276 Die Rechtsnatur einer Gemeinderatsfraktion wird meist im Zusammenhang mit der Wirksamkeit des Ausschlusses oder Austritts einzelner Mitglieder bzw. den Folgen eines Wechsels zu anderen Gruppie­ rungen diskutiert. Während es sich bei der ersteren Gruppe um das Innen­ verhältnis zwischen der Vereinigung und ihren Mitgliedern handelt, geht es NRW sowie § 37 Abs. 2 und Abs. 3 Saarl.KSVG. Keine Regelung zu individuellen Auskunfts-, Anfrage- oder Akteneinsichtsrechten enthält die BayGO, wobei aller­ dings in den Geschäftsordnungen regelmäßig auch einzelnen Mitgliedern zumindest Auskunfts- und Fragerechte eingeräumt werden. 3274  Vgl. die Nachweise in Fußn. 2442. 3275  Ganzer / Tremml (Fußn. 2577), 148, Fußn. 95. Nach der hier vertretenen Auf­ fassung ist allerdings das Kollegialorgan Gemeinderat zulässiger Adressat der Be­ richtspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern nach §§ 394, 395 AktG (siehe Kapitel 4 Abschnitt A. II. 2. a) cc) (2). 3276  Siehe hierzu Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. b) dd) (5).



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane577

beim Fraktionswechsel und bei Mitwirkungs-, Auskunfts- und Antragsrech­ ten einer Fraktion oder Wählergruppe im Hauptverwaltungsorgan Gemein­ derat bzw. gegenüber dem ersten Bürgermeister um ihre Außenbeziehungen, die in den einzelnen Gemeindeordnungen unterschiedlich ausgestaltet sind. aa) Rechtnatur der Fraktion nach den jeweiligen Gemeindeordnungen Ausgehend von den Parlamentsfraktionen als notwendigen Einrichtungen des Verfassungslebens,3277 deren Anerkennung aus jener der Parteien in Art. 21 GG folgt,3278 sind die Bundestagsfraktionen als „Gliederungen des Bundestages der organisierten Staatlichkeit eingefügt“,3279 wo sie als maß­ gebliche Faktoren der parlamentarischen Willensbildung fungieren und zur Geltendmachung eigener Rechte befugt sind, wenn diese in der Verfassung verankert sind.3280 Dabei gehört es zu dem verfassungsrechtlich verbürgten Recht eines Abgeordneten, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenzuschließen.3281 Die Gemeinderatsfraktionen hat das BVerfG für die Rechtslage in Schles­ wig-Holstein als Teile und ständige Gliederungen der Vertretungskörper­ schaft qualifiziert, die den technischen Ablauf der Meinungsbildung und Beschlussfassung in der Vertretungskörperschaft, in der sie tätig sind, in gewisser Weise als „Teil eines Ganzen“ zu steuern und damit zu erleichtern haben.3282 Fraktionen sind Vereinigungen von Mitgliedern der Gemeindevertretung mit einer Mindeststärke von in der Regel mindestens zwei Mitgliedern,3283 zu denen sich diese freiwillig zusammenschließen können und deren Rech­ te und Pflichten üblicherweise durch die Geschäftsordnung ausgestaltet werden. Die Sächsische Gemeindeordnung bezeichnet die Gemeinderatsfraktion ausdrücklich als „Organteile des Gemeinderats“ mit der Aufgabe, bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Gemeinderats mitzuwir­ 3277  BVerfG v. 07.03.1953, 2 BvE 4 / 52, BVerfGE 2, 143, 160; BVerfG v. 14.12.1976, 2 BvR 802 / 75, BVerfGE 43, 142, 147. 3278  BVerfG v. 14.07.1959, 2 BvE 2 / 58, 2 BvE 3 / 58, BVerfGE 10, 4, 14. 3279  BVerfG v. 19.07.1966, 2 BvF 1 / 65, BVerfGE 20, 56, 104. 3280  BVerfG v. 14.01.1986, 2 BvE 14 / 83 u. a., BVerfGE 70, 324, 362. 3281  BVerfG v. 14.12.1976, 2 BvR 802 / 75, BVerfGE 43, 142, 149. 3282  BVerfG v. 10.12.1974, 2 BvK 1 / 73, BVerfGE 38, 258, 273 f. 3283  Vgl. z. B. § 32 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf, lediglich Hessen sieht in § 36b HGO auch die Bildung einer „Ein-Personen-Fraktion“ vor.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

ken.3284 In gleicher Weise definieren diese Aufgabe der Fraktion auch Brandenburg,3285 Hessen,3286 Niedersachsen,3287 Rheinland-Pfalz3288 und Nordrhein-Westfalen, das neben den Einzelheiten zu den Rechten und Pflichten der Fraktionen auch deren Umgang mit personenbezogenen Daten einer Regelung durch die Geschäftsordnung vorbehält.3289 In Sachsen-Anhalt enthält § 43 GO LSA die Regelung, dass eine Fraktionsbildung im Gemein­ derat auch über Parteigrenzen hinweg zulässig ist. Keinerlei Hinweise auf Fraktionen enthalten dagegen die Gemeindeordnungen von Baden-Württem­ berg und Bayern.3290 Literatur und Rechtsprechung zur Rechtsnatur des Zusammenschlusses von Ratsmitgliedern zu Fraktionen haben sich überwiegend mit der Frage der Innenrechtsbeziehungen zu ihren Mitgliedern beschäftigt. In der Litera­ tur überwiegt die Auffassung, dass Gemeinderatsfraktionen nicht als Akti­ onsgruppen der politischen Parteien anzusehen und damit nicht wie jene dem gesellschaftlichen Bereich zugeordnet sind,3291 sondern als Teile und ständige Gliederungen der Vertretungskörperschaft3292 dem der „hoheitli­ chen Ablauforganisation“, da ihr Zweck lediglich die politisch gleichgerich­ tete Ausübung der den betreffenden Gemeindevertretern zustehenden Befug­ nisse sei.3293 Soweit die Kommunalgesetze Regelungen zu Fraktionen ent­ halten, werden Rechtsstreitigkeiten über den Ausschluss oder Austritt von Mitgliedern von den Gerichten mit unterschiedlichen Begründungen als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art angese­ 3284  § 35a

Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SächsGemO. Abs. 2 Satz 1 BbgKVerf. 3286  § 36a Abs. 3 HGO. 3287  § 57 Abs. 2 Satz 1 NKomVG. 3288  § 30a Abs. 3 GemO Rhl-Pf. 3289  § 56 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 GO NRW. 3290  In diesen Ländern bildete sich das Kommunalrecht bereits in der Zeit der Wei­ marer Republik heraus. Es ist einerseits durch die starke Stellung des Gemeinderats mit besonderem Rang für das freie Mandat der einzelnen Mitglieder und andererseits durch das Spitzenamt des ersten Bürgermeisters in der Doppelfunktion als Vorsitzen­ der des Gemeinderats und als Chef der Verwaltung geprägt. Aus diesen Gründen wurde auf die ausdrückliche Institutionalisierung der Fraktionen in den kommunalen Räten verzichtet (Kunze, Lehrunterlage „Kommunalverfassungsrecht“, www.volkmarkunze.de / pdf / lernhilfevwfa_vwfw2013,4, zuletzt geprüft am 15.04.2014). 3291  Vgl. das Sondervotum von Kunig zur Entscheidung des VerfGH Berlin v. 19.10.1992, 24 / 92, NVwZ 1993, 1093, 1096 f.: „Zusammenschluss von Mandatsträ­ gern innerhalb eines gewählten (hier: Verwaltungs-)Organs“. 3292  Erdmann, Der Fraktionsausschluß im Gemeinderecht und seine Auswirkun­ gen, DÖV 1988, 907, 908 m. w. N. in Fußn. 16. 3293  Schmidt-Jortzig / Hansen, Rechtsschutz gegen Fraktionsausschlüsse im Ge­ meinderat, NVwZ 1994, 116, 117 m. w. N. in Fußn. 24. 3285  § 32



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane579

hen und dem Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) zugewiesen. Der VGH Kassel3294 begründet dies mit den in § 36 a HGO geregelten Rechten und Pflichten der Fraktion, das OVG Koblenz3295 mit der öffentlich-rechtlichen Aufgabe, den Meinungsbildungsprozess zu straffen und zu erleichtern. Das OVG Münster3296 nimmt mit einem überzeugenden Rückgriff auf den Gegenstand des einer Fraktionsbildung zugrunde liegenden Errichtungs­ aktes als öffentlich-rechtlichem Vertrag die Zugehörigkeit des Rechtsstreits zum öffentlichen Recht an: „Weil nach der Gemeindeordnung die Bildung von Fraktionen weder erzwungen werden kann noch in der Weise vorgege­ ben ist, daß die Mitglieder einer Fraktion nur derselben Partei oder Gruppe angehören können, ist die Errichtung einer Fraktion in die grundsätzlich uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit ihrer (späteren) Mitglieder gestellt. Sie kann daher auf einen unter Zustimmung aller Betroffenen zustande ge­ kommenen Vertrag zurückgeführt werden.“ „Gegenstand dieses Vertrages sind nicht die den Beteiligten in ihrer Ei­ genschaft als natürliche Personen zustehenden subjektiven (Außen)rechte, sondern die ihnen als Mitglieder des Rates zugewiesenen, auf den gemeind­ lichen Innenbereich beschränkten Kompetenzen. Denn Sinn und Aufgabe einer Fraktion bestehen hauptsächlich darin, schon vor den Entscheidungen im Rat eine Willensbildung innerhalb der Fraktion herbeiführen zu können, um eine nach Möglichkeit gleichgerichtete und dadurch politisch wirksame­ re Ausübung der den einzelnen Fraktionsmitgliedern zustehenden Kompe­ tenzen zu gewährleisten. Diese Kompetenzen sind solche des öffentlichen Rechtes. Der einer Fraktionsbildung zugrunde liegende Vertrag hat deshalb einen öffentlich-rechtlichen Gegenstand mit der Folge, daß die dadurch begründeten Rechtsbeziehungen der Fraktionsmitglieder untereinander eben­ falls dem öffentlichen Recht zuzurechnen sind.“ Auch das OVG Saarlouis geht in einer jüngeren Entscheidung3297 für den Fraktionsausschluss eines Mitglieds von einer öffentlich-rechtlichen Strei­ tigkeit aus, auch wenn infolge fehlender Absprachen bei Bildung der Frak­ tion (§ 30 Abs. 5 Saarl.KSVG) für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Fraktionsausschlusses auf Rechtsgrundsätze des Zivilrechts zurückzugreifen sei. Hiernach komme für eine Beendigung von Dauerschuldverhältnissen eine Analogie zu den §§ 737 Satz 1, 723 Abs. 1 BGB in Betracht. Wegen der Verankerung der Fraktionen im „politischen Raum“ sei der Ausschluss gerichtlich nur am Maßstab des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) und des 3294  VGH

Kassel v. 13.12.1989, 6 TG 3175 / 89, NVwZ 1990, 391. Koblenz v. 02.12.1987, 10 C 33 / 86, DVBl 1988, 798. 3296  OVG Münster v. 21.11.1988, 15 B 2380 / 88, NJW 1989, 1105, 1106. 3297  OVG Saarlouis v. 20.04.2012, 2 B 105 / 12, NVwZ-RR 2012, 613, 614. 3295  OVG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen und nach dem Rechtsgedanken des § 10 Abs. 4 PartG auf erhebliche Verstöße mit schweren Schäden für die Fraktion zu beschränken.3298 In Rede stünden nämlich im Rahmen eines solchen „Innerorganstreits“ nicht geschützte Individualrechte des Mitglieds als Person, sondern „allein innerorganschaftliche Kompetenzen“ als Mitglied des Gemeinderats und der Fraktion, die dieser im Interesse der Kommune zugewiesen seien und daher weder aus den Grundrechten des Gemeinderatsmitglieds herzuleiten noch im Schutzbereich der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG anzusiedeln seien.3299 Demgegenüber vertreten Teile der Literatur die Auffassung, da sich die politischen Parteien als nicht-rechtsfähige Vereine des Bürgerlichen Rechts konstituiert hätten3300 und über die Fraktionen als verlängertem Arm der Parteiwille in die kommunale Vertretungskörperschaft eingebracht werde,3301 komme diese Rechtsnatur auch den Gemeinderatsfraktionen zu.3302 Auch der BayVGH3303 hat die Rechtsfragen der Gründung von Fraktio­ nen kommunaler Vertretungskörperschaften in Bayern, insbesondere die Aufnahme, den Austritt und den Ausschluss, die innere Ordnung sowie solche Fragen, die das Verhältnis der Fraktionen zu ihren Mitgliedern be­ treffen, mangels einer Erwähnung der Fraktion in der Gemeindeordnung dem bürgerlichen Recht zugeordnet und damit die Fraktion als nicht rechts­ fähigen bürgerlich-rechtlichen Verein qualifiziert.3304 Deren Mitglieder hät­ ten sich als eine Mehrheit natürlicher Personen für längere Zeit freiwillig zu einem gemeinsamen Zweck zusammengeschlossen und sich einer orga­ nisatorischen Willensbildung unterworfen.3305 In einer früheren Entschei­ 3298  So

1106.

auch OVG Münster v. 21.11.1988, 15 B 2380 / 88, NJW 1989, 1105,

3299  OVG

Saarlouis v. 20.04.2012, 2 B 105 / 12, NVwZ-RR 2012, 613, 615. Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland 1975, 117, 168 und 179 f. 3301  Nachweise hierzu bei Erdmann (Fußn. 3292), 908, Fußn. 10. 3302  Achterberg, Parlamentsrecht 1984, 274 ff.; a. A. Zuleeg, Partei, Fraktion und Abgeordnete in den Kommunalvertretungen – VG Schleswig, SchlHA 1977, 105, JuS 1978, 240, 242 f., der zu Recht darauf hinweist, dass das freie Mandat die Mitglieder einer Fraktion vor der Gleichschaltung mit den Vorstellungen der Partei schützt und entgegen der Auffassung des VG Schleswig vom 01.03.1977, 6 D 23 / 77, (a. a. O.) gerade nicht eine Einheit von Partei und Fraktion besteht. 3303  BayVGH v. 09.03.1988, 4 B 86.03226, BayVBl 1988, 432, 433. 3304  Ihm folgend Fichtner, Die Fraktion im bayerischen Gemeinderecht, 85 und 139 sowie Meiski (Fußn. 284), 303. 3305  BayVGH v. 09.03.1988, 4 B 86.03226, BayVBl 1988, 432, 434. 3300  Seifert,



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane581

dung hatte der BayVGH3306 zwar die Auffassung vertreten, unter „Parteien und Wählergruppen“ seien die „Fraktionen“ nach der Gemeindeordnung zu verstehen. Diese Ansicht hat er aber in einer späteren Entscheidung dahin­ gehend relativiert, dass die Gleichsetzung „nur eine sprachliche, nicht aber eine rechtliche“ sei,3307 weil es sich bei der Zusammensetzung von Aus­ schüssen des Gemeinderats nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 BayGO nach dem Stärkeverhältnis der „Parteien und Wählergruppen“ um einen Ausnahmefall zur grundsätzlichen Anerkennung der freien Regelungen zur Fraktionsbil­ dung durch die Gemeindeordnung handle. Obwohl das bayerische und das baden-württembergische Kommunalrecht den Begriff „Fraktion“ nicht kennen, ist auch dort das Recht der Gemein­ deratsmitglieder unbestritten, sich zum Zweck der Ausübung ihres Mandats zu Fraktionen oder Wählergruppen zusammenzuschließen. Dies folgt aus dem freien Mandat, das nicht nur für Abgeordnete in den Parlamenten, sondern im Kern auch für die vom Volk gewählten Mitglieder kommunaler Vertretungsorgane gilt.3308 Der Gemeinderat hat kraft seiner Geschäftsord­ nungsautonomie (Art. 45 BayGO) die Befugnis zu regeln, welche der Zu­ sammenschlüsse seiner Mitglieder die Bezeichnung „Fraktion“ führen dür­ fen und welche Rechtsfolgen damit verbunden sind, wobei der weitgehen­ den Gestaltungsfreiheit im Wesentlichen nur das Willkürverbot Grenzen setzt.3309 Nach alledem lässt sich die Auffassung des BayVGH, Gemeinderatsfrak­ tionen seien nicht rechtsfähige bürgerlich-rechtliche Vereine, nicht aufrecht­ erhalten. Die Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften leiten ihre Legitimation aus der gerade in Bayern besonders stark ausgeprägten Persön­ lichkeitswahl ab, die ihnen in ihrer Funktion als Organmitglied ein freies Mandat verleiht, sich im Vorfeld kommunaler Entscheidungen zur Mei­ nungsbildung und Entscheidungsvorbereitung freiwillig zusammenzuschlie­ ßen, um eine Entscheidung im Gemeinderat zu straffen und zu erleichtern. Im Gegensatz zur Beteiligung an bürgerlich-rechtlichen Vereinigungen geht es hierbei gerade nicht um die Ausübung von Grundrechten als subjektiven Rechten Privater gegenüber einem Hoheitsträger, sondern um die Teilnahme an dessen Aufgabe als Verwaltungsorgan. Diese Funktion wurzelt damit nicht im „privatum“, sondern ist Bestandteil der „res publica“ als Angele­ 3306  BayVGH vom 15.07.1955, VGH n. F. 8, 97, 100; der Begriff „Fraktionen“ wurde erst im Jahr 1978 durch „Parteien und Wählergruppen“ ersetzt, vgl. Striedl / Troidl (Fußn. 232), 295, Fußn. 56. 3307  BayVGH v. 15.07.1992, 4 B 91.3106, BayVBl 1993, 81. 3308  Siehe hierzu die Nachweise in Fußn. 3256. 3309  BayVGH v. 17.09.2002, 4 NE 02.1925, Juris, Rdnr. 6.

582

Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

genheit des Volkes als Souverän.3310 Eine Vorverlagerung der Willensbil­ dung und Entscheidungsfindung in Fraktionen ist jedenfalls dann unbedenk­ lich, wenn der Entscheidungsprozess institutionell in den Bereich des Bera­ tungs- und Entscheidungsorgans eingefügt ist.3311 Eine solche Einfügung erfolgt gerade durch Wahrnehmung der autonomen Befugnis des Gemeinde­ rats, in seiner Geschäftsordnung als öffentlich-rechtlicher Rechtsnorm im Rang unter dem Landesrecht3312 die Kompetenzen der Fraktion und ihrer Mitglieder sowie derjenigen von Wählervereinigungen zu regeln. Ihr Rechts­ status als unselbstständiger Organteil des Gemeinderats kann deshalb auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Gemeindeordnung nur nach öffentli­ chem Recht beurteilt werden. Dies gilt sowohl für das Innenverhältnis zu den Mitgliedern als Mandatsträgern als auch – insoweit nahezu unbestrit­ ten – im Verhältnis der Fraktion und Wählervereinigung zum Hauptorgan Gemeinderat3313 und zum ersten Bürgermeister als dessen Vorsitzendem. Für bürgerlich-rechtliche Vereinigungen käme eine Einfügung in die Struk­ tur der Gemeindevertretung und die Mitwirkung an der Erfüllung öffentli­ cher Aufgaben nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung in Betracht, wie sie in Bayern und Baden-Württemberg gerade fehlt. Die Gemeinderatsfraktion ist damit nicht der Sphäre der staatsfernen Gesellschaft zuzurechnen, sondern in den Bereich staatsbezogener Publizität einbezogen, ohne dass sich bereits aus dieser Zuordnung konkrete Befug­ nisse ableiten ließen. Diese erfordern vielmehr eine ausdrückliche Zuwei­ sung durch den Gesetzgeber des Kommunalrechts oder, soweit dieser keine Regelung hierzu getroffen hat, durch die autonome Geschäftsordnung des Gemeinderats gemäß dem diesem Organ zustehenden Selbstorganisations­ recht im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 GG. bb) Mitwirkungs-, Auskunfts- und Antragsrechte von Fraktionen und Wählergruppen Zur Mitwirkung an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Gemeinderats räumen eine Reihe von Gemeindeordnungen den Fraktionen und teilweise auch den Wählergruppen ausdrücklich Auskunfts- und An­ 3310  Auf

sen.

die Darstellung in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. a) wird insoweit verwie­

3311  Stern (Fußn.  3174), 1031; vgl. zu den Bundestagsfraktionen BVerfG v. 10.05.1977, 2 BvR 705 / 75, BVerfGE 44, 308, 319. 3312  BayVGH v. 16.02.2000, 4 N 98.1341, BayVBl 2000, 467 m. w. N. 3313  So bereits BayVGH v. 02.08.1962, 105 IV 61, VGHE BY 15, 82, 86 f. für den Fraktionswechsel; vgl. auch Schmidt-Jortzig / Hansen (Fußn.  3293) m. w. N. in Fußn. 3.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane583

tragsrechte ein. So sind in Hessen Anfragen von Fraktionen vom Gemein­ devorstand zu beantworten und Anträge von Fraktionen vom Vorsitzenden auf die Tagesordnung der Sitzung der Gemeindevertretung zu setzen.3314 Auch gegenüber dem Magistrat hat eine Fraktion, so das VG Wiesbaden3315 zutreffend, einen Rechtsanspruch auf Auskunftserteilung nach § 50 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 HGO über Angelegenheiten eines kommunalen Unterneh­ mens. Insbesondere stehe dessen privatrechtliche Rechtsform dem Aus­ kunftsanspruch nicht entgegen, da sich ein Hoheitsträger öffentlich-rechtli­ cher Auskunftspflichten nicht durch die Wahl einer privatrechtlichen Orga­ nisationsform zur Erfüllung seiner Aufgaben entziehen könne. Der Sinn und Zweck des Fragerechts bestehe gerade in der Überwachung der Tätigkeit des Magistrats. Zwar gelte das Fragerecht nicht unbegrenzt. Es müsse sich um wichtige Verwaltungsangelegenheiten der Kommune im Zuständigkeitsbereich des Magistrats handeln, über die der Magistrat die Stadtverordnetenversamm­ lung ohnehin laufend unterrichten müsse. Bei den begehrten Auskünften der Fraktion handle es sich entgegen der Auffassung der Geschäftsführung der kommunalen Eigengesellschaft auch nicht um ein Betriebsgeheimnis des Unternehmens. Selbst eine mögliche Verschwiegenheitsvereinbarung mit den am Grundstücksverkehr Beteiligten, das Steuergeheimnis oder der Da­ tenschutz stehe dem Auskunftsanspruch nicht entgegen, da das Auskunfts­ recht eingeräumt worden sei, um die Stadtverwaltung effektiv zu kontrollie­ ren, Unzulänglichkeiten aufzudecken, Initiativen auszulösen und auf die Begründung von Maßnahmen drängen zu können. Ein solcher Auskunftsan­ spruch der Fraktion greife nicht in unzulässiger Weise in rein gesellschafts­ interne Vorgänge des kommunalen Unternehmens ein, zumal die Stadtver­ ordneten selbst eigenen Verschwiegenheitspflichten unterliegen und dem Geheimhaltungsbedürfnis durch nicht-öffentliche Sitzung der Stadtverordne­ tenversammlung ausreichend Rechnung getragen werden könne. Vergleichbare Antrags- und Auskunftsrechte für Fraktionen bestehen auch in Mecklenburg-Vorpommern,3316 in Niedersachsen3317 und in RheinlandPfalz, das ihnen auch einen Anspruch auf Akteneinsicht einräumt.3318 In 3314  §§ 50

Abs. 2 Satz 5, und 58 Abs. 5 Satz 3 HGO. Wiesbaden v. 21.01.2014, 7 K 898 / 13. WI, Juris; hierbei ging es um die Kosten eines Neubaus inklusive des Grundstückserwerbs für ein Objekt, das in Wiesbaden in der Öffentlichkeit unter dem Spitznamen „Pfeifenhaus“ bekannt ist und durch eine kommunale Eigengesellschaft zur geordneten städtebaulichen Ent­ wicklung erworben werden sollte, dessen Realisierung in der ursprünglichen Form später jedoch aufgegeben und schließlich als Neubau errichtet und vermietet wurde. 3316  §§ 29 Abs. 7 Satz 2, 34 Abs. 2 KV M-V. 3317  §§ 57 Abs. 4 und 58 Abs. 4 Satz 2 NKomVG. 3318  § 33 Abs. 3 Satz 1, Sätze 3 und 4 GemO Rhl-Pf. 3315  VG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Nordrhein-Westfalen3319 bestimmen die Fraktionen die Ausschussvorsitzen­ den, in Sachsen-Anhalt3320 und Schleswig-Holstein3321 haben die Fraktionen ein Wahlvorschlagsrecht für die Ausschussmitglieder. Auch in den übrigen Bundesländern gestatten die Geschäftsordnungen die Einräumung vergleich­ barer Befugnisse für Fraktionen und Wählergruppen. Grenzen für die Befugnisse von Fraktionen gegenüber ihren Mitgliedern ergeben sich jedoch aus deren freiem Mandat als Vertretern des ganzen Volkes, nicht nur einer Partei, die nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden sind (Art. 13 Abs. 2 BV). Dieses Verfassungsprin­ zip des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG hat auch in den Kommunalgesetzen der Länder seinen Niederschlag gefunden.3322 Das freie Mandat ist der „Schlüsselbegriff“ des repräsentativ-parlamenta­ rischen Regierungssystems, weil es die Unabhängigkeit des Mandatsträgers sichert, ihn von Fremdbestimmungen und Instruktionen sowohl seiner Wäh­ ler als auch seiner Partei oder Gruppe befreit, der es sein Mandat verdankt und ihm als Repräsentanten die eigenverantwortliche Erfüllung seiner Auf­ gaben gestattet.3323 Der Grundsatz verbietet Maßnahmen des Fraktionszwangs, d.  h. eine Verpflichtung des Fraktionsmitglieds, entsprechend den Mehrheitsbeschlüs­ sen seiner Partei oder Fraktion zu stimmen und dies ggf. durch die Aus­ übung von Sanktionen zu erzwingen.3324 Dagegen wird die Fraktionsdisziplin, d. h. eine Einordnung in das Bestreben der Fraktion, einheitliches Handeln durch vorbereitende interfraktionelle Willensbildung zu erzielen,3325 grundsätzlich als verfassungsrechtlich zulässig angesehen. Allerdings muss sie im Konfliktfall dem Mandatsträger die Freiheit zur Abweichung bei triftigen Gründen lassen, da er letztlich nur seinem Gewissen unterworfen ist und sein Mandat die Legitimation im Wahlakt des Volkes findet.3326 Auf kommunaler Ebene setzt der Grundsatz des freien Mandats der Fraktions­ disziplin in besonderem Maße Grenzen, weil es sich hierbei um eine Ver­ waltungstätigkeit handelt, die mit der Verfassung und den Gesetzen in 3319  § 58

Abs. 5 GO NRW. Abs. 1 GO LSA. 3321  § 40 Abs. 4 GO SH. 3322  Vgl. z.  B. § 32 Abs. 3 GemO BW, § 30 Abs. 1 BbgKVerf, § 54 Abs. 1 NKomVG, § 43 Abs. 1 GO NRW, § 30 Abs. 1 GemO Rhl-Pf, § 33 Abs. 1 Saarl. KSVG, § 32 Abs. 1 GO SH, § 24 Abs. 1 ThürKO. 3323  Stern (Fußn.  3174), 1070 ff. 3324  Trute, in: Münch / Kunig / Arnauld / Bryde (Hg.), Grundgesetz, 2012, Art. 38, Rdnr. 89 m. w. N. in Fußn. 528. 3325  Striedl / Troidl (Fußn. 232), 292. 3326  Stern (Fußn.  3174), 1075 f. m. w. N. 3320  § 46



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane585

Einklang stehen muss (vgl. Art. 56 Abs. 1 BayGO) und nur von sachlichen Gesichtspunkten geleitet sein darf.3327 Nach übereinstimmender Auffassung hat eine Verletzung des Grundsatzes des freien Mandats des einzelnen Fraktionsmitglieds durch unzulässigen Fraktionszwang oder durch Überschreitung der Grenzen zulässiger Frakti­ onsdisziplin nicht die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit eines hierauf er­ gangenen Beschlusses der Vertretungskörperschaft zur Folge.3328 Den Fraktionen als freiwilligen Vereinigungen von Mandatsträgern ste­ hen gegenüber den Organen der Kommune nur diejenigen Rechte zu, die ihnen die Kommunalgesetze und / oder die Geschäftsordnungen der Vertre­ tungskörperschaft ausdrücklich einräumen und die ihnen von ihren Mitglie­ dern zur gleichgerichteten Ausübung übertragen worden sind. Ebenso we­ nig wie einzelne Gemeinderatsmitglieder können auch deren Fraktionen Auskunftsansprüche unmittelbar gegenüber Organen kommunaler Unter­ nehmen geltend machen. Sie sind damit auch nicht zulässige Adressaten einer Berichtspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern nach §§  394, 395 AktG.3329 Für zulässig gehalten wird allerdings, dass ein Aufsichtsratsmit­ glied eine Fraktion, der es angehört, unter Beachtung seiner grundsätzli­ chen Verschwiegenheitspflicht über Unternehmensangelegenheiten unter­ richten darf, deren Entscheidung im Gemeinderat demnächst ansteht. Hier­ bei ist jedoch zu gewährleisten, dass vertrauliche Angelegenheiten nicht nach außen dringen.3330 4. Auskunftsanspruch der Medien und Publizitätspflichten von Behörden „In der repräsentativen Demokratie steht die Presse als ständiges Verbin­ dungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertre­ tern in Parlament und Regierung und dient der politischen Willensbildung. Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet die Pressefreiheit als Grundrecht für die im 3327  Rothe, Über Begriff, Rechte und Pflichten der Ratsfraktionen, DVBl 1988, 382, 388. Dagegen folgert Ladeur, Zum Anspruch des fraktionslosen Gemeinderats­ mitglieds auf Einräumung von Mitgliedschaftsrechten in Gemeinderatsausschüssen, BayVBl 1992, 387, 388, die Beschränkbarkeit des freien Mandats eines Ratsmit­ glieds aus den administrativen Erfordernissen. 3328  Striedl / Troidl (Fußn. 232), 292 f. m. w. N. in Fußn. 52. 3329  Ganzer / Tremml (Fußn. 2577), 148; Schmidt-Aßmann / Ulmer (Fußn. 2465), 22. 3330  So auch Meier, Können Aufsichtsratsunterlagen von städtischen Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaften an Ratsfraktionen, die nicht im Aufsichtsrat vertreten sind, ausgehändigt werden?, Gemeindehaushalt 1994, 248, 249 f. m. w. N. in Fußn. 5.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen und garantiert objektivrechtlich das Institut ‚freie Presse‘.“3331 Mit der Gewährleistung der Pressefreiheit trägt das Grundgesetz der be­ sonderen Bedeutung der Presse in einem freiheitlichen demokratischen Staatswesen Rechnung. Es schützt und sichert die Aufgabe der Presse, an dem Prozess der Bildung der öffentlichen Meinung teilzunehmen und da­ durch an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Daraus folgt die Pflicht des Staates, diese Aufgabe der Presse zu respektieren. Hierzu gehört auch die Pflicht zur Erteilung von Auskünften. Einer freiheit­ lich-demokratischen Grundordnung entspricht ein Verhalten der Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Es erfordert die Bereitschaft, dem Bürger diese Angelegenheiten da­ durch durchsichtig zu machen, dass der Presse (wie auch den anderen Medien) durch eine großzügige Informationspolitik eine genaue und gründ­ liche Berichterstattung ermöglicht wird.3332 Im Konflikt mit anderen vom Grundgesetz geschützten Werten findet die Pressefreiheit ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG), die, wie für die Meinungs­ freiheit entschieden,3333 sinngemäß auch für die Pressefreiheit gelten und ihrerseits mit Rücksicht auf diese auszulegen sind. Für eine Einengung der Pressefreiheit gilt dies in besonderer Weise, weil Äußerungen in der Presse in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen wollen3334 und damit zunächst die Vermutung der Zulässigkeit für sich haben, auch wenn sie die Rechtssphäre anderer berühren.3335 Sie ist deshalb nur gestattet, wenn sie durch mindestens gleichwertige Rechtsgüter unbedingt geboten ist.3336 Die freiheitlich demokratische Grundordnung fordert einen funktio­ nierenden und verfassungsrechtlich geschützten Prozess der öffentlichen Debatte, der heute ohne die Massenmedien, Zeitungen, Zeitschriften, Rund­ funk, Fernsehen und Internet nicht mehr denkbar wäre3337 und in dem sich die öffentliche Meinungs- und Wertebildung vollzieht.3338 Dabei haben sich insbesondere durch das Internet und die sozialen Netzwerke die faktischen Gegebenheiten maßgeblich verändert. Inzwischen kann jeder Mensch jeder­ zeit und überall von Veröffentlichungen betroffen sein, auch wenn er sich 3331  BVerfG v. 05.08.1966, 1 BvR 586 / 62 u. a., BVerfGE 20, 162, Orientierungs­ sätze 1 Satz 2 und 2. 3332  BVerwG v. 13.12.1984, 7 C 139 / 81, AfP 1985, 72, 74. 3333  BVerfG v. 15.01.1958, 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198, 208 ff. 3334  Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 1 Abschnitt B. I. 1. dd) (1) und (2). 3335  BVerfG v. 15.01.1958, 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198, 212. 3336  BVerfG v. 05.08.1966, 1 BvR 586 / 62 u. a., BVerfGE 20, 162, 177. 3337  Lehr (Fußn. 193). 3338  BVerfG v. 17.02.1998, 1 BvF 1 / 91, BVerfGE 97, 228, 257.



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selbst nicht seiner Privatsphäre begeben hat, weil es das Internet erschwert, Persönlichkeitsrechte gegenüber oft anonymen Tätern oder Störern wirksam durchzusetzen.3339 Die Rechtsprechung des BVerfG3340 privilegiert grundsätzlich eine „ge­ meinnützige“ Meinungsäußerung gegenüber einer „privatnützigen“, da sie im Interesse des demokratischen Prozesses im öffentlichen Meinungskampf einen von der konkret betroffenen Person abgehobenen Zweck verfolge,3341 der von dem Betroffenen größere Duldung verlange. Dadurch wird eine einseitige Privilegierung der Presse geschaffen, soweit sie dem öffentlichen Meinungskampf als systemstützendes und -stärkendes Instrument des demo­ kratischen Prozesses dient.3342 Allerdings darf nicht verkannt werden, dass mit dieser Rechtsprechung aus dem Individualgrundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG ein objektives System geschaffen wurde, mit dem jeder Einzelne bei „gemeinnützigen“ Meinungsäußerungen zur Duldung von „an sich“ herab­ setzend zu bewertenden Äußerungen gezwungen wird. Der Schutztatbestand einer Freiheitsäußerung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG wird dadurch in sein Gegenteil verkehrt und dient der Freiheitsbeschränkung.3343 Auch in dieser „gemeinnützigen“ Funktion wird die „öffentliche Aufgabe“ der Presse und der sonstigen Medien aber nicht Bestandteil einer staatsbezo­ genen Publizität mit entsprechender Pflichtenstellung, sondern verbleibt im Bereich der Gesellschaft verankert, wenn auch unter Beachtung besonderer publizistischer Sorgfaltspflichten, durch die sich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG privilegierte Grundrechtsträger von anderen Privaten unterscheiden. 3339  Schertz, Der Schutz des Individuums in der modernen Mediengesellschaft, NJW 2013, 721; vgl. BGH v. 14.05.2013, VI ZR 269 / 12, GRUR-RR 2012, 486, zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch den Betreiber einer Internet-Suchmaschi­ ne nur bei Kenntnis von ehrverletzenden Begriffsverbindungen. Der EuGH v. 13.05.2014, C-131 / 12, Juris, sieht angesichts der bedeutenden Rolle des Internets und der Suchmaschinen in der modernen Gesellschaft die Wirkung eines solchen Eingriffs in Rechte Betroffener gesteigert, da sie den in den Ergebnislisten enthalte­ nen Informationen von Suchmaschinenbetreibern Ubiquität verleihen. Er hat deshalb nach der Richtlinie 95 / 46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezoge­ ner Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 vom 23.11.1995, S. 31) nach Abwägung der Interessen der Beteiligten einen Anspruch auf Entfernung eines Links aus der Ergebnisliste einer Suchmaschine für Privatpersonen bejaht. 3340  BVerfG v. 26.06.1990, 1 BvR 1165 / 89, NJW 1991, 95, 96; vgl. auch BVerfG v. 02.07.2013, 1 BvR 1751 / 12, NJW 2013, 3021: „Winkeladvokatur“ und Sajuntz, Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts in den Jahren 2012 / 2013, NJW 2014, 25, 26. 3341  BVerfG v. 25.08.1994, 1 BvR 1423 / 92, NJW 1994, 2943. 3342  Hösch, Meinungsfreiheit und Ehrenschutz, BayVBl 1997, 714, 716. 3343  Hösch (Fußn. 3342), 717.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Dagegen bestehen an die Verpflichtung von Behörden als sog. „privile­ gierten Quellen“,3344 Auskunftsverlangen von Medien auf Informationen zu entsprechen, die bei ihnen vorhanden, aber nicht öffentlich zugänglich sind, infolge ihrer Grundrechtsbindung besondere Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber auskunftsbetroffenen Personen. Sie vermitteln den Medien näm­ lich eine erhöhte Objektivität und damit Richtigkeits- und Rechtmäßigkeits­ gewähr und befreien diese damit grundsätzlich von ihrer Pflicht zur Eigenund Nachrecherche.3345 Ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall ein Rechtsanspruch auf Auskunft gegenüber Behörden besteht, ist jedoch nicht im Grundgesetz geregelt, sondern vom Verfassunggeber bewusst einer Regelung durch den Bundes- und den Landesgesetzgeber überlassen worden. a) Auskunftsanspruch der Medien gegenüber Behörden Die Länder haben von ihrer Gesetzgebungskompetenz durch Presse- bzw. Mediengesetze3346 mit inhaltlich weitgehend übereinstimmender Zielrich­ tung Gebrauch gemacht. Die Presse hat danach gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft, die nur unter engen Voraussetzungen aufgrund gesetzlicher Verschwiegenheits­ 3344  Peters,

Die journalistische Sorgfalt, NJW 1997, 1334, 1336. (Fußn. 193), 731 m. w. N. in Fußn. 30 sowie BVerfG v. 09.03.2010, 1 BvR 1891 / 05, NJW-RR 2010, 1195, 1197 für die Staatsanwaltschaft. 3346  Vgl. Landespressegesetz BW vom 14.01.1964 (GBl. 1964 S. 11), zul. geänd. d. G. vom 17.12.2009 (GBl. S. 809, 812), Bayerisches Pressegesetz – BayPrG vom 19.04.2000 (GVBl 2000, S. 340), zul. geänd. d. G. vom 22.12.2009 (GVBl. S. 630), BbgPG v. 13.05.1993 (GVBl. I 1993, S. 162), zul. geänd. d. G. vom 21.06.2012 (GVBl. I Nr. 27), HPresseG v. 12.12.2003 (GVBl. I 2004 S. 2), zul. geänd. d. G. vom 13.12.2012 (GVBl. S. 622), LPrG M-V vom 06.06.1993 (GVOBl. M-V 1993 S. 541), zul. geänd. d. G. vom 17.12.2009 (GVOBl. M-V S. 729, 737), NPresseG vom 22.03.1965 (Nds. GVBl. 1965, S. 9), zul. geänd. d. G. vom 11.10.2010 (Nds. GVBl. 2010 S. 480), Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – Landespres­ segesetz NW vom 24.05.1966 (GV. NRW. 1966, S. 340), zul. geänd. d. G. vom 03.12.2013 (GV. NRW. S. 723), Landesmediengesetz Rheinland-Pfalz – LMG vom 04.02.2005 (GVBl. 2005, S. 23), zul. geänd. d. G. vom 20.12.2013 (GVBl. S. 556), Gesetz Nr. 1490 – Saarländisches Mediengesetz – SMG vom 27.02.2002 (Amtsbl. 2002 S. 498), zul. geänd. d. G. vom 22.04.2013 (Amtsbl. I S. 111), SächsPresseG vom 03.04.1992 (SächsGVBl. 1992 S. 125), zul. geänd. d.  G. vom 17.12.2013 (SächsGVBl. S. 896, 897), Pressegesetz für das Land Sachsen-Anhalt-Landespresse­ gesetz vom 02.05.2013 (GVBl. LSA 2013 S. 198, 199), Landespressegesetz SH i. d. F. vom 31.01.2005 (GVOBl. 2005 S. 105), zul. geänd. d. G. vom 25.01.2012 (GVOBl. S. 266) und Thüringer Pressegesetz – TPG vom 31.01.1991 (GVBl. 1991 S. 271), zul. geänd. d. G. vom 16.07.2008 (GVBl. S. 243, 244). 3345  Lehr



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pflichten3347 bzw. Geheimhaltungspflichten verweigert werden darf, oder soweit dadurch die sachliche Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert oder verzögert, ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder der Umfang der Aus­ kunft das zumutbare Maß überschreitet.3348 Die Pressegesetze unterwerfen die auskunftsberechtigten „Vertreter“ der Presse, zu denen neben Redakteuren auch andere genügend ausgewiesene Mitarbeiter sowie Verleger oder Herausgeber3349 zählen, regelmäßig einer publizistischen Sorgfaltspflicht.3350 Hiernach haben sie mit der nach den Umständen gebotenen „äußersten“3351 Sorgfalt nach „anerkannten journa­ listischen Grundsätzen“3352 Informationen vor einer Veröffentlichung auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu prüfen.3353 Diese Prüfung hat sich, so ausdrücklich § 6 BbgPG, auch auf den Schutz überwiegender öffentlicher oder privater Interessen zu erstrecken. In diesem Rahmen umschreiben die Pressegesetze die Mitwirkung der Presseorgane an der Meinungsbil­ dung im Dienst des demokratischen Gedankens3354 des Grundgesetzes durch Beschaffung und Verbreitung von Nachrichten als „öffentliche Aufgabe“.3355 Diese Sorgfaltsanforderungen werden jedoch durch die Rechtsprechung auch des BVerfG3356 dann relativiert, wenn sich die Medien auf Informati­ onen einer „privilegierten Quelle“ berufen können, zu denen neben den Nachrichten von Presseagenturen vor allem Mitteilungen von Behörden zählen. Eine mediale Berichterstattung, die sich auf solche Quellen stützt, befreit die Verantwortlichen grundsätzlich von der Pflicht zur Eigen- bzw. Nachrecherche, weil sie besonderes Vertrauen in die Richtigkeit und Recht­ mäßigkeit von Mitteilungen der zur Objektivität verpflichteten Behörden 3347  So

die knappe Regelung in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG. § 4 Abs. 2 Landespressegesetz BW und die im Wesentlichen gleichlau­ tenden Bestimmungen der übrigen Pressegesetze zu den Ausschlussgründen. 3349  Köhler, Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Unternehmen der öffentli­ chen Hand, NJW 2005, 2337, 2338. 3350  Peters (Fußn. 3344). 3351  So ausdrücklich § 5 TPG. 3352  Vgl. hierzu die Formulierung in § 7 LMG Rhl-Pf. 3353  Nur Art. 3 Abs. 2 BayPrG fordert pauschal die „wahrheitsgemäße Berichter­ stattung“. 3354  Art. 3 Abs. 1 BayPrG, § 3 Abs. 2 SächsPresseG. 3355  Siehe § 3 BbgPG, § 3 LPrG M-V, § 3 NPresseG, § 3 PresseG NW, § 5 LMG (nur „öffentliche Aufgabe“), § 4 SMG, § 3 PresseG LSA, § 3 Landespressegesetz SH und § 3 TPG. 3356  BVerfG v. 09.03.2010, 1 BvR 1891 / 05, NJW-RR 2010, 1195, 1997 – Statt­ gebender Kammerbeschluss. 3348  Vgl.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

setzen dürfen.3357 War eine Mitteilung der Behörde unzulässig, kommt eine Amtspflichtverletzung in Betracht.3358 Die zur Medienauskunft verpflichtete Behörde kann sich als grundrechts­ gebundener Hoheitsträger nach Art. 1 Abs. 3 GG für Eingriffe in das allge­ meine Persönlichkeitsrecht auskunftsbetroffener Bürger – im Gegensatz zu den Medien als Grundrechtsträgern der Presse- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht auf eine Kollision von gleichrangigen Grundrechten berufen, die im Sinne der Herstellung praktischer Konkor­ danz3359 durch Nachgeben beider Seiten ausgeglichen werden könnte.3360 Kriele verweist aus eigener Erfahrung3361 darauf, dass man bei Presseor­ ganen mit Appellen an Fairness und Ehre „auf taube Ohren“ stoße, diese Appelle als „Medienschelte“ und als Angriff auf die „Pressefreiheit!“ oder gar auf die „Demokratie!“ angesehen würden, obwohl nur deren Privilegien betroffen seien, wo diese auf Kosten der Bürgerdemokratie gingen.3362 Ins­ besondere der zunehmende Wettbewerbsdruck zwischen den Medien und Internetanbietern, aber auch journalistischer Ehrgeiz im Konkurrenzkampf um Erstberichterstattung und Exklusivrechte sowie wirtschaftliche Interes­ sen an hohen Nutzerquoten lassen von investigativem Journalismus Betrof­ fene zunehmend zum Freiwild vor allem der Regenbogenpresse werden, weil auch die Rechtsprechung3363 inzwischen den Persönlichkeitsschutz im Interesse einer unbegrenzten Meinungsfreiheit einschränkt.3364 Dagegen gelten für auskunftsverpflichtete Behörden uneingeschränkt die Gebote der Objektivität und Fairness. Die dem Hoheitsträger obliegenden Sorgfalts- und Schutzpflichten erfordern auch bei Auskünften gegenüber der Presse die Beachtung der Grundrechte der davon Betroffenen. Die staatliche 3357  Lehr

(Fußn. 193), 731. (Fußn. 3344), 1336 m. w. N. in Fußn. 45. 3359  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland 12. Aufl. 1980, 135. 3360  Lehr (Fußn. 193), 730. 3361  Kriele, Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, NJW 1994, 1897, 1902, Fußn. 34. 3362  Kriele (Fußn. 3361), 1904; dabei darf nicht verkannt werden, dass es in die­ sen Fällen nicht darum geht, inwieweit der Staat die Freiheit der Meinungsäußerung einschränken darf, sondern darum, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG der Presse kein weitergehendes Recht auf Meinungsäußerung zugesteht als einem Einzelnen (siehe hierzu auch Hösch (Fußn. 3342), 717). 3363  Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert die Entscheidung des BGH v. 18.09.2012, VI ZR 291 / 10, AfP 2012, 551, der die Rechtmäßigkeit einer Berichter­ stattung über die Erkrankung einer Künstlerin in Abkehr von der sog. Verzichtsthe­ orie mit der Tatsache begründet, dass sie selbst sich gerade nicht zu ihrer Erkran­ kung geäußert habe und damit ihre Privatsphäre wahren wollte. 3364  Schertz (Fußn. 3339), 726. 3358  Peters



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Rahmenverantwortung zur Sicherung individueller Freiheit in der Informa­ tionsgesellschaft verlangt, so Schoch, nach einem „Schutzpflichtkonzept“.3365 Während der BGH3366 sogar die namentliche Nennung eines Berufsträgers in Internet immer als zulässig ansieht, solange hierdurch keine Stigmatisie­ rung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sei, sieht die Tagespresse, gestützt auf die Lebach-Entscheidung des BVerfG,3367 (bisher noch) davon ab. Der Einfluss des Internets scheint aber eine Tendenz zu verstärken, das Recht auf Anonymität ohne Abwägung hinter dem Informa­ tionsinteresse der Allgemeinheit zurücktreten zu lassen.3368 Demgegenüber hatte der EGMR3369 die Verurteilung eines Journalisten wegen Beleidigung von Beamten als „Ignoranten“ und „Kriminelle“ nicht als Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK und damit als ange­ messen angesehen, um sie vor Beleidigungen während des Dienstes zu schützen. Verdachtsberichterstattungen über Berufstätige im öffentlichen Dienst sind nach der Grundsatzentscheidung des BGH3370 den Medien sogar unter Nennung des vollen Namens gestattet, wenn sie sich auf Behördenin­ formationen als privilegierter Quelle berufen können. Den Behörden selbst ist eine solche Information nur unter Abwägung zwischen dem Auskunfts­ recht der Presse nach Maßgabe der Landespressegesetze und dem grund­ rechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen gestattet. Dabei ist nach der herrschenden Meinung eine Veröffentlichung mit na­ mentlicher Identifizierung eines Verdächtigten gerade im (Vor-)Ermittlungs­ stadium nur ausnahmsweise zu rechtfertigen.3371 Häufig gleicht diese Ein­ zelfallabwägung einer „Gratwanderung, die noch dazu in dichtem Nebel absolviert werden muss“.3372 Auskunft kann die Presse gegenüber Behörden nur zu solchen Informati­ onen beanspruchen, die sie zur Erfüllung ihrer „öffentlichen Aufgabe“ be­ nötigt. Soweit einzelne Pressegesetze (wie Art. 4 BayPrG) eine solche aus­ drückliche Beschränkung nicht enthalten, gilt der Grundsatz der „Zweckbin­ dung des Auskunftsanspruchs“ an das öffentliche Interesse aufgrund verfas­ sungskonformer Auslegung jedoch auch dort.3373 3365  Schoch

(Fußn. 254), 206, Fußn. 237 m. w. N. v. 23.06.2009, VI ZR 196 / 08, AfP 2009, 401, 404 – Spickmich.de. 3367  BVerfG v. 05.06.1973, 1 BvR 536 / 72, BVerfGE 35, 202. 3368  Ähnlich auch Schertz (Fußn. 3339), 725. 3369  EGMR v. 21.01.1998, 11 / 1998 / 914 / 1126, NJW 1999, 1318. 3370  BGH v. 07.12.1999, VI ZR 51 / 99, NJW 2000, 1036. 3371  OLG Düsseldorf v. 27.04.2005, I-15 U 98 / 03, 15 U 98 / 03, NJW 2005, 1791, 1807. 3372  Jahn, Zur Auskunftspflicht einer landeseigenen Förderbank gegenüber der Presse, EWiR 2007, 291, 292. 3373  Köhler (Fußn. 3349), 2339 und Fußn. 12. 3366  BGH

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Damit soll verhindert werden, dass jenseits einer Mitwirkung der Presse an der Meinungsbildung private Neugier befriedigt oder eine Ausforschung, et­ wa zum Nutzen wirtschaftlicher Interessen privater Mitbewerber öffentlicher Unternehmen, betrieben wird. Darüber hinaus wird die Auskunftspflicht auch durch den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt,3374 d. h., die Auskunft muss zur „gemeinnützigen“ Aufgabenerfüllung der Presse ge­ eignet und auch erforderlich sein, weil sich die erbetenen Informationen nicht bereits aus offen zugänglichen Quellen ermitteln lassen. Die Zumutbarkeit, die zum Teil in den Pressegesetzen ausdrücklich genannt ist (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 4 Landespressegesetz Baden-Württemberg), beurteilt sich nach einer Ab­ wägung zwischen dem öffentlichen Auskunftsinteresse der Presse und der damit verbundenen Belastung der Behörde.3375 Soweit in Pressegesetzen als Auskunftsverweigerungsgrund die Gefährdung der sachgemäßen Durchfüh­ rung eines schwebenden Verfahrens genannt ist, handelt es sich auch hierbei um einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch in denjenigen Ländern gilt, die hierzu, wie Bayern, keine Regelung getroffen haben.3376 Das Auskunftsrecht besteht auch gegenüber Gemeinden und schließt In­ formationen über nicht-öffentliche Sitzungen ein. Die Verweigerung der Auskunft ist eine Ermessensentscheidung, die eine Abwägung zwischen der Notwendigkeit einer öffentlichen Information und den möglicherweise ent­ gegenstehenden Geheimhaltungsinteressen erfordert.3377 Bei der Verweige­ rung einer Auskunft, etwa weil ihr Geheimhaltungsvorschriften oder Rege­ lungen entgegenstehen, die private Geheimnisse stützen und insbesondere das Persönlichkeitsrecht schützen, sind der Presse zumindest die Versa­ gungsgründe mitzuteilen.3378 Für Auskünfte über Ergebnisse nicht-öffentlicher Sitzungen kommunaler Gremien fordert das Informationsinteresse der Öffentlichkeit jedenfalls in den Fällen niedrigere Hürden, wenn es in der Sitzung darum ging, Miss­ stände in der Verwaltung zu diskutieren. Die geschützte Informationsfunk­ tion der Medien erfasst in einer transparenten Gesellschaft nicht nur schwe­ res Fehlverhalten, sondern auch Sachverhalte, die nicht die Schwelle der Strafbarkeit überschreiten, aber kritikwürdig sind.3379 Ob der Presse zur Wahrnehmung ihrer Informationsaufgaben auf Anfrage auch die Tagesordnung einer nicht-öffentlichen Sitzung bekanntzugeben ist, 3374  OVG

Koblenz v. 20.03.1990, 20.03.1990, NJW 1991, 2659. (Fußn. 3349), 2339. 3376  Köhler (Fußn. 3349), 2340. 3377  Pahlke, Die Information der Öffentlichkeit und der Medien über nichtöffent­ liche Gemeinderatssitzungen, BayVBl 2014, 33, 34. 3378  BayVGH v. 13.08.2004, 7 CE 04.1601, BayVBl 2005, 21, 22. 3379  Lehr (Fußn. 193), 730. 3375  Köhler



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane593

wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Während die herrschende Lehre für Bayern davon ausgeht, dass die Verpflichtung, Zeitpunkt und Ort der Sitzungen kommunaler Gremien (Art. 52 Abs. 1 BayGO, Art. 46 Abs. 1 LKrO) unter Angabe der Tagesordnung öffentlich / ortsüblich bekanntzuma­ chen, nur für öffentliche Sitzungen gelte,3380 geht Pahlke3381 mit überzeu­ genden Argumenten und unter Hinweis auf die zu vergleichbaren Regelun­ gen unbestrittene Auffassung in anderen Bundesländern3382 von einer auch in Bayern geltenden Verpflichtung für nicht-öffentliche Sitzungen aus. Dabei können die Unterlagen für die erforderliche umfassende Unterrichtung der Mitglieder der kommunalen Vertretungsorgane sehr wohl von der auch für die Öffentlichkeit bestimmten Fassung der Tagesordnung ohne personenbe­ zogene Daten3383 getrennt werden.3384 Neben dem Wortlaut der Vorschrift, der nicht zwischen öffentlicher und nicht-öffentlicher Sitzung differenziert, überzeugt auch das Argument, dass zumindest die Bekanntgabe der Gegen­ stände nicht-öffentlicher Beratung kommunaler Gremien als Betroffenenpar­ tizipation der örtlichen Bürgerschaft zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung zählt3385 und einen entsprechenden Informationswert be­ sitzt.3386 Darüber hinaus kann die Kenntnis der Tagesordnung auch der Kontrolle durch die Öffentlichkeit dienen, ob nach Wegfall des Geheimhal­ tungsbedürfnisses (Art. 52 Abs. 3 BayGO) die Ergebnisse nichtöffentlicher Beratung bekanntgegeben wurden. b) Auskunftsanspruch gegenüber kommunalen Unternehmen Nicht selbstverständlich ist, ob ein presserechtlicher Auskunftsanspruch auch direkt gegenüber rechtlich selbstständigen Unternehmen der öffentli­ 3380  Müller / Rüth, Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien und Aus­ kunftsanspruch der Presse gegenüber den Kommunen, KommunalPraxis BY 2011, 294, 295. 3381  Pahlke (Fußn. 3377), 36. 3382  Vgl. z. B. Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt sowie in Thüringen § 35 Abs. 6 Satz 2 ThürKO, der die Bekanntmachung vorsieht, soweit „dadurch der Zweck der Nichtöffentlichkeit nicht gefährdet wird“. 3383  Die ortsübliche Bekanntmachung der Tagesordnung ist zugleich eine Daten­ übermittlung an nichtöffentliche Stellen i. S. v. Art. 19 BayDSG, wobei Art. 52 Abs. 1 BayGO als vorrangige Spezialbestimmung betrachtet wird (vgl. Striedl / Troidl (Fußn. 232), 300 Fußn. 113); a.  A. Petri / Haag, Gemeinderatssitzungen zwischen Schutz des Persönlichkeitsrechts und öffentlichem Interesse am Infomationszugang, BayVBl 2014, 161, 162. 3384  So schon Mayer, Die Gemeinderatssitzung 2. Aufl. 1962, 22 und Heermann, Der Gemeinderatsbeschluß 1975, 216. 3385  Siehe hierzu insbesondere die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt A. I. 2. bis 4. 3386  Pahlke (Fußn. 3377), 36.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

chen Hand geltend gemacht werden kann oder ob auch die Presse sich auf eine Informationsbeschaffung über Unternehmensangelegenheiten auf eine Auskunft der hinter dem Unternehmen stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts verweisen lassen muss. aa) Eigenständiger presserechtlicher Behördenbegriff Der Begriff der Behörde als jeder Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 4 VwVfG), umfasst auch Aufgaben der Leistungsverwaltung, insbesondere der Daseinsvorsorge. Der Begriff der Behörde ist nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich in allen ge­ setzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinne aufzufassen, und zwar im Sinne des Staats- und Verwaltungsrechts.3387 Für das Presserecht versteht der BGH3388 den Behördenbegriff jedoch nicht „organisatorisch-verwal­ tungstechnisch“, sondern „funktional-teleologisch“ und misst ihm nach den Pressegesetzen der Länder aufgrund des Informationsbedürfnisses der Pres­ se und der Bevölkerung damit eine eigenständige Bedeutung zu. Er zählt deshalb, wie schon früher das OVG Saarlouis,3389 zu den Behörden auch die von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft.3390 Diese Rechtsprechung zum presserechtlichen Behördenbegriff hat der BayVGH3391 ausdrücklich auch auf verwaltungsrechtlich strukturierte Un­ ternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts (LfA Förderbank Bayern) übertragen. Ein sachlicher Unterschied der bayerischen Rechtslage zu derjenigen in anderen Bundesländern besteht hierbei nicht.3392 Der Auffassung zum eigenständigen presserechtlichen Behördenbegriff ist im Hinblick auf den engen Bezug zur Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), zur Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und zum Demokra­ tieprinzip (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) zuzustimmen. Auch Gesellschaftsrecht steht dem landesrechtlich geregelten Auskunftsrecht der Presse nicht entge­ 3387  BGH

v. 16.10.1963, IV ZB 171 / 63, NJW 1964, 299, Ls. 2 Satz  1. v. 10.02.2005, III  ZR  294 / 04, NJW 2005, 1720. 3389  OVG Saarlouis v. 01.04.1998, 8 R 27 / 96, AS RP-SL 27, 182. 3390  Köhler (Fußn. 3349), 2338 m. w. N. in Fußn. 9; Meier, Besteht ein Informa­ tionsrecht der Presse gemäß § 4 I PresseG NW auch gegenüber kommunalen Eigen­ gesellschaften?, NZG 1999, 196, 197 m. w. N. in Fußn. 17, zählt hierzu auch Unter­ nehmen der öffentlichen Hand, die rein fiskalische Aufgaben wahrnehmen, da auch hierbei öffentliche Mittel eingesetzt werden, an deren sachgemäßer Verwendung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der Information hierüber ein öffentliches Interesse besteht. 3391  BayVGH v. 07.08.2006, 7 BV 05.2582, BayVBl 2007, 369. 3392  Siehe auch Jahn (Fußn. 3372). 3388  BGH



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane595

gen, weil insoweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 11 GG keinen Gebrauch gemacht hat. Insbe­ sondere enthält das Gesellschaftsrecht generell keine der presserechtlichen Auskunftspflicht entgegenstehenden Regelungen.3393 Zwar ist die Sichtweise der Rechtsprechung zum presserechtlichen Be­ hördenbegriff nicht zwingend, aber für eine „quellennahe Informationserhe­ bung“3394 praktikabel, weil der Presse dadurch für Auskünfte der Umweg über die hinter dem Unternehmen stehende Körperschaft und damit eine unnötige Komplizierung und Verzögerung der Auskunftserteilung erspart wird. Bei den von der öffentlichen Hand beherrschten gemischt-wirtschaft­ lichen Unternehmen haben dabei die Interessen der von der Auskunftspflicht tangierten (privaten) Mitgesellschafter zurückzutreten.3395 Für Minderheits­ beteiligungen der öffentlichen Hand an privaten Unternehmen indessen kommt nur die Auskunft durch die beteiligte Körperschaft selbst in Betracht. Sie darf sich nur auf deren eigene Belange in dem Unternehmen erstrecken und nicht dazu führen, dass über diesen Umweg Interessen des gesamten Unternehmens oder anderer beteiligter Gesellschafter oder Aktionäre beein­ trächtigt werden.3396 Mit der Zuerkennung der Behördeneigenschaft ist für Unternehmen der öffentlichen Hand allerdings weder die Frage nach den auskunftspflichtigen bzw. auskunftsberechtigten Organen noch nach den Grenzen von Presseaus­ künften zu Unternehmensangelegenheiten beantwortet.

3393  BGH v. 10.02.2005, III  ZR  294 / 04, NJW 2005, 1720, 1721. Hierzu kritisch Rottmann (Fußn. 2388), 269, die die Auffassung vertritt, der BGH stelle sich mit dieser Rechtsprechung implizit auf die Seite der Verfechter des Verwaltungsgesell­ schaftsrechts. Diese Schlussfolgerung aus dem Urteil vom 10.02.2005 wird indes nicht geteilt: Der BGH hat den Pfad seiner bisherigen Rechtsprechung zum Vorrang des Gesellschaftsrechts nicht verlassen, weil er gerade nicht von einer Sonderstel­ lung öffentlicher Unternehmen ausgeht, sondern auf das Fehlen gesellschaftsrechtli­ cher Regelungen über presserechtliche Auskunftspflichten an sich abstellt. Dies trifft auch für die GmbH zu, für die die abschließenden Sonderregelungen der §§ 394, 395 AktG zugunsten öffentlicher Körperschaften als Gesellschafter nach der hier vertretenen Auffassung entsprechend gelten (vgl. hierzu insbesondere Kapitel 4 Ab­ schnitt A. II. 2. b) cc)). 3394  Meier (Fußn. 3390), 197. 3395  Köhler (Fußn.  3349), 2339 unter Bezugnahme auf BGH v. 10.02.2005, III  ZR  294 / 04, NJW 2005, 1720. 3396  Köhler (Fußn. 3349), 2339.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

bb) Grenzen zulässiger Presseauskünfte von Unternehmensorganen Der presserechtliche Auskunftsanspruch richtet sich nicht gegen einzelne Unternehmensorgane oder Beschäftigte, sondern gegen das Unternehmen als Behörde.3397 Auskunftspflichtig sind für rechtlich selbstständige Unterneh­ men der öffentlichen Hand deren gesetzliche Vertreter, nämlich der Vorstand oder die Geschäftsführung. Diese haben in Unternehmensangelegenheiten die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzu­ wenden (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, vergleichbar § 43 Abs. 1 GmbHG und § 3 Abs. 1 Satz 1 BayKUV für den Vorstand des Kommunalunternehmens). Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die dem Vorstand durch seine Tätigkeit bekannt geworden sind, hat er Stillschweigen zu bewahren (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG). Diese Verpflichtung gilt auch für die GmbH-Geschäftsfüh­ rung.3398 Hieraus folgt jedoch kein generelles Auskunftsverweigerungsrecht gegenüber der Presse.3399 (1) Presseauskünfte zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens Fraglich ist schon, ob ein presserechtlicher Auskunftsanspruch auch auf die Mitteilung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gerichtet sein kann. Dabei wurde der vom LG Freiburg eingeschlagene Weg der Konfliktlösung,3400 den Begriff des Geheimnisses für Unternehmen der öf­ fentlichen Hand anders als im übrigen Gesellschaftsrecht zu interpretieren, als Verstoß gegen den Vorrang des Gesellschaftsrechts bereits verworfen.3401 Auch die im Aktienrecht diskutierte Möglichkeit, den Begriff des Ge­ schäftsgeheimnisses von vorneherein so einzuengen, dass relevante Aus­ kunftsinteressen berücksichtigt werden können, würde zu einem gespaltenen Geheimnisbegriff führen.3402 Dagegen erscheint der durch § 131 Abs. 1 Nr. 1 AktG vorgezeichnete Weg zur Lösung des Konflikts zwischen dem Auskunftsinteresse eines Ak­ 3397  BayVGH

v. 07.08.2006, 7 BV 05.2582, BayVBl 2007, 369, 370. (Fußn. 2388), 271 m. w. N. in Fußn. 48. 3399  BayVGH v. 07.08.2006, 7 BV 05.2582, BayVBl 2007, 369, 371. 3400  Vgl. Fußn. 2481. 3401  Kapitel 4 Abschnitt A. II. 2. a) aa). 3402  Köhler, Auskunftspflicht und Auskunftsverweigerungsrecht öffentlicher Un­ ternehmen gegenüber der Presse, WRP 2007, 62, 63. 3398  Rottmann



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane597

tionärs und dem Geheimhaltungsinteresse des Vorstands auch für das öffent­ liche Auskunftsinteresse der Presse geeignet. Ebenso wie der Aktionär einen Anspruch darauf besitzt zu erfahren, wie die Gesellschaft mit den anvertrau­ ten Mitteln der Aktionäre wirtschaftet, kann auch die Presse im Interesse der Bürger als den eigentlichen wirtschaftlichen Eigentümern eines öffent­ lichen Unternehmens einen Anspruch geltend machen zu erfahren, wie dieses mit ihren Steuermitteln umgeht. Dabei kann der Auskunftsanspruch der Presse als öffentlicher Sachwalterin fremder Interessen schwerlich wei­ ter reichen als das Auskunftsrecht von Aktionären als Miteigentümern. Man wird deshalb den Gedanken des § 131 Abs. 1 Nr. 1 AktG grundsätzlich auch auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch anwenden können.3403 Nach dieser Vorschrift kann der Vorstand die Auskunft auf eine Frage verweigern, „soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beur­ teilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen.“ Für den Geschäftsleiter ei­ ner kommunalen Eigengesellschaft oder eines von der Kommune beherrsch­ ten gemischtwirtschaftlichen Unternehmens werden in seinen Beurteilungs­ maßstab vernünftigerweise mögliche Nachteile3404 der Trägerkommune auch dann einfließen, wenn diese nicht (ausnahmsweise) herrschendes Konzern­ unternehmen ist. Eine Presseauskunft wird insbesondere verweigert werden können, wenn durch sie die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Unternehmens gegen­ über privaten Konkurrenten auf einem gemeinsam bedienten Markt gefähr­ det wird, beispielsweise, wenn ein kommunales Unternehmen bei öffentli­ chen Ausschreibungen im Abfallentsorgungsbereich oder im ÖPNV als Bieter3405 auftritt, wenn Kalkulationsgrundlagen, Details über Vertragsange­ bote oder den Stand laufender Vertragsverhandlungen, über Lieferanten und deren Konditionen usw., offenbart würden. Grenzen für einen presserechtli­ chen Auskunftsanspruch ergeben sich auch, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage privaten Dritten ein Nachteil dadurch entstehen kann, dass diese in einer Grundrechtsposition berührt werden, insbesondere Betriebsoder Geschäftsgeheimnisse ihres eingerichteten und ausgeübten Gewerbebe­ triebs als Ausformung ihres Eigentumsrechts (Art. 14 GG), ihre Berufsfrei­ heit (Art. 12 GG) oder personenbezogene Daten betroffen werden.3406 3403  Köhler

(Fußn. 3402), 64. v. 20.03.1996, 3Z BR 324 / 95, WM 1996, 1177, 1179: Erheblich ist ein Nachteil, wenn er von einigem Gewicht ist; nach der herrschenden Meinung ist stets auch eine Abwägung zwischen den Nachteilen und eventuellen Vorteilen für das Unternehmen vorzunehmen. 3405  Siehe hierzu Kapitel 2 Abschnitt C. III. 4. und IV. 3. c) bzw. d). 3406  BayVGH v. 07.08.2006, 7 BV 05.2582, BayVBl 2007, 369, 371. 3404  BayObLG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Ist dagegen ein Vertragspartner selbst ein öffentliches Unternehmen, das seinerseits Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllt und damit nicht Grundrechtsträger ist, so wird dieses Unternehmen keinen weitergehenden Schutz für sich in Anspruch nehmen können als wenn es selbst mit einem entsprechenden Auskunftsbegehren konfrontiert würde.3407 Betreffen Presseauskünfte Fragen zu Handlungen oder Vorkommnissen, die zwar unmittelbar im operativen Geschäft eines öffentlichen Unterneh­ mens angesiedelt sind, wie beispielsweise den Umgang mit öffentlichen Mitteln unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, oder geht es um die Aufdeckung von Missständen im Unternehmen, gesetz­ widriger Praktiken von Mitarbeitern, der Beteiligung des Unternehmens an Preisabsprachen oder um eine gravierende Verletzung von Umweltstandards, so besteht kein Recht, der Presse hierzu Auskünfte zu verweigern.3408 Die Mitglieder des Aufsichtsrats als „Innenorgan“ der Gesellschaft sind dagegen grundsätzlich nicht befugt, zu Unternehmensangelegenheiten ge­ genüber Dritten Auskünfte zu erteilen.3409 Presseerklärungen einzelner Auf­ sichtsratsmitglieder oder auch des Gesamtaufsichtsrats, die in den Kompe­ tenzbereich des Vorstands bzw. der Geschäftsführung eingreifen, beeinträch­ tigen das Unternehmensinteresse. Solche Handlungen können nicht nur, soweit es sich um einen Geheimnisbruch handelt (§ 404 AktG, § 85 GmbHG), strafrechtlich verfolgt werden, sondern auch im Bereich bloßer vertraulicher Angaben als Beeinträchtigung des Rechts der Gesellschaft am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu Unterlassungs- und ggf. Schadensersatzansprüchen führen.3410 Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag jedenfalls bei der GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat vorsehen, dass die Presse über Tagesordnungs­ punkte von Aufsichtsratssitzungen öffentlicher Unternehmen, die nicht einer Geheimhaltungspflicht unterliegen, vorab unterrichtet wird. Einer solchen Regelung steht weder Gesellschaftsrecht noch – bei kommunalen Unterneh­ men – Kommunalrecht entgegen. Typischerweise betrifft zwar das in den Pressegesetzen geregelte Auskunftsrecht (vgl. Art. 4 BayPrG) ein Ersuchen um Einzelauskunft in einem konkreten Fall, doch ist nicht gesetzlich gere­ gelt, dass eine Behörde auch ohne besonderes Ersuchen von sich aus Aus­ kunft erteilen muss. Vielmehr liegt es im Ermessen der jeweiligen Behörde, eine mit der verfassungsrechtlich gesicherten Aufgabe der Presse (Art. 3 3407  Köhler

(Fußn. 3402), 65. auch Köhler (Fußn. 3349), 2340. 3409  Siehe hierzu Kapitel 4 Abschnitt A. II. 2. a) bb) und b) cc) sowie Ganzer /  Tremml (Fußn. 2577), 143. 3410  Volhard (Fußn. 2383), 500. 3408  So



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane599

Abs. 1 BayPrG) in Einklang stehende Auskunft zu erteilen, die zur demo­ kratischen Meinungsbildung beiträgt.3411 Dabei ist bei der Ausfüllung des Regelungsspielraums eine Abwägung zwischen dem vom Öffentlichkeits­ prinzip dominierten Kommunalrecht und dem vom Gesellschaftsrecht ge­ schützten Unternehmensinteresse sowie der Autonomie und Funktionsfähig­ keit des Aufsichtsrats vorzunehmen, die durch eine Vorabveröffentlichung der Tagesordnung nicht beeinträchtigt wird.3412 Für die Presse selbst wird eine Veröffentlichung auch illegal erlangter Informationen mit „Öffentlichkeitswert“ unter dem Gesichtspunkt der Pres­ se- und Informationsfreiheit allerdings regelmäßig gerechtfertigt sein.3413 Umso bedeutsamer ist die Beachtung der Verschwiegenheitspflicht der Auf­ sichtsratsmitglieder über unternehmensbezogene Angelegenheiten gegenüber Dritten, denn Verschwiegenheit weckt Neugierde. (2) Presseauskunft zu den Bezügen von Unternehmensorganen Während der BGH für Mitglieder des Aufsichtsrats eines öffentlichen Unternehmens keinen Geheimhaltungsanspruch gegenüber der Presse zur Höhe der Sitzungsgelder für ihre Aufsichtsratstätigkeit erkennen kann,3414 stellt sich die Bekanntgabe individueller Gehälter von Vorständen und Ge­ schäftsführern kommunaler Unternehmen sowohl in den Beteiligungsberich­ ten der Trägerkommunen3415 als auch auf konkrete Pressenachfrage wesent­ lich komplexer dar, obwohl auch deren Gehälter aus öffentlichen Mitteln stammen und, wie bei nebenamtlichen Vorständen oder Geschäftsführern, Teil der Bezüge als Amtsträger sein können.3416 In einigen Bundesländern hat der Landesgesetzgeber Pflichten zur Veröf­ fentlichung von Angaben über individuelle Bezüge von Organen öffentlichrechtlich organisierter Unternehmen, für kommunale Eigenbetriebe3417 oder 3411  BayVGH

v. 08.05.2006, 4 BV 05.756, BayVBl 2006, 534, 537. Regensburg v. 02.02.2005, RN 3 K 04.1408, LKV 2005, 365, 373. 3413  BGH v. 21.06.1966, VI ZR 261 / 64, BGHZ 45, 296. 3414  Köhler (Fußn. 3349), 2340 stimmt dem BGH v. 10.02.2005, III  ZR  294 / 04, NJW 2005, 1720, nur insoweit zu als die Aufsichtsratsmitglieder kraft Amtes in das Gremium gewählt oder entsandt wurden. 3415  Siehe hierzu Kapitel 3 Abschnitt A. II. 3. und in diesem Kapitel Abschnitt A. I. 4. 3416  Jahn, Zur Auskunftspflicht über die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern einer staatlich beherrschten GmbH, EWiR 2005, 485, 486, möchte deshalb das In­ formationsinteresse der Öffentlichkeit in gleicher Weise auf die Vergütung von Vor­ ständen und Geschäftsführern öffentlicher Unternehmen übertragen wissen. 3417  § 24 Abs. 1 Satz 1 EigVO NRW, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Nds. EigBetrVO, § 25 Abs. 1 Nr. 1 EigVO M-V. 3412  VG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

kommunale Anstalten des öffentlichen Rechts,3418 festgelegt. Gleiches gilt für börsennotierte Aktiengesellschaften, die sämtliche Bezüge jedes einzel­ nen Vorstandsmitglieds im Anhang zum Jahresabschluss detailliert anzuge­ ben haben (§ 285 Nr. 9 Buchst. a) Satz 5 HGB). Ein presserechtlicher Auskunftsanspruch erübrigt sich dabei, weil insoweit jedermann (§ 8 b HGB) Zugang zu diesen Daten erhalten kann. Für die übrigen Gesellschaften sieht § 285 Nr. 9 Buchst a) HGB ledig­ lich die Bekanntgabe der Gesamtbezüge aller Mitglieder der Unterneh­ mensleitung vor. Nach § 286 Abs. 4 HGB können jedoch auch diese An­ gaben im Hinblick auf den Schutz persönlicher Daten unterbleiben, wenn sich dadurch die Bezüge eines einzelnen Mitglieds dieser Organe feststel­ len lassen. Gleiches gilt in der Regel auch für die nach Landesrecht zur Bilanzierung nach den Regeln für große Kapitalgesellschaften verpflichte­ ten kommunalen Unternehmen, soweit das einzelne Organmitglied nicht sein Einverständnis mit einer Veröffentlichung seiner individuellen Bezüge erklärt hat.3419 Ein öffentliches Interesse an Informationen kann für die Medien in Fällen fehlender Zustimmung zur Offenlegung individueller Bezüge von Leitungs­ organen kommunaler Unternehmen, insbesondere über eventuelle erfolgsbe­ zogene Vergütungskomponenten, Abfindungsregelungen beim Ausscheiden aus dem Amt oder über Nebenleistungen des Unternehmens, im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Umgang mit öffentlichen Mitteln bestehen. Die Kommunalgesetze der Länder enthalten durchwegs Bestimmungen, die die Träger kommunaler Unternehmen verpflichten darauf hinzuwirken, dass sich jedes Mitglied des geschäftsführenden Unternehmensorgans vertraglich verpflichtet, die ihm im Geschäftsjahr jeweils gewährten Bezüge im Sinn von § 285 Nr. 9 Buchst. a) HGB jährlich zur Veröffentlichung mitzuteilen.3420 Diese landesgesetzlichen Hinwirkungspflichten verletzen nach der hier vertretenen Auffassung auch nicht die konkurrierende Gesetzgebungskom­ petenz des Bundes für das Recht der Wirtschaft nach Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, weil nur die Offenlegung der Vergütung nach § 285 Nr. 9 Buchst. a) HGB Gegenstand des Jahresabschlusses der rechtlich selbststän­ digen Gesellschaft ist, während die Hinwirkungspflicht der kommunalen Gebietskörperschaft deren Ingerenzpflichten betrifft, die dem kommunalen Organisationsrecht der Selbstverwaltungskörperschaft zugeordnet sind und die bundesrechtlichen Bestimmungen über die Publizität des Jahresabschlus­ 3418  Vgl.

§ 145 Abs. 2 Satz 3 HGO, § 114a Abs. 10 Satz 2 GO NRW. Art. 94 Abs. 3 Sätze 32 und 3 BayGO. 3420  Vgl. Art. 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayGO. 3419  Vgl.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane601

ses unberührt lassen. Da es sich insoweit um unterschiedliche Regelungsge­ genstände handelt, kommt ein Verstoß gegen Bundesrecht nach Art. 31 GG nicht in Betracht.3421 Der BayVGH hat die landesrechtliche Hinwirkungspflicht deshalb zu Recht nicht am Maßstab des Art. 31 GG gemessen, sondern sieht darin eine Regelung, die das Recht der Mitglieder geschäftsführender Unterneh­ mensorgane auf informationelle Selbstbestimmung nicht einseitig zuguns­ ten des Allgemeininteresses an einer Verbesserung der „Transparenz“ der Gehälter dieser Personengruppe zurücktreten lässt. Als besondere Ausprä­ gung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begrenze das Recht auf infor­ mationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) auch den presserechtlichen Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG, weil zu den Grenzen dieses Anspruchs gegenüber dem Unternehmen auch die Grundrechte Dritter, nämlich der Mitglieder ihrer Leitungsorgane, gehören. Deren persönliches Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit zur Höhe ihrer Bezüge sei dabei mit der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuwägen.3422 Nach dem Volkszählungsurteil des BVerfG3423 handelt es sich bei der Höhe der Bezüge um einen persönlichen Lebenssachverhalt, in den mit den Transparenzregelungen als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung eingegriffen wird.3424 Allerdings hat das BSG3425 die Bezüge dem beruflichen Bereich zugeordnet und einen Schutz dieses Bereichs als Bestandteil der Sozialsphäre3426 in Abwägung mit dem Transparenzinteresse nur dort für geboten gehalten, wo die Bezüge aus einer Tätigkeit für ein öffentliches Unternehmen in herausragender beruflicher Stellung auch Rückschlüsse auf das Gesamteinkommen oder Vermögen zulassen. Der EGMR3427 sieht zwar die berufliche Tätigkeit als Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privat­ 3421  Etwas anderes gilt nach OLG Köln v. 09.06.2009, 15 U 79 / 09, BKR 2010, 30, 32 f., für das Sparkassenrecht, bei dem die materielle Gesetzgebungszuständig­ keit beim Bund und nur die formelle bei den Ländern liege; siehe hierzu Dietlein / Riedel, Veröffentlichung von Managergehältern öffentlicher Unternehmen, NWVBl 2010, 453, 455, im Ergebnis offen lassend, ob der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung treffen wollte. 3422  BayVGH v. 14.05.2012, 7 CE 12.370, BayVBl 2012, 761, 762. 3423  BVerfG v. 15.12.1983, 1 BvR 209 / 83 u. a., BVerfGE 65, 1, 41 ff. 3424  Dietlein / Riedel (Fußn. 3421), 456. 3425  BSG v. 14.02.2007, 14.02.2007, NZS 2008, 89, 91 f. 3426  Schertz (Fußn. 3339), 723. 3427  EGMR v. 16.02.2000, Nr.  27798 / 95, CEDH 2000, II, Rdnr. 65: The storing of data relating to the „private life“ of an individual falls within the application of Article 8 § 1 (EMRK) and there is no reason of principle to justify excluding ac­ tivities of a professional or business nature from the notion of „private life“.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

lebens nach Art. 8 EMRK3428 an, hält aber einen Eingriff in dieses Recht für gerechtfertigt, wenn er Eingriff „notwendig“ im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ist, weil ein zwingendes gesellschaftliches Bedürfnis besteht und die Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten berechtig­ ten Zweck steht. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Umgang mit öffentlichen Mitteln zählt zweifellos hierzu, wobei aber eine Namensnennung nicht notwendig ist.3429 Zu Recht kommt deshalb der BayVGH zu dem Ergebnis, dass die bloße „Hinwirkenspflicht“ der Kommune nichts an der gesetzlichen Regelung ändert, die eine Veröffentlichung der Bezüge eines einzelnen Mitglieds des geschäftsführenden Unternehmensorgans, abgesehen von besonderen Um­ ständen, die eine Abweichung hiervon gestatten, nur mit der Maßgabe an­ geordnet hat, dass der Betroffene hierzu sein Einverständnis erteilt hat.3430 5. Informationsfreiheitsregelungen und sektorale Informationsansprüche „Der Staat des Grundgesetzes ist Staat in Öffentlichkeit.“ Keine gesell­ schaftliche Ordnungsmacht kann es sich jedoch erlauben, schlechthin alles offenzulegen, alles öffentlich zu debattieren, allen zu allem Zugang zu ge­ währen.3431 Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist Bestandteil des Rechts­ staatsprinzips. Er entspricht dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der De­ mokratie, zu dem auch der Grundsatz der Budgetöffentlichkeit,3432 nicht aber die freie Zugänglichkeit des staatlichen Informationshaushalts3433 zählt, denn der Verfassungsgrundsatz gilt nicht ausnahmslos.3434 Die Öffentlichkeit kann aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls auch dort ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wo sie nach der Verfassung grundsätzlich geboten ist,3435 weil auch die Staatsform der freiheitlichen Demokratie „arcana impe­ rii“ kennt, für die sie sich allerdings als Abweichung von der Regel grund­ sätzlich rechtfertigen muss,3436 auch wenn sich dem Grundgesetz nur einzel­ 3428  Gesetz vom 07.08.1952 (BGBl. II S. 685). Als Bestandteil des Bundesrechts bindet die EMRK auch alle Unternehmen, die als öffentliche Verwaltung im mate­ riellen Sinne tätig sind. 3429  Dietlein / Riedel (Fußn. 3421), 458 m. w. N. in Fußn. 72. 3430  BayVGH v. 14.05.2012, 7 CE 12.370, BayVBl 2012, 761, 763. 3431  Jestaedt (Fußn. 111), 205. 3432  BVerfG v. 14.01.1986, 2 BvE 14 / 83 u. a., BVerfGE 70, 324, 358. 3433  Sydow / Gebhardt (Fußn. 272), 986. 3434  BVerfG v. 21.10.1954, 1 BvL 9 / 51, 1 BvL 2 / 53, BVerfGE 4, 74, 94. 3435  BVerfG v. 24.01.2001, 1 BvR 2623 / 95 u. a., BVerfGE 103, 44, 63. 3436  BVerfG v. 14.01.1986, 2 BvE 14 / 83 u. a., BVerfGE 70, 324, 358: „Parlamen­ tarische Kontrollkommission“; BVerwG v. 22.05.2007, 7 B 1.07, Juris, 1, Rdnr. 17.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane603

ne Öffentlichkeitspostulate entnehmen lassen, nicht aber ein Verfassungssatz, dass Nichtöffentlichkeit generell begründungsbedürftig ist.3437 Die Verfassungsgrundsätze des Rechtsstaats und der Demokratie bedürfen näherer Ausformung durch das Gesetz. Auch der im Demokratieprinzip wurzelnde Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen zur öffentlichen Meinungsbildung gebietet nichts anderes.3438 Die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG gilt nur für die ungehinderte Unterrichtung aus „allgemein zugänglichen Quellen“. „Die Informationsfreiheit konstitu­ iert die Öffentlichkeit nicht, sondern setzt sie voraus, um überhaupt greifen zu können.“3439 Bei staatlichen Informationsquellen entscheidet letztlich der Gesetzgeber über die Reichweite der grundrechtlichen Informationsfreiheit für die Allgemeinheit.3440 Weil und soweit Behördenakten „ihrer Natur nach“ grundsätzlich nicht dem Zugriff der Öffentlichkeit gewidmet sind, soll der Schutzbereich des Grundrechts nicht eröffnet sein. Ein vorausset­ zungsloser Informationszugang zu Behördenakten kommt damit nur in Be­ tracht, wenn der Gesetzgeber vorgesehen hat, dass eine Informationsquelle „technisch geeignet und bestimmt“ ist, der Allgemeinheit, d. h. einem indi­ viduell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen.3441 Hieraus folgert Gurlit, dass sich diese von ihr als problematisch bezeichne­ te Schutzbereichsbestimmung nur überwinden lasse, „wenn das Grundrecht der Informationsfreiheit um eine objektivrechtliche Pflicht des Staates zur Informationsvorsorge und damit zur Zugangseröffnung angereichert wird, der ein subjektives Recht korrespondiert“.3442 Soweit die „technische Eig­ nung“ als allgemein zugängliche Informationsquelle bestritten3443 oder sie nur als „Schutzbereichsausgestaltung“3444 verstanden wird, spreche daraus nur der Unwille, aus einfachrechtlichen Regelungen verfassungsrechtliche 3437  Jestaedt (Fußn. 111), 220; a. A. Scherzberg (Fußn. 44), passim, insb. 291 ff., 320 ff., 336 ff., der insbesondere die Öffentlichkeit der Verwaltung „als Demokratie­ gebot“, „als Rechtsstaatsgebot“ sowie „als Grundrechtsgebot“ bezeichnet. 3438  BVerfG v. 24.01.2001, 1 BvR 2623 / 95 u. a., BVerfGE 103, 44, 64 ff. 3439  Seiler (Fußn. 43), 432. 3440  Gurlit (Fußn. 168), 1121, Fußn. 21: BVerfG v. 24.01.2001, 1 BvR 2623 / 95 u. a., BVerfGE 103, 44, 61: Der Ausschluss von Film- und Tonaufnahmen bei Ge­ richtsverhandlungen nach § 169 Abs. 2 Satz 2 GVG berührt nicht den Schutzbereich der Informationsfreiheit, weil sich die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen von vorneherein nur auf die Saalöffentlichkeit bezieht. 3441  BVerfG v. 30.01.1986, 1 BvR 1352 / 85, NJW 1986, 1243. 3442  Gurlit (Fußn. 168), 1121 m. w. N. in Fußn. 25: Ein subjektives Recht ableh­ nend Kugelmann (Fußn.  175), 61 f. 3443  VGH Mannheim v. 10.06.1998, 10 S 58 / 97, ZUR 1999, 113, 116: Die Tat­ sache, dass das Umweltinformationsgesetz eine Zugangsberechtigung zu Informati­ onen schafft, rechtfertigt nicht eine Qualifizierung als allgemein zugängliche Quelle. 3444  Kloepfer / Neun (Fußn. 252), § 3 Rdnr. 76 f.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Konsequenzen zu ziehen.3445 Auch für Bereiche der Verwaltung, bei denen sich durch einen zwischenzeitlichen Wandel von der Leistungsverwaltung zur „Gewährleistungsverwaltung“ für die Aufgabenerfüllung durch dezent­ rale Einheiten oder private Dritte eine Pflicht zur Informationsvorsorge als Bestandteil der Daseinsvorsorge für die Bürger ableiten lässt,3446 führt die Informationsvorsorgepflicht nur zu einem bereichsspezifischen Informati­ onszugangsrecht, nicht aber einem Recht der Allgemeinheit auf Zugang zu Behördeninformationen. Den grundgesetzlichen Gewährleistungen jedenfalls lässt sich ein voraussetzungsloser, gegenständlich unbeschränkter Informati­ onsanspruch gegenüber der Verwaltung nicht entnehmen.3447 Einzig Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg3448 sieht ein Jedermann zustehendes Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtli­ che Unterlagen der Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen vor, soweit nicht überwiegende öffentliche Belange entge­ genstehen. Dieses hat mit seiner Konkretisierung durch das AIG3449 den Gedanken einer grundsätzlich unbeschränkten Verwaltungsöffentlichkeit befördert. Längerfristig dürfte auch die Einführung eines allgemeinen Zu­ gangsrechts zu allen Dokumenten des Europäischen Parlament, des Rates und der Europäischen Kommission3450 Einfluss auf die Grundlagen des subjektiven öffentlichen Rechts entfalten.3451 Einen vom Umweltinformationsgesetz vorbereiteten Paradigmenwech­ sel3452 haben in Deutschland das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes 3445  Kloepfer (Fußn. 302), 227, verweist darauf, dass das Informationsfreiheits­ recht als Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen konzipiert ist und der Ge­ setzgeber dadurch, anders als beim Zugang zu Behördenakten, verfassungsrechtlich an einer Beschränkung des Zugangs zu technisch allgemein zugänglichen Informa­ tionen gehindert ist. 3446  Siehe hierzu Kapitel 1 Abschnitt B. I. 2. c). 3447  So auch Gurlit (Fußn. 168), 1122. 3448  Verfassung des Landes Brandenburg vom 20.08.1992 (GVBl. I 1992, S. 298), zul. geänd. durch G. v. 19.12.2011 (GVBl. I Nr. 30). 3449  Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz – AIG vom 10.03.1998 (GVBl. I 1998, S. 46). 3450  Erklärung Nr. 17 zur Schlussakte der Verträge von Maastricht mit dem Recht auf Zugang zu Informationen, die bei EU-Organen vorhanden sind (ABl. EG 1992 Nr. C 191, S. 101), wobei diese Regelungen überwiegend nur zur Transparenz der Rechtsetzung, nicht aber der Exekutive, beitragen, obwohl der 2. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr.  1049 / 2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäi­ schen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. EG Nr. L 145 vom 31.05.2001, S. 43) von „Verwaltung“ spricht. 3451  Voßkuhle (Fußn. 265), 383. 3452  Kloepfer / Lewinski, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG), DVBl 2005, 1277, 1288.



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(IFG)3453 und die inzwischen sowohl in den Stadtstaaten als auch den meis­ ten Flächenstaaten erlassenen Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetze gebracht. Deren zentrales Anliegen ist die Herstellung umfassender Trans­ parenz in Umkehrung des bisher in der deutschen Verwaltung geltenden Arkanprinzips. Nicht mehr die Geheimhaltung der Informationen ist der Regelfall, sondern die Zugänglichkeit mit dem primären Ziel, die Funktion, die Kontrolle und durch Transparenz der Verwaltung auch deren Effizienz zu fördern.3454 Soweit diese Regelungen einen voraussetzungslosen Infor­ mationszugang gewähren, können Unterlagen zu jedem Zweck eingesehen werden, so dass die in § 16 Abs. 4 Satz 1 BDSG3455 geregelte Beschränkung einer Verarbeitung und Nutzung von Daten nur auf Zwecke, für die sie übermittelt worden sind, entfällt.3456 a) Informationsfreiheitsgesetze der Länder und kommunale Informationsfreiheitssatzungen Informationsfreiheitsgesetze bestehen außer in den Stadtstaaten3457 in den Flächenstaaten Brandenburg3458, Mecklenburg-Vorpommern3459, NordrheinWestfalen3460, Rheinland-Pfalz3461, im Saarland3462, in Sachsen-Anhalt3463, Schleswig-Holstein3464 und Thüringen.3465 3453  Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informati­ onsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zul. geänd. d. G. vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154). 3454  Kloepfer / Lewinski (Fußn. 3452), 1279, Fußn. 25: BVerfG v. 03.12.1985, 1 BvL 15 / 84, NJW 1986, 1239, 1241. 3455  Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Janu­ ar 2003 (BGBl. I S. 66), zul. geänd. d. G. vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814). 3456  Kloepfer / Lewinski (Fußn. 3452), 1283. 3457  Vgl. insbesondere Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG) vom 19. Juni 2012 (HmbGVBl. 2012, 271), mit dem das bisherige Informationsfreiheitsgesetz vor allem in zwei Bereichen erweitert wurde. Erstens können Informationen nun auch von Unternehmen angefordert werden, die der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg unterliegen. Auch die Ausnahmegründe sind eingeschränkt. Personenbezo­ gene Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden allerdings weiter ge­ schützt. Zweitens soll zukünftig eine Vielzahl von Dokumenten in einem elektroni­ schen Register kostenlos im Internet veröffentlicht werden. 3458  Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) vom 10.03.1998 (GVBl. I 1998, S. 46), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.10.2013 (GVBl. I Nr. 30). 3459  Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklen­ burg-Vorpommern (Informationsfreiheitsgesetz – IFG M-V) vom 10.07.2006 (GVO­ Bl. M-V 2006, S. 556), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.05.2011 (GVOBl. S. 277). 3460  Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nord­ rhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen – IFG NRW) vom

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Informationspflichtig sind neben Behörden insbesondere auch rechtsfähi­ ge Anstalten des öffentlichen Rechts und juristische Personen des Privat­ rechts, in Nordrhein-Westfalen, soweit sie öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen (§ 2 Abs. 4 IFG NRW), in Brandenburg nur, soweit ihnen Hoheitsaufgaben des Landes in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes übertragen worden sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AIG) und soweit die Informationen amtlichen oder dienstlichen Zwecken dienen (§ 3 Satz 1 AIG). Auch in Rheinland-Pfalz (§ 2 Abs. 3 LIFG), Sachsen-Anhalt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 IZG LSA), SchleswigHolstein (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 IZG SH), Thüringen (§ 2 Abs. 2 ThürIFG) und Mecklenburg-Vorpommern gilt das Informationszugangsrecht für juristische Personen des Privatrechts, soweit ihnen Aufgaben der öffentlichen Verwal­ tung übertragen worden sind oder sie solche Aufgaben wahrnehmen, in Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich auch für durch Stimmenmehrheit beherrschte Unternehmen (§ 3 Abs. 3 IFG M-V). Inhaltlich schließt die Regelung in Thüringen den Informationsanspruch aus, soweit der An­ spruchsverpflichtete als Unternehmen im Wettbewerb steht (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 ThürIFG). 34613462346334643465

Am Weitesten geht die Regelung in Schleswig-Holstein, die den Informa­ tionsanspruch auf sämtliche bei einer Behörde vorhandenen Informationen ausdehnt (§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 3 IZG SH). Anspruchsberechtigt ist Jedermann in Brandenburg (§ 1 AIG), im Saar­ land (§ 1 Satz 1 SIFG), in Sachsen-Anhalt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG LSA), in Thüringen (§ 4 Abs. 1 ThürIFG), in Nordrhein-Westfalen jede natürliche Person (§ 4 Abs. 1 IFG NRW), in Rheinland-Pfalz (§ 4 Abs. 1 LIFG), Schleswig-Holstein (§ 3 IZG SH) und in Mecklenburg-Vorpommern auch juristische Personen des Privatrechts, dort auch Personenvereinigungen (§ 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 IFG M-V), im Saarland auch juristische Personen des 27.11.2001 (GV. NRW. 2001, 806), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2009 (GV. NRW. S. 765). 3461  Landesgesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen (Landesinfor­ mationsfreiheitsgesetz – LIFG –) vom 26.11.2008 (GVBl. 2008, S. 296), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2012 (GVBl. S. 427). 3462  Gesetz Nr. 1596 Saarländisches Informationsfreiheitsgesetz (SIFG) vom 12.07.2006 (Amtsblatt 2006, S. 1624), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.11.2010 (Amtsblatt I S. 2588). 3463  Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA) vom 19.06.2008 (GVBl. LSA 2008, S. 242). 3464  Informationszugangsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (IZG-SH) vom 19. Januar 2012 (GVOBl. 2012, S. 89). 3465  Thüringer Informationsfreiheitsgesetz (ThürIFG) vom 14.12.2012 (GVBl. 2012, S. 464).



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane607

öffentlichen Rechts, soweit sie Grundrechtsträger sind (z. B. Rundfunkan­ stalten) und der Anspruch auf Informationszugang zur Ausübung des jewei­ ligen Grundrechts geltend gemacht wird (§ 1 Satz 2 SIFG). Das Verhältnis der Informationsfreiheitsgesetze zu den gesellschaftsrecht­ lichen Verschwiegenheitspflichten über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie zu vertraulichen Angaben der Gesellschaft wird im Einzelnen unter­ schiedlich geregelt: Spezialgesetzliche Geheimhaltungsvorschriften bleiben sowohl nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (§ 1 Abs. 3 IFG) als auch in Ber­ lin3466 und Brandenburg unberührt (§ 4 Abs. 3 AIG), in Sachsen-Anhalt bestehen Vorbehalte gegen Auskunftsansprüche, die geeignet wären, fiskali­ sche oder wirtschaftliche Interessen zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 2 Nr. 6 IFG LSA). In Mecklenburg-Vorpommern ist der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch das Landesgesetz gewährleistet, für den Schutz vertraulicher Angaben fehlen dagegen Beschränkungen (§ 8 IFG M-V). Nordrhein-Westfalen (§  8 IFG NRW) und Schleswig-Holstein (§  10 Satz 1 Nr. 2 IZG SH) stellen den Schutz von Betriebs- und Geschäftsge­ heimnissen dagegen unter Abwägungsvorbehalt mit dem Interesse der All­ gemeinheit, nicht jedoch mit den Interessen des Anspruchstellers.3467 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes hindert jedoch die Ländergesetzge­ bung insbesondere bei einem landesrechtlich fehlenden Ausschlusstatbestand oder bei einem Abwägungsvorbehalt an der Offenbarung von Informationen aus Aufsichtsratssitzungen oder Protokollen hierzu,3468 da die in § 395 AktG genannten Berichtsempfänger eigenen Verschwiegenheitspflichten unterlie­ gen, die Landesrecht nicht überwinden kann.3469 In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen existieren hingegen bisher keine Informationsfreiheitsgesetze. Bayern hat nach Auffassung der Bayer. Staatsregierung3470 darauf verzichtet, denn je­ dermann könne nach den geltenden Gesetzen „bei einem berechtigten Inte­ resse ein Auskunftsersuchen an die Verwaltung stellen, über das nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist“. Die geltende Rechtslage stelle einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Informationsinteresse 3466  Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner In­ formationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 15.10.1999 (GVBl. S. 561), zul. geänd. d. G. vom 08.07.2010 (GVBl. S. 358). 3467  Oetker (Fußn. 2513), 1101. 3468  VG Berlin v. 13.11.2013, 2 K 293.12, 2 K 41.13, Juris. 3469  Oetker (Fußn. 2513), 1105. 3470  Bayer. Staatsminister Joachim Herrmann, Bayerische Staatszeitung Nr. 50 vom 17.12.2010, S. 10.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

der Bürger und dem genauso wichtigen Interesse an einem wirksamen Da­ tenschutz dar. Im Hinblick auf die zunehmende Inanspruchnahme der Rechte aus den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder haben in Bayern eine Reihe von Städten (z. B. München,3471 Amberg, Passau, Schwandorf) und Gemeinden (z. B. Neubiberg) eine eigene Initiative ergriffen und im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts Informationsfreiheitssat­ zungen im eigenen Wirkungskreis mit dem Ziel einer erhöhten Transparenz des Verwaltungshandelns3472 erlassen. Vor allem auf Initiative des Vereins „Mehr Demokratie e. V.“ soll damit, gestützt auf Art. 23 Satz  1 BayGO, Art. 17 Satz 1 LKrO bzw. Art. 17 Satz 1 BezO, der freie Zugang zu den bei Kommunalverwaltungen vorhandenen Informationen geregelt werden. Wegen des Vorrangs spezieller Rechtsvorschriften (z. B. Art. 19 BayDSG, Art. 4 BayPrG, §§ 68 ff. SGB X, § 8 MRRG), bereits bestehender sektora­ ler Zugangsrechte im Umweltinformations- und Verbraucherinformations­ recht und vor allem, weil die Ermächtigungsgrundlagen keine Eingriffe in Rechte Dritter zulassen,3473 erfordern solche Satzungen umfassende Vorbe­ halts- und Ausschlusstatbestände. Der zu gewinnende Mehrwert für die Informationsfreiheit der Bürger hält sich damit in engen Grenzen. Aller­ dings können sich kommunale Vertretungsorgane unter entsprechender Me­ dienbegleitung den Forderungen nach grundsätzlich freiem Informationszu­ gang zu Unterlagen der Kommunalverwaltung nur schwer verschließen, auch wenn diese Regelungen weitgehend dem schönen Schein der Trans­ parenz gewidmet sind.3474 b) Sektorale Regelungen der Informationsfreiheit und von Informationspflichten Information dient dem Staat auch zur politischen Steuerung gesellschaft­ licher Prozesse. 3471  Satzung zur Regelung des Zugangs zu Informationen im eigenen Wirkungs­ kreis der Landeshauptstadt München vom 08.02.2011 (MüABl. S. 53). 3472  Petri / Haag (Fußn.  3383), 164 f. 3473  Laser, Erlass einer Informationsfreiheitssatzung durch Kommunen, Kommu­ nalPraxis BY 2006, 126 f. m. w. N. in Fußn. 3. 3474  Vgl. Satzung zur Regelung des Zugangs zu Informationen über Angelegen­ heiten des eigenen Wirkungskreises der Stadt Amberg (Informationsfreiheitssatzung) vom 24.05 2012 (Amtsblatt der Stadt Amberg Nr. 11 vom 01.06.2012). Nach An­ passung der Kostensatzung sind einfache mündliche oder fernmündliche Auskünfte (wie in anderen Fällen auch) gebührenfrei, für die Herausgabe von Informationsträ­ gern und die Einsichtnahme bei der Behörde fallen nun aber Gebühren von je nach Aufwand zwischen 15 € und 500 € an.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane609

Mit dieser Form von Publizität eröffnet er einerseits einen zumindest sektoralen Zugang zu dem in seiner Verwaltung vorhandenen Informations­ potenzial. Andererseits betreibt er durch aktive und systematische Publi­ kumsinformation3475 mit Aufklärung, Beratung oder Empfehlungen etwa für umweltfreundliche Produkte bis hin zu Warnhinweisen zum Schutz der Verbraucher auch Informationsvorsorge.3476 aa) Völkerrechtlich vereinbarter freier Zugang zu Umweltinformationen Zu den bedeutendsten völkerrechtlichen Vertragswerken über den Zugang zu Informationen zählt die Aarhus-Konvention.3477 Dieses internationale Übereinkommen der UNECE, der United Nations Economic Commission for Europe, ist als sogenanntes „gemischtes Abkommen“ sowohl von der (dama­ ligen) Europäischen Gemeinschaft als auch von allen Mitgliedstaaten unter­ zeichnet worden.3478 Die Europäische Gemeinschaft / Union hat zur Anpas­ sung des europäischen Rechts an das Übereinkommen verschiedene Rechts­ akte erlassen, insbesondere die Richtlinie 2003 / 4 / EG vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhe­ bung der Richtlinie 90 / 313 / EWG des Rates (Umweltinformationsrichtli­ nie)3479 und die Richtlinie 2003 / 35 / EG vom 26. Mai 2003 über die Beteili­ gung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85 / 337 / EWG und 91 / 61 / EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zu­ gang zu Gerichten (Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie).3480 Das europäische Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht und das nationale Recht der Mitgliedstaaten sind nicht einander fremde Normenbestände, 3475  Den Begriff hat Gramm, Aufklärung durch staatliche Publikumsinformatio­ nen, Der Staat 30, 51, 53 f., geprägt. 3476  Voßkuhle (Fußn.  265), 386 ff. 3477  Gurlit (Fußn. 168), 1120. 3478  Das „Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlich­ keitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Um­ weltangelegenheiten“ wurde am 25. Juni 1998 im dänischen Aarhus anlässlich der 4. Paneuropäischen Umweltministerkonferenz geschlossen. Die Europäische Ge­ meinschaft hat die Konvention am 17. Februar 2005 ratifiziert (vgl. jetzt: Art. 218 AEUV). Für die Bundesrepublik Deutschland ist die Konvention durch das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) vom 9. Dezember 2006 inner­ staatliches Recht geworden (BGBl. II S. 1251). 3479  ABl. EU Nr. L 41 vom 14.02.2003, S. 26. 3480  ABl. EU Nr. L 156 vom 25.06.2003, S. 17.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

sondern funktional aufeinander bezogene, wechselseitig offene Regelungs­ systeme.3481 Die Umweltpolitik gehört zur sogenannten „geteilten Zustän­ digkeit“ der Europäischen Union (vgl. jetzt Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. e) AEUV). Deren funktionale Verschränkung findet vor allem im Rahmen des nationalen Vollzugs von Unionsrecht statt, betrifft allerdings nur den nationalen Normenbestand, der nach dem Grundsatz der beschränkten Einzelermächtigung (Art. 3 Abs. 6 und Art. 5 EUV) Sachver­ halte betrifft, die in der Kompetenz der Union liegen.3482 Eine Europäisierung des Verwaltungsrechts wird einerseits begrenzt durch das Gebot der Wahrung der institutionellen Autonomie der Mitgliedstaaten und ihrer nationalen Identität (Art. 4 Abs. 2 EUV) sowie durch die Loyali­ tätspflicht der Union gegenüber den Mitgliedstaaten und das Subsidiaritäts­ prinzip (Art. 5 Abs. 3 EUV), andererseits ergibt sich aus dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes3483 (Art. 23 Abs. 1 GG) auch die Pflicht zur Unionstreue,3484 wonach die Spielräume das nationalen Rechts unionsrechtskonform auszufüllen sind.3485 In der Bundesrepublik Deutschland erfolgte die Umsetzung des Rechts zum freien Informationszugang und zum diesbezüglichen Rechtsschutz für die Bundesbehörden und die weiteren informationspflichtigen Stellen des Bundes durch das Gesetz zur Neugestaltung des Umweltinformationsgeset­ zes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22. Dezember 20043486 und in den Ländern durch eigene Umweltinforma­ tionsgesetze.3487 Danach hat jedermann, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müs­ sen, Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, die bei infor­ mationspflichtigen Stellen vorhanden sind oder für sie bereitgehalten wer­ den. Zu den informationspflichtigen Stellen zählen auch juristische Perso­ nen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen. Der Informationsanspruch stellt ein subjektives öffentliches Recht dar und ist damit nicht nur Verfahrensrecht im Dienste des materiellen Rechts, so dass auf ihn z. B. § 44 a VwGO 3481  Scherzberg

(Fußn. 44), 208 m. w. N. in Fußn. 8. (Fußn.  44), 209 f. 3483  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 347. 3484  EuGH v. 15.01.1986, Rs. 52 / 84, Slg. 1986, 89, 105. 3485  Vgl. auch Scherzberg (Fußn.  44), 211 f. 3486  Umweltinformationsgesetz – UIG (BGBl. I S. 3704). 3487  Vgl. z.  B. Bayer. Umweltinformationsgesetz (BayUIG) vom 08.12.2006 (GVBl. S. 933). 3482  Scherzberg



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane611

nicht anzuwenden ist.3488 Die Grenzen des Anspruchs decken sich im We­ sentlichen mit denen, die auch den Informationsfreiheitsgesetzen zu Grun­ de liegen.3489 bb) Aktive Informationspflichten im Umwelt- und Verbraucherschutzrecht Die Umweltinformationsgesetze sehen für informationspflichtige Stellen die Pflicht zu einer aktiven und systematischen Unterrichtung der Öffent­ lichkeit, etwa über politische Konzepte, Pläne und Programme mit Umwelt­ bezug oder die Bereitstellung von Umweltdatensammlungen auch im Inter­ net in allgemein verständlicher Form vor.3490 Besondere Bedeutung erlangen die aktiven Informationspflichten im Um­ weltrecht zur Abwendung von Bedrohungen oder Gefahren sowie bei Warn­ hinweisen für Bürger, etwa vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Brände oder Chemikalienunfälle auf die Nachbarschaft, aber auch für Hin­ weise auf Stoffe in Produkten, die zu einer gesundheitsgefährdenden Kon­ tamination der Lebensmittelkette führen können (vgl. § 10 Abs. 5 i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG). Vor allem zum Verbraucherschutz sind in jüngster Zeit durch Unionsrecht (LMIV)3491 aktive Informationspflichten mit grundlegenden Anforderungen an die Lauterkeit der Informationspraxis und zu den Verantwortlichkeiten (Art. 7 und 8 LMIV) bei der Bereitstellung von Informationen über Lebens­ mittel zum Schutz der Gesundheit und Interessen der Verbraucher geschaf­ fen worden.

3488  Gurlit (Fußn. 168), 1129 m. w. N. in Fußn. 99; vgl. hierzu Reinhardt, Umwel­ tinformation als subjektives Recht, Verw 30, 161, 173 f. m. w. N. 3489  Siehe oben a) und Sydow / Gebhardt (Fußn. 272), 989. 3490  Hierzu können beispielsweise frühzeitige Informationen über geplante Sanie­ rungsvorhaben von Altlasten, über Luftreinhalteprogramme oder kommunale Kon­ zepte zur Reduzierung von Umgebungslärm gehören. 3491  Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr.  1169 / 2011 des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924 / 2006 und (EG) Nr. 1925 / 2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87 / 250 / EWG der Kommission, der Richtlinie 90 / 496 / EWG des Rates, der Richtlinie 1999 / 10 / EG der Kommission, der Richtlinie 2000 / 13 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002 / 67 / EG und 2008 / 5 / EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr.  608 / 2004 der Kommission (ABl. EU Nr.  L 304 vom 22.11.2011, S. 18).

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Mit dem zum 01. September 2012 novellierten Verbraucherinformations­ gesetz (VIG)3492 wurde für jedermann ein freier Zugang zu Informationen über Erzeugnisse im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB)3493 sowie für Verbraucherprodukte nach dem Produktsicherheitsge­ setz (ProdSG)3494 eingeführt. Danach müssen bei allen Messergebnissen, die Grenzwerte, Höchstmengen oder Höchstgehalte betreffen, die amtlichen Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung herausgegeben werden, und zwar unabhängig davon, ob die Grenzwerte überschritten worden sind oder nicht. Eine Berufung auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse ist nicht mehr möglich.3495 Allerdings muss die informationspflichtige Stelle von sich aus zwischen dem „öffentlichen Informationsinteresse“ und dem Unter­ nehmensinteresse auf Stillschweigen sorgfältig abzuwägen. Aus den Transparenzerfordernissen der Elektrizitätsrichtlinie3496 und der Erdgasrichtlinie3497 ergeben sich Pflichten zur Aufklärung der Verbraucher für Energieversorgungsunternehmen bei Preisanpassungen im Rahmen eines Grundversorgungsvertrages für Strom und Gas. Ein Energieversorger hat die Kunden als Endverbraucher spätestens mit der Ankündigung einer Preisan­ passung auch über deren Umfang, Anlass und Voraussetzungen zu unter­ richten, damit sich ein Kunde von einem solchen auf bindenden Rechtsvor­ schriften beruhenden Versorgungsvertrag rechtzeitig lösen kann.3498 Ob man Behördeninformationen in Form von Warnungen als bloße Real­ akte einstufen kann oder ob ihnen Verwaltungsakt-Qualität zukommt, ist nicht unumstritten.3499 Die Rechtsprechung3500 hat die Anforderungen an 3492  Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Ok­ tober 2012 (BGBl. I S. 2166). 3493  Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuch – LFGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), zul. geänd. d. G. vom 07. August 2013 (BGBl. I S. 3154). 3494  Produktsicherheitsgesetz vom 08. November 2011 (BGBl. I S. 2178, 2179, ber. 2012 I S. 131). 3495  Vgl. bereits zur früheren Fassung des VIG: VG  Oldenburg v. 26.06.2012, 7 A 1405 / 11, Juris. 3496  Richtlinie 2009 / 72 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003 / 54 / EG (ABl. EU Nr. L 211 vom 14.08.2009, S. 55). 3497  Richtlinie 2009 / 73 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003 / 55 / EG (ABl. EU Nr. L 211 vom 14.08.2009, S. 94). 3498  EuGH v. 08.05.2014, C-359 / 11, C-400 / 11, Juris. 3499  Gurlit (Fußn. 168), 1132 m. w. N. in Fußn. 131. 3500  BVerwG v. 18.10.1990, 3 C 2 / 88, BVerwGE 87, 37, 45 f. – Glykolwein und BVerwG v. 27.03.1992, 7 C 21 / 90, BVerwGE 90, 112, 122 – Osho-Bewegung.



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane613

Warnungen präzisiert und sieht die Informationstätigkeit als staatliche Ver­ waltungsaufgabe an.3501 Die Publikumsinformation erfolgt gerade in der Ab­ sicht, das Verhalten der Adressaten zu beeinflussen mit möglichen E ­ ingriffen in Grundrechte davon negativ betroffener Dritter und erfordert deshalb nach zutreffender Auffassung eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.3502 c) Verfassungsrechtliche Begründungen für allgemeine Informationszugangsrechte Eine verantwortungsvolle Teilnahme der Bürger am Willensbildungspro­ zess verlangt idealerweise nach umfassender Informiertheit. Information und Kommunikation im Austausch zwischen Bürgern und staatlichen Stellen ermöglichen erst die Wahrnehmung demokratischer Rechte.3503 Dennoch beherrscht die öffentliche Verwaltung immer noch weitgehend der Grund­ satz der beschränkten Aktenöffentlichkeit.3504 Datenbestände im Verwal­ tungsgebrauch, die der Wahrnehmung öffentlicher Verwaltungsaufgaben dienen, sind nach der herrschenden Auffassung keine „allgemein zugängli­ chen Quellen“, sondern ohne besondere Zulassung nur der Nutzung durch die Verwaltung gewidmet.3505 Nach der Rechtsprechung des BVerfG liegt ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG deshalb erst nach Eröffnung der allgemeinen Zugänglichkeit einer im staat­ lichen Verantwortungsbereich liegenden Informationsquelle vor, wenn hier­ zu später der Zugang verweigert wird.3506 Diese Entscheidung ist kritisiert worden, weil damit der Staat definieren könne, was eine allgemein zugäng­ liche Quelle ist.3507 Die Informationsfreiheit ist zwar als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe konzipiert, doch folgert ein Teil der Literatur aus der überragenden Bedeutung des Informationsflusses zwischen den Bürgern und dem Staat sowie aus der Schutzfunktion, die dem Staat aus Art. 5 Abs. 1 GG zukomme, eine Verpflichtung, die grundrechtlich geschützten Kommu­ nikationsprozesse zu sichern und dafür die nötigen Kanäle offen zu halten. 3501  Vgl. im Einzelnen hierzu Gurlit (Fußn. 168), 1133, zur Problematik der Zu­ ständigkeiten und zum Erfordernis einer Befugnisnorm. 3502  Voßkuhle (Fußn. 265), 389, unter Bezugnahme auf Di Fabio, Information als hoheitliches Gestaltungsmittel, JuS 1997, 1, 5. 3503  Weber, Historische und verfassungsrechtliche Grundlagen eines öffentlichen Informationszugangsrechts, RDV 2005, 243, Fußn. 6: Erdelt, Informationszugang und das Recht auf Information, DuD 2003, 465. 3504  Schoch, Informationsfreiheitsgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Verw 35, 149, 152. 3505  Merkel, Das Recht auf Akteneinsicht bei Verwaltungsbehörden, 105 f. 3506  BVerfG v. 24.01.2001, 1 BvR 2623 / 95 u. a., BVerfGE 103, 44, 60. 3507  Weber (Fußn. 3503), 246, Fußn. 45 m. w. N.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Deshalb sei das Recht auf Informationszugang eigentlich ein „Anspruch auf Informationsteilnahme“.3508 Teilweise wird eine Auslegung des Begriffs der „allgemein zugänglichen Quellen“ unter Einbeziehung des aus dem Demo­ kratie- und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatzes der Öffent­ lichkeit mit der Kohärenz der Verfassung begründet. Auch wenn als Gegen­ begriff zum Grundsatz der Öffentlichkeit das Geheimnis in Form des „sec­ retum“ die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme darstellt und sich dadurch vom „privatum“ als dem grundrechtlich geschützten Datenbestand, dem „dominium“ von Grundrechtsträgern unterscheidet,3509 hat auch die öffent­ liche Verwaltung für ihren Datenbestand den Grundrechtsschutz Privater zu gewährleisten. Damit wird dem Abwehrrecht eine „objektiv-rechtliche“ Regelungskomponente3510 zugesprochen, aus der sich über die Eingriffsab­ wehr hinaus Leistungs-, Teilhabe- und Schutzfunktionen3511 mit einer Pflicht zu staatlicher Grundrechtsvorsorge3512 ableiten lassen. Der Informationsfrei­ heit ist insoweit eine positive Leistungspflicht zu entnehmen, doch bleibt weiterhin fraglich, ob dieser Leistungspflicht zur Optimierung staatlicher Publizität hin zu einer möglichst transparenten Verwaltung auch ein subjek­ tiv-öffentliches Recht als grundrechtlicher Leistungsanspruch entspricht.3513 Teilweise wird ein solches Teilhaberecht für Wahlbürger aus dem Partizi­ pationsgedanken des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleitet.3514 Dabei wird eine subjektiv-rechtliche Komponente zur verfassungsrechtlichen Begrün­ dung einer allgemeinen Verwaltungsöffentlichkeit aus dem Maastricht-Urteil des BVerfG3515 abgeleitet, das den Gewährleistungsumfang des Art. 38 Abs. 1 GG über das eigentliche Wahlrecht hinaus auch auf den „grundle­ genden demokratischen Gehalt dieses Rechts“ ausgedehnt hat. Das grund­ rechtsgleiche Recht des Art. 38 Abs. 1 GG auf Kenntnis aller wahlrelevanten Umstände könne sich zu einem allgemeinen Zugangsrecht zu Informationen der öffentlichen Verwaltung verdichten.3516 3508  Weber (Fußn. 3503), 246, Fußn. 54: Kloepfer / Neun (Fußn. 252), § 10, Rdnr. 1. 3509  Siehe hierzu Kapitel 4 Abschnitt A. I. 1. 3510  Scherzberg (Fußn. 112), 200, m. w. N. in Fußn. 70: vgl. BVerfG v. 15.01.1958, 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198, 205. 3511  Scherzberg (Fußn. 112), 201 m. w. N. in Fußn. 78. 3512  Scholz / Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informati­ onsverantwortung 1984, 10 ff. 3513  Entgegen der herrschenden Meinung bejaht Wegener (Fußn. 174), 475, jeden­ falls für den Bürger als Souverän einen solchen Anspruch. 3514  Weber (Fußn. 3503), 247 m. w. N. in Fußn. 64. 3515  BVerfG v. 12.10.1993, 2 BvR 2134 / 92 u. a., BVerfGE 89, 155, 171. 3516  Rossi (Fußn. 248), 86, Fußn. 348: Nolte, Die Herausforderung für das deut­ sche Recht der Akteneinsicht durch europäisches Verwaltungsrecht, DÖV 1999, 363,



A. Publizitätspflichten der Unternehmensorgane615

Dieser Argumentation kann aber nicht gefolgt werden. Dabei ist schon zu beachten, dass der Begriff „Volk“ im Sinne des Art. 20 Abs. 1 GG nicht iden­ tisch ist mit dem der „Bevölkerung“3517 und auch nicht in diesem Sinne um­ interpretiert werden darf.3518 Das BVerfG hat in seinem Lissabon-Urteil3519 das Teilhaberecht der Bürger an einem nicht entwerteten Wahlrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG als subjektives Recht auf Demokratie in der dort gegebenen „prozessualen Konstellation“ der Überprüfung des Zustimmungs­ gesetzes zu einem Abwehrrecht gegen eine „Entstaatlichung“ durch Unions­ recht erweitert. Dagegen liegt der von Teilen der Literatur erstrebten Umin­ terpretation des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG die umgekehrte Konstel­ lation zugrunde. Ein vom Grundgesetz als Abwehrrecht des Bürgers gegen staatliche Eingriffe konzipiertes Grundrecht soll gleichsam in der Gegenrich­ tung um ein Zugriffsrecht für jedermann auf staatliche Datenbestände ergänzt werden, die den vom Souverän legitimierten Organen auch zur Wahrung von Grundrechten Dritter überantwortet sind. Nur der Gedanke einer Subjektivie­ rung von Staatsstrukturprinzipien ist beiden Fallkonstellationen gemeinsam. Im Ergebnis wird sich aus dem Grundgesetz ein solches allgemeines In­ formationszugangsrecht von jedermann verfassungsrechtlich nicht begrün­ den lassen, auch wenn unter dem Einfluss des Unionsrechts und internatio­ naler Vereinbarungen wie den „Londoner Prinzipien zur Gesetzgebung über die Informationsfreiheit“3520 unter Betonung des Partizipationsgedankens die nationale Gesetzgebung mit sektoralen Informationszugangsrechten zu­ sätzliche Transparenz geschaffen hat. Der Informationszugang ist aber nur gesetzesakzessorisch und ein voraussetzungsloser Informationszugang liegt im weiten Ermessen des jeweiligen Gesetzgebers.3521 Allerdings erschöpft sich darin die Partizipationsfunktion nicht. Sie zielt vielmehr auf die aktive Beteiligung des politisch interessierten Bürgers an den Verwaltungstätigkeiten, indem er die Einhaltung von Recht und Gesetz mitüberwacht.3522 Dies gilt insbesondere für die kommunale Ebene und ist im nächsten Abschnitt zu untersuchen. 367 f.; vgl. auch Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Infor­ mationszugangsanspruchs, 2000, 88 ff. 3517  Die herrschende Lehre unterscheidet beide Begriffe: Wegener (Fußn. 174), 429, Fußn. 151. 3518  Rossi (Fußn. 248), 293. 3519  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 340 f. 3520  Karpen, Das Recht der Öffentlichkeit, sich zu informieren, DVBl 2000, 1110 ff. 3521  Caspar (Fußn. 326), 373. 3522  Rossi (Fußn. 248), 101, Fußn. 427: Kloepfer (Fußn. 302), 224, bezeichnet ihn als „zoon politicon“.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle Das demokratische Prinzip ist im Grundgesetz als offenes Strukturprinzip festgelegt, das jedoch im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG ausgestaltungsfä­ hig ist.3523 Aus der Formel des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ folgt, dass es sich hierbei um ein Prinzip des Staates handelt, das „vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besonde­ re Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtspre­ chung ausgeübt“ wird (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Nur Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG hat das demokratische Prinzip auf nicht-staatliche Institutionen, nämlich auf die innere Ordnung der politischen Parteien aufgrund ihrer Staatsnähe, erweitert. Eine sowohl den Staat als auch die Gesellschaft umfassende Glo­ balkonzeption mit Demokratisierungsforderungen an die Wirtschaft, die Sozialpartner oder gar als „Lebensform“ kann sich jedenfalls nicht auf das Grundgesetz berufen.3524 Auf der Trennung von Staat und Gesellschaft be­ ruht zu einem wichtigen Teil die Funktionsweise der freiheitlichen Demokratie,3525 die von staatlichen Organen Grundrechtsbindung (Art. 1 Abs. 3 GG) fordert, dagegen Privaten und gesellschaftlichen Gruppen freie Grundrechtsausübung garantiert.3526 Die Unterscheidung zwischen dem „Volk“ als Zurechnungssubjekt staats­ bezogener Publizität und der „Bevölkerung“ als der gesellschaftlichen „Öf­ fentlichkeit“ wird allerdings durch vielfältige Verknüpfung der staatlichen mit der gesellschaftlichen Sphäre mit zunehmenden Konvergenztendenzen überlagert. Verstärkt durch die Anforderungen und Einwirkungsmöglichkei­ ten der Informationsgesellschaft wollen Bürger nicht mehr nur durch Wah­ len an der Willensbildung mitwirken, sondern auch während der Legislatur­ periode an den Entscheidungsprozessen der gewählten Repräsentanten teil­ haben. Dies gilt vor allem für die kommunale Ebene, bei der sich nicht nur Bürger, sondern alle Einwohner von Auswirkungen lokaler Entscheidungen weitaus direkter betroffen fühlen als durch Regelungen des Landes, des Bundes oder der europäischen Union. Ursächlich für verstärkte partizipato­ rische Bestrebungen mag neben einer gewissen „Parteienverdrossenheit“ auch der mit gewachsener Komplexität und gewaltig gestiegener Aufgaben­ fülle erweiterte Aktionsradius staatlicher Verwaltungstätigkeit („substantial increase in governmental activity“) in Verbindung mit einem deutlichen Autoritätsverlust der handelnden Organe („a substantial decrease in govern­ 3523  Stern

(Fußn. 3174), 604. (Fußn. 3174), 631. 3525  Böckenförde (Fußn. 995), 37. 3526  Vgl. auch Fußn. 999. 3524  Stern



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle617

mental authority“)3527 sein. Die Verfassungspolitik hat hierauf mit kollektiven partizipatorischen Instrumenten bürgerschaftlicher Teilhabe, insbesonde­ re Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, reagiert, mit denen steuernd und ggf. korrigierend auf die Aufgabenerfüllung der kommunalen Vertretungsund Kollegialorgane eingewirkt werden kann.

I. Kollektive Teilhaberechte (Bürgerbegehren, Bürgerentscheid) 1. Landesverfassungsrechtliche Grundlagen kommunaler Teilhaberechte Verfassungsrecht räumt dem einzelnen Staatsbürger das für ein demokra­ tisches Staatswesen unerlässliche Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt ein, dem Grundrechtscharakter zukommt.3528 In Bayern wird das Mitwir­ kungsrecht durch Teilnahme an Wahlen, Bürgerbegehren und Bürgerent­ scheiden sowie an Volksbegehren und Volksentscheiden ausgeübt.3529 Aller­ dings stellt die Verfassung bei diesem Teilhaberecht auf die Gesamtheit der Bürger, nicht aber auf Minderheiten, kleine Gruppen oder Einzelpersonen ab, denn die Legitimation ist nach der Rechtsprechung des BayVerfGH3530 nur dann als demokratisch anzusehen, wenn sie auf die Gesamtheit der Bürger, d. h., das Volk, zurückgeht. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Organe ist deshalb bei Bürgerbegehren ein angemessenes Mindestquorum der Abstimmungsberechtigten und auch eine Begrenzung der Bindungsfrist eines Bürgerentscheids geboten. Staatsbürger ist jeder deutsche Staatsangehörige (Art. 16, 116 GG), grundsätzlich nicht aber der im Staatsgebiet wohnende Ausländer. Aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG3531 zum schleswig-holsteinischen Auslän­ derwahlrecht wurde Art.  28 Abs.  1 Satz 3 GG in das Grundgesetz eingefügt,3532 um nach Maßgabe des Vertrages von Maastricht bei Wahlen 3527  Siehe hierzu Huntington, Chapter III: The United States, in: Crozier / Hun­ tington / Watanuki (Hg.), The Crisis of Democracy, Report on the governability of democracies to the Trilateral Commission, 1975, 59, 64. Dieses als Krise der De­ mokratie bereits in den 1960er Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika identifizierte Phänomen ist mit Verspätung auch in den europäischen Demokratien sichtbar geworden, vgl. Stern (Fußn. 3174), 634. 3528  BayVerfGH v. 25.05.2007, Vf. 15-VII-04, VerfGHE BY 60, 131, 148. 3529  Art. 7 Abs. 2 und 12 Abs. 3 Satz 1 BV. 3530  BayVerfGH v. 13.04.2000, Vf. 4-IX-00, VerfGHE BY 53, 81, 99. 3531  BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, 59. 3532  Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2086).

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

in Kreisen und Gemeinden das aktive und passive Wahlrecht auch Personen einzuräumen, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Gemeinschaft besitzen.3533 Mit dem Kommunalwahlrecht für Unionsbürger soll deren Integration im Aufenthaltsstaat gefördert und ein Beitrag zur Bildung einer europäischen Identität geleistet werden. Während das Grund­ gesetz insoweit die traditionelle Verknüpfung von Staatsangehörigkeit und Wahlrecht aufgehoben hat,3534 gestattet Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 94 / 80 / EG den Mitgliedstaaten, das Amt des Bürgermeisters und des Landrats deut­ schen Staatsangehörigen vorzubehalten. Hiervon hat beispielsweise der Landesgesetzgeber in Bayern Gebrauch gemacht (Art. 39 Abs. 1 Nr. 1 Ge­ meinde- und Landkreiswahlgesetz (GLKrWG). Obwohl von Unionsrecht und von Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG, in der Lite­ ratur weitgehend unbestritten, nur Wahlen, nicht aber Abstimmungen über Sachfragen erfasst werden, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof3535 aus der Entstehungsgeschichte der Art. 7 Abs. 2 und 12 Abs. 3 Satz 1 BV durch Volksgesetzgebung3536 sowie aus der verfassungsrechtlich gebotenen Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit des Regelungssystems (Art. 3 Abs. 1 Satz 1, 118 Abs. 1 Satz 1 BV) dieses Recht auch auf Abstimmungen erstreckt.3537 Einen Verstoß dieser landesverfassungsrechtlichen Regelung gegen das Homogenitätsprinzip hat der BayVerfGH unter Verweis auf die Rechtspre­ chung des BVerfG3538 verneint. Das Homogenitätsprinzip will nicht für Uniformität sorgen, sondern beschränkt sich auf die in Art. 28 Abs. 1 GG genannten Staatsstrukturprinzipien und Staatszielbestimmungen und inner­ halb dieser auf deren Grundsätze. Hierzu zählt die grundsätzliche Beschrän­ kung der Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen auf Deutsche mit der im 3533  Vgl. nun für Unionsbürger Art. 20 Abs. 1 und 20 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b) AEUV sowie Richtlinie 94 / 80 / EG  des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommu­ nalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsan­ gehörigkeit sie nicht besitzen (ABl. EG Nr. L 368 vom 31.12.1994, S. 38), zul. geänd. d. Richtlinie 2006 / 106 / EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. EU Nr. L 363 vom 20.12.2006, S. 409). 3534  Stern (Fußn. 3174), 324. 3535  BayVerfGH v. 12.06.2013, Vf. 11-VII-11, BayVBl 2014, 17, 21. 3536  Vgl. erfolgreiches Volksbegehren mit Volksentscheid vom 01. Oktober 1995 (GVBl. S. 730). 3537  Da für Wahlen eine europarechtliche Pflicht besteht, wäre es unlogisch, dass Unionsbürger zwar als Mitglieder eines kommunalen Vertretungsorgans zu Sachent­ scheidungen abstimmen dürfen, sie aber von der Teilnahme an Bürgerentscheiden auszuschließen, obwohl es sich insoweit um das gleiche Legitimationssubjekt han­ delt (vgl. BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, 59). 3538  BVerfG v. 22.02.1994, 1 BvL 30 / 88, BVerfGE 90, 60, 84 f. m. w. N.



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle619

Grundgesetz selbst vorgesehenen Erweiterung auf Unionsbürger für Wahlen in den Kreisen und Gemeinden nach Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG. Damit ist es dem Landesgesetzgeber nicht verwehrt, dieses Recht auch auf eine ple­ biszitäre Beteiligung von Unionsbürgern an Abstimmungen zu erweitern.3539 2. Kommunalrechtlich ausgestaltete kollektive Teilhaberechte an Sachentscheidungen Immer seltener vertrauen die Bürger auf den sogenannten Sachverstand von „Experten“, immer häufiger hegen sie Misstrauen gegenüber dem Nut­ zen von Großprojekten, gegenüber nicht nachvollziehbaren Vorstellungen von Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern. „Sie wollen verste­ hen, was sich verändern soll und verlangen mehr Transparenz und mehr Mitsprache.“3540 Die teilweise detailversessene Regelungsdichte von Vorga­ ben durch Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union im Bei­ hilfe- und Vergaberecht und das komplexe Geflecht des Planungs-, Natur­ schutz-, Artenschutz- und Immissionsschutzrechts sind nur wenige Beispie­ le, bei denen auch rechtsstaatlich gebotene Verfahrensregeln zunehmend in Frage gestellt werden. Dem Bürger muss auch die Möglichkeit eröffnet werden, im Einzelfall die Entscheidungsmacht von seinen Repräsentanten zurückzufordern, die von ihm grundsätzlich damit beauftragten Stellen aus­ zuschalten und ausnahmsweise anstelle des Rates selbst zu handeln.3541 Dabei kann frühzeitige Information unter Einbeziehung der Bürger im Vor­ feld von Entscheidungen Vertrauen und Akzeptanz schaffen, wie etwa die „Infobox“ am Potsdamer Platz in Berlin oder die Informationskampagne zur Tieferlegung des Wiener Hauptbahnhofs im Vergleich zum Projekt „Stutt­ gart 21“ gezeigt haben.3542 Dadurch erübrigen sich vielfach Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, die zwischenzeitlich in allen deutschen Flächenstaa­ ten als kollektive partizipatorische Mitwirkungsrechte zumindest für die ei­ genen Staatsbürger, teilweise auch für Unionsbürger mit Wohnsitz im jewei­ ligen Bundesland, eingeführt worden sind.3543 Die im Einzelnen unter­ 3539  BayVerfGH

v. 12.06.2013, Vf. 11-VII-11, BayVBl 2014, 17, 22. des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Lehren aus Stuttgart 21, Gemeindetag Baden-Württemberg 2011, 4 f. 3541  Knemeyer, Kommunale Selbstverwaltung neu denken, DVBl 2000, 876, 880. 3542  Vgl. Presseerklärung des DStGB zu Stuttgart 21, BWGZ 2011, 4. 3543  Von über 18.000 Bürgerbegehren in Deutschland (davon ca. 40% in Bayern) haben nach einer Statistik des Vereins „Mehr Demokratie e. V.“ aus dem Jahr 2011 ca. 10.000 zu einem Bürgerentscheid geführt, wobei etwa die Hälfte erfolgreich war und überwiegend eine Korrektur vorangegangener Ratsbeschlüsse über Investitions­ vorhaben bewirkte (vgl. Knemeyer, Wenn Bürger begehren: Bilanz und Ausblick nach 16 Jahren Bürgerbeteiligung, BayVBl 2011, 681 f.). 3540  Stellungnahme

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

schiedlich ausgestalteten Regelungen umfassen das Recht, Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises,3544 zumindest „wichtige“ Selbstverwaltungsan­ gelegenheiten,3545 oder schlicht „Angelegenheiten“3546 der Gemeinde auf­ grund eines Bürger- oder Ratsbegehrens, teilweise mit Negativkatalogen zur Sicherung der kommunalen Finanz-, Personal- und gelegentlich auch Pla­ nungshoheit, unter Einhaltung eines entsprechenden Quorums und mit be­ fristeter Bindungswirkung selbst zu entscheiden. Zu solchen Angelegenhei­ ten der Kommune zählen auch Entscheidungen über die Gründung von Unternehmen oder über Beteiligungen an Gesellschaften Privater sowie über eine Information der Bürger und Medien zur Tagesordnung von Sitzungen kommunaler Unternehmensorgane.3547 Ob und ggf. in welchem Umfang als Ausfluss des Wahlrechts nach der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG auch individuelle Teilhabe- oder Abwehrrechte bei strukturprägenden Entscheidungen der kommunalen Mandatsträger zur Unternehmensgründung oder Beteiligung sowie zur Steuerung und Kontrolle bestehender Unternehmen entstehen können, bedarf einer näheren Analyse. Hierbei geht es um die Frage, ob und ggf. in welchen Grenzen dem einzelnen Wähler die „Funktion des Kontrol­ leurs der Kontrolleure“ zusteht, damit der Inhalt seines Wahlaktes nicht ausgehöhlt oder sinnentleert wird.

II. Die Subjektivierung von Staatsstrukturprinzipien durch Art. 38 GG 1. Bisherige Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 38 GG Zum Inhalt des durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten subjekti­ ven Rechts hatte das BVerfG bereits in seinem Urteil zum Vertrag von Maas­ tricht den grundlegenden demokratischen Gehalt des Wahlrechts gezählt, mit dem die Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG legitimiert wird. Mit der Wahl wird wegen der unterschiedlichen politischen Vorschläge und Konzepte der konkurrierenden Kandidaten und Parteien zudem dirigierender Einfluss genommen, wie die Staatsgewalt ausgeübt wird.3548 In seiner Ent­ 3544  Vgl. § 21 Abs. 3 GemO BW, Art. 18a Abs. 1 und Abs. 3 BayGO, § 15 Bbg­ KVerf, § 31 NKomVG, § 25 SächsGemO, § 16c Abs. 3 GO SH. 3545  Vgl. § 8b Abs. 1 HGO, § 20 Abs. 1, Abs. 4 KV M-V, § 26 Abs. 2 und Abs. 3 GO LSA, § 17 Abs. 1 ThürKO. 3546  § 26 GO NRW, § 17 a GemO Rhl-Pf., § 21a Saarl.KSVG. 3547  Ein Bürgerbegehren lag in der Stadt Passau der Entscheidung des VG Re­ gensburg vom 02.02.2005 (Fußn. 3196) zugrunde. 3548  BVerfG v. 12.10.1993, 2 BvR 2134 / 92 u. a., BVerfGE 89, 155, 171 f.



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle621

scheidung zum Vertrag von Lissabon hat das BVerfG3549 eine Verfassungsbe­ schwerde gegen das deutsche Zustimmungsgesetz und die Begleitgesetzge­ bung auf der Grundlage des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG für zulässig erklärt, soweit eine eigene, unmittelbare und gegen­ wärtige Verletzung des Demokratieprinzips unter dem Aspekt der Aushöh­ lung der Kompetenzen des Deutschen Bundestages gerügt wurde. Es hat da­ mit die ursprünglich allein innerstaatlich bedeutsame Wechselbezüglichkeit zwischen Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG auch auf die europäische Ebene verlagert. Das BVerfG hat hierzu festgestellt, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG schließe es im Anwendungsbereich des Art. 23 GG aus, die durch die Wahl bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und Einflussnahme auf deren Ausübung durch Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen auf eine nicht ausreichend demokratisch legitimierte europäische Ebene so zu entleeren, dass das Demokratieprinzip verletzt wird. Das Gericht sieht den demokratischen Gehalt des Art. 38 Abs. 1 GG auch betroffen, soweit im Zu­ sammenhang damit dem Gesetzgeber keine ausreichenden Voraussetzungen für die Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte eingeräumt werden. Schließlich könne auch eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips, aller­ dings nur mit einer hinreichend bestimmten Behauptung gerügt werden, dass die sich aus diesem Staatsstrukturprinzip ergebenden Mindestanforde­ rungen nicht mehr erfüllt werden könnten. Ob dies auch für das Rechts­ staatsprinzip Geltung erlangen kann, hat das Gericht mangels einer den Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde genügenden Rüge offenge­ lassen.3550 In seinem Urteil zur Griechenlandhilfe und zum Euro-Rettungsschirm hat das BVerfG3551 jedoch den Grundsatz in den Vordergrund gestellt, dass aus dem materiellen Schutzgehalt des Art. 38 GG „regelmäßig kein Recht des einzelnen Bürgers“ folge, demokratische Mehrheitsentscheidungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin durch das Bundesverfassungsgericht kontrollieren zu lassen. Es rückt damit die einer ausufernden Interpretation zugänglichen Ausführungen in der Lissabon-Entscheidung zurecht und begrenzt sie auf „Strukturveränderungen im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge“. 3549  BVerfG

328.

v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267,

3550  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 333 und 335 f.; eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (und des Bundesstaatsprin­ zips) dürfte aber nur dann rügefähig sein, wenn eine Beschwerdebefugnis bereits durch eine unmittelbare Verletzung des Demokratieprinzips eröffnet ist (Murswiek, Art. 38 GG als Grundlage eines Rechts auf Achtung des unabänderlichen Verfas­ sungskerns, JZ 2010, 702, 705). 3551  BVerfG v. 07.09.2011, 2 BvR 987 / 10 u. a., BayVBl 2012, 79, 80.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Diese Korrektur wird im Vorlagebeschluss des BVerfG vom 14.01.2014 zum Beschluss des EZB-Rates vom 06.09.2012 an den EuGH bestätigt: Das Wahlrecht dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet. Allerdings beschränkt das Gericht nun die Rügemöglichkeit aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG nicht mehr auf Verletzungen der nach Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlichen Verfassungs­ grundsätze („Verfassungsidentität“), sondern erstreckt sie auch auf „ultravires-Akte“ und sogar auf die bloße Untätigkeit des Gesetzgebers gegenüber qualifizierten Übergriffen der Union. Einheitlicher systematischer Ansatz ist das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der demokratischen Legitimation der öffentlichen Gewalt. Wenn der Einzelne Defizite demokratischer Legitima­ tion der Europäischen Union rügen kann, müsse dies erst recht für inner­ staatliche Demokratiedefizite gelten, und zwar nach Murswiek3552 als An­ spruch auf Unterlassung jeder Verletzung des Demokratieprinzips im Ganzen und der übrigen Schutzgüter des Art. 79 Abs. 3 GG, die auch durch einzel­ fallbezogene Maßnahmen verletzt werden könnten. Den materiellen Ge­ währleistungsgehalt sieht das BVerfG jedoch nur, aber immer dann als verletzt an, wenn das Wahlrecht in einem für die politische Selbstbestim­ mung des Volkes wesentlichen Bereich leerzulaufen droht, das heißt, wenn die demokratische Selbstregierung des Volkes dauerhaft derart eingeschränkt wird, dass zentrale politische Entscheidungen nicht mehr selbstständig ge­ troffen werden können.3553 Nicht ausgeräumt ist damit die nicht von der Hand zu weisende Vermu­ tung, das BVerfG habe sich mit der Subjektivierung objektiv-rechtlicher Verfassungsgehalte3554 lediglich einen Hebel geschaffen, um prozessual die von ihm gegenüber dem EuGH in Anspruch genommene Kontrolle von Eingriffen der Organe der Europäischen Union in Kernbereiche staatlicher Souveränität der Mitgliedstaaten bis hin zu organisatorischen Fragen inner­ halb der Union ausüben zu können.3555 Bestehen bleibt auch der Vorwurf, das Teilhaberecht des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG werde zu einem individu­ ellen Abwehrrecht gegen Eingriffe staatlicher Organe in Staatsstrukturprin­ zipien nahezu unbegrenzt erweitert und unter Umgehung der Anforderun­ 3552  Murswiek (Fußn. 3550), 703 ff.; vgl. hierzu die Kontroverse mit Schönberger, Der introvertierte Rechtsstaat als Krönung der Demokratie? – Zur Entgrenzung von Art. 38 GG im Europaverfassungsrecht, JZ 2010, 1160, 1161, und das Schlusswort von Murswiek, JZ 2010, 1164 f. 3553  BVerfG v. 14.01.2014, 2 BvE 13 / 13, 2 BvR 2728 / 13, 2, Juris, Rdnr. 19; vgl. auch die abweichenden Meinungen der Richterin Lübbe-Wolff und des Richters Gerhardt. 3554  Cremer, Lissabon-Vertrag und Grundgesetz, Jura 2010, 296, 299. 3555  Vgl. Nettesheim, Ein Individualrecht auf Staatlichkeit?, NJW 2009, 2867, 2869 und Spannowsky (Fußn. 1954), 726.



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle623

gen an die abstrakte Normenkontrolle zum Fundament einer „faktischen Popularklage“.3556 Es scheint als habe das BVerfG dafür „die Büchse der Pandora geöffnet“. 2. Bedeutung der BVerfG-Rechtsprechung zu Art. 38 Abs. 1 GG für die kommunale Ebene Die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG führt un­ weigerlich zu der Fragestellung, ob auch auf Ebene der Kreise und Gemein­ den im Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 1 GG ein subjektives Recht des Wählers gegenüber kommunalen Aufgabenträgern auf ein nicht ausge­ höhltes Wahlrecht besteht. Der legitimatorische Zusammenhang zwischen dem Wahlberechtigten und der Staatsgewalt kann durch die vollständige Verlagerung kommunaler Aufgaben und Befugnisse auf Private verletzt werden. Aber auch durch die Schaffung kommunaler Organisationsstruktu­ ren ohne ausreichende Steuerungsmöglichkeiten der Aufgabenträger kann die durch die Wahl bewirkte Legitimation und Einflussnahme auf deren Ausübung so entleert werden, dass eine hinreichende ununterbrochene per­ sonelle und sachliche Legitimationskette zum Souverän nicht mehr gewähr­ leistet ist und damit grundlegende demokratische Anforderungen verfehlt werden. Auch Kommunen können mit einer Überschreitung ihrer Kompe­ tenzen oder durch Verzicht auf ausreichende Ingerenz gegenüber ihren de­ zentralisierten Verwaltungseinheiten eine Aushöhlung des Rechts der Bürger bewirken, durch Wahlen und Abstimmungen die öffentliche Gewalt perso­ nell und sachlich zu bestimmen und dadurch das Demokratieprinzip und im Bereich kommunaler Daseinsvorsorge auch das Sozialstaatsprinzip substan­ ziell verletzen. a) Staatsbürger und Unionsbürger als kommunale Legitimationssubjekte Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Damit besteht für die Länder und als deren Teil auch für die Kommunen eine Bindung hin­ sichtlich der demokratischen Organisation und Legitimation von Staats­ 3556  Schönberger (Fußn. 243), 541; nach Schönberger (Fußn. 3552), 1161, lasse sich die Position des BVerfG nur aus dem rechtspolitischen Bestreben erklären, eine Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die Integrationsschranken des Grundgeset­ zes am Verfahren der abstrakten Normenkontrolle vorbei zu ermöglichen.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

gewalt,3557 mit der ein Maß an struktureller Homogenität zwischen dem Ge­ samtstaat und den Gliedstaaten gewährleistet wird, das für das Funktionieren eines Bundesstaates unerlässlich ist. Das Grundgesetz geht dabei von der grundsätzlichen Verfassungsautonomie der Länder aus und fordert deshalb nur ein Mindestmaß an Homogenität, das sich auf die in Art. 28 Abs. 1 GG ge­ nannten Staatsstrukturprinzipien und Staatszielbestimmungen beschränkt.3558 Zu den auch von den Ländern zu beachtenden demokratischen Grund­ prinzipien gehört, dass die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen als Ausübung von Staatsgewalt grundsätzlich deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 GG gleichgestellten Personen vorbehalten ist. Auch soweit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG eine Vertretung des Volkes für die Kreise und Gemeinden vorschreibt, bilden Deutsche das Volk. Die Vor­ schrift gewährleistet insoweit die Einheitlichkeit der demokratischen Legiti­ mationsgrundlage und trägt damit der besonderen Stellung der kommunalen Gebietskörperschaften im Aufbau des demokratischen Staates Rechnung, denn Gemeinden und Kreisen sind Strukturelemente eigen, wie sie auch einen staatlichen Verband kennzeichnen.3559 Darüber hinaus hat das Grundgesetz in Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG bei Wah­ len in Kreisen und Gemeinden auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft (jetzt: Europäischen Union) besitzen, nach Maßgabe von Unionsrecht das aktive und passive Wahlrecht eingeräumt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat sich diese Erweiterung im Rahmen der begrenzten Einzelermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG zu bewegen und muss den Anforderungen der vom BVerfG für seine Rechtsprechung in Anspruch genommenen Ultra-vires-Kontrolle sowie der Kontrolle bloßer Untätigkeit des deutschen Gesetzgebers gegenüber qua­ lifizierten Übergriffen der Europäischen Union genügen.3560 Die Organe der Kommunen beziehen damit ihre Legitimation von dem wahlberechtigten „Teilvolk“ der Deutschen und zudem von denjenigen Uni­ onsbürgern, denen das Grundgesetz das Wahlrecht „nach Maßgabe“ des Unionsrechts einräumt, soweit dieses seinerseits die Grenzen von Art. 23 Abs. 1 GG und insbesondere von Art. 79 Abs. 3 GG nicht überschreitet. Während die Vermittlung einer demokratischen Legitimation an Organe und Amtswalter der staatlichen Verwaltung regelmäßig nicht durch unmit­ telbare Volkswahl erfolgen muss, schreibt das Grundgesetz (nur) für die 3557  BVerfG v. 24.05.1995, 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37, 66 m. w. N.; BayVerfGH v. 12.06.2013, Vf. 11-VII-11, BayVBl 2014, 17, 22. 3558  BVerfG v. 22.02.1994, 1 BvL 30 / 88, BVerfGE 90, 60, 84 f. m. w. N. 3559  BVerfG v. 31.10.1990, 2 BvF 2 / 89 u. a., BVerfGE 83, 37, Ls. 5. 3560  Siehe hierzu die Nachweise in Fußn. 3553 m. w. N.



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle625

Vertretungen der Gemeinden und Kreise im Blick auf die Bedeutung dieser Gebietskörperschaften als Träger dezentralisierter öffentlicher Verwaltung eine unmittelbare personelle Legitimation vor.3561 Trotz der in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG getroffenen Gleichstellung ist die kommunale Selbstverwaltung legitimatorisch nicht schematisch wie die Staatsverwaltung zu behandeln. Charakteristisch für die Kommunalverwal­ tung ist deren doppelte sachlich-inhaltliche Legitimation, die neben der Bindung an das Gesetz die Bindung an das von der gemeindlichen Volks­ vertretung geschaffene Recht kennt. Die darin sichtbar werdende duale Legitimation kommunaler Selbstverwaltung findet ihre Fortsetzung in den Instituten bürgerschaftlicher Mitwirkung, die das Gemeinderecht der kom­ munalen politischen Praxis mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zur Verfügung stellt und die stärker auf die mitgliedschaftlich-partizipatorische Komponente abheben.3562 Die Parallelität zur dualen Legitimation des Unionsrechts ist unverkenn­ bar. Auch der Vertrag von Lissabon3563 stützt sich deutlich auf das Prinzip dualer Legitimation, wenn er in Art. 10 EUV eine repräsentative Demokra­ tie mit zwei Repräsentationssträngen postuliert, nämlich dem unmittelbar von den Unionsbürgern gewählten Parlament und dem mittelbar durch die nationalen Parlamente über die Regierungen der Mitgliedstaaten legitimier­ ten Organe Europäischer Rat und Ministerrat. Der in Art. 11 EUV zusätzlich niedergelegte Grundsatz der partizipativen Demokratie kann jedoch die re­ präsentative Demokratie nur ergänzen, aber nicht ersetzen.3564 Die von den Legitimationssubjekten gewählten kommunalen Organe und Amtswalter üben sowohl im übertragenen Wirkungskreis als auch in Selbst­ verwaltungsangelegenheiten hoheitliche Staatsgewalt aus, und zwar nicht nur als Verwaltungsorgane, sondern auch durch Rechtsetzung mit autono­ men Satzungen und unter Gesetzesvorbehalt stehenden Rechtsverordnungen. Die auf der kommunalen Ebene um wahlberechtigte Unionsbürger erwei­ terte Basis der Legitimationssubjekte mit unmittelbarer personeller Legiti­ mation der gewählten Repräsentanten gestattet mit partizipativen Kompo­ nenten sachlich-inhaltlicher Legitimation als Ausfluss direkter Betroffenheit von kommunaler Aufgabenerfüllung eine Ergänzung des repräsentativen Demokratiemodells. 3561  BVerfG

v. 31.10.1990, 2 BvF 3 / 89, BVerfGE 83, 60, 72 m. w. N. (Fußn. 175), 381. 3563  „Gesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007“ vom 08. Ok­ tober 2008 (BGBl. II S. 1038). 3564  Siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt A. I. 2. und Sommermann (Fußn. 616), Rdnr. 96 m. w. N. in Fußn. 342. 3562  Schmidt-Aßmann

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

b) Wahlrechtsgrundsätze und deren Schutz in den Ländern Für den Bereich der Wahl zum Deutschen Bundestag hat das BVerfG das subjektive Recht des Wählers auf einen nicht entleerten Wahlakt im Anwen­ dungsbereich des Art. 23 Abs. 1 GG aus dem elementaren Bestandteil des Demokratieprinzips hergeleitet, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die öffentliche Gewalt personell und sachlich zu be­ stimmen. Diese Wahlrechtsgrundsätze zählt es zu den unveränderbar festge­ legten Grundsätzen des deutschen Verfassungsrechts und verankert sie sogar in der Würde des Menschen.3565 Allerdings gewährt das Grundgesetz nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nur für politische Wahlen auf Bun­ desebene das Recht, die Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze im Wege der Verfassungsbeschwerde einzufordern,3566 denn Art. 38 GG erfasst unmittel­ bar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet mit Rücksicht auf die selbstständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass die Wahlrechtsgrundsätze auch bei politischen Wahlen zu den Landesparlamenten und auf der kommunalen Ebene gelten, doch ver­ mittelt diese Bestimmung dem Einzelnen keine mit der Verfassungsbe­ schwerde rügefähige subjektive Rechtsposition.3567 Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 GG scheidet auch ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG aus.3568 Die Länder gewährleisten den subjektiv-rechtlichen Schutz des Wahl­ rechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschlie­ ßend. Für den hier näher betrachteten Verfassungsraum des Freistaates Bayern3569 werden die in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Wahl­ 3565  BVerfG

341.

v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267,

3566  Grundlegend BVerfG v. 16.07.1998, 2 BvR 1953 / 95, BVerfGE 99, 1, 11 f.; BVerfG v. 05.09.2011, 2 BvR 2228 / 09, NVwZ-RR 2012, 2, 3. 3567  BVerfG v. 08.08.2012, 2 BvR 1672 / 12, Juris, Rdnr. 10. 3568  BVerfG v. 16.07.1998, 2 BvR 1953 / 95, BVerfGE 99, 1, 7. 3569  Vergleichbare Regelungen finden sich in Art. 26 Abs. 4, Abs. 5 und Art. 72 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953 (GBl. 1953, S. 173), zul. geänd. d. G. vom 07.02.2011 (GBl S. 46), Art. 22 Abs. 3 der Verfassung des Landes Brandenburg vom 20.08.1992 (GVBl. I 1992, S. 298), zul. geänd. d. G. vom 19.12.2011 (GVBl. I Nr. 30), Art. 73 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Hessen vom 01.12.1946 (GVBl 1946, S. 229), zul. geänd. d. G. vom 29.04.2011 (GVBl I S. 182), Art. 3 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23.05.1993 (GVOBl. M-V 1993, S. 372), zul. geänd. d. G. vom 30.06.2011 (GVOBl. M-V S. 375), Art. 8 Abs. 1 und 57 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfas­ sung vom 19.05.1993 (Nds.GVBl. 1993, S. 107), zul. geänd. d. G. vom 30.06.2011 (Nds. GVBl. S. 210), Art. 31 Abs. 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfa­



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle627

rechtsgrundsätze in Art. 14 Abs. 1 BV für die Wahl zum Bayerischen Land­ tag und in Art. 12 BV für die Gemeinde-, Landkreis- und Bezirkswahl normiert. Nach Art. 14 Abs. 1 BV werden die Abgeordneten „in allgemeiner, glei­ cher, unmittelbarer und geheimer Wahl“ nach einem verbesserten Verhält­ niswahlrecht gewählt. Der Grundsatz der freien Wahl ist zwar im Gegensatz zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Art. 14 Abs. 1 BV nicht genannt, genießt aber verfassungsrechtlichen Schutz auch ohne besondere Anführung.3570 Die Grundsätze für die Wahl zum Landtag gelten nach Art. 12 Abs. 1 BV auch für die Gemeinden und Gemeindeverbände. Art. 120 BV gewährleistet je­ dem Bewohner Bayerns das Recht, mit der Verfassungsbeschwerde den Bayerischen Verfassungsgerichtshof anzurufen, wenn er sich durch eine Behörde in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt, zu denen auch Art. 12 BV zählt.3571 c) Vergleichbarkeit der Pflichtenstellung von Gesetzgebungsund kommunalen Selbstverwaltungsorganen Das BVerfG nimmt im Urteil zum Vertrag von Lissabon mit der Struk­ tursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 GG die deutschen Verfassungsorgane in die Pflicht, sowohl bei „Art und Umfang der Übertragung von Hoheits­ rechten als auch in der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Ausge­ staltung der autonom handelnden Unionsgewalt“ dauerhaft ihre Integrations­ verantwortung auszuüben und dafür Sorge zu tragen, dass auch die Europä­ ische Union demokratischen Grundsätzen im Sinne des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG entspricht.3572 len vom 28.06.1950 (GV.NRW. 1950, S. 127), zul. geänd. d. G. vom 25.10.2011 (GV.NRW.S. 499), Art. 76 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18.05.1947 (VOBl. 1947, S. 209), zul. geänd. d. G. vom 23.12.2010 (GVBl. S. 547), Art. 63 Abs. 1 und Art. 64 Satz 2 der Verfassung des Saarlandes-SVerf- vom 15.12.1947 (Amtsblatt 1947, S. 1077), zul. geänd. d. G. vom 15.06.2011 (Amtsbl. I S. 236), Art. 4 Abs. 1 und 86 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Sach­ sen vom 27.05.1992 (SächsGVBl. 1992, S. 243), Art. 42 Abs. 1 und 89 der Verfas­ sung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.07.1992 (GVBl. LSA 1992, S. 600), zul. geänd. d. G. vom 27.01.2005 (GVBl. LSA S. 44), Art. 3 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein i. d. F. vom 13.05.2008 (GVOBl. 2008, S. 223), zul. ge­ änd. d. G. v. 29.03.2011 (GVOBl. S. 96) sowie Art. 46 Abs. 1 und 95 der Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25.10.1993 (GVBl 1993, S. 625), zul. geänd. d. G. vom 11.10.2004 (GVBl. S. 745). 3570  BayVerfGH v. 11.03.1994, Vf. 22-VI-92, VerfGHE BY 47, 59, Ls. 2. 3571  BayVerfGH v. 11.03.1994, Vf. 22-VI-92, VerfGHE BY 47, 59. 3572  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 356.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Wie auf Bundesebene der Deutsche Bundestag, so besitzen auf Ebene der Länder auch die Länderparlamente eine unmittelbare Legitimation durch das Staatsvolk, so dass auch für sie die Integrationsverantwortung gilt.3573 Für die kommunale Selbstverwaltung schreibt das Grundgesetz die unmittelbare Volkswahl sogar für die Organe und Amtswalter vor.3574 Aus dem Staatsstrukturprinzip des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und seiner Erweiterung auf Unionsbürger durch Satz 3 der Bestimmung lässt sich un­ schwer eine mit der Integrationsverantwortung der Verfassungsorgane im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 GG vergleichbare Ingerenzpflicht der kommunalen Volksvertretung bei Dezentralisierung oder Privatisierung von Verwaltungsaufgaben herleiten. Diese ist geeignet, den Schutz der Wahlrechtsgrundsätze auch auf kommunaler Ebene zu sichern, indem sie auf einen frei gebildeten Mehrheitswillen des Volkes zurückreicht.3575 Allerdings dient das Wahlrecht nicht der inhaltlichen Kontrolle demokra­ tischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet.3576 Damit verleiht es auch dem einzelnen Bürger regelmäßig kein Recht, Mehrheits­ entscheidungen der Volksvertretung auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprü­ fen zu lassen. Nur soweit damit „Strukturveränderungen im staatsorganisa­ tionsrechtlichen Gefüge“ verbunden sind und dadurch die politische Selbst­ bestimmung des Volkes in wesentlichen Bereichen leerzulaufen droht, kann auch auf kommunaler Ebene eine Aufgaben- oder Organisationsprivatisie­ rung zur Aushöhlung des Wahlrechts führen. aa) Pflicht zur Erhaltung eines kommunalen Aufgabenbestandes Staat und Kommunen sind nicht nur für die Erfüllung von Pflichtaufga­ ben verantwortlich, die ihnen im Rahmen ihrer Kompetenzen vorbehalten und deshalb einer Überlassung an Private weder im Bereich der Hoheitsver­ waltung noch bei der daseinsvorsorgenden Leistungsverwaltung zugänglich sind. Auch für andere Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung kann sich für die Gemeinde aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG die grundsätzliche Pflicht zur Wahrung und Sicherung des kommunalen Aufgabenbestandes ergeben, soweit die Bürger auf deren Erfüllung angewiesen sind. Sie darf 3573  Papier, Zur Verantwortung der Landtage für die europäische Integration, Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl) 2010, 903. 3574  Siehe hierzu die Nachweise in Fußn. 3561. 3575  BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2 / 08, 2 BvR 1010 / 08 u. a., BVerfGE 123, 267, 341 f. 3576  Vgl. Fußn. 3551.



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle629

sich dieser Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft nicht ohne weiteres entle­ digen, sondern muss sich zumindest Einwirkungs- und Steuerungsmöglich­ keiten vorbehalten, wenn sie solche Angelegenheiten anderen übertragen will. Eine Pflicht zur Wahrung und Sicherung eines eigenen Aufgabenbestan­ des hat das BVerwG für öffentliche Einrichtungen mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem Hintergrund angenommen.3577 So wie das BVerfG mit seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon den Gesetzgeber im Anwen­ dungsbereich des Art. 23 Abs. 1 GG mit der Integrationsverantwortung in die Pflicht nimmt, tut dies das BVerwG mit seiner Entscheidung zum Of­ fenbacher Weihnachtsmarkt im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG mit der Ingerenzverantwortung der Kommunen. Materielle Pri­ vatisierungen sind danach unzulässig, wenn dadurch das Selbstverwaltungs­ recht faktisch aufgegeben wird, indem sich die Kommune ihrer grundsätz­ lichen Pflicht zur Sicherung und Wahrnehmung auch freiwilliger Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft entzieht.3578 Hierbei hat das BVerwG im An­ wendungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG das subjektive Recht des Bürgers allerdings nicht aus dem Wahlrecht, sondern aus dem (näherliegenden) Zulassungsanspruch zur Nutzung einer öffentlichen Einrichtung abgeleitet. Das Demokratieprinzip fordert für die Gemeinwohlsicherung auch im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung eine Gewährleistungsverantwor­ tung.3579 Materielle oder funktionelle Aufgabenprivatisierungen können nicht nur zu einer Beeinträchtigung von Zugangs- oder Nutzungsrechten der Bürger zu öffentlichen Einrichtungen oder Dienstleistungen kommunaler Unternehmen führen, sondern bei wichtigen Leistungen der Daseinsvorsor­ ge, auf die die Bürger besonders angewiesen sind, auch eine Aushöhlung ihres Wahlrechts bewirken.3580 Dies gilt vor allem für Angelegenheiten, die zum Kernbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrecht gehören, weil die Bürger auf sie besonders angewiesen sind, auch wenn sich die Kommune dabei im Wettbewerb mit Privaten wirtschaftlich betätigt, wie etwa bei der marktliberalisierten Energieversorgung oder dem unionsrechtlich regulierten 3577  BVerwG v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382, 1383 – Offenbacher Weihnachtsmarkt. 3578  Niedzwicki, Das Prinzip des grundlegenden, demokratischen Gehalts nach den sog. Maastricht- und Lissabon-Urteilen des BVerfG im Anwendungsbereich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung – Ein subjektiv-öffentliches Recht auch gegen die materielle Privatisierung kommunaler Aufgaben?, KommJur 2011, 450, 451 m. w. N. in Fußn. 9; Stein, Privatisierung kommunaler Aufgaben – Ansatzpunkte und Umfang verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, DVBl 2010, 563 ff. 3579  Vgl. auch Katz (Fußn. 2082), 411. 3580  So im Ergebnis auch Niedzwicki (Fußn. 3578), 455.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

öffentlichen Personennahverkehr.3581 Die Erfüllung dieser Pflichten darf nicht erst bei Marktversagen aktualisiert werden, sondern die Gewährleis­ tung der Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Organe und der Verwal­ tung3582 sowie das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verlangen auch bei Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge durch wirtschaftliche Betätigung dauerhaft steuernden Einfluss. Dieser ist auch gebo­ ten, um ein Abgleiten in reine Erwerbswirtschaft durch eine unkontrollierte Eigendefinition und Umsetzung operativer Unternehmensziele durch die Organe privatrechtlich organisierter Unternehmen zu vermeiden. Bereits bei der Gründung kommunaler Unternehmen kann durch die Ent­ scheidung für eine bestimmte Organisationsform, namentlich die Aktienge­ sellschaft, eine Unterbrechung der Legitimationsstränge zu den Unterneh­ mensorganen eintreten. Auch das Unterlassen gebotener Eingriffe zur Steuerung und Kontrolle, etwa den Verzicht auf eine Ausrichtung des Ge­ sellschaftsvertrags auf den öffentlichen Zweck, kann bei organisationspriva­ tisierten Unternehmen infolge zwingender Vorgaben des Gesellschaftsrechts eine Verletzung des grundlegenden demokratischen Gehalts des Wahlrechts der Bürger zur Folge haben. bb) Ingerenzpflicht als Schutzpflicht gegenüber dem Wähler Je stärker sich kommunale Unternehmen organisatorisch von der Träger­ kommune lösen, je mehr Aufgaben durch Deregulierungsbestrebungen der Kommune dezentralisiert werden und je weiter sich die Tätigkeitsfelder dieser Organisationseinheiten von den Kernaufgaben entfernen, desto gerin­ ger wird der Einfluss der gewählten Repräsentanten, umso höher wird aber gleichzeitig die ihnen aus dem Demokratie- und dem Sozialstaatsprinzip erwachsende Gewährleistungsverantwortung gegenüber dem Wahlbürger als Souverän. Der Schutz des Wahlaktes vor strukturverändernder Aushöhlung und Entleerung gebietet deshalb in der Legitimationsbeziehung des Bürgers zur kommunalen Volksvertretung als legitimationsverstärkendes Gegenge­ wicht ein Abwehrrecht des Bürgers. Dieses muss umso wirksamer ausge­ 3581  Die in den meisten Bundesländern inzwischen von der Landesgesetzgebung aufgegebene frühere Unterscheidung von wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung im eigenen Wirkungskreis der Kommunen spielt für die Pflicht zur Er­ füllung von Aufgaben, auf die die Bürger existenziell angewiesen sind, keine Rolle. Bei einer wirtschaftlichen Betätigung, die sich im Rahmen des öffentlichen Zwecks bewegt, treten lediglich die den Marktmechanismen geschuldeten und ggf. dem Ge­ sellschaftsrecht unterworfenen Komponenten des Verwaltungshandelns zu den übri­ gen Gemeinwohlbelangen hinzu, ohne dadurch den Charakter der Tätigkeit als Ausübung öffentlicher Verwaltungstätigkeit zu verändern. 3582  BayVerfGH v. 13.04.2000, Vf. 4-IX-00, VerfGHE BY 53, 81, 94.



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle631

prägt sein, je schwächer die Legitimationskette zwischen der Kommune und ihren Unternehmen ausgebildet ist. Es dient der Effizienzsicherung im „Legitimationsverbund Bürger-Kommune-Unternehmen“ und ist Ausfluss der besonderen Betroffenenpartizipation örtlich radizierter Selbstverwal­ tung.3583 Obwohl den Kommunen im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts privatrechtliche Organisations- und Handlungsformen grundsätzlich gestattet sind, muss deren Auswahl zur Unternehmenssteuerung und Kontrolle durch die Volksvertretung im Einzelfall zur Aufgabenerfüllung geeignet, erforder­ lich und angemessen und innerhalb der kommunalen Kompetenzgrenzen durch den Wahlakt des Bürgers legitimiert sein. Die Ingerenzpflicht der Kommune dient damit auch dem Schutz der Wahlbürger vor Aushöhlung ihres Wahlaktes. Auf die ordnungsmäßige Er­ füllung der Ingerenzpflicht hat der Bürger einen Anspruch.3584 Das Wahl­ recht beinhaltet als grundrechtsgleiches Recht nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Schutzfunktion,3585 wobei die Schutzpflicht der Exekutive als Schutzpflichtadressatin3586 „gesetzesmediatisiert“ ist.3587 Das Demokra­ tieprinzip vermag damit nur dort eine unmittelbar steuernde Wirkung zu entfalten, wo es nicht bereits durch einfachgesetzliche Direktiven der Kom­ munalgesetze und Haushaltsordnungen der Länder ausgeformt ist, so dass es nur flankierend und lückenfüllend Grenzen setzen kann. Auch das Sozi­ alstaatsprinzip verlangt im Bereich der Daseinsvorsorge nur die Sicherung von Minimalstandards kommunaler Gewährleistungsverantwortung.3588 So­ zialstaatsprinzip und Schutzpflicht stehen in einem Ergänzungsverhältnis zueinander, die beide durch Gesetzesmediatisierung verwirklicht werden.3589 Das Sozialstaatsprinzip ist insbesondere im Bereich der kommunalen Da­ seinsvorsorge geeignet, Schutzpflichten zu konkretisieren.3590 Der Rechtsprechung des BVerfG zu den Schutzpflichten3591 folgen, so­ weit ersichtlich, auch die Fachgerichte.3592 Der überwiegende Teil der Lite­ 3583  Siehe

hierzu im Einzelnen Kapitel 4 Abschnitt B. I. 2. Püttner (Fußn. 366), 120; vgl. auch Koch (Fußn.  133), 151 f. 3585  Szczekalla (Fußn. 1395), 149, Fußn. 352: BVerfG v. 15.02.1967, 2 BvC 1 / 66, BVerfGE 21, 196, 199 f.; BVerfG v. 24.11.1981, 2 BvC 1 / 81, BVerfGE 59, 119, 127; BVerfG v. 10.04.1984, 2 BvC 2 / 83, BVerfGE 66, 369, 380. 3586  Szczekalla (Fußn. 1395), 150, Fußn. 356: BVerfG v. 16.10.1977, 1 BvQ 5 / 77, BVerfGE 46, 160, 164. 3587  Szczekalla (Fußn. 1395), 161, Fußn. 415: der Begriff stammt von Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit 1983, 44. 3588  Stein (Fußn. 3578), 568 m. w. N. in Fußn. 70 bis 72. 3589  Szczekalla (Fußn. 1395), 221. 3590  Szczekalla (Fußn. 1395), 383, Fußn. 1702 m. w. N., und 388 f. 3591  Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Abschnitt B. II. 2. e) zur Schutz­ pflicht der Kommune gegenüber privaten Wettbewerbern. 3584  So

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

ratur bejaht grundsätzlich ein subjektives Recht auf Schutz als Selbst­ver­ ständlichkeit,3593 weil mit der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht ein subjek­ tiver Anspruch des Schutzberechtigten jedenfalls dann korrespondiere, wenn einem geschützten Rechtsgut durch unterlassene Einwirkung Schaden dro­ he.3594 Insoweit wird das subjektive Recht als Folge einer staatlichen Ga­ rantenstellung zur Kompensation staatlicher Schwächung grundrechtlicher Positionen angesehen.3595 3592

Der heftig diskutierte Gentechnik-Beschluss des VGH Kassel3596 hat an­ gesichts des vom Gericht konstatierten Gefährdungspotenzials des Grund­ rechts aus Art. 2 Abs. 2 GG ein von Verfassungs wegen gefordertes Tech­ nik-, Betriebs- und Investitionsverbot für gentechnische Arbeiten angenom­ men, weil zum Entscheidungszeitpunkt kein Spezialgesetz hierfür vorhanden war und die Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes als nicht ausreichend angesehen wurden.3597 Das Gericht hat aus der Annahme von Schutzpflichten die bisher radikalsten denkbaren Konsequenzen gezogen und daraus – nach der hier vertretenen Auffassung im Ergebnis zutreffend – einen Genehmigungsabwehranspruch gefolgert. Auch ein unterlassener Schutz begründet eine Grundrechtsverletzung, wenn der Staat zum Schutz verpflichtet ist. Bei der Erfüllung einer solchen Schutzpflicht kommt dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt jedoch ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum lässt, etwa konkur­ rierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Dieser Spiel­ raum steht im Rahmen der Gesetze auch den Organen der kommunalen Selbstverwaltung zu.

3592  Szczekalla (Fußn. 1395), 240 und 241, Fußn. 853: BVerwG v. 10.05.1993, 3 B 113 / 92, NJW 1993, 3002, 3003. 3593  Szczekalla (Fußn. 1395), 217 f. Fußn. 712: BVerfG v. 29.10.1987, 2 BvR 624 / 83 u. a., BVerfGE 77, 170, 214: „Werden … Schutzpflichten verletzt, so liegt darin zugleich eine Verletzung des Grundrechts …, gegen die sich der Betroffene mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen kann.“; vgl. auch: BVerfG v. 13.04.1978, 2 BvF 1 / 77 u. a., BVerfGE 48, 127, 161; BVerfG v. 24.04.1985, 2 BvF 2 / 83 u. a., BVerfGE 69, 1, 22; BVerfG v. 10.10.1995, 1 BvR 1476 / 91 u. a., BVerfGE 93, 266, 313 ff., BVerfG v. 10.10.1995, 1 BvR 1476 / 91 u. a., BVerfGE 93, 266. 3594  Spannowsky (Fußn. 524), 1078. 3595  Szczekalla (Fußn. 1395), 311, Fußn. 1289: Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten 1992, 161 ff. 3596  VGH Kassel v. 06.11.1989, 8 TH 685 / 89, NJW 1990, 336 ff. 3597  Szczekalla (Fußn. 1395), 243.



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle633

cc) Wähleranspruch auf funktionsfähige kommunale Selbstverwaltung Der BayVerfGH3598 hat aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 11 Abs. 2 Satz  2, Abs. 4, Art. 12 Abs. 1 und Art. 83 BV ein Verfas­ sungsinteresse an einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung hergeleitet und die Funktionsfähigkeit wesensmäßig zu den demokratischen Grundgedanken gezählt, denen Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV durch ihre Unab­ änderbarkeit besonderen verfassungsmäßigen Schutz zuweist.3599 Die Erhal­ tung einer funktionsfähigen Verwaltungsorganisation der Gemeinde ist we­ sentlicher Inhalt des Selbstverwaltungsrechts, das die Gemeinde im Auftrag der Bürger wahrnimmt. Entsprechendes gilt auch für den Schutz von Kern­ bereich und Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts der Landkreise (Art. 10 Abs. 1 BV). In dieser Entscheidung untersagt der Bayer. Verfas­ sungsgerichtshof dem Volksgesetzgeber, durch Rechtsänderungen in den Kernbereich und Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts so einzugreifen, dass die Funktionsfähigkeit der Vertretungsorgane und Verwaltungen von Gemeinden und Landkreisen ausgehöhlt wird. Der Schutz der Handlungsfä­ higkeit der durch Wahlen von den Bürgern mit dieser Aufgabe betrauten Vertretungs- und Ausführungsorgane durch das Selbstverwaltungsrecht ver­ lange deshalb nicht nur die Sicherstellung eines Mindestfunktionsbereichs, sondern die der normalen, also vollen Funktion.3600 Wenn schon der (ver­ fassungsändernde) Gesetzgeber an der Herbeiführung eines solchen Funkti­ onsverlusts des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gehindert ist, dann muss dieses Verbot erst recht für die im Rahmen der Gesetze handelnden Selbstverwaltungsorgane gelten. Zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstver­ waltung sind die Organe der Kommune zur Steuerung und Kontrolle ihrer dezentralisierten Verwaltungseinheiten auch zum Schutz des Wahlrechts ih­ rer Bürger vor einer Aushöhlung und Sinnentleerung (vgl. in Bayern: Art. 12 Abs. 1 i.  V.  m. Art. 14 Abs. 1 BV) verpflichtet. Gewährleisten sie ihren Bürgern den Schutz nicht, so steht diesen als „ultima ratio“ ein subjektives Recht gegenüber der Kommune auf Bewahrung der die Kommunalverwal­ tung prägenden Organisationsstruktur ebenso zu wie ein Recht auf Wahr­ nehmung der Ingerenzpflichten gegenüber ihren Unternehmen und be­ herrschten Beteiligungen. 3598  BayVerfGH

v. 13.04.2000, Vf. 4-IX-00, VerfGHE BY 53, 81, 94 ff. Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV sind Anträge auf Verfassungsänderungen, die den demokratischen Grundgedanken der Verfassung widersprechen, unzulässig. 3600  Lerche, „Funktionsfähigkeit“ – Richtschnur verfassungsrechtlicher Ausle­ gung, BayVBl 1991, 517, 519. 3599  Nach

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Dieses Recht auf Sicherung des grundrechtlichen demokratischen Gehalts des Wahlrechts zum Schutz vor der Verletzung eines hinreichenden Maßes an Organkompetenz durch die kommunalen Vertretungsorgane kann nach Ausschöpfung des Rechtswegs durch Verfassungsbeschwerde (in Bayern: Art. 120 BV) geltend gemacht werden. Die Grenzen dieses Rechts sind sowohl für die materielle und funktionelle Aufgabenprivatisierung als auch für die formelle Organisationsprivatisierung3601 näher zu konkretisieren.

III. Grenzen des Rechts auf Schutz des Wahlaktes vor Sinnentleerung Grenzen für ein subjektives Recht des Wahlbürgers auf Erhaltung einer funktionsfähigen Verwaltungsstruktur und der hierzu erforderlichen Erfül­ lung der kommunalen Ingerenzpflicht können sich aus dem Grundsatz des freien Mandats und dem in Selbstverwaltungsangelegenheiten weiten Er­ messen der kommunalen Vertretungskörperschaften durch die Eigenverant­ wortlichkeit ihrer Mitglieder ergeben. Auch eine Gefährdung der Funktions­ fähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung durch eine faktische Popular­ klage kann für Eingriffe des Wählers in Verwaltungsabläufe eine Schranke darstellen, wenn diese nur auf eine formelle Kontrolle von Entscheidungs­ prozessen der gewählten Repräsentanten oder auf die reine Inhaltskontrolle der Ergebnisse zielen. 1. Freies Mandat und Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltungsorgane Die Darstellung der Grundlagen kommunaler Selbstverwaltung3602 hat den Rahmen aufgezeigt, in dem die Kommune grundsätzlich nach eigenem Ermessen entscheiden kann, ob sie eine freiwillige Aufgabe der Daseinsvor­ sorge selbst wahrnehmen will oder ob sie die Aufgabe im Sinne eines „Marktmodells“ dem wirtschaftlichen Wettbewerb Privater überlässt. Ebenso ist die Kommune nach Art. 28 Abs. 2 GG grundsätzlich frei bei ihrer Entscheidung, welche öffentlichen Einrichtungen geschaffen werden sollen. Der Einzelne besitzt kein Recht auf die Bereitstellung einer solchen Einrichtung,3603 sondern ihm steht nur ein Benutzungsrecht als Teilhabe­ recht zu.3604 Auch öffentliches Sachenrecht gibt dem Einzelnen nur ein 3601  Niedzwicki

(Fußn.  3578), 454 f. 2 Abschnitt A. II. und III. 3603  OVG Münster v. 30.04.2004, 15 A 1130 / 04, NWVBl 2004, 387. 3604  BVerwG v. 21.07.1989, 7 B 184 / 88, NJW 1990, 134. 3602  Kapitel



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle635

Recht auf Nutzung eines ausreichenden Bestandes3605 und verpflichtet das Gemeinwesen nur, für die Grundrechtsausübung der Nutzer erforderliche öffentliche Einrichtungen nicht Privaten zu überlassen. Dem Sozialstaats­ prinzip kann gleichfalls keine Verpflichtung zum Weiterbetrieb einer öffent­ lichen Einrichtung entnommen werden, sondern nur eine Verpflichtung des Gesetzgebers, den Bedarf realitätsnah zu konkretisieren.3606 Ebenso wenig lässt sich aus dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG für den Ein­ zelnen ein subjektives Recht ableiten, sich gegen eine Privatisierungsent­ scheidung zu wenden,3607 denn die Vorschrift dient unter anderem nur dem Schutz des von hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung in seinen Grundrechten betroffenen Bürgers.3608 Schließlich dienen auch die formellen Verfahrens­ vorschriften nur dem öffentlichen Interesse und verleihen dem Einzelnen in der Regel keine subjektiven Rechte.3609 Die gewählten Volksvertreter sind Repräsentanten und nicht Sendboten des Wählers. Sie haben kraft eigener Autorität und eigenen Amtes ungebun­ den und frei von Aufträgen ihrer Wähler eigenverantwortlich zu entschei­ den.3610 Der Grundsatz, dass der Abgeordnete in der repräsentativen Demo­ kratie auch von Weisungen seiner Wähler frei sein muss, gilt in seinem Kernbestand auch nach bayerischem Verfassungsrecht für das Gemeinde­ ratsmitglied.3611 Der Gemeinderat verkörpert auf der kommunalen Ebene in gleicher Weise das System der repräsentativen Demokratie wie der Landtag auf Landesebene oder der Bundestag für den Gesamtstaat. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet dabei Eigenverantwortlichkeit nicht nur bezüglich be­ stimmter Sachaufgaben, sondern für die gesamte Verwaltung.3612 Auch die kommunale Organisationshoheit als Bestandteil des Grundsatzes der Eigen­ verantwortlichkeit gehört zum Kernbereich kommunaler Selbstverwal­ tung.3613 Soweit der Gesetzgeber die Wahlfreiheit für die Rechtsform einer 3605  BVerwG 3606  BVerfG

175 ff.

v. 25.09.1968, IV C 195.65, BVerwGE 30, 235 ff. v. 09.02.2010, 1 BvL 1 / 09, 1 BvL 3 / 09, 1 BvL 4 / 09, BVerfGE 125,

3607  Niedzwicki

(Fußn. 3578), 453. v. 18.01.2012, 2 BvR 133 / 10, NJW 2012, 1563, 1564 m. w. N. 3609  Vgl. auch Heckel, Referendarexamensklausur – Öffentliches Recht: Polizeiund Kommunalrecht – Straßensperrung für die Sternwarte, JuS 2011, 166, 167, der materielle Privatisierungen deshalb „adressatenlos“ nennt. 3610  Stern (Fußn. 3174), 963 und 1069. 3611  BayVerfGH v. 23.07.1984, Vf. 15-VII-83, BayVBl 1984, 621, Ls. 2 m. w. N. in Fußn. 3256. 3612  Siehe hierzu die Darstellung zu den Schutzgegenständen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in Kapitel 2 Abschnitt A. II. 2. c) sowie BVerfG v. 07.01.1999, 2 BvR 929 / 97, NVwZ 1999, 520, 521. 3613  Knemeyer (Hg.) (Fußn. 420), Rdnr. 23 mit Fußn. 50: Schmehl (Fußn. 741), 326. 3608  BVerfG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Aufgabenerfüllung ausdrücklich der Eigenverantwortlichkeit kommunaler Selbstverwaltung überlassen und auf einen Vorrang oder Ausschluss einzel­ ner Organisations- oder Handlungsformen verzichtet hat, erzeugen die Ver­ fassungsgrundsätze und Grundrechte ihrerseits Schranken für eine sachge­ rechte Ermessensausübung bei der Rechtsformwahl. Die aus der Organisationshoheit folgende grundsätzliche Freiheit der Rechtsformwahl endet jedoch dort, wo eine Aufgabenprivatisierung oder die Wahl einer Organisations- oder Handlungsform dazu führen, dass der Wäh­ ler als Souverän bei den gewählten Repräsentanten kein hinreichendes Maß an Organkompetenz zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe und damit keine ausreichenden Voraussetzungen mehr für die Ausübung seiner Beteiligungs­ rechte vorfindet. Bereits jeder mit einer Deregulierung verbundene substan­ zielle Informationsverlust der Kommune zur Steuerung und Kontrolle einer öffentlichen Aufgabe bedeutet auch für den Bürger eine Einbuße an Infor­ mationen zur Ausübung seines Wahlrechts.3614 Diese führt aber erst dann zu einer Strukturveränderung im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge und ei­ nem Publizitätsverlust, wenn die Kommune die Einhaltung des öffentlichen Zwecks infolge struktureller Informationsdefizite nicht mehr durch ausrei­ chende Steuerungs- und Kontrollinstrumente und eine wirksame Legitimati­ onsvermittlung zwischen dem Bürger und der handelnden Organisationsein­ heit garantieren kann. 2. Funktionsfähigkeit der Kommunalverwaltung als Schranke Die Funktionsfähigkeit organisierter Staatlichkeit ist Wesenselement ihrer Publizität,3615 die auch für ausgelagerte Verwaltungsaufgaben gewährleistet sein muss, weil sie zu den demokratischen Grundgedanken zählt, denen Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV durch ihre Unabänderbarkeit besonderen verfas­ sungsmäßigen Schutz zuweist. Wie für Bürgerbegehren und Bürgerentschei­ de ein Quorum die Funktionsfähigkeit kommunaler Verwaltungstätigkeit sichern soll, so kann das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit auch ei­ nem individuellen Recht des Bürgers auf Schutz vor einer Aushöhlung seines Wahlaktes immanente Schranken für eine Einflussnahme auf die Ausübung von Staatsgewalt setzen. Das Verfassungsgebot der Funktionsfä­ higkeit der kommunalen Selbstverwaltung kann auch dadurch verletzt wer­ den, dass die Ausübung individueller Teilhabe- oder Abwehransprüche der Bürger die ernste Gefahr einer Lähmung kommunaler Verwaltungstätigkeit hervorruft. 3614  Voßkuhle 3615  Martens

(Fußn. 265), 362. (Fußn. 4), 35.



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle637

Für Zwangsmitgliedschaften bejaht die Rechtsprechung einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Einhaltung des Wirkungskreises, nämlich bei Studentenschaften,3616 berufsständischen Kammern3617 und den meisten So­ zialversicherungsträgern, weil Art. 2 Abs. 1 GG dem einzelnen Mitglied ein Abwehrrecht gegen Eingriffe des Verbandes gebe, soweit sie sich nicht im Wirkungskreis legitimer öffentlicher Aufgaben halten oder wenn bei ihrer Wahrnehmung nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen wird.3618 Sieht man neben dem Bund und den Ländern auch Kreise und Gemeinden als Zwangsverbände (d. h. als Verbände mit Pflichtmitgliedschaft) an, ließe sich daraus die Folgerung ableiten, dass auch ein Gemeindebürger die Gemeinde auf dem Klageweg dazu zwingen kann, den gemeindlichen Aufgabenkreis nicht zu überschreiten. Ehlers hält diesen Schluss jedoch nicht für zulässig,3619 da zwischen Gebietskörperschaften und ihren Angehörigen nicht die gleiche Pflicht zu wechselseitiger Rücksichtnahme bestehe wie zwischen Zwangs­ körperschaften und ihren Mitgliedern.3620 Alles andere liefe nach seiner Auf­ fassung auf einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch und die Aner­ kennung der Popularklage hinaus. Die Gefahr einer faktischen Popularklage bei einer ausufernden Interpreta­ tion des Rechts auf einen nicht sinnentleerten Wahlakt sieht auch Schönber­ ger, weil der Einzelne damit die objektive Verfassungsordnung verteidige.3621 Murswiek hält dieser Argumentation zutreffend entgegen, dass mit dem Recht auf Einhaltung des Demokratieprinzips die Verletzung des Wahlrechts als eines individuellen grundrechtsgleichen Rechts geltend gemacht werde. Das BVerfG mache mit seiner Argumentation den Bürger zum legitimatori­ schen Ausgangspunkt und Mittelpunkt der Demokratie, wobei das Wahlrecht das objektive demokratische Institutionengefüge gerade voraussetze,3622 um dessen Sicherung es gehe. Den Organen der kommunalen Volksvertretung muss bei Entscheidungen zur Überlassung von Aufgaben an Private oder deren Beteiligung an der 3616  BVerwG v. 26.09.1969, VII C 65.68, BVerwGE 34, 69  ff.; BVerwG v. 13.12.1979, 7 C 58 / 78, BVerwGE 59, 231, 242. 3617  BVerwG v. 24.09.1981, 5 C 53 / 79, DVBl 1982, 204 ff. 3618  Ehlers (Fußn. 633), 241. 3619  Ehlers (Fußn. 633), 242, Fußn. 401: Kritik hieran durch Laubinger (Fußn. 715), 273. 3620  Ehlers (Fußn. 633), 242, Fußn. 404: OVG  Hamburg v. 18.01.1977, Bf III 4 / 76, DVBl 1977, 642, 647; OVG Münster v. 19.09.1977, V A 879 / 76, DVBl 1977, 994, 996. 3621  Schönberger, Die Europäische Union zwischen „Demokratiedefizit“ und Bundesstaatsverbot, Der Staat 48, 535, 539 ff. 3622  Murswiek (Fußn. 3550), 707.

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

Wahrnehmung kommunaler Aufgaben ebenso wie bei Gründung eigener rechtlich selbstständiger Organisationseinheiten ein ausreichender Raum zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen und im Bereich der Daseinsvor­ sorge auch der sozialen Lebensverhältnisse der Bürger verbleiben. Dies gilt nicht nur für Sachbereiche, auf die die Bürger elementar angewiesen sind, sondern auch für Aufgaben, die nicht zum Kernbereich der kommunalen Da­ seinsvorsorge zählen, aber als Annextätigkeiten zulässigerweise wahrgenom­ men werden dürfen. Auch soweit zwingendes Gesellschaftsrecht oder die unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln und die flankierenden Bestimmungen des Vergabe- und des Beihilferechts die Steuerungs- und Kontrollrechte der Kommune gegenüber kommunalen Unternehmen in zulässiger Weise be­ schränken, steht den gewählten Volksvertretern ein weiter Gestaltungsspiel­ raum für funktionsfähiges Verwaltungshandeln zu. Das Wahlrecht ermächtigt den einzelnen Wahlbürger – anders als die kollektiven Beteiligungsrechte Bürgerbegehren und Bürgerentscheid – grundsätzlich nicht dazu, an Sachent­ scheidungen der kommunalen Vertretungsorgane gestaltend mitzuwirken und dazu korrigierend in deren Entscheidungsprozesse einzugreifen. Der Schutz des Wahlrechts vor Aushöhlung dient vielmehr als ultima ratio der „Kontrolle der Kontrolleure“, ob sie als Repräsentanten des Wäh­ lers ihre Pflichten zur Erhaltung funktionsfähiger Organisationsstrukturen kommunaler Verwaltungstätigkeit und damit im Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG die Grundsätze des Demokratie- und des Sozialstaats­ prinzips zur Erfüllung essentieller Daseinsvorsorgeaufgaben für ihre Bürger auch gegenüber verselbstständigten Organisationseinheiten gewährleisten können. Diese Kontrollfunktion dient der Ausübung eines grundrechtsglei­ chen Rechts des einzelnen Bürgers und birgt damit nicht die Gefahr einer Popularklage. 3. Abgestufte Stringenz als Maßstab für die Einwirkungspflicht Die vom Demokratieprinzip geforderte Rückführbarkeit der Aufgaben­ wahrnehmung und Befugnisausübung auf das Wahlvolk kann in verschiede­ ner Weise verwirklicht werden, doch ist stets ein hinreichend effektiver Gehalt an demokratischer Legitimation erforderlich.3623 Für die von der Volksvertretung auf kommunaler Ebene den Organen verselbstständigter Verwaltungseinheiten zu vermittelnde personelle demo­ kratische Legitimation hat Tettinger3624 am Beispiel der Arbeitnehmermitbe­ 3623  BVerfG

v. 12.10.1993, 2 BvR 2134 / 92 u. a., BVerfGE 89, 155, 182. (Fußn. 1885), insbes. 31 ff.

3624  Tettinger



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle639

stimmung in der Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts das „Prinzip der abgestuften Stringenz“ des Gebots personeller Legitimation in Entspre­ chung zur wahrgenommenen Aufgabe entwickelt. Zutreffend stellt Tettinger vorrangig nicht auf die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtsform, sondern in erster Linie auf die Art der Aufgabe ab, an der sich die jeweils gebotene Stringenz der Legitimation zu orientieren hat. Dabei differenziert er nach Aufgabenkategorien, nach der Staatsnähe einer Aufgabe und nach der spezifischen Eigenart einer Sachauf­ gabe. Bei den Aufgabenkategorien unterscheidet er zwischen Aufgaben der Ein­ griffsverwaltung mit höchster Stringenz, danach Aufgaben der schlicht-ho­ heitlichen Leistungsverwaltung und der verwaltungsprivatrechtlichen Wahr­ nehmung bei der Daseinsvorsorge, die „unmittelbar oder mittelbar der per­ sönlichen Lebensbewältigung der Bürger dienen“3625 bzw. „auf deren Erfül­ lung die Bürger in ihrer Gesamtheit angewiesen sind“.3626 Bei einer zulässigen erwerbswirtschaftlichen Betätigung im Bereich des Kommunalwirtschafts­ rechts soll die personelle demokratische Legitimation nicht in gleicher Strin­ genz geboten sein, weil darauf die Bürger in ihrer Gesamtheit nicht in glei­ cher Weise angewiesen sind. Bei „fiskalischen Hilfsgeschäften“, die nicht mehr unter „Ausübung von Staatsgewalt“ fallen, sieht er die allgemeinen öffentlich-rechtlichen Bindungen weitgehend zurückgenommen.3627 Außerdem macht er das erforderliche Maß an Stringenz persönlicher de­ mokratischer Legitimation auch davon abhängig, ob eine Aufgabe von der Kommune selbst oder für diese von selbstständigen Rechtsträgern mit ge­ ringerer „Staatsnähe“ wahrgenommen wird. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer „verdünnten“ demokratischen Legitimation, die das BSG3628 für Orga­ ne der körperschaftlichen Selbstverwaltung bei „zwangskorporierten“ Grup­ pen gestattet, überträgt Tettinger – unter dem Vorbehalt des Letztentschei­ dungsrechts der vom Volk legitimierten Organwalter – auch auf Vertreter von Interessengruppen in anstaltlichen Kollegialorganen und verweist auch auf die dem Gesellschaftsrecht geschuldete Ausdünnung personeller Legiti­ mation und auf die betriebliche Mitbestimmung in kommunalen Gesell­ schaften.3629 Schließlich sei auch die „spezifische Eigenart der jeweiligen Sachaufgabe“ für das erforderliche Maß an Stringenz von Bedeutung, so dass auch 3625  BVerfG

v. 10.12.1974, 2 BvK 1 / 73, BVerfGE 38, 258, 270. v. 15.02.1978, 2 BvR 134 / 76 u. a., BVerfGE 47, 253, 273. 3627  Tettinger (Fußn. 1885), 35 m. w. N. in Fußn. 72 und 73. 3628  BSG v. 15.11.1973, 3 RK 57 / 72, BSGE 36, 242, 244. 3629  Tettinger (Fußn.  1885), 47 ff. 3626  BVerfG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

hierbei bereichsspezifische Intensitätsstufen entsprechend der Gewichtigkeit der Aufgabe in Betracht kämen. Zu der sich aufdrängenden Fragestellung, ob es neben der für die perso­ nelle demokratische Legitimation entwickelten Stringenz-Skala auch für die gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation eine Abstufung geben kann, äu­ ßert sich Tettinger nicht. Sein Legitimationsmodell bezieht sich explizit nur auf die personellen Legitimationsstränge, die von der direkt gewählten Volksvertretung zu den Organen verselbstständigter Verwaltungseinheiten verlaufen. Sie kann aber sinngemäß auch für die sachlich-inhaltliche Legi­ timationskomponente Geltung beanspruchen, wie die Darstellung in Kapitel 4 zu den Weisungsrechten und sonstigen Formen der Einwirkung auf Ent­ scheidungen von Unternehmensorganen sowie zu den Kontrollinstrumenten zeigt.3630 Zwar kann eine schwächere personelle Legitimation durch eine verstärkte sachlich inhaltliche Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen kom­ pensiert werden, doch bedeutet das von Tettinger entwickelte Legitimations­ modell, dass die Stringenz umso geringer ausgeprägt sein darf, je weiter sich eine Kommune mit den wahrgenommenen Aufgaben vom Kern der Selbstverwaltung entfernt. Mit zunehmender Distanz zu den Kernaufgaben und mit einer in Tochterund Enkelunternehmen zergliederten privatrechtlichen Organisationsstruktur zu deren Wahrnehmung erhöht sich aber gerade die Gefahr einer Aushöh­ lung und Sinnentleerung des Wahlrechts zu den kommunalen Vertretungsor­ ganen. Wie Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG zeigen, ist es gerade die Nähe der Staatsbürger zu den kommunalen Selbstverwaltungsangelegenhei­ ten, die mit dem Kommunalwahlrecht dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben dienen (vgl. Art. 11 Abs. 4 BV) und das Leitbild der Kom­ mune prägen. Zu diesem Leitbild zählt auch die Wahrung der geschichtli­ chen und heimatlichen Eigenart der kommunalen Selbstverwaltung.3631 Für den Legitimationsstrang zwischen dem Bürger und der Kommune als Unternehmensträgerin bedarf es deshalb als Ergänzung zum „Legitimations­ modell der abgestuften Stringenz“ eines Instrumentariums, mit dem der Bürger einer auf Legitimations- und Ingerenzdefiziten basierenden Struktur­ veränderung im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge kommunaler Selbst­ verwaltung Einhalt gebieten kann.

3630  Siehe

im Einzelnen Kapitel 4 Abschnitte B. und C. v. 12.07.1960, 2 BvR 373 / 60 u. a., BVerfGE 11, 266, 275 f.

3631  BVerfG



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle641

4. Legitimationsverbund als Gegenstromprinzip zum Modell der abgestuften Stringenz Mit der Subjektivierung des Demokratie- und des Sozialstaatsprinzips zum Schutz des Wahlrechts vor Sinnentleerung hat das BVerfG dem Bürger als Souverän ein individuelles Abwehrrecht gegen Entscheidungen oder pflichtwidrige Untätigkeit der gewählten Repräsentanten gegeben, soweit dadurch das Demokratie- oder das Sozialstaatsprinzip verletzt wird. Damit kann der Wähler verhindern, dass die staatsorganisationsrechtliche Struktur des Leitbildes der Kommune als Basis des demokratischen Gemeinwesens durch Überlassung von Aufgaben an Private oder die Aufgabenwahrneh­ mung durch nicht hinreichend demokratisch legitimierte und kontrollierte Organisationseinheiten dauerhaft verändert und der verantwortliche Aufga­ benträger auf eine einflusslose kommunale Resteverwaltung reduziert wird. Grundsatzentscheidungen kommunaler Vertretungsorgane, die zu einer Sinnentleerung des Wahlaktes ihrer Bürger führen können, lassen sich auf drei exemplarischen Handlungsfeldern identifizieren: Zum einen die Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen, die der Kommune für eine materielle Privatisierung von Aufgaben und für eine Beteiligung Privater an der Aufgabenwahrnehmung gesetzt sind. Zum anderen die Wahl einer für die jeweilige Aufgabenerfüllung strukturell ungeeigneten Organisations- oder Handlungsform, die Ansprüche der Bürger auf Zugang zu kommunalen Leistungen der Daseinsvorsorge, auf die sie besonders angewiesen sind, unverhältnismäßig erschweren, weil sie ei­ ner wirksamen Ausübung der Ingerenzpflichten entgegenstehen. Schließlich eine inhaltliche Vernachlässigung von Kernaufgaben der ört­ lichen Gemeinschaft zugunsten einer wettbewerbsorientierten erwerbswirt­ schaftlichen Betätigung durch Unternehmen jenseits der Gebietsgrenzen und vor allem auf ausländischen Märkten. Ein Eingriff in die Substanz des Wahlaktes liegt jedoch nicht vor, wenn es nur um eine Kontrolle der Ent­ scheidungsprozesse und der Entscheidungsinhalte geht. Erst eine Struktur­ veränderung des verfassungsrechtlich geprägten Leitbilds der Kommune durch „ausgedünnte Legitimationsstränge“ des Aufgabenträgers zu den Un­ ternehmen oder Beteiligungen, die eine effektive Steuerung und Kontrolle der Aktivitäten hindert, der Ausübung von Weisungsrechten und sonstigen Ingerenzbefugnissen entgegensteht und dadurch die Funktionsfähigkeit und Publizität kommunaler Verwaltungstätigkeit für ihre Kernaufgaben beein­ trächtigt, tangiert den grundlegenden demokratischen Gehalt des Wahlrechts. Ein subjektives Recht auf Schutz des Wahlaktes vor Sinnentleerung zielt damit auf eine Verstärkung der Legitimationsstränge des Wahlbürgers zu den kommunalen Vertretungsorganen, um in einer Art „Gegenstromprinzip“

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

zur „ausgedünnten“ Legitimationsbeziehung zwischen der Kommune und den verselbstständigten Verwaltungseinheiten durch einen „Legitimations­ verbund Bürger-Kommune-Unternehmen“ die vom Demokratie- und Sozial­ staatsprinzip geforderte Legitimationseffizienz aufrechtzuerhalten. a) Schutz vor der Überschreitung der Grenzen materieller Privatisierung Die Gemeinde darf es nicht selbst in der Hand haben, den Inhalt der kommunalen Selbstverwaltung durch Abstoßen oder Nichtwahrnehmung ihrer ureigensten Aufgaben auszuhöhlen und sich ihres genuinen Verantwor­ tungsbereichs in der örtlichen Gemeinschaft zu entziehen, die gerade das Zusammenleben und Zusammenwohnen der Menschen in der politischen Gemeinschaft betreffen. Bei Kernbereichsaufgaben der örtlichen Gemeinschaft, bei denen keine Subsidiaritätsklausel zugunsten der Privatwirtschaft greift, besteht die Pflicht der Gemeinde, diese entweder selbst oder durch eigene Unternehmen wahr­ zunehmen oder bei Einschaltung Privater in Form von Betreiber- oder Be­ triebsführungsmodellen bzw. bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen ausreichenden Einfluss durch Steuerungs- und Kontrollrechte zu sichern.3632 Eine Pflicht zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit3633 der Verwal­ tung muss auch für solche Aufgaben der Daseinsvorsorge gelten, mit denen die Kommune durch eine zum Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts zählende wirtschaftliche Betätigung notwendige Infrastruktureinrichtungen für ihre Bürger geschaffen hat, weil sie als wirtschaftliche Leistungen der Existenzsicherung „seit jeher“ zu den kommunalen Aufgaben gehören. Hier­ zu zählen beispielsweise eigene Verkehrsunternehmen des ÖPNV und Ener­ gieerzeugungs-, Verteilungs- und Versorgungseinrichtungen oder Bäderbe­ triebe, auch wenn sich diese weiterhin nur über einen steuerlichen Querver­ bund wirtschaftlich betreiben lassen sollten. Auch sie gehören zum Leitbild prägenden Bestand typischer, essentiell anerkannter kommunaler Aufgaben mit überkommenen identitätsbestimmenden Merkmalen, deren historische Entwicklung den jeweiligen Bezugspunkt darstellt,3634 ebenso wie die tradi­ tionellen öffentlichen Einrichtungen, die kulturellen oder sozialen Gemein­ wohlbelangen der örtlichen Gemeinschaft dienen.3635 Ein grundsätzliches Privatisierungsverbot besteht auch für Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge, 3632  BVerwG

v. 27.05.2009, 8 C 10 / 08, DVBl 2009, 1382, 1383 f. v. 13.04.2000, Vf. 4-IX-00, VerfGHE BY 53, 81, 94. 3634  BVerfG v. 29.04.1958, 2 BvL 25 / 56, BVerfGE 7, 358, 364 und weitere Nachweise in Fußn. 702. 3635  Vgl. auch Fußn. 565. 3633  BayVerfGH



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle643

wie der Abfallentsorgung, und auch, falls die Privatisierung einer bisher kommunalen Aufgabe, etwa im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und seiner Bestandserhaltung für die Mieter, auf dem lokalen Markt zu einem privaten Monopol eines Erwerbers führen würde.3636 Eine verfassungsrecht­ liche Schranke stellt auch eine (Unter-Wert-)Veräußerung gemeindlichen Vermögens dar, wobei zum Gemeindevermögen auch das Vermögen einer kommunalen Eigengesellschaft zählt, mit der die Kommune öffentliche Aufgaben wahrnimmt.3637 Im Einzelfall wird ein Rückzug der Kommune unter Abwägung der dafür und dagegen sprechenden Belange begründungs­ bedürftig3638 und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen sein. b) Schutz vor der Wahl ungeeigneter Organisationsstrukturen Obwohl das kommunale Selbstverwaltungsrecht eine Aufgabenwahrneh­ mung nicht nur durch Organe der allgemeinen Verwaltung, sondern im Rahmen der Gesetze auch durch rechtlich selbstständige Organisationsstruk­ turen und durch privatrechtliche Handlungsformen eröffnet, kann das demo­ kratische Teilhaberecht des Wählers durch die Auswahl einer dafür ungeeig­ neten Organisations- oder Handlungsform verletzt werden. Gestattet die Organisationsstruktur eines Unternehmens, insbesondere die Rechtsform der Aktiengesellschaft, oder eine Minderheitsbeteiligung der Kommune keinen Zugang zu steuerungsrelevanten Informationen, so kann bereits da­ durch die Effizienz der demokratischen Legitimationsstränge erheblich be­ einträchtigt werden. Lässt sich aber die personelle Legitimation der Lei­ tungs- und Überwachungsorgane und für die konkrete Aufgabe auch die sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation der Entscheidung nicht mehr auf die dafür verantwortliche Kommune zurückführen, so wird hieraus dem Bürger als Souverän zum Schutz seines Wahlrechts vor Aushöhlung ein Anspruch gegen die Kommune erwachsen, dass diese auf eine solche Un­ ternehmensstruktur oder die Eingehung einer Minderheitsbeteiligung ver­ zichtet. Dies bedeutet nicht zwingend, dass eine Rechtsform wie die der Aktien­ gesellschaft generell auszuschließen wäre, wie dies in Mecklenburg-Vor­ pommern die Kommunalverfassung vorsieht.3639 Die Kommune kann sich durch einen konzernrechtlichen Beherrschungsvertrag sehr wohl steuernden Einfluss verschaffen. Gleiches gilt, wenn ihr bei der Minderheitsbeteiligung 3636  Siehe

Fußn. 568. Münster v. 19.12.2012, 16 A 1451 / 10, FdStBay 2013, 761; vgl. auch Art. 12 Abs. 2 Satz 2 BV. 3638  Stein (Fußn. 3578), 569. 3639  Vgl. Fußn. 482. 3637  OVG

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Kap. 5: Gesellschaftsbezogene Publizität

an einem Unternehmen Privater eine Ausrichtung des Gesellschaftsvertrags auf die Erfüllung eines kommunalen öffentlichen Zwecks gelingt und sie durch vertraglich vereinbarte Gestaltungsrechte3640 auf dessen Erfüllung einwirken kann. c) Schutz vor unzureichenden Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen Mit der Einwirkungspflicht der Kommune auf ihre Unternehmen korres­ pondiert ein öffentlich-rechtlicher Einwirkungsanspruch des Bürgers, der sich in einem Zulassungs- bzw. einem Verschaffungsanspruch gegenüber der Kommune konkretisiert.3641 Bei pflichtwidriger Vernachlässigung von Einwirkungspflichten kann al­ lerdings auch das Wahlrecht des Souveräns verletzt sein. Der kommunale Aufgabenträger darf den Organen seiner Unternehmen oder von ihm be­ herrschbaren Beteiligungen nicht durch ein „Laisser-faire-Verhalten“ falsch verstandener Deregulierung und Liberalisierung gestatten, den zugewiesenen Aufgabenbestand eigenmächtig zu modifizieren oder zu erweitern. Durch Konkretisierung des öffentlichen Zwecks in der Unternehmenssatzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag und durch Einrichtung einer qualifizierten Beteili­ gungsmanagements mit ausreichenden Befugnissen zur begleitenden Unter­ nehmenssteuerung und Kontrolle ist eine Verselbstständigung der Unterneh­ mensorgane auch im operativen Bereich zugunsten einer gewinnorientierten Erwerbswirtschaft wirksam auszuschließen. Auch den gewählten Mandatsträgern der Kommune selbst muss stets ein hinreichendes Maß an Organkompetenz verbleiben, um ihrer Steuerungsund Kontrollaufgabe gerecht werden zu können. Die Orientierung des europäischen Wettbewerbsrechts an privatwirtschaft­ lichen Maßstäben fördert zwar Tendenzen zur Abkoppelung kommunaler Unternehmen von ihrem öffentlichen Träger bei einer Marktteilnahme als Konkurrenten zur Privatwirtschaft.3642 Sie zwingt sie aber andererseits durch die flankierenden Regelungen des Beihilfe- und des Vergaberechts zu Trans­ parenz, soweit sie mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind. Mit dem Begriff der Ausübung einer „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ ermöglicht Unionsrecht nicht nur die Verga­ berechtsfreiheit von Leistungsbeziehungen der Trägerkommune gegenüber ihren Unternehmen. Eine Unternehmensstruktur, die durch „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ eine personelle demokratische Legitimation 3640  Vgl.

Kapitel 4 Abschnitt B. II. 2. (Fußn. 496), 293 m. w. N. in Fußn. 101. 3642  Vgl. Kapitel 2 Abschnitt B. I. 2. und II. sowie Abschnitt C. I. 3641  Brüning



B. Ansprüche von Bürgern auf Einwirkung und Kontrolle645

der Unternehmensorgane und durch Einwirkungs- und Kontrollrechte die sachlich-inhaltliche Legitimation von Unternehmensentscheidungen gewähr­ leistet, erfüllt auch die verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an die Publizität dezentralisierter Aufgabenwahrnehmung im Interesse ihrer Bürger. Der Ingerenzanspruch der Wahlbürger ist für pflichtgemäß handelnde Organe der Kommune und ihrer Unternehmen kein Damoklesschwert über ihrem Selbstverwaltungsrecht, sondern Ausdruck partizipativer demokrati­ scher Betroffenenteilnahme auf kommunaler Ebene mit Information als Voraussetzung und Transparenz als Ziel aller Publizität.

Kapitel 6

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen Zu Kapitel 1 Begriffsdefinitionen 1. Publizität Publizität hat Information zur Voraussetzung und Transparenz zum Ziel. Die auf ihrer historischen Entwicklung beruhende Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit der Begriffe „Publizität“, in der deutschen Übersetzung „Öffentlichkeit“, und des Adjektivs „öffentlich“ prägen bis heute den Pub­ lizitätsbegriff auch in seiner rechtlichen Relevanz. In der Grundbedeutung der Alltags- und der Rechtssprache ist „Öffent­ lichkeit“ nicht nur Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit („offen“) als Ge­ gensatz zur Verborgenheit, dem „Geheimnis“ („secretum“), sondern auch die Bezeichnung für einen unbestimmten Personenkreis („Publikum“) im Sinne der „Allgemeinheit“ und damit Gegenbegriff zum Individuum in seiner Privatsphäre, dem („privatum“). Weiterhin steht „Publizität“ als Rechtsbegriff, je nach Sachzusammen­ hang, in einem in unterschiedlicher Weise miteinander verknüpften Bezie­ hungsgeflecht zwischen dem „Staat“, der „Gesellschaft“ und der „Rechtmä­ ßigkeit“ im Sinne von „Legitimität“. Als Synonym für „staatlich“ kann „öffentlich“ nur gelten, soweit dies Verfassung, Gesetz oder eine sonstige Legitimation durch den Souverän bestimmen. Dies gilt auch für Begriffskombinationen, die, wie das „öffent­ liche Interesse“ oder der „öffentliche Zweck“, erst durch wertende Ingredi­ enzien rechtliche Relevanz erlangen. Darüber hinaus ist der Begriff „öffent­ lich“ zur Abgrenzung von „Staat“ und „Gesellschaft“ nicht geeignet, wie die auch von gesellschaftlichen Gruppierungen wahrgenommene „öffentliche Aufgabe“ zeigt. Für den demokratischen Staat ist Publizität „Rechtspflicht“, mit der ein subjektives Teilhabe-, Schutz- und Abwehrrecht des Einzelnen korrespondiert. Publizität des Staates bezieht sich auf das „Volk“, Publizität der Gesellschaft auf die „Bevölkerung“. Das wichtigste Bindeglied zwischen Publizität und Individuum ist die „Information“.



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen647

2. Information Dem juristischen Begriffsverständnis liegt ein pragmatischer Informati­ onsbegriff zugrunde, der sich am Zweck der Information orientiert. Infor­ mation bezieht sich auf die Zugänglichkeit von Daten. Informationen sind von „Daten“, von „Wissen“ und von „Kommunikation“ abzugrenzen. Daten liegen der Information voraus. Wissen ist verarbeitete Information. Kommu­ nikation ist Transfer von Informationen. Für den Staat ist Information als Steuerungsressource Voraussetzung sei­ ner Publizität. Die Gewährleistung ausreichender Informationsbeschaffung wird durch Verlagerung der Informationsherrschaft auf selbstständige Ver­ waltungseinheiten infolge Deregulierung und Organisationsprivatisierung zur zentralen Aufgabe der Trägerkörperschaft. Sie bewirkt einen Funktions­ wandel ihrer leistungsstaatlichen Erfüllungsverantwortung zur Gewährleis­ tungs-, Steuerungs- und Kontrollverantwortung und erfordert bei unterneh­ merischer Verantwortungsteilung mit Privaten auch eine Informationsvorsor­ gepflicht gegenüber dem Bürger als Privatisierungsfolge. Verwaltungstätigkeit ist Umgehen mit Informationen als Mittel der Prob­ lembewältigung im Innenrecht wie im Außenrecht. Information bedeutet öffentliche Macht, die durch den Bürger legitimiert sein muss. In der Infor­ mationsgesellschaft ist ein grundsätzlich freier Informationsfluss wesentliche Voraussetzung staatlicher Publizität, Geheimhaltung ist die rechtfertigungs­ bedürftige Ausnahme. Die Ausgestaltung des Grundsatzes der Öffentlichkeit obliegt jedoch im Rahmen der Informationsfreiheits-Grundrechte und des Demokratieprinzips dem Gesetzgeber. Unter dem Einfluss des Unionsrechts wird Information zunehmend zur Ware, zum Wirtschaftsgut im Wettbewerb, mit der Gefahr, dass der Wandel zur gläsernen Verwaltung den gläsernen Bürger erzeugt. Es bedarf deshalb eines austarierten Schutzpflichtkonzepts für den Umgang mit Daten Privater ebenso wie für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und staatliche Geheim­ haltungsinteressen gegenüber dem Anspruch der Gesellschaft und der Me­ dien auf umfassende Transparenz von Entscheidungsprozessen auch der Exekutive und ihrer rechtlich selbstständigen Unternehmen. 3. Transparenz Transparenz ist Ziel von Publizität sowohl des Staates als auch der ge­ sellschaftlichen Öffentlichkeit. Während das Unionsrecht den Begriff über­ wiegend auf die Legislative bezieht, wird er in der innerstaatlichen Diskus­ sion in erster Linie im Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen der Exekutive verwendet. Transparenz spielt im Spannungsverhältnis zwischen

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

den Verschwiegenheitspflichten von Unternehmensorganen und dem Infor­ mationsanspruch der Trägerkörperschaft zur Steuerung und Kontrolle ihrer Unternehmen eine entscheidende Rolle. Sie ist auch indirektes Steuerungs­ element für den an kommunaler Aufgabenerfüllung partizipierenden Bürger als Souverän zur Kontrolle der von ihm gewählten Repräsentanten. Sie si­ chert gesellschaftlichen Gruppen sowie den Medien eine öffentliche Kont­ rolle staatlicher Macht allein schon durch ihre Androhung. 4. Kommunale Unternehmen Die Bestimmung des Rechtsbegriffs „kommunales Unternehmen“ kann mit Hilfe funktionaler Kriterien, nach der institutionalisierten Rechtsform oder nach dem Status des steuernden Trägers erfolgen. Im funktionalen Sinn ist darunter ein „örtlich radiziertes“ bzw. durch das jeweilige „Teilvolk“ der Kommune legitimiertes öffentliches Unternehmen zu verstehen, das sich durch kompetenzgebundene Wahrnehmung einer öf­ fentlichen Selbstverwaltungsaufgabe ihres Trägers auf wirtschaftlichem Gebiet betätigt, um materielle Bedürfnisse ihrer Bürgerschaft zu erfüllen. Der Begriff umfasst auch marktbezogene und geschäftliche Handlungen der Kommune selbst, die diese in nur intern gegenüber allgemeiner Verwal­ tungstätigkeit abgegrenzten Organisationsstrukturen wahrnimmt. Im europäischen Unionsrecht hängt die Einstufung einer Organisations­ einheit als Unternehmen vollständig von der Art der Tätigkeit ab, soweit die Organisation zu anderen Unternehmen in einer Wettbewerbsbeziehung steht. Dieser funktionale Unternehmensbegriff gilt auch für das nationale Wettbe­ werbsrecht des UWG, das Kartellrecht des GWB und für Gebietskörper­ schaften als herrschenden Unternehmen eines Konzerns. Im institutionellen Sinn fallen darunter alle landesrechtlich für Kommu­ nen zulässigen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Rechtsformen wirtschaftlicher Betätigung einschließlich öffentlicher Einrichtungen, die am Markt Leistungen anbieten. Bei einer Beteiligung Privater an der Wahrnehmung freiwilliger Selbst­ verwaltungsaufgaben der Kommune oder bei kommunaler Beteiligung an Unternehmen Privater erfordert der Begriff eine ausreichende personelle Legitimation der Unternehmensorgane und sachlich-inhaltliche Legitimation der Unternehmensentscheidungen durch den Wahlbürger sowie beherrschen­ den Einfluss des kommunalen Aufgabenträgers durch die effiziente Aus­ übung von Steuerungs- und Kontrollrechten, um dem Unternehmen staats­ bezogene Publizität zu verleihen.



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen649

Zu Kapitel 2 Grundlagen und Rahmenbedingungen 1. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie Das historisch gewachsene Institut der Selbstverwaltung wurde ursprüng­ lich als bürgerschaftliche Partizipation ehrenamtlich tätiger Laien, nicht aber als Ausdruck von Demokratie verstanden. Durch die Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ist es auf kommunaler Ebene zu einem Teil­ haberecht des Volkes an staatlicher Publizität geworden. Landesrecht hat die kommunale Selbstverwaltung mit ergänzenden Elementen kollektiver Parti­ zipation der Bürger ausgestattet. Die institutionelle Kernbereichsgarantie der kommunalen Selbstverwal­ tung nach Art. 28 Abs. 2 GG ist Rechtssubjektsgarantie des Typus Gemein­ de, Rechtsinstitutionsgarantie der Selbstverwaltung und subjektive Rechts­ stellungsgarantie dieser Rechts- und Organisationsform. Als verfassungs­ rechtliches Aufgabenverteilungsprinzip zwischen Kommunen und Staat ist die Selbstverwaltungsgarantie für Gemeinden Legitimationsgrundlage eigen­ verantwortlicher Aufgabenerfüllung nach dem Grundsatz der Allzuständig­ keit mit den Schutzgegenständen der Gemeindehoheiten und für Gemeinde­ verbände für die Wahrnehmung der gesetzlich zugewiesenen überörtlichen Aufgaben. Zu den Gemeindehoheiten zählen die Gebiets-, Planungs-, Per­ sonal-, Finanz- und Organisationshoheit. Die Organisationshoheit betrifft jedoch nur die eigenverantwortliche Gestaltung der inneren Organisation der Gemeinde einschließlich kommunaler Einrichtungen und wirtschaftlicher Betätigung. Hierzu zählt die prinzipielle Wahlfreiheit auch bei Nutzung privatrechtlicher Formen zur Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvor­ sorge für ihre Bürger. Das Selbstverwaltungsrecht entfaltet in vertikaler Richtung Schutzwirkung gegenüber staatlicher Hoheitsgewalt und für Gemeinden auch gegenüber ei­ ner Hochzonung von Aufgaben auf Gemeindeverbände. Sie ist aber kein Auf­ gabenverteilungsprinzip zwischen Kommunen und der Privatwirtschaft. In horizontaler Richtung ist die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde auch bei wirtschaftlicher Betätigung auf das örtliche Wirkungsfeld begrenzt. Der Begriff der örtlich radizierten Angelegenheiten kann auch politisch motivierte globale Fragestellungen umfassen, die in den örtlichen Zusam­ menhang hineinwirken. Als Bestandteil des Sozialstaatsprinzips zählt das kommunale Selbstver­ waltungsrecht im Bereich der „Daseinsvorsorge“ zur nationalen Identität der Bundesrepublik, schützt aber kommunale Unternehmen im binnenmarktrele­ vanten Wettbewerb mit der Privatwirtschaft nicht vor Eingriffen auch in den

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

Kernbereich durch die Einfallstore des europäischen Wettbewerbs-, Beihil­ fe- und Vergaberechts. Ebenso wenig entfaltet die Europäische Charta der Kommunalen Selbst­ verwaltung Bindungswirkung für die Europäische Union als Völkerrechts­ subjekt, sondern allenfalls für die Mitwirkung ihrer Unterzeichnerstaaten an der europäischen Gesetzgebung im Ministerrat. 2. Daseinsvorsorge und unionsrechtliche „DAWI“ Daseinsvorsorge als soziologischer Begriff umfasst die sozialstaatliche Aufgabe, Verwaltungsleistungen in systemgerechten Organisationsformen zur Deckung des allgemeinen Bedarfs bereitzustellen, soweit diese als funk­ tionsnotwendige Infrastruktur nur unter staatlicher Einflussnahme optimal und ausreichend erbracht werden können. Sie ist als kompetenzgebundene Aufgabenwahrnehmung gegenüber der Privatwirtschaft stets legitimations­ bedürftig. Mit der kompetenziellen Bindung ist jedoch kein Verbot verbun­ den, Aufgaben der Daseinsvorsorge entsprechend den aktuellen Bedürfnissen der Bevölkerung auch von der Privatwirtschaft zu übernehmen. Wettbewerb ist bei der kommunalen Daseinsvorsorge im Gegensatz zur privatautonomen Wirtschaft nur Mittel zur Aufgabenerfüllung und kein marktwirtschaftliches Ordnungsinstrument. Als Rechtsbegriff eignet sich Daseinsvorsorge nicht zur Abgrenzung der Wirkungsbereiche des öffentlichen und des privaten Rechts, auch wenn der Gesetzgeber ihn gelegentlich mit einer entsprechenden Abgrenzungsfunkti­ on verwendet. Im kommunalen Unternehmensrecht umschreibt Daseinsvorsorge als sach­ bezogener Sammelbegriff eine originäre Zuständigkeit der Kommune und ordnet die unternehmerische Tätigkeit für ihre Bürger dem Kernbereich kom­ munaler Selbstverwaltung und damit dem Bereich staatlicher Publizität zu. Die durch nationales Recht geprägte Konzeption der kommunalen Da­ seinsvorsorge als Verwaltungstätigkeit mit bürgerschaftlicher Partizipation wird durch das wirtschaftsliberale europäische Unionsrecht dort modifiziert, wo die Kommune selbst oder mit ihren Einrichtungen und Unternehmen am binnenmarktrelevanten Wettbewerb mit der Privatwirtschaft teilnimmt. Die Wettbewerbsregeln des Binnenmarkts mit seinen Grundfreiheiten finden stets Anwendung auf marktbezogene „Dienstleistungen von allgemeinem wirt­ schaftlichem Interesse (DAWI)“, unabhängig davon, wer sie anbietet. Markt­ bezogene kommunale Daseinsvorsorge ist damit rechtfertigungsbedürftig und verlangt die Einhaltung von Regeln des Beihilfe- und Vergaberechts, die ei­ nen fairen und diskriminierungsfreien Wettbewerb sichern sollen. Bei Aufgaben der Daseinsvorsorge besitzt die Kommune einen weiten Gestaltungsspielraum zur Wahl der Organisations- und Handlungsform für



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen651

öffentliche Einrichtungen und Unternehmen. Bayern und Thüringen diffe­ renzieren im Gegensatz zu den übrigen Bundesländern nicht mehr zwischen der eher willkürlichen Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nicht­ wirtschaftlichen Unternehmen. Der BayVerfGH hatte hierzu nach der frühe­ ren Rechtslage den Begriff des „wirtschaftlichen Unternehmens“ verfas­ sungskonform einschränkend interpretiert und kommunale Versorgungs- und Verkehrsunternehmen mit Daseinsvorsorgeaufgaben davon ausgenommen. Die funktionale Aufgabenprivatisierung und die (formelle) Organisations­ privatisierung einschließlich der Beteiligung Privater an der Wahrnehmung kommunaler Aufgaben führen zu einer Verlagerung der Informationsherr­ schaft von der Kommune auf dezentralisierte Verwaltungseinheiten und zu deren unmittelbarer Grundrechtsbindung bei der Aufgabenwahrnehmung, wobei die Aufgabenverantwortlichkeit der Gebietskörperschaft gegenüber dem Bürger als Gewährleistungspflicht fortbesteht. Der Wandel von der Aufgabenerfüllungspflicht zur Gewährleistungsver­ antwortung des Aufgabenträgers fordert wirksame Informationsbeschaf­ fungs-, Beteiligungs-, Einwirkungs- und Kontrollrechte, die jedoch an Gren­ zen zwingenden Gesellschaftsrechts und europäischen Wettbewerbs-, Beihil­ fe- und Vergaberechts stoßen können, faires und lauteres Verhalten im Markt verlangen und zum Schutz der Teilhaberechte der Bürger auch die Pflicht zur Informationsvorsorge als Dezentralisierungsfolgenrecht umfassen. Bei vollständiger Überlassung von Aufgaben an Private hat die Kommu­ ne die erforderlichen Ressourcen vorzuhalten, um die Aufgabe notfalls, etwa bei Marktversagen, wieder selbst wahrnehmen zu können. 3. Öffentlicher Zweck Dem inhaltsoffenen und mehrdeutigen „Wertbegriff“ des öffentlichen Zwecks kommt als verfassungsrechtlicher Zulässigkeitsvoraussetzung kom­ petenzgebundener Kommunalwirtschaft zu deren Steuerung und Kontrolle sowie zur Abgrenzung von autonomiegeprägter Privatwirtschaft eine Schlüs­ selposition zu. „Öffentlich“ ist ein Zweck, der im jeweiligen gesetzlichen Kontext auf das „Gemeinwohl“ als Ausdruck einer auf den Staat oder an­ dere öffentliche Rechtssubjekte bezogenen Publizität verweist. Die „Relationsklausel“ als Regulativ zur Leistungsfähigkeit des Kommu­ nalhaushalts ergänzt die Steuerungsfunktion des öffentlichen Zwecks zum Schutz der Kommune vor Überforderung, insbesondere durch nicht bedarfs­ gerechte Leistungsansprüche ihrer Einwohner. Die „Funktionssperre“ der Subsidiaritätsklausel soll die Abgrenzung für eine nicht zum Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung zählende (er­

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

werbs-)wirtschaftliche Betätigung zur Privatwirtschaft unterstützen, doch sind die dafür verwendeten Qualitätskriterien kaum geeignet, den weiten politischen Gestaltungsspielraum der Kommune ernsthaft zu begrenzen. Eine positive Inhaltsbestimmung erfährt der Begriff des öffentlichen Zwecks im Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung durch seine Einwoh­ nerbezogenheit und die Gemeinwohlorientierung mit eigenverantwortlicher Einschätzungsprärogative der Kommune. Sein Inhalt wird geprägt durch den historisch gewachsenen Umfang, die Wertordnung des Grundgesetzes und die jeweiligen landesrechtlichen Modifikationen der „Schrankentrias“. Vom öffentlichen Zweck umfasst und damit vom kommunalen „Teilvolk“ legitimiert sind auch Annextätigkeiten und Nebengeschäfte, die als ressour­ cennutzende oder ressourcenunabhängige Erwerbswirtschaft geeignet sind, die Rentabilität zulässiger Kommunalwirtschaft zu fördern. Überörtliche wirtschaftliche Betätigung und wettbewerbsorientierte Markt­ teilnahme im Ausland sind dagegen von dem im gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht wurzelnden öffentlichen Zweck nicht gedeckt. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gestattet jedoch dem Lan­ desgesetzgeber nach dessen Zielen, den Aufgabenkreis auf ausreichend be­ stimmte weitere „gemeinwohlorientierte“ Zwecke zu erweitern, wenn dabei das Selbstverwaltungsrecht der „Zielkommune“ beachtet wird. Negativ ist der öffentliche Zweck stets von rein gewinnorientierter Er­ werbswirtschaft abzugrenzen, die als Gegenbegriff zu staatsbezogener Pub­ lizität Wesensbestandteil von „Privatheit“ ist und als Element autonomer Privatwirtschaft grundrechtlichen Schutz genießt. Auch zu einer Steuerein­ nahmen ergänzenden Mittelbeschaffung für den kommunalen Haushalt stellt die reine Gewinnerzielungsabsicht keinen rechtfertigenden öffentlichen Zweck dar. Der öffentliche Zweck erweist sich insgesamt als flexibles Abgrenzungsund Steuerungsinstrument sowohl zur Durchsetzung der politischen Zielvor­ stellungen des jeweiligen Landesgesetzgebers als auch für die sich wirt­ schaftlich betätigende Gemeinde, nicht aber zum Schutz privater Wirt­ schaftstätigkeit von Wettbewerbern der öffentlichen Hand. 4. Konkurrentenschutz Drittschützende Wirkung besitzen die kommunalrechtlichen Regelungen über die Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betätigung nur ausnahmsweise, soweit der jeweilige Landesgesetzgeber sie anordnet oder die Rechtspre­ chung sie aus konkreten Formulierungen der Schrankentrias, insbesondere der Subsidiaritätsklauseln, zugunsten privater Dritter herleitet.



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen653

Vorrangig obliegt es dem Gesetzgeber, nach seinen politischen Vorstellun­ gen den zum Schutz der Kommunen bestehenden Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung auch drittschützende Wirkung zugunsten privater Wettbewerber zuzulegen. Ist aber nach einfachem Landesrecht eine dritt­ schützende Wirkung ausgeschlossen, bieten auch Grundrechte und aus deren objektivem Gehalt abgeleitete subjektiv-rechtliche Schutzpflichten Wettbe­ werbern im Regelfall keinen Schutz vor der Gemeindewirtschaft, von Aus­ nahmen wie der Ausnutzung marktbeherrschender Stellung, einem Verdrän­ gungswettbewerb oder einer sonstigen unverhältnismäßigen Monopolgestal­ tung abgesehen. Jedoch stellt das Lauterkeitsrecht des UWG bei geschäftlichen Handlun­ gen zugunsten eigener Unternehmen besondere Anforderungen an faires Verhalten der öffentlichen Hand gegenüber Wettbewerbern durch Distanz zu Publizitätsfunktionen und deren transparente Trennung von marktbezogenen Handlungen, um schon den Anschein hoheitlicher Verquickung oder Ein­ flussnahme zu Lasten privater Marktteilnehmer zu vermeiden. Die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle durch das GWB wird von den Kartellbehörden und der zivilrechtlichen Judikatur bei zulässigen Monopo­ len zunehmend in den Dienst transparenter Informationsgewinnung zur Kontrolle der Preis- und Gebührengestaltung der öffentlichen Hand für ihre Daseinsvorsorgeleistungen gestellt. 5. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen Das „wirtschaftsliberale“ Konzept des Unionsrechts kennt mit dem eigen­ ständigen Begriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ (DAWI) keine demokratisch-partizipativen Komponenten, wie sie im nationalen Recht die kommunale Daseinsvorsorge prägen. Europäisches Wettbewerbsrecht gewährt öffentlichen Unternehmen für solche Dienstleistungen relativen Schutz, damit die Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgaben nicht durch Wettbewerb mit der Privatwirtschaft ver­ hindert wird. Zum Schutz der Grundfreiheiten der Verträge begrenzt Uni­ onsrecht aber durch faire und diskriminierungsfreie Wettbewerbsregeln auch binnenmarktrelevante staatliche Betätigung, um einen Missbrauch zulässiger Monopole zu unterbinden und für die Privatwirtschaft Chancengleichheit zu gewährleisten. Mit den flankierenden Regelungen des Beihilferechts werden auch bei einer steuernden und kontrollierenden Einwirkung der Kommunen auf ihre Unternehmen und Beteiligungen Grenzen für die Zulässigkeit von Begüns­ tigungen gegenüber der Privatwirtschaft gesetzt. Eine strikte Beachtung der Anforderungen der Altmark-Trans-Rechtsprechung des EuGH an den Be­

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

trauungsakt und des Almunia-Pakets der Europäischen Kommission zur Freistellung und zur Notifizierungsfreiheit von Ausgleichsleistungen an kommunale Unternehmen vermeidet unzulässige Beihilfetatbestände. Bei Beschaffungsvorgängen durch Dienstleistungs- und Bauaufträge gel­ ten für Kommunen und ihre rechtlich selbstständigen Unternehmen und Mehrheitsbeteiligungen gleichermaßen die Vergabevorschriften des Unions­ rechts oberhalb der jeweiligen Schwellenwerte der Vergaberichtlinien. Die Transparenzregeln und das Diskriminierungsverbot der europäischen Ver­ träge gelten auch für Dienstleistungskonzessionen. Unterhalb der Schwel­ len fordert seit jeher Haushaltsrecht die Transparenz von Vergabeentschei­ dungen. Vom Vergaberecht freigestellt sind neben delegierender interkommunaler Zusammenarbeit nur Vergaben an in-house-fähige Unternehmen, d. h., Un­ ternehmen, über die Kommunen eine Kontrolle wie über eigene Dienststel­ len tatsächlich ausüben und die im Wesentlichen nur für diese tätig sind. Damit ist In-house-Fähigkeit nach Vergaberecht sowohl Voraussetzung als auch Folge hinreichender personeller demokratischer Legitimation der Un­ ternehmensorgane und der zu effizienter Unternehmenssteuerung und Kon­ trolle erforderlichen Publizität. Während Unionsrecht vor allem auf den Gebieten Energie, Telekommu­ nikation und Postwesen sowie im Schienenverkehr durch Marktöffnung mit faktischem Privatisierungszwang Monopolstrukturen aufgebrochen hat, scheint mit dem Rechtsrahmen für den allgemeinen ÖPNV ein Paradigmen­ wechsel zu verstärkter Rekommunalisierung unter aktiver Beteiligung der Bürger eingeleitet worden zu sein. Dieser ist bei der Wasserversorgung durch Rückkauf der Anteile von RWE an den Berliner Wasserbetrieben Ende 2013 und des Strom- und Fernwärmenetzes von Vattenfall in Hamburg Anfang 2014 erkennbar. Der Verzicht der Europäischen Kommission auf Einbeziehung der Wasserversorgung in die Dienstleistungskonzessionsricht­ linie bestätigt diese Tendenz.

Zu Kapitel 3 Unternehmensgründung und Beteiligung 1. Deregulierungsmotive Die Entscheidung über eine organisatorische Ausgliederung von Verwal­ tungseinheiten aus der allgemeinen Kommunalverwaltung wird maßgeblich vom gesamtgesellschaftlichen Umfeld und den ordnungspolitischen Vorstel­ lungen der Akteure beeinflusst. Von einer Deregulierung versprach man sich häufig größere Effizienz und höhere Flexibilität der Aufgabenerledi­



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen655

gung. In den letzten Jahren scheint der Trend der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts zur Privatisierung von Aufgaben oder zumindest der Organi­ sation kommunaler Einrichtungen gestoppt. Es zeichnet sich sogar eine Trendwende zur Rekommunalisierung ab, häufig initiiert durch Bürger, die anonymen und undurchsichtigen Wirtschaftsverflechtungen verschachtelter Organisationsstrukturen zunehmend misstrauisch und ablehnend gegenüber­ stehen. Die objektiv für eine Privatisierung sprechenden Flexibilisierungsmög­ lichkeiten, eine Übernahme von Know-how der Privatwirtschaft bei der Unternehmensleitung und im Personalwesen mit Kostensenkungspotenzialen für die Kommunalwirtschaft, treten dabei zugunsten höherer Transparenz, verstärkter Steuerung und Kontrolle durch einheitliche und auch für Bürger nachvollziehbare Strukturen in den Hintergrund. Tatsächlich halten sich auch bei Teilnahme kommunaler Unternehmen am Wettbewerb mit der Privatwirtschaft die Vorteile privatrechtlicher Organisa­ tion in Grenzen. Die Attraktivität des Gesellschaftsrechts hat durch die öf­ fentlich-rechtliche Alternative „Kommunalunternehmen“, die seit 2000 be­ stehende Rechtsformneutralität des Steuerrechts, die unionsrechtlichen Schranken des Beihilfe- und Vergaberechts im Gegensatz zu vergabefreier In-house-Fähigkeit und günstigere Finanzierungsmöglichkeiten für die in­ solvenzunfähigen öffentlichen Aufgabenträger deutlich abgenommen. Hinzu kommen die Legitimations- und Steuerungsverluste, die zwingendem Ge­ sellschaftsrecht ungeachtet der Vorteile einer Beteiligungsfähigkeit für pri­ vate Kapitalgeber geopfert werden müssen. 2. Steuerungsinstrumente Das Demokratieprinzip fordert eine aufgaben- und funktionsgerechte Or­ ganisationsstruktur auch für ausgegliederte kommunale Verwaltungseinhei­ ten, um eine dem öffentlichen Zweck entsprechende Aufgabenerfüllung zu gewährleisten, den dafür erforderlichen Informationsfluss zu sichern und geeignete Instrumente zur Steuerung und Kontrolle im Interesse der Bürger anzuwenden. Unternehmenssteuerung ist eine kommunalpolitische Führungsaufgabe, die ein institutionalisiertes Beteiligungsmanagement fordert. Dies setzt ne­ ben einer möglichst engen Anbindung an die Verwaltungsspitze und ein effizientes Aufgabenspektrum für die Beteiligungsverwaltung eine Zielvor­ gabe für langfristige strategische und mittelfristige operationalisierbare Un­ ternehmensziele voraus. Hieran fehlt es häufig bei kleineren und nicht selten auch bei mittelgroßen Kommunen. Dieses Vakuum wird von selbst­ bewussten Unternehmensleitungen für die eigene Zieldefinition genutzt.

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

Die Ausrichtung von Unternehmenssatzungen bzw. Gesellschaftsverträgen an dem „öffentlichen Zweck“ des Unternehmens ist bei öffentlich-rechtlicher wie bei privatrechtlicher Organisation gleichermaßen geboten. Bei gemischt­ wirtschaftlichen Unternehmen kann nur eine solche Zweckprogrammierung vermeiden, dass die durch Gesellschaftsrecht indizierte Gewinnorientierung des Unternehmens die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben verdrängt. Der kommunalpolitisch manchmal nicht unwillkommene Verzicht auf eine Zweckprogrammierung stellt den entscheidenden „Geburtsfehler“ für ein kommunales Unternehmen dar, weil damit die Unfähigkeit zu effizienter Steuerung und Kontrolle geradezu programmiert ist. Die Empfehlungen der Public Corporate Governance-Kodizes (PCGK) stellen dagegen lediglich „soft law“ dar. Eine gewissenhafte Umsetzung durch die kommunalen Vertretungsorgane und Implementierung in Unter­ nehmenssatzungen und Gesellschaftsverträgen wird maßgeblich vom politi­ schen Willen, den Wertvorstellungen und den moralischen Überzeugungen der Akteure zu guter und transparenter Unternehmensführung und aufga­ benadäquater Steuerung geprägt. Damit stehen die Empfehlungen der PCGK in der sprachgeschichtlichen Tradition des Publizitätsbegriffs, mit dem Kant die Einheit von Politik und Moral hergestellt sieht. 3. Rechtsformwahl Die grundsätzlich freie Wahl der Rechtsform ist als Ausfluss der kommu­ nalen Organisationshoheit Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie. Dies gilt auch für die Wahl der Handlungsform öffentlich-rechtlich organisierter Unternehmen gegenüber den Nutzern, während Gesellschaften ohne aus­ drückliche gesetzliche Ermächtigung nur privatrechtlich handeln können. Da die Rechtsform nur dienenden Charakter besitzt, muss sie für die mit ihr verfolgten öffentlichen Zwecke geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die Grenzen der Wahlfreiheit werden maßgeblich durch die verfassungs­ rechtlichen Anforderungen an die Ingerenzpflichten der Kommune, die Gewährleistung einer ununterbrochenen Legitimationskette zwischen dem Bürger und den Unternehmensorganen sowie durch einen diskriminierungs­ freien Zugang mit transparenten Konditionen für die Nutzer der Einrichtun­ gen und Dienstleistungen der Unternehmen bestimmt. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes, die Regelvorgabe des Funk­ tionsvorbehalts nach Art. 33 Abs. 4 GG, die Verfassungsgrundsätze des Demokratie-, Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzips sowie die Grundrechts­ bindung begrenzen neben einfachgesetzlichen Schranken das kommunale Auswahlermessen zusätzlich. Aus der grundrechtlichen Schutzpflicht ergibt sich auch ein Verbot, durch ungeeignete Organisationsstrukturen die Ein­



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen657

flussnahme- und Kontrollbefugnisse gegenüber den Unternehmen unverhält­ nismäßig zu erschweren oder gar zu vereiteln. Soweit Rechtsschutzdefizite für die Nutzer öffentlicher Einrichtungen und Unternehmen in Privatrechtsform durch das Verwaltungsprivatrecht nicht behebbar sind, kommt bei vergleichbarer Geeignetheit auch ein Vorrang öffentlich-rechtlicher Handlungsformen in Betracht. 4. Konfliktprävention Die Konkretisierung des öffentlichen Zwecks in den Unternehmenssat­ zungen und Gesellschaftsverträgen, ein qualifiziertes Beteiligungsmanage­ ment der Kommune und die Implementierung von Public Corporate Govern­ ance Kodizes sind unverzichtbare Bestandteile zur Stärkung der Transparenz und Sicherung der Publizität kommunaler Unternehmen und dienen der Vermeidung von Konflikten zwischen kommunalen und unternehmerischen Interessen. Kompetenzkonflikte mit staatlichen Aufgabenträgern und anderen Kom­ munen lassen sich durch eine grundsätzliche Beschränkung kommunaler Unternehmenstätigkeit auf die Angelegenheiten der eigenen Einwohner vermeiden. Für das Auswahlermessen der Kommune bei der Rechtsformwahl fordert das Rechtsstaatsprinzip den Verzicht auf undurchsichtige und verschachtelte Organisationsstrukturen für Dienstleistungen gegenüber dem Bürger, die insbesondere durch „Dreiecksbeziehungen“ einen effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG unangemessen beeinträchtigen können. Der Schutz von Konkurrenten bei wirtschaftlicher Betätigung im Wettbe­ werb mit Privaten verbietet Kommunen unlauteres Verhalten, insbesondere die Verquickung geschäftlicher Handlungen zur Förderung eigener Unter­ nehmen oder Beteiligungen mit ihrer Autorität als Hoheitsträger oder durch aggressives Auftreten am Markt. Auch bei Gewährung öffentlicher Mittel zur Unternehmenssteuerung sind die Kriterien der Altmark-Trans-Rechtspre­ chung zum Ausgleich für eine Betrauung des Unternehmens mit gemein­ wirtschaftlichen Verpflichtungen zu beachten, um ungerechtfertigte Wettbe­ werbsvorteile gegenüber Privatunternehmen zu vermeiden. 5. Gestaltungsvorschläge Die Hessische Gemeindeordnung gestattet als einzige eine Stärkung bür­ gerschaftlicher Partizipationselemente durch (Mehrheits-)Beteiligungen der Einwohner als Gesellschafter an wirtschaftlichen Unternehmen der Kommu­

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

ne nach dem Vorbild der Gemeindeordnung Hessens, insbesondere auf dem Gebiet der Erzeugung und Versorgung erneuerbarer Energien. Damit wird eine elementare örtliche Daseinsvorsorgeaufgabe durch lokale Wertschöp­ fung anstelle einer Beteiligung überregionaler Energieversorgungsunterneh­ men mit den Interessen der Bürger als Souverän und den materiellen Eigen­ tümern kommunaler Unternehmen verknüpft. Zugleich wird die Kapitalbasis dieser kommunalen Unternehmen für eine leistungsfähige Versorgung der Bevölkerung gestärkt. Die Gemeindeordnungen von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ermöglichen Gesellschaften, an denen ausschließlich bzw. mehrheitlich Kommunen und andere Körperschaften beteiligt sind, durch eine Satzungsbzw. gesetzliche Ermächtigung die Erfüllung von Selbstverwaltungsaufga­ ben in öffentlich-rechtlichen Handlungsformen. Sie vermeiden dadurch Nachteile für den Rechtsschutz der Bürger, die bei einer rechtlichen „Drei­ ecksbeziehung“ Bürger – Kommune – Unternehmen und bei Beschreitung des Zivilrechtsweges entstehen können. Damit stärken sie auch die Publizi­ tät kommunaler Gesellschaften und ermöglichen eine rechtsaufsichtliche Kontrolle dieser Handlungsform. Für kommunale (Minderheits-)Beteiligungen an Gesellschaften, bei denen der öffentliche Zweck für die Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben weggefallen ist, sieht die Thüringer Kommunalordnung als Alternative zu einer meist mit wirtschaftlichen Einbußen verbundenen Veräußerung der Unternehmensanteile vor, der Kommune zu gestatten, die Geschäftsanteile oder Aktien in eine Kapitalbeteiligung als reine Vermögensanlage ohne kommunalrechtliche Restriktionen umzuwandeln. Ähnliche Ziele verfolgt auch Brandenburg für Minderheitsbeteiligungen. Die dargestellten Modelle sind grundsätzlich auch für eine Übernahme durch andere Bundesländer geeignet.

Zu Kapitel 4 Unternehmenssteuerung und Kontrolle 1. Verschwiegenheitspflichten Die Pflicht von Organen öffentlicher, auch gemischt-wirtschaftlicher ­ nternehmen, über vertrauliche Angaben sowie Betriebs- und Geschäfts­ U geheimnisse Verschwiegenheit zu bewahren, hat im Gegensatz zu Unterneh­ men der Privatwirtschaft ihre Grundlage nicht im „privatum“, der unterneh­ menseigenen Privatsphäre. Vielmehr leitet sie sich vom öffentlichen Unter­ nehmensträger ab und wurzelt damit im „secretum“ als der rechtfertigungsbe­



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen659

dürf­ti­gen Ausnahme zu kompetenzgebundener Publizität, die der Kommune durch den Wahlakt vom Bürger als Souverän verliehen wurde. Den Unternehmensorganen obliegt die Verpflichtung zur Verschwiegen­ heit über Unternehmensinterna als Ausfluss der Treuepflicht zum Schutz vor einer Beeinträchtigung der wahrzunehmenden Aufgaben durch unterneh­ mensfremde Dritte. 2. Informationsbeschaffung Der Beschaffung von Informationen durch die Kommune stehen bei rechtlich unselbstständigen öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmen keine Verschwiegenheitspflichten der Unternehmensorgane entgegen. Bei rechtlich selbstständigen Anstalten des öffentlichen Rechts (Kommunalun­ ternehmen) kann ein Zugriff auf steuerungsrelevante Informationen für den Anstaltsträger durch die Unternehmenssatzung umfassend gestaltet werden, da Landesrecht die Unternehmensorgane von Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem Anstaltsträger freistellt. Umso wichtiger ist deshalb, dass die kommunalen Vertretungsorgane zum Schutz von Unternehmensinteressen ihre eigenen Verschwiegenheitspflichten gegenüber Dritten beachten. Bei kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform, insbesondere Aktien­ gesellschaften, führen neben der rechtlich verselbstständigten Organisation­ struktur zwingende gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten zu Defiziten bei der Beschaffung unternehmensintern verfügbarer Informatio­ nen, die zur wirksamen Steuerung und Kontrolle durch die Anteilseigner bzw. Gesellschafter benötigt werden. Lediglich die §§ 394, 395 AktG räu­ men Gebietskörperschaften gegenüber sonstigen Anteilseignern Privilegien zur Informationsgewinnung von den „eigenen“ Aufsichtsratsmitgliedern ein. Gegenüber dem eigenverantwortlichen Vorstand einer Aktiengesellschaft gestattet nur Konzernrecht durch einen Beherrschungsvertrag den ungehin­ derten Informationszugriff auf Unternehmensinterna. Für die GmbH dagegen gewährt § 51a GmbHG dem einzelnen Gesellschaf­ ter einen umfassenden Auskunftsanspruch gegenüber der Geschäftsführung. Zumindest für Mitglieder eines obligatorischen Aufsichtsrats sind die Regeln der §§ 394, 395 AktG entsprechend anzuwenden, während sich die Gesell­ schafterversammlung bei der GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat im Gesell­ schaftsvertrag ohnehin umfassende Informationsrechte vorbehalten kann. Je geringer Informationszugangsrechte zur Unternehmenssteuerung und Kontrolle für den Unternehmensträger aufgrund der Organisationsstruktur der Unternehmen ausgestaltet werden können, umso weniger geeignet ist deren Rechtsform entsprechend der Bedeutung der jeweiligen Aufgabener­ füllung im Interesse der Bürger. Durch ein „Verwaltungsgesellschaftsrecht“

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

für öffentliche Unternehmen können zwingende gesellschaftsrechtliche Be­ stimmungen nicht modifiziert werden, vielmehr hat die Kommune auf un­ geeignete Organisationsformen zu verzichten. 3. Berichtsadressaten Die Informationsprivilegien der §§ 394, 395 AktG gestatten den von der Kommune entsandten oder auf deren Veranlassung gewählten Aufsichtsrats­ mitgliedern eine Berichterstattung über vertrauliche Angaben und Unterneh­ mensgeheimnisse gegenüber der Entsendungskörperschaft, soweit gesetzli­ che Vorschriften solche Berichtspflichten zur Verwaltung oder Prüfung der Unternehmen oder Beteiligungen vorsehen. Neben dem Bürgermeister und den Mitarbeitern der Beteiligungsverwal­ tung zählt entgegen der bisher herrschenden Auffassung auch die kommu­ nale Volksvertretung zum Kreis der zulässigen Berichtsadressaten. Dies lässt sich aus der Interpretation des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn der Vorschrift nachweisen. Für eine Begrenzung auf be­ stimmte Organe der Kommune würde dem Bund auch die Gesetzgebungs­ kompetenz fehlen. Die vom Souverän abgeleitete unmittelbare Legitimation der kommunalen Volksvertretung fordert geradezu dessen politische Prü­ fungsbefugnis und damit auch das Recht zur Beschaffung aller Informatio­ nen, die zur wirksamen Steuerung und Kontrolle erforderlich sind. Diese Befugnis kann sie nach eigenem Ermessen selbst ausüben oder nachgeord­ neten Verwaltungseinheiten übertragen. 4. Konzernrecht Ein Konzern wird entweder aufgrund eines Beherrschungsvertrags oder als faktischer Konzern wie eine wirtschaftliche Einheit geführt. Herrschen­ des Unternehmen eines Konzerns kann auch eine Kommune sein. Zweck des Konzernrechts ist es, Minderheitsaktionäre bzw. -gesellschafter und Gläubiger der abhängigen Gesellschaften vor einer Durchsetzung gesell­ schaftsfremder Interessen des herrschenden Unternehmens zu schützen. Ein Beherrschungsvertrag gegenüber Aktiengesellschaften als abhängigen Unternehmen bringt durch Weisungsbefugnisse gegenüber dessen Vorstand für das herrschende Unternehmen nicht nur Steuerungsvorteile, sondern auch Haftungsrisiken durch die vollständige Ausrichtung des abhängigen Unternehmens auf das Konzerninteresse. Unterschiedliche Auffassungen über deren Vereinbarkeit mit Kommunalrecht haben einzelne Länder veran­ lasst, Kommunen aus dem Kreis der herrschenden Unternehmen auszu­ schließen und sie damit auf die Zwischenschaltung einer Holding verwiesen.



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen661

Während eine GmbH als Eigengesellschaft oder ein Kommunalunterneh­ men als Holding zur Konzernsteuerung gut geeignet sind, scheidet die Ak­ tiengesellschaft wegen der Weisungsunabhängigkeit des Vorstandes und der Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsrates dafür aus. Ein faktischer Konzern wird bei kommunalen Eigengesellschaften mit Tochter und Enkelunternehmen ohne Beherrschungsvertrag infolge steuern­ der Einflussnahme auf die Unternehmen vermutet. Bei objektiv nachteiliger Einflussnahme des herrschenden Unternehmens bzw. der Kommune auf abhängige Unternehmen gestattet das Haftungsprivileg des § 311 Abs. 2 Satz 1 AktG einen erst später kompensierbaren Ausgleich finanzieller Nach­ teile. Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand einer abhängigen Aktienge­ sellschaft entstehen im faktischen Konzern für das herrschende Unternehmen ebenso wenig wie Auskunftsrechte für außenstehende Aktionäre nach § 131 Abs. 4 AktG. Für den GmbH-Konzern, sowohl als faktischen wie auch als Vertragskon­ zern, gilt das Haftungsprivileg des Aktiengesetzes nicht. Durch die konkre­ te Ausrichtung des Gesellschaftsvertrags auf den öffentlichen Zweck wird jedoch eine Haftung für darauf beruhende objektiv nachteilige Weisungen vermieden. 5. Minderheitsbeteiligungen Bei Minderheitsbeteiligungen soll die Kommune auf einen angemessenen Einfluss in den Organen der Unternehmen hinwirken. Durch Absprachen zur Wahl von Mitgliedern eines fakultativen Aufsichtsrats oder für die Be­ stellung von Vertretern in der Gesellschafterversammlung kann sich eine Kommune ggf. mit anderen Gebietskörperschaften weitergehende Rechte zur Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen einräumen lassen. Ge­ lingt das nicht, sollte sie ganz auf eine Minderheitsbeteiligung verzichten oder eine wirtschaftlich rentierliche Beteiligung zur reinen Vermögensanlage nutzen. 6. Legitimationsverbund Zwischen dem Bürger als Souverän und den Organen kommunaler Unter­ nehmen bzw. Mehrheitsbeteiligungen muss eine ununterbrochene Legitima­ tionskette bestehen. Sie umfasst eine organisatorisch-personelle Legitimati­ onskomponente durch den Bestellungsakt und für Entscheidungen dieser Unternehmensorgane eine sachlich-inhaltliche Legitimationskomponente durch Bindung an die Vorgaben der vom Volk direkt oder durch seine Re­ präsentanten getroffenen Willensentscheidungen zur Steuerung und Kontrol­

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

le. Durch das Zusammenwirken der Legitimationskomponenten ist ein hin­ reichend effektives Legitimationsniveau zu gewährleisten. Nach dem von der Literatur entwickelten „Prinzip abgestufter Stringenz“ kann dieses Ni­ veau abhängig von der Bedeutung der Selbstverwaltungsaufgabe umso stärker ausgedünnt sein, je weiter die wahrgenommene Aufgabe vom Kern­ bereich der kommunalen Selbstverwaltung entfernt ist. Für Aufgaben, auf die der Bürger „unentrinnbar“ angewiesen ist, bedarf es eines besonders hohen Legitimationsniveaus und damit entsprechender Organisationsstruktu­ ren. Dieses Modell bedarf jedoch im Legitimationsstrang des Bürgers zum Aufgabenträger einer Ergänzung in Form eines „Legitimationsverbunds“ zwischen dem Bürger, der Kommune und dem Unternehmen, um ein insge­ samt effektives Legitimationsniveau zu gewährleisten. Denn die Gefahr ei­ ner Aushöhlung seines Wahlrechts durch einen ausgedünnten Legitimations­ strang zwischen Kommune und Unternehmen ist für den Bürger umso höher, je weiter die wahrgenommene Aufgabe vom Kern der Selbstverwaltung entfernt und je geringer dadurch der Einfluss der Kommune ausgeprägt ist. Dem Bürger müssen gegenüber dem verantwortlichen Aufgabenträger des­ halb umso wirksamere (partizipative) Ingerenzrechte zustehen, je stärker die Wahlrechtsgrundsätze durch Sinnentleerung des Wertgehalts seines Wahlak­ tes gefährdet sind (vgl. Kapitel 5 Abschnitt B.). 7. Weisungsrechte Nach der Beschaffung von Informationen sind Weisungsrechte gegenüber den legitimierten Unternehmensorganen die wichtigsten Instrumente einer steuernden Einwirkung und Ausübung von Kontrolle. Sie sind bei Eigenbetrieben und vergleichbaren Regiebetrieben rechtlich unproblematisch. Bei Kommunalunternehmen kann die Unternehmenssat­ zung Weisungen für den eigenverantwortlichen Vorstand nur vorsehen, so­ weit Aufgaben an den Verwaltungsrat übertragen sind. Zu Überwachungs­ aufgaben des Verwaltungsrates sind Weisungen unzulässig. Sind einem Kommunalunternehmen bestimmte Aufgaben von der Kommune vollständig übertragen, beschränkt sich deren Einflussnahme auf die Anstalts- bzw. Gewährträgerhaftung, soweit diese nicht durch Landesrecht ausgeschlossen ist. Wurden Aufgaben nur zur Wahrnehmung für die Kommune übertragen, muss die Unternehmenssatzung ausreichende Steuerungs- und Kontrollbe­ fugnisse zur Aufrechterhaltung ihrer Gewährleistungsverantwortung gegen­ über dem Bürger enthalten. Bei Unternehmen in privatrechtlichen Organisationsformen bestimmt Ge­ sellschaftsrecht die zulässige Dosis steuernder Einflussnahme auf die Unter­ nehmensorgane. Die Zulässigkeit von Weisungen hängt dabei von der



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen663

Rechtsform und davon ab, welches Unternehmensorgan Weisungsempfänger sein soll, für die Anwendung der Mitbestimmungsregelungen außerdem von der Unternehmensgröße. Für die zulässigen Inhalte von Weisungen sind bei binnenmarktrelevanten Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse die Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergabevorschriften des Unions­ rechts und für geschäftliche Handlungen von Unternehmen und deren Trä­ gern im Markt das Lauterkeitsrecht zu beachten. Weisungen können gesellschaftsrechtlicher Natur sein, einem Auftrags­ verhältnis entspringen oder unter Ausnutzung der Spielräume des vorrangi­ gen Gesellschaftsrechts kommunal(verfassungs-)rechtlich begründet werden. Für organschaftliche Vertreter der Kommune in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und der Gesellschafterversammlung einer GmbH bestimmt sich die Zulässigkeit von Weisungen nach Kommunalverfassungs­ recht, für weitere zulässige Vertreter in diesen Unternehmensorganen aus einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis. Gesellschaftsrecht steht Weisungen gegenüber Vertretern in diesen Organen nicht entgegen. Die Zulässigkeit von Weisungen gegenüber den von Kommunen entsand­ ten oder auf ihre Veranlassung gewählten Aufsichtsratsmitgliedern steht da­ gegen unter dem Vorbehalt des Gesellschaftsrechts. Diese sind nicht Vertreter der Kommune, sondern eigenverantwortliche Repräsentanten der Interessen ihrer Gebietskörperschaft. Sowohl die Mitglieder des obligatorischen als auch des fakultativen Aufsichtsrats sind im Hinblick auf ihre Funktion als unternehmensinternes Überwachungsorgan weisungsunabhängig. Kommunalrechtliche Ermächtigungen zu Weisungen können entgegenste­ hendes zwingendes Gesellschaftsrecht weder korrigieren noch durch sog. Verwaltungsgesellschaftsrecht modifizieren. Gegenüber Mitgliedern fakultativer Aufsichtsräte sind Weisungen auch zu Aufgaben, die nicht die Überwachungsbefugnisse berühren, unzulässig. Sie sind infolge der Weisungsbefugnisse gegenüber den Vertretern der Kommu­ ne in der Gesellschafterversammlung und infolge der umfassenden Informa­ tionspflichten der Geschäftsführung nach § 51a GmbHG nicht zur Unter­ nehmenssteuerung erforderlich. Gegenüber Mitgliedern von Aufsichtsräten stellen kommunalrechtliche Weisungen Verwaltungsakte dar, die, soweit die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats nicht betroffen ist, nur zulässig sind, wenn sie auf einer ge­ setzlichen Grundlage beruhen und zur Ausübung von Steuerungs- und Kontrollbefugnissen der Kommune erforderlich, geeignet und angemessen sind. Weisungen an den eigenverantwortlichen Vorstand einer Aktiengesell­ schaft schließt Gesellschaftsrecht, außer bei der Eingliederung als abhängi­

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

ges Unternehmen in einen Vertragskonzern, zwingend aus. Gegenüber der Geschäftsführung einer GmbH gestattet Gesellschaftsrecht Weisungen nur Unternehmensorganen selbst. Die Kommune kann Weisungen deshalb nur an ihre Vertreter in der Gesellschafterversammlung richten. Abweichende Regelungen sind, abgesehen von einem Beherrschungsvertrag nach GmbHKonzernrecht, auch nicht durch Gesellschaftsvertrag möglich. Bleiben Ingerenzbefugnisse gegenüber den für die Unternehmenssteue­ rung zuständigen Organen hinter den kommunalrechtlich gebotenen Inge­ renzpflichten zurück, bedarf es zusätzlicher Kontrollinstrumente, wie eines konzernrechtlichen Beherrschungsvertrages oder des Verzichts auf diese Organisationsform, um das erforderliche Legitimationsniveau für die jewei­ lige kommunale Aufgabe zu gewährleisten. 8. Vereinbarungen Durch Stimmbindungsverträge können sowohl Aktionäre als auch GmbHGesellschafter schuldrechtlich Mehrstimmrechte bzw. stimmrechtslose Ge­ sellschaftsanteile untereinander vereinbaren. Häufig anzutreffen sind auch Vereinbarungen, mit denen entsandte Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet werden, ihr Mandat in bestimmter Weise im Interesse der Entsendungskör­ perschaft auszuüben. Diese verstoßen jedoch nur dann nicht gegen zwingen­ des Gesellschaftsrecht, wenn die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds in seiner Überwachungsfunktion gegenüber der Unternehmensleitung unbe­ rührt bleibt. Konkrete Zielvereinbarungen zwischen der Geschäftsführung einer GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat und Vertretern ihres kommunalen Mehrheits­ gesellschafters zu Gegenständen des operativen Geschäfts, etwa zu Finanz­ zielen, Benchmarking oder Qualitätsmanagement, sind zulässig und auch als Maßstab für die Zielkontrolle durch die Beteiligungsverwaltung der Kom­ mune geeignet. Bei einer Aktiengesellschaft und der GmbH mit obligatori­ schem Aufsichtsrat jedoch sind Zielvereinbarungen Bestandteil des Anstel­ lungsvertrages des Vorstands bzw. Geschäftsführers. Sie können damit zu­ lässigerweise nur mit dem Aufsichtsrat, nicht aber mit einem Aktionär als Anteilseigner oder dem Vertreter eines Mehrheitsgesellschafters geschlossen werden. Zulässig sind auch Konsortialverträge unter mehreren Aktionären oder Gesellschaftern, die Gegenstände der künftigen Unternehmenssteuerung betreffen, die nicht in der Unternehmenssatzung oder dem Gesellschaftsver­ trag geregelt werden können, weil sie sich auf eine langfristige Unterneh­ mensstrategie, die Modalitäten einer Aufnahme weiterer Gesellschafter oder die Vorbereitung einer Konzernstruktur beziehen.



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen665

Durch Konzessionsvertrag kann für bestimmte Unternehmensentscheidun­ gen auch unterhalb einer Mehrheitsbeteiligung der Kommune eine sachlichinhaltliche Legitimation begründet werden. Der Konzessionsvertrag darf allerdings nicht dazu missbraucht werden, der minderheitsbeteiligten Kom­ mune eine gesellschaftsrechtlich unzulässige Einflussnahme auf Unterneh­ mensorgane zu verschaffen. Eine in der Praxis nicht seltene rein informelle Einflussnahme kommuna­ ler Vertretungsorgane insbesondere auf Leitungsorgane der Unternehmen ist geeignet, Verantwortlichkeiten zu verschleiern und durch fehlende Transpa­ renz der Entscheidungsprozesse die vom Demokratie- und Rechtsstaatsprin­ zip geforderte Publizität zu beeinträchtigen. 9. Rechtsaufsicht Auf kommunaler Ebene kann mit präventiven und mit repressiven Auf­ sichtsinstrumenten die Einhaltung der Grenzen der Selbstverwaltung und die Wahrung des Rechts sichergestellt werden. Mit den präventiven Instrumenten der Anzeige- und Genehmigungspflicht kann durch die staatliche Rechtsaufsicht bereits vor einer Unternehmens­ gründung oder Beteiligung auf die Einhaltung und Konkretisierung des öf­ fentlichen Zwecks und der übrigen Schranken unternehmerischer Betätigung hingewirkt werden. Die unternehmensbegleitende Rechtsaufsicht mit dem Unterrichtungs­ recht, der Beanstandung und Ersatzvornahme bis zur Bestellung eines Be­ auftragten reduziert sich dagegen im Wesentlichen auf die Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Da die Kriterien im Einzelfall nur schwer quantifizierbar sind, bedeutet dies in der Praxis ledig­ lich eine anlassbezogene Plausibilitätskontrolle der rechtmäßigen Ausübung des kommunalen Ermessens. Sie wird jedoch durch die überörtliche Rech­ nungsprüfung ergänzt. Im Gegensatz zu Eigen- und Regiebetrieben sowie dem Kommunalunter­ nehmen als eigenem Objekt staatlicher Aufsicht unterliegen privatrechtlich organisierte Unternehmen nicht der staatlichen Aufsicht. Bei diesen be­ schränkt sich, soweit für eine Überprüfung Anlass besteht, die Rechtsauf­ sicht gegenüber dem Aufgabenträger darauf, ob er seine Ingerenz- und Kontrollpflichten erfüllt.

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

10. Jahresabschlussprüfung Kommunale Unternehmen, die ein Handelsgewerbe betreiben, unterliegen der Wirtschaftlichkeits- und Rechtskontrolle nach § 264 ff. des Handelsge­ setzbuchs und gemäß Landesrecht unabhängig von ihrer Größe den Vor­ schriften über die Prüfung großer Kapitalgesellschaften durch unabhängige externe Wirtschaftsprüfer. Unter den in § 53 HGrG genannten Voraussetzun­ gen kann auch eine erweiterte Abschlussprüfung erfolgen, die eine Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung umfasst. Für Eigenbetriebe und Kommunalunternehmen sieht Landesrecht vergleichbare Prüfungsstan­ dards vor. 11. Betätigungsprüfungen Objekt von Betätigungsprüfungen sind die Kommunen als Unternehmens­ träger, nicht aber ihre Unternehmen oder Beteiligungen selbst. Die gesellschaftsrechtliche Betätigungsprüfung der Kommune nach § 54 HGrG und die kommunalrechtliche Betätigungsprüfung in den einzelnen Ländern unterscheiden sich nach ihrer Rechtsnatur und den Prüfungszielen. Die gesellschaftsrechtliche Betätigungsprüfung dient der Aufdeckung von Defiziten der Kommune und ihrer Beteiligungsverwaltung. Für die Wahr­ nehmung der Informationsrechte nach § 54 HGrG beim Unternehmen selbst gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegenüber einer vorrangigen Informationsbeschaffung bei der Kommune selbst. Im Konfliktfall steht dem Unternehmen der Zivilrechtsweg offen. Mit der kommunalrechtlichen Betätigungsprüfung soll die Wahrnehmung der Pflichten der Vertreter und Repräsentanten der Kommune zur Steuerung und Kontrolle der Unternehmen und bei Unternehmen in Privatrechtsform auch die Einhaltung der Spielräume des Gesellschaftsrechts kontrolliert werden, wobei Doppelprüfungen zu vermeiden sind. Die Anforderung von Informationen hierzu beim Unternehmen ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren und im Verwaltungsrechtweg überprüfbar. Ein subjektiv-öffentliches Recht des Unternehmens auf Beachtung der Grenzen der Betätigungsprüfung durch die örtliche und die überörtliche Rechnungsprüfung folgt daraus, dass diese auch dem Schutz der Interessen des Unternehmens dient, der ausschließlich dessen Organen obliegt.



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen667

Zu Kapitel 5 Gesellschaftsbezogene Publizität und Ingerenzanspruch der Bürger 1. Offenlegungspflichten Für kommunale Unternehmen bestehen die Pflichten zur Rechnungsle­ gung und Bekanntmachung bzw. Offenlegung der Ergebnisse ihrer Betäti­ gung gegenüber der Allgemeinheit. Hierbei handelt es sich um Aspekte von Publizität in ihrer Grundbedeutung, dem Synonym für Zugänglichkeit. Für die Rechnungslegung von Eigenbetrieben und vergleichbar organi­ sierten Regiebetrieben gelten grundsätzlich die Bestimmungen des kommu­ nalen Haushalts-, Kassen- und Prüfungswesens. Für Kommunalunternehmen und Unternehmen in Privatrechtsform schreiben die Kommunalgesetze re­ gelmäßig die Anwendung des Dritten Buchs des HGB für große Kapitalge­ sellschaften zur Überprüfung der Rechtskonformität und Ordnungsmäßigkeit ihres Rechnungswesens vor. Unterschiedlich regelt Landesrecht für öffentlich-rechtlich organisierte kommunale Unternehmen die Bekanntmachung der Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses mit dem Prüfvermerk. In keinem Bun­ desland ist für diese Unternehmen der Jahresabschluss mit dem Lagebericht selbst bekanntzumachen. Im Gegensatz dazu sind für alle Kapitalgesellschaften und Kommunalun­ ternehmen, die ein Handelsgewerbe betreiben, nach § 325 HGB der gebil­ ligte Jahresabschluss, der Lagebericht, der Prüfungsbericht und bei Aktien­ gesellschaften sowie GmbHs mit obligatorischem Aufsichtsrat außerdem der Prüfbericht des Aufsichtsrats durch Offenlegung im elektronischen Bundes­ anzeiger unverzüglich bekanntzumachen. Diese Verpflichtung dient nach der Rechtsprechung des EuGH nicht dem Schutz von Gläubigern oder Anteilseignern, sondern dem Interesse der All­ gemeinheit, des Marktes und der Marktteilnehmer. Jedermann hat kostenlosen Zugang zu allen im Unternehmensregister offengelegten Unternehmensunterlagen, doch entfaltet dessen Inhalt weder positiven noch negativen Vertrauensschutz für die Richtigkeit. Dieser be­ steht nur für die im Handelsregister eingetragenen Tatsachen nach § 15 HGB. Der nach allen Kommunalgesetzen jährlich zu erstellende und öffentlich bekanntzumachende Beteiligungsbericht gibt infolge der Verpflichtung zum Schutz geheimhaltungsbedürftiger Unternehmensdaten für die Ratsmitglie­ der lediglich retrospektiv einen zusammenfassenden Überblick über die ei­

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

genen Unternehmen und Beteiligungen und dient der Information der Be­ völkerung. Er ist deshalb kein ausreichendes Informationsmedium zur Un­ ternehmenssteuerung. 2. Sitzungsöffentlichkeit Publizität in Bezug auf die Gesellschaft ist Voraussetzung für eine beglei­ tende Kontrolle staatlicher Herrschaftsausübung, die nur auf der Grundlage ausreichender Information möglich ist. Im Gegensatz zum Grundsatz der Öffentlichkeit von Sitzungen der kom­ munalen Vertretungsorgane tagen alle Gremien privatrechtlich organisierter Unternehmen und auch die Verwaltungsräte von Kommunalunternehmen grundsätzlich nichtöffentlich. Während bei der GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat dispositives Gesell­ schaftsrecht eine Bekanntgabe der im Aufsichtsrat zu behandelnden Tages­ ordnungspunkte, nicht aber deren Ergebnisse, gestattet, steht einer ver­ gleichbaren Regelung bei der Aktiengesellschaft und der GmbH mit obliga­ torischem Aufsichtsrat zwingendes Gesellschaftsrecht entgegen. Abgesehen von der Zuziehung von Beratern oder Sachverständigen durch Aufsichtsratsbeschluss sind Nichtmitglieder mit Ausnahme des hierzu ver­ pflichteten Abschlussprüfers von einer Teilnahme an den Verhandlungen des Aufsichtsrats ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere für die Entscheidungs­ findung. Ein allgemeines Teilhaberecht steht damit auch nicht den Mitarbei­ tern der Beteiligungsverwaltung zu. Der Aufsichtsrat selbst kann jedoch zu bestimmten Angelegenheiten im Unternehmensinteresse Tagesordnungs­ punkte in einem öffentlichen Teil der Aufsichtsratssitzung behandeln. 3. Organmitgliedschaftliche Interessenkonflikte Die Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern im Verwaltungsrat eines Kommunalunternehmens nach den Personalvertretungsgesetzen der Länder und die betriebliche Mitbestimmung bei privatrechtlich organisierten kom­ munalen Unternehmen ist Ausfluss einer auf dem Sozialstaatsprinzip beru­ henden gesetzlichen Regelung und dient der Grundrechtsausübung der Be­ schäftigten. Sie ist nicht Partizipation an der Ausübung von Staatsgewalt, die auf einer vom Volk abgeleiteten Legitimation beruht. Ein Interessenkonflikt kann aus dem dualistischen Spannungsverhältnis zwischen dem Unternehmensinteresse und den Arbeitnehmerbelangen für deren Vertreter in einem Unternehmensorgan bei Entscheidungen über Ta­ rifentgelte oder die Ausgestaltung von Beschäftigungskonditionen im Inter­



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen669

esse der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens entstehen, der im Kon­ fliktfall nur durch Stimmenthaltung oder Nichtteilnahme lösbar ist. Vergleichbare Interessenkonflikte bestehen bei Kenntnis von vertraulichen Informationen zu Unternehmensentscheidungen und dem Belegschaftsinter­ esse an deren Bekanntgabe. Diese obliegt jedoch gegenüber Dritten, zu denen auch der Betriebsrat zählt, nicht dem Aufsichtsrat als Innenorgan, sondern der Geschäftsleitung. Besondere Interessenkonflikte entstehen für Vertreter von Kreditinstituten zwischen der nebenamtlichen Mitgliedschaft in Unternehmensorganen eines Beteiligungsunternehmens und seinen Pflichten aus der Haupttätigkeit ins­ besondere, wenn es sich um Vorstände von Kreditinstituten handelt. Sowohl für Finanzierungen des Beteiligungsunternehmens selbst als auch für deren Geschäftspartner und Kunden können Insider-Kenntnisse durch Transpa­ renzdefizite erhebliche wirtschaftliche Risiken und Folgen bergen. Durch PCGK-Regelungen können diese zwar gemildert, aber nur durch den Ver­ zicht auf eine solche Beteiligung an einem kommunalen Unternehmen vermieden werden. 4. Ratsmitgliedschaft Ratsmitgliedern können die zur Ausübung ihres freien Mandats erforder­ lichen Auskunfts-, Informations- und Fragerechte im Gremium weder durch Beschluss noch durch Geschäftsordnung entzogen werden. Ein subjektives Recht auf Information über verwaltungsinterne Vorgänge steht ihnen jedoch ebenso wenig zu wie ein Recht auf Teilnahme an Sitzungen kommunaler Gremien, denen sie nicht angehören. Die zur Mitwirkung an den Steue­ rungs- und Kontrollaufgaben erforderlichen Informationen dürfen einzelnen Gremiumsmitgliedern vom Bürgermeister als gleichberechtigtem Mitglied auf Nachfrage nicht vorenthalten werden. Auch gegenüber weitergehenden allgemeinen Informationsansprüchen nach Umweltinformations- oder Infor­ mationsfreiheitsgesetzen dürfen Ratsmitglieder nicht schlechter gestellt werden. Das dem einzelnen Ratsmitglied durch die Wahl verliehene Mandat bein­ haltet nur ein umfassendes Teilhabe- und Mitgestaltungsrecht an Entschei­ dungen der vom Volk nur als Kollegialorgan insgesamt demokratisch legi­ timierten Vertretung. Ohne ausdrückliche Beauftragung, Entsendung oder Wahl auf Veranlas­ sung des Rates kann deshalb ein einzelnes Ratsmitglied den Organen kom­ munaler Unternehmen keine demokratische Legitimation vermitteln. Man­ gels einer unmittelbaren individuellen Rechtsbeziehung zu den kommunalen Unternehmen steht er insoweit unternehmensfremden Dritten gleich.

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

5. Kommunale Ratsfraktionen Bei den Ratsfraktionen wird zwischen dem Innenverhältnis zu den Mitglie­ dern und dem Außenverhältnis zu den Organen der Kommune unterschieden. Umfang und Grenzen der Mitwirkungsrechte von Fraktionen und Wählerge­ meinschaften werden im Einzelnen durch Kommunalrecht unterschiedlich ausgestaltet, wobei dem grundsätzlich freien Mandat ihrer Mitglieder nicht die Fraktionsdisziplin, wohl aber ein Fraktionszwang entgegensteht. Die Rechtsnatur von Ratsfraktionen wird von der Rechtsprechung dem öffentlichen Recht und damit nicht mehr dem gesellschaftlichen Bereich als bloßen Aktionsgruppen politischer Parteien zugeordnet, soweit die Kommu­ nalgesetze oder die Geschäftsordnungen des Rates den Fraktionen (und ggf. auch Wählergruppen) Teilhabe- und Mitwirkungsrechte im Interesse ihrer Mitglieder einräumen. Der BayVGH hat sie als nichtrechtsfähige bürgerlichrechtliche Vereine qualifiziert, weil sie in der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern nicht erwähnt werden. Der Aufgabenstellung und den auch in Bayern durch Geschäftsordnungen eröffneten Mitwirkungsbefugnissen von Gemeinderatsfraktionen bei der Vorbereitung von Entscheidungen ihrer Mitglieder trägt diese Auffassung nicht ausreichend Rechnung. Sie sollte deshalb korrigiert werden. 6. Publizitätspflichten gegenüber Medien Der freiheitlich demokratischen Grundordnung entspricht ein Verhalten von Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Of­ fenheit geprägt ist und damit den Medien eine wahrheitsgemäße Berichter­ stattung für die Bürger ermöglicht. Medienberichte, die zur „gemeinnützi­ gen“ Bildung einer öffentlichen Meinung beitragen wollen, sind im Mei­ nungskampf privilegiert, indem sie bei Beachtung journalistischer Sorgfalts­ pflichten die Vermutung ihrer Zulässigkeit für sich in Anspruch nehmen können. Dies gilt auch, wenn sie die Rechtssphäre Anderer berühren, wobei gerade Internet oder soziale Netzwerke die Durchsetzung von Persönlich­ keitsrechten der Betroffenen zusätzlich erschweren können. Der Auskunfts­ anspruch der Medien ist zweckgebunden und dient nur der Erfüllung dieser „öffentlichen Aufgabe“, und zwar auch, soweit Landespressegesetze hierzu keine Aussage treffen. Für Behörden als „privilegierten Quellen“ stellen Auskunftsverlangen der Medien zu nicht öffentlich zugänglichen Informationen infolge ihrer Grund­ rechtsbindung dagegen besondere Anforderungen an Schutz- und Sorgfalts­ pflichten gegenüber auskunftsbetroffenen Personen, zumal sie die Medien von eigenen Recherchepflichten befreien. Einem Auskunftsanspruch unter­



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen671

liegt grundsätzlich auch die Tagesordnung nichtöffentlicher Sitzungen kom­ munaler Gremien, da betroffene Bürger auch hierzu ein Informationsinter­ esse besitzen können. Bei einer Auskunftverweigerung sind mindestens die Versagungsgründe mitzuteilen. Der presserechtliche Behördenbegriff ist eigenständig und umfasst auch kommunale Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform. Gegen sie kann sich ein presserechtlicher Auskunftsanspruch unmittelbar richten, auch soweit die Aufgabenverantwortlichkeit beim Unternehmensträger liegt. Bei Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen Privater beschränkt sich der An­ spruch zu deren Schutz auf die spezifischen kommunalen Belange. Aus der Verschwiegenheitspflicht der Unternehmensorgane gegenüber gesellschaftsfremden Dritten folgt kein generelles Auskunftsverweigerungs­ recht der Unternehmensleitung, doch kann die Auskunft gegenüber den Medien verweigert werden, soweit die Unternehmensleitung dies auch ge­ genüber Aktionären nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 AktG dürfte. Bei der Abwägung sind vernünftigerweise auch die Auswirkungen einer Auskunft auf Kunden und private Geschäftspartner zu berücksichtigen. Bei Auskunftsbegehren der Medien zu individuellen Gehältern von Lei­ tungsorganen kommunaler Unternehmen ist eine Abwägung zwischen deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Allgemeininteresse an Transparenz der Gehaltsstruktur vorzunehmen, soweit der Einzelne nicht einer Veröffentlichung seiner Bezüge zugestimmt hat. Hierauf hat die Kom­ mune für Leitungsorgane ihrer Unternehmen hinzuwirken. 7. Informationsfreiheitsregelungen Der Staat des Grundgesetzes ist zwar „Staat in Öffentlichkeit“, doch kennt auch er wie jede andere freiheitliche Demokratie „arkana imperii“, ohne die kein Gemeinwesen auskommt. Ein voraussetzungsloser, gegen­ ständlich unbeschränkter Informationsanspruch gegenüber der Verwaltung lässt sich aus den grundrechtlichen Gewährleistungen nicht ableiten. Ver­ gleichbar mit dem freien Zugang zu Dokumenten der Europäischen Union sieht im nationalen Recht nur Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg für jedermann ein subjektives Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen vor, soweit nicht überwiegende öffentliche Belange entgegenstehen. Einen Paradigmenwechsel haben die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder zur Herstellung umfassender Transparenz anstelle des „Arkanprinzips“ eingeleitet. Dieser ist vom Umweltinformationsrecht durch die Aarhus-Konvention vorbereitet worden. Die Informationsfreiheits­

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

gesetze gewähren jedermann auch einen Anspruch auf Zugang zu allen bei kommunalen Unternehmen vorhandenen Informationen, soweit nicht Be­ triebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder die Vertraulichkeit von Angaben entgegenstehen. Soweit einzelne Bundesländer, wie Bayern, keine entsprechenden Gesetze erlassen haben, hat eine Reihe von Kommunen eigene Informationsfreiheits­ satzungen für den eigenen Wirkungskreis geschaffen. Da diese Satzungen aber nicht zu Eingriffen in Rechte Dritter ermächtigen, sind sie weitgehend dem schönen Schein von Transparenz gewidmet. Insbesondere das Umweltinformationsrecht, das Recht des Verbraucher­ schutzes und das Energierecht gewähren dem Einzelnen als sektorale Rege­ lungen subjektive Informationszugangsrechte und verpflichten zugleich die Verwaltung zu aktiver Information und Aufklärung der Bürger vor allem zum Schutz vor drohenden Schäden. Dagegen lässt sich ein allgemeines Informationszugangsrecht für jeder­ mann weder aus Leistungs-, Teilhabe- oder Schutzfunktionen des Art. 5 Abs. 1 GG ableiten noch aus der Rechtsprechung des BVerfG zum „grund­ legenden demokratischen Gehalt“ des Art. 38 Abs. 1 GG. Allgemeine Infor­ mationszugangsrechte bleiben damit gesetzesakzessorisch und lediglich sektorenbezogen mit weitem Ermessen des Normgebers. 8. Kollektive Teilhaberechte Auf kommunaler Ebene wird dem örtlichen Teilvolk und durch Landes­ recht auch Unionsbürgern anderer Mitgliedstaaten für Abstimmungen über Bürgerbegehren durch Bürgerentscheid ein kollektives Teilhaberecht an der Erfüllung von Selbstverwaltungsangelegenheiten als Ausdruck besonderer Betroffenenpartizipation eingeräumt. Dies ist nach der Rechtsprechung des BayVerfGH mit dem Homogenitätsprinzip des Art. 28 Abs. 1 GG vereinbar, obwohl sich das Teilhaberecht dieser Unionsbürger nach Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG nur auf Wahlen erstreckt. Der Wunsch der Bürger nach verstärkter unmittelbarer politischer Ein­ flussnahme vor allem auf kommunale Entscheidungsprozesse und auf Sach­ entscheidungen hat vielfältige Ursachen, die auch auf Parteienverdrossen­ heit, zunehmender Anonymität globalisierter wirtschaftlicher Verflechtungen und einem gewachsenen Informationsbedürfnis infolge der erleichterten Zugriffsmöglichkeiten der Informationsgesellschaft beruhen mögen. Damit stellt sich auch die Frage nach einem individuellen Anspruch, mit dem der Bürger auch korrigierend in Entscheidungen der gewählten Organe der Kommune eingreifen kann, wenn diese durch Strukturveränderungen seinen Wahlakt zu entwerten drohen.



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen673

9. Subjektivierung von Staatsstrukturprinzipien durch Art. 38 Abs. 1 GG Das BVerfG sieht den grundlegenden demokratischen Gehalt des Wahl­ rechts im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 GG verletzt, wenn das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der demokratischen Legitimation nach Art. 38 Abs. 1 GG durch Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen auf eine nicht hinreichend demokratisch legitimierte europäische Ebene so ent­ leert wird, dass dadurch das Demokratieprinzip verletzt wird. Daraus folge jedoch regelmäßig kein Recht des einzelnen Bürgers, demokratische Mehr­ heitsentscheidungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin durch das BVerfG kontrollieren zu lassen, da das Wahlrecht nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse diene, sondern auf deren Ermöglichung ziele. Der materielle Gewährleistungsgehalt werde nur, aber immer dann verletzt, wenn die demokratische Selbstregierung des Volkes dauerhaft derart einge­ schränkt wird, dass zentrale politische Entscheidungen nicht mehr selbst­ ständig getroffen werden können. Dies betreffe nicht nur eine Verletzung der unveränderlichen Verfassungsgrundsätze, sondern auch „Ultra-viresAkte“ und bloße Untätigkeit des Gesetzgebers gegenüber qualifizierten Übergriffen der Europäischen Union. Diese Rechtsprechung führt unweigerlich zu der Fragestellung, ob auch auf kommunaler Ebene im Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 1 GG ein subjektives Recht des Wählers gegenüber kommunalen Unternehmensträ­ gern aufgrund ihrer Gewährleistungsverantwortung besteht, dass das Wahl­ recht nicht durch Strukturveränderungen des kommunalen Organisationsge­ füges ausgehöhlt wird. 10. Legitimationssubjekte auf kommunaler Ebene Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes entsprechen (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und damit einen grundlegenden Mindestgehalt an Homogenität sicherstellen. Die Organe der Kommunen beziehen ihre Legitimation von dem kommunalen „Teilvolk“ der Deutschen und zudem von denjenigen Unionsbürgern anderer Mitglied­ staaten, denen das Grundgesetz das Wahlrecht „nach Maßgabe“ des Unions­ rechts einräumt, soweit dieses seinerseits die Grenzen der Art. 23 Abs. 1 und 79 Abs. 3 GG nicht überschreitet. Nur für die kommunale Ebene schreibt das Grundgesetz eine unmittelba­ re personelle demokratische Legitimation der Organe und Amtswalter vor. Die duale sachlich-inhaltliche Legitimation mit der Bindung von Entschei­

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

dungen an das Parlamentsgesetz und an das von der Selbstverwaltung ge­ schaffene Recht findet ihre Ergänzung in bürgerschaftlicher Partizipation an Sachentscheidungen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. 11. Wahlrechtsgrundsätze in den Ländern Die Länder gewähren den subjektiv-rechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum alleine und abschließend, in Bayern durch Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 12 BV in inhaltlich gleichem Umfang wie Art. 38 Abs. 1 GG für die Wahl zum Deutschen Bun­ destag. Aus dem Staatsstrukturprinzip des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG lässt sich eine mit der Integrationsverantwortung der Verfassungsorgane des Bundes und der Länder im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 GG ver­ gleichbare Ingerenzverantwortung der Kommunen bei Dezentralisierung und Privatisierung von Verwaltungsaufgaben ableiten. Diese ist geeignet, den Schutz der Wahlrechtsgrundsätze auf kommunaler Ebene für den Wahlbür­ ger zu sichern. 12. Reichweite des Wahlrechtsschutzes Das Wahlrecht dient nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht der in­ haltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern soll diese ermögli­ chen und verhindern, dass durch „Strukturveränderungen im staatsorganisa­ tionsrechtlichen Gefüge“ die politische Selbstbestimmung des Volkes leer­ zulaufen droht. Derartige Strukturveränderungen können durch eine weitgehende Verlage­ rung kommunaler Aufgaben und Befugnisse auf Private auch bei freiwilli­ gen Selbstverwaltungsaufgaben, auf deren Erfüllung die Bürger besonders angewiesen sind, zu einer Aushöhlung ihres Wahlrechts führen. Art. 28 Abs. 2 GG verpflichtet die Kommune zur Erhaltung eines ihr Leitbild prä­ genden Aufgabenbestandes im Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts. Hierzu zählen nicht nur öffentliche Einrichtungen mit kulturellem, sozialem und traditionellem Hintergrund, sondern leitbildprägend ist auch eine wirt­ schaftliche Betätigung in zentralen Versorgungs- und Infrastrukturbereichen, die infolge unionsrechtlicher Marktliberalisierung im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft steht. Bei dezentralisierten Verwaltungseinheiten kann eine für die jeweilige Aufgabenerfüllung ungeeignete Organisationsstruktur gleichfalls den grund­ legenden Legitimationszusammenhang zwischen dem Bürger und den han­ delnden Unternehmensorganen beeinträchtigen. Die Ingerenzpflicht der Kommune beinhaltet auch eine Schutzpflicht gegenüber dem Wahlbürger,



Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen675

für den ein subjektives Recht auf Schutz Folge der kommunalen Garanten­ stellung ist. Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Kommunalverwaltung zählt als wesentlicher Inhalt des Selbstverwaltungsrechts zu den verfassungsrechtlich unabänderlichen demokratischen Grundgedanken. Wenn schon ein verfas­ sungsändernder Gesetzgeber an der Herbeiführung von Funktionsverlusten gehindert ist, dann haben erst recht die im Rahmen der Gesetze handelnden Selbstverwaltungsorgane der Kommune bei der Steuerung und Kontrolle ihrer Unternehmen deren Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Verletzen sie diese Verpflichtung und beeinträchtigen dadurch das leit­ bildprägende Organisationsgefüge der Kommune, so steht dem Bürger ein subjektives Recht auf „Kontrolle der Kontrolleure“ zum Schutz seines Wahlrechts vor sinnentleerender Aushöhlung zu. 13. Grenzen des Wahlrechtsschutzes Der Grundsatz des freien Mandats und die Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Selbstverwaltungsorgane sichern diesen einen weiten und vom Wähler unbeeinflussten Entscheidungsspielraum. Dieser findet seine Gren­ zen, wenn die Kommune die Einhaltung des öffentlichen Zwecks der Auf­ gabenerfüllung infolge struktureller Informations-, Einwirkungs- und Kont­ rolldefizite nicht mehr sicherstellen und damit eine wirksame Legitimations­ vermittlung zwischen dem Bürger und den handelnden Unternehmensorga­ nen nicht mehr garantieren kann. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung würde durch eine faktische Popu­ larklage beeinträchtigt, wenn ein Bürger unter Berufung auf das Wahlrecht nur eine Kontrolle von Entscheidungsprozessen und Sachentscheidungen herbeiführen könnte. Der Schutz des Wahlrechts dient nur der Ermöglichung demokratischer Prozesse, mit denen die kommunalen Organe im Anwen­ dungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG ihre demokratischen und sozialstaatli­ chen Kontrollpflichten wahrnehmen müssen. Die Ausübung dieses subjekti­ ven Individualrechts eines Wahlbürgers birgt nicht die Gefahr einer Popular­ klage. 14. Abgestufte Stringenz demokratischer Legitimation Das von Tettinger entwickelte Modell abgestufter Stringenz demokrati­ scher Legitimation bedeutet, dass die Stringenz der organisatorisch-perso­ nellen Legitimation zwischen der Kommune und den Organen ihrer Unter­ nehmen umso geringer ausgeprägt sein darf, je weiter die wahrgenommene Aufgabe vom Kernbereich der Selbstverwaltung entfernt ist. Zwar kann

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Kap. 6: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

eine schwächere personelle Legitimation durch eine verstärkte sachlich-in­ haltliche Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen kompensiert werden, doch erhöht sich mit zunehmender Distanz zu den Kernaufgaben auch hierfür die Gefahr einer inhaltlichen Entwertung des Wahlrechts zu den kommunalen Vertretungsorganen. Für den Legitimationsstrang zwischen dem Bürger und der Kommune als Unternehmensträgerin bedarf es deshalb eines Ergänzung des „Legitimationsmodells der abgestuften Stringenz“, um dadurch auch strukturverändernden Entscheidungen der kommunalen Orga­ ne selbst Einhalt gebieten zu können. 15. Schutz vor Strukturveränderung durch ein Gegenstromprinzip Strukturveränderungen des kommunalen Leitbildes einer allzuständigen Verwaltungseinheit für die Daseinsvorsorge ihrer Bürger können die Organe der Kommune durch Entscheidungen auf drei exemplarischen Handlungsfel­ dern bewirken, nämlich bei – Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen einer materiellen Auf­ gabenprivatisierung, – Wahl einer für die jeweilige Aufgabenerfüllung strukturell ungeeigneten Organisations- oder Handlungsform und – Vernachlässigung von Kernaufgaben der örtlichen Gemeinschaft zuguns­ ten wettbewerbsorientierter Erwerbswirtschaft durch Unterlassen steuern­ der Einflussnahme auf ihre Unternehmen. Ein subjektives Recht des Wahlbürgers auf Schutz vor einer Sinnentlee­ rung des Wahlaktes zielt deshalb auf eine Verstärkung des Legitimations­ stranges zwischen dem Bürger und den gewählten kommunalen Vertretungs­ organen, um in einem „Legitimationsverbund Bürger-Kommune-Unterneh­ men“ gleichsam im „Gegenstromprinzip“ zu einer Legitimationsverdünnung zwischen Kommune und Unternehmen das vom Demokratieprinzip gefor­ derte hinreichend effiziente Legitimationsniveau zu gewährleisten. Für pflichtgemäß handelnde Organe der Kommune und ihrer Unterneh­ men ist ein Ingerenzanspruch der Bürger kein Damoklesschwert über ihrem Selbstverwaltungsrecht, sondern Ausdruck partizipativer demokratischer Betroffenenteilnahme auf kommunaler Ebene mit Information als Vorausset­ zung und Transparenz als Ziel aller Publizität.

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Sachregister Aarhus-Konvention  609 Abberufung –– als Aufsichtsratsmitglied  516 abhängiges Unternehmen –– im Konzern  464 Abschlussbericht  536 Abschlussprüfer  548 Abschlussprüfung –– erweiterte  532, 534, 666 –– handelsrechtliche  532 Abstimmung –– über Sachfragen  618 Abstimmungsverhalten  432 Akteneinsichtsrecht  575 –– von Mandatsträgern  574 Aktenöffentlichkeit –– beschränkte  82, 83, 613 Aktiengesellschaft  324, 369, 421, 477, 514 –– als abhängiges Konzernunternehmen  467 –– als Holding  468 –– im faktischen Konzern  469 Akzeptanz  487, 619 allgemein zugängliche Quelle  603, 613 Allzuständigkeit –– der Gemeinde  135, 146 Almunia-Paket  277, 524 Amtsgeheimnis  71, 409 Amtspflichtverletzung  590 Amtsverschwiegenheit  409, 481 Annextätigkeit  202, 215, 217, 638 Anonymität –– Recht auf  591 Anschlusszwang  382 Anstalt des öffentlichen Rechts –– rechtsfähige  101

Anstaltslast  104, 273, 416, 495 Antragsrecht –– der Gemeinderatsfraktion  583 Anwendungsvorrang –– des Unionsrechts  390 Arbeitnehmermitbestimmung  455, 485, 639 Arbeitnehmervertreter  568 Arbeitsrecht  326 Arkanprinzip  605 Aufgabenprivatisierung  116 Aufgabenträger  299, 306 Aufgabenträgerschaft  360, 495 Aufgabenübertragung –– delegierende  298 –– mandatierende  298 Aufgabenverteilungsprinzip  143, 150, 188, 216 Aufgabenwahrnehmung  360, 495 Aufsichtsrat –– fakultativer  323, 369, 370, 452, 456, 501, 561 –– obligatorischer  323, 369, 452, 455, 501 –– Weisungsunabhängigkeit  369 Aufsichtsratsmitglied –– entsandtes  434, 451, 508, 510, 516 –– gewähltes  434, 451 Auftraggeberbegriff –– funktionaler  284 Auftragsverhältnis –– öffentlich-rechtliches  430, 510 Ausgleichsleistung  271, 278, 300 Ausgliederung  318, 327, 372, 405, 486 Auskunftsanspruch –– der Presse  591, 596, 597, 600, 601

724 Sachregister Auskunftspflicht  496 Auskunftsrecht –– von Mandatsträgern  573 Auskunftsverweigerungsrecht  429 Auslandsbetätigung –– wirtschaftliche  213 ausschließliches Recht  262, 302, 306, 524 Autonomie  216 –– des Aufsichtsrats  599 Bauauftrag  299 Baukonzession  289 Bauleistung  288 Beamtenrecht  324 Bedarf –– voraussichtlicher  218 Bedarfsdeckung  389 beherrschender Einfluss  272 Beherrschungsvertrag  370, 378, 463, 660 Behördenbegriff –– presserechtlicher  594, 671 Beihilfebegriff  270, 271 Beihilfenkontrolle  270, 278 Beihilferecht  523, 653 Beihilferegelung  269 Beleihung  112, 355, 382, 400 Benutzungsverhältnis  381 Benutzungszwang  382 Beratungsgeheimnis  431 Bereichsausnahme  262 Berichtsadressat –– nach Organisationsrecht  446 –– örtliche Volksvertretung  440, 477 –– zulässiger  438, 660 Berichtspflicht  418, 420, 451, 496 –– aus der Hauptversammlung  430 –– im Konzern  466 –– kommunalrechtliche  435, 440 Beschaffungsvorgang  288 Bestätigungsvermerk  550 Bestimmtheitsgebot  214

Betätigung –– binnenmarktrelevante  317 –– eigenwirtschaftliche  386 –– erwerbswirtschaftliche  148, 166, 195, 198, 401, 420, 639 –– marktbezogene  256, 363 –– nichtwirtschaftliche  164, 260 –– privatwirtschaftliche  147, 266 –– überörtliche  148, 207, 210, 394 –– vermögenswirksame  235 –– wirtschaftliche  143, 162, 177, 260, 554, 642 Betätigungsprüfung –– gesellschaftsrechtliche  532, 537, 666 –– kommunalrechtliche  532, 539, 666 Beteiligungsbericht  440, 554, 599, 667 Beteiligungscontrolling  339, 392, 532, 543 Beteiligungsgesellschaft  420 Beteiligungsmanagement  336, 644, 655 –– dezentrales  337 –– zentrales  338 Beteiligungsmodell –– für Einwohner  397 Beteiligungsunternehmen  172 –– kommunal beherrschtes  421 Beteiligungsverwaltung  336, 439 Betrauung  264 Betrauungsakt  274, 333, 396 Betreibermodell  373  siehe PPP Betrieb gewerblicher Art  332 Betriebsführung  322 Betriebsführungsmodell  373  siehe PPP Betriebsgeheimnis  406, 415, 424, 436, 451, 478, 596 Betroffenenpartizipation  123, 129, 350, 488, 526, 593, 631 Betroffenenschutz  130, 236 Bevölkerung  59, 615   siehe Öffentlichkeit, gesellschaftliche; siehe Publizität, gesellschaftliche BgA  siehe Betrieb gewerblicher Art

Sachregister725 Binnenmarkt –– europäischer  253 Binnenmarktrelevanz  278 –– von DAWI  260 Bundesanzeiger –– elektronischer  550, 552, 667 Bundesstaatsprinzip  364 Bürger  380 Bürgerbegehren  127, 397, 561, 617, 672 Bürgerbeteiligung –– wirtschaftliche  399 Bürgerentscheid  127, 397, 617, 672 Bürgernähe  135, 153 Bürgerschaftlichkeit  141 CMS  siehe Compliance Management System Compliance  322 Compliance Management System  392 Controlling-System  442, 454 Daseinsvorsorge  122, 183 –– Begriff  157, 161, 252, 650 –– Dienste der  253 –– kommunale  155, 229 –– marktbezogene  263 Dauerbeihilfe  274 DAWI  262, 396, 650  siehe Dienst­ leistung von allgemeinem wirtschaft­ lichem Interesse Delegationstheorie  66 De-minimis-Verordnung  281 Demokratie –– partizipatorische  127, 128, 625 –– repräsentative  128, 625 Demokratieprinzip  126, 335, 358, 480, 484, 521, 525, 546, 594, 621, 623, 629 –– Subjektivierung  641 Deregulierung  172, 313, 390, 644 –– Motive  654 Dezentralisation  123, 133, 313 Dezentralisierung  628

Dienstherrneigenschaft  102, 325 Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse  254, 282, 343, 356, 523, 644 Dienstleistungsauftrag  283, 288, 302, 524 Dienstleistungskonzession  283, 289, 291, 305, 524 Dienstleistungsmonopol  267 Direktvergabe  304 Diskriminierungsverbot  215, 262 Dreiecksbeziehung  360, 395, 401, 657, 658 drittschützende Wirkung –– der Subsidiaritätsklausel  225, 228 Eigenbetrieb  99, 248, 320, 413, 476, 489, 530, 532, 554 eigenbetriebsähnliche Einrichtung  320 Eigengesellschaft  107, 149, 169, 420 –– kommunale  426 Eigenproduktion  302, 303 –– kommunale  264 Eigenverantwortlichkeit  133, 144, 169, 356, 394, 446, 634, 675 –– des Vorstandes  369, 429, 494, 512 Einflussnahme –– informelle  519, 521 Einmann-GmbH  458 Einrichtung –– eigenbetriebsähnliche  98 –– kostenrechnende  98 –– öffentliche  100 Einrichtung des öffentlichen Rechts  95, 246, 284, 311 Einschätzungsprärogative  142, 188, 203, 216, 222, 254, 379, 404, 527 Einwirkung  336 Einwirkungsbefugnis  402 Einwirkungsmöglichkeit  489 Einwirkungspflicht  308, 340, 402, 644 Einwohner  380 EKC  siehe Europäische Charta der Kommunalen Selbstverwaltung

726 Sachregister Entscheidungsprozess  318 Entsprechenserklärung  350, 553 Erdrosselungswirkung  233 Erfolgskontrolle  340 Erfüllungsgehilfe  360, 362, 418 Erfüllungsverantwortung  171 Erwerbswirtschaft  195 Europäische Charta der Kommunalen Selbstverwaltung  155 europäischer Binnenmarkt  315 Fachaufsichtsbehörde  530 faktischer Konzern  470, 661 Finanzhoheit  148, 199, 403 Finanzmonopol  262 Finanzplanungspflicht  543 Fiskustheorie  192 Flexibilität  319, 326 Formenwahlfreiheit  356 Fraktionsausschluss  579 Fraktionsdisziplin  584, 670 Fraktionszwang  584, 670 freie Mandat –– des Gemeinderatsmitglieds  669 freies Mandat  432, 634, 675 –– Begriffsinhalt  584 –– des Gemeinderatsmitglieds  581 –– von Gemeinderatsmitgliedern  572 Freistellungsentscheidung  276, 278 freiwillige Aufgabe  417 Funktionsfähigkeit  675 –– als Publizitätsbestandteil  636 –– der Verwaltung  633 Funktionssperre  221, 223, 527 –– der Subsidiaritätsklausel  651 Funktionsvorbehalt  325, 365, 400, 635, 656 Gegenstromprinzip  641, 676 Geheimhaltungsinteresse  592 Geheimhaltungspflicht  589 gemein  39  siehe publicus Gemeindehoheit  146

Gemeinderatsfraktion  670 –– als bürgerlich-rechtlicher Verein  581 –– als Organteil  577 –– als Teil staatsbezogener Publizität  582 –– Rechtsnatur  576 Gemeindevolk  125, 131, 186 Gemeinschaftsrahmen  276 gemeinwirtschaftliche Verpflichtung  270, 308 Gemeinwohl  187 Gemeinwohlorientierung  183 Genehmigungsabwehranspruch  632 Genehmigungsvorbehalt  215, 217 geschäftliche Handlung  241, 243, 250, 363, 396, 657 Geschäftsbesorgungsvertrag  507 Geschäftsgeheimnis  406, 415, 424, 436, 451, 478, 596 Gesellschaft –– gemischt-öffentliche  107 –– gemischt-wirtschaftliche  284   siehe Unternehmen Gesellschafterdarlehen  274 Gesellschafterinteresse  447 Gesellschafterversammlung  498, 507 –– Vertreter in der  450 Gesellschaftsgeheimnis  423 Gesellschaftsinteresse  434, 447 Gesellschaftsrecht  361, 410, 427, 498, 595, 599 Gesellschaftsverfassung  181 Gesellschaftsvermögen  331 Gesellschaftszweck  340 Gesetzesvorbehalt  210, 233 Gewährleistungsverantwortung  77, 170, 171, 255, 487, 629, 630, 651 Gewährleistungsverwaltung  604 Gewährträgerhaftung  104, 273, 416, 495 Gewerbebetrieb –– eingerichteter und ausgeübter  235, 406, 597

Sachregister727 Gewinnabführungsvertrag  465 Gewinnerzielung  196 Gewinnerzielungsabsicht  195, 217, 265, 421 Gewinnmaximierung  222, 341 Gewinnmitnahme  204 Gewinnorientierung  260, 287 gläserne Verwaltung  83 gläserner Bürger  83 Gleichheitssatz  236 Globalsteuerung  369, 376 GmbH  369, 478, 514 –– als abhängiges Konzernunternehmen  467 –– als Holding  468 –– im faktischen Konzern  471 GmbH-Geschäftsführung  323 große Kapitalgesellschaft  533, 547, 550, 600, 666 Grunderwerbsteuer  332 Grundrechtsbindung  311, 386, 588, 656 –– direkte  362 –– indirekte  362 –– mittelbare  171 –– unmittelbare  171, 294, 407 Grundrechtseingriff  151, 231, 233 Grundrechtsgeltung  386 Grundrechtsrelevanz  366, 394 Grundrechtsschutz  230, 375 Grundrechtsvorsorge  614 Gründungszweck  287 Gut –– öffentliches  82 –– öffentliches (meritorisches)  529 –– wirtschaftliches  82 Haftungsbegrenzung  331, 379, 464 Haftungsfreistellung  503 Haftungsregelung  510 Handelsregister –– elektronisches  552 Handlungsfähigkeit –– der Verwaltungsorgane  633

Handlungsform –– öffentlich-rechtliche  400, 418 –– privatrechtliche  385, 401, 418 Hauptversammlung  428, 498, 507 Haushaltsklarheit  330 Haushaltsrecht  197, 281, 284, 292, 330 herrschendes Unternehmen –– im Konzern  462 –– Kommune als  479, 513, 597 Hilfsgeschäft  194, 205, 217, 299, 365, 639 Hilfstätigkeit  244 Hinwirkungspflicht  600 Hoheitsakt  275 Holding  465, 513 Homogenitätsklausel  130, 134 Homogenitätsprinzip  618, 673 Identitätsspaltung  345 IDW Prüfstandard  535 Indienstnahme  53 Infizierungstheorie  285 Information –– Begriff  73 –– Steuerungsressource  75 informationelle Selbstbestimmung  601 –– Recht auf  671 Informationsanspruch  406, 451 Informationsbegriff  647 Informationsbeschaffung  413, 418, 473, 476, 479, 522, 659 –– der Presse  594 –– von Rechnungsprüfungsorganen  538 Informationsfolgenrecht  159 Informationsfreiheit  603 –– als Abwehrrecht  613 Informationsfreiheitsgesetz  604 Informationsfreiheitsregelung  545, 575, 671 Informationsfreiheitssatzung  608 Informationsgesellschaft  72, 172, 349, 591, 616, 672 –– Begriff  81

728 Sachregister Informationsgewinnung  78 Informationsmanagement  75 Informationsordnung  78 Informationspflicht  418 informationspflichtige Stelle  611 Informationsprivatisierung  77, 170 Informationsprivileg  435, 660 Informationsrecht  449, 529 –– individuelles  429 –– kollektives  428 Informationsteilhabe  574 Informationsverlust  636 Informationsverteilung –– asymmetrische  77 Informationsverwaltungsrecht  82 Informationsvorsorge  159, 173, 603, 609 Informationsvorsorgepflicht  77, 604 Informationszugang  405 Informationszugangsfreiheit  80 Informationszugangsrecht  575, 672 Infrastrukturdienstleistung  162 Infrastruktureinrichtung  265, 642 Infrastrukturverantwortung  77 Ingerenzanspruch –– des Wahlbürgers  645 Ingerenzbefugnis  310, 522 Ingerenzdefizit  640 Ingerenzpflicht  336, 368, 377, 486, 495, 522, 530, 628, 631 Ingerenzverantwortung  629, 674 In-house-Fähigkeit  103, 296, 311, 334, 429, 654 In-house-Geschäft  284 In-house-Vergabe  294, 303, 466 Inkompatibilitätsregelung  492 Insider-Wissen  571 institutionelle Garantie  137 Integrationsverantwortung  627, 674 Interessenkollision  373 Interessenkonflikt  349, 463, 569 –– organmitgliedschaftlicher  669 –– von Bankenvertretern  571

interkommunale Zusammenarbeit  213, 298, 397, 473 Jahresabschlussprüfung  533, 666 Kapitalbeteiligung  402 Kapitalisierungsprinzip  260 Kartellrecht  247, 267 Kartellrechtsimmunität  248 Kernbereichsgarantie  137, 140 Kommunalaufsicht  525 kommunales Unternehmen –– Begriff  648 Kommunalkredit  331 Kommunalrecht  132, 176, 411, 498, 599 Kommunalunternehmen  101, 248, 284, 321, 415, 476, 492, 530, 554 –– als Holding  469 –– gemeinsames  103 Kommunalverfassungsrecht  411, 430, 436, 444, 508 Kommunalverfassungsstreit  542 Kompetenzkonflikt  393, 657 Kompetenzvorschrift  356 Konfliktprävention  342, 657 Konkurrentenschutz  179, 231, 251, 657 Konsortialvertrag  172, 517, 664 Kontrolle  336 –– gesellschaftliche  556 Kontrollfunktion  322 Kontrollinstrument  524 Kontrollkompetenz –– politische  442 Kontrollkriterium  295, 296, 368 Kontrollpflicht  546 Konzentration  315 Konzernabschluss  352 –– Offenlegung  553 Konzern-Controlling  465 Konzernprivileg  297 Konzernrechnungslegung  547 Konzernrecht  370, 460, 475, 477, 500, 660

Sachregister729 Konzernstruktur –– faktische  378 Konzessionsmodell  114, 115 Konzessionsvergabe  290, 373 Konzessionsvertrag  362, 474, 518, 665 Körperschaftsteuer  333 Kostenallokationsmethode  280 Kostendeckungsprinzip  258 Lauterkeitsrecht  241, 250, 396, 523, 531, 653 Legitimation  130, 171, 176, 196, 207, 214, 480 –– Ausdünnung  639 –– doppelte inhaltliche  625 –– inhaltliche  358, 361, 368, 404, 483, 485, 490, 498, 518, 525, 640 –– materielle  487 –– personelle  358, 361, 368, 404, 481, 497, 504, 638 –– vom Volk abgeleitete  574 Legitimationseffizienz  642 Legitimationskette –– ununterbrochene  336, 359, 481, 492, 500, 623, 661 Legitimationsmittler  409, 511, 543 Legitimationsmodus  487 Legitimationsniveau  335, 394, 481, 486, 676 –– Ausdünnung  522, 561 Legitimationssubjekt  482, 488 Legitimationsverbund  631, 642, 662, 676 Legitimationsverdünnung  484, 488, 528 Leistungsfähigkeit  218, 227, 374, 379 Leistungsvergleich  271 Leistungsverwaltung  122, 129, 158, 169, 177, 298, 354, 366, 374, 526 Leitbild –– der Kommune  641 Leitungsfunktion  322 Letztentscheidungsrecht  369, 376

Liberalisierung  172, 313, 644 Linienkonzession  306 Linienverkehrsgenehmigung  309 Loyalitätskonflikt  351 Machtvakuum  392, 520 Mandatsbetreuung  439 Mandatsträger –– kommunaler  432 Marktanalyse  206 Marktbeherrschung  231 Marktbezogenheit  258, 260 Markterkundung  397 Markterkundungsverfahren  206 Marktverhaltensregelung  239 Marktversagen  174, 178, 189, 217, 266, 396, 630 Marktzugang  362 Marktzutritt  250 Marktzutrittsregelung  239 Medienöffentlichkeit  57 Mehrmütterherrschaft  518 Meinungsäußerung –– gemeinnützige  587 –– privatnützige  587 Meinungsbildung –– politische  555 Meinungsfreiheit  586, 590, 594 Minderheitsbeteiligung  362, 371, 403, 473, 476, 479, 518, 595, 658, 661 Mindestüberwachungsbefugnis  453, 501 Missbrauchskontrolle  251 –– kartellrechtliche  653 Mitbestimmung  482 –– betriebliche  326, 567 –– unternehmerische  326, 567 Mitgliedschaftsrecht –– eigennütziges  448 Mitwirkungspflicht –– im Unternehmensinteresse  542 Mitwirkungsrecht –– kollektives partizipatorisches  619

730 Sachregister Monopol  231, 233, 363, 524 –– öffentliches  168 –– privates  266 –– staatliches  267 Monopolmissbrauch  267 Monti-Paket  276 Nahverkehrsmarkt  299 Nahverkehrsplan  307 Nahverkehrsraum  312 nationale Identität  156 Nebengeschäft –– erwerbswirtschaftliches  202 Nettomehrkosten  270 Nichtdiskriminierung  291, 305 nichtgewerbliche Aufgabe  285 Nichtöffentlichkeit  407, 477, 566 –– Begründungsbedürftigkeit der  603 –– des Sitzungsverlaufs  562 –– öffentlicher Verwaltung  69 –– Rechtfertigungsbedürftigkeit der  566 –– von Sitzungen  560 nichtwirtschaftliche Betätigung –– Begriff  96 Normkollision  411, 498 Notifizierungspflicht  276, 279, 343 Offenlegung –– individueller Bezüge  600 Offenlegungspflicht  549, 667 öffentlich  siehe publicus –– gemein  39, 40 –– staatlich  40 –– Wertbegriff  55 Öffentlich Private Partnerschaft   siehe ÖPP öffentliche Anstalt  51 öffentliche Aufgabe  52   siehe Verwaltungsaufgabe –– der Presse  587, 591 öffentliche Ausschreibung  279 öffentliche Einrichtung  52, 142, 163, 360, 379, 420

öffentliche Gewalt  48 öffentliche Meinung  63, 72, 556, 586 öffentliche Meinungsbildung  603 öffentliche Sache  52 öffentlicher Zweck  56, 162, 179, 473, 630 –– Begriff  180, 193 –– Wertbegriff  186, 223, 651 öffentliches Interesse  182 öffentliches Recht  50 öffentliches Unternehmen –– dauerdefizitäres  274 –– i. S. d. Unionsrechts  261 öffentliches Wohl  56 Öffentlichkeit  siehe Publikum;   siehe Publizität –– Destinatär  56 –– gesellschaftliche  418   siehe Publikum –– Interessenträger  56 –– Ordnungsfaktor  43 –– Organisationsprinzip  43 –– politische  40 –– Publikum  52 –– Wahrnehmbarkeit  46, 68 –– Zugänglichkeit  45, 68 Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie  609 Öffentlichkeitsgrundsatz  408 ÖPP  110 Organisationsakt  275, 298, 320 Organisationsermessen  356 Organisationsform –– privatrechtliche  496 Organisationshoheit  146, 354, 383, 393, 445, 635 Organisationsprivatisierung  108, 111, 169, 326, 480, 634, 651 Organisationsrecht  507 –– der Gebietskörperschaft  444 örtliche Gemeinschaft  135, 140, 152, 208, 364, 629 Örtlichkeitsprinzip  151, 208, 211

Sachregister731 Partizipation  87, 390, 482 –– bürgerschaftliche  657, 674 –– des Volkes  440, 557 Partizipationsfunktion  615 Partizipationsprinzip  123 Partnerschaftsmodell –– institutionalisiertes  siehe PPP PCGK  431, 523, 656  siehe Public Cor­ porate Governance Kodex Personalhoheit  481 Personalvertretungsgesetz  568 Personalvertretungsrecht  485, 493 Personalwirtschaft  324 Personenverkehrsmarkt –– deregulierter  301 –– regulierter  309 Persönlichkeitsrecht  587, 592 Persönlichkeitsschutz  590 Pflichtaufgabe  332, 362, 367, 401, 417, 526 Pflichtenkonflikt  438 Plausibilitätsprüfung  530 Politiksteuerung  310 politische Partei  580 politische Selbstbestimmung –– des Volkes  622, 628 politische Willensbildung –– des Volkes  586 Popularklage –– faktische  623, 634, 637 populus  siehe Volk PPP  110, 119, 362 –– gesellschaftsrechtliche  329 Preiskontrolle –– kartellbehördliche  289 Pressefreiheit  585, 594, 601 Primärrecht  252, 256, 263 Prinzip abgestufter Stringenz  482, 639, 662, 675 Prinzip der doppelten Mehrheit  484 Privatautonomie  162, 180, 407 private investor test  271 Privatheit  72, 157, 172, 175, 182, 310

Privatisierung –– formelle  314, 357 –– funktionale  357 –– funktionelle  634 –– materielle  629 –– von Aufgaben  357 –– von Verwaltungsaufgaben  628 Privatisierungsdruck  268 Privatisierungsfolgenrecht  173 Privatisierungstendenz  266 privatum  38, 41, 405, 614   siehe Privatheit privilegierte Quelle  588, 591, 670 Prüfungsbericht  534 Prüfungsvermerk  548 Public Corporate Governance Kodex  348, 392, 428, 520, 554 Public Private Partnership  170   siehe PPP publicus  40  siehe populus;   siehe staatlich Publikum  40, 45, 408, 412   siehe Öffentlichkeit;  siehe gesell­ schaftliche Öffentlichkeit Publizität  310, 317 –– als Teilhabe des Volkes  546 –– Begriffsinhalte  36 –– der Sozialpartner  65 –– der Wirtschaft  64 –– gesellschaftliche  59, 129, 544, 587 –– negative  552 –– politischer Parteien  67 –– positive  552 –– Prinzip der  393 –– Rechtsgebot  47 –– Rechtsprinzip  36, 42 –– staatliche  58, 63, 182, 210 –– staatsbezogene  131, 151, 168, 171, 196, 220, 358, 405, 488, 556, 576, 587 Publizitätsbegriff  646 Publizitätsgesetz  548 Publizitätspflicht  550

732 Sachregister –– der Verwaltung  60 –– öffentlicher Unternehmen  62 Publizitätsprinzip  460 Publizitätsrichtlinie  550 Publizitätsverlust  335, 636 Querverbund  301, 308, 320 –– steuerlicher  350, 465, 642 Rechnungslegung  531, 546, 667 Rechnungsprüfung  665 –– örtliche  532 –– überörtliche  540 Rechtsaufsicht  665 rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts  siehe Kommunalunternehmen Rechtsformneutralität  333 Rechtsformwahl  314, 354, 362, 364, 373, 394, 497, 525, 636, 656 Rechtsinstitutionsgarantie  139 Rechtsschutzgarantie  541 Rechtsstaatsprinzip  145, 173, 371, 387, 433, 521, 525, 621 Rechtsstellungsgarantie  139, 150 Rechtssubjektgarantie  138 Regiebetrieb  97, 320, 476, 489, 530 Regulierungsbehörde  308 Rekommunalisierung  139, 265, 268, 289, 312, 316, 390, 489, 654 Relationsklausel  218, 651 Saalöffentlichkeit  69 Schrankentrias  167, 176, 211, 214, 216, 652 Schutzbereich –– des Grundrechts  234, 250 Schutzfunktion  614 Schutznormtheorie  212 Schutzpflicht  237, 304, 375, 396 –– für DAWI  255 Schutzpflichtadressat  238, 631 Schutzpflichtkonzept  84, 238, 250, 591

Schutzwirkung –– horizontale  151, 364 –– vertikale  150 Schwellenwert  299 –– europäischer  283 secretum  406, 419, 541, 614, 658   siehe Amtsgeheimnis Sektorenregelung  268 Sektorentätigkeit  284, 287 Sektorenverordnung  288 Sekundärrecht  252 Selbstbetrauungsentscheidung  302 Selbstverwaltung –– akademische  121 –– funktionale  121 –– im juristischen Sinne  123 –– im politischen Sinne  123 –– kommunale  121, 139 Selbstverwaltungsaufgabe –– freiwillige  134 –– pflichtige  147 Selbstverwaltungsgarantie  354 –– Begriffsinhalt  649 –– Kernbereich  497 –– kommunale  208 Selbstverwaltungskörperschaft  124, 137 Selbstverwaltungspflicht  139, 374 Selbstverwaltungsrecht –– Kernbereich  593, 629 –– Kernbestand  359 –– kommunales  152 Sitzungsöffentlichkeit  557, 668 Sitzungsteilnahme –– der Beteiligungsverwaltung  564 –– des Abschlussprüfers  563 –– Dritter  565 –– von Sachverständigen  563 soft law  353, 392, 656 Sondervermögen  320, 413, 490 Sorgfaltspflicht –– journalistische  670 –– publizistische  589 –– von Behörden  588

Sachregister733 Souverän  siehe Teilvolk; Staatsvolk; Volk;  siehe Bürger; Wahlbürger Souveränität  153 Sozialpartnerschaft  567 Sozialstaatsprinzip  155, 173, 201, 239, 374, 482, 621, 631 –– Subjektivierung  641 Sparsamkeit  193, 197, 281, 528, 598, 602 staatlich  48 Staatsangehörigkeit  618 Staatsstrukturprinzip  618, 622, 624 –– Subjektivierung  615, 674 Staatsvolk  181, 371 Staatszielbestimmung  618, 624 Steuerung –– politische  608 Steuerungsdefizit  339 Steuerungselement  223 Steuerungsfähigkeit –– der GmbH  446 –– politische  520 Steuerungsinstrument  480 Steuerungspflicht  546 Steuerungsverantwortung  77, 171 Steuerungsvorgabe –– politische  339 Stimmbindungsvertrag  515, 664 Struktursicherungsklausel  154, 627 Strukturveränderung –– des Organisationsgefüges  673 Strukturveränderung im staatsorganisa­ tionsrechtlichen Gefüge  621, 628, 636, 640 Subsidiarität  255, 313 –– kommunalwirtschaftlicher Betätigung  189 Subsidiaritätsklausel  142, 219, 225 Subsidiaritätsprinzip  154, 220, 265 –– unionsrechtliches  610 Subventionsbegriff  271 Teilhaberecht –– des Wahlbürgers  377

–– des Wählers  643 –– individuelles  620 –– kollektives bürgerschaftliches  617 –– subjektives  634 Teilvolk  181, 185, 216, 359, 404, 480, 624, 673 Territorialitätsprinzip  207 Trägerkommune  361, 416 Transparenz  264, 291, 305, 546 –– des Meinungsbildungsprozesses  559 –– Steuerungselement  86 –– von Entscheidungsprozessen  32, 559, 560, 569 Transparenzbegriff  647 Transparenzgesetz  605 Transparenzrichtlinie  272 Transparenzverlust  335, 440, 466 Treuepflicht  408, 426, 430, 449, 505, 542, 659 –– beamtenrechtliche  438 –– gesellschaftsrechtliche  472 Überkompensation  271, 302 Übermaßverbot  387, 511 übertragener Wirkungskreis  378 Überwachungsfunktion –– des Aufsichtsrates  430, 500 Überwachungskompetenz –– des Aufsichtsrates  452 –– des fakultativen Aufsichtsrats  458 ultima ratio  633, 638 ultra-vires-Akt  622 Ultra-vires-Kontrolle  624 Umweltinformationsgesetz  604, 611 Umweltinformationsrecht  672 Umweltinformationsrichtlinie  609 Unionsbürger  618, 624 –– als Legitimationssubjekt  625 Unionsgrundrecht  255 Unionsrecht –– Anwendungsvorrang  154 Unternehmen –– dauerdefizitäres  523

734 Sachregister –– gemeindeeigenes  97 –– gemischtwirtschaftliches  110, 119, 170, 343 –– i. S. d. europäischen Wettbewerbs­ rechts  257 –– kommunales  96, 97, 118, 163, 196, 241, 319 –– öffentliches  92, 118 –– privates  92 –– wirtschaftliches  163, 167, 177 Unternehmensbegriff  87 –– betriebswirtschaftlicher  87 –– des UWG  241 –– funktionaler  90, 118 –– institutioneller  89 –– kartellrechtlicher  248 –– konzernrechtlicher  91, 462 –– wettbewerbsrechtlicher  89, 118 Unternehmensbeteiligung  319, 350, 391 –– kommunale  106 Unternehmensgegenstand  205, 341 Unternehmensgründung  319, 350, 391, 527 Unternehmensinteresse  407, 409, 418, 422, 560, 599 Unternehmenskontrolle  335 Unternehmensregister  552, 667 Unternehmenssteuerung  335, 339, 418, 546 –– kommunale  175 Unternehmensträger  94 Verantwortungsgrenze  484 Verbandskompetenz –– gemeindliche  151, 207 Verbraucherinformationsgesetz  612 Verdachtsberichterstattung  591 Verdrängungswettbewerb  231, 250 Verfassungsautonomie –– der Länder  624 Verfassungsbeschwerde  626, 627, 634 Verfassungsidentität  622

Vergaberecht  281, 334, 523, 654 Vergabeverfahren –– wettbewerbliches  305 Vergütungstransparenz  351 Verhalten –– wettbewerbswidriges  244 Verhältnismäßigkeit  366, 413, 433, 460, 506, 511, 515, 529, 538, 592, 637, 643 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  145, 218 Verlustausgleichspflicht  464 Vermögensanlage  402 Vermögensprivatisierung  169 Versagungsvermerk  550 Verschaffungsanspruch  384, 644 Verschwiegenheitspflicht  86, 406, 409, 423, 495, 658 –– aktienrechtliche  433 –– der Arbeitnehmervertreter  570 –– der Betriebsratsmitglieder  570 –– des Aufsichtsrates  454 –– des Vorstandes  428 –– gesellschaftsrechtliche  410, 435, 460, 542, 607 –– kommunalrechtliche  445 –– Lockerung der  434, 453, 467, 472, 478, 561, 570 Vertrag von Lissabon  621, 625 Vertrag von Maastricht  617, 620 Vertragskonzern  463, 503, 513 –– kommunaler  466 Vertragskonzernrecht  479 vertrauliche Angaben  425, 437, 451, 478, 596 Vertreter –– bestellter weiterer  450 –– organschaftlicher  450 Verwaltungsakt  509, 540, 612 Verwaltungsaufgabe  54 Verwaltungseffizienz  135 Verwaltungsgesellschaftsrecht  329, 389, 412, 659

Sachregister735 Verwaltungshelfer  382 Verwaltungshilfe  112 Verwaltungsprivatrecht  161, 329, 372, 375, 385, 399, 425, 657 Volk  37, 59, 368, 615  siehe Souverän –– als Zurechnungssubjekt  siehe Publizität, staatsbezogene Volksbegehren  617 Volksentscheid  617 Volkssouveränität  124, 185, 367 Volkswahl –– unmittelbare  624 Vollkonsolidierung  547 Vorstandsverfassung  323, 494 Wahlakt –– Aushöhlung  620, 630 –– sinnentleerter  662 Wahlbürger  151, 361 Wahlrecht –– Aushöhlung  623, 640, 674 –– grundlegender demokratischer Gehalt  630 –– sinnentleertes  497 Wegenutzung  290, 519 Wegenutzungsrecht  475 Weisung –– gesellschaftsrechtliche  504, 506, 511, 514, 663 –– kommunalrechtliche  502, 506, 509, 513, 515, 663 Weisungsabhängigkeit –– der GmbH-Geschäftsführung  462 Weisungsrecht  437, 491, 500, 662 –– der Gesellschafterversammlung  455 –– gesetzliches  494 Weisungsunabhängigkeit  503 –– des Aufsichtsrats  484 –– des Vorstands der Aktiengesellschaft  461 Werkausschuss  322, 414, 490

Werkleitung  322, 414, 490 Wertbegriff  162, 425 –– personenbezogener  425 Wertsystem  376 Wesensgehalt  140 Wesentlichkeitskriterium  296, 343 Wettbewerb  202, 230 Wettbewerbsfreiheit  193, 250 –– Schutz der  235 Wettbewerbsprinzip  262 Wettbewerbsrecht  242, 386 –– europäisches  251, 258, 523, 653 Wettbewerbssteuerung  310 Wettbewerbsteilnahme  207, 391 Wettbewerbsverzerrung  246, 299, 363 Widmungsakt  380 Willkürverbot  293 Wirkungskreis –– eigener  134, 145, 187, 526, 608 –– übertragener  134, 167, 530 wirtschaftliche Betätigung –– Begriff  96 wirtschaftliches Unternehmen –– Begriff  651 Wirtschaftlichkeit  193, 197, 281, 528, 598, 602 Zentralisation  133, 315 Zielgemeinde  211, 217 Zielkontrolle  517 Zielvereinbarung  517, 664 Zugänglichkeit  156, 361  siehe Publizität Zulassungsanspruch  383 Zustimmungsvorbehalt  494, 513 Zweckprogrammierung  206 –– der Unternehmenssatzung  328, 345, 371, 407, 656 –– des Gesellschaftsvertrages  328, 344, 371, 656 Zweistufentheorie  384