Nachhaltigkeit im Bankensektor: Konzepte - Rechtsfragen - Kulturwandel 9783504384838

Nachhaltigkeit im Bankgeschäft – ein aktuelles Thema Das Werk nimmt sich eines angesichts der anhaltenden Vertrauenskris

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Nachhaltigkeit im Bankensektor: Konzepte - Rechtsfragen - Kulturwandel
 9783504384838

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Bauer/Schuster (Hrsg.) Nachhaltigkeit im Bankensektor

Nachhaltigkeit im Bankensektor Konzepte · Rechtsfragen Kulturwandel herausgegeben von

Dr. Denise A. Bauer Dr. Gunnar Schuster Bearbeiter siehe nächste Seite

2016

Bearbeiter Dr. Denise A. Bauer

Dr. Thomas Kurze

Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.

Vermögensverwalter, Berlin

Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M.

Dr. Klaus Lackhoff

Universitätsprofessor, Tübingen

Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

Dr. Stefan Bressler

Dr. Ilonka Rühle

Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

Referatsleiterin, Bonn

Dr. Patrick Cichy, MBA

Simone Schönen

Rechtsanwalt, Hamburg

Rechtsanwältin, Hamburg

Evgenia Gissing

Dr. Gunnar Schuster, LL.M.

Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.

Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

Falko Glasow

Martina Stegmaier

Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.

Dr. Angela Görner

Prof. Dr. Tobias Tröger, LL.M.

Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.

Universitätsprofessor, Frankfurt a.M.

Manuela Klos

Dr. Thomas Voland, LL.M.

Head of Personal Banking, Frankfurt a.M.

Rechtsanwalt, Berlin

Dr. Sabrina Kulenkamp

Daniela Weber-Rey, LL.M.

Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.

Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.

Prof. Dr. Christoph Kumpan, LL.M. Universitätsprofessor, Berlin

Zitierempfehlung: Verfasser in Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, 2016, S. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-30017-3 ©2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Geleitwort Die Öffentlichkeit hegt inzwischen den Generalverdacht, dass die Finanzdienstleister wenig nachhaltig agieren. Ja, weite Kreise der Gesellschaft sind heute sogar davon überzeugt, dass Banken und Versiche­rungen just das Gegenteil tun. „Verluste werden sozialisiert, Gewinne werden privatisiert“, dieser Satz fällt regelmäßig, wenn über das Geschäftsmodell der Finanzindustrie diskutiert wird. Dann ist die Rede von teuren Bad Banks, maßlosen Bonuszahlungen, überzogenen Managergehältern und einer kaum mehr zu überblickenden Zahl von Rechtsverstößen im Finanzwesen. Es ist nicht von der Hand zu weisen: Viele Akteure der Finanzindustrie hatten die Kernprinzipien der Nachhaltigkeit, wie sie beginnend mit dem sogenannten Brundtland-Bericht durch die UN-Vollversammlung festgelegt wurden, in den letzten Jahren aus den Augen verloren und auf Kosten Dritter und kommender Generationen gewirtschaftet. Dennoch, seit der Lehman-Pleite gibt sich das Finanzwesen geläutert. Man bekennt sich zu den Tugenden des ehrbaren Kaufmanns, kündigt beherzt einen Kulturwandel an und ja natürlich, auch nachhaltiger wolle man künftig wirtschaften. Gibt es also bereits jetzt einen breiten Gesinnungswandel weg vom schnellen Geldmachen hin zum nachhaltigen Geldverdienen? Ich persönlich habe da gewisse Zweifel. Nach wie vor fehlt es an vielen Stellen an dem, was Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung für mich ausmacht, nämlich Haftung, Haltung und Hingabe. Ich will dies kurz im Einzelnen erläutern. Haftung: Wer nachhaltig wirtschaftet, muss die Folgen seines Tuns im Wesentlichen selbst tragen können. Und darf sein Geschäftsmodell nicht darauf aufbauen, dass Dritte wie der Steuerzahler von heute oder kommende Generationen dafür schon einspringen werden. An der Fähigkeit mancher Finanzinstitute, die Folgekosten ihres Verhaltens tragen zu können, bestehen durchaus Zweifel. Die Eigenkapitalausstattung muss zwingend den Risiken der Geschäfte angemessen sein. In den letzten 100 Jahren ging die harte Eigenkapitalquote privater Banken drastisch zurück. Hart gerechnet, also Eigenmittel zu Bilanzsumme, liegen Großbanken heute häufig unter 5 Prozent Eigenkapitalquote. Das ist meines Erachtens schlicht zu wenig. Größer zehn Prozent wären das Mindeste, was man erwarten darf. Interessanterweise geht die Regulierung in der Schweiz gerade in diese Richtung. Gewiss, mir ist der Haupteinwand der Banken gegen hohe Eigenkapitalquoten bekannt. Aber einige neuere wissenschaftliche Untersuchungen entkräften diesen: hohe Eigenkapitalquoten bei Banken strangulieren nicht zwingend die Kreditversorgung der Wirtschaft. VII

Geleitwort



Haltung: Auf den Fluren der Finanzinstitute und in deren Weiterbildungszentren ist dieser Tage viel die Rede von Werten, Tugenden, Leitbildern und Moral. Und die Unternehmensführer versuchen über ausgefeilte, aber allgemeingültige Verhaltensnormen sicherzustellen, dass sich ihre Organisation künftig anständig verhält. Aber: Anstand ist nicht kollektiv, sondern in erster Linie individuell. Die Grundfrage der Wirtschaftsethik, wie sie einst Immanuel Kant formulierte, lautete eben nicht: „Was dürfen wir tun?“, sondern „Was soll ich tun?“. Für einen wirklichen Gesinnungswandel braucht es mehr als einige Schulungsprogramme zum Thema Wirtschaftsethik. Es ist der sogenannte „tone from the top“, der bestimmt, ob in einem Unternehmen nachhaltig im Sinne seiner ethischen Grundprinzipien gehandelt wird oder nicht. Der Kulturwandel wirkt indes überzeugender, wenn sich nicht nur der „tone from the top“ ändert, sondern wenn er auch mit neu zu bestellenden Funktionen und damit verbunden auch mit neuen Gesichtern einhergeht. Hingabe: Auf die Kritik an zu hohen Managergehältern und Boni reagiert der Finanzsektor mit dem Hinweis, dass man gute Leute nur dann bekomme, wenn man entsprechend bezahle. Es gibt jedoch hinreichend Belege, dass sich der nachhaltige Erfolg von Managern aus intrinsischer Motivation speist, nicht aus pekuniärer. Unternehmensvertreter sollten intrinsisch motiviert sein, Stabilität und damit Nachhaltigkeit zu schaffen und nicht nur versuchen, den überbordenden neuen gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, um Sanktionen zu entgehen. Wenn es die Finanzdienstleister mit der Nachhaltigkeit wirklich ernst meinen, müssen sie auf Unternehmensführer setzen, die sich ihrem Arbeitgeber langfristig verbunden fühlen und nicht bei erstbester Gelegenheit wechseln, weil es anderswo mehr Geld zu verdienen gibt. Aber ist das überhaupt möglich oder romantisches Wunschdenken? Mitnichten, globale Großunternehmen wie BMW, Bosch, Hilti oder Tata leben diese Philosophie bei der Auswahl und Remuneration ihrer Führungskräfte seit Jahrzehnten. Und jedes der genannten Unternehmen ist wirtschaftlich sehr erfolgreich. Kurzum: es gibt noch viel zu tun in Sachen Nachhaltigkeit im Bankensektor. Dieses Buch packt das Thema an, indem es kreative und erfahrene Köpfe aus der Wissenschaft, der Juristerei und aus den Banken selbst über die verschiedensten Implikationen nachdenken lässt. Das ist ein wichtiger (erster) Schritt, der parallel zu dem echten Kulturwandel in der Finanzbranche verläuft. Ich hoffe sehr, dass die entsprechenden Ideen und Vorschläge überall auch zur Kenntnis genommen und dann entsprechend aufgegriffen werden, um dann zu einem substantielleren Kultur- und Gesinnungswandel zu kommen, als er bislang zu besichtigen ist. Köln, im Oktober 2015

VIII 

Professor Dr. Klaus Schweinsberg Chairman Centrum für Strategie und Höhere Führung

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Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

Teil 1 Einleitung Kapitel 1 Nachhaltigkeit im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Kapitel 2 Nachhaltigkeit als (Regulierungs-)Konzept im Bankensektor I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 I I. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Entwicklung der Nachhaltigkeitsdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Bestandsaufnahme: Rechtliches Rahmenwerk im Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 a) Nachhaltigkeitsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 aa) Allgemeine Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 (1) UN Global Compact . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 (2) GRI-Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 (3) OECD-Leitsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 (4) EU CSR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 (5) Deutscher Nachhaltigkeitskodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 bb) Finanzspezifische Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 (1) UN Environment Programme Finance Initative . . . . . . . 14 (2) Äquator-Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 (3) Financial Services Sector Supplements zu den GRI-Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 (4) Rechnungslegungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 b) Nachhaltiges Investment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 c) Schaffung von Finanzstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 aa) Ratingverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 bb) MiFID 2/MiFIR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 cc) Bankenunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 dd) Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 ee) Eigenkapital und Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 ff) Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 d) Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung und über­schie­­ßende Umsetzung von Nachhaltigkeit in Banken . . . . . . . 24 3. Nachhaltigkeit im Bankensektor als eigenständiges Regulierungskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25   IX

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III. Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes in der Bank . . . . . . 27 1. Grundlagen und Inhalte von Nachhaltigkeitskonzepten . . . . . . . 28 a) Grundlagen und deren Einordnung in Nachhaltigkeitskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 aa) Rechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 bb) Unverbindliche Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 cc) Gesellschaftliche Stellung der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Inhalte von Nachhaltigkeitskonzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 aa) Betriebsökologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 bb) Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 cc) Gesellschaftliches Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 dd) Interessengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (1) Kulturwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (2) Transparenz und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (3) Geschäftsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Organisatorische Umsetzung und Einbeziehung der Geschäftsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Teil 2 Die stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive von Banken Kapitel 3 Sicherung der Funktionserbringung von nicht regulierten Aktiengesellschaften und Kreditinstituten durch Corporate Governance I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter bei nicht regulierten Aktiengesellschaften und Kreditinstituten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Bestellungsvoraussetzungen für Vorstandmitglieder . . . . . . . . . . 44 a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen . . . . . . . . . 44 b) Besonderheiten bei Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung von Geschäftsleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Anforderungen an die zeitliche Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . 48 cc) Begrenzung der Zahl der Leitungs- und Aufsichtsmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Organisationsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen . . . . . . . . . 52 b) Besonderheiten bei Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 X

 

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3. Haftungsregime und Abberufung für Vorstandsmitglieder . . . . . . a) Haftung und Abberufung von Vorständen im ­Allgemeinen . . . aa) Haftung gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung gegenüber Aktionären und sonstigen Dritten . . . . cc) Abberufung des Vorstandsmitglieds und strafrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten bei der Haftung von Geschäftsleitern von Kredit­instituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Anforderungen an die Aufsichtsgremien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Bestellungsvoraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . 60 a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen . . . . . . . . . 60 aa) Unvereinbarkeit und Bestellungshindernisse . . . . . . . . . . . 60 bb) Fachliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Besonderheiten bei Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen . . . . . . . . . 66 b) Besonderheiten bei Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Haftungsregime und Abberufung für Aufsichtsrats­­­mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen . . . . . . . . . 69 b) Besonderheiten bei Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Angemessenheit der Vergütung der Geschäftsleitung . . . . . . . . . 70 1. Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 70 2. Besonderheiten bei Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 V. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Kapitel 4 Nachhaltige Governance Prozesse in Banken I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Robuste Governance Unternehmensstruktur als Grundlage für nachhaltige Prozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Zwingende aufsichtsrechtliche organisatorische Vorgaben . . . . . 79 2. Organisatorische Gestaltungsfreiräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Duty Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Three Lines of Defense . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Nachhaltige Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Vermeidung von Formalismus und Komplexität. . . . . . . . . . . . 86 IV. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

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Kapitel 5 Nachhaltigkeit der materiellen Anforderungen an regulatorisches Eigenkapital von Kreditinstituten nach der CRR

I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

II. Eigenkapitalpositionen des Kreditinstituts nach der CRR. . . . . 91 III. Stabilität durch Langfristigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Keine Laufzeitbefristung und eingeschränkte Kündigungs­­optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Flexibilität durch außerordentliche Kündigungsrechte des Instituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Tatsächliche Nachhaltigkeit als Voraussetzung für die Erlaubnis zur Rückzahlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Ersetzung des Kapitals bei nachhaltiger Ertragslage . . . . . . . . 94 b) Solide Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 IV. Stabilität durch Verlustabsorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Hartes Kernkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Zusätzliches Kernkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Verlustbeteiligung bei Auslöseereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Die Varianten der „Verlustbeteiligung“ bei zusätzlichem Kernkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 V. Wiederzuschreibung als Ergebnis einer erfolgreichen Selbstregeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 VI. Erhaltung der Stabilität durch Flexibilität bei Ausschüttungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 VII. Nachrangigkeit der Eigenmittelinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . 100 VIII. Kapitalabzugsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 IX. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Kapitel 6 Nachhaltige Vergütungspolitik I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungssektor. . . . . . . . . . . . 108 1. Finanzbranchenübergreifender Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Banken und Wertpapierfirmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 XII

 

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III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln . . . . . . . . . . . 116 1. Individualebene: Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Erkannte Defizite und Instrumentalisierung . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Vergütungsvorgaben im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Verhältnis zwischen fester und variabler Vergütung . . . . . . 121 bb) Allgemeine Risikoorientierung der variablen Vergütung . . 122 cc) Besondere Risikoorientierung der variablen Vergütung . . . 123 (1) Zurückbehaltung von variablen Vergütungs­be­standteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Vergütung in Form von Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . 127 (3) Explizite ex-post Risikoadjustierung . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Unternehmensebene: Eigenmittel- und Liquiditäts­anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung . . . . . . . . . 132

Teil 3 Die Schaffung von nachhaltigen Bankenstrukturen zur Abwendung von Insolvenz Kapitel 7 Strukturreform im Finanzsektor – Das Trennbanken­ gesetz als untauglicher Versuch der Verwirklichung von ­Nachhaltigkeitszielen im Aufsichtsrecht I. Nachhaltigkeitsziele und Bankenstrukturreform. . . . . . . . . . . . . 139 II. Liikanen, Volcker, Vickers und ein deutsches Destillat. . . . . . . . 141 III. Die verbotenen Geschäfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Generell abzuspaltende Eigengeschäfte und Formen des Eigenhandels, § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 KWG . . . . . . . . . 148 a) Erfasste Handelsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Implizite Ausnahme für Market Making . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Untersagte Kredit- und Garantiegeschäfte, § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Anwendungsbereich und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Unzulänglichkeiten der Regelung im KWG . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Vom Verbot ausgenommene Geschäfte, § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 IV. Das Finanzhandelsinstitut und seine Finanzierung . . . . . . . . . . . 157

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V. Gesellschaftsrechtliche Umsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 VI. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Kapitel 8 Anreizwirkungen und Abwicklungsfähigkeit nach der BRRD I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Unbewältigte Verfahrenshürden und das Ziel nachhaltiger „Abwicklungsfähigkeit“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Insolvenzspezifische Probleme (insbesondere) in Gruppenlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Notwendigkeit der grenzüberschreitenden Verfahrens­koordination ex ante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Der Verfahrensrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Grundkonstellationen von Abwicklungsstrategien . . . . . . . . . 176 3. Folgerungen: Funktion und Anforderungsprofil von Sanierungs- und Abwicklungsplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 III. Vorgaben und Verfahren für die Sanierungs- und ­Abwicklungsplanung nach BRRD und SRM-Verordnung . . . . . . 181 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Pflicht zur Planaufstellung und inhaltliche Vorgaben . . . . . . . 184 b) Aufsichtskompetenzen bei Sanierungshindernissen . . . . . . . . . 187 3. Abwicklungsplanung und Abwicklungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . 189 a) Pflicht zur Planaufstellung und inhaltliche Vorgaben . . . . . . . 189 b) Kompetenzen der Abwicklungsbehörden bei Abwick­lungs­hindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Perspektiven für die Weiterentwicklung: nachhaltige ­ Neugestaltung des Finanzwesens durch Sanierungsund Abwicklungsplanung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Zusammenschau und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 V. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

XIV

 

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Kapitel 9 Das neue Sonderrecht für die Sanierung und Abwicklung von (Groß-)Banken: Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Bankensektor (?) I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Das Bankensanierungs- und -abwicklungsrecht jenseits ­BRRD / SAG und SRM-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Das allgemeine (Banken-)Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Das Restrukturierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Das KredReorgG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Sanierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Reorganisationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Bewertung im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte . . . . . . . . . 210 III. Das europäische Sonderrecht für die Sanierung und ­ Abwicklung von Banken und seine Umsetzung in ­ Deutschland: BRRD und SAG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Sanierungs- und Abwicklungsplanung sowie Frühinter­ventions­maßnahmen nach BRRD und SAG . . . . . . . . . 212 2. Das Sonderrecht für die Abwicklung systemrelevanter Banken nach BRRD und SAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Das Bail-in-Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Generelle Abwicklungsvoraussetzungen als Voraus­­setzungen für den Bail-in . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Funktionsweise des Bail-ins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Sonstige Abwicklungsmaßnahmen (§§ 107 ff., 128 ff. SAG) . . 218 c) Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen der handelnden Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Bewertung im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte . . . . . . . . . . . 219 IV. Das einheitliche europäische Sonderabwicklungsrecht für systemrelevante Banken: SRM-VO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Einführung in die Funktionsweise und Verhältnis zum SAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Abwicklungsverfahren nach SRM-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Tatbestandsvoraussetzungen der Abwicklungsplanung und der Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Zuständigkeitsverteilung im Verlauf des Abwicklungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Bewertung im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte . . . . . . . . . . . 223

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V. Verbleibender Anwendungsbereich des allgemeinen (Banken-) Insolvenzrechts und des Restrukturierungsgesetzes . . . . . . . . . . 224 VI. Gesamtbewertung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Kapitel 10 Nachhaltigkeitsanforderungen im Rahmen der Beteiligung von Private Equity Investoren an Kreditund Finanzdienst­leistungsinstituten I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Das Kriterium der Nachhaltigkeit im Inhaberkontroll­verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Solide und umsichtige Führung des Instituts . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Typische Merkmale einer Private Equity Investition . . . . . . . . 232 b) Anforderungen im Inhaberkontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Sicherstellung der angemessenen Eigenmittelausstattung . . . . . . 236 3. Durch den Erwerber vorzulegender Geschäftsplan für das ­Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4. Weitere Herausforderungen im Inhaberkontrollverfahren bei Erwerb durch einen Private Equity Investor . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Transparenz der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Finanzlage und Bonität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 III. Das Kriterium der Nachhaltigkeit im Erwerbskontroll­verfahren des Einlagensicherungsfonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Ausschluss- und Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Weitere Herausforderungen im Erwerbskontrollverfahren ­ des ESF bei Erwerb durch einen Private Equity Investor . . . . . . . 243 IV. Weitere Problemfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Weiterführung wesentlicher Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko . . . . . . . . . . . . . . . 247 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

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Teil 4 Die soziale und ökologische Komponente von Nachhaltigkeit im Bankensektor Kapitel 11 Soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen des Finanzsektors unter besonderer Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsberichterstattung I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Förderung sozialer und/oder ökologischer Belange als ­Geschäftsmodell von Akteuren des Finanzsektors. . . . . . . . . . . . 254 1. Ethische Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Förder- und Entwicklungsbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 3. Institutionelle Investoren (am Beispiel des Norwegischen Staatsfonds) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4. „Grüne Finanzprodukte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Transparenzanforderungen als Beispiel rechtlich verbindlicher Vorgaben im Hinblick auf die soziale und ökologische ­Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Länderspezifische Berichterstattung gem. CRD IV . . . . . . . . . . . . 260 2. Berichterstattung nach CSR-Reporting-Richtlinie . . . . . . . . . . . . 260 a) Umfang der Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 c) Anforderungen der Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 IV. Markterwartungen und Soft Law. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Markterwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Branchenspezifische Initiativen und Selbstverpflichtungen . . . . . 264 a) Äquator-Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren . . . . . . . . . . . 266 c) Finanz-Initiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP FI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 d) UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte . . . . . . 268 e) Empfehlungen der GRI speziell für den Finanzsektor . . . . . . . . 269 f) UN-Leitprinzipien für Auslandsschulden und Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 V. Zusammenfassung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

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Kapitel 12 Nachhaltige Mikrofinanz-Projekte, dargestellt an ­Programmen in Bhutan, Ruanda/Burundi und Mexiko I. Das Entwicklungshilfemodell von Muhammad Yunus . . . . . . . . 273 1. Microinsurance als Instrument sozialer Sicherung . . . . . . . . . . . . 277 2. Finanzielle Selbsthilfe als Baustein nachhaltiger Finanz­strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 II. Sparkassen und Genossenschaften als frühe MF-Institutionen. . 280 III. Drei nachhaltige Mikrofinanzprojekte in Bhutan, ­ Ruanda/Burundi und Mexiko. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Bhutan: Aufbau einer nachhaltigen MFI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Aufbau von Trainingsstrukturen in Ruanda (und Burundi) . . . . . 283 3. Mexiko – Aufbau von Verbänden und Schaffung von Ver­bünden zur Stärkung ländlicher Finanzinstitutionen . . . . . . . . . . 286 IV. Schlussfolgerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Kapitel 13 Produktmanagement und Kunden von Nachhaltigkeitsbanken I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 II. Nachhaltigkeitsbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Konsequenzen der Finanzkrise und Entwicklung im Finanz­sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Reaktionen der Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3. Das Geschäftsmodell von Nachhaltigkeitsbanken . . . . . . . . . . . . 298 a) Nachhaltigkeitsbanken weltweit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Nachhaltigkeitsbanken in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 III. Kunden von Nachhaltigkeitsbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Kultur- und Wertewandel in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 307 2. Kundenstruktur und Potenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 IV. Produkte und Dienstleistungen von Nachhaltigkeitsbanken. . . . 312 1. Nachhaltige Finanzierungen mit Mehrwert . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Projektfinanzierung mit Mehrwert für Mensch  und ­Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 b) Private Hypothekenkredite mit Mehrwert für die Umwelt . . . 315 2. Socially Responsible Investments ohne Verzicht auf Rendite . . . 315 a) Socially Responsible Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 aa) Investmentansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 XVIII

 

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bb) Performance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Direktinvestment in das Geschäftsmodell Nachhaltigkeitsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 V. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Kapitel 14 Reputation im Unternehmensrecht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 II. Begriff und Bedeutung der Reputation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Reputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reputation als Information über die Vertrauenswürdigkeit . . . . . 3. Ökonomische Bedeutung und Auswirkungen der Reputation . . . a) Reputation als Vermögensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reputation als Instrument im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reputation als Disziplinierungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Reputation und Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . .

327 327 328 329 329 330 331 331

III. Reputation im Gesellschafts- und Finanzrecht. . . . . . . . . . . . . . . 1. Berücksichtigung der Reputation im Gesellschaftsrecht . . . . . . . a) Gesellschaftswohl als allgemeiner Anknüpfungspunkt . . . . . . b) Bedeutung im Rahmen der Business Judgement Rule . . . . . . . . aa) Handeln zum Wohl der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitere Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reputation in der Rechtsprechung des BGH zum ­Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Absehen von der Anspruchsverfolgung gegenüber Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zahlungen zur Vermeidung von Ermittlungs- und Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung der Reputation im Finanzrecht . . . . . . . . . . . . . a) Absehen von der ad hoc-Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachhaltige Geschäfts- und Risikostrategie . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung von Geschäftspartnern mit zweifelhaftem Ruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

333 334 334 335 336 337 338 338 339 341 341 342 342

IV. Schutz der Reputation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 1. Interne Maßnahmen: Reputationsmanagement . . . . . . . . . . . . . . 343 2. Externe Maßnahmen: Unterlassung und Schadensersatz . . . . . . . 344 V. Schlussbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

XIX

Autorenverzeichnis Dr. Denise A. Bauer ist Rechtsanwältin bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Frankfurt am Main und berät schwerpunktmäßig im Bankaufsichtsrecht und bei Mergers & Acquisitions im Finanzsektor. Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M. (London), ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, insbesondere Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht an der Eberhard Karls Universität in Tübingen. Dr. Stefan Bressler ist Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Frankfurt am Main und berät schwerpunktmäßig im Bereich Gesellschaftsrecht bei Mergers & Acquisitions sowie bei Umstrukturierungen und Sanierungen im Finanzsektor. Dr. Patrick Cichy, MBA (Wales), ist Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus ­Deringer LLP in Hamburg und berät schwerpunktmäßig im Gesellschaftsrecht, bei Mergers & Acquisitions sowie bei Umstrukturierungen und Sanierungen im Finanzsektor. Evgenia Gissing (vormals Grana) ist Rechtsanwältin und Syndika im Bereich Global Corporate Governance der Deutsche Bank AG. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Umsetzung von Governance Standards und der Weiterentwicklung der internen Governance Strukturen sowie der Beratung des Senior Managements zu Governance Fragen. Falko Glasow ist Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Frankfurt am Main und berät schwerpunktmäßig im Bankaufsichtsrecht. Dr. Angela Görner ist Rechtsanwältin in Frankfurt am Main. Manuela Klos ist Head of Personal Banking bei der Triodos Bank N.V. Deutschland in Frankfurt am Main, einer Niederlassung der in den Niederlanden ansässigen führenden Nachhaltigkeitsbank Europas. Dr. Sabrina Kulenkamp ist Rechtsanwältin bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Frankfurt am Main und berät schwerpunktmäßig im Gesellschaftsrecht. Prof. Dr. Christoph Kumpan, LL.M. (Univ. of Chicago), ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dr. Thomas Kurze ist Partner und Beiratsvorsitzender der Boehm Kurze Zumbrink Capital Management GmbH und bankenunabhängiger Vermögensverwalter in Berlin.

  XXI

Autorenverzeichnis



Dr. Klaus Lackhoff ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main. Der von ihm in diesem Band veröffentlichte Beitrag ist im Zeitraum bis zum 31. Mai 2015 entstanden. Zu dieser Zeit war Dr. Klaus Lackhoff als Counsel im Bereich Bank- und Finanzrecht bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP tätig. Dr. Ilonka Rühle ist Referatsleiterin der Sparkassenstiftung für internationale ­Kooperation in Bonn, wo sie insbesondere Projekte mit dem Fokus auf „Responsible Finance” im Kaukasus und in der Himalaya Region leitet. Simone Schönen ist Rechtsanwältin bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Hamburg und berät schwerpunktmäßig Unternehmen bei Restrukturierungen innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Dr. Gunnar Schuster, LL.M. (Univ. of Chicago), ist Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Frankfurt am Main und berät schwerpunktmäßig im Finanzmarktrecht. Martina Stegmaier ist Rechtsanwältin und Syndika und in der Rechtsabteilung der Deutsche Bank AG tätig. Ihre Schwerpunkte liegen im Bankaufsichts- und Kapitalmarktrecht. Prof. Dr. Tobias Tröger, LL.M. (Harvard), ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht und Rechtstheorie an der Goethe Universität in Frankfurt am Main sowie Professor am LOEWE-Zentrum Sustainable Architecture for Finance in Europe (SAFE) und Assoziierter Professor am Institute of Monetary and Financial Stability (IMFS) ebenfalls in Frankfurt am Main. Dr. Thomas Voland, LL.M. (Nottingham), ist Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Berlin und berät schwerpunktmäßig im Völker- und Europarecht sowie im Verfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht. Daniela Weber-Rey, LL.M. (Columbia), ist Chief Governance Officer der Deutsche Bank AG und leitet dort die Global Corporate Governance Funktion. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Beratung des Vorstands und des Senior Management zu Governance Fragen, in der Umsetzung von Governance Standards sowie der Weiterentwicklung der internen Governance Strukturen der Bank.

XXII

Teil 1 Einleitung Kapitel 1 Nachhaltigkeit im Wandel Denise A. Bauer und Gunnar Schuster

There must be a sustained focus on conduct and culture by banks and the banking industry, boards, and management. Firms and their leaderships need to make major improvements in the culture ­within the banking industry and within individual firms. Banking Conduct and Cultur – a Call to Sustained and Comprehensive Reform, Group of Thirty (630) im Juli 2015 Die Notwendigkeit, die Finanzmarktstabilität zu erhalten und zu stärken ist mit der Finanzkrise 2007 bis 2009 und der anschließenden Staatsschuldenkrise in das Zentrum der Finanzmarktregulierung gerückt. „Erhalt und Stabilität“ sind auch die prägenden Attribute des Begriffs der „Nachhaltigkeit“. Ungeachtet der Vielzahl unterschiedlicher Umschreibungen der Nachhaltigkeitsbemühungen, die seit Beginn der Industrialisierung und der damit verbundenen Verknappung öffentlicher Güter propagiert worden sind, ist doch allen das „Bewahren eines Systems“ gemein. Die finanzmarktrechtlichen Regulierungsmaßnahmen zielten indes zunächst weniger auf die Bewahrung eines instabil gewordenen Finanzsystems, als vielmehr darauf, das System wieder in einen stabileren Zustand zurückzuführen. Dabei wurden jeweils auch weitere Regulie­rungsziele verfolgt, wie die Schonung von Haushaltsmitteln, die Vermeidung von Ansteckungsrisiken, die Senkung von Informationskosten sowie die Schaffung verbesserter Modelle zur Bewertung von Risiken für die Finanzmarktstabilität. Dieser Prozess hat bislang keine einheitlich Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs im Bankensektor hervorgebracht, was es schwierig macht, nachhaltigkeitsrelevante Themen zu identifi­zieren, thematisch zu ordnen und in rechtlich durchsetzbare Regeln zu gießen. Dennoch lassen sich zahlreiche Regulierungsmaßnahmen identifizieren, die einen Nachhaltigkeitsbezug erkennen lassen und mehr oder weniger konkrete Vertigkeitsbestrebungen stets eine haltensstandards setzen. Dass Nachhal­ zeitliche Dimension haben, also Stabilitätserfolge über einen gewissen, mittel- bis langfristigen Zeitraum anstreben, lässt sich am Beispiel einiger wesent­licher Anforderungen des Bankaufsichtsrechts verdeutlichen: Bauer/Schuster | 1

Teil 1

Einleitung

Die Verpflichtung der Institute, „eine auf die nachhaltige Entwicklung des Instituts gerichtete Geschäftsstrategie“ zu ver­folgen (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG), beruht nach Ziffer 55 der EBA-Leitlinien on common procedures and methodologies for the supervisory review and evaluation process (SREP) auf einer zu erwartenden, angemessenen Renditeerwirtschaftung und ist bezogen auf einen Dreijahreszeitraum. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KWG i.V.m. § 14 Abs. 7 Nr. 1 AnzV wird die Tragfähigkeit eines Geschäftsplans, zu dem auch die Profitabilität gehört, von der ­Aufsicht ebenfalls grundsätzlich anhand eines Dreijahreszeitraums überprüft. Bei der Bewertung der „auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichteten Vergütungs­systeme“ wird sogar ein Fünfjahreszeit­ raum zugrunde gelegt (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6, Abs. 5 Satz 3 KWG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 2 InstitutsVergV). Eine Verengung der Nachhaltigkeitsbemühungen im Finanzmarktrecht auf ökonomische und zeitliche Parameter würde jedoch der Vielfalt der Nachhaltigkeitsbestrebungen im Bankensektor nicht gerecht. Die Finanzbranche ist insbesondere wegen der jüngsten Finanzmarkt­krisen und des manche Banken heute schmerzhaft einholenden Fehlverhaltens in der Vergangenheit zum Motor einer deutlich umfassenderen Nachhaltigkeitsdiskussion geworden. So öffnet sich der Finanzmarkt aufgrund des viel diskutierten Kulturwandels weiteren Nachhaltigkeitsparametern. Hierzu gehören etwa die Rückbesinnung auf die Multipolarität der Interessen, denen Finanzinstitute gerecht werden müssen, und eine Abkehr vom reinen „shareholder value“. Auch die Stärkung der persönlichen Verantwortung und der Verbindung zwischen Handeln und Haftung gehört hierzu, ebenso wie die Erkenntnis, dass eine voraus­schauende, Konjunkturzyklen aushaltende, also ausgewogene Geschäftsstrategie vonnöten ist. Rechtliche Einfallstore hierfür sind mannigfaltig vorhanden: Beispiele sind das schon genan­nte Erfordernis einer auf die nachhaltige Entwicklung gerichte­ten Geschäftsstrategie, über mehrjährige Referenzperioden berechnete anti­zyk­lische Kapitalpuffer, neue Anforderungen an Zurückbehaltungsrechte bei der Gewährung von variabler Vergütung, die Verlängerung der Verjährungsfristen für die Managerhaftung bei Kreditinsti­tuten, neue Anforderungen an die Eignung von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten, verschärfte Eingriffs­rechte der Aufsicht zur Verhinderung übermäßiger Ausschüttungen und vieles andere mehr. Mit Blick auf die Verfolgung ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsziele hinkt die recht­liche Durchsetzung der gelebten Praxis hinterher. Hier haben sich, basierend auf zunehmend anerkannten Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, zur Betriebsökologie und zur Befriedigung der Ansprüche der unterschiedlichen Interessengruppen, vielschichtige Nachhal­tigkeitskonzepte etabliert, die nicht nur den Nach­ hal­ tigkeitsbegriff, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung von Nachhaltigkeit im Bankensektor zunehmend prägen.

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Einleitung

Teil 1

Ziel dieses Bandes ist es, alle diese unterschiedlichen Ansätze zur Verstärkung von Nachhal­tigkeit im Bankensektor aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Dabei geht es nicht darum, eine neue oder bessere Definition von Nachhaltigkeit zu entwickeln. Vielmehr dient ein funktionaler Nachhaltigkeitsbegriff zur Annäherung an die oben identifizierten Themen. Dieser Aufgabe versucht der Band in vier Teilen gerecht zu werden: Zunächst soll eine Bestandsaufnahme von Nachhaltigkeitskonzepten in der Theorie und Praxis im Bankensektor unternommen werden, die sowohl ökonomische als auch soziale und öko­logische Aspekte umfasst. Dabei wird auch die Frage nach einem rechtspolitischen Bedarf für ein einheitliches Regulierungskonzept zur Nachhaltigkeit gestellt. Anschließend wird die stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeitszielen aus der Innen­perspektive von Banken beleuchtet. Dazu wird auch der Frage nachgegangen, ob der Gesetzgeber ausreichende Rahmenbedingungen für eine solche Nachhaltigkeitskultur geschaffen hat. Hierbei werden im Kern die bankaufsichtsrechtlichen Themen der Corporate Governance, des Bankprozessmanagements, der Eigenkapitalausstattung und einer ange­messenen Vergütung untersucht. Gesetzgeberisches Herzstück der Funktionserhaltung und der Selbstheilung der Finanz­märkte ist das neue Sanierungs- und Abwicklungsregime für Banken, weshalb sich im dritten Teil des Bands gleich zwei Beiträge mit diesem Thema befassen. Hier geht es um die Analyse der durch externe Faktoren vorgegebenen Anforderung an die Bankenstruktur, die durch den Erlass des Trennbankengesetzes ihren aktuellen Höhepunkt erreicht hat. In diesen Zusammen­hang gehören auch die Ausführungen zu den besonderen Heraus­forderungen des Erwerbs von Banken durch eher kurzfristig orientierte Finanzinvestoren. Der vierte Teil widmet sich den sozialen und ökologischen Komponenten von Nachhaltigkeit im Bankensektor. Hier werden nach einer all­ge­mei­ nen und vertieften Analyse des Regulierungsrahmens insbesondere zu den Publizitätspflichten verschiedene Mikrofinanz­projekte als Prototypen für nachhaltige Finanzdienstleistungen und deren Einbettung in genossenschaftliche Strukturen dargestellt. Damit soll selbstverständlich kein allgemein­gültiges Geschäftsmodell propagiert werden. Aber der Beitrag aus der Innen­perspektive einer Nachhaltigkeitsbank, der insbesondere darlegt, wie sich Nachhaltigkeits- und Rentabilitäts­ziele miteinander verbinden lassen, mag mit bestimmten Vorurteilen aufräumen. Der letzte Beitrag des Bands beschäftigt sich mit der Bedeutung von Reputation im Unter­nehmensrecht und diesbezüglichen Verrechtlichungstendenzen. Er kann damit auch als Ausblick verstanden werden. Denn Nachhaltigkeit im Finanzsektor ist trotz aller rechtlicher Anknüpfungspunkte und ökonomisch bestimmter Ziele ein weicher Begriff, der maßgeblich von der Kultur in den Unternehmen, am Markt und in der GesellBauer/Schuster | 3

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Einleitung

schaft geprägt wird. Dabei muss sich in der Regel die kleinere Einheit (Sektor- oder Firmenkultur) der größeren Einheit (gesellschaftliche Kultur) anpassen, um Reputationsverluste zu vermeiden. So kann die Kultur einer Gesellschaft zum einen als Korrektiv wirken, wenn sich die Kultur in einem Sektor oder die Firmenkultur zu weit von allgemein anerkannten Maßstäben entfernt. Zum anderen ist bei einem Wandel der gesellschaftlichen Kultur zu erwarten, dass sich auch die Binnenkultur der Unternehmen anpasst. Beides ist nach den jüngsten Finanzkrisen geschehen, wobei die besondere Stellung und Verantwortung der Banken im Wirtschaftskreislauf eine wichtige Rolle gespielt hat. Mit Blick auf die Bankkultur, die es nun nach der Finanzkriese fortzuentwickeln gilt, hat die „Group of Thirty“ im Juli 2015 zunächst konstatiert, dass Kultur und Vertrauen zu einem nachhaltigen ökonomischen Gewinn führen. Voraussetzung hierfür sei aber zunächst die bewusste Rückbesinnung auf Werte und Führung. In der Umsetzung bedeute dies, die Sensibilität und Verantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat für diese Themen zu stärken, angemessene finanzielle Anreize zu setzen, Mit­ arbeiter zu schulen sowie ein effektives Kontrollsystem zu schaffen. Schließlich gehört zu einer belastbaren Bankkultur auch eine effektive Aufsicht. Die Aufsicht kann die Kultur nicht vorgeben, dies ist Aufgabe jeder Bank. Gleichwohl ist die Aufsicht gehalten, die Bankkultur zu überwachen, zum Beispiel indem sie prüft, ob Werte und Verantwortung in bankinterne Prozesse umgesetzt werden. Trotz des weit gefassten Blickwinkels dieses Bandes erhebt er keinen Anspruch auf Vollstän­digkeit. Der stetige Wandel in Gesellschaft und Gesetzgebung setzt laufend neue Impulse und zwingt zur Veränderung. Diese vorherzusehen und bestehende Ordnungssysteme und Verhaltensmuster an die sich wandelnden Verhältnisse und kulturellen Rahmenbedingungen anzupassen, ist Aufgabe jedes Akteurs im Wirtschaftsleben. Nachhaltigkeit im Wandel ist die neue Herausforderung.

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Kapitel 2 Nachhaltigkeit als (Regulierungs-)Konzept im Bankensektor Denise A. Bauer und Martina Stegmaier*

Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarkt­ regulierung 1. Entwicklung der Nachhaltigkeitsdebatte 2. Bestandsaufnahme: Rechtliches Rahmenwerk im Bankensektor a) Nachhaltigkeitsberichter­ stattung b) Nachhaltiges Investment c) Schaffung von Finanzstabilität d) Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung und überschießende Umsetzung von Nach­haltigkeit in Banken

3. Nachhaltigkeit im Bankensektor als eigenständiges Regulierungs­ konzept? III. Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes in der Bank 1. Grundlagen und Inhalte von Nachhaltigkeitskonzepten a) Grundlagen und deren Einordnung in Nachhaltigkeitskonzepte b) Inhalte von Nachhaltigkeitskonzepten 2. Organisatorische Umsetzung und Einbeziehung der Geschäftsbereiche IV. Zusammenfassung und Bewertung

Literatur: Baetge/Schmidt, Nachhaltigkeit – eine Angelegenheit für den CFO?, IRZ 2010, 293; Becke, Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit – Von Change Management zum Mindful Change, OrganisationsEntwicklung 2010, 4; Elkington, Cannibals with Forks: The Triple Bottom Line of 21st Century Business, 1997; Eiselt/Kaspereit, Nachhaltigkeitsberichterstattung als Instrument der Kapitalmarktkommunikation, KoR 2010, 379; Hacker/Schmitz, Nachhaltigkeitsberichterstattung von Kreditinstituten, ZfK 2014, 767; Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), Kommentar unter Berücksichtigung der Instituts-Vergütungsverordnung (InstitutsVergV), 4. Aufl. 2013; Hellwig, Systemische Risiken im Finanzsektor, 1998, Vol. 98–30, Sonderforschungsbereich 504; Henriques/ Richardson, The Triple Bottom Line: Does it all add up?, 2004; Hopt/Wohlmanns­ tetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011; Hüthig, Nachhaltigkeit wird zum Wirtschaftsfaktor, Bankmagazin 2015, 30; Jeucken, Sustainable Finance and Banking: The Financial Sector and the Future of the Planet, 2011; Jonker/Stark/ Tewes, Corporate Social Responsibility und nachhaltige Entwicklung, 2010; Klauer, Was ist Nachhaltigkeit und wie kann man eine nachhaltige Entwicklung erreichen?, ZAU 1999, 86; Kort, Gemeinwohlbelange beim Vorstandshandeln, NZG 2012, 926; Kroker, Menschenrechte in der Compli­ance, CCZ 2015, 120; Leonhardt/ Wiedemann, Push und Pull der Nachhaltigkeit, die bank 2014, 30; Schäfer, Triple Bottom Line Investing – Zukunft der „ethischen“ Kapitalanlage, Zeitschrift des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, 2001 (Jg. 118), 161; Schäfers, Nachhalti* Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren wieder.

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Teil 1

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ges Investieren, 2014; Schrader, Nachhaltigkeit in Unternehmen – Verrechtlichung von Corporate Social Responsibility (CSR), ZUR 2013, 451; Spießhofer, Die neue europäische Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen – Paradigmenwechsel oder Papiertiger?, NZG 2014, 1281; Voland, Unternehmen und Menschenrechte – vom Soft Law zur Rechtspflicht, BB 2015, 67.

I. Einleitung Nachhaltigkeit im Bankensektor ist ein Modewort. Es wird fast inflationär für die Beschreibung zahlreicher verbindlicher und unverbindlicher Regulierungsvorhaben sowie unternehmensinterner Strukturierungsentscheidungen verwendet. Dabei entsteht der Eindruck, dass ein Flickenteppich verschiedener Nachhaltigkeitsdebatten und -bedeutungen vorliegt und es stellt sich die Frage, ob Nachhaltigkeit im Bankensektor überhaupt als einheitliches Konzept verstanden werden kann. Ziel dieses Beitrags ist es, dieser Frage nachzugehen. Hierzu erfolgt zunächst eine generelle Begriffsbestimmung sowie eine Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitsformen und -ausprägungen im Bankensektor anhand der zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen und Standards. Anschließend soll darauf basierend eine Einordnung der Nachhaltigkeit im Finanzmarktrecht vorgenommen und ihr etwaiger Fortentwicklungsbedarf analysiert werden, bevor die Umsetzung in der Praxis veranschaulicht wird.

II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung 1. Entwicklung der Nachhaltigkeitsdebatte Der Begriff der Nachhaltigkeit geht ursprünglich auf nachhaltige Entwicklung zurück. Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) formulierte 1713 in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung, durch Säen und Pflanzen nachwachsen kann. Ziel war es letztlich den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern und ein System zum Wohle künftiger Generationen zu bewahren.1 Diese Relevanz von Nachhaltigkeit im Bereich der Ökologie ist bis heute ungebrochen. So existieren zahlreiche

1 Nach Klauer, ZAU 1999, 86 (89 ff.); Becke, OrganisationsEntwicklung, 2010, 4 (5); so auch später aus dem Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 (Brundtland-Kommission): „die Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können; (…) Im Wesentlichen ist dauerhafte Entwicklung ein Wandlungsprozess, in dem die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander harmonieren und das derzeitige und künftige Potential vergrößern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen“.

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II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

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internationale wie nationale Erklärungen und Gesetze2, die einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen sichern sollen. Seit Beginn der 1990er Jahre sind jedoch zwei weitere Säulen von Nachhaltigkeit hinzugekommen, die den „modernen Nachhaltigkeitsbegriff“ prägen: die Soziale und die Ökonomische Nachhaltigkeit.3 In diesem Sinne wurde während der ersten UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro die Agenda 21 – ein Aktions­ programm für eine weltweite nachhaltige Entwicklung – beschlossen. ­Dadurch wurde ein Nachhaltigkeitskonzept, das auf der Erkenntnis beruhte, globaler Umweltschutz sei nur möglich, wenn die Politik zugleich ökonomische und soziale Aspekte beachte, formal zum Leitprinzip der Politik. Darauf folgend formulierte die Europäische Union (EU) 1997 in dem Vertrag von Amsterdam4 erstmals explizit drei Säulen der Nachhaltigkeit, die das Naturerbe, wirtschaftliche Errungenschaften sowie soziale und gesellschaftliche Leistungen (beispielsweise die demokratischen Strukturen und eine gerechte Einkommensverteilung) umfassten. 2001 legte die EU dann eine Strategie für nachhaltige Entwicklung vor, die sowohl ökologische als auch soziale und ökonomische Aspekte der Nachhaltigkeit aufgriff und basierend auf diesen drei Säulen die Lebensgrundlage künftiger Generationen sicherstellen sollte (sog. Drei-Säulen-Modell).5 Auf nationaler Ebene wurde im Juni 1995 die Enquete Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ vom Bundestag eingesetzt, die eben solche Rahmenbedingungen für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung aus ökologischer, sozialer und ökonomi2 Beispielhaft sei hier nur angeführt Grünbuch der Europäischen Kommission „Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie“ im Jahr 2006 zusammengefasst. Weitere Nachweise siehe unten. 3 Abschlussbericht der Enquete Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung, BT-Drucks. 13/11200, S. 17 (Abschlussbericht der Enquete Kom­ mission). 4 Vertrag von Amsterdam, Zur Veränderung des Vertrags über die Europäischen Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Artikel B. 5 Mitteilung der Europäischen Kommission v. 15.5.2001 (KOM 2001/264 end.) zu Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt, Strategie der Europäischen Union für eine nachhaltige Entwicklung; in der Literatur wird zum Teil auch von dem „Ein-Säulen-Modell“ gesprochen, das der ökologischen Dimension Priorität einräumt, während bei dem „Drei-Säulen-Modell“ alle Ziele separat nebeneinander stehen; 2009 wurde die EU-Strategie zuletzt überarbeitet: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen v. 24.7.2009 – Förderung einer nachhaltigen Entwicklung durch die EU-Politik: Überprüfung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung 2009 (KOM 2009/ 400 endg.).

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Teil 1

Einleitung

scher Sicht erarbeitete. In ihrem Abschlussbericht vom Juni 1998 beschrieb die Enquete Kommission dabei alle drei Säulen der Nachhaltigkeit, wies aber auch darauf hin, dass die Säulen nicht getrennt voneinander zu betrachten seien, sondern integrativ behandelt werden müssten. Dabei ginge es – bildhaft gesprochen – nicht um die Zusammenführung dreier nebeneinander stehender Säulen, sondern um die Entwicklung einer dreidimensionalen Perspektive aus der Erfahrungswirklichkeit (sog. Integratives Nachhaltigkeitsmodell).6 Der Bankensektor hat bei der Entwicklung des Nachhaltigkeitsverständnisses zunächst keine Rolle gespielt. Somit hat sich in der Theorie auch weder das Drei-Säulen-Modell noch das Integrative Nachhaltigkeitsmodell für den Bankensektor explizit durchgesetzt. Vielmehr wurde hier vermehrt auf den sog. Triple Bottom Line-Ansatz hingewiesen,7 der nicht die Banken selbst und ihre eigene Unternehmensführung, sondern vielmehr die Vertragspartner von Banken und deren Nachhaltigkeitsverhalten betrifft. Danach sollen Banken die Triple Bottom Line der Vertragspartner und damit ihre ethischen, ökologischen und finanziellen Leistungen als Grundlage für die Bewertung ihrer Kredit- und Geschäftswürdigkeit heranziehen. Der britische Berater Elkington schrieb dazu 1994, dass die „Bottom Line“ das Ergebnis unter dem Schlussstrich der Gewinn-und-Verlust-Rechnung sei und dies für Unternehmen (und damit für die Vertragspartner der Banken) übersetzt bedeute, dass neben (1) wirtschaftlichen Leistungen zugleich auch (2) ökologische sowie (3) soziale Leistungen „unter dem Strich“ auf mittlere bis lange Sicht dauerhaft zu erbringen und zu steigern seien.8 Auch diesem Ansatz liegt somit ein dreidimensionales Nachhaltigkeitsverständnis zugrunde. Banken sind danach gehalten, nachhaltige Kreditvergabeentscheidungen zu treffen. Ein Nachhaltigkeitskonzept bezogen auf Banken als Adressaten ist mit diesem Ansatz jedoch nicht zwingend verbunden. Damit bleibt zunächst festzuhalten, dass den dargestellten Nachhaltigkeitsbegriffen und -modellen die Verbindung der drei Parameter Ökolo-

6 Abschlussbericht Enquete Kommission, S. 17. 7 Vgl. Jeucken, Sustainable Finance and Banking: The Financial Sector and the Future of the Planet, 2011; Schäfer, 2001, S. 161 ff.; allgemein dazu Elkington, ­Cannibals with Forks: The Triple Bottom Line of Twenty-First Century Business, 1997; Henriques/Richardson, The Triple Bottom Line: Does it all add up?, 2004. 8 Zum Teil wurde hier schon davon ausgegangen, dass die Berücksichtigung der drei Dimensionen bei Investment selbst eine vierte Dimension bilden würde – nämlich die des nachhaltigen Investments (Nachweis) siehe zu dieser Überlegung auch nachfolgend; zum Teil wird von einer vierten Dimension aber auch aus Sicht der Grundsätze der Geldanlage gesprochen bei der Nachhaltigkeit als vierte Dimension zu Rentabilität, Sicherheit und Liquidität hinzutritt (abrufbar unter http://www.ioew.at/ioew/download/endbericht_1105_inafin.pdf; diese und jede weitere Internetquelle zuletzt abgerufen am 25.7.2015).

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Teil 1

II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

gie, Soziales und Ökonomie gemein ist9 und es letztlich um die langfris tige Grundlage der Sicherung künftiger Generationen geht. Der Frage, welche auf diesem Begriffsverständnis basierenden Nachhaltigkeitsanforderungen indes speziell für den Bankensektor geschaffen wurden und damit auf welcher rechtlichen Grundlage etwaige Konzepte beruhen, wird im Folgenden nachgegangen. 2. Bestandsaufnahme: Rechtliches Rahmenwerk im Bankensektor Bei der Analyse des rechtlichen Rahmenwerks für Nachhaltigkeit im Ban­kensektor fällt zunächst auf, dass der oben skizzierte Nachhaltigkeitsgedanke in zahlreichen Regelungswerken des Bankensektors verankert ist und vielen Vorschriften in diesem Bereich als Grundprinzip zugrunde liegt, auch wenn die Nachhaltigkeit nicht ausdrücklich erwähnt wird. Es existieren zum Beispiel diverse Regelwerke, die die Langfristigkeit von Instrumenten und den Bestand eines Systems sichern sollen oder die der Verhinderung einzig gewinnorientierten Bestrebens dienen. So etwa das Grünbuch der Europäischen Kommission über die langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft aus dem Jahr 2013, das zum Ziel hat, Mittel im Finanzsystem wirksam und effizient zu kanalisieren, so dass diese über offene, wettbewerbsorientierte Märkte bei den richtigen Nutzern und Verwendungszwecken ankommen und damit langfristige Investitionen ermöglicht werden. Gleichwohl tragen diese Regelungen kein „Nachhaltigkeitslabel“. Zum anderen ist die große Bandbreite an Regelungsebenen und -formen, die den Begriff der Nachhaltigkeit ausdrücklich aufgreifen, bemerkenswert. Allein im finanzrechtlich relevanten Umfeld findet sich der Begriff der Nachhaltigkeit in verschiedenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf unterschied­lichen Regelungsebenen, wie etwa in Art. 78 Abs. 1a Capital Requirements Regulation (CRR)10 auf Ebene des europäischen Gesetzgebers, § 25a Kreditwesengesetz (KWG) auf Ebene des nationalen Gesetzgebers oder dem Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) als durch die Verwaltungspraxis ausgestaltete Vorschrift auf untergesetzlicher Ebene. Zum anderen existieren zahlreiche Leitlinien für eine Nachhaltigkeitsberichterstattung (siehe hierzu unter a)) und andere internationale und nationale unverbindliche Standards wie die United Nations Principles for Responsible Investment (siehe hierzu unter b)), die Nachhaltigkeit explizit in den Blick nehmen. Insbesondere die Vielzahl der selbst gesetzten unverbindlichen privaten Standards (der so-

9 Es existieren weitere Ausdifferenzierungen der Modelle (abrufbar unter https:// www.nachhaltigkeit.info/artikel/konzepte_1549.htm?sid=l1f33ogn8lktlukvjge bo1ojb0). 10 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen.

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Teil 1

Einleitung

genannten „(regulierten) Selbstregulierung“) fällt in diesem Zusammenhang besonders auf. Die Analyse des rechtlichen Rahmenwerks macht somit deutlich, wie weitreichend und vielschichtig das Thema Nachhaltigkeit in den Regelungswerken im Bankensektor verankert ist. Basierend auf dieser ersten Erkenntnis, soll im Folgenden keine umfassende (und damit uferlose) Bestandsaufnahme sämtlicher Regelungen folgen. Es sollen nur solche Regularien beschrieben werden, die explizit Nachhaltigkeit im Bankensektor fördern sollen und dies auch in der Begrifflichkeit kenntlich machen.11 a) Nachhaltigkeitsberichterstattung In einem ersten Schritt kann konstatiert werden, dass Nachhaltigkeit im Bankensektor vor allem bedeutet, den Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung nachzukommen.12 Damit ist gemeint, dass Unternehmen Transparenz darüber schaffen, was sie zur Stärkung von Nachhaltigkeit unternehmen. Nachhaltigkeit wird dabei als die drei Säulen (Ökonomie, Ökologie und Soziales) umfassendes Konzept verstanden und ordnet sich damit formal gut in die ursprüngliche Nachhaltigkeitsdebatte ein. Der Anteil an Selbstregulierungsmaßnahmen, d.h. an unverbindlichen Standards ist hier besonders hoch. aa) Allgemeine Standards Als für den Bankensektor relevante aber unverbindliche Leitlinien sind die internationalen Vorgaben der Global Compact der Vereinten Nationen (UN), die Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI-Leitlinien) und die OECD-Leitsätze, auf europäischer Ebene die EU Corporate Social Responsibility Richtlinie zur nicht finanziellen Berichterstattung (CSR-Richtlinie) und auf nationaler Ebene der Deutsche Nachhaltigkeitskodex zu nennen. Diese Standards sind zwar nicht speziell auf den Bankensektor ausgerichtet, haben als übergreifende Vorgaben jedoch eine besondere Relevanz für die Nachhaltigkeit von Finanzinstituten wie sich im Folgenden zeigen wird. Es handelt sich dabei überwiegend um Einzel­ initiativen verschiedener Institutionen, so dass die Standards nebenei­ 11 Zur Nachhaltigkeit im deutschen Gesellschaftsrecht (§ 87 Abs. 2 AktG zur Vorstandsvergütung) und den Selbstregulierungsvorgaben wie Abschnitt 4.1.1 des Deutschen Corporate Governance Kodexes (DCGK), nachdem der Vorstand des Unternehmens im Unternehmensinteresse also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder), mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung zu leiten hat, siehe dazu in diesem Band Kap. 3, S. 39 ff. 12 Im Folgenden wird ein Kurzüberblick über relevante Standards gegeben und diese in ein mögliches Konzept eingeordnet, einzelne Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden im Detail in diesem Band Kap. 11 S. 259 ff., 264 ff. besprochen.

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II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

Teil 1

nander existieren und sich daher zum Teil überschneiden und zudem überwiegend (noch) nicht auf einander abgestimmt sind.13 Das führt zu einer fehlenden Vergleichbarkeit der Standards, die sich durch verschiedene Berichtszyklen und Aufbaukategorien der Berichte noch verschärft.14 (1) UN Global Compact Der Global Compact der UN gilt seit dem Jahr 2000 und stellt in zehn Prinzipien Nachhaltigkeitsvorgaben zu Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung auf. Er ist ein freiwilliges Übereinkommen zwischen den UN, verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie dem jeweiligen Unternehmen.15 Seit Mai 2010 kooperiert der UN Global Compact mit den GRI-Leitlinien. (2) GRI-Leitlinien Die GRI-Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wurden 1999 erstmals in der Praxis getestet und sind heute die am weitesten verbreiteten ebenfalls unverbindlichen Vorgaben für die Erstattung von Nachhaltigkeitsberichten.16 Die GRI-Leitlinien haben sich beginnend im Jahr 1997 international als Standard der nachhaltigen Berichterstattung etabliert und werden ständig weiterentwickelt. Ziel ist die standardisierte, vergleichbare Darstellung der ökonomischen, ökologischen und sozialen respektive gesellschaftlichen Leistungen des jeweiligen Berichtenden für unterschiedlichste Anspruchsgruppen (Stakeholder). Die wesentlichen Informationen konzentrieren sich auf die Bereiche Wirtschaft, Umwelt, Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Gesellschaft und Produktverantwortung. Die GRI-Leitlinien gelten für alle Branchen, sie werden jedoch unter anderem durch Supplements für den Finanzsektor ergänzt.17 (3) OECD-Leitsätze Am längsten existieren die ebenfalls unverbindlichen OECD-Leitsätze, die bereits 1976 entwickelt wurden und anschließend mehrfach umfassend überarbeitet wurden. In ihrer jetzigen Form sind die OECD-Leitsät13 Es gibt aktuell vermehrt Bemühungen zur Schaffung kohärenter und auf einander abgestimmter Standards auch um die Bedeutung und Glaubwürdigkeit der Standards insgesamt zu erhöhen. 14 Siehe dazu auch Hacker/Schmitz, ZfK 2014, 767 (767 ff.); zu den Möglichkeiten des integrativen Reportings siehe die Bemühungen des International Integrated Reporting Council (IIRC) zur Organisation und Erleichterung der verschiedenen Reportingpflichten. 15 Siehe dazu https://www.unglobalcompact.org. 16 Vgl. Hacker/Schmitz, ZfK 2014, 767 (767 ff.); Eiselt/Kaspereit, KoR 2010, 379 (380). 17 Siehe nachfolgend unter bb) (3).

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Teil 1

Einleitung

ze für multinationale Unternehmen18 im Vergleich zu den anderen Regelungen sehr umfangreich. In zehn Kapiteln stellen sie Empfehlungen für Offenlegungsgrundsätze, Menschenrechte, Beziehungen zwischen Sozialpartnern, Umwelt, Verbraucherschutz, Korruption, Wissenschaft, Technologie und Wettbewerb auf. Entscheidend ist dabei der Gedanke der Förderung der nachhaltigen Entwicklung.19 Die OECD-Leitsätze betonen, dass die Fähigkeit der multinationalen Unternehmen, zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung beizutragen, entscheidend gestärkt wird, wenn Handel und Investitionen im Kontext offener, wettbewerbsfähiger und adäquat regulierter Märkte stattfinden, weshalb zum Beispiel den GRI-Leitlinien zu folgen sei.20 In den OECD-Leitsätzen wird deutlich, dass vor allem das Ziel der Verzahnung von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritten verfolgt wird, welches ganz wesentlich zur Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklung beitragen soll. (4) EU CSR-Richtlinie Die europäische CSR-Richtlinie zur nicht finanziellen Berichterstattung21 ist erst 2014 verabschiedet worden und ergänzt die Bilanzrichtlinie (EU) Nr. 24/2013. Danach müssen ab 2017 jährlich Unternehmen des öffentlichen Interesses, die an der Börse notiert sind oder Anleihen ausgeben, sowie Finanzdienstleister wie Banken und Versicherungen über ihre Leistungen in den Bereichen Umwelt, Gesellschaft, Mitarbeiter, Menschenrechte, Korruptions­bekämpfung und Vielfalt in Führungsgremien (Diversity) berichten. Die Berichterstattung soll in einem comply or ex­ plain-Ansatz zu den Themen Stellung nehmen. Mit der nationalen gesetzlichen Umsetzung der CSR-Richtlinie wird die nicht-finanzielle Berichterstattung in ihrem Grundsatz zwar verbindlich, durch den in der nationalen Umsetzung aber voraussichtlich ebenfalls enthaltenen comply or explain-Ansatz formal jedoch deutlich aufgeweicht.22 Im deutschen Bankensektor betrifft diese Regelung nach Leonhardt/Wiedemann sämtliche Landesbanken, Genossenschaftlichen Zentralbanken, große Privatbanken sowie 180 Sparkassen und 80 Volks- und Raiffeisenbanken.23 18 OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, Ausgabe 2011 (abrufbar unter http://www.oecd.org/daf/inv/mne/48808708.pdf). 19 Die OECD-Leitsätze und auch der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (siehe dazu unten) beziehen sich auf die Nachhaltigkeitsdefinition der Brundtland-Kommission, siehe dazu bereits oben. 20 Siehe spiegelbildlich auch die GRI-Leitsätze, G4 Berichterstattungsgrundsätze und Standardangaben, S. 88 ff. 21 Richtlinie 2014/95/EU zur Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen. 22 Siehe zur Frage des Aussagegehalts der CSR-Richtlinie u.a. Schrader, ZUR 2013, 451 (451 ff.); Spießhofer, NZG 2014, 1281 (1281 ff.); Voland, BB 2015, 74 (74 ff.); Kroker, CCZ 2015, 120 (120 ff.); siehe dazu auch in diesem Band Kap. 11, S. 260. 23 Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (30); vgl. auch Hacker/Schmitz, ZfK, 2014, 767 (768 f.).

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II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

Teil 1

(5) Deutscher Nachhaltigkeitskodex Auf nationaler Ebene wurde schließlich im Oktober 2013 der Deutsche Nachhaltigkeitskodex veröffentlicht und Anfang 2015 aktualisiert.24 Der Kodex stellt unverbindliche Empfehlungen und Prinzipien auf und nutzt ebenfalls den comply or explain-Ansatz. Das erste Prinzip fordert beispielsweise, dass ein Unternehmen offenlegt, wie es für seine wesentlichen Aktivitäten die Chancen und Risiken im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung analysiert. Das Unternehmen soll erläutern, welche konkreten Maßnahmen es ergreift, um im Einklang mit den wesentlichen und anerkannten branchenspezifischen, nationalen und internationalen Standards zu operieren. Zudem soll der Kodex Investoren eine wichtige Entscheidungshilfe sein und Vergleichbarkeit schaffen. In diesem Sinne erfordert das zehnte Prinzip etwa, dass das Unternehmen offen legt, wie es durch geeignete Prozesse dazu beiträgt, dass Innovationen bei Produkten und Dienstleistungen die Nachhaltigkeit bei der eigenen Ressourcennutzung und bei Nutzern verbessern. Ebenso soll für die wesentlichen Produkte und Dienstleistungen dargelegt werden, ob und wie deren aktuelle und zukünftige Wirkung in der Wertschöpfungskette und im Produktlebenszyklus bewertet wird. bb) Finanzspezifische Standards In Ergänzung zu den allgemeinen Standards wurden für den Bankensektor finanzspezifische Nachhaltigkeitsvorgaben der Berichterstattung geschaffen. Diese finden sich unter anderem auf internationaler Ebene in der UN Environment Programme Finance Initiative, den Äquator-Prinzipien und den Financial Services Sector Supplements der GRI-Leitlinien25, in internationalen und nationalen Rechnungslegungsstandards sowie in zahlreichen nationalen Sonderstandards in den verschiedenen Bankensektoren in Deutschland (Privatbanken, Öffentliche Banken, Genossenschaftsbanken). So hat beispielsweise der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DGSV) einen externen Berichtsstandard entwickelt („Bericht an die Gesellschaft“), der an den GRI-Leitlinien orientiert ist und 61 Indikatoren zu unternehmerischer Haltung, ihren Produkten und gesellschaftlichen Initiativen zu einer zukunftsfähigen Entwicklung in den Regionen enthält.26

24 Siehe dazu http://www.nachhaltigkeitsrat.de/uploads/media/RNE_Der_­ Deut­ sche­­ _Nachhaltigkeitskodex_DNK_texte_Nr_47_Januar_2015.pdf. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung hat den Kodex im Dialog mit der Wirtschaft den Deutschen Nachhaltigkeitskodex erarbeitet. 25 Siehe zudem das Sustainable Banking Network (SBN) unter www.ifc.org und die Global Alliance Banking on Values (GABV) unter www.gabv.org; zur Ratinginitiative siehe nachfolgend unter c) aa). 26 Die Sparkassen-Indikatoren sind anschlussfähig an die GRI-Leitsätze.

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Teil 1

Einleitung

(1) UN Environment Programme Finance Initative Die UN Environment Programme Finance Initiative stellt zunächst das Fundament für den internationalen Austausch zwischen den UN und der Finanzbranche dar. Sie wurde 2013 gegründet, hat jedoch vor allem die Integration der Umweltaspekte in die Dienstleistungen des Finanzsektors zum Ziel.27 Ihre Regelungen sind für ihre Adressaten rechtlich nicht bindend. (2) Äquator-Prinzipien Die Äquator-Prinzipien28 gehen weiter. Sie stehen neben der UN Environment Programme Finance Initative und sind ein internationales, zehn Prinzipien umfassendes Rahmenwerk zur Erfassung und Verringerung von Kreditrisiken, dem sich Banken wiederum freiwillig unterziehen können. Es setzt Umwelt- und Sozialstandards für Projektfinanzierungen auf, die auf den Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards der Weltbank sowie den nachhaltigen Leistungsstandards der International Finance Corporation (IFC) basieren und gilt auch für projektgebundene Unternehmenskredite und Zwischenfinanzierungen. (3) Financial Services Sector Supplements zu den GRI-Leitlinien Die oben bereits benannten GRI-Leitlinien unterliegen einer Ergänzung für den Finanzsektor. Die sogenannten Financial Services Sector Supplements der GRI-Leitlinien sind so aufgebaut, dass sie die normalen Standards umfassen und dann jeweils für den Finanzsektor eine Spezifizierung bereithalten, die Produktportfolien, Eigentümerstruktur, spezielle Prüfungen zur Implementierung von umwelt- und sozialbezogenen Policies, Investment Strategien und Vorgaben für ein „fair design and sale“ der Finanzprodukte enthält. Wie die GRI-Leitlinien sind auch die Financial Services Sector Supplements rechtlich unverbindlich. (4) Rechnungslegungsstandards Schließlich lassen sich auch die Rechnungslegungsstandards wie die International Accounting Standards vom International Accounting Standards Board (IASB) und die Anforderungen nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) in den Themenkreis der Berichterstattung einbetten. Hier handelt es sich indes nicht um Selbstregulierungsvorgaben sondern um rechtlich verbindliche Vorgaben. So fordern die §§ 289 Abs. 3, 315 Abs. 1 Satz 4 und 267 Abs. 3 HGB explizit, dass große Kapitalgesellschaften in ihrem Lagebericht nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, wie Informationen über 27 Siehe dazu http://www.unepfi.org sowie in diesem Band Kap. 11, S. 267. 28 The Equator Principles, June 2013 (abrufbar unter http://www.equator-­principles­. com/resources/equator_principles_III.pdf).

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II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

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Umwelt- und Arbeitnehmerbelange darstellen. Für den Finanzsektor schreibt der Standard IFRS 9 Finanzinstrumente in Ergänzung zu den IAS nun zudem eine „vorausschauende“ Risikovorsorge vor: Mussten Banken bisher im Prinzip erst Risikovorsorge bilden, wenn absehbar wurde, dass eine Forderung notleidend wird, so sollen sie künftig schon bei Ausreichung den erwarteten Verlust auf Zwölfmonatssicht schätzen und buchen. Verschlechtert sich die Bonität des Schuldners signifikant, ist sogar der erwartete Verlust über die gesamte Laufzeit anzusetzen. Hiermit soll eine rechtzeitige Pufferbildung und Erreichung eines höheren Schutzniveaus angestrebt werden. cc) Zwischenergebnis Die allgemeinen Standards sowie die Sonderregelungen zu den finanzspezifischen Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung zeigen, dass diese eng an dem ursprünglichen Nachhaltigkeitsverständnis angelehnt sind und der Vereinigung der Säulen Ökonomie, Ökologie und Sozialem folgen. Sofern ein Leistungsdefizit in einer Säule erkennbar ist, führt dies bei einer Bank „unterm Strich zu einer schlechteren Nachhaltigkeits­ bilanz“, wenn auch rechtlich – aufgrund der überwiegenden Unver­ bindlichkeit der oben dargestellten Standards – allenfalls eine „Ex­plainPflicht“ besteht und harte Sanktionen nicht zu befürchten sind. Damit zeigt sich, dass Nachhaltigkeit im Bankensektor in einer ersten Dimension vor allem bedeutet, Risiken in ihren Geschäften und deren Bedeutung im ökologischen, sozialen und ökonomischen Umfeld transparent zu machen. Neben dem Transparenzaspekt in der Nachhaltigkeitsberichtserstattung als erste besondere Dimension eines Nachhaltigkeitskonzepts im Bankensektor ist zu berücksichtigen, dass im Bankensektor Vermögensanlagen eine zentrale Rolle spielen. Die Frage, wie Vermögensanlagen auszugestalten sind und damit, ob sie ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien folgen, sollte nicht allein im Rahmen der Berichterstattung betrachtet werden. Wie sich im Folgenden zeigen wird, scheint es nur gerecht das Merkmal des nachhaltigen Investments aus der Nachhaltigkeitsberichtserstattung herauszuziehen und als eine weitere relevante und eigenständige (zweite) Dimension eines Nachhaltigkeitskonzeptes im Bankensektor hervorzuheben. b) Nachhaltiges Investment Der Begriff „nachhaltiges Investment“ beschreibt zunächst das Zusammenwirken ökologischer, sozialer und ökonomischer Kriterienkomplexe bei der Entscheidung über Geldanlagen.29 Auch dieser Begriff fügt sich 29 Dazu u.a. umfassend Schaefers, Nachhaltiges Investieren – ein wirtschaftsethisches Beratungskonzept, 2014, S. 124 ff.

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Teil 1

Einleitung

somit in das ursprüngliche Verständnis der Nachhaltigkeit ein. Zu den nachhaltigen Investments hat sich ein eigener internationaler und unverbindlicher Verhaltenskodex etabliert: die UN Principles for Responsible Investment, die in Ergänzung zu den bereits beschriebenen UN Global Compact stehen. Die Teilnahme an der freiwilligen Initiative verpflichtet zur Einhaltung von sechs Prinzipien, die sich auf Umwelt, Gesellschaft und Corporate Governance beziehen und dabei die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien im Investitions- und Entscheidungsprozess ebenso fordern wie die Berichterstattung über die Einhaltung der Vorgaben.30 Neben dieser besonderen Form der Berichterstattung führen die Existenz nachhaltiger Investments und die hierzu bestehenden besonderen Anforderungen aber auch dazu, dass sich im Bankensektor eigenständige Produkte und Akteure am Markt etablieren können, deren Strategien auf nachhaltigem Investment beruhen.31 So sind zum einen Nachhaltigkeitsbanken entstanden wie die GLS Gemeinschaftsbank eG32, die 1974 gegründet wurde und die erste Bank war, die nach sozial-ökologischen Grundsätzen arbeitet. Ihre Geschäftsstrategie ist unter anderem Transparenz in der Kreditvergabe zu schaffen und Kunden zur Mitbestimmung anzuregen. So können Kunden bei der Kontoeröffnung entscheiden, wo ihr Geld angelegt werden soll. Auch die Triodos Bank N.V., Europas größte Nachhaltigkeitsbank, finanziert mit ihren Kundeneinlagen ausschließlich Projekte und Unternehmen mit sozialem, ökologischem oder kulturellem Mehrwert.33 Weiterhin wurden eigene Marktplattformen für nachhaltige Investments gegründet, wie die Marktplattform www.nachhaltiges-investment.org des Sustainable Business Institute (SBI). Die Plattform umfasste zum Dezember 2014 insgesamt 393 nachhaltige Publikumsfonds in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei das SBI alle Fonds berücksichtigte, die angeben, in besonderer Weise soziale, ökologische oder auch ethische Kriterien zu berücksichtigen. Die Form des nachhaltigen Investments hat somit eine weitreichende Bedeutung für den Bankensektor und soll hier daher als zweite (eigenständige) Dimension von Nachhaltigkeit aufgefasst werden.

30 Abrufbar unter http://www.unpri.org/about-pri/the-six-principles; siehe dazu im Detail in diesem Band Kap. 11, S. 268. 31 Siehe dazu in diesem Band Kap. 11, S. 254 ff., wo unter diesem Aspekt ethische Banken, Förder- und Entwicklungsbanken, Institutionelle Investoren und „Grüne Finanzprodukte“ beschrieben werden. 32 „GLS“ steht für „Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“. 33 Siehe dazu in diesem Band, Kap. 13, S. 289 ff.

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Von den beiden bis hierher dargestellten Dimensionen der transparenzschaffenden Nachhaltigkeitsberichterstattung als erste Dimension und der Bedeutung von nachhaltigen Investments als zweite Dimension ist nun folgende dritte Dimension abzugrenzen: In der Finanzmarktregulierung wird Nachhaltigkeit vor allem mit der Schaffung eines stabilen Finanzsystems verknüpft und soll ein Konzept zur sachgerechten Steuerung von Risiken sein. Die Hintergründe eines derartigen Verständnisses und seine Relevanz für ein eigenständiges Nachhaltigkeitskonzept sollen im Folgenden erörtert werden. c) Schaffung von Finanzstabilität Bei den Regelungen zur Schaffung von Finanzstabilität handelt es sich zunächst anders als bei den Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung oder dem Bereich nachhaltiger Investments, die überwiegend unverbindlichen Charakter haben, um verbindliche Vorschriften. Zudem haben die Regelungen unmittelbare finanzielle Effekte. Anknüpfungspunkt für diese dritte Dimension der Nachhaltigkeit ist die am 2.6.2010 von der Europäische Kommission veröffentlichte Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Europäische Zentralbank, in der die Kommission erstmals einen alleinigen Fokus auf Nachhaltigkeit im Fi­nanzsektor setzt und ihre Auffassung zur „Regulierung der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ darstellt (EU Nachhaltig­ keitsmitteilung).34 Unter dem expliziten Label der „Nachhaltigkeit“ hat die Kommission betont, dass eine umfassende Finanzreform erforderlich sei, mit der kurzfristiges Denken, schlechtes Risikomanagement und mangelndes Verantwortungsbewusstsein bestimmter Akteure im Finanzsektor bekämpft und die zugrundeliegenden Schwächen des Aufsichts- und Regulierungsrahmens korrigiert werden. Zur Steigerung der Krisenfestigkeit und Stabilität sei ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der Krisenfestigkeit schaffen würde. Bei diesem Ziel fokussiert sich die Kommission im Folgenden auf einen Kernpunkt, nämlich der angemessenen Bewertung und Handhabung von Risiko. Dabei geht es zum einen darum, das Eingehen kurzfristiger unverantwortlicher Risiken zu vermeiden und zum anderen falls unvermeidlich, ausreichende Kontrollen („checks and balances“) in den Instituten zu etablieren und die Aufsichtsbehörden zu stärken.35 34 Im Februar 2011 veröffentlichte die Kommission einen Fortschrittbericht, siehe zu dem Entwurf http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/110209_ progress_report_financial_issues_de.pdf. 35 Eine vergleichbare Überlegung besteht in der herrschenden Ansicht im Aktiengesetz, dass das Unternehmensinteresse als verbindlicher Maßstab für das Vorstandshandeln der Aktiengesellschaft auf eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts (und nicht auf eine kurzfristige Steigerung des Börsenkurses

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Teil 1

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Nachhaltigkeit begriffen als effektives Risikomanagement betrifft nach der Kommission damit folgende Themenbereiche: die Ratingverordnung, die Märkte für Finanzinstrumente, die Bankenunion inklusive einer einheitlichen Einlagensicherung und eines Bankeninsolvenzregimes, Verbraucherschutz, die Überarbeitung der Eigenkapitalrichtlinie und Regelungen zur Vergütungspolitik sowie die Schaffung einer guten Corporate Governance.36 aa) Ratingverordnung Weder die Ratingverordnung noch die Delegierten Verordnungen zu den Berichtspflichten im Zusammenhang mit Ratingagenturen37 verweisen indes explizit auf Nachhaltigkeit im oben verstandenen Sinne als Drei­ klang von Ökologie, Soziales und Ökonomie. Es gibt insbesondere keine Vorgabe, dass Ratingagenturen in ihrer Bewertung berücksichtigen müssen, ob die zu bewertenden Unternehmen, Länder und Finanzinstrumente den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. In der Sache ist dies nicht verwunderlich, da seit Erlass der ersten Verordnung zur Regulierung der Ratingagenturen in 2009 nicht von dem Grundsatz abgerückt wurde, dass die Ratingformel weiterhin Betriebsgeheimnis ist und jede Agentur eine eigene und geheime Bewertungsformel aufsetzen kann. Mithin sind auch die Parameter und Bewert ungskriterien weiterhin unangetastet, so dass konsequenter Weise auch keine Vorgabe aufgestellt wurde, dass Ratingagenturen Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Ratings zu berücksichtigen haben. Dass sich in der Praxis dennoch Ratingagenturen etabliert haben, die gerade darauf spezialisiert sind, Unternehmen auf ihre

oder eine kurzfristige Profitmaximierung) ausgerichtet sein muss; vgl. u.a. Kort, NGZ 2012, 926 (926 ff.). 36 Weitere Bereiche betreffen die Regelungen zu alternativen Investmentfonds und zu Over-the-Counter-Derivatemärkten. 37 Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen Text von Bedeutung für den EWR; Delegierte Verordnung (EU) 2015/1 der Kommission v. 30. September 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates bezüglich der technischen Regulierungsstandards für die regelmäßige Meldung der von den Ratingagenturen erhobenen Gebühren für die Zwecke der laufenden Beaufsichtigung durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde; Delegierte Verordnung (EU) 2015/2 der Kommission v. 30.9.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf technische Regulierungsstandards für die Präsentation von Informationen, die Ratingagenturen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichts­ behörde zur Verfügung stellen; Delegierte Verordnung (EU) 2015/3 der Kom­ mission v. 30.9.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf technische Regulierungsstandards für die Offenlegungspflichten bei strukturierten Finanzinstrumenten Text von Bedeutung für den EWR.

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II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

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Nachhaltigkeit hin zu überprüfen38, ist folglich nicht auf regulatorische Vorgaben zurückzuführen. Die Erwähnung der Ratingverordnung in der EU-Kommissionsmitteilung als Teil des Nachhaltigkeitskonzeptes, kann sich dann aber nur damit erklären, dass ein unabhängiges und funktionierendes Ratingsystem für die Stabilität des Finanzmarktes von Bedeutung ist. Mithilfe einer gesicherten Bewertungspraxis können für Investoren ökonomisch „richtige“ Anreize gesetzt werden, die informierte Investmententscheidungen ermöglichen und bei bevorstehenden Krisen Signale senden, die unter Umständen sogar ein rechtzeitiges Eingreifen des Staates zur Rettung noch zulassen. Die Schaffung von Nachhaltigkeit im Rahmen der Regulierung von Ratingagenturen heißt damit allein die Schaffung eines stabilen Finanzsystems. bb) MiFID 2/MiFIR Gleiches gilt für die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID 2)39 zur Änderung der Richtlinie 2004/39/EG und die Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR).40 Sie sollen die Transparenz im vor- und nachbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten, insbesondere Derivaten sowie die Transparenz, Effizienz und Integrität von Wertpapiermärkten verbessern. Zwar ist das Transparenzargument dem Nachhaltigkeitsverständnis, wie es oben dargestellt wurde, inhärent gleichwohl nur wenn es in Verbindung mit der Berichterstattung steht, die konkret Nachhaltigkeitskriterien betrifft. Die Normen in MiFID 2 und MiFIR enthalten keine konkreten Regelungen zur Sicherung ökologisch oder sozial langfristiger Standards, sondern sollen allein der Stabilität des Finanzmarktes dienen. cc) Bankenunion Bei der Finanzmarktaufsicht (inklusive der Schaffung einer einheitlichen Bankenaufsicht und Einlagensicherung) und der Entwicklung eines harmonierten Bankeninsolvenzrechtes findet sich formal gesprochen kein anderes Bild. Auch hier sucht man explizite Verweise auf Nachhaltigkeit vergeblich. Jedoch ist die Stoßrichtung auch hier die Sicherung eines harmonisierten Finanzmarktes und grundsätzlich die Aufrechterhaltung des Systems.41 Dazu heißt es, dass die Aufsicht durch effektive Durchset38 Z.B. Oekom research AG; siehe auch die Global Initiative for Sustainability Ratings (GISR), www.ratesustainability.org. 39 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU Text von Bedeutung für den EWR. 40 Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 Text von Bedeutung für den EWR. 41 Siehe dazu in diesem Band Kap. 8, S. 163 ff. und Kap. 9, S. 197 ff.

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zungsmechanismen erforderlichenfalls auch mit Sanktionen, ein verantwortungsbewusstes Marktverhalten fördern und sicherstellen muss und dabei gegen unverantwortliche und übermäßige Spekulation vorgehen muss. dd) Verbraucherschutz Im Bereich des Verbraucherschutzes (dazu gehören nach der EU Nachhaltigkeitsmitteilung auch Maßnahmen gegen Leerverkäufe, die Schaffung von Kreditausfallversicherungen sowie die Marktmissbrauchsrichtlinie42) wird darauf verwiesen, dass der Rechtsrahmen die richtigen Anreize bieten muss, um übermäßig spekulatives und riskantes Verhalten einzuschränken und sicherzustellen, dass der Finanzsektor dem Interesse von Bürgern und der Realwirtschaft dient. Auch hier besteht damit kein Link zu der sozialen oder ökologischen Säule im Sinne der eigentlichen Nachhaltigkeitsdebatte. Es wird jedoch deutlich, dass ein Rahmen für einen stabilen Finanzsektor geschaffen werden soll, der kurzfristige Gewinne zugunsten einer langfristigen ökonomischen Bestandserhaltung des Finanzsektors zurückdrängt. ee) Eigenkapital und Vergütung Etwas konkreter werden die Vorgaben zur Schaffung von Nachhaltigkeit in der Capital Requirements Directive (CRD IV)43 und der CRR. Deren Zielrichtung ist jedoch divers. Zum einen gibt Erwägungsgrund 44 der CRD IV vor, dass „zur Gewährleistung eines nachhaltigen und diversifizierten Bankwesens in der Union, das in erster Linie für die Bürgerinnen und Bürger der Union da ist, (…) die Tätig­keit von Kleinbanken – wie etwa Kreditgenossenschaften und Genossenschaftsbanken – gefördert werden (sollte)“, zum anderen verlangt Art. 92 Abs. 12 g) (ii) CRD IV eine nachhaltige Vergütungspolitik.44 Erwägungsgrund 44 und Art. 92 CRD IV betreffen nicht denselben Themenkomplex, sie machen jedoch deutlich, dass die Nachhaltigkeit in der CRD IV an zwei Ebenen anknüpft. Einerseits soll die Stabilität des Finanzsystems makroökonomisch gesichert werden, indem die Diversifikation der Bankenlandschaft gefördert und gesichert wird. Andererseits ist die Binnenstruktur der Bank betroffen, wenn die Banken selbst mit Vorgaben zu Vergütungsbegrenzungen zu „richtigen nachhaltigen Anreizen“ beispielsweise bei Strukturentscheidungen oder Entscheidungen mit hohem finanziellen Risiko gezwungen werden. 42 Die Marktmissbrauchsrichtlinie soll voraussichtlich Mitte 2016 in Kraft treten. In Deutschland manifestiert sich der Verbraucherschutz aktuell vor allem im Kleinanlegerschutzgesetz (BGBl. I 2015, S. 1114). 43 Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen. 44 Siehe dazu in diesem Band Kap. 6, S. 105 ff.

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II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

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Art. 78 Abs. 1 a) CRR enthält zudem die Regelung, dass die Aufsicht einem Institut unter anderem die Kündigung oder Rückzahlung beziehungsweise Tilgung von Eigenkapitalinstrumenten nur gestattet, wenn das Institut die Instrumente durch Eigenmittelinstrumente zumindest gleicher Qualität zu Bedingungen ersetzt, die im Hinblick auf die Ertragsmöglichkeiten des Instituts nachhaltig sind. Fraglich ist, was unter dem hier verwendeten Begriff der Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Einen ersten Hinweis auf das Verständnis von Nachhaltigkeit in der CRR enthält Art. 78 Abs. 2 CRR, nach dem es bei der Bewertung der Nachhaltigkeit der Ersatzinstru­mente darauf ankommt, inwieweit diese Ersatz-Kapital­ instrumente kostspieliger für das Institut wären als die Instrumente, die sie ersetzen würden und damit welchen Effekt sie auf die Ertragslage des Instituts haben. Zudem hat die EBA in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 241/201445 in Art. 27 näher ausgeführt, dass in diesem Sinne nachhaltig bedeutet, „dass nach Einschätzung der zuständigen Behörde die Rentabilität des Instituts (…) solide bleiben bzw. sich nicht negativ verändern wird, wenn die Instrumente durch Eigenmittelinstrumente gleicher oder höherer Qualität ersetzt wurden“.46 Hier wird deutlich, dass auch die CRD IV und CRR keineswegs die drei Nachhaltigkeitssäulen bemühen, um ihr Nachhaltigkeitskonzept zu implementieren. Vielmehr geht es auch hier allein um die Schaffung der Finanzmarktstabilität und finanzieller Risikosteuerung, mithin allein um die ökonomische Säule. ff) Corporate Governance Schließlich verweist die EU-Kommission insgesamt auf ein wirksames Risikomanagementsystem, welches sich insbesondere im Bereich der Corporate Governance eines Instituts niederschlägt. In diesem Bereich der Corporate Governance wird besonders deutlich, wie Nachhaltigkeit im Bankensektor in seiner dritten Dimension zu sehen ist: Eine gesetzliche nationale Vorgabe zur Corporate Governance enthält § 25a KWG.47 Danach ist eine Strategie zu entwickeln, die auf Nachhaltigkeit gerichtet ist.48 Bei Durchsicht der Literatur und im Rahmen der öffentlichen Diskussion wie auch in der Aufsichtspraxis wird jedoch deutlich, dass es dabei ebenfalls nicht um Nachhaltigkeit geht, die ökologische, soziale und ökonomische Aspekte vereint. Nachhaltigkeit in der Corporate Governance wird vielmehr verstanden als die Operationalisie45 Ermächtigungsgrundlage in Art. 78 Abs. 5a CRR. 46 Umfassend zu diesem Themenkomplex in diesem Band Kap. 5, S. 89 ff. 47 Beruhend auf Art. 74 CRD IV. 48 So nunmehr jüngst auch der Basler Ausschuss, Principles für corporate governance for banks, Juli 2015, Einleitung Ziff. 2: „The primary objective of corporate governance should be safeguarding stakeholders“ interest in conformity with public interest on a sustainable basis“ (abrufbar unter https://www.bis.org/bcbs/ publ/d328.htm).

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Teil 1

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rung und Implementierung einer Strategie unter Berücksichtigung der Governanceziele, wobei die Strategie nicht auf einen kurzfristigen Erfolg bei gleichzeitiger Übernahme unverhältnismäßig hoher Risiken beruhen könne.49 § 25a KWG wird zunächst durch AT 4.2 MaRisk näher konkretisiert. Da AT 4.2 MaRisk aber ebenfalls nur die Vorgabe bereithält, dass die Geschäftsstrategie nachhaltig sein muss, wurde insbesondere in der Literatur kritisiert, dass es im Einzelfall gleichwohl schwer festzustellen sei, ob eine Strategie nachhaltig ist. Diese Prüfmöglichkeit und damit auch die Konkretisierung des Verwaltungshandelns wird aktuell indes mit der Veröffentlichung der EBA Guidelines on common procedures and methodologies for the supervisory review and evaluation process vom 19.12.2014 (SREP-Leitlinien) erstmalig spezifiziert und quantifizierbar gemacht.50 Nach Ziff. 4.8 der SREP-Leitlinien basiert eine nachhaltige Geschäftsstrategie auf der Fähigkeit des Instituts „acceptable returns“ zu generieren und zwar auf einen Drei-Jahreszeitraum bezogen. Analysiert wird das Ganze auf der Grundlage des Strategieplans, der Finanzprognose und der Evaluation der Aufsicht des Geschäftsumfelds. Dabei berücksichtigt die Aufsicht (1) die Nachvollziehbarkeit der Annahmen des Instituts zur Bewertung und die zu erwartenden Geschäftsergebnisse im Vergleich zu den von der Aufsicht vermuteten aktuellen und künftigen Entwicklung des Geschäftsumfelds; (2) im Falle einer Differenz, den von der Aufsicht vermuteten Effekt der Entwicklung des Geschäftsumfeldes auf die Annahmen des Instituts und (3) das Risikopotential der Geschäftsstrategie (Komplexität und Veränderungsambitionen im Vergleich zum aktuellen Geschäftsmodell) sowie die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Umsetzung der Geschäftsstrategie basierend auf dem aktuellen Leistungsvermögen des Instituts in der Umsetzung von Modellen (gemessen an dem Erfolg des Instituts frühere vergleichbar komplexe Strategien umzusetzen oder basierend auf Performance der aktuellen Strategieumsetzung). Zugleich soll die Aufsicht nach Ziff. 4.9 der SREP-Leitlinien die Schlüsselschwachstellen der Strategie identifizieren und dabei berücksichtigen: (1) eine zu erwartende schlechte finanzielle Tragfähigkeit; (2) Abhängigkeiten von einer unrealistischen Strategie; (3) übermäßige Konzentrationen oder Volatilität (z.B. von Gewinnen); (4) übermäßiges risikoreiches Handeln; (5) Bedenken bezüglich der Finanzierungsstruktur und (6) bedeutsame externe Faktoren (regulatorische „Gefahren“ wie zum Beispiel Zwang zum Ringfencing bestimmter Geschäftseinheiten).51 Wenn eine oder mehrere dieser Schwachstellen von der Aufsicht identifiziert wer49 Nachweis Hannemann, MaRisk, S. 259. 50 Anders als die MaRisk sind die Institute nicht die Adressaten der SREP-Leitlinien. Die SREP-Leitlinien richten sich allein an die Aufsichtsbehörden, gleichwohl ist zu erwarten, dass sich die Institute an den Vorgaben orientieren werden. 51 Zu dem ganzen Themenkomplex Corporate Governance und Nachhaltigkeit siehe nachfolgend in diesem Band Kap. 4, S. 75 ff. sowie Kap. 3, S. 39 ff.

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II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

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den, würde dies im Umkehrschluss die Nachhaltigkeit der Strategie in Frage stellen. Wenn diese Schwachstellen nicht bestehen, sollte gleichwohl eine Prüfung nach Ziff. 4.8 der SREP-Leitlinien erforderlich werden. Damit zeigt sich, dass es auch im Bereich der Corporate Governance allein auf harte eigenkapitalrelevante Fakten ankommt, denn basierend auf der Prüfung der Aufsicht können zusätzliche Eigenkapitalanforderungen an das Institut nach Art. 16 der SSM-Verordnung52 gestellt werden. Einen ökologischen oder sozialen Anknüpfungspunkt für nachhaltiges Wirtschaften gibt das bankenregulatorische Umfeld an dieser Stelle nicht vor. Schließlich zeigt sich im Rahmen der Corporate Governance Vorgaben aber auch der gesamtwirtschaftliche Anknüpfungspunkt der Nachhaltigkeit im Bankensektor. Denn außerhalb der ökonomischen Innenperspektive eines einzelnen Instituts wird auf die Governance Stabilität weiterer Akteure am Bankenmarkt abgestellt. Dies lässt sich vor allem der Systematik von § 25a KWG entnehmen. Nach § 25a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KWG kann Nachhaltigkeit nicht nur auf Soloebene eines einzelnen Instituts betrachtet werden. Vielmehr ist im Rahmen einer Bankengruppe das jeweils übergeordnete Unternehmen gehalten auch einen strategisch nachhaltigen Rahmen für die Gruppenmitglieder zu schaffen. Dies kann ­bedeuten, dass beispielsweise der Verkauf einer Tochtergesellschaft für das übergeordnete Unternehmen langfristig die Ertragsziele verbessert, gleich­wohl die Existenz der Tochtergesellschaft nimmt und damit für die Tochtergesellschaft nicht von einem nachhaltigen Ansatz gesprochen werden kann. Dieser Konflikt macht deutlich, dass Nachhaltigkeit auch in dieser dritten Dimension nicht schematisch verstanden werden kann und allein auf den Fortbestand gerichtet ist, sondern dass es immer einer verantwortungsvollen Abwägung bedarf, was die künftige Situation der involvierten Parteien und der Stabilität des Bankensektors insgesamt betrifft. gg) Zwischenergebnis In der Gesamtschau der – basierend auf der EU Nachhaltigkeitsmitteilung veranschaulichten – Beispiele53 zur Herstellung von Nachhaltigkeit im Bankensektor wird deutlich, dass es bei Nachhaltigkeit im Banken52 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank. 53 Die benannten Regulierungsvorhaben sind nur als „Beispiele“ zu begreifen, denn im Laufe der Regulierung haben sich vergleichbare Vorhaben gesetzlich manifestiert, die ebenso der Schaffung von Finanzstabilität dienen, wie die Einführung einer Leverage Ratio (Verschuldensbremse), die nachfolgende Generationen ebenso vor einem verantwortungslosen Umgang mit Fremdkapital schützen will. Die Aufzählung der EU-Kommission kann hier daher nicht als abschließend begriffen werden.

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sektor vor allem um die Schaffung einer Regulierung geht, die auf ökonomische Kontinuität ausgerichtet ist und dies am Finanzmarkt aufgrund seiner Eigenheit, die ihn von allen anderen Märkten abgrenzt54, nur mit der Schaffung von Systemstabilität möglich ist. Die finanzielle Stabilität ist damit eine dritte Dimension von Nachhaltigkeit im Bankensektor. Bevor aber der Frage nachgegangen werden soll, ob diese Form der Nachhaltigkeit, die sich offensichtlich nicht in den oben zunächst dargestellten Nachhaltigkeitsbegriff einbettet und eben nur eine Säule (die Ökonomie) betrifft, überhaupt als echtes Nachhaltigkeitskriterium aufgefasst werden kann, muss der Blick zunächst auf eine letzte – eine vierte Dimension – zur Schaffung von Nachhaltigkeit im Bankensektor gelenkt werden: Die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung. d) Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung und überschießende Umsetzung von Nachhaltigkeit in Banken Bei der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung geht es vor allem darum, ohne harte Normen und letztlich auch ohne Standards und Leitlinien im Sinne einer echten Selbstregulierung nichtfinanzielle Leistungsindikatoren einzuhalten, die letztlich ökologische, soziale und ökonomische Aspekte umfassen. Nachhaltiges Handeln als Ausprägung einer gesellschaftlichen Verantwortung geht damit über die Generierung von Gewinnen, die Zahlung von Steuern und die Einhaltung von bestehenden Gesetzen und Regularien deutlich hinaus.55 Gesellschaftliche Verantwortung spielt im Bankensektor eine besonders relevante Rolle. Zum einen liegt dies in der zentralen Stellung der Branche im Wirtschaftskreislauf und ihrer Einflussmöglichkeit auf andere Wirtschaftssektoren begründet. Zum anderen ist der Finanzmarkt insbesondere auf Vertrauens­schutz gerichtet, der neben dem Anleger- und Funktionenschutz ein zentrales (zum Teil in den Anleger- und Funktionenschutz eingebettetes) Regulierungsziel am Finanzmarkt darstellt.56 Mit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 wurde das Vertrauen der Stakeholder, insbesondere der Kunden und der Öffentlichkeit, erheblich erschüttert. Die hierdurch ausgelösten Reputationsverluste begründen daher besonderen Handlungsbedarf bezüglich der Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung von Banken und der Wiedererlangung des Kundenvertrauens. Die 54 Zur Bedeutung des systemischen Risikos und dem Themenkomplex „Finanzstabilität als öffentliches Gut“ u.a. schon Hellwig, Systemisches Risiko im Finanzsektor, 1998, Vol. 98-30, Sonderforschungsbereich 504 (abrufbar unter https:// www.coll.mpg.de/sites/www.coll.mpg.de/files/text/Syst%20Risk%201998. pdf). 55 Der Begriff der Nachhaltigkeit wird häufig mit Corporate Social Responsibility gleichgesetzt; dazu Jonker/Stark/Tewes, Corporate Social Responsibility und nachhaltige Entwicklung, 2011, S. 35 ff. 56 BT-Drucks. 15/3174, S. 40; BT-Drucks. 12/6679; Park, NStZ 2007, 369 (370) m.w.N.

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II. Nachhaltigkeit in der Finanzmarktregulierung

Einhaltung rechtlicher Vorgaben und die Schaffung von Transparenz ist dabei zunächst Grundvoraussetzung. Darüber hinaus können aber Maßnahmen zur freiwilligen überschießenden Umsetzung von Nachhaltigkeitsvorgaben oder -leitlinien in besonderem Maße die Reputation verbessern, zur Imagepflege beitragen und eine besondere Kundenakzeptanz schaffen. In Zeiten, in denen keine Zinsen gezahlt werden oder sogar negativ laufen, kann der Kunde zudem so wenigstens sein Gewissen befriedigen und „Gutes tun“. Eine auf Nachhaltigkeit (hier verstanden als ökologisch, sozial und ökonomisch) angelegte Kultur kann die Zufriedenheit der Kunden erheblich steigern.57 Insofern kommt dem gesellschaftlich verantwortungsvollen Handeln neben rein philanthropischen und ethischen Ansätzen auch eine ökonomische Komponente zu. Profit und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung schließen sich dabei nicht aus.58 Die Nachhaltigkeit ist somit nicht nur als Kostenfaktor sondern auch als Mittel zur Steigerung des Unternehmenswertes anzusehen.59 Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und die Etablierung von nachhaltigem Denken und Handeln (auch über gesetzliche Vorgaben hinaus) bietet die Chance auf strategische Wettbewerbsvorteile, die Möglichkeit zur Entwicklung innovativer Geschäftsideen und die Erschließung von Zukunftsmärkten.60 Die gesellschaftliche Verantwortung nimmt somit als vierte Dimension für ein Nachhaltigkeitskonzept im Bankensektor eine weitere zentrale Rolle ein. 3. Nachhaltigkeit im Bankensektor als eigenständiges Regulierungskonzept? Es hat sich zunächst gezeigt, dass Nachhaltigkeit im Bankensektor vier Dimensionen umfasst. Zum einen geht es bei Nachhaltigkeitsberichterstattung von Banken um Transparenzschaffung bezüglich der Einhaltung ökologischer, sozialer und ökonomischer Standards und damit um die drei Säulen des klassischen Nachhaltigkeitsverständnisses, wobei die meisten Vorgaben hier allein auf unverbindlichen Empfehlungen beruhen. Daneben existiert die Dimension der nachhaltigen Investments. Bei diesen geht es vor allem darum zu entscheiden, welche Aktiv- und Passivge57 Baetge/Schmidt, Nachhaltigkeit – eine Angelegenheit für den CFO?, IRZ 2010, 293. 58 Vgl. hierzu Hüthig, Nachhaltigkeit wird zum Wirtschaftsfaktor, Bankmagazin 2015, 30 m.w.N. zu einschlägigen Studien. 59 Zur Relevanz von Reputation im Bankensektor unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit, siehe in diesem Band Kap. 14, S. 323 ff.; zum Kulturwandel in der Corporate Governance siehe zudem in diesem Band Kap. 4, S. 75 ff. 60 Vgl. Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (32).

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Einleitung

schäfte unter Nachhaltigkeitsaspekten angeboten werden. Auch diese Dimension spielt sich formal im Rahmen von unverbindlichen Leitlinien und Selbstregulierung ab. Die dritte Dimension ist zunächst intrinsisch motiviert und betrifft finanzielle Stabilität und harte Eigenkapitalfakten. Es geht darum, das Institut selbst möglichst unversehrt und lange am Markt zu halten und ihm auch die Möglichkeit der Selbstgeneration zu geben, denn Nachhaltigkeit kann auch kurzfristige Instabilität bedeuten, wenn diese wieder aufgehoben werden kann.61 Kern dieser Dimension ist die Verhinderung der kurzfristigen Gewinnmaximierung und die Verfolgung langfristiger Strategien. Dies erfolgt vor allem zugunsten des Gläubigerschutzes, denn diese haben ein langfristiges Interesse an ihren Spareinlagen. Im Weiteren umfasst die Dimension auch die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes. Diese dritte Dimension beruht allein auf echter Regulierung und der Setzung harter Normen. Die vierte Dimension geht über zwingendes Recht und Selbstregulierung hinaus. Hier geht es alleine darum, aus der unternehmerischen Verantwortung heraus, Nachhaltigkeit zu schaffen, um so ethischen Grundsätzen zu folgen und eine positive Reputation am Markt zu schaffen. Diese kann in einem nächsten Schritt den Unternehmenswert steigern, wobei die Steigerung des Unternehmenswertes allein indes nicht Motivationsfaktor für ihre Umsetzung ist. Die erste, zweite und vierte Dimension umfassen damit die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Die dritte Dimension wurde von der EU-Kommission als Nachhaltigkeitskonzept „gelabelt“, stellt jedoch allein kein eigenes in sich geschlossenes Nachhaltigkeitskonzept dar. Nachhaltigkeit bedeutet zwar nicht formalistisch, dass sie nur bei gleichzeitiger Einhaltung aller drei Säulen ein nachhaltiges Wirtschaften vorliegt. Nachhaltigkeit im Bankensektor kann auch nur an der Säule der Ökonomie anknüpfen und trotzdem der Förderung von Nachhaltigkeit zugeordnet werden. Allerdings entsteht ein geschlossenes Nachhal­ tigkeitskonzept im Bankensektor erst in der Gesamtschau der vier Dimensionen. So beruht Nachhaltigkeit im Bankensektor letztlich auf der grierten Betrachtung der finanziellen, ökologischen und sozialen inte­ Leistungen eines Instituts gegenüber allen Stakeholdern.62 Wollte man die Dimensionen in eine Reihenfolge bringen und damit deren Bedeutung für den Bankensektor werten, so würde diese wohl (1) finanzielle Stabilität, (2) überschießende freiwillige Maßnahmen aufgrund gesellschaftlicher Verantwortung, (3) Nachhaltigkeitsberichterstattung und (4) nachhaltige Investments lauten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Frage der Nachhaltigkeit nicht alleine die prima facie ökono61 Siehe dazu vor allem die Beiträge zu dem Thema Bankenabwicklung in diesem Band Kap. 8, S. 163 ff. und Kap. 9, S. 197 ff. 62 Vgl. Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (30).

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III. Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes in der Bank

misch gewichtigsten Kategorien, wie die finanzielle Stabilität und nachhaltige Investments, eine Rolle spielen. Vielmehr kann nach der finanziellen Stabilität, die auf der Einhaltung bestehender Regularien beruht und damit unangefochten prioritär ist, schon die gesellschaftliche Verantwortung gesehen werden, da die Nachhaltigkeitsförderung vor allem auch auf der Zurückgewinnung des massiven Vertrauensverlustes beruht. Aufgrund der hohen Bedeutung des Transparenzgedankens, der sich ebenfalls wieder auf die Schaffung beziehungsweise Wiedererlangung von Vertrauen zurückführen lässt, sollte diese schließlich auch vor der vereinzelt relevanten Bedeutung von nachhaltigen Investments stehen. Für ein eigenständiges Nachhaltigkeitsregulierungskonzept im Bankensektor besteht indes kein rechtspolitischer Umsetzungsbedarf. Denn allein durch die Kenntlichmachung der vier Dimensionen ist aus dem uferlosen Flickenteppich eine Eingruppierung in ein ganzheitliches Konzept erfolgt, dessen Existenz man sich in den vier Dimensionen verdeutlichen kann. Sofern allein in Zukunft dafür Sorge getragen wird, dass alle vier Dimensionen Beachtung finden und man sich die Existenz der vier Dimensionen der Nachhaltigkeit im Bankensektor vor Augen führt, bedarf es keines eigenständigen Nachhaltigkeitsregulierungskonzeptes für den Finanzmarkt.

III. Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes in der Bank In der Praxis entwickeln jedoch viele Banken selbst eigenständige und in sich geschlossene Nachhaltigkeitskonzepte im Sinne von Nachhaltigkeitsstrategien und eines Nachhaltigkeitsmanagements, die eine Verknüpfung der verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte untereinander sowie deren Verankerung in den Bankbetrieb vorsehen. Ein einheitliches Konzept für die gesamte Kreditwirtschaft gibt es dabei allerdings nicht, da zum einen der dargestellte Flickenteppich unterschiedliche Herangehensweisen ermöglicht und zum anderen die verschiedenen Geschäftsmodelle der Banken zu einer unterschiedlichen Gewichtung und Um­ setzung der Nachhaltigkeitsaspekte führen. Gleichwohl lassen sich Gemeinsamkeiten der Konzepte aufzeigen. In der Regel liegt den Nachhaltigkeitskonzepten zunächst ein generelles Wertesystem zugrunde, das sich am individuellen Geschäftsmodell der Bank orientiert und ausdrückt, wofür die Bank steht.63 Das Werte­ verständnis wird dabei durch Rechtsvorschriften und unverbindliche Standards insbesondere aber auch durch bankinterne Faktoren, wie öko­ no­mische, ethische und philanthropische Anreize geprägt. Darauf basierend werden Ziele und Handlungsinitiativen entwickelt, die schließlich

63 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 10.

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Teil 1

Einleitung

im Rahmen von unternehmensindividuellen Prozessen in bestehende Strukturen der Bank eingefügt werden. 1. Grundlagen und Inhalte von Nachhaltigkeitskonzepten a) Grundlagen und deren Einordnung in Nachhaltigkeitskonzepte aa) Rechtliche Vorgaben liche Schon aufgrund des Legalitätsprinzips haben die Banken verbind­ Rechtsvorschriften zu befolgen beziehungsweise Rechtsverstöße zu vermeiden. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit kommt dabei der zweiten Dimension, der Sicherung von Finanzstabilität, besondere Bedeutung zu. Bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitskonzepten werden diese Rechtsvorschriften zur Schaffung von Finanzstabilität jedoch nicht allein repetiert sondern in einen Kontext mit weiteren Vorgaben und Vorschriften (wie zum Beispiel aus dem Umweltrecht oder Arbeitsrecht) gebracht und damit ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte miteinander verknüpft. Allein durch diese Verknüpfung kann ein Mehrwert geschaffen werden, der über die reine Einhaltung von Rechtsvorschriften hinausgeht. So können etwa im Rahmen des Risikomanagements auch Risiken aus den Bereichen Umwelt und Gesellschaft frühzeitig erkannt und damit das Risikomanagement der Banken gestärkt werden. Darüber hinaus sind Banken aufgrund ihrer zentralen Stellung im Wirtschaftskreislauf gehalten, Rechtskonformität in den einzelnen Schritten der Wertschöpfungskette nachzuhalten. Die Nachhaltigkeitskonzepte der Banken nehmen daher grundsätzlich auch die Einhaltung rechtlicher Vorgaben bei ihren Kunden sowie eigenen Zulieferern in den Blick. Diese Rechtsvorschriften betreffen wiederum alle drei Dimensionen. Die Befolgung der „eigenen“ und „fremden“ rechtlichen Normen sowie deren ganzheitliche Einbettung in ein Nachhaltigkeitskonzept der Bank kann somit bereits die, in der Theorie im Hinblick auf die Vorschriften zur Schaffung von Finanzstabilität vorhandene, Lücke zur Abdeckung aller drei Säulen in der Praxis schließen. bb) Unverbindliche Standards Weiterhin berücksichtigen viele Banken zahlreiche internationale und nationale unverbindliche Standards bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitskonzepten.64 Dabei spielen insbesondere die Vorgaben zur Nachhal64 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 5. Hier wird insbesondere die UNEP-Erklärung der Finanzinstitute zur Umwelt und zur nachhaltigen Entwicklung, der UN Global Compact sowie der Deutsche Nachhaltigkeitskodex angesprochen.

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III. Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes in der Bank

Teil 1

tigkeitsberichterstattung eine bedeutende Rolle. Die Vorgaben sind mit Blick auf alle drei Säulen konkret, gleichwohl bieten sie gerade wegen ihrer unverbindlichen Standardsetzung auch erhebliche Gestaltungsspielräume. Hier kann jede Bank ihre eigene definierte Wertevorstellung einfließen lassen, die Säulen gewichten und diese sodann für Außenstehende sichtbar (und überprüfbar) machen. Aufgrund dieses Freiraums aber auch aufgrund des Transparenzgebots eignet sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung besonders als Instrument, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen und damit neben ihrem offensichtlichen Beitrag zur Stärkung ökologischer und sozialer Aspekte auch einen Beitrag zur Finanzstabilität zu schaffen. Auch mit Blick auf unverbindliche Standards spielt die besondere Stellung der Banken im Wirtschaftskreislauf und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Verantwortung eine Rolle. So nehmen die Banken grundsätzlich auch die unverbindliche Nachhaltigkeitsberichterstattung und das entsprechende Nachhaltigkeitsverhalten ihrer Kunden und Zulieferer in den Blick. cc) Gesellschaftliche Stellung der Bank Als wesentliche Grundlage für die Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts kann damit untechnisch gesprochen auch die gesellschaftliche Stellung der Bank verstanden werden. Die gesellschaftliche Verantwortung ist dabei sogar als Kernaspekt eines jeden individuell ausgeprägten Nachhaltigkeitskonzepts einer Bank zu sehen, bestehen hier doch die größten Gestaltungsspielräume für die Entwicklung von Nachhaltigkeitszielen und Handlungsinitiativen. Hier können unterschiedliche ökonomische, ethische und philanthropische Anreize in die Nachhaltigkeitskonzepte einfließen und das Konzept weit über die dargestellten Vorgaben und Standards hinaus prägen. In diesem Zusammenhang stellen sich jedoch auch regelmäßig die Fragen, wie weit die gesellschaftliche Verantwortung der Banken reicht und wo ihre Grenzen liegen. Dabei können insbesondere im Hinblick auf das Nachhaltigkeitsverhalten von Kunden Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Stakeholdern entstehen, die nicht durch eine eindeutig „richtige“ beziehungsweise „falsche“ Entscheidung im Sinne der Nachhaltigkeit aufgelöst werden können. Dennoch einen angemessenen Ausgleich der Interessen im Sinne der Nachhaltigkeit zu erreichen, ist damit ebenfalls Aufgabe der Nachhaltigkeitskonzepte der Banken. Insofern wird im Rahmen der Konzepte grundsätzlich auch eine Risikoabwägung unterschiedlicher Aspekte vorgenommen.

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Teil 1

Einleitung

b) Inhalte von Nachhaltigkeitskonzepten Im Folgenden sollen beispielhaft typische Inhalte von Nachhaltigkeitskonzepten dargestellt werden, die auf den oben genannten Grundlagen basieren. Dabei sind zunächst die klassischen Nachhaltigkeitsthemen Betriebs­ ökologie, Personal und gesellschaftliches Engagement zu nennen. Darüber hinaus lassen sich weitere Initiativen unter dem Stichwort „Interessengruppen“ zusammenfassen. aa) Betriebsökologie Im Rahmen der Betriebsökologie haben sich viele Banken zum Ziel gesetzt die Umweltauswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit möglichst gering zu halten.65 Das erreichen sie zum Beispiel durch einen sparsamen Ressourcenverbrauch sowie die Senkung des Energieverbrauchs, die Reduzierung der CO2-Emissionen und die Erhöhung der Energieeffizienz sowie des prozentualen Anteils der erneuerbaren Energien (Green-Building, Green-IT, papierloses Büro oder umweltfreundliche Mobilitätskonzepte). Die Verbrauchswerte werden dabei von vielen Banken systematisch erfasst und analysiert, um die Initiativen nachzuhalten und den eigenen „ökologischen Fußabdruck“ zu verbessern. Zudem steuern viele Banken ihre eigenen Umweltleistungen nach einem zertifizierten Umweltmanagementsystem (z.B. ISO 14001)66 und nehmen an betrieblichen Umweltschutzprogrammen teil (z.B. ÖKOPROFIT).67 bb) Personal Da der Erfolg im Bankgeschäft maßgeblich von den Mitarbeitern abhängt, ist auch die Personalpolitik Bestandteil der Nachhaltigkeitskonzepte vieler Banken. Dazu gehört unter anderem die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber im zunehmenden Wettbewerb um Talente.68 Weiterhin wird durch Weiterbildungsmaßnahmen und spezielle Trainings eine gezielte Personalentwicklung zur fachlichen und persönlichen Qualifizierung gefördert. Auch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in vielen Banken ein hoher Stellenwert beigemessen. Diese wird beispielsweise durch die Einräumung flexibler Arbeitszeiten sowie Angebote zur Kinderbetreuung gefördert. Ein ausgewogenes Verhältnis von Beruf und Privatleben (Work-­Life-Balance) wird zum Beispiel durch Teilzeit, Home Office und Sabbaticals unterstützt. Diversity wird als Bereicherung der Unternehmenskultur und Chance für eine positive Unternehmensentwicklung gesehen und entsprechend gefördert. Viele Banken engagieren sich zudem 65 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 8 und 13. 66 So beispielsweise die Deutsche Bank AG. 67 So beispielsweise die WGZ Bank AG. 68 Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (33).

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III. Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes in der Bank

Teil 1

für ihre Mitarbeiter zum Thema Gesundheit zum Beispiel durch persönliche Beratung und Informationsveranstaltungen.69 cc) Gesellschaftliches Engagement Im Sinne ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gehört für viele Banken auch ein vielfältiger Einsatz für externe Initiativen sowie gesellschaftliches Engagement außerhalb des Geschäftsbetriebes zu ihren Nachhaltigkeitskonzepten. Hierzu zählen die Unterstützung sozialer und karitativer Einrichtungen (beispielsweise im Bereich Kinder und Jugendliche, Menschen mit Behinderung, Umwelt- oder Klimaschutz) sowie die Kultur-, Bildungs- und Sportförderung.70 Neben eigenen sozialen Projekten setzen sich die Banken zudem für das Engagement ihrer Mitarbeiter ein (Corpo­ rate Volunteering) und achten auch bei ihren Zulieferern und Dienstleistern auf soziales Engagement. Beispielsweise wird bei der Beauftragung externer Kanzleien deren Nachhaltigkeitsverhalten, unter anderem die Aktivität bei Pro Bono-Mandaten berücksichtigt. dd) Interessengruppen Weiterhin spielen die Interessen der verschiedenen Stakeholder bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitskonzepten eine gewichtige Rolle. Zu den Stakeholdern zählen insbesondere die Kunden, die Investoren (Aktionäre) sowie die Öffentlichkeit und NGOs. (1) Kulturwandel Die insbesondere durch die Finanzkrise hervorgerufenen massiven Vertrauensverluste erfordern – schon im Interesse der Stakeholder – ein auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit angelegtes Handeln der Banken. Die Interessen der Stakeholder zu wahren und eine Vertrauensbasis gegenüber den Stakeholdern (insbesondere den Kunden) zu schaffen, bedeutet unter anderem eigene „moralische“ Werte aufzustellen und nach diesen zu handeln. Nur ernsthafte Anstrengungen zur Etablierung einer von oben gelebten Ethikkultur können gerade bei Finanzinstituten nachhaltige Glaubwürdigkeit bewirken. Essentiell hierfür ist die intensive und systematische Verfolgung einer gesamten Ethikkultur, die auch tatsächlich und überzeugend „gelebt“ wird.71 Die Nachhaltigkeitskonzepte der Banken setzen daher grundsätzlich auf oberster Managementebene an und 69 Vgl. zu den verschiedenen Maßnahmen Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 12. 70 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 8 und 13. 71 Vgl. Strenger in Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, S. 405.

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Teil 1

Einleitung

verfolgen durch die Etablierung von Kontrollsystemen, nachhaltiger Anreizsetzung und entsprechender Entgeltstrukturen das Ziel einer solchen Ethikkultur beziehungsweise eines Kulturwandels. Zu den dabei verfolgten Werten gehören u.a. die Bereitstellung bestmöglicher, fairer und transparenter Dienstleistungen, integres Verhalten sowie Produktverantwortung und ein partnerschaftliches Vorgehen.72 Viele Banken definieren damit einen eigenen Nachhaltigkeitsanspruch dahingehend, dass Handeln nicht nur rechtlich zulässig sondern auch legitim sein muss. (2) Transparenz und Kontrolle Ein weiterer wichtiger Aspekt im Hinblick auf Interessen von Stakeholdern ist die aktive Integration und Beteiligung der Stakeholder an Prozessen sowie die Schaffung von Transparenz. Insofern bemühen sich viele Banken im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsberichte um eine verständliche Darstellung und die Befriedigung der Informationsbedürfnisse ihrer Stake­ holder. In diesem Sinne erfolgt schon bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte ein aktiver Austausch mit den Stakeholdern, um ­deren Anforderungen besser einschätzen und in den Berichten darauf eingehen zu können.73 Entsprechend den Anforderungen der Stakeholder bestehen auch Bestrebungen vieler Banken, ihre Governance-Strukturen und Kontrollsysteme auch über die gesetzlichen Anforderungen hinaus zu stärken und ihre Vergütungssysteme auf Nachhaltigkeit auszurichten.74 (3) Geschäftsaktivitäten Zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit wird das Bankgeschäft außerdem zunehmend an Kundenwünschen orientiert. Dies betrifft zunächst die Ausgestaltung der Kundenbeziehungen selbst, wie etwa die zunehmende Digitalisierung des Bankgeschäfts. Zudem bestehen verstärkte Bestrebungen im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit, die in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen haben und zukünftig noch weiter an Bedeutung gewinnen werden. Schließlich werden soziale und ökologische Aspekte aber auch im Rahmen der Geschäftsaktivitäten, etwa bei zu finanzierenden Investitionen der Kunden aber auch bei Anlageprodukten verstärkt berücksichtigt. So wird beispielsweise der großen Nachfrage an nachhaltigen Produkten, wie zum Beispiel „Green Bonds“75 oder der Finanzierung grüner Techno72 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 10. 73 Vgl. Hacker/Schmitz, ZfK 2014, 767 (767). 74 So wurden bei der Deutsche Bank AG beispielsweise neue Funktionen geschaffen und Projekte aufgesetzt (House of Governance, Three Lines of Defense), um Kontrollsysteme und Governance-Strukturen zu stärken und zu verbessern. 75 Dazu sogleich.

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III. Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes in der Bank

Teil 1

logien entsprochen. Insbesondere die aktuellen Klimaschutzinitiativen von Politik und Wirtschaft eröffnen den Banken zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten – zum Beispiel bei der Finanzierung der Energiewende.76 Hierbei besteht Finanzierungsbedarf bei mittelständischen Unternehmen bezüglich der Entwicklung grüner Technologien. Auch die Vermittlung von Förderbank-Krediten zur Finanzierung von Investitionen mit ökologischem oder sozialem Nutzen fällt in den Geschäftsbereich „konventioneller“ Banken.77 Bei den Green Bonds, womit Anleihen gemeint sind, die ausschließlich der Finanzierung umweltfreundlicher Projekte und Aktiva der emittierenden Einrichtung dienen, entwickelt sich eine bedeutende Geschäftsaktivität. Der Markt dieser grünen Anleihen ist extrem gewachsen. Während im Jahre 2009 das Emissionsvolumen noch bei unter 1 Milliarde US-Dollar lag, waren es im Jahre 2013 schon 11 Milliarden, in 2014 36,6 Milliarden US-Dollar. Für 2015 wird mit einem Emissionsvolumen von 100 Milliarden US-Dollar gerechnet.78 Ein weiteres Wachstum des Markts ist zu erwarten, da zukünftigen Investitionskosten für höhere Energieeffizienz, saubere Energieträger und entsprechende Infrastruktur teilweise durch Green Bonds abgedeckt werden könnten. Dabei besteht die Herausforderung für Banken darin, darauf zu achten, dass das Geld auch wirklich in grüne Projekte fließt. Mit den Green Bond Principles79, die 2013 veröffentlicht wurden, wurde ein Rahmenwerk geschaffen, das insbesondere die Transparenz grüner Anleihen in den Vordergrund stellt. Im Rahmen der Geschäftsaktivtäten von Banken ist allerdings auch zu beachten, dass die Interessen der einzelnen Stakeholder nicht zwingend gleichlaufen. So bedeutet die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien bei Geschäftsentscheidungen nicht nur die Nutzung von Geschäftschancen sondern eben auch die Reduzierung bestimmter Geschäftstätigkeiten. Hier können Interessen von Kunden und Investoren den Interessen von NGOs und Öffentlichkeit entgegenstehen. Die besondere Herausforderung der Banken besteht hier darin, im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitskonzepte einen angemessenen Ausgleich der Interessen 76 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 8. 77 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 8. 78 Borse, PORTFOLIO: Grün ist nicht immer grün, Börsen-Zeitung v. 5.5.2015, S. B 20 m.w.N. zu Zahlen der Climate Bonds Initiative, abrufbar unter www.climate bonds.net. 79 Die Green Bond Principles enthalten Richtlinien für die Verwendung und Verwaltung des Kapitals, das über eine grüne Anleihe aufgebracht wird, die Projektbeurteilung und -auswahl und die Berichterstattung. Die Green Bonds Principles wurden von einer Reihe von Finanzinstitutionen und Emittenten unterzeichnet, darunter die Bank of America, BNP Paribas, Citigroup, Crédit Agricole CIB, Daiwa, Deutsche Bank, Goldman Sachs, HSBC, JPMorgan Chase, Mizuho, Morgan Stanley, Rabobank und SEB.

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Teil 1

Einleitung

herbeizuführen. Um die unterschiedlichen Erwartungen und berechtigten Interessen aller Beteiligten bestmöglich zu wahren und in Einklang zu bringen, pflegen viele Banken daher einen regelmäßigen Dialog mit den Stakeholdern. Außerdem bieten Banken Veranstaltungen zu kapitalmarktnahen Nachhaltigkeitsthemen an, um das Bewusstsein ihrer Stakeholder zu schärfen, für Nachhaltigkeit im Markt zu stehen. Viele Banken bringen sich zudem bei nachhaltigkeitsorientierten Foren und Veranstaltungen mit ihrer Expertise ein.80 2. Organisatorische Umsetzung und Einbeziehung der Geschäftsbereiche Das mit den oben dargestellten Inhalten ausgedrückte Werteverständnis und die daraus resultierende Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts muss schließlich in den Bankbetrieb integriert werden, wobei die richtige Integration ebenso bedeutsam für den Erfolg eines Konzeptes ist wie deren Inhalte selbst. Ebenso wie die genaue Ausgestaltung der Inhalte ist aber auch die Umsetzung und Verankerung in den Bankbetrieb den einzelnen Banken überlassen und dementsprechend unterschiedlich ausgestaltet. Gemein ist ihnen jedoch, dass Nachhaltigkeit nicht als isoliertes Ziel betrachtet wird, sondern einen integralen Bestandteil der Geschäftsund Risikostrategie bildet und mithin eingebettet in die Geschäfts- und Risikostrategie seinen Weg in das Bankmanagement findet.81 Die organisatorische Umsetzung beginnt in der Regel auf oberster Managementebene mit der Entwicklung der Geschäfts- und Risikostrategie, in die auch ökologische und soziale Aspekte einzubeziehen sind. Auf Basis der Strategie erfolgt dann eine Operationalisierung und Implementierung unter Berücksichtigung der festgelegten Nachhaltigkeitsziele. Konkret bedeutet dies, dass grundsätzlich im Rahmen der Corporate Governance Steuerungs- und Kontrollmechanismen, Entgeltstrukturen sowie Anreizsysteme festgelegt werden, die im Einklang mit der Strategie (und damit auch der Nachhaltigkeit) stehen.82 Die regelmäßige Messung und Steuerung der Nachhaltigkeitsziele kann beispielsweise über Key Performance Indikatoren (KPI) und Key Risk Indikatoren (KRI) erfolgen, die sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Nachhaltigkeitskriterien umfassen.83 Diese internen Leistungsindikatoren orientieren sich bei vielen Banken an den Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung84, wobei sie zur Nutzung für die interne Steuerung an den 80 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 12. 81 Vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 4. 82 Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (33). 83 Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (30). 84 Beispielsweise wurden auch die in den Financial Service Supplements zu den GRI-Leitlinien enthaltenen 90 Leistungsindikatoren von Finanzdienstleistern

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III. Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes in der Bank

Teil 1

individuellen Bedarf der Bank angepasst und gegebenenfalls konkretisiert werden. Eine einheitliche Nutzung der Indikatoren aus dem Berichtswesen auch für interne Zwecke ist jedoch noch nicht gegeben. Dies geht auch aus einer Untersuchung von Hacker/Schmitz hervor, wonach die Banken intern oft andere Daten erheben und daher die von den GRI-Indikatoren geforderten Kennzahlen nicht berichten können.85 Neben der Steuerung und Messung der Nachhaltigkeitsziele wird die Integration der Nachhaltigkeit in das Kerngeschäft und die Etablierung entsprechen­der Anreizmechanismen grundsätzlich durch die Formulierung von Policies (Ethik- und Verhaltensrichtlinien) unterstützt, die den Mitarbeitern Orientierung geben und die Verantwortung für nachhaltiges Handeln in der Bank verankern sollen. Diese Policies umfassen in der Regel das allgemeine Wertesystem der Bank sowie konkrete Verhaltensgrundsätze und Richtlinien.86 Zur Unterstützung des Managements bei der Steuerung und Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie setzen viele Banken zudem spezialisierte Funktionen (z.B. Nachhaltigkeitsbeauftragte) und Abteilungen ein, die primär mit dem Nachhaltigkeitsmanagement betraut sind. Diese führen beispielsweise Nachhaltigkeitsanalysen durch (z.B. Analyse neuer Trends, Bewertung von Chancen und Risiken), setzen Nachhaltigkeitsprojekte um, stehen im Dialog mit Stakeholdern (insbesondere NGOs) und Nachhaltigkeits-Ratingagenturen, fungieren als Ansprechpartner für die Mitarbeiter und beziehen die einzelnen Geschäftsbereiche und Abteilungen in das Nachhaltigkeitsmanagement ein. Dabei wird deutlich, dass sich Fragen zur Nachhaltigkeit in allen Geschäftsbereichen der Bank stellen. Die Entscheidung, welche Aktiv- und Passivgeschäfte unter Nachhaltigkeitsaspekten im Kerngeschäft angeboten werden, berührt beispielsweise nicht nur den Vertrieb sondern erfordert Entscheidungen zur Identifizierung und zum Management von Risiken, die durch die Risk Governance und Treasury wahrgenommen werden.87 Im Personalmanagement sind die genannten Ziele zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit zu beachten und umzusetzen. In der Funktion der Produkt- und Prozessentwicklung lassen sich Innovationen durch Nachhaltigkeit, zum Beispiel durch ein nachhaltiges Produktangebot realisieren. Die Förderung des Nachhaltigkeitsbewusstseins der Mitarbeiter durch Information und Schulungen spielt somit ebenso eine wichtige Rolle bei der Integration der Nachhaltigkeit im Bankbetrieb. So können Mitarbeiter besser erkennen, welche Reputations- und wirtschaftliche Risiken für die Bank entstehen und welche zusätzlichen Ge-

mitentwickelt, vgl. Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (30). 85 Vgl. Hacker/Schmitz, ZfK 2014, 767 (769). 86 Vgl. Schreiben des Bundesverbands deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 10. 87 Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (33).

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Teil 1

Einleitung

schäftschancen genutzt werden könnten. Jeder einzelne Mitarbeiter kann wichtiger Impulsgeber im Hinblick auf Nachhaltigkeit sein. Schließlich ist auch die Compliance-Abteilung einer Bank als generelle Kontrollfunktion ein fester Bestandteil der Nachhaltigkeitskonzepte. Diese unterstützt bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitspolicies und des Ethikkodex und gestaltet Nachhaltigkeit aktiv mit.88 Zudem sind Beschwerdemöglichkeiten für den Kunden in die Organisation einzubinden.

IV. Zusammenfassung und Bewertung Nachhaltigkeitskonzepte von Banken umfassen alle drei Säulen (Ökologie, Soziales, Ökonomie) aber auch alle vier Dimensionen (finanzielle Stabilität, überschießende freiwillige Maßnahmen aufgrund gesellschaftlicher Verantwortung, Nachhaltigkeitsberichterstattung und nachhaltige Investments) von Nachhaltigkeit im Bankensektor. Sie runden damit in der Praxis das Nachhaltigkeitskonzept im Bankensektor ab, das als eigenständiges Regulierungskonzept in der Theorie nicht vorhanden ist. Im Konkreten liegt den Nachhaltigkeitskonzepten dabei in der Regel zunächst ein individuelles, am Geschäftsmodell der jeweiligen Bank ausgerichtetes, Wertesystem zugrunde. Dieses basiert auf Rechtsvorschriften, geht aber auch darüber hinaus und umfasst weitreichende freiwillige Initiativen im Hinblick auf ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte. Die Implementierung in den Bankbetrieb erfolgt dabei nicht im Rahmen eines isolierten Konzeptes, sondern als Bestandteil der Geschäfts- und Risikostrategie. Ebenso wie sich in der Theorie die Frage nach der Schaffung eines Nachhaltigkeitsregulierungskonzeptes stellte und verneint wurde, stellt sich auch in der Praxis die Frage nach einer Verrechtlichung von Nachhaltigkeitsstandards. Insbesondere angesichts der herausragenden Stellung der Bank im Wirtschaftssektor und der starken Positionen der Interessengruppen ist die Bereitschaft zur Einhaltung unverbindlicher Standards im Bereich der Nachhaltigkeit in der Bankenbranche bereits sehr groß. Gleichwohl wird im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung als externem Spiegel der Nachhaltigkeitskonzepte von Banken auch deutlich, dass ein einheitlicher Standard und damit eine Vergleichbarkeit und verlässliche Überprüfbarkeit noch nicht gegeben sind. Insofern ist die Schaffung verbindlicher Vorgaben durch die Umsetzung der CSR-Richtlinie grundsätzlich zu begrüßen, auch wenn deren tatsächliche Auswirkung aufgrund des comply or explain-Ansatzes stark abgeschwächt sein dürfte. Auch Ansätze, das sogenannte „Integrated Reporting“ stärker zu

88 Leonhardt/Wiedemann, die bank 2014, 30 (34).

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IV. Zusammenfassung und Bewertung

Teil 1

forcieren, könnten dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Finanzbranche weiter zu verbessern.89 Eine zunehmende Regulierung in diesem Bereich ist dennoch kritisch zu sehen. Dies gilt insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Nachhaltigkeitsthemen dem ständigen gesellschaftlichen Wandel unterliegen und daher stetig angepasst werden müssen. Außerdem bestehen speziell in der Finanzbranche zahlreiche Anreize, die eine freiwillige Selbstregulierung unterstützen. Der starke Anstieg der Bedeutung von Nachhaltigkeitsthemen in den letzten Jahren sowie die positive Marktentwicklung im Hinblick auf nachhaltige Produkte sprechen für das Funktionieren dieser Systematik. Einer weiteren „Verrechtlichung“ der Nachhaltigkeit und insbesondere der Schaffung eines eigenständigen Nachhaltigkeitsregulierungskonzeptes bedarf es im Bankensektor folglich weder in der Theorie noch aus praktischer Sicht.

89 Unterstützend auch Bundesverband deutscher Banken e.V., vgl. Schreiben des Bundesverband deutscher Banken e.V. „Nachhaltigkeitsmanagement, Impulse der privaten Banken“, 11.9.2014, S. 14.

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Teil 2 Die stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive von Banken Kapitel 3 Sicherung der Funktionserbringung von nicht regulierten Aktiengesellschaften und Kreditinstituten durch Corporate Governance Sabrina Kulenkamp und Klaus Lackhoff*

Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter bei nicht regulierten Aktiengesellschaften und Kreditinstituten 1. Bestellungsvoraussetzungen für Vorstandmitglieder a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen b) Besonderheiten bei Kredit­ instituten 2. Organisationsregelungen a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen b) Besonderheiten bei Kredit­ instituten 3. Haftungsregime und Abberufung für Vorstandsmitglieder a) Haftung und Abberufung von Vorständen im Allgemeinen b) Besonderheiten bei der Haftung von Geschäftsleitern von Kreditinstituten III. Anforderungen an die Aufsichts­ gremien

1. Bestellungsvoraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen b) Besonderheiten bei Kredit­ instituten 2. Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen b) Besonderheiten bei Kredit­ instituten 3. Haftungsregime und Abberufung für Aufsichtsratsmitglieder a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen b) Besonderheiten bei Kredit­ instituten IV. Angemessenheit der Vergütung der Geschäftsleitung 1. Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen 2. Besonderheiten bei Kreditinstituten V. Fazit

Literatur: Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2014; Engelbach/Fried­ rich, Die Umsetzung der BRRD in Deutschland, WM 2015, 662; Fleischer, Bestellungsdauer und Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern im in- und ­ausländischen Aktienrecht, AG 2006, 429; Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vor­ * Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren wieder.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

standsrechts, 2006; Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 2, §§ 76–117 AktG, 4. Aufl. 2014; Gummert/Weipert (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. 2015; Hölters (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 2014; Hönsch/Kaspar, Evaluierung von Geschäftsleitung und Aufsichtsrat nach § 25d KWG, Kreditwesen 2014, 380; Hopt, Die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat: Grundsatz und Praxisprobleme – unter besonderer Berücksichtigung der Banken, ZIP 2013, 1793; Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar zum Aktiengesetz, Bd. 4, §§ 95–117 AktG, 4. Aufl. 2006; Hüffer, Aktien­gesetz, 11. Aufl. 2014; Kort, Gemeinwohlbelange beim Vorstandshandeln, NZG 2012, 926; Kort, Ungleichbehandlung von Geschäftsleitungsmitgliedern bei AG und GmbH wegen des Alters, WM 2013, 1049; Kort/Hirte/Mülbert/ Roth (Hrsg.), Großkommentar zum Aktiengesetz, Bd. 4/1, §§ 76–91 AktG, 5. Aufl. 2015; Lackhoff, Which Credit Institutions will be supervised by the Single Supervisory Mechanism, Journal of International Banking Law and Regulation (J.I.B.L.R.) 2013; Lackhoff, How will the Single Supervisory Mechanism (SSM) function? – A brief overview, Journal of International Banking Law and Regulation (J.I.B.L.R.) 2014, 13; Lackhoff, The Framework Regulation (FR) for the Single supervisory Mechanism (SSM) – an Overview, Journal of International Banking Law and Regulation (J.I.B.L.R.) 2014, 498; Lackhoff, Neue Vorgaben des KWG für die Mandatshöchstzahl von Aufsichtsratsmitgliedern, Kreditwesen 2014, 663; Lackhoff/Kulenkamp, Neue Vorgaben des KWG für das Verhältnis von variabler und fixer Vergütung bei Kredit­ instituten (§ 25a Abs. 5 KWG), AG 2014, 770; Lackhoff/Grünewald, Die Bankenunion und ihre Auswirkungen auf den Drittstaat Schweiz, 1. Teil: Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (GesKR) 2015, 190; Leuering/Stein, Auf dem Weg zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex, NJW-Spezial 2011, 719; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014; Neumann, The supervisory powers of national authorities and cooperation with the ECB – a new epoch of banking supervision, EuZW-Beilage 2014, 9; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, 2015; Paetzmann/Schöning (Hrsg.), Corporate Governance von Kreditinstituten, 2014; Posser/Pünder/Schröder, Rechtsgestaltung im Öffentlichen Recht – Liber Amicorum für Dirk Ehlers zum 70. Geburtstag, 2015; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 5. Aufl. 2014; K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 1, §§ 1–149 AktG, 3. Aufl. 2015; Rubner/Fischer, Erneut: Professionalisierung des Aufsichtsrats, Zu den Änderungen des DCGK 2015, NZG 2015, 782; Schrader, Nachhaltigkeit in Unternehmen, ZUR 2013, 451; Schuster, The banking supervisory competences and powers of the ECB, EuZW-Beilage 2014, 3; Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 1, §§ 1–149 AktG, 3. Aufl. 2015; Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 2/1, §§ 76–94 AktG, 3. Aufl. 2010.

I. Einleitung Gesellschaften besitzen für ihre Eigentümer insbesondere die Funktion, eine gemeinsame wirtschaftliche Betätigung mehrerer Personen zu ermöglichen. Aber auch für weitere Personengruppen, neudeutsch auch „stakeholder“ genannt, erbringen sie bestimmte Leistungen. Insbesondere ihren Kunden gegenüber erfüllen aktiv wirtschaftlich tätige Gesellschaften eine Funktion, indem sie die Nachfrage nach bestimmten Waren und Dienstleistungen befriedigen. So bedienen Kreditinstitute insbesondere die Nachfrage nach sicherer Kapitalaufbewahrung und -anlage, nach 40 | Kulenkamp/Lackhoff

I. Einleitung

Teil 2

Zahlungsdiensten, Kreditgewährung und Risikoabsicherung (als Gegenpartei von Hedging-Geschäften). Ausgehend von dieser funktionalen Betrachtung von Gesellschaften bedeutet das Streben nach Nachhaltigkeit im Recht der Gesellschaften nach unserem Verständnis das Streben nach einer Absicherung der Funk­ tionserbringung durch Gesellschaften mit rechtlichen Mitteln.1 Bei der Analyse von Rechtsnormen unter diesem Aspekt ist zunächst danach zu fragen, ob und ggf. welche Funktion für welche Personengruppe(n) eine Rechtsnorm sichern will. Hierbei wird man feststellen, dass der Gesetzgeber verschiedene Funktionen der Gesellschaften anerkannt hat und je nach Einschätzung ihrer Bedeutung unterschiedliche Mittel einsetzt, um die Funktionserbringung und im Falle fehlender Überlebensfähigkeit eine funktionsschonende Abwicklung sicherzustellen. – So sichert der Gesetzgeber etwa die „Grundfunktion“ von Gesellschaften für die Anteilseigner als Vehikel gemeinsamer wirtschaftlicher Betätigung dadurch ab, dass die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft ihre Leitung stets am Gesellschaftsinteresse zu orientieren haben. Insbesondere ist der Vorstand verpflichtet, die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft und damit ihren Bestand zu gewährleisten.2 Auch die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hebt in der Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), der lediglich auf börsennotierte Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) oder europäische Aktiengesellschaften (Societas Europaea, SE) Anwendung findet, die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat hervor, im Einklang mit den Prin1 Zum Nachhaltigkeitsbegriff und zur Bedeutung von Nachhaltigkeit im Finanzsektor siehe in diesem Band Kap. 2, S. 6 f. und Kap. 9, S. 198 f. Hier wird ein Begriffsverständnis von Nachhaltigkeit verwendet, das offensichtlich ein anderes ist als es z.B. der Diskussion um den Nachhaltigkeitskodex (siehe dazu Leuering/ Stein, NJW-Spezial 2011, 719) zugrunde lag. Es löst den Begriff der Nachhaltigkeit aus dem umweltpolitischen, auf schonende Nutzung natürlicher Ressourcen bezogenen Zusammenhang und nutzt ihn abstrahiert von diesem Bedeutungszusammenhang als Maßstab zum Verständnis und Kategorisierung gesellschaftsrechtlicher Regelungen. Dieses Begriffsverständnis nimmt Aspekte des Gemeinwohls in sich auf, da die Funktionen von Unternehmen in letzter Instanz diesem dienen ebenso wie sich Elemente der Corporate Social Responsibility in ihm widerspiegeln. Beides sind Konzepte, in denen Nachhaltigkeit ebenfalls in einem über den Umweltbezug hinausgehenden Sinne verwendet wird (vgl. zu beidem z.B. Kort, NZG 2012, 926; Schrader, ZUR 2013, 451). Das Verständnis von Nachhaltigkeit als Funktionssicherung bleibt hinter diesen beiden Ansätzen insofern zurück, als das Verständnis ein dezidiert rechtliches ist und nur fragt, welche Funktion das Unternehmen innerhalb des gegebenen rechtlichen Rahmens erfüllen soll und dies für die Auslegung bestehender Normen fruchtbar macht. De lege ferenda verlangt dieses Verständnis die funktionsgerechte Ausgestaltung dieses Rechtsrahmens. 2 Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 34; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 69.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

zipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinte­ resse). – Mit den Regelungen zum Insolvenzausfallgeld und dessen Finanzierung durch die Arbeitgeber3 schützt der Gesetzgeber das berechtigte Interesse der Arbeitnehmer an der Existenz ihres Arbeitgebers zur Ausübung ihrer (abhängigen) Erwerbstätigkeit. – Bankaufsichtsrechtliche Regelungen dienen dem Erhalt der Funktion der Kreditinstitute für ihre Kunden. Da u.a. der nationale und der europäische Gesetzgeber die Funktion der Kreditinstitute als volkswirtschaftlich besonders bedeutend einschätzen, versuchen sie zunächst den Bestand der Kreditinstitute um ihrer Funktionserfüllung willen möglichst zu sichern. Diesem Ziel dienen die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen. Darüber hinaus wurden mit der Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken (Banking Recovery and Resolution Directive [BRRD])4 und deren deutschen Umsetzung im Sanierungsund Abwicklungsgesetz5 sowie der Verordnung über den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism [SRM])6 Mechanismen geschaffen, die eine gegenüber einem Insolvenzverfahren möglichst funktionenschonende Abwicklung von Kreditinstituten ermöglichen sollen. Anlass zur Schaffung dieser Mechanismen gaben die Erfahrungen der Finanzkrise. In dieser zeigte sich, dass Kreditinstitute ab einer gewissen Größe aufgrund ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft häufig als „too big to fail“ eingestuft wurden. Diese Einschätzung schlug sich in einer impliziten Staatsgarantie nieder, die sich in der Finanzkrise realisierte und dazu führte, dass die funktionenschonende Abwicklung oder Erhaltung strauchelnder Kreditinstitute aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde. Eine weitere Rechtsentwicklung, für welche die Finanzkrise als Katalysator wirkte, war die Schaffung eines einheitlichen Aufsichtsmecha-

3 § 358 SGB III. 4 Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/­ 36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 173/190 v. 12.6.2014. 5 BGBl. I S. 2091 v. 10.12.2014. 6 Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/­ 2010, ABl. L 225/1 v. 30.7.2014.

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I. Einleitung

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nismus durch die sog. SSM-Verordnung.7 In gewisser Parallelität zur fortschreitenden, aber bei weitem noch nicht erreichten Vereinheitlichung des materiell-rechtlichen Aufsichtsrahmens8 – insbesondere durch das „CRD IV Paket“ – dient der Einheitliche Aufsichtsmechanismus der Vereinheitlichung der Aufsichtsorganisation durch deren Zentralisierung bei der EZB.9 Ziel dieser Maßnahme ist es, eine einheitliche und auf die Finanzmarktstabilität ausgerichtete Aufsicht zu schaffen.10 Ausgehend von dem dargestellten Verständnis der Nachhaltigkeit im Recht der Gesellschaften als Funktionssicherung untersucht dieser Beitrag für ausgewählte Rechtsbereiche sowohl für nicht aufsichtsrechtlich regulierte Aktiengesellschaften als auch für Kreditinstitute in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, welche „Funktionserhaltungsregelungen“ der Gesetzgeber entwickelt hat. Die Regelungen des Kreditwesenge­setzes bilden dabei zunehmend ein rechtsformunabhängiges Sondergesellschafts-

7 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. L 287/63 v. 29.10.2013. Der einheitliche Aufsichtsmechanismus heißt in Englisch Single Supervisory Mechanism (SSM). Zu dessen Entstehung siehe Lackhoff in Posser/Pünder/Schröder, Rechtsgestaltung im Öffentlichen Recht – Liber Amicorum für Dirk Ehlers, 2015, S. 177 (177 ff.). 8 Der (politische) Zielbegriff des „Single Rule Book“ verdeckt die weiterhin noch bestehende Zersplitterung des Aufsichtsrechts mehr als dass er die Rechtswirklichkeit zutreffend widerspiegelt. Die Verordnung 575/2013 v. 26.6.2013 (CRR) ist zwar ein wesentlicher Schritt zur Vereinheitlichung des Aufsichtsrechts, doch führen Optionen in der CRR, eine fehlende Maximalharmonisierung und der gegebene Spielraum bei der Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2013/36/ EU (CRD IV) weiterhin zu einer Zersplitterung des Aufsichtsrechts. So gibt es z.B. eine Vielzahl prudentieller Regelungen (wie z.B. zu Krediten an nahestehende Personen), die keine unmittelbare Vorgabe im Unionsrecht finden. Im Übrigen steigert der Umstand, dass in Form von delegierten Rechtsakten und technische Umsetzungsakten der Kommission eine Vielzahl von Vorschriften der CRR und der CRD IV auszufüllen sind, die Übersichtlichkeit der Rechtsmaterie nicht, zumal teils ein kasuistischer Ansatz verfolgt wird und die vorbereitenden Arbeiten der EBA selten v. Bestreben einer Systembildung beeinflusst zu sein scheinen. 9 Die Zentralisierung verschärft indessen noch einmal das ohnehin bestehende Problem der Zersplitterung des Aufsichtsrechts (dazu Fn. 10), da nun ein zentraler Bankaufseher das zersplitterte Aufsichtsrecht anzuwenden hat. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die EZB in Bezug auf bedeutende Banken tatsächlich alle prudentiellen Normen überwacht oder ob die prudentiellen Vorschriften, die nicht unmittelbar im CRD IV Paket verankert sind (wie z.B. die deutschen Organkreditvorschriften), von den nationalen Aufsichtsbehörden überwacht werden. Mit Blick auf das Ziel der Schaffung einer einheitlichen Beaufsichtigung bedeutender Banken macht letzteres wenig Sinn. Siehe hierzu auch Lack­ hoff/Grünewald, GesKR 2015, 190 (198). 10 Siehe dazu u.a. Lackhoff, J.I.B.L.R. 2014, 13; Neumann, EuZW-Beilage 2014, 9; Schuster, EuZW-Beilage 2014, 3.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

recht der Kreditinstitute.11 Die Anforderungen an Kreditinstitute werden durch diese Sonderregelungen teilweise erheblich verschärft, die das auf Kreditinstitute in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien oder der europäischen Aktiengesellschaft ohnehin anwendbare Aktiengesetz überlagern.

II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter bei nicht regulierten Aktiengesellschaften und Kreditinstituten „Der Fisch stinkt vom Kopf“ besagt ein altes Sprichwort. Erfahrungen der letzten Jahre insbesondere im Rahmen der Finanzkrise haben den Gesetzgeber zu der Einschätzung veranlasst, dass die Leitungsorgane von Gesellschaften den an sie gestellten Aufgaben von Unternehmensführung und -kontrolle nicht gerecht geworden sind.12 Diese Defizite haben verschiedene Gesetzgeber zum Anlass genommen, die Anforderungen an die Unternehmensführung und -kontrolle (weiter) zu verrechtlichen und detailliert(er) zu regeln. In diesem Zusammenhang sind auch die Anforderungen an die Mitglieder der Leitungsorgane verschärft worden. 1. Bestellungsvoraussetzungen für Vorstandmitglieder a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen In Bezug auf die Auswahl und Bestellung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft hat der Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG die alleinige Personalkompetenz. Die Vorschrift des § 76 Abs. 3 AktG stellt in diesem Zusammenhang einige persönliche Mindestanforderungen und Bestellungshindernisse auf. Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 AktG können Vorstandsmitglieder nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen sein. Die Staatsangehörigkeit spielt dabei keine Rolle. Unbeachtlich ist zudem ferner, ob ein Vorstandsmitglied seinen Wohnsitz in Deutschland hat.13 Eine Altersgrenze für Organmitglieder ist gesetzlich ebenfalls nicht vorgesehen. Gleichwohl spielt sie in der Praxis eine große Rolle, zumal Ziffer 5.1.2 Abs. 2 Satz 3 DCGK dem Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften empfiehlt, eine Altersbegrenzung festzulegen.14 Die Begrenzung der Vorstandsmitgliedschaft auf natürliche Personen soll einer Diffusion der Verantwortlichkeit vorbeugen und ist im Zusammenhang mit der der 11 Zu einzelnen Aspekten dieses Sondergesellschaftsrechts siehe Hönsch/Kaspar, Kreditwesengesetz 2014, S. 380; Lackhoff, Kreditwesen 2014, 663; Lackhoff/Ku­ lenkamp, AG 2014, 770. 12 Vgl. hierzu allgemein Reckhenrich in Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, 2014, S. 223 (224 ff.). 13 Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 253. 14 Vgl. zur Vereinbarkeit von Altersgrenzen mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Kort, WM 2013, 1051 (1051 ff.).

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II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter

Teil 2

Vorstandstätigkeit innewohnenden eigenen Verantwortung zu sehen.15 Persönliche und schadensersatzbewährte Verantwortung ist mithin das Instrument des Aktienrechts, um den Vorstand möglichst zu einer im Unternehmensinteresse liegenden Tätigkeit zu motivieren. Dem Aufsichtsrat kommt bei der Bestellung des Vorstands ein eigenes unternehmerisches Ermessen zu.16 Ob die Satzung über die gesetzlichen Eignungsvoraussetzungen hinaus weitere persönliche Qualifikationsmerkmale aufstellen darf, ist in der aktienrechtlichen Literatur um­ stritten. Nach herrschender Meinung sollen Eignungsvoraussetzungen ­le­diglich insoweit zulässig sein, als sie sachbezogen, d.h. durch das Gesellschaftsinteresse legitimiert sind und das Auswahlermessen des Aufsichtsrats weder nach ihrer Art noch durch Kumulation verschiedener Kriterien unverhältnismäßig einschränken.17 Versteht man Satzungsregelungen, die Eignungsanforderungen für Vorstandsmitglieder festlegen, als Funktionserhaltungsregelungen, die durch die Aktionäre in der Satzung im Eigeninteresse festgelegt werden, wird man zwar am Kriterium der Sachbezogenheit festhalten. Das Interesse an der Organrolle des Aufsichtsrats dürfte aber wohl als geringer einzuschätzen sein, da das Inte­ resse an der Funktionserhaltung des Verbandes über dem Interesse an der Funktionserhaltung eines Organs in diesem steht. § 76 Abs. 3 Satz 2 AktG sieht einen detaillierten Katalog an Bestellungshindernissen vor. So kann insbesondere nicht zum Vorstandsmitglied bestellt werden, wem ein gerichtliches oder behördliches Berufs- oder Gewerbeverbot auferlegt wurde, dessen Gegenstand ganz oder teilweise mit dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft übereinstimmt. Eine Person kann auch dann nicht zum Vorstandsmitglied bestellt werden, wenn sie aufgrund vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, vorsätzlicher Insolvenzstraftaten nach §§ 283 bis 283d StGB, vorsätzlicher falscher Angaben nach § 399 AktG oder § 82 GmbHG, vorsätzlich unrichtiger Darstellung nach § 400 AktG, § 331 HGB, § 313 UmwG oder § 17 PublG, sowie vorsätzlichen Betrugs, Untreue oder des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt rechtskräftig verurteilt wurde. Entsprechendes gilt nach § 76 Abs. 3 Satz 3 AktG auch bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AktG genannten Taten vergleichbar ist.

15 Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 105; kritisch Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 120. 16 Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 5; Weber in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 76. 17 Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 60; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 110; Weber in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 76. Zur Gegenansicht, nach der sich der Aufsichtsrat über satzungsmäßige Vorgaben nach pflichtgemäßem Ermessen hinwegsetzen können soll, vgl. etwa Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 76 AktG Rz. 116.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

Liegt ein Bestellungshindernis im Sinne des § 76 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG vor, so ist eine dennoch erfolgte Bestellung nach § 134 BGB nichtig.18 Das gesetzliche Verbot im Sinne des § 134 BGB wirkt ex lege. Eine förmliche Abberufung des Vorstands ist daher selbst dann nicht erforderlich, wenn der gesetzliche Ausschlussgrund zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Betroffene bereits im Amt ist.19 Schließlich finden sich im und außerhalb des Aktiengesetzes weitere gesetzliche Bestellungshindernisse. Insbesondere folgt ein solches aus der Inkompatibilität von Vorstandsamt und Aufsichtsratsmandat gemäß § 105 Abs. 1 AktG, wodurch der Grundsatz der Trennung von Leitung und Kontrolle manifestiert wird. Danach kann ein Aufsichtsratsmitglied nicht zugleich Vorstandsmitglied sein, bzw. eine andere leitende Funktion in der Gesellschaft übernehmen. Nur ausnahmsweise kann der Aufsichtsrat für einen im Voraus begrenzten Zeitraum, höchstens für ein Jahr, einzelne seiner Mitglieder zu Stellvertretern von fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitgliedern bestellen. b) Besonderheiten bei Kreditinstituten aa) Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung von Geschäftsleitern Besondere Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung von Geschäftsleitern von Kreditinstituten gehören schon seit jeher zum Bestand des Bankaufsichtsrechts. Dennoch haben diese Anforderungen durch neue Vorgaben des Art. 91 der Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV)20 eine neue Gestalt erhalten. Diese Vorgaben hat der deutsche Gesetzgeber in § 25c KWG in das deutsche Bankaufsichtsrecht, das Kreditwesengesetz (KWG) umgesetzt.21 Als Folge dieser Neuregelung plant die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre bislang für den Geltungsbereich des Kreditwesengesetzes, des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes und des Kapitalan18 Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 140; Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 265; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 120. 19 Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 140; Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 265; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 120. 20 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/ EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, Abl. L 176/338 v. 27.6.2013. 21 Zu den Anforderungen an die Feststellung der Eignung der Geschäftsleiter siehe auch EBA, Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders, EBA/GL/2012/06 v. 22.11.2012.

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II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter

Teil 2

lagegesetzbuches sowie des Versicherungsaufsichtsgesetzes einheitlichen Merkblätter für Geschäftsleiter und Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsgremien aufzuspalten. Im Rahmen der Konsultation zu den Merkblättern führt die BaFin aus, dass „es […] sich herausgestellt [hat], dass insbesondere im Kreditwesengesetz die neuen, aus der europäi­ schen Richtlinienumsetzung resultierenden Anforderungen an die Ge­ schäftsleiter und Verwaltungs- und Aufsichtsorgane keine Entsprechung in den anderen Aufsichtsgesetzen finden. Zudem erschweren auch die unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben zu Mehrfachmandaten im Kre­ ditwesengesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz eine übersichtliche Darstellung der Anforderungen aller Aufsichtsgesetze in gemeinsamen Merkblättern.“22 Wie bislang werden von einem Geschäftsleiter fachliche Eignung und Zuverlässigkeit verlangt, § 25c Abs. 1 Satz 1 KWG, Art. 91 Abs. 1 Satz 1 CRD IV. Der Bezugspunkt ist indessen im KWG und der CRD IV jeweils ein anderer. Bezugspunkt der Eignung ist in der CRD IV die konkrete Aufgabe des Organmitglieds. Hingegen wählt das KWG als Bezugspunkt die Leitung eines Kreditinstituts. Deshalb findet sich im KWG nicht – anders als in Art. 91 Abs. 1 Satz 2 und 3 i.V.m. Art. 91 Abs. 7 CRD IV – der Hinweis, dass das Leitungsorgan (Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 CRD IV) kollektiv über die zum Verständnis der Tätigkeiten des Instituts samt seiner Hauptrisiken notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen muss. Beim Aufsichtsrat lässt das KWG indessen die kollektiven Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen genügen, § 25d Abs. 2 KWG. Damit stellt das KWG insbesondere in Bezug auf die fachliche Eignung nicht nur Anforderungen auf, die den allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen fremd sind, sondern die auch über den Mindeststandard der CRD IV hinausgehen. Das KWG verlangt über das Aktienrecht hinausgehende aufgabenspezifische Kenntnisse und Erfahrungen inklusive Leitungserfahrung von Geschäftsleitern, weil der Gesetzgeber es bei Kreditinstituten anders als bei Gesellschaften im Allgemeinen nicht (allein) dem Eigeninteresse der Gesellschafter überlassen will, geeignete Personen als Vorstände zu bestellen. Diese Eigenverantwortung reicht dem Gesetzgeber aufgrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Kreditinstituten nicht aus. Daher hat er sich entschieden, präventiv Anforderungen an die fachliche und persönliche Eignung von Geschäftsleitern zu stellen, die die Gewähr dafür erhöhen sollen, dass Kreditinstitute durch Defizite ihrer Geschäftsleiter nicht in der Erfüllung ihrer Funktion für ihre Kunden beeinträchtigt werden.

22 Konsultation 1/2015 – Merkblätter für Geschäftsleiter und Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsgremien (abrufbar unter http://www.bafin.de/Shared Docs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2015/kon_0115_merkblaetter-­glar_ba_va.html; diese und alle folgenden Interquellen zuletzt abgerufen am 28.7.2015).

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

Mit der Regelung des § 25c Abs. 4 KWG kennt das Bankaufsichtsrecht erneut eine über den Standard des Aktiengesetzes hinausgehende Regelung, die implizit eine Fortbildungspflicht der Vorstände enthält und die Gesellschaft zur Tragung der damit verbundenen Kosten verpflichtet, soweit die Fortbildung zur Aufrechterhaltung der Eignung geeignet und erforderlich ist und die Kosten angemessen sind. bb) Anforderungen an die zeitliche Verfügbarkeit Ferner verlangt das KWG, dass Geschäftsleiter ihrer Tätigkeit ausreichend Zeit widmen, (§ 25c Abs. 1 Satz 1 KWG, Art. 91 Abs. 2 CRD IV). Diese Anforderung hat zwei Komponenten: Zum einen muss der Geschäftsleiter seiner Geschäftsleiterfunktion ausreichend Zeit widmen können; zum anderen muss er dies tatsächlich auch tun. Während dies in der Vergangenheit eine unausgesprochene und ungeprüfte Annahme für die Aufnahme einer Geschäftsleitertätigkeit gewesen sein dürfte, hat diese Anforderung im Rahmen der Finanzkrise Eingang in die CRD IV und das KWG gefunden. Bei der Bestellung eines Geschäftsleiters verlangt die zuständige Aufsichtsbehörde zum Nachweis der Möglichkeit, der Geschäftsleitertätigkeit ausreichend Zeit widmen zu können, eine (detaillierte) Darlegung der sonstigen zeitlichen Verpflichtungen des Geschäftsleiters. Da die Mandatsanzahl, die Geschäftsleiter bedeutender Institute innehaben dürfen, begrenzt ist (s. nachfolgend cc)), stellt sich die Frage, ob auch bei Einhaltung dieser Mandatshöchstzahl ein Nachweis der zeitlichen Verfügbarkeit zu erbringen ist. Dagegen könnte sprechen, dass die Begrenzung der Mandatsanzahl als spezifische Ausgestaltung des Erfordernisses der zeitlichen Verfügbarkeit verstanden werden könnte. Gegen ein solches Verständnis lässt sich jedoch einwenden, dass Art. 91 Abs. 1 letzter Satz CRD IV ebenso wie das KWG diese Regelungen nebeneinanderstellen und keine Anzeichen für ein Spezialitätsverhältnis enthalten. Unterstützt wird das u.E. dadurch, dass die Wahrnehmung eines über die Höchstzahl hinausgehenden Mandats ausnahmsweise durch die BaFin genehmigt werden kann, wenn dies den Geschäftsleiter nicht daran hindert, der Wahrnehmung seiner Aufgaben ausreichend Zeit zu widmen (§ 25c Abs. 2 Satz 5 KWG). § 32 Abs. 1 Nr. 4a KWG sieht für den Nachweis der zeitlichen Verfügbarkeit vor, dass die erforderlichen Angaben zur Beurteilung, ob ein Geschäftsleiter über ausreichend Zeit zur Wahrnehmung seiner Aufgaben verfügt, Bestandteil des Erlaubnisantrags sein müssen. In welcher Weise überprüft werden soll, ob der Geschäftsleiter nach der Bestellung seiner Tätigkeit tatsächlich ausreichend Zeit widmet, ist derzeit noch nicht ersichtlich. Allerdings dürfte die Aufsicht auch in diesem Fall eine Überprüfung anhand von dokumentierten Unterlagen bevorzugen. Geschäftsleitern ist daher in ihrem eigenen Interesse zu empfehlen, 48 | Kulenkamp/Lackhoff

II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter

Teil 2

ihre Kalender akkurat führen zu lassen und aufzubewahren. Jedenfalls sieht § 36 Abs. 3 Nr. 3 KWG vor, dass bei Vorliegen von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein Geschäftsleiter der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht ausreichend Zeit widmet, die BaFin23 von dem Kreditinstitut dessen Abberufung verlangen und ihm die Ausübung seiner Tätigkeit untersagen kann. Des Weiteren ist ungeklärt, was als verfügbare Arbeitszeit anzusetzen ist. Es versteht sich von selbst, dass mit einer 40- oder 48-Stundenwoche hier nicht zu rechnen sein wird, da in Bezug auf Geschäftsleiterpositionen diese weder gelten noch beachtet würden. Nach Ansicht der Verfasser wäre eine 60-Stundenbasis ein guter Ausgangspunkt, ohne dass hiervon nicht in Ausnahmefällen abgewichen werden könnte. Schließlich ist auch unklar, ob – anders als bei der Berechnung der Höchstzahl der Mandate (dazu sogleich) – bei der Berechnung der Aufbringung ausreichender Zeit privilegierte Mandate (z.B. solche in derselben Institutsgruppe) zu berücksichtigen sind. Mit Blick auf den Sinn und Zweck spricht einiges dafür, auch solche Ämter in die Berechnung mit einzubeziehen, da das Kriterium der zeitlichen Verfügbarkeit auch durch solche privilegierten Tätigkeiten ausgehöhlt werden kann. cc) Begrenzung der Zahl der Leitungs- und Aufsichtsmandate Eine weitere seit 201424 im KWG verankerte Funktionserhaltungsregelung25 ist die Begrenzung der Höchstzahl der Mandate, die ein Geschäftsleiter innehaben darf.26 Diese in § 25c Abs. 2 KWG verankerte Begrenzung limitiert die Wählbarkeit und ein Verstoß dürfte in Anwendung der aktien-/zivilrechtlichen Regelungen zu einer Nichtigkeit der Bestellung bzw. Beendigung des Mandats führen, sofern der Verstoß nach der Bestellung eintritt. Unterstützt wird diese Sicht durch den Wortlaut des KWG27, nach dem Geschäftsleiter eines CRR-Instituts von erheblicher Bedeutung „nicht sein kann“, wer in demselben Institut Mitglied des Aufsichtsrats ist oder wer in einem anderen Unternehmen Geschäftsleiter ist oder bereits in mehr als zwei Unternehmen Mitglied des Aufsichtsgremiums ist. Im Einklang mit Art. 91 Abs. 3 Satz 2 CRD IV wendet das KWG die Mandatsbegrenzung nur auf CRR-Kreditinstitute an. Dies sind Kreditinstitute

23 Bei einem bedeutenden Kreditinstitut im Sinne des SSM müsste diese Befugnis von der EZB ausgeübt werden, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-Verordnung. 24 Siehe das Gesetz zur Anpassung von Gesetzen auf dem Gebiet des Finanzmarktes v. 15.7.2014. 25 Auch hier im Sinne eines präventiven Funktionsschutzes. 26 Zur vergleichbaren Beschränkung der Mandate, die ein Aufsichtsratsmitglied innehabe darf siehe Lackhoff, Kreditwesen 2014, 663. 27 § 25c Abs. 2 Satz 2 KWG.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

im Sinne des KWG28, die zugleich Kreditinstitute im Sinne der CRR sind (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR, CRR-Institute, § 1 Abs. 3d KWG), was wiederum erfordert, dass sie das Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben. Unter dem Blickwinkel der Funktionserhaltung lässt sich diese Einschränkung des Anwendungsbereichs, die alle Kreditinstitute ausnimmt, die nicht gleichzeitig das Einlage- und Kreditgeschäft betreiben, damit rechtfertigen, dass diese anderen Kreditinstitute in der Regel keine volkswirtschaftlich vergleichbar wichtige Funktion erbringen. Darüber hinaus differenziert das KWG aber auch innerhalb der CRR-Institute zwischen solchen von erheblicher Bedeutung und allen anderen. Diese Differenzierung findet ihre Grundlage in Art. 91 Abs. 3 Satz 2 CRD IV. Diese Vorschrift verlangt eine zahlenmäßige Beschränkung der Mandate nur, wenn das CRR-Institut aufgrund seiner Größe, seiner inneren Organisation und von Art, Umfang und Komplexität seiner Geschäfte von erheblicher Bedeutung ist. Beachtlich ist, dass hier insbesondere auch in der Umsetzung in § 25c Abs. 2 Satz 6 KWG ein anderer Begriff des „bedeutend seins“ verwendet wird, als in anderen Zusammenhängen (wie z.B. der Bestimmung der Systemrelevanz oder der Differenzierung der Bedeutung von CRR-Instituten im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus29). Ob es tatsächlich sinnvoll ist, in verschiedenen Regelungsbereichen jeweils unterschiedliche Schwellenwerte für die Anwendung verschärfter Aufsichtsvorschriften anzuwenden, soll hier nicht diskutiert werden. Jedenfalls zeigt die Bedeutungsdefinition des § 25c Abs. 2 Satz 6 KWG, dass der Gesetzgeber die Mandatsbeschränkung schon ab einer deutlich unter der Größenschwelle des SSM liegenden Schwelle für erforderlich hält.30 Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber auch bei diesen Instituten ein Bedürfnis für die Absicherung der Funktionserhaltung durch Mandatsbeschränkungen sieht. Gleichwohl stellt sich aus Kundensicht die Frage, warum dies bei (noch) kleineren Instituten nicht ebenfalls der Fall sein soll. Bei Instituten, die nicht von erheblicher Bedeutung sind, soll nämlich allein die allgemeine Regelung des § 25c Abs. 2 Satz 1 KWG anwendbar sein. Danach sind bei der Zahl der Leitungs- und Aufsichtsmandate, die ein Geschäftsleiter gleichzeitig innehaben darf, der Einzelfall und die Art, der Umfang und die Komplexität der Geschäfte des Instituts zu berück28 Der Kreditinstitutsbegriff des KWG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KWG) ist weiter als der der CRR (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR), da er nicht nur Institute erfasst, die das Einlagenund das Kreditgeschäft betreiben. 29 Zum Bedeutungskriterium im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) siehe Lackhoff, J.I.B.L.R.2013, 454; Lackhoff, J.I.B.L.R. 2014, 498 (503 f.). 30 § 25c Abs. 2 Satz 6 KWG stellt auf eine Bilanzsumme von 15 Mrd. Euro ab, während Art. 6 Abs. 4 SSM-Verordnung eine Größenschwelle von 30 Mrd. Euro vorsieht.

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II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter

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sichtigen. Anders als die Mandatsbeschränkung des Satzes 2 bedarf diese allgemeine Regelung der aufsichtlichen Konkretisierung. Hintergrund für die ungleiche Regelung dürfte eine Abwägung zwischen Funktionenschutz und der mit der Mandatsbegrenzung verbundenen Erschwernis sein, (insbesondere im regionalen Bereich) Geschäftsleiter zu finden. Relevant dürfte auch der Umstand sein, dass bei kleineren Instituten die volkswirtschaftliche Bedeutung geringer und die Abfederung nachteiliger Folgen durch andere bestehende Sicherungsmechanismen (z.B. Einlagensicherung) höher ist. Nicht ohne Weiteres einsichtig ist im Zusammenhang mit der Mandatsbeschränkung bei CRR-Instituten von erheblicher Bedeutung, dass nur Mandate innerhalb einer beaufsichtigten Gruppe oder innerhalb von Unternehmen, die derselben Institutssicherungseinrichtung angehören, als ein Mandat gelten, § 25c Abs. 2 Satz 3 KWG. Warum drei Aufsichtsratsmandate bei drei Unternehmen eines Industriekonzerns eine Geschäftsleiterstellung ausschließen sollen, nicht aber drei Aufsichtsmandate bei Unternehmen einer Institutsgruppe, ist nicht ersichtlich und angesichts des offenen Wortlauts des Art. 91 Abs. 4 lit. a CRD IV („Gruppe“) auch nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Nicht berücksichtigt werden ferner Mandate bei Organisationen und Unternehmen, die nicht überwiegend gewerbliche Ziele verfolgen. Hierzu zählt der Gesetzestext auch Unternehmen der kommunalen Daseinsvorsorge. 2. Organisationsregelungen Ein funktionierendes Unternehmen setzt auch eine effiziente Gesellschafts- bzw. Konzernstruktur voraus. Ohne einen vorgegebenen Rahmen an Organisation und darüber hinaus auch Regelungen, die die Einhaltung dieser Regelungen sicherstellen, kann der dauerhafte Bestand eines Unternehmens nicht gewährleistet werden. Die Anforderungen an die Organisation und Führung eines Kreditinstituts sind dabei in den letzten ­Jahren auch zunehmend in den Blickpunkt der aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung getreten und haben sich im KWG in mehrfachen Umgestaltungen des § 25a KWG niedergeschlagen. In dessen Absatz 1 wird verlangt, dass jedes Institut eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation besitzen muss. Teil dieser Geschäftsorganisation muss insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement sein. Die BaFin führt auf ihrer Internetseite aus, dass bei Instituten „angemessene Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse („Robust Governance Arrangements“) vorliegen [müssen]. Dabei muss die Organisation eines Kreditinstituts nach Art und Umfang der betriebenen Geschäfte angemessen gestaltet werden. Dazu müssen die Institute die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) erfüllen. Sie müssen in der Lage sein, Risiken zu erkennen, zu messen und zu kontrollieren. Da Bankgeschäfte immer Kulenkamp/Lackhoff | 51

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komplexer werden, müssen die Institute geeignete Vorkehrungen schaffen, um ihre unterschiedlichen Risiken zu steuern und zu überwachen. Daher ist es eine wichtige Aufgabe der BaFin zu prüfen, ob die bankeigenen Risikocontrolling- und Managementsysteme dies leisten können.“31 a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen Gemäß § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. Zur Leitungspflicht des Vorstands gehört es auch, für eine gesetzmäßige und satzungskonforme Organisationsstruktur zu sorgen. Darüber hinaus muss der Vorstand eine möglichst reibungslose Ablauforganisation in den einzelnen unternehmerischen ­Abteilungen sicherstellen.32 Dem Vorstand kommt folglich die letzte Organisationsverantwortung zu. Der Gesetzgeber hat in § 91 AktG zwei zentrale Aspekte aus dem Kreis der Organisationspflicht des Vorstands gesondert geregelt: Nach § 91 Abs. 1 AktG hat der Vorstand dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Handelsbücher geführt werden. Gemäß § 91 Abs. 2 AktG hat er ferner geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Letztgenannte Pflicht wird darüber hinaus auch vom DCGK aufgegriffen, der in Ziffer 4.1.4 DCGK die Pflicht des Vorstands hervorhebt, für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling zu sorgen. Nach der herrschenden Meinung wollte der Gesetzgeber den Vorstand mit der Vorschrift des § 91 Abs. 2 AktG nicht zur Einführung eines umfassenden Risikomanagementsystems verpflichten.33 Vielmehr folgt aus der Gesetzesbegründung, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Pflicht eines Vorstands, für ein angemessenes Risikomanagement und für eine angemessene interne Revision zu sorgen, der eigenverantwortlichen Leitungsaufgabe nach § 76 Abs. 1 AktG immanent ist und keiner ausdrücklichen Erwähnung bedarf.34 Mit der Einführung des § 91 Abs. 2 AktG sollten daher lediglich bestimmte Teilaspekte der Leitungspflicht präzisiert werden. Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 AktG ist auf börsennotierte und nicht börsennotierte Aktiengesellschaften und unabhängig von Branche oder Größe anwendbar.35 Bei börsennotierten Gesellschaften ist § 91 Abs. 2 AktG 31 Siehe http://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Bankenaufsicht/ bankenaufsicht_node.html. 32 Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rz. 42. 33 Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 91 AktG Rz. 36; Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 91 AktG Rz. 9; Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 AktG Rz. 51; Krieger/Sailer-Coceani in K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. 2015, § 91 AktG Rz. 14. 34 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 15 (Begr. zu § 91 Abs. 2 AktG). 35 Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 91 AktG Rz. 38.

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im Zusammenhang mit § 317 Abs. 4 HGB zu sehen, so dass der Abschlussprüfer beurteilen muss, ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann. Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften müssen zudem nach § 289 Abs. 5 HGB im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess beschreiben. Die vom Vorstand zu treffenden Maßnahmen, insbesondere das einzurichtende Überwachungssystem, müssen geeignet sein, bestandsgefährdende Entwicklungen zu erkennen. Inhaltlich macht der Gesetzgeber dem Vorstand keine konkreten Vorgaben dahingehend, wie er seinen Pflichten gemäß § 91 Abs. 2 AktG nachzukommen hat. Welche Maßnahmen geeignet sind, bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, ist vielmehr von der Größe, Branche, Struktur, dem Kapi­ talmarktzugang und weiteren Kriterien des jeweiligen Unternehmens abhängig.36 Zu den den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Entwicklungen gehören laut der Gesetzesbegründung insbesondere risikobehaftete Geschäfte wie etwa Geschäfte mit Derivaten, Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, die sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns wesentlich auswirken.37 Wann der nach dem Gesetzeswortlaut erforderliche Grad der Bestandsgefährdung erreicht ist, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird verlangt, dass es sich um Risiken handeln müsse, die das Insolvenzrisiko der Gesellschaft erheblich steigern oder hervorrufen.38 Mit Blick auf den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck und den anderenfalls sehr begrenzten Anwendungsbereich der Vorschrift dürfte hingegen die etwas weitere Auffassung überzeugender sein, wonach eine Bestandsgefährdung bereits anzunehmen ist, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine riskante Entwicklung zu einer Existenzgefährdung führt.39 Im Ergebnis muss das Risikomanagementsystem gleichwohl nicht derart ausgestaltet sein, dass „gewöhnliche“ Risiken oder gar jede nachteilige Entwicklung frühzeitig erkannt werden.40 Welche Maßnahmen im Sinne des § 91 Abs. 2 AktG zu ergreifen sind, lässt sich lediglich im Einzelfall unter Beachtung des unternehmerischen Ermessensspielraums des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG beurteilen. In jedem Fall ist die frühzeitige Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen sicherzustellen. Die Erkennung muss somit zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem noch geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Fortbestands der Gesellschaft getroffen werden können. 36 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 15 (Begr. zu § 91 Abs. 2 AktG). 37 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 15 (Begr. zu § 91 Abs. 2 AktG). 38 Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 91 AktG Rz. 32 m.w.N. 39 Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 AktG Rz. 35; Krieger/Sailer-Co­ ceani in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 91 AktG Rz. 9. 40 Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 91 AktG Rz. 20.

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b) Besonderheiten bei Kreditinstituten Anders als für das Aktienrecht41 lässt sich für das Kreditwesengesetz ­konstatieren, dass der Gesetzgeber eine Pflicht zur Einführung eines umfassenden Risikomanagementsystems schaffen wollte (vgl. § 25a Abs. 1 KWG). Die Wirksamkeit ihres Risikomanagements ist für die Erhaltung der Funktion von Kreditinstituten für ihre Kunden von zentraler Bedeutung. Zwar gehört es gerade zum Geschäftsmodell der Banken, Risiken einzugehen und zu managen, doch führt ein Versagen des Instituts in diesem Bereich gleichsam als Kehrseite der Medaille häufig zu einer Existenzgefährdung. Die Organisationsanforderungen des § 25a KWG sowie die Anforderungen an Auslagerungen (§ 25b KWG) kann man daher zivilrechtlich als eine Konkretisierung des Pflichteninhalts von § 91 Abs. 2 AktG von Vorständen von Kreditinstituten in der Rechtsform der AG, SE und KGaA verstehen.42 Aufsichtsrechtlich greift ein solches Verständnis aber zu kurz, weil es die Bedeutung und Stellung der Organisationsanforderungen im Rahmen der laufenden Beaufsichtigung unterschätzt. Die Überprüfung der Einhaltung der Organisationsanforderungen und die Beurteilung der Angemessenheit der Eigenmittel, insbesondere auch im Hinblick auf diejenigen Risiken, die nicht innerhalb der Säule I der CRR mit Eigenmitteln zu unterlegen sind43, sind Gegenstand des bankaufsichtlichen Überwachungs- und Evaluierungsprozesses (SREP). Dieser findet seine Grundlage in Art. 97 ff. CRD IV und den nationalen Umsetzungsregelungen wie z.B. § 6b KWG.44 Die BaFin führt auf ihrer Website hierzu u.a. aus, dass „Kernelemente des SRP […] die Etablierung adäquater Risikomanagementsysteme und deren Überwachung durch die Aufsicht [sind]: So müssen die Institute den so genannten „Internal Capital Adequacy Assessment Process“ (ICAAP) einrichten, der gewährleis-

41 Siehe oben bei Fn. 33. 42 In diese Richtung Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 91 AktG Rz. 94. 43 Dies sind die sog. Pillar II Risiken, die die gesamten ökonomischen Risiken des Instituts in den Blick nehmen. 44 Auf Basis von Art. 107 Abs. 3 CRD IV hat die EBA Leitlinien für die Durchführung des SREP erlassen (EBA Guidelines on common procedures and methodologies for the supervisory review and evaluation process, EBA/GL/2014/13 v. 19.12.2014). PWC führt hierzu aus (abrufbar unter http://blogs.pwc.de/regu latory/crd-iv/update-zu-den-finalen-guidelines-srep/1366/): „Die umfangreichen Leitlinien unterteilen den aufsichtlichen Überwachungs- und Beurteilungsprozess in verschiedene Elemente. Neben der Kategorisierung der Institute und Überwachung der Schlüsselindikatoren ist eine Analyse des jeweiligen B ­ usiness Modells vorgesehen. Dazu kommen die Bewertung der Internal Governance und der institutsinternen Kontrollen sowie der Risiken (Eigenkapitalausstattung, Liquiditätsausstattung). Ein weiteres Element ist die Gesamtbewertung (Overall SREP assessment) und die daraus folgenden aufsichtlichen Maßnahmen – inklusive einem frühzeitigen Eingreifen – sowie die Kommunikations- und Berichtswege der Ergebnisse des durchgeführten Bewertungsprozesses.“

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II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter

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tet, dass sie über genügend internes Kapital zur Abdeckung aller wesentlichen Risiken verfügen.“45 Klarer tritt die Bedeutung des SREP46 als ein zentrales Element der Beaufsichtigung im Leitfaden der EZB zur Bankenaufsicht hervor.47 Dort wird im Rahmen der Darstellung des Aufsichtszyklus im Wesentlichen der aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozess dargestellt.48 Dieser umfasst drei wesentliche Bestandteile: 1. Ein Risikobewertungssystem (Risk Assessment System, RAS), welches das Risikoniveau und die Risikoüberwachung des Kreditinstituts bewertet. 2. Eine umfassende Überprüfung des Verfahrens zur Beurteilung der Angemessenheit der Kapitalausstattung (Internal Capital Assessment Process, ICAAP) und des bankinternen Verfahrens zur Beurteilung der Angemessenheit der Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Assessment Process, ILAAP) sowie 3. Eine Quantifizierungsmethodik zur Kapital- und Liquiditätsausstattung, mit der eine Einschätzung des Kapital- und Liquiditätsbedarfs der Kreditinstitute anhand der Risikobeurteilung vorgenommen wird. Aufbauend hierauf sind Gegenstand der jährlichen SREP-Entscheidungen der EZB49 Anforderungen an bedeutende Kreditinstitute in den Bereichen 45 Siehe http://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Bankenaufsicht/ bankenaufsicht_node.html. 46 Der Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) wird bei bedeutenden Kreditinstituten jährlich durch die EZB durchgeführt. Seine Ergebnisse finden ihren Niederschlag in der sog. SREP-Decision, die Eigenmittel-, Liquiditätsund/oder qualitative Anforderungen an die Institute stellt. 47 EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, September 2014, 3.4.3, S. 23 ff. 48 EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, September 2014, 3.4.3, S. 23 ff. 49 Diese stützen sich auf Art. 16 Abs. 1 (c) SSM-Verordnung i.V.m. Art. 16 Abs. 2 SSM-Verordnung, wobei der jeweils in Bezug genommene Buchstabe des Abs. 2 von der jeweiligen Maßnahme abhängt. Der Katalog der in Art. 16 Abs. 2 SSM-Verordnung vorgesehenen Maßnahmen spiegelt Art. 104 (1) CRD IV wider. Ob diese Maßnahmen der EZB bereits zur Verfügung stehen, wenn eine der Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 SSM-Verordnung erfüllt ist oder erst wenn die im nationalen Umsetzungsrecht vorgesehenen Eingriffsbedingungen erfüllt sind, ist eine der näheren Erörterung würdige Frage. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, 2015, § 5 Rz. 229 sieht in Art. 16 Abs. 1 SSM-Verordnung die Tatbestandsvoraussetzungen normiert, bei deren Erfüllung die EZB die Maßnahmen nach Art. 16 Abs. 2 SSM-Verordnung aussprechen darf. Bei diesem Verständnis ist Art. 16 SSM-Verordnung die zentrale Befugnisnorm des Aufsichtsrechts und die Bindung an das nationale (Umsetzungs-)Recht weitgehend hinfällig, da u.a. ein Verstoß gegen Aufsichtsnormen – unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit – alle in Art. 16 Abs. 2 SSM-Verordnung aufgeführten Handlungsoptionen eröffnet. Ein Rückgriff auf nationale Befugnisnormen, die die Tatbestandsvoraussetzungen weiter ausdifferenzieren, ist dann weitgehend obsolet.

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Eigenmittel (in Form eines Eigenmittelaufschlags zur Abdeckung von Pillar II Risiken), Liquidität und Risikomanagement (qualitative Anforderungen zur Verbesserung des Risikomanagements). Unter dem Gesichtspunkt der Funktionserhaltung stellt sich der SREP-Prozess damit als geschlossenes System dar: Die gesetzlichen Anforderungen an das Risikomanagement zielen auf die Absicherung der Funktionserhaltung ab; der SREP-Prozess seinerseits zielt darauf ab, die effektive Umsetzung dieser Anforderungen sicherzustellen und Defizite durch kompensierende bzw. korrigierende Maßnahmen auszugleichen. 3. Haftungsregime und Abberufung für Vorstandsmitglieder Das aktienrechtliche Haftungsregime, das auf Vorstände von Aktiengesellschaften, SEs oder KGaAs Anwendung findet, wird durch aufsichtsrechtliche Spezialvorschriften zwar nicht abgeändert, doch dürfte die Konkretisierung der Anforderungen im Ergebnis eine deutliche Verschärfung des Haftungsregimes bewirken. a) Haftung und Abberufung von Vorständen im Allgemeinen aa) Haftung gegenüber der Gesellschaft Verstößt ein Vorstand gegen seine Pflichten, kommt eine Haftung insbesondere nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG in Betracht. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG stellt die wesentliche Anspruchsgrundlage für die Innenhaftung von Vorständen gegenüber der Gesellschaft dar. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Haftung des Vorstands ist freilich – neben dem Verschulden des Vorstands und dem kausal zugefügten Schaden der Gesell­schaft – das Vorliegen einer Pflichtverletzung. Der maßgebliche Pflichtenkreis eines Vorstandsmitglieds ergibt sich zunächst aus dem Aktiengesetz selbst. Relevante Pflichten sind insbesondere die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, die organschaftliche Treuepflicht50 sowie die Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG. Auch die bereits ­erwähnte Pflicht, gemäß § 91 Abs. 2 AktG ein Risikofrüherkennungssystem einzurichten, kann im Falle der Nichtbefolgung die Haftung eines Vorstands auslösen.51 Das Aktiengesetz regelt die Pflichten eines Vorstandsmitglieds jedoch nicht abschließend.52 Dementsprechend kann das Bankenaufsichtsrecht für Kreditinstitute diese Pflichten ergänzen und verschärfen. Das grundsätzlich strenge Haftungskonzept des Aktiengesetzes soll jedoch nicht dazu führen, dass ein Vorstand bei unternehmerischen Ent50 Zur organschaftlichen Treuepflicht Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 113 ff. 51 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 15 (Begr. zu § 91 Abs. 2 AktG). 52 Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 11 Rz. 35.

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II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter

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scheidungen, die sich im Nachhinein als für die Gesellschaft schädlich herausstellen, automatisch in die Haftung gerät.53 § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG enthält daher eine Regelung zur sogenannten „Business Judgement Rule“, wonach eine Pflichtverletzung bereits objektiv dann nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Eine „unternehmerische Entscheidung“ liegt indessen u.a. dann nicht vor, wenn gesetzlich (z.B. in der CRR oder dem KWG) ein bestimmtes Verhalten vorgegeben ist; eine „Günstigkeitsentscheidung“ zwischen Rechtsbefolgung und Rechtsbruch ist folglich niemals privilegiert. Obgleich die allgemeine Sorgfaltspflicht des Vorstands gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG umfassend ist, hat der Gesetzgeber in § 93 Abs. 3 AktG bestimmte, besonders schwere Verstöße herausgegriffen, die allesamt eine gesetzwidrige Minderung des Gesellschaftsvermögens zur Folge haben und somit zu einer akuten Gefährdung der Gesellschaft und von Interessen der Gesellschaftsgläubiger führen.54 Die eigenständige Bedeutung der Regelung des § 93 Abs. 3 AktG liegt darin, dass der Gesellschaft der Nachweis des Schadens erleichtert wird. Liegt ein Pflichtverstoß nach § 93 Abs. 3 Nr. 1 bis 9 AktG vor, wird ein Schaden in Höhe des Abflusses von Gesellschaftsmitteln (Nr. 1 bis 3, 5 bis 9) oder in Höhe der Vorenthaltung von Gesellschaftsmitteln (Nr. 4) vermutet.55 Die in § 93 Abs. 3 AktG genannten Pflichten sind als einzige rechtmäßige Handlungsalternativen vorgegeben. Es handelt sich folglich nicht um unternehmerische Entscheidungen, so dass dem Vorstand hier der „safe harbour“ der Business Judgement Rule nicht zugutekommt.56 bb) Haftung gegenüber Aktionären und sonstigen Dritten Eine Außenhaftung des Vorstands kommt lediglich in Ausnahmefällen in Betracht. Insbesondere können nach ganz herrschender Meinung weder Aktionäre noch sonstige Dritte Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 AktG herleiten. Denn entscheidend für die Anwendbarkeit des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ist die organschaftliche Rechtsbeziehung des Vorstands, die allein gegenüber der Gesellschaft besteht. Daraus wird einhel-

53 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 (Begr. zu § 93 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG); siehe auch schon BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244 (253 f.). 54 Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 221. 55 Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 258; Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 68; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 AktG Rz. 134, 145; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 222. 56 Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 68.

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lig gefolgert, dass § 93 Abs. 2 und 3 AktG ausschließlich eine Innenhaftung regeln.57 In Betracht kommt mitunter ein Ersatzanspruch der Aktionäre oder Gläubiger aus dem Deliktsrecht, insbesondere gemäß § 823 Abs. 2 BGB. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB setzen voraus, dass ein Vorstandsmitglied gegen eine Norm mit Schutzgesetzcharakter verstoßen hat. Die verletzte Norm muss gerade die Interessen der Person schützen, die den Anspruch geltend macht. Auch in diesem Kontext scheidet die Bezugnahme auf § 93 AktG aus. Denn nach einhelliger Meinung stellen weder § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG noch § 93 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 AktG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar, da sie lediglich dem Schutz der Gesellschaft, nicht aber dem der Aktionäre oder sonstiger Dritter zu dienen bestimmt sind.58 Anerkannt als Schutzgesetze sind in der Praxis hingegen etwa Strafvorschriften, insbesondere § 399 AktG (falsche Angaben)59, § 400 Abs. 1 AktG (unrichtige Darstellung)60, (nach umstrittener Ansicht) § 401 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 AktG (Verletzung der Verlustanzeigepflicht)61 oder § 15a Abs. 4 InsO, § 15a Abs. 1 InsO (Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung)62.63 Die Außenhaftung kann sich ferner auch aus § 826 BGB ergeben, wenn eine vorsätzliche, gegen die guten Sitten verstoßende Schädigung durch den Vorstand vorliegt. Allerdings ist der Anspruch an hohe Voraussetzungen geknüpft. Typische Fälle, in denen Ansprüche nach § 826 BGB in Betracht kommen, sind etwa Verstöße gegen Aufklärungspflichten, insbesondere in Krisensituationen, sowie Fehlverhalten bei Kapitalmarktinformationen.64

57 Hölters in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 360; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 299. 58 BGH v. 10.7.2012 − VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26 (34) – Rz. 23; Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 61; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 309. 59 BGH v. 11.7.1988 – II ZR 243/87, BGHZ 105, 121 (124 f.). 60 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 (140); BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 (20 f.). 61 So betreffend die Aktionäre Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 92 AktG Rz. 17; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 92 AktG Rz. 20; ablehnend hingegen Müller-Michaels in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 92 AktG Rz. 28; Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 92 AktG Rz. 7. 62 So betreffend die Gesellschaftsgläubiger: BGH v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, NJW 2014, 698 (699) – Rz. 7; OLG Hamm v. 7.2.2014 – 9 U 224/13, GmbHR 2014, 1044 – Rz. 12; Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 92 AktG Rz. 26. 63 Im Einzelnen näher Hölters in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 370; Spind­ ler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 310 f. m.w.N. 64 Vgl. Hölters in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 373 ff.

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II. Vom Gesetzgeber vorgegebene Anforderungen an die Geschäftsleiter

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cc) Abberufung des Vorstandsmitglieds und strafrechtliche Konsequenzen Neben der Haftung des Vorstandsmitglieds kann eine Pflichtverletzung auch die Abberufung des Vorstandsmitglieds zur Folge haben. Gemäß § 84 Abs. 3 AktG kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund sind namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Nach allgemeiner Meinung liegt ein wichtiger Widerrufsgrund vor, wenn der Gesellschaft eine Fortsetzung des Organverhältnisses mit dem Vorstandsmitglied bis zum Ende seiner Amtszeit unzumutbar ist.65 Dabei ist ein Verschulden des Vorstandsmitglieds nicht erforderlich66, ebenso kann das relevante Verhalten des Vorstandsmitglieds außerhalb seiner Amtstätigkeit67 sowie vor der Bestellung zum Vorstandsmitglied liegen68. Beispiele aus der Praxis, in denen ein wichtiger Grund angenommen wurde, sind etwa die Schädigung des Ansehens der Aktiengesellschaft durch anrüchige Spekulationsgeschäfte69, die Vornahme verbotener Insidergeschäfte70, Bestechlich­keit71 oder die fehlende oder fehlerhafte Einreichung des Jahresabschlusses72. Schließlich kommen bei einer Pflichtverletzung freilich auch strafrechtliche Konsequenzen in Betracht.

65 BGH v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, ZIP 2007, 119; Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 84 AktG Rz. 100; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 84 AktG Rz. 121; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 128. 66 BGH v. 24.2.1992 – II ZR 79/91, ZIP 1992, 760 (761); BGH v. 3.7.1975 – II ZR 35/73, AG 1975, 242 (244); Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2010 § 84 AktG Rz. 121; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 129. 67 BGH v. 25.1.1956 – VI ZR 175/54, WM 1956, 865; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 129. 68 BGH v. 20.10.1954 – II ZR 280/53, BGHZ 15, 71 (76); Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 129. 69 BGH v. 25.1.1956 – VI ZR 175/54, WM 1956, 865 (867); Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 36; Fleischer, AG 2006, 429 (440). 70 KG v. 3.5.2007 – 23 U 102/06, AG 2007, 745 (746); Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 84 AktG Rz. 104. 71 KG v. 3.5.2007 – 23 U 102/06, AG 2007, 745 (747); OLG München v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06, AG 2007, 361 (363); Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 84 AktG Rz. 104; Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 36. 72 BGH v. 12.1.2009 – II ZR 27/08, NZG 2009, 386 (387); Wiesner in MünchHdb. AG, 4. Aufl. 2005, § 21 Rz. 79.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

b) Besonderheiten bei der Haftung von Geschäftsleitern von Kredit­ instituten Während das Aktienrecht die Abberufung der Vorstandmitglieder allein dem Aufsichtsrat überlässt, sieht das KWG als spezielles Gewerbeaufsichtsrecht diese daneben als eine Aufsichtsmaßnahme vor. Wenn die Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung von Geschäftsleitern dazu dienen sollen, (präventiv) den Bestand und damit die Funktionserbringung der Kreditinstitute sicherzustellen, müssen infolgedessen Defizite in diesem Bereich die Abberufung des Geschäftsleiters nach sich ziehen können. Demgemäß sieht das KWG, insbesondere auch als für die Funktionenerbringung gegenüber dem Erlaubnisentzug für das Kreditinstitut milderes Mittel, die Abberufung der Geschäftsleiter in § 36 KWG vor. Die Abberufung wird dabei als Verlangen der Abberufung an das Institut adressiert, während an den Geschäftsleiter die Untersagung der Ausübung der Tätigkeit bei anderen Instituten erfolgt. Eine eigene Anspruchsnorm gegen Geschäftsleiter kennt das Kreditwesengesetz nicht, dennoch verschärft es (indirekt) die zivilrechtliche Haftung von Geschäftsleitern, da es rechtliche Vorgaben für das Handeln der Geschäftsleiter aufstellt und damit auch den Anwendungsbereich der „Business Judgement Rule“ einschränkt. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass Verstöße gegen Aufsichtsnormen auch im Nachgang der Finanzkrise bislang in Deutschland nur in seltenen Fällen zu einer zivilrechtlichen Haftung der Geschäftsleiter geführt haben. Ob das zwischenzeitlich insbesondere auch im Bereich der Organisations- und Risikomanagementanforderungen verschärfte Normgefüge künftig mehr Haftungsfälle produziert, bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber scheint zumindest auch zu hoffen, dass allein die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Auseinandersetzung um eine mögliche Haftung disziplinierende Wirkungen entfaltet.

III. Anforderungen an die Aufsichtsgremien 1. Bestellungsvoraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen Zum Mitglied des Aufsichtsrats kann gemäß § 100 Abs. 1 AktG grundsätzlich jede natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige und nicht betreute Person bestellt werden. aa) Unvereinbarkeit und Bestellungshindernisse In Einzelfällen kann jedoch die Bestellung mit dem Aktiengesetz unvereinbar sein. Es versteht sich wegen des in § 105 AktG verankerten Prinzips der Funktionstrennung von selbst, dass ein Vorstandsmitglied einer Gesellschaft nicht zugleich auch Mitglied des Aufsichtsrats sein kann. Darüber hinaus enthält § 100 Abs. 2 AktG einige gesetzliche Hinde60 | Kulenkamp/Lackhoff

III. Anforderungen an die Aufsichtsgremien

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rungsgründe, die einer Bestellung zum Mitglied des Aufsichtsrats entgegenstehen. Mitglied des Aufsichtsrats kann danach insbesondere nicht sein, wer bereits in zehn Handelsgesellschaften, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben, Aufsichtsratsmitglied ist (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG). Dadurch soll eine Ämterhäufung verhindert werden, die eine sachgerechte Erfüllung der Aufgaben des Aufsichtsratsmitglieds behindern kann.73 Bei der Berechnung der Höchstzahl von zehn Sitzen sollen nach dem Wortlaut des Gesetzes nur Posten bei Handelsgesellschaften mitgezählt werden, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben. Die wohl herrschende Lehre geht davon aus, dass Posten in ausländischen Gesellschaften nicht in die Zählung einzubeziehen sind.74 Begründet wird dies mit der Rechtsunsicherheit, die mit der schwierigen Qualifizierung einzubeziehender Gesellschaften einhergehe.75 Mit Blick auf den Gesetzeszweck, die Effektivität des Aufsichtsrats durch sachgerechte Befassung aller Mitglieder mit den relevanten Themen sicherzustellen, überzeugt diese Auffassung nicht. Auch Posten bei ausländischen Handelsgesellschaften, die gesetzlich verpflichtet sind, einen Aufsichtsrat einzurichten, sollten daher bei der Höchstzahl zulässiger Aufsichtsratsposten berücksichtigt werden müssen.76 Bei der Berechnung der Höchstzahl der Mandate gilt das Konzernprivileg. Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 AktG sind auf die Höchstzahl bis zu fünf Aufsichtsratssitze nicht anzurechnen, die ein gesetzlicher Vertreter des herrschenden Unternehmens eines Konzerns in zum Konzern gehörenden Handelsgesellschaften, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben, inne hat. Nach § 100 Abs. 2 Satz 3 AktG sind Aufsichtsratsämter, für die das Mitglied zum Vorsitzenden gewählt worden ist, allerdings doppelt anzurechnen. Erheblich strenger als die gesetzliche Vorgabe in § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG ist die Empfehlung im Deutschen Corporate Governance Kodex. Gemäß Ziffer 5.4.5 Satz 2 DCGK soll ein Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft insgesamt nicht mehr als drei Aufsichtsratsmandate in konzernexternen börsennotierten Gesellschaften oder in Aufsichtsgremien von konzernexternen Gesellschaften wahrnehmen, die vergleichbare Anforderungen stellen. Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG kann ferner auch nicht zum Aufsichtsrat bestellt werden, wer gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist. Eine solche Bestellung würde dem natürlichen Organisationsgefälle im Konzern widersprechen und würde dazu führen, dass der Aufsichtsrat wegen seiner abhängigen Position in 73 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2006, § 100 AktG Rz. 32. 74 Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 10; Simons in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 20 m.w.N. 75 Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 10; Simons in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 20. 76 So im Ergebnis auch Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 19 m.w.N.; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2006, § 100 AktG Rz. 36 ff.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

der abhängigen Gesellschaft seiner Überwachungsaufgabe in der beherrschenden Gesellschaft nicht hinreichend gerecht werden könnte.77 Auch bei Vorliegen von Überkreuzverflechtungen gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG liegt ein Bestellungshindernis vor. Schließlich besteht nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG auch für Kandidaten ein Bestellungshindernis, die in den letzten zwei Jahren Vorstandsmitglied derselben börsennotierten Gesellschaft waren, es sei denn, die Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten. Neben den vorgenannten ausdrücklich im Gesetz aufgezählten Bestellungshindernissen wird in der Literatur diskutiert, ob ein ungeschriebener Fall von Unvereinbarkeit auch vorliegt, wenn ein Kandidat bereits Mitglied im Aufsichtsrat eines Unternehmens ist, mit dem eine Konkurrenzsituation in zentralen Tätigkeitsbereichen besteht.78 Dagegen spricht allerdings, dass der Gesetzgeber die relevanten Fälle der Unvereinbarkeit in § 100 Abs. 2 AktG geregelt hat und die Bestellung bei Konkurrenzunternehmen offenbar nicht für relevant gehalten hat.79 Sofern die doppelte Bestellung zu einem dauerhaften Interessenkonflikt führen sollte, wäre das Mitglied jedoch verpflichtet, eines der beiden Ämter niederzulegen. Das Erfordernis der zeitlichen Verfügbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder ist – möglicherweise auch vor dem Hintergrund der durch die Finanzkrise ausgelösten europäischen Corporate Governance-Debatte80 bzw. der verschärften aufsichtsrechtlichen Vorgaben – durch die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex im Zuge der Überarbeitung des DCGK in 2015 aufgegriffen worden. Über das Aktiengesetz hinausgehend soll sich der Aufsichtsrat nunmehr nach Ziffer 5.4.1 Abs. 4 DCGK für seine Vorschläge zur Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder an die Hauptversammlung bei dem jeweiligen Kandidaten vergewissern, dass er den zu erwartenden Zeitaufwand aufbringen kann. Nach der Begründung der Regierungskommission soll die Empfehlung vor allem mehr Transparenz für die Kandidaten und für den Aufsichtsrat mehr Klarheit schaffen, was man von den Kandidaten erwarten könne. Die Praxis zeige, dass die zeitliche Belastung im Zuge der gestiegenen Anforderungen an Aufsichtsräte deutlich zugenommen habe. Neben den Plenarsitzungen des Aufsichtsrats und den Hauptversammlungen, die vor allem in der Öffentlichkeit im Fokus stünden, nehme die Ausschussarbeit immer mehr Zeit in Anspruch.81 Es bleibt abzuwarten, ob die Regierungskommission mit die77 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2006, § 100 AktG Rz. 51. 78 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, § 1 Rz. 22 m.w.N. 79 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 46; anders Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, § 1 Rz. 22 ff. 80 So auch Rubner/Fischer, NZG 2015, 782 (785). 81 Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Pressemit­ teilung v. 11.5.2015, S. 2, abrufbar unter http://www.dcgk.de/de/kommission/

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III. Anforderungen an die Aufsichtsgremien

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ser Empfehlung tatsächlich für mehr Transparenz sorgen wird, wird der Aufsichtsrat doch vor die schwierige Aufgabe gestellt ex ante zu beurteilen, welcher zeitliche Aufwand die Mandatswahrnehmung erfordern wird.82 bb) Fachliche Qualifikation In Bezug auf die fachliche Qualifikation oder die berufliche Sachkunde eines Aufsichtsratsmitglieds stellt das Aktiengesetz grundsätzlich keine Anforderungen auf. Die Vorschrift des § 100 Abs. 5 AktG verlangt lediglich, dass der Aufsichtsrat über einen unabhängigen Finanzexperten verfügen muss. Bringt ein Aufsichtsratskandidat keine Sachkunde mit, stellt dies folglich kein Bestellungshindernis dar.83 Gleichwohl ist jedes Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, für seine eigene Befähigung zu sorgen. Der BGH fordert, dass das Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich diese aneignen muss, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorfälle auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können.84 Ein Aufsichtsratsmitglied, das nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt oder sich diese nicht aneignet, haftet wegen Übernahmeverschuldens.85 Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Aufsichtsratsmitglied selbst dafür zu sorgen hat, dass es über hinreichende Sachkunde verfügt, verlangt die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur entgegen der Empfehlung nach Ziffer 5.4.5 DCGK, dass Aufsichtsratsmitglieder ihre Auslagen für Fortbildungen grundsätzlich selbst tragen, es sei denn, es handelt sich um die Vermittlung von Spezialkenntnissen.86 Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex verlangt im Übrigen keine besondere individuelle Sachkunde. Nach Ziffer 5.4.1 DCGK ist der Aufsichtsrat so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Durch diese Regelung soll den erhöhten Anforderungen an die Aufsichtsratsar-

die-kommission-im-dialog/deteilansicht/kodexaenderungen-2015-beschlossen. html. 82 Kritisch auch Rubner/Fischer, NZG 2015, 782 (787 f.). 83 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 116 AktG Rz. 22; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2006, § 100 AktG Rz. 20; Simons in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz.13. 84 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 (Hertie), BGHZ 85, 293. 85 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 116 AktG Rz. 22; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, § 1 Rz. 29; Simons in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 13; Spindler in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 100 AktG Rz. 61. 86 Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 113 AktG Rz. 2e; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 113 AktG Rz. 24; Spindler in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 113 AktG Rz. 10.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

beit Rechnung getragen und die Qualität der Überwachung durch den Aufsichtsrat gesteigert werden.87 Auch die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Nach § 100 Abs. 5 AktG muss lediglich der Finanzexperte unabhängig sein. Weit über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehend empfiehlt hingegen Ziffer 5.4.2 Abs. 2 Satz 2 DCGK, dass dem Aufsichtsrat eine seiner Ansicht nach angemessene Anzahl unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder angehören soll. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Forderung nach der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder vornehmlich aus dem angelsächsischen Raum stammt und vor allem Risiken aus der monistischen Struktur des Verwaltungsrats Rechnung tragen soll.88 b) Besonderheiten bei Kreditinstituten Das KWG verschärft seit 2014 in Umsetzung von Art. 91 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 CRD IV auch die (bestehenden aktienrechtlichen) Anforderungen an sowie die Bestellungshindernisse für Aufsichtsratsmitglieder.89 Die Mitglieder des Aufsichtsrats eines Kreditinstituts müssen nach § 25d Abs. 1 Satz 1 KWG zuverlässig sein, die erforderliche Sachkunde zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion sowie zur Beurteilung und Überwachung der Geschäfte, die das jeweilige Unternehmen betreibt, besitzen und der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausreichend Zeit widmen. Bei der Prüfung, ob eine der in Satz 1 genannten Personen die erforderliche Sachkunde besitzt, berücksichtigt die Bundesanstalt den Umfang und die Komplexität der von dem Institut betriebenen Geschäfte. Aus § 25d Abs. 2 KWG folgt allerdings, dass der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen haben muss, die zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion sowie zur Beurteilung und Überwachung der Geschäftsleitung notwendig sind. Daraus folgt, dass Zuverlässigkeit und zeitliche Verfügbarkeit von jedem Aufsichtsratsmitglied jederzeit individuell vollständig zu erfüllende Kriterien sind, während in Bezug auf Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen bei einem Einzelmitglied Verbesserungsbedarf bestehen kann, solange der Aufsichtsrat kollektiv diese besitzt. Ungeachtet dessen ist das Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, etwa bestehende Defizite der Sachkunde durch Fortbildung zu beheben. Zwar ist § 25d Abs. 4 KWG als Verpflichtung der Institute formuliert, Ressourcen für die Amtseinführung und Fortbildung von Aufsichtsrats87 Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 5. Aufl. 2014, Rz. 967. 88 Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 5. Aufl. 2014, Rz. 1002 f. m.w.N. 89 Vgl. zur allerdings schon nicht mehr aktuellen Gesetzeslage Lackhoff, Kreditwesen 2014, 663.

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III. Anforderungen an die Aufsichtsgremien

Teil 2

mitgliedern aufzuwenden, doch enthält dies mit Blick auf die grundsätzliche Anforderung an die Sachkunde auch die Verpflichtung, diese Fortbildung anzunehmen. Aus der Verpflichtung des Instituts die Fortbildung vorzuhalten folgt indessen auch, dass das Institut die Kosten dieser Fortbildung zu übernehmen hat. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen kann auch aufsichtsrechtlich nachgeprüft werden. Eine nachhaltige Vernachlässigung der Verpflichtung des Instituts, Fortbildungen (selber oder durch Dritte) anzubieten und (der Geschäftsleiter und/oder) der Aufsichtsräte, die Fortbildungsangebote anzunehmen, kann angesichts der stetigen und beschleunigten Fortentwicklungen in den Geschäftsfeldern der Institute und des Aufsichtsrechts ernstliche Zweifel an deren Eignung begründen. Für das Erfordernis, der Aufsichtsratstätigkeit ausreichend Zeit widmen zu können und dies auch tatsächlich zu tun, gilt das zu § 25c Abs. 1 KWG Gesagte entsprechend. Die BaFin lässt hierbei bei mehreren Mandaten, soweit ersichtlich, eine Angabe auf Manntagen genügen. Wie § 25c Abs. 2 KWG bei den Geschäftsleitern, so sehen für Aufsichtsräte § 25d Abs. 3 und Abs. 3a KWG Bestellungshindernisse aufgrund der Anzahl anderer Mandate vor. Wer gegen die Mandatsbeschränkungen verstößt, kann nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein.90 Während § 25d Abs. 3 KWG Beschränkungen für CRR-Institute von erheblicher Bedeutung etabliert, sieht Abs. 3a weniger strenge Beschränkungen für alle übrigen Institute vor. Mitglied des Aufsichtsrats eines CRR-Instituts von erheblicher Bedeutung91 kann zum einen nicht sein92, wer in einem Unternehmen Geschäftsleiter ist und zugleich in mehr als zwei Unternehmen Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans ist (§ 25d Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KWG). Diese Einschränkung spiegelt die Einschränkung für Geschäftsleiter (§ 25c Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG) wider. Beachtlich ist jedoch, dass die BaFin jede geschäftsleitende Tätigkeit genügen lässt. So führt eine geschäftsführende Position in einer eigenen vermögensverwaltenden Gesellschaft dazu, dass die Person nur zwei Aufsichtsratsmandate bei bedeutenden Kreditinstituten innehaben darf.

90 Dass § 36 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 und 9 KWG für diese Fälle auch eine Abberufungsmöglichkeit vorsehen, sollte dem nicht entgegenstehen. Die Abberufungsmöglichkeit sollte aus Gründen der Rechtssicherheit für den Fall vorgesehen werden, dass das Bestellungshindernis nicht beachtet wird. 91 Die Definition des Instituts von erheblicher Bedeutung deckt sich mit der in § 25c Abs. 2 Satz 6 KWG. 92 Die Beschränkungen aufgrund gleichzeitiger Geschäftsleitertätigkeit im selben Institut sowie der Mitgliedschaft einer bestimmten Anzahl früherer Vorstandsmitglieder im Aufsichtsrat (§ 25d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 KWG) werden nicht erörtert.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

Die zweite Beschränkung (§ 25d Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 KWG) setzt Art. 91 Abs. 3 Satz 2 lit. b CRD IV um, der vorsieht, dass eine Person nur vier Aufsichts(rats)mandate innehaben darf. Für die Berechnung der vier Aufsichtsmandate ist es insbesondere wichtig, wie die Regelungen verstanden werden, nach denen mehrere Mandate als ein einziges Mandat gelten (§ 25d Abs. 3 Satz 3 KWG). Insoweit privilegiert das deutsche Recht Mandate innerhalb einer beaufsichtigten Gruppe, innerhalb von Unternehmen, die derselben Institutssicherungseinrichtung angehören und Unternehmen, an denen das Institut eine bedeutende Beteiligung hält. Warum Aufsichtsratsmandate innerhalb von Industriekonzernen nicht privilegiert werden, ist nicht ersichtlich und angesichts des offenen Wortlauts des Art. 91 Abs. 4 lit. a CRD IV („Gruppe“) auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Unter Funktionserhaltungsgesichtspunkten spielt der Aufsichtsrat eine bedeutende Rolle, da er als internes Kontrollgremium den Interessen der Anteilseigner, in deren wohlverstandenem Interesse eine Erhaltung des Instituts liegt, Geltung verschaffen kann. Die Verringerung der zulässigen Mandatshöchstzahl ist daher unter dem Aspekt der Verstärkung der Kontrolldichte und deren Fokussierung zu begrüßen. Nicht einsichtig ist indessen, warum eine Diversifizierung der Aufsichtsräte erschwert wird, indem die Zusammenfassung von Mandaten in Industriekonzernen ausgeschlossen wird. Die Erleichterungen für nicht bedeutende Unternehmen, bei denen gerade eine Vielzahl von Mandaten bei nicht beaufsichtigten Unternehmen zugelassen wird (§ 25d Abs. 3a Nr. 2 KWG), ist daher eher kritisch zu sehen. 2. Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen In der Praxis ist die Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen weit verbreitet. Sie erlauben es, dass sich kleine fachkundige Gruppen aus dem Aufsichtsrat mit bestimmten Themen jeweils besonders intensiv ausei­ nandersetzen, und steigern dadurch die Effizienz der Aufsichtsratsarbeit erheblich. a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG gibt dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, einen oder mehrere Ausschüsse zu bestellen. Die Bildung von Ausschüssen ist im Aktiengesetz nach dem eindeutigen Wortlaut des § 107 Abs. 3 AktG nicht zwingend vorgeschrieben, aber vor dem Hintergrund der Effizienzsteigerung der Aufsichtsratsarbeit in Ziffer 5.3.1 Satz 1 DCGK, abhängig von den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens und der Anzahl seiner Mitglieder empfohlen. Ob ein Aufsichtsrat Ausschüsse einrichtet

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III. Anforderungen an die Aufsichtsgremien

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oder nicht, liegt alleine in seinem Ermessen.93 Insbesondere kann ihm nach herrschender Meinung auch die Satzung diesbezüglich keine Vorgaben machen.94 Auch in seiner Entscheidung, welche Ausschüsse gebildet werden, ist der Aufsichtsrat frei. § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG hebt den Prüfungsausschuss hervor, der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung, hier insbesondere der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der vom Abschlussprüfer zusätzlich erbrachten Leistungen, befasst. Ziffer  5.3.2 Satz 1 DCGK empfiehlt die Einrichtung eines solchen Prüfungsausschusses. Neben der Steigerung der Arbeitseffizienz des Aufsichtsrats soll die Einrichtung eines Prüfungsausschusses auch das Vertrauen der Investoren und der Öffentlichkeit in die Rechnungslegung der Unternehmen stärken.95 Nach Satz 2 der Empfehlung soll zusätzlich der Vorsitzende des Prüfungsausschusses über besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren verfügen. Er soll ferner unabhängig und kein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein, dessen Bestellung vor weniger als zwei Jahren endete. Ziffer 5.3.3 DCGK empfiehlt des Weiteren, dass der Aufsichtsrat einen Nominierungsausschuss bilden soll, der ausschließlich mit Vertretern der Anteilseigner besetzt ist und dem Aufsichtsrat für dessen Vorschläge an die Hauptversammlung zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern geeignete Kandidaten benennt. § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG betont, dass Ausschüsse namentlich zur Vorbereitung der Verhandlungen und Beschlüsse des Aufsichtsrats und zur Überwachung der Ausführung seiner Beschlüsse eingesetzt werden können. Der Wortlaut der Vorschrift lässt jedoch darauf schließen, dass in gewissem Umfang Ausschüsse auch mit Beschlusskompetenz ausgestattet werden können.96 Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG benennt ausdrücklich eine Reihe wichtiger Entscheidungen, die nicht an Ausschüsse delegiert werden dürfen. Dazu zählen insbesondere die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden, die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern und die Regelung der Vergütung des Vorstands. Zudem ist auch anerkannt, dass der Aufsichtsrat seine allgemeine

93 Lediglich die Einrichtung eines Vermittlungsausschusses ist nach § 27 Abs. 3 MitbestG in paritätischen Aufsichtsräten zwingend vorgesehen. 94 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 (114 ff.); Drygala in K. Schmidt/ Lutter, 3. Aufl. 2015, § 107 AktG Rz. 44; Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 107 AktG Rz. 95; Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 107 AktG Rz. 18. 95 Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 5. Aufl. 2014, Rz. 941. 96 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, § 11 Rz. 744.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

Überwachungsaufgabe nicht an Ausschüsse delegieren darf, sondern dies nur für einzelne Bereiche der Geschäftsführung zulässig ist.97 b) Besonderheiten bei Kreditinstituten Im Rahmen der Verschärfung der Governance-Anforderungen hat die CRD IV98 vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass Kreditinstitute bestimmte Ausschüsse errichten. Diese Verpflichtung zielt nur auf Kreditinstitute ab, die aufgrund ihrer Größe, ihrer internen Organisation und der Art des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäfte von erheblicher Bedeutung sind. Das KWG hat die Verpflichtung zur Errichtung von Ausschüssen in den § 25d Abs. 7 bis 12 KWG zusammengefasst und auch den Prüfungsausschuss in diesem Kontext geregelt.99 Die Pflicht zur Errichtung der Ausschüsse trifft nach diesen Vorschriften nur ein CRR-Institut, das von erheblicher Bedeutung ist. Dies sind CRR-Institute, (i) deren Bilanzsumme im Durchschnitt der letzten drei Geschäftsjahre 15 Mrd. Euro oder mehr erreichte, (ii) bedeutende Kredit­ institute im Sinne der SSM-Verordnung100, (iii) potenziell systemgefährdende Institute i.S.v. § 20 SAG und (iv) Finanzhandelsinstitute i.S.v. § 25f Abs. 1 KWG. Im Sinne der Steigerung der Effizienz der Aufsichtstätigkeit der Ausschüsse sieht das Gesetz insbesondere drei neue Regelungen vor: – Zur Verbesserung der Aufsichtstätigkeit und Initiierung eines fachlichen Austausches wird eine personelle Verbindung der Ausschüsse geschaffen. Mindestens ein Ausschussmitglied eines Ausschusses soll einem anderen Ausschuss angehören. – Die direkte Kommunikation zwischen Ausschüssen und bestimmten leitenden Funktionen des Unternehmens wird rechtlich abgesichert. So können (i) der Vorsitzende des Risikoausschusses und des Prüfungsausschusses unmittelbar beim Leiter der Internen Revision und beim Leiter des Risikocontrollings und (ii) der Vorsitzende des Vergütungskontrollausschusses beim Leiter der Internen Revision und bei den Leitern der für die Ausgestaltung der Vergütungssysteme zuständigen Organisationseinheiten Auskünfte einholen.

97 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, § 11 Rz. 746. 98 Art. 76 Abs. 3 (Risikoausschuss), Art. 88 Abs. 2 (Nominierungsausschuss) und Art. 95 CRD IV (Vergütungsausschuss). 99 Für einen Überblick zu den Aufgaben und Funktionen der Ausschüsse siehe Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, § 21 Rz. 1508 ff. 100 Siehe Fn. 9.

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Teil 2

III. Anforderungen an die Aufsichtsgremien

– Es wird ausdrücklich vorgesehen, dass der Risikoausschuss, der Nominierungsausschuss und der Vergütungskontrollausschuss die Dienstleistungen Dritter zur Durchführung ihrer Aufgaben in Anspruch nehmen können. Mit diesen Mitteln soll dem Vorstand ein effizienteres und in Sachfragen – ggf. mit Hilfe Dritter – auf Augenhöhe agierendes Aufsichtsgremium gegenübergestellt werden, das seine Kontrollaufgabe effizienter wahrnehmen kann. Mit Blick auf die Absicherung der Funktionserhaltung sind diese Regelungen zu begrüßen. Eine Kontrollverstärkung dürfte auch der Hintergrund dafür sein, dass bei mitbestimmten Unternehmen mindestens ein Mitglied des Vergütungskontrollausschusses der Arbeitnehmerbank angehören muss (§ 25d Abs. 12 Satz 4 KWG). 3. Haftungsregime und Abberufung für Aufsichtsratsmitglieder a) Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen Was die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern für Pflichtverstöße aus ­aktienrechtlicher Sicht betrifft, gilt die Vorschrift des § 93 AktG (mit Ausnahme des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG) über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder gemäß § 116 Satz 1 AktG entsprechend. Die Haftung des Aufsichtsrats folgt daher im Wesentlichen dem oben dargestellten Haftungsregime, welches auf den Vorstand Anwendung findet. Die Vorschrift ist sowohl auf Schadensprävention als auch auf Schadensausgleich gerichtet. Sie dient folglich zum einen dazu, auch den Aufsichtsrat zu loyalem Handeln anzuhalten, daneben hat sie jedoch freilich auch den Zweck, dass ein der Gesellschaft durch pflichtwidriges Verhalten zugefügter Schaden ausgeglichen wird.101 Durch die lediglich sinngemäße Anwendung trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass die Aufsichtsratsmitglieder – anders als der Vorstand – ihre Ämter lediglich als Nebenamt ausüben. Der Pflichtenkreis eines Aufsichtsratsmitglieds ist daher entsprechend anders zu ziehen.102 Die Business Judgement Rule findet auch auf den Aufsichtsrat grundsätzlich Anwendung, wobei der Aufsichtsrat in sehr viel eingeschränkterem Maße als der Vorstand unternehmerische Entscheidungen trifft. Auch in Bezug auf die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber Aktionären und Gläubigern gelten die Ausführungen zum Vorstand grundsätzlich entsprechend. Allerdings wird die Außenhaftung beim Aufsichtsrat einer Gesellschaft noch weniger relevant als bereits beim Vorstand, da der Aufsichtsrat nur in sehr eingeschränktem Maße nach außen auftritt. Zudem handelt es sich bei denjenigen gesetzlichen Pflich101 Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 116 AktG Rz. 2; Ham­ bloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 116 AktG Rz. 2. 102 Drygala in K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. 2015, § 116 AktG Rz. 1; Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 116 AktG Rz. 2.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

ten, die meist auch Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen, um originäre Pflichten des Vorstands, so dass der Aufsichtsrat allenfalls wegen Anstiftung oder Beihilfe nach § 830 Abs. 2 BGB haftbar sein könnte, was jedoch wiederum Vorsatz voraussetzt.103 Im Übrigen können auch Aufsichtsratsmitglieder abberufen werden. So kann die Hauptversammlung die von ihr ohne Bindung an einen Wahlvorschlag tatsächlich gewählten Vertreter, d.h. insbesondere die Anteilseignervertreter, gemäß § 103 Abs. 1 AktG ohne jeglichen Grund ab­be­rufen. Liegt hingegen ein wichtiger Grund in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds vor, kann der Aufsichtsrat nach seinem Ermessen gemäß § 103 Abs. 3 AktG beim zuständigen Gericht einen Antrag auf gerichtliche Abberufung stellen. Ist das Gericht ebenfalls der Auffassung, dass ein wichtiger Grund gegeben ist, hat es das betreffende Aufsichtsratsmitglied abzuberufen. b) Besonderheiten bei Kreditinstituten Was die aufsichtsrechtlichen Besonderheiten der Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern betrifft, gelten die Ausführungen zum Vorstand grundsätzlich entsprechend. Insbesondere gilt entsprechend, dass die Aufsichts­ normen (indirekt) die zivilrechtliche Haftung verstärken, da diese rechtliche Vorgaben für das Handeln auch der Aufsichtsräte aufstellen und damit auch den Anwendungsbereich der Business Judgement Rule einschränken.104 Das allgemeine Aktienrecht wird durch das Aufsichtsrecht ferner dadurch modifiziert, dass ein Abberufungsverlangen der BaFin/EZB oder ein von ihr ausgesprochenes Tätigkeitsverbot jeweils zugleich einen wichtigen Grund für die gerichtliche Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG darstellt.105

IV. Angemessenheit der Vergütung der Geschäftsleitung 1. Vorgaben für Aktiengesellschaften im Allgemeinen Für die Festsetzung der Vergütung von Vorstand und Mitarbeitern eines Kreditinstituts in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder SE gelten zunächst die aktienrechtlichen Bestimmungen. Gemäß §§ 84 Abs. 1 Satz 5, 87 AktG (ggf. i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii) SE-VO) hat der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder einer dualistisch organisierten SE die Kompetenz, die Vergütung des Vorstands festzusetzen. Dabei hat der Aufsichtsrat gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG dafür zu sorgen, dass die Ge103 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, § 13 Rz. 1035. 104 Siehe zu diesem Themenbereich Drygala in K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. 2015, § 116 AktG Rz. 19, Hopt, ZIP 2013, 1793 (1798). 105 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, § 21 Rz. 1532.

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IV. Angemessenheit der Vergütung der Geschäftsleitung

Teil 2

samtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Vergütung stets die Anforderungen an sorgfaltsgemäßes Handeln gemäß §§ 93, 116 AktG zu beachten. Handelt es sich um eine börsennotierte Gesellschaft, ist die Vergütungsstruktur gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Mit der Einführung des § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG beabsichtigte der Gesetzgeber, die Anreize in der Vergütungsstruktur für Vorstandsmitglieder in Richtung einer nachhaltigen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensführung zu stärken. Er weist darauf hin, dass es eine der Lehren der Finanzmarktkrise sei, dass von kurzfristig ausgerichteten Vergütungsinstrumenten fehlerhafte Verhaltensanreize ausgehen können. Wer auf die Erreichung solcher kurzfristiger Parameter ausgerichtet sei (Börsenkurs, Auftragsvolumen etc. zu einem bestimmten Stichtag), werde das nachhaltige Wachstum seines Unternehmens aus dem Blick verlieren und zum Eingehen unverantwortlicher Risiken verleitet.106 Was der Gesetzgeber unter dem unbestimmten Begriff „Nachhaltigkeit“ versteht, hat er allerdings weder im Gesetz selbst noch in den begleitenden Materialien konkretisiert. Überwiegend wird der Begriff im Sinne des allgemeinen eingangs bereits erwähnten Postulats verstanden, Vorstands- und Aufsichtsratshandeln auf die Sicherung einer langfristigen Rentabilität im Rahmen des Gesellschafts- und Unternehmensinteresses auszurichten.107 2. Besonderheiten bei Kreditinstituten Bei Kreditinstituten ist mit Blick auf die Funktionenerhaltung festzustellen, – dass nicht nur Geschäftsleiter und Aufsichtsräte Entscheidungen treffen können, die für das Kreditinstitut und dessen Bestand desaströse Folgen zeitigen können und – dass die sehr hohen insbesondere variablen Vergütungen ein wesentlicher, wenn nicht gelegentlich sogar der wesentliche Antriebsfaktor für die Handlungen der betroffenen Personen sind. Diese Feststellungen verlangen zum einen danach, den Kreis der Per­ sonen, auf die sich aufsichtsrechtliche Vergütungsregelungen beziehen, 106 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/­ 13433, S. 1. 107 Vgl. etwa Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 87 AktG Rz. 27; Koch in Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 87 AktG Rz. 11; Seibt in K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. 2015, § 87 AktG Rz. 12; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 87 AktG Rz. 75; Weber in Hölters, 2. Aufl. 2014, § 87 AktG Rz. 30.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

auszudehnen. Zum anderen soll das treibende pekuniäre Eigeninteresse der von den Vergütungsregelungen betroffenen Personen mit dem aufsichtlichen Interesse am Funktionenerhalt der Institute in Übereinstimmung gebracht werden. Vor diesem Hintergrund werden auch in Bezug auf die Vergütung die ­allgemeinen, im Aktiengesetz verankerten Vorgaben für Kreditinstitute insbesondere durch das Kreditwesengesetz und die Institutsvergütungsverordnung substanziell modifiziert. § 25a Abs. 5 KWG bestimmt in Umsetzung von Vorgaben des CRD IV-Pakets, dass Kreditinstitute angemessene Verhältnisse zwischen der variablen und fixen jährlichen Vergütung festzulegen haben. Vor allem aber beschränkt die Vorschrift die variable Vergütung der Mitarbeiter und Geschäftsleiter auf grundsätzlich maximal 100 % der fixen Vergütung. Diese Regelung konkretisiert in Bezug auf die Festsetzung der Vergütung des Vorstands bzw. der Mitarbeiter den unbestimmten Rechtsbegriff des pflichtgemäßen Handelns von Vorstand bzw. Aufsichtsrat. Eine Übersteigung der variablen Vergütung von 100 % der fixen Vergütung ist lediglich zulässig, wenn die Anteilseigner, die Eigentümer, die Mitglieder oder die Träger des Instituts eine höhere variable Vergütung, die 200 % der fixen Vergütung für jeden einzelnen Mitarbeiter und Geschäftsleiter nicht übersteigen darf, beschlossen haben.108 Darüber hinaus gibt die Institutsvergütungsverordnung für bedeutende Institute109 Vorgaben für die Ausgestaltung des Vergütungssystems, die darauf abzielen das Verdienstinteresse der betroffenen Mitarbeiter mit dem längerfristigen Unternehmensinteresse in Deckung zu bringen. Mittel hierzu sind die Erweiterung der bei der Bemessung der variablen Vergütung zu berücksichtigenden Faktoren, Zurückbehaltungs- und Malusregelungen.110

V. Fazit Die vorstehenden Abschnitte haben gezeigt, dass Corporate Governance Regelungen (zumindest teilweise) als der Absicherung der Funktions­ erbringung von Gesellschaften (einschließlich von Kreditinstituten) ­dienend verstanden werden können. Ihr Objekt ist die „lebende“ Gesellschaft. Doch auch bei „sterbenden“ Gesellschaften kann eine Funk­tions­ erhaltung und zu diesem Zweck unter Umständen sogar eine Loslösung der Funktionserbringung von der Gesellschaft, die diese Funktion bisher erbracht hat, im Sinne der gesamtgesellschaftlich und -wirtschaftlich sinnvollen Sicherstellung der Funktionserbringung liegen. 111 Nach ihrem 108 Vgl. hierzu näher Lackhoff/Kulenkamp, AG 2014, 770 (770 ff.). 109 Siehe bei Fn. 99. 110 Siehe dazu in diesem Band Kap. 6, S. 105 ff. 111 Zu Abwicklungsmechanismen ausführlich in diesem Band Kap. 8. Weitere funktionserhaltende Regulierungsmaßnahmen werden zudem in Kap. 5 und 7 beschrieben.

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V. Fazit

Teil 2

Risikogehalt für die Allgemeinheit gelten dabei für Kreditinstitute und Gesellschaften im Allgemeinen wiederum unterschiedliche Anforderungen. Ist eine Aktiengesellschaft, die nicht als Kreditinstitut beaufsichtigt ist, überschuldet oder illiquide, so ist über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Verfahrensziel des Insolvenzrechts nach der seit 1999 geltenden Insolvenzordnung ist die Erzielung der gemeinschaftlichen anteiligen Befriedigung aller Gläubiger eines Schuldners durch Verwertung des Schuldnervermögens.112 Reformziele bei Neuerlass der Insolvenzordnung waren insbesondere, der Massearmut entgegenzuwirken und die Liquidation mit der Sanierung besser zu koordinieren. Auf eine Verbesserung der Möglichkeit, das Insolvenzrecht zu Sanierungen zu nutzen, zielten auch spätere Reformen des Insolvenzrechts ab.113 Ursächlich hierfür ist, dass mit der Liquidation des Schuldnervermögens häufig die größten Verluste für alle stakeholder verbunden sind. Arbeitnehmer, Kunden und Lieferanten verlieren dauerhaft den Gegenpart zur Verfolgung ihrer Inte­ ressen. Aus dieser knappen Skizze ist bereits zu ersehen, dass auch das Insolvenzrecht eine Tendenz zu vermehrter Funktionserhaltung durch Sanierung verfolgt. In substantieller Weise ist der Gedanke der Funktionenerhaltung indessen für Kreditinstitute im Zusammenhang mit der Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken (Banking Recovery and Resolution Directive [BRRD]) und deren deutschen Umsetzung im Sanierungs- und Abwicklungsgesetz sowie der Verordnung über den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism [SRM])114 fruchtbar gemacht worden. Dies kann hier nur angedeutet werden. Deutlich zeigt sich der Gedanke der Funktionserhaltung in den Abwicklungszielen der BRRD. Art. 31 Abs. 2 BRRD benennt als erstes und zweites der grundsätzlich gleichrangigen Abwicklungsziele die Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen und die Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität. Kritische Funktionen werden in Art. 2 Abs. 1 Nr. 35 der BRRD als Tätigkeiten definiert, deren Einstellung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten wahrscheinlich die Unterbrechung von für die Realwirtschaft wesentlichen Dienstleistungen oder eine Störung der Finanzstabilität zur Folge hat. Der Schutz der Einlagen und der anderen Gelder und Vermögenswerte der Kunden sind ebenfalls Ziele, die der Funktionserhaltung dienen, da die Bank für ihre Kunden gerade (auch) diese Schutzfunktion inne hatte. Die Erhaltung der Funktionen der Bank unter gleichzeitiger Vermeidung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel durch Effektuierung der Verantwortung der Eigentümer und der nicht gesicherten oder in sonstiger Weise privilegierten Gläubiger 112 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2014, Rz. 1 ff. 113 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2014, Rz. 16 ff. 114 Siehe zu diesen Rechtsakten bei Fn. 6 und 8. Siehe auch Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662 ff.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

der Bank ist mithin das Ziel. Zur Erreichung dieses Ziel stellt die BRRD bzw. in dessen Umsetzung das SAG ebenso wie die SRM eine Reihe von Abwicklungsinstrumenten zur Verfügung. Festzuhalten ist dabei, dass die aufrechtzuerhaltenden Funktionen und die Nutzung des Rechtsrahmens zur Funktionserhaltung davon abhängen, dass ein öffentliches Interesse an der Abwicklungsmaßnahme besteht (Art. 32 Abs. 1 lit. c BRRD). Mit anderen Worten: Funktionenerhaltung erfolgt nur, wenn ihre Vor­ teile die Nachteile der Liquidation überwiegen. Gläubiger werden bei dieser Abwägung im öffentlichen Interesse geschützt, indem kein Gläubiger ­im Ergebnis (Individualinteresse) schlechter gestellt werden darf als bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens (Art. 34 Abs. 1 lit. g BRRD). Das Bankaufsichtsrecht als auch das Gesellschafts-/Aktienrecht kennen mithin sowohl in Bezug auf „lebende“ als auch „sterbende“ Gesellschaften Regelungen, die der Erhaltung der Funktion von Gesellschaften präventiv oder reaktiv in einer Krisensituation dienen. Die staatlichen Eingriffe zur Funktionserhaltung sind je nach Bedeutung der von den Gesellschaften erbrachten Funktionen unterschiedlich stark ausgeprägt. Nachhaltigkeit im Sinne der Funktionserhaltung ist ein dem geltenden Recht mithin nicht unbekanntes Konzept. Eine konsistente Betrachtung von Rechtsregeln unter diesem Aspekt kann indes helfen, Defizite der gegenwärtigen Regelungen aufzudecken. Der Bestimmung der erhaltenswerten und rechtlich geschützten Funktionen kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu.

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Kapitel 4 Nachhaltige Governance Prozesse in Banken Daniela Weber-Rey und Evgenia Gissing*

Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Robuste Governance Unternehmensstruktur als Grundlage für nachhaltige Prozesse 1. Zwingende aufsichtsrechtliche organisatorische Vorgaben 2. Organisatorische Gestaltungsfreiräume

a) Duty Approach b) Three Lines of Defense 3. Nachhaltige Prozesse III. Vermeidung von Formalismus und Komplexität IV. Zusammenfassung

Literatur: Berger, Der einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Bankenaufsicht im europäischen Verbund, WM 2015, 501; Börner in Paetzmann/Schöning (Hrsg.), Corporate Governance von Kreditinstituten, Aktuelle Entwicklungen in der Bankingregulierung, 2014, S. 33; Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesen­ gesetz, 4. Aufl. 2012; Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Ak­ tiengesetz, Bd. 2: §§ 76–117 AktG, 4. Aufl. 2014; Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), Kommentar unter Berücksichtigung der Instituts-Vergütungsverordnung (InstitutsVergV), 4. Aufl. 2013; Hopt, Groups of Companies – A Comparative Study on the Economics, Law and Regulation of Corporate Groups, Law Working Paper No. 286/2015, Max Planck Institute for Comparative and International Private Law; European Corporate Governance Institute (ECGI), February 2015; Mülbert/Wilhelm, Risikomanagement und Compliance – Entwicklung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen, ZHR 2014, 502; Neßler/Lis, Good Governance – Mehr als nur eine Frage der Regulierung, ZCG 2015, 113; Paetzmann, Corporate Governance – Status und aktuelle Entwicklungen, in Paetzmann/Schöning (Hrsg.) Corporate Governance von Kreditinstituten, 2014, S. 3; Weber-Rey/Gissing, Gruppen-Governance – das Gruppeninteresse als Teil des internen Governance-Systems im Finanzsektor, AG 2014, 884; We­ ber-Rey/Gissing, Legalitätspflicht des Vorstands, BOARD 2015, 68.

I. Einleitung Governance besteht grundsätzlich aus zwei Themenkomplexen: Beziehung und Strukturen. Der erste Themenkomplex umfasst die Beziehung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung und anderen Stake­ holdern; der zweite Themenkomplex umfasst die internen Strukturen eines Unternehmens. Prozesse gehören zu den internen Strukturen und sind ein effizientes Leitungsinstrument zur Steuerung und Kontrolle ei* Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren wieder.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

nes Unternehmens. Im Bankensektor kommt den Prozessen eine wesentliche Bedeutung zu, da diese zu der Stabilität eines Instituts i.S.d. § 1 Abs. 1b KWG und der Erhöhung der internen Transparenz beitragen und zugleich die effektive Aufsicht1 durch die zuständigen Aufsichtsbehörden fördern. Die European Banking Authority (EBA) hebt in ihren „Guide­ lines on common procedures and methodologies for the supervisory re­ view and evaluation (SREP)“2 (SREP Leitlinien) die besondere Bedeutung der internen Prozesse als Teil des Governance Systems hervor. Die zuständigen Aufsichtsbehörden müssen die von den Instituten etablierten, gesetzlich geforderten Prozesse als Teil der internen Governance turnusmäßig genau überprüfen.3 Der harmonisierte Prüfungsansatz und die Methodologie helfen das gegenseitige behördliche Vertrauen bei der Aufsicht der international tätigen Institute zu stärken.4 Gleichzeitig wird die Vereinheitlichung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen und die Transparenz des aufsichtsrechtlichen Handelns zugunsten der international tätigen Institute erhöht.5 Auch der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) hebt explizit hervor, dass gute Governance eines Instituts den Aufsichtsbehörden erlauben würde, mehr Vertrauen in seine internen Prozesse aufzubauen.6 Deswegen bildet die Einrichtung von internen Prozessen, als Teil der ordnungsgemäßen Organisation eines Instituts, letztlich ein Kernelement der internen Governance. Der gesetzliche Rahmen, in den sich diese Anforderungen aktuell einbetten, stellt sich für ein inländisches Institut wie folgt dar: § 25a KWG schreibt zwingend die Einrichtung bestimmter Prozesse vor, für die die Geschäftsleiter gemäß § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG verantwortlich sind. Dazu zählen Prozesse zur Planung, Umsetzung, Beurteilung und Anpassung der Strategien nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG, Prozesse zur Identifizierung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken, als Teil des internen Kontrollsystems, nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3b KWG sowie das Bestehen eines sog. Whistleblower-Prozesses gemäß § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 KWG.

1 Zu den aktuellen Entwicklungen in der Bankenregulierung vgl. Börner in Paetzmann/Schöning (Hrsg.), Corporate Governance von Kreditinstituten, 2014, S. 33 ff.; Berger, WM 2015, 501 (501 ff.). 2 European Banking Authority, Guidelines on common procedures and methodologies for the supervisory review and evaluation (SREP), EBA/GL/2014/13, Dezember 2014 (EBA, SREP Leitlinien). 3 Vgl. u.a. EBA, SREP Leitlinien, S. 45 (52 f.). 4 EBA, SREP Leitlinien, S. 193 und S. 196. 5 EBA, SREP Leitlinien, S. 196. 6 BCBS, Guidelines Corporate governance principles for banks, Juli 2015 (BCBS, Governance Principles), S. 3.

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I. Einleitung

Teil 2

§ 25c Abs. 4a KWG regelt den Mindeststandard an Sorgfaltspflichten (vormals Sicherstellungspflichten)7 der Geschäftsleiter eines Instituts.8 Die Regelungen sind parallel zu den Regelungen des § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG aufgebaut und konkretisieren die dortigen Vorgaben für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und ein angemessenes und wirksames Risikomanagement.9 Zu den Sorgfaltspflichten eines Geschäftsleiters gehören somit die Errichtung, Einhaltung und Anpassung einer Reihe von Prozessen auf Einzelinstitutsebene nach § 25c Abs. 4a Nr. 1 bis 6 KWG und für die Geschäftsleiter eines übergeordneten Instituts auch auf Gruppenebene gemäß § 25c Abs. 4b Satz 2 Nr. 1 bis 6 KWG, wobei die gruppendimensionalen Anforderungen die einzelinstitutsbezogenen Vorgaben ergänzen und nicht etwa an deren Stelle treten.10 Das „Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk“ (MaRisk)11 konkretisiert die Anforderungen an das Risikomanagement eines Instituts und die Ausgestaltung der dazu gehörigen Prozesse, u.a. im Kredit- und Handelsgeschäft (BTO 1.2 und BTO 2.2 MaRisk) sowie hinsichtlich der Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozesse (BTR MaRisk). Daneben sieht die MaRisk weitere Risikomanagementprozesse vor, beispielsweise Anpassungsprozesse in AT 8 MaRisk wie den Neu-Produkt-Prozess. Die besondere Bedeutung der Prozesse für ein Institut wird schließlich durch § 25b Abs. 1 Satz 1 KWG unterstrichen. Demnach sind bei der Auslagerung von Prozessen auf ein anderes Unternehmen, die für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um übermäßige zusätzliche Risiken zu vermeiden. Eine Auslagerung darf nicht zu einer Übertragung der Verantwortung der Geschäftsleiter an das Auslagerungsunternehmen führen und die Aufsichtsbehörde an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben hindern. Die Empfehlung des BCBS auch für die Auswahl von geeigneten Kandidaten für den Aufsichtsrat, den Vorstand und das Senior Management interne Prozesse zu errichten, wurde noch nicht in Gesetzesform gegossen.12 Eine ähnliche Empfehlung hat auch die OECD (G20/Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) in ihren aktualisierten „Principles of Corporate Governance“ abgegeben (OECD, Gover­ 7 So wurden die Mindeststandards an Sorgfaltspflichten in der bis zum 18.7.2014 geltenden Fassung des KWG genannt. 8 Begr. RegE, BT-Drucks. 17/12601, S. 43. 9 Begr. RegE, BT-Drucks. 17/12601, S. 43. 10 Vgl. dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 17/12601, S. 29; so auch Mülbert/Wilhelm, ZHR 2014, 502 (531). 11 BaFin, „Rundschreiben 10/2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk“ v. 14.12.2012. 12 BCBS, Governance Principles, S. 13 und S. 20.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

nance­ Principles).13 Allerdings implizieren §§ 25c Abs. 1, 25d Abs. 1 und Abs. 2 KWG die Errichtung derartiger Prozesse. Dieser Beitrag bietet einen holistischen und praxisorientierten Überblick über die Voraussetzungen zur Errichtung von nachhaltigen Governance Prozessen, die Anforderungen an ihre Ausgestaltung und die damit verbundenen Herausforderungen. Nach Ansicht der Autorinnen geben die Errichtung einer transparenten Unternehmensstruktur und ihre Ausgestaltung mit effizienten, aufeinander abgestimmten Prozessen in Einklang mit regulatorischen Anforderungen und hohen Governance Standards, den notwendigen robusten und nachhaltigen Governance Rahmen eines Instituts vor und bilden die Grundlage für seine erfolgreiche Steuerung und Überwachung durch die Geschäftsleitung. Der Governance Rahmen dient somit der Erfüllung der Legalitätspflicht.14

II. Robuste Governance Unternehmensstruktur als Grundlage für nachhaltige Prozesse Nachhaltige Governance Prozesse können nicht losgelöst von der Unternehmensstruktur existieren, sondern sind mit ihr unzertrennlich verbunden. Im Bankensektor bedingt und prägt die Unternehmensstruktur immer die Prozessaufsetzung und die einzelnen Prozessschritte; umgekehrt können Prozesse (nur) sehr eingeschränkt die internen Strukturen eines Instituts beeinflussen. Das ist auf die zwingenden gesetzlichen Vorgaben über die interne Organisation eines Instituts zurückzuführen. Daher hängt die Nachhaltigkeit interner Prozesse von der robusten Governance Struktur des Instituts ab. Nur in einer solchen Struktur können langfristige Prozesse mit institutserhaltenden Auswirkungen eingerichtet werden. Dieser Governance Ansatz ist im KWG angelegt worden. Die Schaffung einer ordnungsgemäßen Unternehmensstruktur, auch innerhalb einer aufsichtsrechtlichen Gruppe,15 ist eine Pflicht der Geschäftsleiter des Instituts gemäß § 25c Abs. 3 Nr. 4 KWG. Die Geschäftsleiter müssen im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation für eine angemessene und transparente Unternehmensstruktur sorgen, die sich an den Strategien des Unternehmens ausrichtet und die der für ein wirksames Risikomanagement erforderlichen Transparenz der Geschäftsaktivitäten des Instituts Rechnung trägt. Dabei haben die Geschäftsleiter gemäß § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. a KWG dafür Sorge 13 OECD, Governance Principles, S. 55. 14 Vgl. zu der Legalitätspflicht des Vorstands Weber-Rey/Gissing, BOARD 2015, 68 (68 ff.); Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 73 ff. 15 In diesem Beitrag werden die gruppendimensionalen Governance Anforderungen und Herausforderungen nicht näher erörtert. Vgl. dazu Weber-Rey/Gissing, AG 2014, 884 ff. (884 ff.); Mülbert/Wilhelm, ZHR 2014, 502 (502 ff.); Hopt, Groups of Companies, S. 1 ff.

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Teil 2

II. Robuste Governance Unternehmensstruktur

zu tragen, dass im Rahmen der Aufbau- und Ablauforganisation Verantwortungsbereiche klar abgegrenzt werden, wobei wesentliche Prozesse und damit verbundene Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Kontrollen sowie Kommunikationswege klar zu definieren sind und dabei sicherzustellen ist, dass Mitarbeiter keine miteinander nicht zu vereinbarenden Tätigkeiten ausüben.16 Insoweit stellt § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. a KWG eine Generalklausel zur Ausgestaltung der internen Prozesse eines Instituts dar, auf die der Prozessaufbau auszurichten ist und anhand der die Prozesse zu kontrollieren und ggf. anzupassen sind. 1. Zwingende aufsichtsrechtliche organisatorische Vorgaben Das KWG beinhaltet eine Reihe von zwingenden Vorgaben für die Governance Organisation eines Instituts, die durch die MaRisk konkretisiert werden. Von grundlegender Bedeutung sind der Grundsatz der Funktionstrennung, das Vier-Augen-Prinzip und das Proportionalitätsprinzip. Der Grundsatz der Funktionstrennung verlangt, dass eine Person nicht alle Phasen eines Geschäftsvorfalls durchführen darf, sondern immer mehrere Personen in einen Geschäftsvorfall eingeschaltet sein sollen ­(sogenanntes „Vier-Augen-Prinzip“).17 Das erfordert die organisatorische Trennung bestimmter Funktionen, d.h. bestimmte Tätigkeiten müssen zwingend in unterschiedlichen, voneinander unabhängigen organisatorischen Einheiten durchgeführt werden.18 Dies gilt sowohl für die Trennung der Bereiche Markt und Handel von der Marktfolge als auch für die Errichtung von zwingend vorgeschriebenen und unabhängigen Kontrollfunktionen wie Risikocontrolling, Compliance19, Interner Revision sowie der Funktion zur Verhinderung von Geldwäsche (Anti Money Laundering Funktion). „Unabhängigkeit“ bedeutet in diesem Zusammenhang das Bemühen um die Verhinderung der Entstehung von Interessenkonflikten bei den Mitarbeitern dieser Funktionen, einschließlich der Sicherstellung einer direkten Berichtslinie zur Geschäftsleitung (soweit vorgeschrieben) und die Ausstattung der Mitarbeiter dieser Funktionen mit entsprechenden Kompetenzen. Die Organisation eines Instituts muss sich außerdem nach dem Proportionalitätsprinzip richten, d.h. die Ausgestaltung des Risikomanagements soll sich an Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftstä-

16 Eine ähnlich lautende Vorschrift findet sich in AT 4.3. MaRisk. 17 Braun/Wolfgarten in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 4. Aufl. 2012, § 25a KWG Rz. 393. 18 Braun/Wolfgarten in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 4. Aufl. 2012, § 25a KWG Rz. 394 ff. 19 Auch § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG sieht zwingend die Einrichtung einer unabhängigen sog. WpHG Compliance Funktion vor.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

tigkeit orientieren (§ 25a Abs. 1 Satz 4 KWG).20 Beispielsweise sollten größere Institute die Compliance Funktion als eine eigenständige Organisationseinheit vorsehen.21 Ebenso ist bei großen, international tätigen Instituten mit komplexen Geschäftsaktivitäten vorgesehen, dass die Wahrnehmung der Leitung der Risikocontrolling-Funktion durch einen Geschäftsleiter zu erfolgen hat.22 Gleichzeitig eröffnet das Proportionalitätsprinzip den Instituten Freiräume für die individuelle Ausgestaltung ihrer internen Organisation (siehe dazu nachfolgend unter 2.). Diese regulatorischen Vorgaben haben eine unmittelbare Auswirkung auf die horizontale Delegation von Pflichten innerhalb des Geschäftsleitungsorgans eines Instituts23 im Unterschied zu den Unternehmen aus dem Industriesektor, wo keine ähnlichen Vorschriften existieren. 2. Organisatorische Gestaltungsfreiräume Die zwingenden Vorgaben des KWG schaffen zugleich genügend Freiräume, innerhalb derer die Institute ihre interne Organisation individuell, je nach Geschäftsmodell, ausgestalten können. Die MaRisk konkretisiert zwar die gesetzlichen Vorgaben, lässt jedoch ebenfalls durch zahlreiche Öffnungsklauseln24 genügend Freiräume für flexible, auf das jeweilige Institut abgestimmte Gestaltungsalternativen. Diese erlauben zugleich die Berücksichtigung und die Implementierung von hohen Governance Standards in die interne Organisation eines Instituts. Spiegelbildlich dazu bieten die SREP Leitlinien den Aufsichtsbehörden genügend Flexibilität, die Granularität der Prüfungen und ihre Ressourcen nach den lokalen Gegebenheiten auszurichten.25

20 Das Proportionalitätsprinzip bildet auch die Grundlage für die aufsichtsrechtlichen Überprüfungen der internen Governance von Instituten, vgl. EBA, SREP Leitlinien, S. 11. 21 Vgl. BaFin, Anlage 1: Erläuterung zu den MaRisk in der Fassung v. 14.12.2012, AT 4.4.2, S. 19; Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, AT 4.4.2, S. 406 f.; European Banking Authority, Guidelines on Internal Governance (GL 44), London, September 2011 (EBA, Guidelines on Internal Governance [GL 44]), S. 43. 22 Vgl. BaFin, Anlage 1: Erläuterung zu den MaRisk in der Fassung v. 14.12.2012, AT 4.4.1, S. 18; Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, AT 4.4.1, S. 387 ff., EBA, Guidelines on Internal Governance (GL 44), S. 42. 23 Weber-Rey/Gissing, BOARD 2015, 68 (70). 24 Vgl. dazu Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, AT 1 S. 81 f. Bei der derzeitig laufenden Überführung der MaRisk in eine Verordnung ist noch unklar, wie diese Öffnungsklauseln in der Verordnung dargestellt werden können, vgl. Bankenverband, Fachgremium MaRisk, Antwortschreiben v. 3.7.2015. 25 EBA, SREP Leitlinien, S. 10 (12, 197).

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II. Robuste Governance Unternehmensstruktur

Teil 2

Die Flexibilität der Gestaltungsalternativen kann an den nachfolgenden zwei Beispielen bezüglich der Bestimmung von Verantwortlichkeiten verdeutlicht werden. a) Duty Approach Zwingende Voraussetzung für die Einrichtung nachhaltiger Governance Prozesse sind transparente Strukturen und klar voneinander abgegrenzte Verantwortungsbereiche (§ 25c Abs. 3 Nr. 4 und Abs. 4a Nr. 3 lit. a KWG). Weitere Vorgaben gibt es indes nicht. Gut geeignet zur Erreichung dieser Pflichtvorgabe aus Governance Sicht erscheint der sogenannte Duty Approach der Deutsche Bank AG. Bei diesem zeitgemäßen Governance Ansatz werden die wichtigsten regulatorischen und gesetzlichen Pflichten der Geschäftsleitung erfasst, kategorisiert und ihre horizontale Delegation durch den Geschäftsverteilungsplan innerhalb des Ressorts jedes einzelnen Geschäftsleiters zugeordnet.26 Soweit die vertikale Delegation27 dieser Pflichten auf nachgeordnete Hierarchieebenen rechtlich zulässig ist, werden die Delegationspfade zugewiesen und die Linienverantwortung dokumentiert. Dabei erfolgt die Zuweisung nicht zu einzelnen im Institut tätigen Personen sondern zu einzelnen Positionen innerhalb der Geschäftsbereiche/Funktionen, beispielsweise zu dem Leiter des Kreditgeschäfts, dem Compliance Beauftragten, dem Leiter der Internen Revision usw. Dies ist besonders wichtig im Hinblick auf die Governance Prozesse, die personenunabhängig ausgestaltet werden sollten (siehe dazu nachfolgend unter 3.). Die Pflichten, Delegationspfade und Linienverantwortungen werden bei der Deutsche Bank AG sodann in einer modernen elektronischen Datenbank abgebildet und gepflegt. Zu dieser Datenbank haben der Vorstand und die ihm nachgeordneten Ebenen des Senior Managements jederzeitigen Zugriff. Durch den Duty Approach wird die Entwicklung von robusten Governance Strukturen unterstützt, die geforderte Transparenz geschaffen und die ordnungsgemäße Kontrolle und Überwachung des Instituts durch seine Geschäftsleiter erleichtert.28 Notwendige Nachjustierungen können jederzeit und rechtzeitig vorgenommen werden. Durch die immanente Kontrolle bei der Zuordnung neuer Pflichten oder aber ihrer Umverteilung aufgrund von Organisationsänderungen wird das Risiko der Entstehung von Interessenkonflikten bei den Mitarbeitern wesentlich gemindert, bzw. transparent, um schnell Handlungsbedarf aufzu26 Vgl. dazu Deutsche Bank AG, Jahresbericht 2014, S. 26 (House of Governance Initiative). 27 Weber-Rey/Gissing, BOARD 2015, 68 (70). 28 Auch die Financial Conduct Authority (FCA) verlangt die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung eines „management responsibilites map“ für die „au­ thorised persons“, das u.a. auch die Berichtslinien und den Verantwortungsbereich dieser Personen beinhaltet. Vgl. FCA, CP15/22, Strengthening acc­ount­ability in banking, Juli 2015, SYSC 4.5.4R.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

zeigen. Verantwortungsbereiche, Kompetenzen und Schnittstellen zu anderen Positionen und Bereichen können klar definiert und transparent dargestellt werden. Besonders wichtig ist dabei, dass dadurch das unerlässliche Bewusstsein über die eigenen Pflichten, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen bei den einzelnen Mitarbeitern gestärkt wird, die zudem auf die nachgeordneten Hierarchieebenen weitergegeben werden.29 Schließlich wird gute Governance durch die Mitarbeiter eines Unternehmens geprägt und gelebt und existiert nicht nur „auf dem Papier“. Der Duty Approach wird auch durch die BCBS Governance Principles unterstützt. Demnach ist der Vorstand für die ordnungsgemäße Delegation von Pflichten an die Belegschaft verantwortlich. Er soll eine Governance Struktur im Institut errichten, die klare Zuständigkeiten und Verantwortung fördert.30 Auch die Group of Thirty (G30) hebt in ihrer neuen Studie31 explizit die Verantwortung des Vorstands und der ihm nachgeordneten Hierarchieebenen als Voraussetzung guter Governance hervor. Die G30 sieht als Indikatoren für die Übernahme von Verantwortung in einem Institut das „Inhaberverhältnis“ zu den Risiken, die Existenz von Eskalationsprozessen und von klaren Konsequenzen bei fehlerhaftem Verhalten.32 Im Rahmen des aktuellen regulatorischen Umfelds und der neuesten Governance Empfehlungen auf internationaler Ebene ist zu erwarten, dass sich ein Ansatz vergleichbar dem Duty Approach als Grundlage robuster Governance Strukturen etablieren wird; vgl. auch das Senior Management Regime, das 2016 in UK kommen wird. b) Three Lines of Defense Zusätzlich empfiehlt sich die Ausrichtung der internen Unternehmensstrukturen nach dem Modell der drei „Verteidigungslinien“ (sog. Three Lines of Defense).33 Dabei geht es um die Identifizierung der Verantwortung für den Umgang und das Management von Risiken innerhalb der internen Organisation.34 Das Modell beschreibt das Verhältnis zwischen den Geschäftsbereichen als erster Verteidigungslinie, den Kontrollfunktionen (vor allem Risikocontrolling und Compliance) als zweiter Verteidigungslinie sowie der Internen Revision als dritter Verteidigungslinie. Demnach ist die Verantwortung für die interne Kontrolle nicht von einer

29 Dieses Bewusstsein wird beispielsweise bei dem Senior Management vorausgesetzt und wird künftig Teil der Governance Prüfungen der Aufsichtsbehörden sein, vgl. u.a. EBA, SREP Leitlinien, S. 50. 30 BCBS, Governance Principles, S. 20. 31 Group for Thirty, Banking Conduct and Culture, a Call for Sustained and Comprehensive Reform, July 2015 (G30 Studie). 32 G30 Studie, u.a. S. 50, S. 52, S. 61 f. 33 Vgl. dazu Deutsche Bank AG, Jahresbericht 2014, S. 28 (Three Lines of Defen­ se-Programm). 34 BCBS, Governance Principles, S. 5.

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II. Robuste Governance Unternehmensstruktur

Teil 2

Verteidigungslinie auf die nächste übertragbar.35 Die zugrunde liegende Philosophie dieses Modells ist nicht neu36 und entspricht auch dem Verständnis der MaRisk.37 Das Modell möchte nichts anderes als eine Stärkung der sog. front-line ownership, also der Verantwortung der Geschäftsbereiche, sowie starke und unabhängige Kontrollen. In Bezug auf die erste Verteidigungslinie hebt die G30 ausdrücklich die Notwendigkeit einer Verantwortungsübernahme für die Risiken und ein „sichtbares Engagement“ der Geschäftsbereiche hervor. Dabei dürfen sich die Geschäftsbereiche nicht allein auf die Compliance Organisation verlassen, sondern müssen in eigener Verantwortung mögliche Risiken identifizieren, beurteilen und kommunizieren.38 Wenn auch der Umfang der ersten und dritten Verteidigungslinie klar umrissen ist, unterscheiden sich die Empfehlungen in Bezug auf die zweite Verteidigungslinie. BCBS hat zunächst die Risiko(controlling) Funktion als zweite Verteidigungslinie gesehen.39 Ein Jahr später erwog BCBS, nicht nur die Risikocontrolling- und die Compliance Funktionen, sondern weitere Funktionen, wie beispielsweise Finance, Human Resources und Operations and Technology, zu der zweiten Verteidigungslinie zu zählen.40 In seinen aktuellen Governance Principles scheint BCBS eine Einschränkung vorzunehmen, indem er „nur“ die Risikocontrolling und Compliance Funktionen als zweite Verteidigungslinie sieht.41 Gleichzeitig hebt BCBS hervor, dass die Strukturierung der einzelnen Verteidigungslinien nach dem Proportionalitätsprinzip variieren kann.42 Die G30 Studie nimmt eine größere Einschränkung der Zugehörigkeit zu der zweiten Verteidigungslinie vor und empfiehlt die Bestimmung einer einzigen

35 Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, AT 4.4, S. 370. 36 Vgl. u.a EBA, Guidelines on Internal Governance (GL 44), September 2011, S. 10 f. 37 Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, AT 4.4, S. 371 m.w.N. 38 G30 Studie, S. 39. 39 Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Principles for the Sound Management of Operational Risk, BCBS, Juni 2011, S. 3 f. 40 Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, The internal audit function in banks, BCBS, Juni 2012, S. 12 f. BCBS hat zum damaligen Zeitpunkt keinen Unterschied zwischen Kontrollfunktionen und Support Funktionen gemacht und hat auch Finance, Operation and Technology zu der zweiten Verteidigungslinie gezählt. Vgl. auch EBA, Guidelines on Internal Governance (GL 44), September 2011, S. 43, die zwischen Kontroll- und Support Funktionen bereits unterschieden hat und als Support Funktionen HR oder Legal genannt, jedoch diese nicht ausdrücklich zu der zweiten Verteidigungslinie gezählt hat, S. 10 f. 41 BCBS, Governance Principles, S. 5 und S. 11: so auch bereits der Entwurf BCBS, Consultative document of Guidelines Corporate governance principles for banks, Oktober 2014, S. 4 und S. 9 f. 42 BCBS, Governance Principles, S. 11.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

verantwortlichen Funktion für die zweite Verteidigungslinie.43 Dadurch werden „diffuse“ Zuständigkeiten und Überlappungen vermieden.44 Nach Ansicht der G30 erfordert die zweite Verteidigungslinie die Zusammenarbeit von den Compliance, Risikocontrolling, Human Ressources und Legal Funktionen, dabei halten sie die Compliance oder die Risikocontrolling Funktion als (möglichst einzige) „führende“ Funktion für am besten geeignet. Besondere Sorge hat G30 vor einer Fragmentierung und damit Schwächung der Verantwortlichkeiten durch mehrere Kontrollfunktionen. Letztendlich haben die einzelnen Institute Freiraum, ihr eigenes Three Lines of Defense-Modell nach den institutsinternen Bedürfnissen zu entwickeln. Allerdings muss sich das Institut auf die ggf. erweiterten Kontrollfunktionen dann gemäß den BCBS Governance Prinzipien einstellen. Insoweit stehen Institute vor großen Herausforderungen bei der Umsetzung des Three Line of Defence Modells.45 3. Nachhaltige Prozesse Unter dem Begriff „Prozess“ im Sinne des Bankaufsichtsrechts sind „sachlogisch zusammenhängende und inhaltlich abgeschlossene Aktivitäten und Funktionen“ zu verstehen, die „eine Wertschöpfung erbringen und damit zur Umsetzung der Unternehmensziele beitragen“.46 Dabei zeichnet sich ein Prozess „typischerweise durch einen eindeutigen Startpunkt und einen festgelegten Abschluss“ aus.47 Die einzelnen Schritte müssen ein Beginn und ein Ende erkennen lassen, die Prozessbeteiligten benennen und ihre Aufgaben und Verantwortung klar formulieren. Doppelarbeit und Überschneidung von Zuständigkeiten sind zu vermeiden. Nachhaltige Prozesse müssen langfristig aufgesetzt sein und institutserhaltende Auswirkungen entfalten. Folglich müssen sie personenunabhängig aufgestellt werden, d.h. Prozessadressaten müssen nicht einzelne Mitarbeiter, sondern die von Mitarbeitern bekleideten Positionen sein. Ansonsten würde ein Mitarbeiterwechsel auch eine Prozessänderung nach sich ziehen. Insoweit hilft das von der Deutsche Bank AG eingeführte Governance Modell des Duty Approach, das an Positionen anknüpft und potentiellen Unklarheiten über die Zuständigkeiten vorbeugt. Besonders zu beachten sind bei der Aufsetzung von Prozessen die zuvor genannten Anforderungen (siehe dazu oben unter 1.) an die organisatorische und funktionale Trennung. Miteinander nicht zu vereinbarende Tätigkeiten dürfen nicht von einer und derselben Position durchgeführt und verantwortet werden. Beispielsweise dürfen die Mitarbeiter der Internen 43 G30 Studie, S. 39 f. 44 G30 Studie, S. 39. 45 G30 Studie, S. 39 f. 46 Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, AT 4.3.1, S. 293. 47 Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, AT 4.3.1, S. 293.

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II. Robuste Governance Unternehmensstruktur

Teil 2

Revision nicht mit revisionsfremden Aufgaben im Rahmen eines Prozesses (BT 2.2 Tz. 2 Satz 1 MaRisk) betraut, oder die Kontrollen der Marktüblichkeit von Geschäftsabschlüssen (BTO 2.2.2 Tz. 5 MaRisk) dem Handel überlassen werden. Allerdings bedeutet die Berücksichtigung des Funktionstrennungsprinzips und des Three Lines of Defense Modells nicht, dass nachhaltige Prozesse immer siloartig nur in den Geschäftsbereichen oder in den marktunabhängigen Bereichen, bzw. in der gleichen Verteidigungslinie, konzentriert werden dürfen. Auch aus Effizienzgründen und zwecks Vermeidung von Doppelarbeit erscheint eine Aufteilung der Prozesse vorzugswürdig, solange diese Aufteilung im Einklang mit den regulatorischen Vorschriften und anderen rechtlichen Bestimmungen steht. Dadurch werden die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Organisationseinheiten des Instituts sowie der effektive Informationsaustausch gefördert. Deswegen sind sogenannte Prozessmischformen durchaus zulässig und aufgrund potentieller Synergien sogar sinnvoll.48 Als Faustregel gilt:49 alle Prozesse und Aufgaben, die nach dem KWG, MaRisk oder anderen regulatorischen Vorgaben nicht ausdrücklich in einem geschäftsunabhängigen Bereich anzusiedeln sind, können im Ermessen der Institute sowohl den Geschäftsbereichen als auch den geschäftsunabhängigen Bereichen oder anderen Organisationseinheiten zugeteilt werden, solange dadurch bei einem Mitarbeiter unter Risikogesichtspunkten keine schwerwiegenden Interessenkonflikte oder andere Inkompatibilitäten entstehen und die Verantwortung für die einzelnen Prozessschritte sowie für den Gesamtprozess eindeutig ersichtlich bzw. bestimmbar ist. Jeder Prozess kann jedoch ins Leere laufen, wenn er von den Mitarbeitern nicht „gelebt“ wird. Hier kommt der Unternehmenskultur eine besondere Bedeutung zu. Auch BCBS hebt ihre fundamentale Bedeutung hervor und empfiehlt ausdrücklich die Formulierung und die Erörterung der Unternehmenswerte in einem „Code of Ethics“ oder „Code of Conduct“.50 Die Unternehmenskultur muss das angemessene Verhalten der Organe und der Mitarbeiter unterstützen, das fehlerhafte Verhalten entsprechend sanktionieren und die „Selbstreinigung“ der Organisation quasi permanent und konsequent ermöglichen.51 Nachhaltige Governance Prozesse sind daher immer an den individuellen Werten eines Instituts ausgerichtet und schließen diese in die einzelnen Prozessschritte ein; solche Prozesse sollten einfach zu verstehen und zu dokumentieren sein und das 48 Vgl. dazu beispielsweise Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, BTO 1.1 4.3.1, S. 670 f. zu der Zuordnung der Prozesse im Kreditbereich. 49 Ähnlich für den Kreditbereich Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, BTO 1.1 4.3.1, S. 670. 50 BCBS, Governance Principles, S. 5 (8, 9). 51 Neßler/Lis, ZCG 2015, 113 (115).

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

Verantwortungsbewusstsein und das Mitdenken bei den Mitarbeitern fördern. „In Unternehmen wird menschliches Handeln organisiert, so dass letztlich an den Menschen und deren Wertvorstellungen sowie deren individuellem und kollektivem Verhalten innerhalb der Organisation angesetzt werden muss.“52

III. Vermeidung von Formalismus und Komplexität Zu detaillierte, weit über die regulatorischen Anforderungen, aufgesetzte Prozesse, die übertriebene Dokumentationspflichten begründen und den Mitarbeitern keinen freien Raum zum flexiblen Handeln eröffnen, gefährden die ordnungsgemäße Organisation eines Instituts. So entsteht das Risiko unnötig Ressourcen zu binden, den Eindruck einer Scheinsicherheit zu erwecken und das Bewusstsein für die eigene Verantwortung zu mindern, da sich die Mitarbeiter auf die einzelnen Prozessschritte konzentrieren und dadurch das wertorientierte Agieren in den Hintergrund gedrängt werden könnte. Die Geschäftsleitung und das Senior Management laufen dadurch Gefahr, primär die Erfüllung der Prozesse und nicht das Bank- und Handelsgeschäft zu steuern und zu überwachen. Die eigene Initiative bei den Mitarbeitern und ihr Mitdenken können in den Hintergrund geraten und werden durch die Fokussierung auf die Einhaltung detaillierter Prozessschritte und ihrer Dokumentation ersetzt. Es kann der Anschein entstehen, dass die Erfüllung der einzelnen Prozessschritte und ihre Dokumentation zugleich immer zur Erfüllung bzw. der Einhaltung von regulatorischen und gesetzlichen Anforderungen führen. Auffälligkeiten oder Divergenzen sind schwer nachzugehen bzw. rechtzeitig zu eskalieren. Zu detaillierte Prozesse können zudem zu unnötiger Komplexität führen. Zu komplex aufgesetzte Prozesse, die insbesondere die Adressaten von Entscheidungen und die Entscheidungsfindung nicht erkennen lassen, können genauso schädlich für Institute und eine gute Governance sein, wie zu wenig definierte Prozesse. Die Komplexität begünstigt die Intransparenz (Opazität)53 und die (unbeabsichtigte) Verschleierung der Verantwortung für wichtige Entscheidungen. Die ordnungsgemäße Organisation des Instituts kann insgesamt beschädigt werden. In diesem Zusammenhang kommt der Internen Revision eine besondere Bedeutung zu. Als prozessunabhängige Funktion54 ist sie verpflichtet u.a. risikoorientiert die Ordnungsmäßigkeit aller Aktivitäten und Prozesse zu prüfen und zu beurteilen, unabhängig davon, ob diese ausgelagert sind oder nicht (MaRisk AT 4.4.3). Die Interne Revision prüft die Qualität und 52 Neßler/Lis, ZCG 2015, 113 (115). 53 Vgl. dazu Paetzmann in Paetzmann/Schöning (Hrsg.), Corporate Governance von Kreditinstituten, 2014, S. 3 (15 ff.). 54 Vgl. dazu Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013, AT 4.3.3, S. 429 ff.

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IV. Zusammenfassung

Teil 2

die Effizienz des internen Kontrollsystems, der ersten und zweiten Verteidigungslinien sowie der Risiko Governance55 und hilft dem Vorstand und dem Senior Management die ordnungsgemäße Organisation des Instituts und seine Reputation zu schützen.56 Zu den Aufgaben einer modernen Internen Revision57 gehört auch die Prüfung der internen Prozesse auf unnötigen Formalismus und Komplexität. Festgestellte Mängel muss die Interne Revision zeitnah in ihre Berichte aufnehmen und grundsätzlich den fachlich zuständigen Mitgliedern der Geschäftsleitung vorlegen (MaRisk BT 2.4.1). Sodann hat sie die fristgerechte Beseitigung der festgestellten Mängel zu überwachen (MaRisk BT 2.5).

IV. Zusammenfassung Nachhaltige Governance Prozesse können nur innerhalb robuster Governance Strukturen eingerichtet werden. Sie zeichnen sich durch Klarheit und Transparenz aus, stehen im Einklang mit der Unternehmenskultur und lassen die Verantwortlichen für die einzelnen Prozessschritte, aber auch für die Gesamtsteuerung und Überwachung des Prozesses, erkennen. Solche Prozesse sichern den Gleichlauf von Risiko und Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen und unterstützen die klaren Mandate und die Kultur der Verantwortung innerhalb der Organisation. Moderne und flexible Governance Standards, wie der Duty Approach und das Three Lines of Defense-Modell, erlauben den Instituten ihre Governance und Kontrollstrukturen auf die gesteigerten regulatorischen Anforderungen auszurichten und zugleich weiterzuentwickeln. Der Internen Revision kommt eine gesteigerte Bedeutung zu. Als prozessunabhängige Funktion muss sie die Erhaltung der Nachhaltigkeit unterstützen und zugleich auf die zeitnahe Beseitigung der durch Formalismus und Komplexität geschaffenen Gefahren hinwirken. So wird sichergestellt, dass nachhaltige Governance Prozesse erhalten bleiben.

55 BCBS definiert den Risiko Governance Rahmen wie folgt: „As part of the overall corporate governance framework, the framework through which the board and management establish and make decisions about the bank’s strategy and risk approach; articulate and monitor adherence to risk appetite and risk limits visà-vis the bank’s strategy; and identify, measure, manage and control risks.“ Vgl. BCBS, Governance Principles, S. 2. 56 BCBS, Governance Principles, S. 11 und S. 32. 57 Vgl. dazu Schartmann/Mertmann, Börsenzeitung v. 16.6.2015, Nr. 111, S. 4.

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Kapitel 5 Nachhaltigkeit der materiellen Anforderungen an regulatorisches Eigenkapital von Kreditinstituten nach der CRR Angela Görner*

Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Eigenkapitalpositionen des Kreditinstituts nach der CRR III. Stabilität durch Langfristigkeit 1. Keine Laufzeitbefristung und eingeschränkte Kündigungs­ optionen 2. Flexibilität durch außerordentliche Kündigungsrechte des Instituts 3. Tatsächliche Nachhaltigkeit als Voraussetzung für die Erlaubnis zur Rückzahlung? a) Ersetzung des Kapitals bei nachhaltiger Ertragslage b) Solide Kapitalausstattung IV. Stabilität durch Verlustabsorption

1. Hartes Kernkapital 2. Zusätzliches Kernkapital a) Verlustbeteiligung bei Auslöseereignis b) Die Varianten der „Verlustbeteiligung“ bei zusätzlichem Kernkapital V. Wiederzuschreibung als Ergebnis einer erfolgreichen Selbstregenera­ tion VI. Erhaltung der Stabilität durch Flexibilität bei Ausschüttungen VII. Nachrangigkeit der Eigenmittel­ instrumente VIII. Kapitalabzugsposition IX. Fazit

Literatur: Arentz, Finanzmarktregulierung – notwendig oder Übel?, Otto-Wolff-Institut Discussion Paper 7/2008; Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Kommentar zum Kreditwesengesetz, 2. Aufl. 2011; Hoffmann-Becking (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4: Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2015; Schäfer, Nachhaltige Finanzmärkte: Finanztransaktionssteuer und hohe Eigenkapitalpuffer sind unverzichtbar, DIW Wochenbericht, Nr. 8/2013; Schäfer, Nachhaltige Finanzmärkte – eine Bestandsaufnahme nach fünf Jahren Finanzkrise, Begleitpapier zur internen Anhörung der Projektgruppe Nachhaltig gestaltende Ordnungspolitik der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität am 21.5.2012, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2012.

I. Einleitung Die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und die Stabilisierung der Kredit­ institute und damit auch des Finanzsystems ist eines der zentralen Anlie-

* Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

gen von Basel III1 und der Umsetzung in der CRR2 und CRD IV.3 Stabilisierung und die damit als Ziel gesetzte Stabilität ist aber auch eines der maßgeblichen Kriterien für einen nachhaltigen Finanzsektor.4 Ein Kernaspekt des Regulierungspakets auf Grundlage von Basel III ist die Verbesserung der regulatorischen Eigenkapitalbasis5, die dazu beitragen soll, dass das einzelne Institut in zukünftigen Krisen stabil bleibt und plötzlich auftretende Verluste absorbieren kann. Dies führt zu der Frage, ob die durch Basel III und die CRR gesetzten höheren Anforderungen an das Eigenkapital, die zur Stabilisierung des Finanzsystems führen sollen, auch dazu beitragen, einen nachhaltigen Finanzsektor zu schaffen. Denn Stabilität ist eines der wesentlichen Kriterien eines nachhaltigen Finanzsektors.6 Hierbei gilt es jedoch auch zu berücksichtigen, dass Stabilität eines Finanzsystems allein noch nicht ausreicht, um dieses auch als nachhaltig einstufen zu können.7 Erforderlich ist vielmehr zudem, dass das System mit Blick auf die Zukunft und somit langfristig stabil bleiben kann.8 Für ein nachhaltiges Finanzsystem ist somit auch notwendig, dass es die Fähigkeit hat, sich selbst zu regenerieren, um Krisen ohne externe staatliche (Unter-)Stützungsmaßnahmen überstehen zu können.9 Es sind somit drei Kriterien für ein nachhaltiges Finanzsystem von Bedeutung: Stabilität, Langfristigkeit und die Fähigkeit zur Selbstregeneration. Die strengeren Eigenkapitalanforderungen gemäß CRR und CRD IV ­haben nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Dimen­ sion. Die quantitativen Anforderungen betreffen die Höhe der Eigen­ kapitalpositionen, die die Bank vorhalten muss. Hierunter fallen bei­ spiels­weise die Höhe der harten Kernkapitalquote sowie die verschiedenen Kapitalpuffer, die zusätzlich von den Banken einzuhalten sind. Gegenstand der qualitativen Dimension hingegen sind die inhaltlichen An­ forderungen an die „tatsächliche Qualität“ der einzelnen Kapitalinstrumente, die als Eigenkapitalpositionen des Instituts angerechnet werden 1 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Banksysteme (Basel III), rev. 2011; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Juni 2013, S. 59. 2 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012. 3 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG. 4 Siehe hierzu in diesem Band Kap. 2, S. 17 ff.; vgl. Schäfer, DIW Wochenbericht, Nr. 8/2013, 3 (5). 5 Basel III, S. 2. 6 Siehe hierzu in diesem Band Kap. 2, S. 17. 7 Schäfer, DIW Wochenbericht, Nr. 8/2013, 3 (5). 8 Zur Langfristigkeit siehe in diesem Band Kap. 1, S. 2. 9 Schäfer, DIW Wochenbericht, Nr. 8/2013, 3 (5); siehe dazu auch in diesem Band Kap. 9, S. 201.

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Teil 2

II. Eigenkapitalpositionen des Kreditinstituts nach der CRR

sollen.10 Letztere Dimension steht im Fokus der nachfolgenden Untersuchung, ob durch die qualitativen Anforderungen an regulatorisches ­Eigenkapital nach der CRR die zentralen drei Kriterien für die Nachhaltigkeit eines Finanzsystems erfüllt werden.

II. Eigenkapitalpositionen des Kreditinstituts nach der CRR Die regulatorischen Eigenmittel einer Bank setzen sich aus drei Kapitalklassen zusammen: Instrumente des harten Kernkapitals (Common Equity 1 (CET-1)11), zusätzliches Kernkapital (Additional Tier 1 (AT-1)12) sowie Ergänzungskapital (Tier 2). Das harte Kapital sowie das zusätzliche Kernkapital sollen die Fortführung des Geschäftsbetriebes des Instituts ermöglichen, indem das Kapital auf laufender Basis für die Deckung etwaiger Verluste zur Verfügung steht. Diese beiden Arten von Kapitalinstrumenten werden dementsprechend als going concern capital bezeichnet,13 da sie das Institut vor einer Insolvenz schützen sollen. Die CRR sieht sowohl für CET-1 als auch AT-1 einen umfangreichen Katalog von Anforderungen vor. Bei hartem Kernkapital liegt diesen Anforderungen als Leitbild das Kapital einer Aktiengesellschaft zugrunde. Typische AT-1 Kapitalinstrumente waren vor dem Inkrafttreten der CRR insbesondere die Einlagen stiller Gesellschafter. Die Begebung von AT-1 Kapital erfolgte nach Inkrafttreten der CRR in der Regel in Form von (Inhaber)-Schuldverschreibungen.14 Zweck des Ergänzungskapitals hingegen ist der Schutz der Gläubiger im Falle der Insolvenz oder Liquidation der Bank und es wird daher auch als gone concern capital bezeichnet. Es soll bei Nichtfortführung des Geschäftsbetriebes Verluste auffangen.15 In dieser Situation hat das Institut seine Stabilität verloren und es hat sich manifestiert, dass es nicht in der Lage ist, aus sich selbst heraus seine Stabilität wieder herzustellen. Bereits aufgrund dieser Zwecksetzung ist dem Ergänzungskapital damit der Nachhaltigkeitsgedanke nicht vergleichbar inhärent wie dies bei CET-1 und AT-1 der Fall ist, weshalb die nachfolgende Darstellung allein auf CET-1 und AT-1 Bezug nimmt.

10 Deutsche Bundesbank, Basel III, 2011, S. 9. 11 Im nachfolgenden wird entweder der Begriff hartes Kernkapital oder CET-1 Kapital verwendet. 12 Im nachfolgenden wird entweder der Begriff zusätzliches Kernkapital oder AT-1 Kapital verwendet. 13 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Juni 2013, S. 60. 14 AT-1 Kapital und somit Kernkapital zweiter Klasse war unter dem KWG bis zur KWG-Novelle im Jahr 2011 nur in Form von stillen Einlagen möglich. 15 Basel III, S. 19, Rz. 58; Deutsche Bundesbank, Basel III, 2011, S. 16.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

III. Stabilität durch Langfristigkeit Die CRR sieht verschiedene Anforderungen vor, die sicherstellen, dass die Kernkapitalinstrumente dem Institut langfristig zur Verfügung stehen. 1. Keine Laufzeitbefristung und eingeschränkte Kündigungsoptionen Sowohl für hartes als auch für zusätzliches Kernkapital fordert die CRR, dass die entsprechenden Instrumente eine unbeschränkte Laufzeit haben müssen. Hierdurch wird sichergestellt, dass dem Institut das Kapital dauerhaft zur Verfügung steht. Beim harten Kernkapital ist die Dauerhaftigkeit zusätzlich darin verankert, dass Kapital nur dann als CET-1 anerkannt wird, wenn die für das Instrument geltenden Bestimmungen weder implizit noch explizit dazu führen können, dass – außer im Falle der Insolvenz oder Liquidation des Instituts – das Kapital verringert oder zurückgezahlt wird. Rückkäufe oder eine Verringerung des Kapitals in anderer Weise sind nur möglich, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde hierzu ihre Erlaubnis erteilt. Diese ist jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft (vgl. III. 3.). Eine Kündigung oder anderweitige Rückgabe des Kapitals durch den Inhaber des Instruments ist somit ausgeschlossen. Auch bei zusätzlichem Kernkapital ist es nach Art. 52 CRR zwingend, dass dem Inhaber nach den Bedingungen des jeweiligen Instruments keine Kündigungsrechte zustehen. Dem Institut können dagegen Kündigungsoptionen eingeräumt werden. So kann nach Art. 52 Abs. 1 lit. j CRR in Verbindung mit Art. 77 CRR in den Bedingungen der Instrumente ein ordentliches Kündigungsrecht des Instituts nach fünf Jahren vorgesehen werden. Auch wenn eine solche Kündigungsmöglichkeit bereits nach fünf Jahren auf den ersten Blick die Langfristigkeit des AT-1 Kapitals in Frage zu stellen scheint, sieht die CRR hinreichend hohe Voraussetzungen vor, dass die langfristige Kapitalausstattung des Kreditinstituts hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Die Kündigung bedarf wie bei CET-1 Kapital zum einen der vorherigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde, deren Erteilung an strenge Voraussetzungen geknüpft ist (vgl. III. 3.). Nach Art. 28 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 241/2014 der Kommission v. 7.1.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Eigenmittel­ anforderungen an Institute (Delegierte VO Nr. 241/2014) muss das Institut zudem das Kapital, das zurückgezahlt werden soll, bereits dann von seinen Eigenmitteln abziehen, wenn mit hinreichender Sicherheit die Rückzahlung des Kapitals zu erwarten ist und die Genehmigung der Aufsichtsbehörde vorliegt. Eine hinreichende Sicherheit gilt insbesondere

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III. Stabilität durch Langfristigkeit

Teil 2

dann als gegeben, wenn das Institut öffentlich seine Absicht angekündigt hat, ein Eigenmittelinstrument zurückzuzahlen. Darüber hinaus dürfen die Bedingungen – und dies betrifft insbesondere die Verzinsungsstruktur des Instruments – nicht so ausgestaltet sein, dass sie für das Institut einen Anreiz zur Tilgung und somit zur Ausübung des Kündigungsrechts darstellen. Nach Art. 20 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 gilt unter anderem eine (Rück-)Kaufoption und somit ein Kündigungsrecht in Verbindung mit einer Erhöhung des Kredit-Spreads des Instruments für den Fall, dass das Kündigungsrecht nicht ausgeübt wird, als ein unzulässiger Tilgungsanreiz. Damit soll verhindert werden, dass die Verzinsung von vorneherein so gewählt wird, dass sich die Wahrscheinlichkeit der Kündigung nach fünf Jahren erhöht und dadurch die Erwartung der Marktteilnehmer geweckt wird, dass es zu einer Rückzahlung des Instruments kommen wird.16 2. Flexibilität durch außerordentliche Kündigungsrechte des Instituts Die Dauerhaftigkeit der Eigenkapitalinstrumente kann sich aber für das Institut nicht nur positiv auswirken. Es sind auch Fälle denkbar, in denen die aus einem Instrument resultierenden Zahlungsverpflichtungen zu einer übermäßigen Belastung werden können. Um dieser Situation vorzubeugen, sieht die CRR in eingeschränkten Fällen, und zwar bei regulatorischen und steuerrechtlichen Änderungen, die das Eigenmittelinstru­ment betreffen, eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit des Instituts vor. So kann nach Art. 78 Abs. 4 CRR die zuständige Aufsichtsbehörde der Rückzahlung des Kapitals auch vor dem Ablauf von fünf Jahren zustimmen, wenn sich die aufsichtsrechtliche oder steuerrechtliche Behandlung des jeweiligen Instruments ändert. Dies gilt für alle drei Kapitalklassen. Eine Kündigung wegen regulatorischer Änderungen nach Art. 78 Abs. 4 lit. a CRR setzt im Kern voraus, dass das Kapital in Folge der Änderung der Einstufung der Eigenmittel nicht mehr in seiner ursprünglichen Kapitalklasse in den Eigenmitteln angerechnet werden kann.17 Die Kündigungsmöglichkeit kann somit verhindern, dass ein Institut weiterhin zur Zahlung der in der Regel höheren Verzinsung des Kapitalinstruments aufgrund der Einstufung als Eigenkapitalbestandteil verpflichtet ist, obwohl das Kapital nicht mehr oder nur in geringer Qualität als Eigenmittel angerechnet werden kann.

16 Erwägungsgrund 13 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 241/2014. 17 Siehe hierzu auch die Umsetzung der Anforderungen in den Musterbedingungen Kapitalinstrumente AT-1-Instrument Typ A (write-down/write-up) des Bankenverbandes von März 2014 (abrufbar unter https://bankenverband.de/media/file/ AT1-TypA_Finale-Fassung_20022014_aktualisiert-Maerz2014.pdf; zuletzt abgerufen am 22.7.2015).

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

Auch das Kündigungsrecht im Falle einer steuerrechtlichen Änderung nach Art. 78 Abs. 4 lit. b CRR schützt das Institut vor einer unkalkulierbaren Erhöhung der Kosten für die Eigenkapitalbegebung.18 Diese Bestimmung setzt voraus, dass sich die steuerrechtliche Behandlung des Instruments ändert, diese Änderung wesentlich ist und zum Zeitpunkt der Emission unvorhersehbar war. Hierunter fallen insbesondere Fälle, in denen sich die steuerrechtliche Abzugsfähigkeit der Vergütung, die auf das Kapitalinstrument zu zahlen ist, ändert.19 3. Tatsächliche Nachhaltigkeit als Voraussetzung für die Erlaubnis zur Rückzahlung? Die CRR sieht zwei alternative Voraussetzungen vor, unter denen die Aufsichtsbehörde die notwendige Erlaubnis für die Rückzahlung erteilen kann (vgl. III. 1.). Diese gelten sowohl für eine ordentliche Kündigung des Instituts nach Ablauf von mindestens fünf Jahren als auch für die soeben dargelegten beiden außerordentlichen Kündigungsmöglichkeiten bei steuerrechtlichen oder regulatorischen Änderungen. a) Ersetzung des Kapitals bei nachhaltiger Ertragslage Voraussetzung nach Art. 78 Abs. 1 lit. a CRR ist, dass das Institut die betroffenen Eigenmittelinstrumente durch Kapitalinstrumente mit zumindest gleicher Qualität zu Bedingungen ersetzt, die im Hinblick auf die Ertragsmöglichkeiten des Instituts nachhaltig sind. Dies ist die einzige Bestimmung in der CRR, in der der Begriff „nachhaltig“ oder „Nach­ haltigkeit“ verwendet wird. Die in Art. 78 Abs. 2 CRR enthaltene nähere Konkretisierung dieser Anforderung zeigt jedoch, dass mit dem Begriff „nachhaltig“ nicht die zentralen Begriffe, die für eine Nachhaltigkeit des Finanzsektors maßgeblich sind, in Bezug genommen werden. Denn nach Art. 78 Abs. 2 CRR soll die Behörde bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit der Ertragsmöglichkeit das Ausmaß, in dem die Ersatz-Kapitalinstrumente kostspieliger für das Institut wären als die Instrumente, die sie ersetzen würden, berücksichtigen. Es steht hier somit die Ertragslage und nicht etwa die Stabilität des Instituts oder die Verstärkung der Fähigkeit zur Selbstregeneration beispielsweise durch eine höhere Verlustabsorption des Eigenkapitals im Vordergrund. Letzteres könnte beispielsweise der Fall sein, wenn ein Instrument des Ergänzungskapitals mit einem AT-1 Instrument ersetzt werden würde, da – anders als bei AT-1 Kapital – Ergänzungskapital nicht am Verlust des Instituts teilnehmen muss. Auch bei einer Ersetzung von AT-1 Kapital durch CET-1 Kapital würde sich das Haftungspotential verbessern. Der Aspekt der Langfristigkeit kommt ebenfalls bei der Definition in Art. 78 Abs. 2 CRR des Begriffes „nachhaltig“ nicht zum Tragen. 18 Vgl. European Banking Authority, EBA Report, Rz. 30. 19 Siehe die Formulierung in § 5 Abs. 3 der Musterbedingungen AT-1.

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III. Stabilität durch Langfristigkeit

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Auch in der weiteren Konkretisierung der Begrifflichkeit „im Hinblick auf die Ertragsmöglichkeiten des Instituts nachhaltig“ in der Delegierten VO Nr. 241/2014 erfolgt keine Inbezugnahme zu Kriterien der Stabilität, Möglichkeit der Selbstregeneration und/oder Langfristigkeit. Nach Art. 27 der Delegierten VO Nr. 241/2014 soll nämlich diese Begrifflichkeit bedeuten, dass die Rentabilität des Instituts zum betreffenden Zeitpunkt und in absehbarer Zeit solide bleiben bzw. sich nicht negativ verändern wird, wenn die Instrumente ersetzt werden. Bei dieser Bewertung soll die Aufsichtsbehörde darüber hinaus die Rentabilität in Stresssituationen berücksichtigen. Es wird also die Ertragslage des Instituts und somit die aus der Ersetzung resultierenden finanziellen Belastungen für das Institut in den Fokus gerückt. Allerdings muss zum einen konstatiert werden, dass zumindest mittelbar auch die Stabilität des Instituts relevant sein wird, da von der Behörde bei ihrer Entscheidung auch die Rentabilität in Stresssituationen zu berücksichtigen ist. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass bei den Anforderungen gemäß Art. 78 Abs. 4 lit. a CRR bezüglich der Rückzahlung des Instruments dem Aspekt der Nachhaltigkeit bereits Rechnung getragen wird, indem das zurückzuzahlende Kapital grundsätzlich immer durch mindestens gleichwertiges Kapital ersetzt werden muss und somit die Risikodeckung nicht beeinträchtigt wird. b) Solide Kapitalausstattung Auch beim zweiten Kriterium, auf das die Aufsichtsbehörde die Erlaubnis zur Rückzahlung stützen kann, findet der Aspekt der Stabilität Berücksichtigung. Nach Art. 78 Abs. 1 lit. b CRR muss das Institut der Behörde nachweisen, dass auch nach der Rückzahlung des Eigenkapital­ instruments die Anforderungen an die Eigenmittel nach Art. 92 Abs. 2 CRR sowie die kombinierten Kapitalpufferanforderungen um eine Spanne übertroffen werden, die die Aufsichtsbehörde nach Art. 104 Abs. 3 CRD IV gegebenenfalls festlegt. Darüber hinaus muss der Erlaubnisantrag für die Rückzahlung u.a. eine Darstellung der (potentiellen) Risiken, denen das Institut ausgesetzt ist, und eine Bewertung enthalten, ob die Höhe der Eigenmittel eine angemessene Deckung der Risiken gewährleistet. Hierbei müssen auch die Auswirkungen von Stresstests zu den Hauptrisiken des Eintritts der potentiellen Verluste in verschiedenen Szenarien berücksichtigt werden. Die Aufsichtsbehörde wird einer Rückzahlung eines Eigenmittelinstruments demnach nur zustimmen, wenn hierdurch die Eigenkapitalquote auch unter Berücksichtigung von Stressszenarien solide bleibt und somit im Ergebnis die Stabilität des Instituts durch die Kapitalmaßnahme nicht beeinträchtigt wird. Es hat sich gezeigt, dass die Anforderungen nach Art. 78 Abs. 4 lit. a und b die Stabilität des Instituts voraussetzen. Es ist in diesem ZusammenGörner | 95

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

hang allerdings überraschend, dass die CRR bei den Kriterien, die auf die Stabilität des Instituts referenzieren, gerade nicht den Begriff der „Nachhaltigkeit“ verwendet, sondern dieser Begriff nur in Bezug auf die Ertragslage des Instituts aufgeführt wird.

IV. Stabilität durch Verlustabsorption Die Fähigkeit des Eigenkapitals, Verluste zu absorbieren, ist eines der entscheidenden Kriterien sowohl für die Stabilisierung und Widerstandsfähigkeit eines Instituts als auch für das Ausmaß seiner Selbstregenerationskräfte. 1. Hartes Kernkapital Die CRR fordert, dass das harte Kernkapital im Verhältnis zu allen weiteren vom Institut begebenen Kapitalinstrumenten bei Auftreten von Verlusten den ersten und proportional größten Anteil des Verlustes trägt. Innerhalb der CET-1 Kapitalklasse trägt jedes Kapitalinstrument den Verlust im gleichen Grad wie die anderen Instrumente des harten Kernka­ pitals. Diese Regelungen verdeutlichen, dass hartes Kernkapital die ­Ka­pitalklasse ist, die in höchstem Maße zur Stabilisierung und Widerstandsfähigkeit des Instituts beitragen soll. 2. Zusätzliches Kernkapital a) Verlustbeteiligung bei Auslöseereignis Zentraler Anknüpfungspunkt einer Verlustbeteiligung eines Instruments des zusätzlichen Kernkapitals ist, anders als bei den früheren Instrumenten wie beispielsweise stiller Einlagen unter dem KWG, nicht der Jahresfehlbetrag oder Bilanzverlust, sondern das sogenannte Auslöseereignis nach Art. 52 Abs. 1 lit. n CRR. Ein Auslöseereignis liegt vor, wenn die harte Kernkapitalquote des Instituts unter 5,125 % fällt. Ein Absinken unter dieser Quote kann aufgrund eines „echten“ Kapitalverlustes im Sinne eines Jahresfehlbetrags entstehen. Darüber hinaus kann aber auch die Erhöhung der risikogewichteten Forderungsbeiträge zu einer Verringerung der harten Kernkapitalquote führen. Das zusätzliche Kernkapital soll somit auch dazu dienen, eine risikoreichere Geschäftstätigkeit abzudecken. Das Institut kann das Auslöseereignis (Trigger) auch an einen Wert knüpfen, der über 5,125 % liegt. Dies führt dazu, dass die Inhaber der Kapital­

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IV. Stabilität durch Verlustabsorption

Teil 2

instrumente an den Verlusten bereits früher beteiligt werden und das Kapital damit eine größere stabilisierende Wirkung aufweist.20 Nach der CRR ist unklar, ob für das Auslöseereignis auf die Einzelebene oder auf die Gruppenebene der Beaufsichtigung des Instituts abzustellen ist. Der EBA-Report zu AT-1 Instrumenten21 hat hierzu klargestellt, dass sich das Auslöseereignis auf alle Ebenen beziehen muss, auf denen das Institut beaufsichtigt wird. Dies bedeutet, dass bei einem Institut, das auf konsolidierter Basis und auf Einzelbasis beaufsichtigt wird, eine Verlustbeteiligung ausgelöst wird, wenn entweder die harte Kernkapitalquote des Instituts oder aber die der Institutsgruppe den Wert von 5,125 % unterschreitet. An diesem Ansatz ist positiv zu bewerten, dass die Sicherung lediglich eines Instituts unter Umständen nicht effektiv ist, wenn die Kernkapitalquote der Gruppe insgesamt zu niedrig ist. Letztlich ist entscheidend, die Solvenz der gesamten Gruppe sicherzustellen. b) Die Varianten der „Verlustbeteiligung“ bei zusätzlichem Kernkapital Die CRR sieht bei den Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals drei Möglichkeiten der Verlustbeteiligung bei einem Auslöseereignis vor. Es kann der Kapitalbetrag des Instruments entweder dauerhaft oder vorübergehend herabgeschrieben werden. Alternativ kann auch eine Umwandlung in Instrumente des harten Kernkapitals erfolgen. Bei allen drei Varianten ist Voraussetzung, dass sich aus der Herabschreibung bzw. Umwandlung solche Kapitalposten ergeben, die nach den anwendbaren Bilanzierungsgrundsätzen als Posten des harten Kernkapitals gerechnet werden, so dass es wieder zu einer Erhöhung der harten Eigenkapitalquote kommt. Die Herabschreibung muss nach Art. 52 Abs. 4 lit. d CRR nicht nur den Rückzahlungsbetrag bei einer etwaigen Kündigung bzw. den Forderungsbetrag im Fall der Insolvenz umfassen, sondern auch den Ausschüttungsbetrag entsprechend reduzieren. Die Verzinsung muss somit so gestaltet sein, dass sie immer an den aktuellen Buchwert und nicht an den Nennwert zum Emissionszeitpunkt anknüpft. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass für das Institut im Falle eines Auslöseereignisses keine finanziellen Belastungen mehr aus dem Instrument resultieren und somit eine Reduzierung der Verbindlichkeiten des Instituts erfolgt. Die Verlustbeteiligung bei einem AT-1 Instrument führt somit im Ergebnis zu einer Verstärkung der Kapitalstruktur der Bank sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht und kann in Abhängigkeit von der Höhe der

20 Siehe beispielsweise die AT-1 Emission der Danske Bank mit einem Trigger von 7 %. 21 European Banking Authority, EBA Report, Rz. 72.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

Unterschreitung der harten Kernkapitalquote dazu beitragen, dass das Institut seine Stabilität wiedererlangt.

V. Wiederzuschreibung als Ergebnis einer erfolgreichen Selbstregeneration Besonders relevant im Zusammenhang mit den Anforderungen der Nachhaltigkeit ist jedoch die Variante der nur vorübergehenden Herabschreibung des AT-1-Instruments und der damit einhergehenden Möglichkeit der Wiederzuschreibung des Kapitalinstruments bis zur Höhe des Nennwertes des Emissionstags. Eine Wiederzuschreibung nach erfolgter Herabsetzung ist nach der CRR an zahlreiche Voraussetzungen geknüpft. – Eine Zuschreibung oder Auszahlung auf den reduzierten Nennbetrag steht im freien Ermessen des Instituts. Es darf somit in den Bedingungen für das Instrument kein Kriterium aufgenommen werden, nach dem das Institut zur Wiederzuschreibung verpflichtet wäre. – Es muss Gewinn in hinreichender Höhe festgestellt worden sein. Da alle vergleichbaren Instrumente, die der Herabschreibung unterlagen, anteilig aufgefüllt werden müssen, muss die Höhe des Gewinns dementsprechend den Zuschreibungsbetrag aller AT-1 Instrumente decken. Ferner darf durch die Zuschreibung kein Verlust entstehen. – Art. 21 der Delegierten VO Nr. 241/2014 sieht konkrete Regelungen für die Berechnung der Höhe des Betrages vor, der maximal für die Zuschreibung der Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals verwendet werden kann. Hierbei kommt folgende Formel zur Anwendung: Maximale Wiederzuschreibungsbetrag = J x N:K Dabei gilt: „N“ ist die Summe der Nennwerte aller AT-1-Instrumente, die der Herabschreibung unterlagen „J“ ist der festgestellte Gewinn des Instituts „K“ ist die Summe des Kernkapitals22 des Instituts Die CRR knüpft bei der Berechnung des maximalen Zuschreibungsbetrages an den „Gewinn“ an, so dass nach den Rechnungslegungsvorschriften gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) entweder an den Jahresüberschuss oder an den Bilanzgewinn angeknüpft werden könnte. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sollte die Berechnung stets an den Jahresüberschuss an-

22 In der deutschen Fassung wird hier auf die harte Kernkapitalquote abgestellt. Hierbei muss es sich um einen redaktionellen Fehler handeln, da in der englischen Fassung zutreffend auf die gesamte Kernkapitalquote abgestellt wird.

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VI. Erhaltung der Stabilität durch Flexibilität bei Ausschüttungen

Teil 2

knüpfen.23 Denn nur dann ist sichergestellt, dass die Geschäftstätigkeit wieder zu einem echten Gewinn des Instituts, bei dem die Erträge die Aufwendungen übersteigen führte, und nicht etwa ein Jahresfehlbetrag vorlag, der nur durch die Auflösung von Gewinnrücklagen zu einem Bilanzgewinn wurde. Die Formel der Berechnung des maximalen Wiederzuschreibungsbetrags führt im Ergebnis dazu, dass nur der Anteil des Jahresüberschusses für die Wiederzuschreibung des AT-1 Kapitals verwendet werden kann, der anteilig auf das gesamte AT-1 Kapital im Verhältnis zum gesamten Kernkapital entfällt. Ein weiterer begrenzender Faktor für die Höhe des Zuschreibungsbetrages besteht darin, dass dieser Zuschreibungsbetrag bei der Berechnung des ausschüttungsfähigen Höchstbetrages (Maximum Distributable Item) berücksichtigt wird. Dies bedeutet, dass der Zuschreibungsbetrag zusammen mit etwaigen Dividenden, anderen Ausschüttungen auf Geschäftsanteile und AT-1 Instrumenten in Bezug auf das jeweilige Geschäftsjahr den ausschüttungsfähigen Höchstbetrag nicht überschreiten darf.24 Die Anforderungen an die Berechnung des ausschüttungsfähigen Höchstbetrages sind in der CRD IV in Art. 141 Abs. 2 vorgegeben. Kommt es bei einem Institut nach einer Herabsetzung unter Erfüllung der oben dargestellten Anforderungen zu einer Wiederzuschreibung, so zeigt dies, dass die Fähigkeit der Selbstregeneration im Sinne der Nachhaltigkeit bei dem betroffenen Kreditinstitut in ausgeprägter Weise bestanden haben muss. Dies spiegelt den Kern der ratio legis der in der CRR vorgesehenen Möglichkeit der Wiederzuschreibung wider: Wenn ein Institut in der Lage ist, selbst und ohne externe (Unter-)Stützungsmaßnahmen durch eine ausreichende Kapitalbasis mit der Fähigkeit, Verluste zu decken, die eigene Stabilität wiederherzustellen und einen Gewinn zu erwirtschaften, dann ist es auch gerechtfertigt, die Zuschreibung wieder vorzunehmen.

VI. Erhaltung der Stabilität durch Flexibilität bei Ausschüttungen Sowohl für CET-1- als auch AT-1 Kapital gilt, dass die Nichtzahlung von Ausschüttungen keinen Ausfall des Instituts darstellt und dem Institut hierdurch keine Beschränkungen auferlegt werden dürfen.25 Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass im Ergebnis bei beiden Kapitalarten das Institut nicht verpflichtet sein darf, eine Ausschüttung vorzunehmen. Bei CET-1 und dem hierfür typischen Aktienkapital ist dies durch die aus § 174 AktG folgende Entscheidung 23 In den Musterbedingungen AT-1 wird an den festgestellten Jahresüberschuss angeknüpft. 24 § 5 Abs. 8 (b) (iii) der Musterbedingungen AT-1. 25 Siehe die Regelungen in Art. 28 Abs. 1 lit. h (vi) (vii) CRR und Art. 52 Abs. 1 lit. l (iv) (v) CRR.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns gewährleistet. Es steht der Hauptversammlung frei, den Bilanzgewinn an die Aktionäre auszuschütten, als Gewinn vorzutragen oder in die Gewinnrücklagen einzustellen.26 Der konkrete Gewinnanspruch des Aktionärs entsteht somit erst durch den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung, sofern die Hauptversammlung entscheidet, einen Gewinn auszuschütten.27 Bei AT-1 hingegen ist es nach der CRR zulässig, dass die Bedingungen des Kapitalinstruments grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen gewähren. Das Institut muss jedoch das Recht haben, jederzeit nach eigenem Ermessen die Zinszahlung ganz oder teilweise ausfallen zu lassen. Darüber hinaus erfolgt bei beiden Kapitalklassen eine Beschränkung der Ausschüttungen dahingehend, dass sie nur aus ausschüttungsfähigen Posten erfolgen dürfen. Ausschüttungsfähige Posten setzen sich nach Art. 4 Abs. 128 CRR zusammen aus (i) dem Gewinn am Ende des Geschäftsjahres zuzüglich (ii) etwaiger vorgetragener Gewinne und ausschüttungsfähiger Rücklagen abzüglich (iii) vorgetragener Verluste und nicht ausschüttungsfähiger Gewinne sowie Beträgen, die in die nicht ausschüttungsfähigen Rücklagen eingestellt sind, wobei diese Verluste und Rücklagen ausgehend vom Einzelabschluss des Instituts und auf Basis des konsolidierten Jahresabschlusses festgestellt werden. Die Regelungen über Ausschüttungen bei CET-1 Kapital und AT-1 Kapital haben eine gemeinsame Zweckrichtung, nämlich sicherzustellen, dass in einer Krisensituation keine Zahlungsverpflichtungen aus den Eigenkapitalposten entstehen. Sinn und Zweck des Eigenkapitals ist es gerade, in einer Krisensituation das Institut zu schützen. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn es die Belastungen des Instituts noch verstärken würde.

VII. Nachrangigkeit der Eigenmittelinstrumente Gemeinsame und zentrale Anforderung an Kernkapitalinstrumente ist die Nachrangigkeit.28 So muss nach Art. 28 Abs. 1 lit. j CRR CET-1 Kapital bei Insolvenz oder Liquidation des Instituts nachrangig gegenüber allen anderen Ansprüchen und AT-1 Kapital nachrangig gegenüber Instrumenten des Ergänzungskapitals sein. Durch die Nachrangigkeit kommt die Haftungsfunktion des Eigenkapitals zum Ausdruck. Allerdings realisiert sich dieses Haftungspotential erst in der Insolvenz oder Liquidation des Instituts und somit in dem Moment, in dem das Institut bereits instabil geworden ist und weder durch sich selbst oder durch externe (Unter-) 26 Siehe hierzu Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 47 Rz. 16. 27 Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 47 Rz. 26. 28 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2013, S. 60.

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VIII. Kapitalabzugsposition

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Stützungsmaßnahmen seine Stabilität wieder zurückerlangen konnte. Die nachrangige Stellung der Ansprüche aus Eigenkapitalinstrumenten trägt demnach im Ergebnis nicht unmittelbar zur Nachhaltigkeit eines Kreditinstituts bei. Die Nachrangstellung der Gläubiger von Eigenkapitalinstrumenten bewirkt jedoch den Schutz der anderen vorrangigen Gläubiger, denn diese werden bei einer etwaigen Insolvenz oder Liquidation oder auch nach einer Abwicklung gemäß SAG vor den Ansprüchen der Gläubiger von Eigenkapitalpositionen bedient. Das Ergänzungskapital kann daher wie ein Puffer wirken und hierdurch das Vertrauen der nicht nachrangigen Gläubiger erhöhen, dass die Ansprüche auch in der Insolvenz bedient werden. Steigt das Vertrauen wiederum in ein Institut kann dies eine für das Institut stabilisierende Wirkung haben.

VIII. Kapitalabzugsposition Stabilität des Finanzsystems insgesamt kann nur dann erreicht werden, wenn sichergestellt ist, dass eine Krise eines oder mehrerer Institute nicht zu einer unwillkürlichen „Ansteckung“ auch der anderen, zunächst noch stabilen, Finanzinstitute führt.29 Bei der Eigenkapitalausstattung wird dies mit Blick auf das Innenverhältnis einer Bankengruppe dadurch gewährleistet, dass nach Art. 52 Abs. 1 lit. b CRR ein AT-1-Instrument nicht von einem Tochterunternehmen des Instituts oder einem Unternehmen erworben werden darf, an dem das Institut eine Beteiligung in Höhe mindestens von 20 % des Kapitals des Unternehmens hält, wenn das Kapital als Eigenkapital angerechnet werden soll. In Bezug auf die Eigenkapital-Beziehungen der Banken untereinander und damit mit Blick auf die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes sind die Regelungen zu den Kapitalabzügen von besonderer Wichtigkeit. Basel III und die Umsetzung in der CRR haben zu einer Vereinheitlichung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben für die Kapitalabzugspositionen sowie zu einer erheblichen Verschärfung der Regelungen insbesondere dadurch geführt, dass die Kapitalabzüge fast ausschließlich vom harten Kernkapital erfolgen.30 Dabei gilt nach den Regelungen der CRR, dass Eigenkapitalpositionen von Unternehmen der Finanzbranche und somit insbesondere auch von anderen Kreditinstituten von den eigenen Eigenkapitalpositionen der gleichen Kapitalklasse abzuziehen sind. Die CRR sieht hierfür ein sehr differenziertes System der Abzugsregelungen vor, das hier nur in den Grundsätzen darstellt werden soll. Für alle drei Kapitalarten gilt, dass sowohl direkte, indirekte als auch synthetische Positionen in Eigenmittelinstrumenten eines Unternehmens 29 Schäfer, Nachhaltige Finanzmärkte, DIW 2012, S. 1; vgl. Arentz, Otto-Wolff-Institut Discussion Paper 7/2008, S. 8. 30 Deutsche Bundesbank, Basel III, 2011, S. 13.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

der Finanzbranche, das eine Überkreuzbeteiligung mit dem Institut eingegangen ist und diese nach Ansicht der Aufsichtsbehörde dem Ziel dient, die Eigenmittel des Instituts zu erhöhen, von der entsprechenden Kapitalklasse des Instituts abzuziehen sind. Bei der Berechnung der Höhe der Eigenkapitalquote darf dieser Kapitalposten demnach nicht berücksichtigt werden. Hierdurch sollen sogenannte Eigenmittelpyramiden verhindert werden, bei denen das Kapital mehrfach als haftendes Eigenkapital bei den jeweiligen Instituten zählt und somit auch der doppelten oder mehrfachen Absicherung von Risiken dienen würde.31 Aber auch dann, wenn bei den Unternehmen der Finanzbranche keine Überkreuzbeteiligungen bestehen, müssen direkte, indirekte und synthetische Positionen in Instrumenten eines anderen Unternehmens der ­Finanzbranche grundsätzlich von der der jeweiligen eigenen Beteiligung entsprechenden Kapitalklasse abgezogen werden. Die Berechnung der genauen Höhe des Abzugspostens ist davon abhängig, ob das Institut an dem anderen Unternehmen der Finanzbranche eine wesentliche Beteiligung (größer als 10 %) hält. In diesem Fall erfolgt ein direkter Abzug der Summe der Beteiligung an dem Eigenmittelinstrument des relevanten Unternehmens der Finanzbranche. Bei einer Beteiligung unter 10 % und somit einer nicht wesentlichen Beteiligung ist unter anderem für die Berechnung des Abzugspostens der Gesamtbetrag maßgeblich, um den die Beteiligungen an Eigenmittelinstrumenten des relevanten Unternehmens der Finanzbranche 10 % des harten Eigenkapitals des Instituts selbst überschreiten.32 Durch diese Abzugsregelungen wird sichergestellt, dass bei der Berechnung der Eigenkapitalausstattung des einzelnen Instituts bereits Positionen in Eigenmittelinstrumenten anderer relevanter Unternehmen des Finanzsektors berücksichtigt werden. Das Risiko der Verlustabsorption von Eigenmittelinstrumenten wird also bereits bei der Bestimmung der Verlusttragfähigkeit des Instituts selbst berücksichtigt. Sollte sich bei einer Investition beispielsweise in ein AT-1 Instrument eines anderen Kreditinstituts das Haftungspotential durch Herabschreibung realisieren, ist dieser Verlust in Form des um die Herabschreibung reduzierten Rückzahlungsanspruchs bereits mit Eigenkapital durch den direkten Abzug unterlegt worden.

31 Siehe zu den früheren Regelungen des KWG, Schaber in Luz/Neus/Schaber/ Schneider/Weber, Kommentar zum Kreditwesengesetz, § 10 Rz. 352. 32 Siehe hierzu Deutsche Bundesbank, Basel III, 2011, S. 16.

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IX. Fazit

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IX. Fazit Die Kernanforderungen, die in der CRR für die Anerkennung eines Kapitalinstruments als regulatorisches Eigenkapital vorgesehen sind, erfüllen gleichzeitig auch die die Nachhaltigkeit konkretisierenden Kriterien der Stabilität, der Fähigkeit zur Selbstregeneration sowie der Langfristigkeit. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die unbeschränkte Laufzeit der beiden Kernkapitalinstrumente sowie die strikten Anforderungen an die Einräumung von Kündigungsoptionen. Wichtig für die Stabilität eines Instituts ist auch die Verlusttragungsfähigkeit von AT-1- und CET-1 Instrumenten. Besonders hervorzuheben im Zusammenhang mit der Verlustbeteiligung ist die Möglichkeit bei AT-1 Instrumenten, nach einer Herabschreibung das Instrument bis zur Höhe des Nennwertes wieder hochzuschreiben. Ist ein Institut nach einer Krisensituation, in der es zur Herabschreibung von Eigenkapitalinstrumenten und somit zur Unterschreitung der harten Kernkapitalquote unter 5,125 % kommen musste, bei AT-1 Instrumenten trotz der strikten Anforderungen wieder zur Zuschreibung in der Lage, zeigt sich hieran die Fähigkeit zur Selbstregeneration, die die Wiederzuschreibung auch als angemessene Maßnahme erscheinen lässt.

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Kapitel 6 Nachhaltige Vergütungspolitik Falko Glasow*

Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungssektor 1. Finanzbranchenübergreifender Ansatz 2. Banken und Wertpapierfirmen 3. Investmentfonds 4. Versicherungen III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln 1. Individualebene: Verhaltenssteuerung

a) Erkannte Defizite und Instrumentalisierung b) Vergütungsvorgaben im Einzelnen 2. Unternehmensebene: Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen IV. Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung

Literatur: Annuß/Sammet, Anforderungen an Vergütungssysteme in Versicherungsunternehmen, BB 2011, 115; Armbrüster, Neue Vorgaben zur Managervergütung im Versicherungssektor, VersR 2011, 1; Bebchuck/Spamann, Regulating Bankers’ Pay, The Georgetown Law Journal Vol. 98 (2010), 247; Buscher, BaFin-Journal 01/11, Die neue Instituts-Vergütungsverordnung, 13; Buscher/Hannemann/Wagner/Weigl (Hrsg.), Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung – InstitutsVergV), 2014; En­ gert, Die Regulierung der Vergütung von Fondsmanagern – zum Umgang mit Copy-paste-Gesetzgebung nach der Finanzkrise, ZBB 2014, 108; Faber/v. Werder, Nicht-finanzielle Ziele als Element nachhaltiger Vorstandsvergütung, AG 2014, 608; Ferran, New Regulation of Remuneration in the Financial Sector in the EU, ECFR 2012, 1; Ferrarini/Ungureanu, Bankers’ Pay after the 2008 Crisis: Regulatory Reforms in the US and the EU, ZBB 2011, 418; Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an Risikomanagement (MaRisk), 4. Aufl. 2013; Heuchemer/ Kloft, Neue Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Instituts-Vergütungsverordnung), WM 2010, 2241; Insam/Heisterhagen/Hinrichs, Neue Vergütungsregelungen für Manager von Ka­ pitalverwaltungsgesellschaften: Variable Vergütung (to be) reloaded, DStR 2014, 913; Insam/Hinrichs/Hörtz, InstitutsVergV 2014: Alte und neue Fallstricke in der Ausgestaltung der Vergütung von Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen, WM 2014, 1415; Klebeck/Boxberger, OGAW-Vergütungsregulierung, GWR 2014, 253; Lackhoff/Kulenkamp, Neue Vorgaben des KWG für das Verhältnis von variabler und fixer Vergütung bei Kreditinstituten (§ 25a Abs. 5 KWG), AG 2014, 770; Langen/Schielke/Zöll, Schluss mit Boni? Vergütung in Instituten nach der MaRisk-Novelle, BB 2009, 2479; Leßmann/Hopfe, Neue Regeln für Vergütungssysteme in Finanzinstituten, DB 2010, 54; Louven/Ingwersen, Wie nachhaltig muss die Vor* Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

standsvergütung sein?, BB 2013, 1219; Merkelbach, Neue Vergütungsregeln für Banken – Institutsvergütungsverordnung 2.0, WM 2014, 1990; Müller-Bonanni/ ­ Mehrens, Neue Vergütungsregeln für Banken – Entwurf der Instituts-Vergütungsverordnung, NZA 2010, 792; Murphy, Regulating Banking Bonuses in the European Union: A Case Study in Unintended Consequences, European Financial Management Vol. 19 (2013), 631; Röttgen/Kluge, Nachhaltigkeit bei Vorstandsvergütungen, NJW 2013, 900; Wagner, Nachhaltige Unternehmensentwicklung als Ziel der Vorstandsvergütung, AG 2010, 774; Weibel/Rost/Osterloh, Disziplinierung der Agenten oder Crowding-out? – Gewollte und ungewollte Auswirkungen von variablen Löhnen, zfbf 2007, 1029.

I. Einleitung Während die Regulierung von Vergütungsfragen im Finanzdienstleistungssektor vor der Finanzkrise, die im Jahre 2007 ihren Ausgang nahm, ein Schattendasein fristete,1 änderte sich dies im Anschluss daran schlagartig. Obwohl die Ursachen und Gründe dafür, dass das Finanzsystem aus den Fugen geriet und nur mit massiven Staatshilfen wieder stabilisiert werden konnte, noch heute kontrovers diskutiert werden, herrschte unter den entscheidenden Akteuren aus Politik und Aufsichtsbehörden rasch Einigkeit darüber, dass fehlerhafte Vergütungspraktiken einen Beitrag zur Finanzkrise geliefert hatten.2 Unter dem unmittelbaren Eindruck der durch den Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 ausgelösten schwerwiegenden Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten einigten sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder auf ihrem ersten Krisengipfel am 14./15. November 2008 in Washington auf einen umfassenden Aktionsplan. Im Rahmen dieses sog. Washington-Aktionsplans, der die Stärkung der Finanzmärkte und des regulatorischen Regimes weltweit sowie die Vermeidung zukünftiger Krisen zum Ziel hatte, spielte die Vergütungsthematik eine nicht unwesentliche Rolle. Dies ist nicht zuletzt auch auf den immensen politischen Druck zurückzuführen, welcher angesichts der öffentlichen Empörung über die als skandalös empfundenen Bonus- und Abfindungszahlungen insbesondere in solchen Banken bestand, die gera1 So enthielt etwa noch das BaFin-Rundschreiben 5/2007 v. 30.10.2007, Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, in Modul AT 7.1 Tz. 4 lediglich folgenden Passus mit Vergütungsbezug: „Die Ausgestaltung der Vergütungs- und Anreizsysteme darf den in den Strategien niedergelegten Zielen nicht widersprechen“. 2 Vgl. etwa den sog. Draghi-Bericht, Financial Stability Forum, Report of the Financial Stability Forum on Enhancing Market and Institutional Resilience, 7.4.2008, 8: „Compensation schemes in financial institutions encouraged disproportionate risk-taking with insufficient regard to longer-term risks. This risk-taking was not always subject to adequate checks and balances in firms’ risk management systems.“ Inwiefern fehlerhafte Vergütungsanreize tatsächlich zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen haben, ist bis heute umstritten und empirisch nicht eindeutig belegt.

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I. Einleitung

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de erst durch den Einsatz von Steuermitteln gerettet worden waren. Entsprechend der allgemeinen Zielsetzung der Schaffung „klarer interner Anreize zur Förderung von Stabilität“ forderte der Washington-Aktionsplan daher konkrete Maßnahmen zur Vorbeugung von Vergütungssystemen, „die übermäßige kurzfristige Erträge oder eine übermäßige Eingehung von Risiken belohnen.“3 Diese konkreten Maßnahmen wurden auf internationaler Ebene durch das Financial Stability Board (bzw. durch dessen Vorgängergremium Fi­ nancial Stability Forum) erarbeitet: nämlich die Prinzipien für solide Vergütungspraktiken vom 2.4.20094 und deren Umsetzungsstandards vom 25.9.2009.5 Diese FSB-Prinzipien und -Standards bilden bis zum heutigen Tage den internationalen Referenzpunkt für die Regulierung im Vergütungsbereich. Sie bilden damit auch das Fundament für die Beantwortung der vorliegend zu beleuchtenden Frage, inwiefern Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungsbereich einen Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung leisten können. Was in diesem Zusammenhang unter „Nachhaltigkeit“ zu verstehen ist, ergibt sich aus der Problemanalyse und der daraus abgeleiteten Zielvorstellung der FSB-Prinzipien und -Standards selbst, verfolgen sie doch den Anspruch, „nachhaltige Vergütungssysteme“ zu fördern.6 Das zugrundeliegende Problem wird wie folgt beschrieben: „Compensation practices at large financial institutions are one factor among many that contributed to the financial crisis that began in 2007. High short-term profits led to generous bonus payments to em­ ployees without adequate regard to the longer-term risks they impo­ sed on their firms. These perverse incentives amplified the excessive risk-taking that severely threatened the global financial system and left firms with fewer resources to absorb losses as risks materialised. The lack of attention to risk also contributed to the large, in some cases extreme absolute level of compensation in the industry.“7 Das vor dem Hintergrund der Finanzkrise verständliche Ziel der Vergütungsregeln ist die „Verbesserung der Stabilität und der Robustheit des Finanzsystems“.8 Dieses allgemeine Ziel wird operationalisiert durch die 3 Vgl. G20, The G20 Washington Summit Leaders’ Declaration, 15.11.2008, 3 des Aktionsplans unter dem Abschnitt Risikomanagement. 4 Financial Stability Forum, FSF Principles for Sound Compensation Practices, 2.4.2009. 5 Vgl. Financial Stability Board, FSB Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, 25.9.2009. 6 Vgl. G20, The G20 London Summit Leaders’ Declaration, 2.4.2009, Punkt 15. 7 Financial Stability Forum, FSF Principles for Sound Compensation Practices, 2.4.2009, 1. 8 Vgl. Financial Stability Board, FSB Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, 25.9.2009, 1: „The aim of these standards is to enhance the stability and robustness of the financial system“.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

konkreten Zielvorgaben, die „Vergütung an einer umsichtigen Eingehung von Risiken auszurichten“ und „Anreize von Mitarbeitern mit der langfristigen Profitabilität des Unternehmens in Einklang zu bringen“.9 Das den FSB-Prinzipien und -Standards zugrundeliegende Konzept der Nachhaltigkeit ist also vom Großen ins Kleine zu denken. Die Stabilität des Finanzsystems insgesamt hängt von der umsichtigen und langfristig profitablen Führung der einzelnen Finanzunternehmen ab. Die umsichtige Führung des einzelnen Finanzunternehmens ist wiederum abhängig vom Verhalten der einzelnen Mitarbeiter. Um die Stabilität und Robustheit des Finanzsystems insgesamt zu gewährleisten, ist also am Verhalten des Einzelnen anzusetzen und dieses Verhalten an einer umsichtigen Risikoeingehung und der Erzielung langfristiger Erträge auszurichten. Die Frage, ob die Vergütungsregeln diesem Ziel gerecht werden und in diesem Sinne „nachhaltig“ sind, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. Dabei werden in einem ersten Schritt zunächst die in Europa und Deutschland geltenden Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungssektor überblicksartig dargestellt (unter II.). In einem zweiten Schritt wird das konkrete Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln speziell im Bankensektor näher beleuchtet (unter III.). In einem dritten und letzten Schritt wird der Frage nachgegangen, ob die Vergütungsregeln einen wirksamen Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung leisten. Ferner wird ein Blick auf aktuelle und zukünftige Entwicklungen in diesem Bereich geworfen (unter IV.).

II. Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungssektor Die Umsetzung der internationalen Vergütungsvorgaben auf europäischer und deutscher Ebene erfolgte in mehreren Schüben und ist durch eine im Zeitverlauf immer größere Regulierungsdichte und -strenge gekennzeichnet. Diese Entwicklung zeichnet zum einen die Entwicklung der internationalen Regeln selbst nach, welche von allgemeinen „principles“ (FSB-Prinzipien) zu konkreten „rules“ (FSB-Standards) fortentwickelt wurden. Zum anderen wählte die Europäische Union, die selbst bereits einen erheblichen Einfluss auf die internationale Regelsetzung ausgeübt hatte,10 eine besonders strenge Form der Umsetzung und ging mit Einführung des sog. „Bonus Cap“ letztlich sogar noch über die internationalen Vorgaben hinaus.

9 Vgl. Financial Stability Board, Press Release, Ref. No.: 13/2009, 2.4.2009: „The Principles require compensation practices in the financial industry to align employees’ incentives with the long-term profitability of the firm“. 10 Vgl. die Nachweise bei Ferran, ECFR 2012, 1 (8 ff.).

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II. Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungssektor

Teil 2

1. Finanzbranchenübergreifender Ansatz Die Europäische Union verfolgte von vornherein eine duale Strategie für die Regulierung der Vergütung im Finanzdienstleistungssektor, nämlich eine Kombination von rechtlich verbindlichen und unverbindlichen Instrumenten.11 Den Ausgangspunkt bildete mit der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor vom 30.4.200912 (Kommissionsempfehlung) ein unverbindliches Instrument. Der Anwendungsbereich dieser Kommissionsempfehlung ist weit gezogen. Um „Schlupflöcher und Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen Sektoren und Finanzinstituten“ zu vermeiden, findet die Kommissionsempfehlung – wie die internationalen Vorgaben auch – zunächst auf alle Sektoren der Finanzdienstleistungsindustrie Anwendung.13 Erfasst werden nach Punkt 1.1 der Kommissionsempfehlung alle „Finanzinstitute“ mit Sitz in der Europäischen Union. Darunter fallen insbesondere Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, Pensionsfonds sowie Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW). Darüber hinaus erfasst die Kommissionsempfehlung grundsätzlich all diese Finanzinstitute ungeachtet ihrer Größe. Dies steht im Gegensatz zu den internationalen Vorgaben, die sich primär an bedeutende Finanzinstitute, insbesondere große und systemrelevante Unternehmen richten.14 In inhaltlicher Hinsicht enthält die Kommissionsempfehlung Vorgaben für die Vergütungsstruktur, die Leistungsmessung, die Governance, die Offenlegung sowie die Beaufsichtigung durch die Aufsichtsbehörden. Diese Inhalte decken sich mit denen der FSB-Prinzipien, genau wie das Anliegen, keine bestimmte Ausgestaltung oder Höhe individueller Vergütungen vorschreiben zu wollen.15 Vielmehr soll durch die Vorgabe allgemeiner Prinzipien eine Vergütungspolitik sichergestellt werden, „die mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar ist und keine Anreize zum Eingehen übermäßiger Risiken enthält“ (Punkt 3.1 11 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates, Impulse für den Aufschwung in Europa, KOM(2009) 114, 4.3.2009, endgültig, 9. 12 Vgl. Empfehlung 2009/384/EG der Kommission v. 30.4.2009 zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, ABl. EU L 120 v. 15.5.2009, 22. 13 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Begleitung der Empfehlung zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, KOM(2009) 211 endgültig, 30.4.2009, 4. 14 Vgl. Financial Stability Forum, FSF Principles for Sound Compensation Practices, 1: „The FSF Principles for Sound Compensation Practices are intended to apply to significant financial institutions, but they are especially critical for large, systemically important firms.“ 15 Vgl. Financial Stability Forum, FSF Principles for Sound Compensation Practices, 1: „The Principles are intended to reduce incentives towards excessive risk taking that may arise from the structure of compensation schemes. They are not intended to prescribe particular designs or levels of individual compensation. One size does not fit all.“

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

der Kommissionsempfehlung). Zudem soll die Vergütungspolitik mit der Geschäftspolitik, den Zielen, den Werten sowie den langfristigen Interessen des Finanzinstituts vereinbar sein16 und mit den Grundsätzen des Schutzes von Kunden und Anlegern bei der Erbringung von Dienstleistungen im Einklang stehen (vgl. Punkt 3.2 der Kommissionsempfehlung). 2. Banken und Wertpapierfirmen In einem zweiten Schritt folgten auf europäischer Ebene Gesetzesinitiativen, welche die Vergütungsprinzipien in verbindliche Rechtsakte überführen sollten, um sie so einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle zugänglich zu machen. Dies betraf zunächst die Vergütungspolitik von Banken und Wertpapierfirmen, wo nach Einschätzung der Europäischen Kommission das „Marktversagen am deutlichsten zutage getreten“ war.17 In ihrem Vorschlag zur Änderung der Eigenkapitalrichtlinie (sog. CRD III-Richtlinie) vom 13.7.2009 lehnte die Europäische Kommission die Vergütungsregeln eng an die Grundsätze der Kommissionempfehlung an und betonte gleichzeitig den Spielraum, der den Kreditinstituten und Wertpapierfirmen bei der Anwendung der Vergütungsgrundsätze verbleiben sollte.18 Dieser von der Europäischen Kommission ursprünglich avisierte Weg einer prinzipienhaften Vorgabe der Vergütungspolitik wurde im weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens indes in sein Gegenteil verkehrt. Die am 24.11.2010 verabschiedete finale Fassung der CRD III-Richtlinie19 hat mit dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag nur noch das Grundprinzip gemein, wonach eine solide Unternehmenssteuerung eine Vergütungspolitik und -praxis beinhaltet, „die mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar und diesem förderlich ist“. Dieses 16 Die Ausrichtung der Vergütungsstruktur auf die langfristige Unternehmensentwicklung entspricht der Zielvorgabe der parallel verabschiedeten Empfehlung 2009/385/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und stellt damit – auch in den Augen der Europäischen Kommission – kein Spezifikum des Finanzdienstleistungssektors dar. 17 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zur Begleitung der Empfehlung zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, KOM(2009) 211 endgültig, 30.4.2009, 6. 18 Höhe und Form der Vergütung sollten gerade nicht vorgeschrieben werden, Gestaltung und Anwendung der jeweiligen Vergütungspolitik blieben auch künftig Sache der Institute, vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik, KOM(2009) 362 endgültig, 9. 19 Richtlinie 2010/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik, ABl. EU L 329 v. 14.12.2010, 3.

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II. Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungssektor

Teil 2

Grundprinzip wird durch mehr als 20 in ihrem Detailgrad teilweise weit über die Kommissionsempfehlung hinausgehende Vergütungsgrundsätze konkretisiert. Insbesondere die Grundsätze zur Vergütungsstruktur, welche zwingende Mindestvorgaben hinsichtlich der Zurückbehaltung von variabler Vergütung und zur Vergütung in (aktienbasierten) Instrumenten vorsehen, gehen in ihrer Stringenz über die Vorgaben der FSB-Prinzipien hinaus, genau wie über die Umsetzungsregeln anderer Jurisdiktionen, wie etwa die der USA.20 Insofern wird die Europäische Union ihrem selbst proklamierten „Führungsanspruch“ bei der Beschränkung unsolider Vergütungspraktiken gerecht.21 Die CRD III-Richtlinie enthält in der Tat eine der „weltweit strengsten Regelungen für Bonuszahlungen an Bankmanager“.22 Um eine einheitliche Umsetzung der Vorgaben der CRD III-Richtlinie zu gewährleisten, erfolgte eine weitere Konkretisierung der Vergütungsgrundsätze durch den Ausschuss der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS). Die CEBS-Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik vom 10.12.201023 spezifizieren jeden einzelnen der durch die CRD III-Richtlinie eingeführten Grundsätze in den drei Bereichen Governance, Risikoorientierung und Offenlegung der Vergütung und differenzieren dabei zwischen allgemeinen Anforderungen, die unternehmensweit und für alle Mitarbeiter von Banken und Wertpapierfirmen gelten, sowie besonderen Anforderungen, die grundsätzlich nur solche Mitarbeiter betreffen, „deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil des Instituts haben“ (sog. „Identified Staff“ oder „Material Risk Taker“). Mit Verabschiedung der CRD III-Richtlinie und der CEBS-Leitlinien war die Umsetzung der internationalen Vorgaben der FSB-Prinzipien und -Standards zwar vollzogen, jedoch stellte dies für den Regulierungsprozess auf europäischer Ebene nur einen vorläufigen Schlusspunkt dar. Die Vergütungsthematik kam im Zuge der Arbeiten am sog. CRD IV-Paket wieder auf. Dieses Paket dient in erster Linie der Umsetzung der neuen internationalen Eigenkapital- und Liquiditätsstandards, dem sog. Basel III-Regime.24 Die ersten Vorschläge der Europäischen Kommission für das neu zu schaffende einheitliche europäische Regelwerk („single rule book“), bestehend aus einer Richtlinie (CRD IV-Richtlinie) und einer Ver20 Vgl. überblicksartig Ferrarini/Ungureanu, ZBB 2011, 418 (430). 21 So EU-Kommissar Michel Barnier: „The requirements on pay and bonuses send a strong political message: there will be no return to business as usual. The EU is leading the way in curbing unsound remuneration practices in banks“, vgl. Pressemitteilung v. 7.7.2010, MEMO/10/304. 22 So das Europäische Parlament in einer Pressemitteilung v. 7.7.2010, vgl. Ferarri­ ni/Ungurenau, ZBB 2011, 418 (425). 23 Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010. 24 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Dezember 2010 (rev. Juni 2011).

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

ordnung (CRR-Verordnung), sahen noch lediglich kleinere Ergänzungen der bestehenden Vergütungsregeln vor. Im weiteren Fortgang der Verhandlungen entbrannte jedoch eine heftige Diskussion um das sog. „Bonus Cap“. Insbesondere das Europäische Parlament forderte mit Nachdruck die Einführung einer absoluten Obergrenze für die variable Vergütung im Verhältnis von eins zu eins zum Festgehalt und setzte sich letztlich damit durch. Das am 26.6.2013 verabschiedete CRD IV-Paket, die CRD IV-Richtlinie25 und die CRR-Verordnung26, sieht das „Bonus Cap“ genauso vor wie einige weitere Verschärfungen der Vergütungsregeln. Seither erfolgten noch weitere Konkretisierungen dieser Regeln in Form technischer Regulierungsstandards, etwa zur Identifizierung der sog. „Material Risk Taker“27 und einiger Antworten im sog. Q&A-Verfahren28 der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA), der Nachfolgebehörde von CEBS. Die (vorerst) letzte Neuerung ist der Entwurf der EBA-Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik vom 4.3.2015.29 Die EBA-Leitlinien dienen der Konkretisierung der in der CRD IV-Richtlinie und der CRR-Verordnung enthaltenen Vergütungsanforderungen und treten zukünftig an die Stelle der CEBS-Leitlinien aus dem Jahre 2010. Der soeben beschriebene fortlaufende Prozess einer immer dichteren und strengeren Regulierung von Vergütungsvorgaben im Bereich der Banken und Wertpapierfirmen findet auf Ebene der deutschen Umsetzung seine Entsprechung. In einigen Punkten ging Deutschland aber auch eigene Wege, in anderen sogar noch über die europäischen Vorgaben hinaus. Eigene Wege ging Deutschland mit dem Gesetz zur Angemessenheit der 25 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/ EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. EU L 176 v. 27.6.2013, 338. 26 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. EU L 176 v. 27.6.2013, 1. 27 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 604/2014 der Kommission v. 4.3.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards in Bezug auf qualitative und quantitative Kriterien zur Ermittlung der Mitarbeiterkategorien, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Instituts auswirkt, ABl. EU L 167 v. 6.6.2014, 30. 28 Das EBA Q&A-Verfahren ist ein Beitrag zur Entwicklung des einheitlichen europäischen Regelwerks. Für den Vergütungsbereich liegen derzeit 13 Fragen und Antworten vor. 29 European Banking Authority, EBA/CP/2015/03, Consultation Paper, Draft Guidelines on sound remuneration policies under Article 74(3) and 75(2) of Directive 2013/36/EU and disclosures under Article 450 of Regulation (EU) No. 575/2013, 4.3.2015.

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II. Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungssektor

Teil 2

Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.7.2009.30 Das VorstAG, welches mit „Lehren aus der Finanzmarktkrise“ begründet wurde, verfolgt den Zweck, die Anreize in der Vergütungsstruktur für Vorstandsmitglieder (börsennotierter) Aktiengesellschaften allgemein, also unabhängig von der Zugehörigkeit zum Finanzsektor, in Richtung einer nachhaltigen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensführung zu stärken.31 Entsprechend ist nach § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Besondere Vergütungsregeln für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute folgten danach schrittweise. Nachdem erste prinzipienorientierte Regelungen zunächst in die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) integriert worden waren,32 verfolgte die Bundesregierung zur schnellstmöglichen Umsetzung der – zwischenzeitlich fortgeschrittenen – internationalen (und europäischen) Vorgaben einen dreistufigen Ansatz. Dieser bestand erstens aus einer Selbstverpflichtungserklärung der größten deutschen Banken und Versicherungsunternehmen, zweitens aus einem separaten Vergütungs-Rundschreiben der BaFin33 und drittens aus dem Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen (Verg­ AnfG) vom 21.7.2010.34 Das VergAnfG ergänzte die von einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation umfassten Anforderungen an ein wirksames Risikomanagement von Instituten um „angemessene, transparente und auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichtete Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter“.35 Zur Konkretisierung dieser Generalklausel führte das VergAnfG eine Rechtsverordnungsermächtigung ein, auf deren Grundlage am 6.10.2010 die Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (InstitutsVergV)36 erging. Die InstitutsVergV bildet seitdem das Kernstück der deutschen Vergütungsregulierung im Bankbereich. Sie orien30 BGBl. I 2009, S. 2509. 31 BT-Drucks. 16/13433, S. 1; vgl. zum Aspekt der Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang etwa Wagner, AG 2010, 774 ff.; daneben auch Röttgen/Kluge, NJW 2013, 900 ff. und Louven/Ingwersen, BB 2013, 1219 ff. zu der Frage, ob nachhaltige Vorstandsvergütung neben ökonomischen auch Aspekte ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit einbeziehen muss. 32 BaFin, Rundschreiben 15/2009 (BA) v. 14.8.2009 – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, vgl. dazu Langen/Schielke/Zöll, BB 2009, 2479 ff. 33 BaFin, Rundschreiben 22/2009 (BA) v. 21.12.2009 – Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten; vgl. speziell hierzu Leß­ mann/Hopfe, DB 2010, 54 ff. 34 BGBl. I 2010, S. 950. 35 Die Einordung der Vergütungsanforderungen als Bestandteil des Risikomanagements hat etwa zur Folge, dass das Vergütungssystem eines Instituts Gegenstand eines Prüfungsschwerpunkts gem. § 30 KWG oder einer Sonderprüfung nach § 44 KWG sein kann. 36 BGBl. I 2010, S. 1374; vgl. dazu Buscher, BaFin-Journal 01/11, 13 ff.; Heuchemer/ Kloft, WM 2010, 2241 ff.; zum Entwurf bereits Müller-Bonanni/Mehrens, NZA 2010, 792 ff.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

tiert sich weitgehend an den europäischen Vorgaben37 und unterscheidet in ihrer Struktur zwischen für alle Institute geltenden und an alle Mitarbeiter gerichteten allgemeinen Vergütungsanforderungen und deutlich anspruchsvolleren besonderen Anforderungen, die nur für bedeutende Institute und die Vergütungssysteme von Geschäftsleitern und sog. Material Risk Takern von Relevanz sind. Infolge der Verabschiedung des CRD IV-Maßnahmenpakets entstand auf Ebene des deutschen Rechts nochmaliger Anpassungsbedarf. Diese Anpassung wurde durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz vom 28.8.201338 vollzogen und betrifft insbesondere die Einführung des sog. „Bonus Cap“ in § 25a Abs. 5 KWG. Indem das „Bonus Cap“ für sämtliche Mitarbeiter gilt und nicht auf sog. Material Risk Taker beschränkt wurde, ging der deutsche Gesetzgeber in diesem Punkt sogar über die europäischen Vorgaben hinaus. Als vorläufiger Schlusspunkt der deutschen Vergütungsregulierung wurde die InstitutsVergV im Dezember 2013 neu gefasst,39 in ihrem Umfang erheblich erweitert und durch die BaFin eigens mit einer Auslegungshilfe40 versehen. Sollten die EBA-Leitlinien in ihrer Entwurfsfassung verabschiedet werden, ist in näherer Zukunft mit einer abermaligen Änderung der InstitutsVergV zu rechnen. 3. Investmentfonds Entsprechend den ursprünglichen Planungen der Europäischen Kommission wurden die in der Kommissionsempfehlung 2009/384/EG enthaltenen Vergütungsgrundsätze auch in den anderen Sektoren der Finanzbranche in verbindliche Rechtsakte überführt. Dies betrifft zunächst Investmentfonds. Im Jahre 2011 wurden in Art. 13 in Verbindung mit Anhang II der Richtlinie 2011/61/EU41 (AIFM-Richtlinie) Vorgaben für die Vergütung von Managern alternativer Investmentfonds (AIF) eingeführt, die den Vorgaben der CRD III-Richtlinie textlich weitgehend entspre-

37 Unterschiede sind etwa darauf zurückzuführen, dass den europäischen Vorgaben (zumindest implizit) das monistische und nicht das deutsche dualistische System des Leitungsorgans zugrunde liegt. 38 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2013, S. 3395. 39 BGBl. I 2013, S. 4270; vgl. dazu Insam/Hinrichs/Hörtz, WM 2014, 1415 ff.; Mer­ kelbach, WM 2014, 1990 ff.; sowie allgemein Buscher/Hannemann/Wagner/ Weigl, Kommentar zur InstitutsVergV. 40 BaFin, Auslegungshilfe zur Institutsvergütungsverordnung, 1.1.2014. 41 Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABl. EU L 174 v. 1.7.2011, 1.

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II. Vergütungsregeln im Finanzdienstleistungssektor

Teil 2

chen.42 Vergleichbare Anforderungen wurden 2014 auch für Verwalter von OGAW-Publikumsfonds erlassen.43 Bei den Beratungen zur sog. OGAW V-Richtlinie hatte der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments versucht, auch im Fondsbereich ein „Bonus Cap“ einzuführen, scheiterte damit jedoch letztlich im Plenum.44 Wie im Bankensektor wurden bzw. werden auch die Vergütungsregeln im Investmentbereich durch die zuständige europäische Aufsichtsbehörde, hier die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), mittels Leitlinien weiter konkretisiert.45 Im Deutschland sind bzw. werden diese Vorgaben in § 37 KAGB umgesetzt.46 Eine der InstitutsVergV entsprechende Verordnung für den Fondsbereich wurde – trotz bestehender Ermächtigung – bislang nicht erlassen. Die BaFin richtet daher einstweilen die Anwendung der Vergütungsregelungen an den ESMA-Leitlinien aus.47 4. Versicherungen Im Versicherungssektor hatte CEIOPS (die Vorgängerin der heutigen europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA) bereits im Oktober 2009 sechs Vergütungsprinzipien zur Konkretisierung der Vorgaben der Solvency II-Rahmenrichtlinie48 vorgeschlagen.49 Diese Vorgaben wurden jüngst durch Art. 275 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35/EU50 in 42 Kritisch hinsichtlich dieser „Copy-paste-Gesetzgebung“, insbesondere vor dem Hintergrund eines unterschiedlichen Regulierungsbedürfnisses von Investmentfonds und Banken, Engert, ZBB 2014, 108 (117 f.). 43 Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.2014 zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik und Sanktionen, ABl. EU L 257 v. 28.8.2014, 186; vgl. dazu Klebeck/Boxberger, GWR 2014, 253 ff. 44 Vgl. die Nachweise bei Engert, ZBB 2014, 108 (118). 45 European Securities and Markets Autority, ESMA/2013/232, Leitlinien für solide Vergütungspraktiken unter Berücksichtigung der AIFMD, 3.7.2013; jüngst Consultation Paper 2015/ESMA/1172, Guidelines on sound remuneration policies under the UCITS Directive and AIFMD, 24.7.2015. 46 Vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für das OGAW-V-Umsetzungsgesetz. 47 Vgl. zu den Vergütungsregeln im Einzelnen Insam/Heisterhagen/Hinrichs, DStR 2014, 913 ff. 48 Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. EU L 335 v. 17.12.2009, 1. 49 Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors, CEIOPS-DOC-51/09, CEIOPS’ Advice for Level 2 Implementing Measures on Solvency II: Remuneration Issues. 50 Delegierte Verordnung (EU) 235/35 der Kommission v. 10.10.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

eine verbindliche Form überführt und weiter konkretisiert. Die Vergütungsvorgaben im Versicherungssektor lehnen sich genau wie die Regelungen im Fondsbereich an die Vorgaben im Bankensektor an, sind jedoch weniger streng. So wurde etwa auch im Versicherungssektor kein „Bonus Cap“ eingeführt.51 Im deutschen Recht finden sich die Vergütungsanforderungen in § 64b VAG, der durch das VergAnfG eingeführt wurde. Danach müssen Ver­ gütungssysteme für Geschäftsleiter, Mitarbeiter und Aufsichtsratsmitglieder von Versicherungsunternehmen angemessen, transparent und auf eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens ausgerichtet sein. Konkretisiert wurde diese Vorgabe wie im Bankensektor durch eine Ver­ ordnung, die Versicherungs-Vergütungsverordnung (VersVergV) vom 6.10.2010.52 In Umsetzung der Solvency II-Richtlinie werden die Vergütungsregeln ab dem 1.1.2016 in §§ 25, 34 Abs. 2 VAG n.F. enthalten sein.53

III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln Das Nachhaltigkeitskonzept, welches der Vergütungsregulierung im Finanzdienstleistungssektor zugrunde liegt und das im Folgenden anhand der Vergütungsregeln im Bankensektor nachgezeichnet werden soll, beruht auf bestimmten Grundannahmen und -erkenntnissen. Zudem betrifft es verschiedene Dimensionen. Die wesentliche Grundannahme ist, dass menschliches Verhalten durch Vergütungsanreize steuerbar ist. Generell werden Vergütungssystemen in Unternehmungen verschiedene Funktionen zugeschrieben. Grob lassen sich die Entgeltfunktion und die Verhaltenssteuerungsfunktion der Vergütung unterscheiden. Die Entgeltfunktion soll dem Vergütungsempfänger ein finanzielles Auskommen bieten und ihn zur Aufnahme und kontinuierlichen Wahrnehmung seiner beruflichen Tätigkeit anhalten. Die Verhaltenssteuerungsfunktion geht insofern darüber hinaus, dass Vergütung nicht nur Anreize zur Durchführung der betreffenden Tätigkeiten als solche bieten soll. Vielmehr soll die Art und Weise der Aufgabenerfüllung beeinflusst und damit ein bestimmtes Verhalten der vergüteten Per-

betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. EU L 12 v. 17.1.2015, 1. 51 Vgl. schließlich jüngst auch die Leitlinien 9 und 10 der EIOPA-Leitlinien zum Governance-System, European Insurance and Occupational Pensions Authority, Final Report on Public Consultation No. 14/017 on Guidelines on system of governance, EIOPA-BoS-14/253, 28.1.2015. 52 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme im Versicherungsbereich (Versicherungs-Vergütungsverordnung) v. 6.10.2010, BGBl. I 2010, S. 1379; vgl. zu den Vorgaben Annuß/Sammet, BB 2011, 115 ff.; sowie Armbrüster, VersR 2011, 1 ff. 53 Vgl. Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen, BGBl. I 2015, S. 434.

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III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln

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sonen hervorgerufen bzw. verhindert werden.54 Von entscheidender Bedeutung für die Verhaltenssteuerungsfunktion ist die variable Vergütung, also derjenige Anteil der Vergütung, dessen Bemessung in Abhängigkeit von der Erreichung bestimmter Ziele oder Erfolge steht. Die variable Vergütung ist daher der entscheidende Anknüpfungspunkt für die erste Dimension der Vergütungsregulierung: die Verhaltensteuerung des Einzelnen. Plakativ wird dieser Gedanke in den CEBS-Leitlinien wie folgt formuliert: „Remuneration has a direct or indirect influence on people’s behavi­ our. Variable remuneration may encourage staff to take undesirable or irresponsible risks in the hope of generating more turnover or ma­ king profit and thus increasing his/her variable remuneration. […] By connecting risk management elements to the remuneration policy, the aforementioned dangers can be counterbalanced. Indeed, when properly structured and implemented, variable remuneration can be an efficient tool to align the staff’s interests with the long-term inte­ rests of the institution.“55 Die wesentliche Grunderkenntnis ist, dass Vergütungen für Unternehmen einen bedeutenden Kostenfaktor darstellen. Die simple Rechnung lautet: Das Geld, das an Vergütungen und Boni ausgeschüttet wurde, steht dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung. Angesichts der regulatorischen Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen von Banken ist dieser Befund von besonderer Relevanz. Variable Vergütungen, die an die Mitarbeiter ausgezahlt wurden, kann die Bank in Krisenzeiten nicht mehr zur Abfederung von Verlusten vorhalten. Hier setzt die zweite Dimension der Vergütungsregulierung an. Auch dieser Gedanke lässt sich anhand der CEBS-Leitlinien gut veranschaulichen: „Remuneration represents an important cost factor for financial ins­ titutions as remuneration payments influence the institution’s capi­ tal base. If an institution falls short of its capital targets, priority is to be given to building up the necessary capital or solvency buffer, and a conservative remuneration policy must be pursued, particularly re­ garding variable remuneration. In addition to capital planning, remu­ neration must also be taken into account for liquidity planning pur­ poses. In this way, remuneration payments will be prevented from further weakening an institution and its stability.“56 Die Vergütungsregulierung setzt mithin an zwei Stellschrauben an. Zum einen an der Vergütung des Einzelnen, wobei der Aspekt der Verhaltenssteuerung im Vordergrund steht. Zum anderen an der Gesamtvergütung, 54 Vgl. zu diesen Grundsätzen etwa Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (610). 55 Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 39 (Tz. 66). 56 Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 39 f. (Tz. 66).

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

die die Bank insgesamt an ihre Mitarbeiter auszahlt. Hier ist der Aspekt der Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen angesprochen. Beides soll im Folgenden näher beleuchtet werden. 1. Individualebene: Verhaltenssteuerung a) Erkannte Defizite und Instrumentalisierung Die Regulierung von Vergütungsanreizen auf Individualebene erfolgt vor dem Hintergrund der vergütungsinduzierten Fehlanreize, die für den Ausbruch der Finanzkrise mitverantwortlich gemacht wurden. Dabei war die variable Vergütung in Banken vor allem zwei Kritikpunkten ausgesetzt. Zum einen seien die für die Bemessung der variablen Vergütung verwandten Parameter zu kurzfristig ausgerichtet gewesen. Dieser Vorwurf betrifft insbesondere die weit verbreiteten jährlichen Bonuszahlungen in bar. Diese seien auf Basis nur scheinbar nachhaltiger Erträge gewährt und sogleich ausgezahlt worden. Dieses Vorgehen – so der Vorwurf – habe die Eingehung übermäßiger Risiken begünstigt, wobei mitunter solche Positionen eingegangen worden sind, die zwar kurzfristig gute Kennzahlen lieferten, die die Bank aber langfristig erheblichen Risiken aussetzten. Zum anderen betrifft die Kritik die asymmetrische Ausgestaltung der variablen Vergütung. Der Vorwurf lautet, provokant formuliert, Boni seien nach dem Motto „heads I win, tails you lose“ gewährt worden.57 Damit angesprochen ist die Asymmetrie zwischen Gewinn- und Verlustmöglichkeiten. Während gute Ergebnisse mit (teilweise extrem) hohen Bonuszahlungen belohnt wurden, seien schlechte Ergebnisse nicht gleichermaßen negativ berücksichtigt worden. Eng damit verbunden ist der Vorwurf, dass vergütungsrelevante Ziele festgelegt worden seien, die leicht zu erreichen waren und dass selbst bei Nichterreichen dieser wenig ambitionierten Ziele gleichwohl nachträglich variable Vergütungen gewährt wurden, etwa unter Hinweis auf exogene Effekte.58 Zusammenfassend stellte der deutsche Gesetzgeber fest: „Eine Vergütungspolitik, die auf kurzfristige Parameter ausgerichtet ist und einseitig Erfolg belohnt, ohne Misserfolg ausreichend zu sank­ tionieren, kann dazu verleiten, den langfristigen und nachhaltigen Unternehmenserfolg aus dem Blick zu verlieren. Wie die Finanz­ marktkrise gezeigt hat, können die durch eine verfehlte Vergütungs­ politik gesetzten Fehlanreize Risiken nicht nur für die Stabilität ein­ 57 Andrew M. Cuomo, der Generalanwalt des Staates New York, kam im Rahmen seiner Analyse der Vergütungssysteme ausgesuchter US-amerikanischer Banken vor und während der Finanzkrise zu folgendem Schluss: „Thus, when banks did well, their employees were paid well. When the banks did poorly, their employees were paid well. And when the banks did very poorly, they were bailed out by taxpayers and their employees were still paid well. Bonuses and overall compensation did not vary significantly as profits diminished.“; vgl. Cuomo, No rhyme or reason: The „Heads I Win, Tails You Lose“ Bank Bonus Culture. 58 Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, § 3.

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III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln

zelner Unternehmen, sondern auch für die Finanzstabilität im Allgemeinen begründen.“59 Die gesetzgeberische Antwort auf einen solchen Befund hätte lauten können, variable Vergütungen einzudämmen oder gar ganz zu verbieten. Es mangelte im Anschluss an die Finanzkrise nicht an Stimmen, die den Versuch der Verhaltenssteuerung durch variable Vergütung als generell gescheitert erklärten. Entlang der Vorgaben der FSB-Prinzipien und -Standards wurde indes ein anderer Weg beschritten. Statt die variable Vergütung zurückzuschneiden, wird diese vielmehr für Zwecke einer risikoorientierten Verhaltenssteuerung instrumentalisiert. Vergütungsinduzierte Anreize sind damit quasi das zu lösende Problem und die Lösung des Problems zugleich. Der Gefahr einer Fehlsteuerung durch falsche Vergütungsanreize wird mit konkreten Vorgaben für die „richtige“ Ausgestaltung der Vergütungssysteme begegnet. Dieser Gedanke lässt sich den Vergütungsregeln unmittelbar entnehmen. Nach Art. 92 Abs. 2 lit. a der CRD IV-Richtlinie muss die Vergütungspolitik mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar „und diesem förderlich“ sein und darf nicht zur Übernahme von Risiken ermutigen, die über das von dem Institut tolerierte Maß hinausgehen. Diese Vorgabe enthält sowohl die negative Komponente der Vermeidung schädlicher Anreize als auch die positive Komponente der Herstellung „förderlicher“ Anreize. Die zusätzliche Ausrichtung der Vergütungspolitik anhand der Geschäftsstrategie, Ziele, Werte und langfristigen Interessen des Instituts (Art. 92 Abs. 2 lit. b der CRD IV-Richtlinie) komplettiert das angestrebte Nachhaltigkeitskonzept. All dies ist gemeint, wenn § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 KWG von „angemessenen, transparenten und auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichteten Vergütungssystemen“ spricht. b) Vergütungsvorgaben im Einzelnen Damit Vergütungssysteme ihrer Funktion als „Unternehmenssteuerungsinstrument“60 gerecht werden und eine umsichtige Eingehung von Risiken durch den Einzelnen fördern, machen die gesetzlichen Regelungen detaillierte Vorgaben für ihre Ausgestaltung. Dabei ist zwischen verschiedenen Personengruppen zu differenzieren. Die wichtigste Unterscheidung wird danach getroffen, in welchem Ausmaß das Handeln einer Person Risiken für die Bank begründen kann. Entsprechend ihrem Einfluss gelten für solche Mitarbeiter, deren Tätigkeiten einen „wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil der Bank“ haben (sog. Material Risk Taker), besonders strenge Anforderungen. Diese besonderen Vergütungsanforderungen sind im deutschen Recht insbesondere in §§ 19 und 20 InstitutsVergV niedergelegt. Zu dieser Personengruppe zählen zunächst die Geschäftsleiter der Bank, deren Entscheidungen 59 Vgl. Gesetzentwurf zum VergAnfG, BT-Drucks. 17/1291, S. 1. 60 So ausdrücklich auch die BaFin, Auslegungshilfe zu § 3 InstitutsVergV.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

die Geschäfts- und Risikostrategie maßgeblich bestimmen. Daneben wurde aber erkannt, dass risikorelevante Entscheidungen auch von Personen unterhalb der Leitungsebene getroffen werden – man denke nur an Händler, deren Handelstätigkeit Institute enormen Risiken aussetzen kann, und dies in der Vergangenheit auch getan hat.61 Dass auch die Vergütung von Personen unterhalb der Leitungsebene von der Regulierung erfasst wird, ist – etwa im Vergleich mit den vergütungsrelevanten Regelungen des allgemeinen Aktienrechts – ein Novum und eine Besonderheit des Finanzdienstleistungssektors. Auch für die Vergütung der Bankmitarbeiter, die keine Material Risk Taker sind, gelten branchenbedingte Sonderregeln – dies sind die allgemeinen Vergütungsanforderungen, insbesondere §§ 4, 5 und 6 InstitutsVergV.62 Eine zweite Unterscheidung innerhalb der Personengruppen wird nach dem Kriterium getroffen, ob die Person durch ihre Tätigkeit (aktiv) Risiken für die Bank begründet oder ob sie für die Kontrolle von Risiken zuständig ist. Prototypisch kann man diese Unterscheidung auf der Leitungsebene einer Bank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft festmachen. Während der Vorstand risikorelevante Entscheidungen trifft, ist der Aufsichtsrat zur Kontrolle dieser Entscheidungen berufen. Wiederum sind aber auch die Mitarbeiter unterhalb der Leitungsebene adressiert. Dies betrifft die Mitarbeiter der sog. Kontrolleinheiten nach § 2 Abs. 9 InstitutsVergV, d.h. diejenigen Organisationseinheiten, die die geschäftsinitiierenden Einheiten überwachen (etwa Risikocontrolling, Compliance und Interne Revision). Für die Vergütung der Mitarbeiter solcher Einheiten bestehen besondere Anforderungen. Die konkreten Vergütungsanforderungen, die sich anhand der aufgezeigten Differenzierungen zwischen den Mitarbeitern in Art und Reichweite unterscheiden, lassen sich wie folgt gruppieren. Zunächst geht es um die Frage der groben Vergütungsstruktur, insbesondere das Verhältnis zwischen fester und variabler Vergütung (aa). In einem zweiten Schritt geht es um Anforderungen an die Ausgestaltung der (variablen) Vergütung, insbesondere deren Risikoorientierung. Dabei ist zwischen den allgemeinen Anforderungen (bb) und den besonderen Anforderungen zu unterscheiden, die nur Material Risk Taker betreffen (cc).

61 Ob eine Person als Material Risk Taker anzusehen ist, richtet sich gem. § 18 Abs. 2 InstitutsVergV nach den qualitativen und quantitativen Kriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2014 (Fn. 28). 62 Zu berücksichtigen ist, dass nach deutschem Recht die besonderen Vergütungsanforderungen nur für die Geschäftsleiter und Material Risk Taker bedeutender Institute im Sinne von § 17 InstitutsVergV zur Anwendung kommen. Diese Einschränkung trägt dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung. Ob diese Differenzierung auch in Zukunft aufrechterhalten bleibt, ist angesichts der entgegenstehenden Auffassung der EBA in ihrem Leitlinienentwurf (siehe Fn. 30) ungewiss.

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III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln

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aa) Verhältnis zwischen fester und variabler Vergütung Das Verhältnis zwischen fester und variabler Vergütung ist für die Frage der Anreizsteuerung elementar, denn nur dem variablen Anteil der Vergütung wohnt die Verhaltenssteuerungsfunktion inne. Nach Art. 92 Abs. 2 lit. g der CRD IV-Richtlinie soll die feste Grundvergütung „hauptsächlich die einschlägige Berufserfahrung und die organisatorische Verantwortung im Unternehmen widerspiegeln“. Die variable Vergütung soll dagegen „eine nachhaltige und risikobereinigte Leistung sowie Leistungen widerspiegeln, die über die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten nach Maßgabe der Tätigkeitsbeschreibung des Mitarbeiters hinausgehen“ – hier geht es um Verhaltenssteuerung. Hinsichtlich der durch die variable Vergütung vermittelten Anreize liegt den Vergütungsregeln eine schlichte Annahme zugrunde: Je höher der Anteil variabler Vergütung, desto höher ist auch der dadurch potenziell vermittelte Anreiz. „The higher the possible variable remuneration compared to the fixed remuneration, the stronger the incentive will be to deliver the needed performance, and the bigger the associated risks may become.“63 Bei der Frage des Verhältnisses zwischen fester und variabler Vergütung geht es also im Kern um die Frage, inwieweit und in welchem Maße der Vergütung eine Verhaltenssteuerungsfunktion zukommen soll. Führt man sich die Vergütungsregeln – gerade im Verlauf ihrer Entstehungsgeschichte – vor Augen, scheint der Gesetzgeber in dieser Frage hin- und hergerissen. Einerseits besteht nur bei Existenz eines variablen Vergütungsanteils die Möglichkeit, das Verhalten von Bankmitarbeitern in Richtung einer umsichtigen Eingehung von Risiken positiv zu beeinflussen und die Vergütung zu diesem Zweck zu instrumentalisieren. Andererseits wächst bei einem höheren Anteil der variablen Vergütung aber auch die Gefahr – und das Ausmaß – einer Fehlsteuerung durch Vergütungsanreize. In ihrer Grundausrichtung setzt die Vergütungsregulierung, ausgehend von den FSB-Prinzipien und -Standards, auf die positive Steuerungsfunktion der variablen Vergütung. Dies spiegelt sich in den konkreten Anforderungen wider, die an die Ausgestaltung des variablen Vergütungsanteils gemacht werden. Diese Anforderungen wären ohne Sinn, gäbe es überhaupt keinen Anteil an variabler Vergütung. Auch die BaFin erkennt dies an und fordert zumindest für Material Risk Taker einen angemessen hohen Anteil der variablen Vergütung an der Gesamtvergütung.64 Tendenziell gegenläufig ist die Einführung des „Bonus Cap“ auf europäischer Ebe63 Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 45 (Tz. 78). 64 Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, § 18. Im Gegenschluss wird man annehmen können, dass ein variabler Vergütungsanteil für die restlichen Mitarbeiter nicht zwingend ist.

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

ne. Die Beschränkung der variablen Vergütung auf einen Höchstwert von eins zu eins zur Festvergütung (bzw. nach entsprechendem Beschluss der Anteilseigner von zwei zu eins65) wurde „zwecks Vermeidung übermäßiger Risikobereitschaft“ eingeführt.66 Durch die Deckelung der variablen Vergütung zahlt sich nämlich ab einem gewissen Punkt (Erreichen des Caps) die weitere Risikoübernahme durch einen Mitarbeiter nicht mehr aus. Beschränkt wird dadurch aber gleichzeitig die Möglichkeit, sich die variable Vergütung für Zwecke einer positiven Verhaltenssteuerung nutzbar zu machen. Auch vor diesem Hintergrund wird das „Bonus Cap“ international skeptisch betrachtet.67 Als allgemeine Regel bestimmt § 6 InstitutsVergV, dass variable und feste Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Das Verhältnis ist dann angemessen, wenn einerseits das „Bonus Cap“ eingehalten ist, andererseits die variable Vergütung aber einen wirksamen Verhaltensanreiz setzen kann. Für Mitarbeiter der Kontrolleinheiten soll nach der Sonderregel in § 9 Abs. 2 InstitutsVergV dagegen der „Schwerpunkt auf der fixen Vergütung“ liegen. Dabei steht die Gefahr von Interessenkonflikten im Vordergrund, genau wie bei der Vergütung für Mitglieder des Aufsichtsorgans (etwa des Aufsichtsrates), die nach Ansicht von CEBS bzw. EBA am besten überhaupt nur aus einer Festvergütung bestehen soll.68 bb) Allgemeine Risikoorientierung der variablen Vergütung Die allgemeinen Anforderungen an die variable Vergütung umfassen mehrere Komponenten. Zunächst sind Vergütungssysteme nach § 4 InstitutsVergV allgemein auf die Erreichung der Ziele auszurichten, die in den Geschäfts- und Risikostrategien des Instituts niedergelegt sind. Damit wird bezweckt, dass die vergütungsrelevanten Ziele hinreichend ambitioniert sind und die Vergütungssysteme einen effektiven Beitrag zur Erreichung der Ziele in den Unternehmensstrategien leisten können.69 Dies beinhaltet, dass sich die Vergütungsparameter, d.h. die Bemessungsfaktoren für die variable Vergütung, an den Geschäfts- und Risikostrategien ausrichten und das Erreichen der strategischen Ziele unterstützen. § 5 InstitutsVergV enthält Grundanforderungen an eine angemessene Ausgestaltung der variablen Vergütung. Differenziert wird zwischen Mitarbeitern der geschäftsinitiierenden Einheiten und denjenigen aus Kont65 Vgl. zur deutschen Umsetzung in § 25a Abs. 5 KWG, Lackhoff/Kulenkamp, AG 2014, 770 ff. 66 Vgl. den 65. Erwägungsgrund der CRD IV-Richtlinie. 67 Vgl. International Monetary Fund, Global Financial Stability Report, October 2014, 126; Murphy, European Financial Management Vol. 19 (2013), 631 ff. 68 Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 30 (Tz. 47). 69 Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, § 4.

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III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln

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rolleinheiten. Für Erstere sind die Vergütungssysteme dann angemessen ausgestaltet, wenn Anreize, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen, vermieden werden. Dies bedeutet nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 InstitutsVergV insbesondere, dass keine signifikante Abhängigkeit des Mitarbeiters von der variablen Vergütung bestehen darf. Anderenfalls wäre es dem Institut unmöglich, eine in jeder Hinsicht flexible Vergütungspolitik zu betreiben und die variable Vergütung des Mitarbeiters vollständig abzuschmelzen, wenn dies angezeigt ist. § 5 Abs. 2 InstitutsVergV stellt klar, dass Vergütungssysteme in der Regel unangemessen sind, wenn trotz negativer Ausprägung bestimmter als Vergütungsparameter zugrunde gelegter Kennzahlen eine variable Vergütung in ungeschmälerter Höhe verdient werden kann. Diese Vorgabe erklärt sich vor dem Hintergrund der kritisierten asymmetrischen Ausgestaltung von Vergütungssystemen. Die Zielsetzung, dass sich schlechte Ergebnisse auch negativ auf die Bemessung der variablen Vergütung niederschlagen müssen, verfolgt auch das Verbot garantierter Boni gem. § 5 Abs. 6 InstitutsVergV. Für Mitarbeiter von Kontrolleinheiten bestehen besondere Anforderungen. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund der Anreizsteuerung. Während die vergütungsinduzierten Anreize bei Mitarbeitern aus geschäfts­ initiierenden Einheiten in erster Linie ein risikobewusstes Handeln hervorrufen sollen, zielen die Vergütungsregeln für Mitarbeiter in den Kontrolleinheiten auf die Vermittlung von Anreizen zu einer wirksamen Überwachung. Unangemessen sind gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 InstitutsVergV dementsprechend Anreize, die der Überwachungsfunktion zuwiderlaufen. Da Mitarbeiter der Kontrolleinheiten ansonsten erheblichen Interessenkonflikten ausgesetzt wären, darf sich ihre variable Vergütung nicht anhand der gleichen Parameter bemessen, die für die variable Vergütung der Mitarbeiter in den von ihnen kontrollierten Organisationseinheiten maßgeblich sind. Stattdessen sind für sie solche Vergütungsparameter zu wählen, die daran anknüpfen, inwieweit die mit ihrer Überwachungsaufgabe verbundenen Ziele erreicht wurden.70 cc) Besondere Risikoorientierung der variablen Vergütung Während sich die allgemeinen Anforderungen in eher prinzipienhaften Vorgaben erschöpfen und den Instituten somit einen gewissen Umsetzungsspielraum belassen, ist dieser Spielraum bei den besonderen Anforderungen deutlich eingeschränkt. Die besonderen Vergütungsanforderungen wurden nämlich auf europäischer Ebene – insbesondere in Bezug auf die Vergütungsstruktur – als numerische Mindestvorgaben ausgestaltet. Während sie dies einerseits der Kritik mangelnder Flexibilität im Sinne 70 Siehe die Beispiele EBA-Leitlinien-Entwurf (Fn. 30, Rz. 206): „Variable remuneration for control functions should exclusively follow from control objectives, e.g. the Tier 1 ratio, the non-performing loan ratio, the non-performing loan recovery rate, or audit findings.“

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

eines „one size does not fit all“ aussetzt,71 wird diese besonders strenge Umsetzungsform der FSB-Prinzipien und -Standards vor dem Hintergrund der europäischen Finanzmarktintegration und europaweit möglichst einheitlicher Regeln aber auch positiv gesehen.72 Im Ergebnis schreiben die besonderen Vergütungsanforderungen eine ganz bestimmte Ausgestaltung der Vergütung für Material Risk Taker vor. Diese Vorgaben, die in §§ 19 und 20 InstitutsVergV geregelt sind, stellen die gesetzgeberische Antwort auf die erkannten Defizite in der Vergütungspraxis vor der Finanzkrise dar (siehe oben, unter III.1.a)). Sie sind damit das Kernstück der gesetzgeberischen Vorstellung einer leistungsgerechten und risikoorientierten – und dadurch nachhaltigen – Vergütungsausgestaltung. Die Risikoorientierung der Vergütung, die nicht durch Absicherungs- und Gegenmaßnahmen eingeschränkt werden darf (vgl. § 8 Abs. 1 InstitutsVergV), umfasst den gesamten Vergütungsprozess, einschließlich der Vereinbarung vergütungsrelevanter Parameter, der Leistungs- und Risikomessung im Bemessungszeitraum („accrual period“), der Zuteilung bzw. Gewährung der variablen Vergütung nach Maßgabe der Zielerreichung („award process“) und ihrer Auszahlung („payout process“).73 Am Beginn steht die Festlegung geeigneter Vergütungsparameter. Nach Maßgabe von § 19 Abs. 1 InstitutsVergV ist dabei ein dreistufiger Ansatz zu verfolgen. Bei der Ermittlung der variablen Vergütung sind neben dem individuellen Erfolgsbeitrag des jeweiligen Mitarbeiters, d.h. neben seinen persönlichen Leistungen und Erfolgen, auch der Gesamterfolg des Instituts (bzw. der Institutsgruppe) und der Erfolgsbeitrag der Organisationseinheit, für die der Mitarbeiter tätig ist, angemessen zu berücksichtigen. Durch diese Verknüpfung dreier verschiedener Ebenen im Sinne einer „Schicksalsgemeinschaft“74 soll verhindert werden, dass die individuelle Vergütung vom Erfolg des Instituts bzw. der jeweiligen Organisationseinheit entkoppelt wird. Dies ist vor dem Hintergrund der „heads I win, tails you lose“-Kritik zu sehen. Sind die Ergebnisse einer Bank bzw. eines bestimmten Geschäftsbereichs schlecht, soll sich dies auch in der Bemessung der variablen Vergütung des einzelnen Mitarbeiters niederschlagen. Weiter ist nach § 19 Abs. 2 InstitutsVergV der individuelle Erfolgsbeitrag anhand der Erreichung von vereinbarten Zielen zu bestimmen, wobei sowohl quantitative als auch qualitative Vergütungsparameter berücksichtigt werden müssen. Beispiele für qualitative Kriterien sind etwa die Einhaltung rechtlicher Vorschriften, von Wohlverhaltensregeln und interner 71 In diese Richtung etwa Ferrarini/Ungureanu, ZBB 2011, 418 (428). 72 Diesen Aspekt betont etwa Ferran, ECFR 2012, 1 (26). 73 Für einen Überblick über die verschiedenen Schritte im Vergütungsprozess, vgl. Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 48 f. (Tz. 86). 74 Vgl. Buscher/Hannemann/Wagner/Weigl, InstitutsVergV, 211.

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III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln

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Verfahrensregeln, eine faire Kundenbehandlung sowie Kundenzufriedenheit.75 Solche nicht-finanziellen Kriterien sind zwar auf der einen Seite schwer zu quantifizieren, sie können aber auf der anderen Seite wertvolle Anreize zu einer nachhaltigen Unternehmensführung vermitteln. Werten wie der Kundenzufriedenheit oder der Reputation des Unternehmens wird ein hoher prognostischer Wert für die zukünftige und nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens beigemessen – vereinfacht gesagt gilt: Nur wer morgen noch (zufriedene) Kunden hat, wird dann auch noch Produkte verkaufen und entsprechend Gewinne erwirtschaften können.76 Was die quantitativen Vergütungsparameter betrifft, sind nach § 19 Abs. 3 InstitutsVergV vornehmlich solche Parameter zu verwenden, die dem Ziel eines nachhaltigen Erfolges Rechnung tragen. Dabei sind die eingegangenen Risiken, deren Laufzeiten sowie Kapital- und Liquiditätskosten zu berücksichtigen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass vor und zu Beginn der Finanzkrise erhebliche variable Vergütungen auf Basis nur scheinbar nachhaltiger Erträge ausgezahlt wurden, soll diese Regelung gewährleisten, dass vor allem tatsächlich nachhaltige Erfolge vergütungsrelevant sind und Risiken angemessen berücksichtigt werden. Kritisch betrachtet wird vor allem variable Vergütung, die auf Basis nur potentieller und zukünftiger Erträge gewährt wird, deren Eintrittswahrscheinlichkeit und -zeitpunkt aber noch unsicher ist.77 Um einer möglicherweise negativen Entwicklung in der Zukunft Rechnung zu tragen, sollen deshalb bereits bei der Bemessung des aktuellen Erfolges, und damit vorab als sog. „risk charge“78, die zur Erreichung dieses Erfolges eingegangenen Risiken sowie die damit verbundenen Kapital- und Liquiditätskosten berücksichtigt werden (sog. ex-ante Risikoadjustierung).

75 Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, § 4. 76 Zu diesen Aspekten einer ökonomischen Nachhaltigkeitskonzeption, vgl. Fa­ ber/v. Werder, AG 2014, 608 (611 ff.). 77 Vgl. Financial Stability Board, FSB Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, 25.9.2009, 2: „carefully evaluate practices by which compensation is paid for potential future revenues whose timing and likelihood remain uncertain“; 3: „take into account the full range of current and potential risks, and in particular […] consistency with the timing and likelihood of potential revenues incorporated into current earnings.“ 78 Vgl. Financial Stability Forum, FSF Principles for Sound Compensation Practices, 2.4.2009, 8: „Imagine two employees whose activity generates the same shortrun profit for the firm. One is a trader who ends each day with no positions and thus who exposes the firm to losses only during the trading day. Another is an originator of long-term, on balance-sheet assets that provide substantial fees at origination but that expose the firm to substantial risk of loss over the life of the asset. Many compensation systems would tend to reward the two employees similarly, other things being equal, because there would be no „risk charge“ applied to the short term profits generated by the second employee. Though the need for risk adjustment may seem obvious, material risk adjustment of variable compensation grants was not widespread in the industry through 2008.“

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Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

Eine solche Adjustierung von Erfolgen bzw. Erfolgsbeiträgen um „alle gegenwärtigen und künftigen Risiken“ ist anspruchsvoll, zumal sie grundsätzlich auch auf allen drei Bemessungsebenen (Institut/Organisationseinheit/Individuum) durchzuführen ist (vgl. § 19 Abs. 3 InstitutsVergV). Insofern überrascht es nicht, dass es gerade in diesem Bereich zu großen Umsetzungsschwierigkeiten in der Praxis kam.79 Generell fordern die Aufsichtsbehörden, dass zur Messung der vergütungsrelevanten Risiken dieselben Methoden Verwendung finden, wie sie auch allgemein für Zwecke des Risikomanagements im Rahmen des ICAAP80 zur Anwendung kommen. Ein bloßes Abstellen auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Gewinn oder Umsatz bzw. auf Marktindikatoren wie den Aktienkurs wird mangels expliziter Berücksichtigung von Risiken bzw. aufgrund der Kurzfristigkeit dieser Parameter für nicht ausreichend erachtet. Erforderlich ist vielmehr entweder die Verwendung solcher Kennziffern, die das zur Generierung von Erträgen notwendige Kapital bzw. die dafür eingegangenen Risiken bereits selbst berücksichtigen oder aber die Bereinigung sonstiger Kennzahlen um diese Faktoren.81 Eine ex-ante Risikoadjustierung ist für sich genommen jedoch nicht ausreichend, um eine angemessene Risikoorientierung der Vergütung zu ­gewährleisten. Dies liegt daran, dass im Zeitpunkt der Leistungs- und Risikomessung – in der Regel zum Abschluss eines einjährigen Bemessungszeitraums („accrual period“) – nicht feststeht, ob der Erfolg bzw. der Erfolgsbeitrag eines Mitarbeiters tatsächlich nachhaltig ist. Die Adjustierung um Risiken und Kosten zu diesem frühen Zeitpunkt sensibilisiert zwar für diese Faktoren, und hat damit – so zumindest die Idee – einen unmittelbaren Einfluss auf das Risikoverhalten, jedoch besteht weder eine Gewähr dafür, dass tatsächlich alle relevanten Risiken erkannt und richtig bemessen wurden, noch kann die erbrachte Leistung bzw. der nachhaltig erzielte Erfolg mit Sicherheit beurteilt werden.82 Deshalb ist es erforderlich, den Erfolgsbeitrag zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu bewerten und ihn auf seine Nachhaltigkeit und auf die Realisierung von 79 Vgl. European Banking Authority, Survey on the implementation of the CEBS Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 12.4.2012, 17 f. 80 Im Rahmen des Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP) müssen Institute gewährleisten, dass sie entsprechend ihrem individuellen Risikoprofil über genügend „internes Kapital“ zur Abdeckung aller wesentlichen Risiken verfügen, vgl. dazu Hannemann/Schneider/Weigl, Mindestanforderungen an Risikomanagement (MaRisk), 70 ff. 81 Vgl. Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 52 (Tz. 96). Als Beispiele für risikoadjustierte Kennziffern werden etwa risk-adjusted return on capital (RAROC) oder return on risk-adjusted capital (RORAC) genannt. 82 Vgl. Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 49 (Tz. 86): „This so-called „ex-ante risk adjustment“ adjusts remuneration for potential adverse developments in the future. Because of their upfront application, ex-ante risk adjustments have an immediate effect on risk taking behaviour. But the consequence of this is also that not all risk and performance outcomes can be fully taken into account.“

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Teil 2

III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln

eingegangenen Risiken zu überprüfen. Diese rückblickende Bewertung wird ex-post Risikoadjustierung genannt. Stellt sich danach heraus, dass sich der ex-ante ermittelte Erfolg nicht als nachhaltig erwiesen hat, soll für das Institut die Möglichkeit bestehen, die variable Vergütung im Nachhinein zum Teil wieder abzuschmelzen oder gar ganz zu streichen. Die Verwirklichung einer solchen ex-post Risikoadjustierung erfordert ein komplexes Auszahlungssystem. Dieses ist in § 20 InstitutsVergV geregelt. (1) Zurückbehaltung von variablen Vergütungsbestandteilen Voraussetzung für eine nachträgliche Bereinigung um Risikoergebnisse ist zunächst, dass zumindest ein Teil der variablen Vergütung für einen gewissen Zeitraum vom Institut zurückbehalten wird und damit für den Mitarbeiter gewissermaßen „im Risiko steht“. Für eine angemessene Ausgestaltung einer solchen Zurückbehaltung sind verschiedene Komponenten zu berücksichtigen, insbesondere der Anteil der zurückbehaltenen variablen Vergütung und die Länge des Zurückbehaltungszeitraums. Dabei gilt der Grundsatz: „Je höher die variable Vergütung, die Stellung des Begünstigten oder das begründbare Risiko, desto größer sollen der ­Zurückbehaltungszeitraum und der variable Vergütungsanteil sein, der zurückbehalten wird“.83 Nach § 20 Abs. 1 InstitutsVergV sind jedoch mindestens 40 Prozent der variablen Vergütung eines Mitarbeiters zurückzubehalten. Für Geschäftsleiter und Mitarbeiter der nachgelagerten Führungsebene beträgt der Anteil gar mindestens 60 Prozent (vgl. § 20 Abs. 2 InstitutsVergV). Die Länge des Zurückbehaltungszeitraums ist – unter Umständen differenziert nach Mitarbeitergruppen – „nach dem Geschäftszyklus, der Art und dem Risikogehalt der betriebenen Geschäftsaktivitäten“ auszurichten. Die Leitlinie ist hier, dass die Länge des Zeitraums, während dessen eine Risikonachschau stattfinden soll, im besten Falle dem Zeitraum entspricht, in dem sich die von dem jeweiligen Mitarbeiter eingegangenen Risiken verwirklichen können. Nach § 20 Abs. 1 InstitutsVergV beträgt der Zurückbehaltungszeitraum mindesten drei Jahre. Während dieser Zeit ist die variable Vergütung dem Mitarbeiter zwar „zugeteilt“, jedoch hat der Mitarbeiter noch keinen Anspruch auf diesen Teil der variablen Vergütung. Ein solcher Anspruch entsteht höchstens zeitanteilig, sog. „pro rata vesting“ (§ 20 Abs. 3 Instituts­VergV). (2) Vergütung in Form von Instrumenten Nach § 20 Abs. 4 InstitutsVergV sind mindestens 50 Prozent der zurückbehaltenen und mindestens 50 Prozent der nicht zurückbehaltenen variablen Vergütung „von einer nachhaltigen Wertentwicklung des Instituts“ abhängig zu machen. Angesprochen ist damit die Form der Vergütung, 83 Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, § 20.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

etwa diejenige in Aktien oder aktienbasierten Instrumenten. Diese Vorgabe ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass besonders die vor und während der Finanzkrise weit verbreiteten jährlichen Bonuszahlungen in bar, d.h. der „cash bonus“, der Kritik mangelnder Nachhaltigkeit ausgesetzt war. Legt man die Mindestvorgaben der Zurückbehaltungsregeln zugrunde, zeigt sich der angestrebte Effekt. Werden 40 Prozent der variablen Vergütung zurückbehalten, unterliegen nur 60 Prozent der sofortigen Auszahlung als Jahresbonus. Da mindestens die Hälfte dieser variablen Vergütung in Instrumenten zu leisten ist, beschränkt sich der unmittelbar (d.h. „upfront“) ausgezahlte „cash bonus“ auf maximal 30 Prozent der variablen Vergütung. Aufgrund des höheren Anteils an zurückbehaltener variabler Vergütung, beträgt der „upfront cash bonus“ für Geschäftsleiter sogar nur maximal 20 Prozent. Neben der Zurückdrängung der kurzfristigen Boni in bar werden durch die Vergütung in Instrumenten aber noch andere Zwecke verfolgt. Durch die Vergütung in Aktien oder aktienbasierten Instrumenten kann die letztendliche Höhe der variablen Vergütung an die Entwicklung des Aktienkurses und damit an die Entwicklung des Unternehmenswerts gekoppelt werden. Berücksichtigt man, dass die zu Vergütungszwecken verwendeten Instrumente nach § 20 Abs. 4 InstitutsVergV auch noch mit einer angemessenen Sperrfrist zu belegen sind, der Mitarbeiter die Instrumente also noch eine gewisse Zeit nach ihrer Gewährung zu halten hat und sie nicht verkaufen darf, soll Nachhaltigkeit vor allem dadurch erreicht werden, dass ein fallender Aktienkurs die variable Vergütung in ihrem Wert nachträglich mindert (sog. implizite Adjustierung).84 Gleichzeitig bewirkt eine aktienbasierte Vergütungsform, dass der Begünstigte in eine „eigentümergleiche Position“ versetzt wird, seine persönlichen Anreize also mit denen der Aktionäre gleichgerichtet auf eine Steigerung des Unternehmenswertes ausgerichtet werden.85 Dieser in der allgemeinen Governance-Diskussion schon lange bekannte Ansatz, der in der Praxis in diversen Vorstandsvergütungssystemen seinen Niederschlag gefunden hat, wird also auch für die Vergütungsregulierung im Bankensektor nutzbar gemacht. Allerdings erfasst er nicht nur die Geschäftsleiter, sondern auch die Material Risk Taker unterhalb der Leitungsebene. Falls möglich sollen neben aktienbasierten Instrumenten auch noch andere Instrumente verwendet werden, etwa solche, die vollständig in Instrumente des harten Kernkapitals umgewandelt oder abgeschrieben werden können (vgl. Art. 94 Abs. 1 Buchst. l (ii) der CRD IV-Richtlinie). Diese 84 Vgl. Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 68 (Tz. 140): „When the variable remuneration takes the form of instruments, the final payout to the staff member will depend partly on market prices due to fluctuations during the deferral or retention period. This implicit adjustment on remuneration is not related to any explicit decision of the institution, but inherent to the form that is used for paying out.“ 85 Vgl. Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 62 (Tz. 123).

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III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln

Teil 2

alternativen Vergütungsinstrumente, die vor allem im Zusammenhang mit der Abwicklung von Instituten und einem möglichen „Bail in“ zu sehen sind, werden im Einzelnen durch technischen Regulierungsstandards spezifiziert.86 (3) Explizite ex-post Risikoadjustierung Die eigentliche ex-post Risikoadjustierung ist in § 20 Abs. 5 InstitutsVergV geregelt. Danach müssen negative Erfolgsbeiträge der Geschäftsleiter oder sonstigen Material Risk Taker bzw. ihrer Organisationseinheiten und ein negativer Gesamterfolg des Instituts die Höhe der variablen Vergütung einschließlich der zurückbehaltenen Beträge verringern oder zum vollständigen Verlust derselben führen. Dies gilt zunächst für die jeweilige Ermittlung der variablen Vergütung, insbesondere aber auch für die nachträgliche Leistungsbewertung. Vor allem der zweite Aspekt komplettiert die Risikoorientierung der variablen Vergütung. Da die zurückbehaltene variable Vergütung während des Zurückbehaltungszeitraums noch nicht rechtssicher erlangt ist, also „im Risiko steht“ und nur als eine Art Merkposten in einem Konto oder einem Depot ausgewiesen wird, kann die ursprünglich ermittelte variable Vergütung nach Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums einem Rückvergleich (sog. „back-testing“) unterzogen werden. Dabei ist zu prüfen, inwieweit sich der ursprünglich ermittelte Erfolgsbeitrag als nachhaltig erwiesen hat. In der Sache geht es darum festzustellen, ob die ursprünglich zugeteilte variable Vergütung rückblickend betrachtet „tatsächlich verdient“ ist. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn im Nachhinein ein Fehlverhalten des Begünstigten aufgedeckt wird oder wenn ihm schwere Fehler nachgewiesen werden können. Weitere Kriterien, die ein nachträgliches Abschmelzen bzw. Streichen der variablen Vergütung zur Folge haben sollen, sind individuelle Zielverfehlungen, signifikante Veränderungen in der ökonomischen oder regulatorischen Kapitalausstattung des Instituts, ein signifikantes Versagen des Risikomanagements auf Ebene des Instituts und/oder der jeweiligen Organisationseinheit oder auch ein signifikanter Rückgang der finanziellen Leistungsfähigkeit des Instituts bzw. der jeweiligen Organisationseinheit.87 Durch die Möglichkeit des Eingreifens eines solchen Malus-Tatbestands, bzw. genauer gesagt durch das Bewusstsein der Mitarbeiter, dass die ihnen ursprünglich zugeteilte variable Vergütung sich im Nachhinein ver86 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 527/2014 der Kommission v. 12.3.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Bezeichnung der Klassen von Instrumenten, die die Bonität eines Instituts unter der Annahme der Unternehmensfortführung angemessen widerspiegeln und die für eine Verwendung zu Zwecken der variablen Vergütung geeignet sind, ABl. EU L 148 v. 20.5.2014, 21. 87 Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, § 20.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

ringern oder gar ganz entfallen kann, sollen Anreize geschaffen werden, (kurzfristige) Erfolgsbeiträge nicht mit der Eingehung unangemessener Risiken oder mittels unlauterer Methoden zu generieren. Um den größtmöglichen Einfluss auf das Risikoverhalten eines Mitarbeiters zu erreichen, sollte die ex-post Risikoadjustierung so nah wie möglich an der Entscheidungsebene des jeweiligen Mitarbeiters anknüpfen. Welche Anforderungen im Einzelnen an das back-testing der ursprünglichen Leistungs- und Risikobewertung zu stellen sind, ist unklar. Je nach Ausgestaltung kann es sich bei einem solchen Rückvergleich um ein äußerst komplexes und aufwendiges Verfahren handeln. Klar ist hingegen in den Augen der Aufsicht, dass der Rückvergleich nur zu einer nachträglichen Verringerung der zurückbehaltenen variablen Vergütung führen kann, nicht aber zu deren Anhebung, etwa mit der Begründung, dass das (Risiko-)Ergebnis rückblickend besser ist, als erwartet.88 2. Unternehmensebene: Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen Während die erste Dimension die Ausgestaltung der variablen Vergütung des Einzelnen im Blick hat, geht es bei der zweiten Dimension des Nachhaltigkeitskonzepts der Vergütungsregeln um den Gesamtbetrag, also um die Höhe der variablen Vergütungen, die die Bank insgesamt an ihre Mitarbeiter auszahlt (siehe schon oben, eingangs unter III.). Hier besteht ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt zur Bankenregulierung im Allgemeinen, nämlich dem grundlegenden Gedanken, dass die Bank den von ihr eingegangenen Risiken ausreichend Eigenkapital entgegenhalten muss. Gelder, die als variable Vergütung ausgeschüttet werden, mindern aber das vorhandene Eigenkapital. Deshalb soll – gerade in Krisenzeiten – sichergestellt sein, dass das als variable Vergütung vorgesehene Kapital (der sog. „Bonuspool“) in der Bank verbleibt, um den Bestand der Bank im Interesse der Finanzstabilität zu sichern. Entsprechend ist gem. § 7 Satz 2 Nr. 2 InstitutsVergV bei der Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütungen, also des Jahresgesamtbetrags, den das Institut für die variable Vergütung aller Geschäftsleiter und Mitarbeiter vorsieht, sicherzustellen, dass die Fähigkeit des Instituts gegeben ist, eine angemessene Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung dauerhaft aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen. Abgesichert wird diese an die Bank gerichtete Vorgabe durch komplementäre aufsichtsbehördliche Eingriffsbefugnisse. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a und 6 KWG kann die zuständige Aufsichtsbehörde bei (drohender) Unterschreitung der regulatorischen Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen einerseits 88 Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 68 (Tz. 144): „Under no circumstances should the ex-post risk adjustment lead to an increase of the deferred part. Where the staff member is exposed to both the positive and the negative part of the outcomes distribution, he will be given incentives to take more risk than that which can be considered prudent from a supervisory point of view.“

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III. Das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln

Teil 2

anordnen, dass das Institut den Gesamtbetrag der variablen Vergütungen auf einen bestimmten Anteil des Jahresergebnisses beschränkt oder vollständig streicht; andererseits kann sie die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile untersagen oder auf einen bestimmten Anteil des Jahresergebnisses beschränken. Das in diesem Bereich deutlich sichtbare Spannungsverhältnis zwischen den privaten Interessen der Mitarbeiter an ihrer Vergütung und dem öffentlichen Interesse an der Stabilität des Finanzsystems wird einseitig zu Gunsten des öffentlichen Interesses aufgelöst. Nach § 45 Abs. 5 Satz 12 KWG können nämlich aus einer vertraglichen Vereinbarung über die Gewährung einer variablen Vergütung, soweit sie einer Anordnung der Aufsichtsbehörde nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a und 6 KWG entgegensteht, keine Rechte hergeleitet werden. Über diesen Aspekt der Eigenmittelausstattung (sog. regulatorische Sichtweise) hinaus ist bei der Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütungen – neu eingeführt durch die Neufassung der InstitutsVergV in 2014 – auch eine „ökonomische Sichtweise“ heranzuziehen, welche die Risikotragfähigkeit, die mehrjährige Kapitalplanung und die Ertragslage des Instituts berücksichtigt (vgl. § 7 Satz 2 Nr. 1 InstitutsVergV). Hintergrund dieser Ergänzung waren zum einen von der BaFin im Zuge ihrer Sonderprüfungskampagne 2013 festgestellte Umsetzungsdefizite,89 zum anderen das gesetzgeberische Bestreben, § 7 InstitutsVergV als zentralen Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Gesamtbonuspools auszugestalten und dabei ausdrücklich alle wesentlichen Risiken zu berücksichtigen.90 Die BaFin interpretiert diese Vorgabe in ihrer Auslegungshilfe dahingehend, dass die Festsetzung eines Gesamtbonuspools bereits im Falle eines „negativen Gesamterfolgs“ des Instituts, insbesondere wenn dieser mit einem „Verzehr des Unternehmenswertes“ einhergehe, in der Regel nicht zulässig sei und demnach keine für eine Zuteilung vorgesehenen Mittel bereitgestellt werden dürfen.91 Wann genau ein „negativer Gesamterfolg“ vorliegt, ist aber unklar. Sollte dies etwa so zu verstehen sein, dass bereits ein kleiner (Bilanz-)Verlust eines Instituts die Unzulässigkeit der Festsetzung eines Bonuspools zur Folge hätte, ginge dies nicht nur erheblich über die internationalen und europäischen Vergütungsvorgaben hinaus, sondern stünde auch in Konflikt mit der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Diese lässt die Festsetzung eines auch die individuelle Leistung eines Mitarbeiters honorierenden Bonus (Leistungsbonus) auf „null“ nur in Ausnahmefällen zu, wenn der betreffende Mitarbeiter seine durch Zielvereinbarung festgelegten Ziele erreicht hat.92 89 So wurde etwa moniert, dass sich die Institute ausschließlich an den regulatorischen Kapitalanforderungen der Säule 1 orientieren, sich passiv verhalten und auf das rechtzeitige Eingreifen der Aufsicht abstellen und keine eigene Vorstellung von einer angemessenen Kapitalausstattung entwickeln, vgl. Insam/Hin­ richs/Hörtz, WM 2014, 1415 (1419). 90 Vgl. die amtliche Begründung zur InstitutsVergV, § 7. 91 Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, § 7. 92 Die Festsetzung eines Leistungsbonus auf „null“ trotz individueller Ziel­ erreichung kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonders gewichtiger, au-

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

IV. Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung Die Frage, ob das Nachhaltigkeitskonzept der Vergütungsregeln und die damit einhergehende „neue risikoorientierte Vergütungsphilosophie“93 einen wirksamen Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung im Bankensektor leistet, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beantworten. Bislang hat die Flut an immer neuen Vergütungsvorgaben, insbesondere auch angesichts der stetig zunehmenden Regulierungsdichte, in erster Linie einen fortwährenden Anpassungsbedarf in den Vergütungssystemen der Banken ausgelöst, deren Praxisbeweis noch aussteht. Ob sich der damit verbundene Aufwand – auch angesichts der nicht unerheblichen Implementierungskosten – rentiert und sich, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, in einem soliden und wirksamen Risikomanagement auf Ebene des Einzelunternehmens, und einer größeheit des Finanzsystems insgesamt, niederren Stabilität und Robust­ schlägt, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls wurde mit der Instrumentalisierung der Vergütung für Zwecke einer risikoorientierten Verhaltenssteuerung aber ein grundlegend neuer Ansatz in der Finanzmarktregulierung gewählt. Während etwa die Bankenregulierung traditionell die Geschäftsmöglichkeiten von Banken, und damit auch ihre Möglichkeiten, Risiken einzugehen, indirekt durch die Vorgabe bestimmter Rahmenbedingungen beschränkt, etwa durch Großkreditobergrenzen oder Eigenmittelanforderungen, setzt die Vergütungsregulierung in ihrer verhaltenssteuernden Dimension unmittelbar an den Anreizen der (Risiko-)Entscheidungsträger an. Diese direktere Einflussnahme auf Risikoentscheidungen innerhalb der Bank wird mit Hinweis auf eine zwischen Banken und Aufsichtsbehörden grundsätzlich bestehende Informationsasymmetrie positiv bewertet.94 Die zweite Dimension der Vergütungsregulierung, die Beschränkung der Höhe des Gesamtbonuspools im Falle einer (drohenden) Unterschreitung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen, fügt sich dagegen nahtlos in die traditionelle Regulierung ein. Das gesetzgeberische Konzept, das Verhalten von Einzelpersonen durch die „richtigen“ Vergütungsanreize auf die Erzielung nachhaltiger Erträge auszurichten, verfängt in seinem theoretischen Grundansatz. Die ex-ante Risikoadjustierung trägt der Tatsache Rechnung, dass mit der Generierung von Erträgen immer auch Risiken (und Kosten) verbunden sind, die

ßergewöhnlicher Umstände gerechtfertigt werden, so etwa bei massiven Verlusten der Bank im Zuge der Bankenkrise 2008/2009, die mit staatlichen Rettungsmaßnahmen einhergingen, vgl. BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 (600). 93 Committee of European Banking Supervisors, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, 10.12.2010, 8 (Tz. 8). 94 Vgl. Bebchuk/Spamann, The Georgetown Law Journal, Vol. 98 (2010), 247 (280 f.).

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IV. Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung

Teil 2

den tatsächlichen Erfolgsbeitrag schmälern.95 Als Schlüsselelement des Nachhaltigkeitskonzepts ist daneben aber wohl die Zurückbehaltung von Teilen der variablen Vergütung zu sehen, verbunden mit der Möglichkeit, diese im Nachhinein abzuschmelzen, also die ex-post Risikoadjustierung. Dadurch dass ein Teil der variablen Vergütung für eine gewissen Zeitraum „im Risiko steht“, werden potenziell starke Anreize dafür vermittelt, Erträge nicht durch Eingehung kurzfristiger Risiken oder durch Einsatz unlauterer Methoden zu erzielen. Für diesen Ansatz elementar ist, genau wie für die Ausrichtung der Anreize auf die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes durch die Vergütung in Form von aktienbasierten Instrumenten, ein ausreichend hoher Anteil an (zurückbehaltener) variabler Vergütung. Abgesehen von Vorbehalten, die generell gegen die Wirksamkeit der Verhaltenssteuerung durch variable Vergütung vorgebracht werden, etwa die Verdrängung intrinsischer Motivation,96 ist aber auch konkret das dargestellte Nachhaltigkeitskonzept für den Bankensektor Einwänden ausgesetzt. So hängt etwa die Wirksamkeit der ex-ante wie auch der ex-post Adjustierung um Risiken von der Qualität der Risikomessung ab. Nur wenn die eingegangenen Risiken erkannt und auch korrekt bemessen werden, kann die Adjustierung der Vergütung um diese Risiken auch den gewünschten Anreizeffekt herbeiführen. Hier besteht ein Zusammenhang zum Risikomanagement allgemein und den Schwierigkeiten bei der Messung gerade von systemischen Risiken im Besonderen. Daneben bereitet etwa auch die Festlegung einer optimalen Länge des Zurückbehaltungszeitraums Probleme. Dieser darf nicht zu kurz bemessen sein, um den Risikohorizont der betriebenen Geschäftsaktivitäten abbilden zu können. Andererseits sollte er aber auch nicht zu lang bemessen sein, denn je weiter die Auszahlung der Vergütung in die Zukunft rückt, desto geringer ist erfahrungsgemäß der Wert, welcher der Vergütung durch den Begünstigten beigemessen wird. Dieser Effekt kann die von den Vergütungsregeln unbeabsichtigte (Neben-)Folge haben, dass der psychologische Wertverlust durch eine Anhebung der Vergütung ausgeglichen wird. Hier spielt auch der (internationale) Wettbewerb um Arbeitskräfte mit weniger stark regulierten (Finanz-)Unternehmen eine Rolle. In der Tat ist etwa für die Europäische Union mit ihren besonders strengen Vergütungsregeln in den letzten Jahren eine Tendenz zur Erhöhung des Festgehalts zu verzeichnen.97 Die mit den Vergütungsregeln verbundenen Probleme stehen weiterhin auf der regulatorischen Agenda. So wird zum Beispiel die effektive Umsetzung der ex-ante und der ex-post Risikoadjustierung auf internationa-

95 Vgl. Buscher/Hannemann/Wagner/Weigl, InstitutsVergV, S. 214. 96 Vgl. etwa Weibel/Rost/Osterloh, zfbf 2007, 1029 (1030). 97 Vgl. European Banking Authority, Report on Benchmarking of Remuneration Practices at Union level, 13.6.2014, 5.

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Teil 2

Stabilitätswahrende Wirkung von Nachhaltigkeit aus der Innenperspektive

ler Ebene genau beobachtet.98 Auf europäischer Ebene werden die bereits angesprochenen EBA-Leitlinien99 sowohl einige Neuerungen wie auch einige Verschärfungen der Vergütungsregeln mit sich bringen. Dies betrifft etwa die Einforderung längerer Zurückbehaltungszeiträume. Ohne dass dies in dem derzeitigen Leitlinienentwurf kenntlich gemacht wurde, greift diese Forderung indirekt auch die letzte Vergütungsreform in Großbritannien auf. Die britischen Aufsichtsbehörden haben jüngst zur stärkeren Ausrichtung der Vergütungen an den langfristigen Risiken im Bankensektor gestufte (Mindest-)Zurückbehaltungsräume von bis zu 7 Jahren in ihre Vergütungsregeln integriert. Daneben bestehen Sonderregeln für einen sog. „clawback“, also der Möglichkeit, selbst bereits ausgezahlte Vergütungen nach Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums zurückzufordern. Insbesondere in Fällen, in denen bereits aufsichtsbehördliche Ermittlungen zu einem möglichen Fehlverhalten, etwa zu Manipulationen, aufgenommen wurden, ist ein „clawback“ in Zukunft noch bis zu 10 Jahre nach dem Zeitpunkt möglich, in dem die Vergütung ursprünglich zugeteilt wurde.100 Die Instrumentalisierung der Vergütungsregeln zur Bekämpfung von „misconduct“ ist derzeit allgemein als Trend auszumachen. So wird etwa die Anwendung von Malus- und „clawback“-Regelungen in Fällen von aufgedecktem Fehlverhalten auch vom Europäischen Ausschuss für ­Systemrisiken als probates Mittel angesehen.101 Auch der auf die LIBORund EURIBOR-Manipulationen zurückgehende Vorschlag für die sog. Benchmark-Verordnung nimmt Vergütungsvorgaben in Bezug. So sollen vergütungsinduzierte Anreize zur Benchmark-Manipulierung beseitigt werden, etwa durch die Auflösung jeder direkten Verknüpfung zwischen der Vergütung der an der Bereitstellung von Benchmark-relevanten Daten beteiligten Mitarbeiter und der Vergütung von in anderen Bereichen tätigen ­Personen, wenn im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten ein Interessenkonflikt entstehen könnte.102 Vergütungsregeln finden sich auch in anderem Zusammenhang als Annex zur Durchsetzung anderweitiger regulatorischer Ziele. So sieht etwa der Entwurf für die europäische Trennbanken-Verordnung vor, dass die Vergütungspolitik der dem Trennban 98 Vgl. Financial Stability Board, Implementing the FSB Principles for Sound Compensation Practices and their Implementation Standards, Third progress report, 4.11.2014, 14 f. und 20 f. 99 Siehe bereits oben, Fn. 29. 100 Vgl. Prudential Regulation Authority (Financial Conduct Authority), PRA PS12/15 (FCA PS15/16), Strengthening the alignment of risk and reward: new remuneration rules, 23.6.2015. 101 Vgl. European Systemic Risk Board, Report on misconduct risk in the banking sector, June 2015. 102 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Benchmark verwendet werden, COM(2013) 641 final, 18.9.2013, Anhang I und II, Anforderungen an Unternehmensführung und Kontrolle.

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IV. Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung

Teil 2

ken-Regime unterworfenen Banken in einer Weise ausgestaltet und umgesetzt werden soll, die die Ausübung verbotener (Eigengeschäfts-)Tätigkeiten weder direkt noch indirekt fördert.103 Zentral für den Nachhaltigkeitskontext ist schließlich noch ein letzter Aspekt. Dieser wird schon länger unter dem Begriff „Risikokultur“ diskutiert und derzeit auch regulatorisch nutzbar gemacht. Adressiert wird damit der Vorwurf, dass die zumindest bei einigen Akteuren in der Finanzindustrie vorherrschende Unternehmenskultur, in der Vergangenheit unehrliches Verhalten bei Mitarbeitern begünstigt habe. Entsprechend wird eine starke Unternehmenskultur, die verantwortungsvolles und ethisches Verhalten verstärkt, als integraler Bestandteil „guter Governance“ angesehen. Gerade für Banken wird daher eine starke „Risikokultur“ eingefordert, welche die Mitarbeiter einer Bank bei ihrer täglichen Arbeit in ihren Risikoentscheidungen durch Vorgabe von Normen, Einstellungen und gewünschter Verhaltensweisen in Bezug auf das Risikobewusstsein, die Risikobereitschaft und das Risikomanagement beeinflussen soll.104 Zur Risikokultur gehören insbesondere auch die im Unternehmen vorherrschenden Anreizstrukturen. Diese sind aber nicht nur von der Vergütungspolitik abhängig, sondern umfassen daneben auch die in einem Unternehmen gelebte Leistungsbewertung sowie die Beförderungsund Einstellungspraxis. Die Erkenntnis, dass die Vergütungspolitik mithin nur einen Teilaspekt einer angemessenen Anreizsteuerung darstellt, soll ihre Bedeutung indes nicht schmälern. Eine nachhaltige Vergütungspolitik hat das Potenzial, einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensführung in der Finanzdienstleistungsbranche zu leisten. „Remuneration systems form a key component of the governance and incentive structure through which the board and senior management promote good governance, convey acceptable risk-taking behaviour and reinforce the bank’s operating and risk culture“.105

103 Vgl. Art. 7 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten in der Union, COM(2014) 43 final, 29.1.2014. 104 Vgl. Financial Stability Board, Effective Risk Appetite Framework, 18.11.2013; Financial Stability Board, Guidance on Supervisory Interaction with Financial Institutions on Risk Culture – A Framework for Assessing Risk Culture, 7.4.2014. 105 Basel Committee on Banking Supervision, Corporate governance principles for banks, 8.7.2015, Rz. 143.

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Teil 3 Die Schaffung von nachhaltigen Bankenstrukturen zur Abwendung von Insolvenz Kapitel 7 Strukturreform im Finanzsektor – Das Trennbanken­ gesetz als untauglicher Versuch der Verwirklichung von ­Nachhaltigkeitszielen im Aufsichtsrecht Tobias Tröger

Inhaltsübersicht I. Nachhaltigkeitsziele und Banken­ strukturreform II. Liikanen, Volcker, Vickers und ein deutsches Destillat III. Die verbotenen Geschäfte 1. Generell abzuspaltende Eigengeschäfte und Formen des Eigenhandels, § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 KWG a) Erfasste Handelsaktivitäten b) Implizite Ausnahme für Market Making 2. Untersagte Kredit- und Garantiegeschäfte, § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG

a) Anwendungsbereich und Normzweck b) Unzulänglichkeiten der Regelung im KWG 3. Vom Verbot ausgenommene Geschäfte, § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG 4. Zwischenfazit IV. Das Finanzhandelsinstitut und seine Finanzierung V. Gesellschaftsrechtliche Umsetzung VI. Fazit

Literatur: Acharya/Schnabl/Suarez, Securitization Without Risk Transfer, AFA 2010 Atlanta Meetings Paper, 2011; Adrian/Ashcraft, Shadow Banking Regulation, Fed. Res. NY Staff Reports No. 559, 2012; Adrian/Brunnermeier, CoVaR, NBER Working Paper 17454, 2011; Altvater/von Schweinitz, Trennbankensystem: Grundsatzfragen und alternative Regulierungsansätze, WM 2013, 625; Baumann, Einführung eines Trennbankensystems?, GWR 2013, 307; Berger/Molyneux/Wilson (Hrsg.), The Oxford Handbook of Banking, 2. Aufl. 2015; Binder/Gortsos (Hrsg.), Banking Union: A Compendium, 2015 (im Erscheinen); Blundell-Wig­nall/Wehinger/Slovik, The Elephant in the Room: The Need to Deal with What Banks Do, 2 OECD Journal on Financial Market Trends 1 (2009); Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2012; Büschgen, Universalbanken oder spezialisierte Banken als Ordnungsalternativen für das Bankgewerbe: der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Sammlung und Verwendung von Kapital, Gutachten erstattet für die Gesellschaft für Bankwissenschaftliche Forschung, Köln 1970; Chow/ Surti, Making Banks Safer: Can Volcker and Vickers Do it?, IMF Working Paper 11/236, 2011; Claessens/Ratnovski, What is Shadow Banking?, IMF Working Paper

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Teil 3

Nachhaltige Bankenstrukturen zur Abwendung von Insolvenz

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138 | Tröger

I. Nachhaltigkeitsziele und Bankenstrukturreform

Teil 3

ECB Involvement, 15 EBOR 449 (2014); Tröger, Konzernverantwortung in der aufsichtsunterworfenen Finanzbranche, ZHR 177 (2013), 475; Tröger, How Special Are They? – Targeting Systemic Risk by Regulating Shadow Banking, SAFE Working Paper No. 68; Tröger, Organizational Choices of Banks and the Effective Supervision of Transnational Financial Institutions, 48 Tex. Int’l L.J. 177 (2013); Tröger, Regulatory Influence on Market Conditions in the Banking Union, 17 EBOR (2015) (im Erscheinen); Tsesmelidakis/Merton, The Value of Implicit Guarantees, Working Paper, 2012; U.S. Senate Subcommittee on Investigations, Report on JP Morgan Chase Whale Trades: A Case History of Derivatives Risks and Abuses, 2013; Van Kann/ Rosak, Der Regierungsentwurf des Trennbankengesetzes, BB 2013, 1475; Viñals/ Pazarbasioglu/Surti/Narain/Erbenova/Chow, Creating a Safer Financial System: Will the Volcker, Vickers, and Liikanen Structural Measures Help?, IMF Staff Discussion Note 13/4, 2013; Wundenberg, Compliance und die prinzipiengeleitete Aufsicht über Bankengruppen, 2012.

I. Nachhaltigkeitsziele und Bankenstrukturreform Sämtliche, durch die Finanzkrise von 2007 und 2008 ausgelösten1 Reformen des materiellen Bankaufsichtsrechts verfolgen mit unterschiedlichen Mitteln2 das Kernanliegen jeder gesetzgeberischen Intervention im 1 Neben die auf globale Phänomene reagierenden Maßnahmen tritt d ­ ie durch die Staatsschuldenkrise im Euroraum ausgelöste Supranationalisierung zentraler Kompetenzen in der Bankenunion, dazu umfassend z.B. Binder/Gortsos (Hrsg.), Banking Union: A Compendium, 2015 (im Erscheinen). Zu den Zusammenhängen zwischen den fundamentalen Ungleichgewichten innerhalb der Währungsunion und dem politischen Projekt der Supranationalisierung, Tröger, 15 EBOR 449, 456 ff. (2014). 2 Einheitliche europäische Säulen der weltweit v.a. durch den Finanzstabilitäts­rat (Financial Stability Board, FSB) koordinierten Regelungsinitiativen sind die umfassende Reform des materiellen Bankaufsichtsrechts im Einklang mit dem Basel III Akkord (Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (CRD IV), ABl. L 176, S. 338; Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (CRR), ABl. L. 176, S. 1), die Schaffung eines leistungsfähigen Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Banken (Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (BRRD), ABl. L 173, S. 190) und die Stärkung der Rückhaltemechanismen, v.a. der Einlagensicherung (Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.3.2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf die Deckungssumme und die Auszahlungsfrist, ABl. L 68, S. 3 und v.a. Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme, ABl. L 173, S. 149).

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Teil 3

Nachhaltige Bankenstrukturen zur Abwendung von Insolvenz

Finanzsektor. Dieses liegt darin, die konstante und verlässliche Versorgung der Volkswirtschaft mit Liquidität zu gewährleisten.3 Dahinter steht die Erkenntnis, dass in der Realität eine abrupte Änderung der Geldmenge zu nachteiligen Auswirkungen auf die volkswirtschaftliche Gesamtleistung führt.4 Anders gewendet, ein die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt steigerndes, kreditfinanziertes Wachstum ist nachhaltig vor allem dann zu erreichen, wenn die privaten Intermediäre, die Angebot und Nachfrage von Liquidität zusammenführen, ihre Funktion dauerhaft und ohne erhebliche Friktionen erfüllen.5 Ausfälle mit systemischen Auswirkungen sind zu vermeiden. Die Sicherung der Finanzstabilität stellt folglich in kapitalistischen Volkswirtschaften, die sich auf private Geldschöpfung zur Gewährleistung der Liquiditätsversorgung der Realwirtschaft verlassen, nicht nur ein Fundamentalanliegen dar, sondern ist auf das Engste mit dem Ziel einer nachhaltigen Wohlstandsmehrung verknüpft. Im Sinne des allgemeinen Begriffsverständnisses6 geht es darum, dass der Finanzsektor seine wesentliche Funktion über die Zeit erfüllt, ohne dass zur Sicherung der Stabilität des Systems externe Ressourcen, insbesondere über steuerfinanzierte Rettungsprogramme (Bail-out),7 zugeführt werden müssen. Die gerade auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zentrale Frage, ob die Wohlfahrtsverluste, die mit einem sichereren, aber u.U. weniger innovativen Finanzsystem verbunden sind, tatsächlich geringer ausfallen, als diejenigen Einbußen, die in krisenanfälligeren, aber u.U. effiziente Neuerungen schneller entdeckenden Systemen aus der häufiger erforderlichen Zufuhr staatlicher Rettungsgelder folgen, lässt sich weder theoretisch noch empirisch überzeugend beantworten.8 3 Tröger, ZHR 177 (2013) 475 (481 ff.). 4 Eingehend zu den neo-keynesianischen Annahmen Tröger, How Special Are They? – Targeting Systemic Risk by Regulating Shadow Banking, SAFE Working Paper No. 68, S. 8 ff. (abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=2505909; diese und jede weitere Internetquellen zuletzt abgerufen am 25.7.2015). 5 Die Finanzkrise, die v.a. durch dramatische Vertrauensverluste und damit einhergehende Liquiditätsvernichtungen auf großvolumigen Refinanzierungsmärkten ausgelöst war (Gorton/Metrick, 104 J. Fin. Econ. 425 (2012); Covitz/Liang/ Suarez, 68 J. Fin. 815 (2013)), zeigt, dass die relevanten Gefahren nicht nur von Banken ausgehen, sondern der Ausgangspunkt der Fragilität auch in alternativen Formen der Kreditintermediation im Schattenbankensektor liegen kann, vgl. dazu hier nur Pozsar/Adrian/Ashcraft/Boesky, 19 Econ. Pol’y Rev. 1 (2013); Ad­ rian/Ashcraft, Shadow Banking Regulation, Fed. Res. NY Staff Reports No. 559 (abrufbar unter http://www.newyorkfed.org/research/staff_­ reports/sr559.pdf); Claessens/Ratnovski, What is Shadow Banking?, IMF Working Paper 14/25 (abrufbar unter https://www.imf.org/external/pubs/ft/wp/2014/wp1425.pdf). 6 Dazu in diesem Band Kap. 2, S. 6 f. 7 Zu den makro-ökonomischen Gründen entsprechender Programme Guynn, 29 Yale J. Reg. 121, 123 ff. (2012); Tröger, 48 Tex. Int’l L. J. 177, 187 ff. (2013); vgl. auch Macey/Holdcroft, Jr.,120 Yale L.J. 1368, 1375 ff. (2011). 8 Immerhin lässt sich konstatieren, dass die extrem hohen Summen, die zunächst zur Stabilisierung des Finanzsystems aufgewendet werden, nicht den endgülti-

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Teil 3

II. Liikanen, Volcker, Vickers und ein deutsches Destillat

Trotz dieser verbleibenden Zweifel9 stellen auch Initiativen zur Reform der Struktur von Banken eine Ausprägung der generellen Nachhaltigkeitsorientierung des Aufsichtsrechts dar, sofern sie durch das Anliegen motiviert sind, die Finanzstabilität zu gewährleisten.

II. Liikanen, Volcker, Vickers und ein deutsches Destillat Die verschiedenen, auf der Grundlage unterschiedlich breiter Mandate mit der Aufarbeitung der Finanzkrise befassten Expertengruppen haben in der Analyse von krisenverantwortlichen Schwächen der Finanzmarktarchitektur einen übereinstimmenden Brennpunkt in der Organisationsstruktur der Finanzinstitute gesehen. Sowohl die Problemanalyse im Detail als auch die Übersetzung der zu ziehenden Konsequenzen in konkrete aufsichtsrechtliche Vorgaben10 unterscheidet sich deutlich.11 Zur groben Kartierung der Reformlandschaft lassen sich Aktivitätsbegen Kosten der Rettungsmaßnahmen entsprechen. Hertig, 13 Theoretical Inq. L. 385, 391 (2012) zeigt eine positive Rendite zwischen 2,6 % – 22,5 % auf die Eigenkapitalbeteiligungen, die Staaten in den Rettungen von JP Morgan Chase, Wells Fargo, Goldman Sachs, Crédit Agricole, BNP Paribas, und Société Géneral in den Jahren 2008 und 2009 erworben hatten. 9 Auch unten Fn. 97. 10 Für das im Folgenden näher betrachtete deutsche Recht sind v.a. die Empfehlungen der Liikanen-Gruppe von Bedeutung. Auf deren Schlussbericht (High-level Expert Group on reforming the structure of the EU banking sector, Final Report (im Folgenden: Liikanen-Report) (abrufbar unter http://ec.europa.eu/finance/ bank/docs/high-level_expert_group/report_en.pdf) nehmen die deutschen Gesetzgebungsmaterialien immer wieder Bezug, vgl. z.B. die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 17/12601, S. 28 (40, 41) sowie den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/13539, S. 6. Der Liikanen-Report setzt sich auch mit den U.S.-amerikanischen und britischen Regelungsinitiativen auseinander (Liikanen-Report, S. 85 ff.), die somit mittelbare Bedeutung für die deutsche und europäische (vgl. unten Fn. 20) Regelung erlangen. Das U.S.-amerikanische Trennbankenkonzept ist verankert in The Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, § 619 (Pub.L. 111–203, H.R. 4173), durch den der Bank Holding Company Act of 1956 (12 U.S.C. §§ 1841 ff.) § 13 eine Ergänzung erfährt, die letztlich durch die final rule issued by five federal agencies (Board of Governors FED, CFTC, FDIC, OCC, SEC) of 10 December 2013 developed jointly to implement Sec. 619 of Dodd-Frank in anwendbares Recht umgesetzt wird. Der nationale Vermögenswerte isolierende Ansatz des Vereinigten Königreich findet sich in The Financial Services (Banking Reform) Act 2013, Chapter 33, Part I (Ring-fencing) v. 18.12.2013 und wurde im Verordnungsweg v.a. durch The Financial Services and Markets Act 2000 (Ring-fenced Bodies and Core Activities) Order 2014, Statutory Instrument No. 1960, sowie The Financial Services and Markets Act 2000 (Excluded Activities and Prohibitions) Order 2014, Statutory Instrument No. 2080 konkretisiert. 11 Rechtsvergleichend z.B. Kumpan, ZBB 2014, 201, 204 ff.; Möslein, BKR 2013, 397 (400 f.); Möslein, ORDO 64 (2013) 349 (357 ff.); Lehmann/Rehahn, WM 2014, 1793 (1794 ff.). Grober Überblick bei Viñals/Pazarbasioglu/Surti/Narain/ Erbenova/Chow, Creating a Safer Financial System: Will the Volcker, Vickers,

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Teil 3

Nachhaltige Bankenstrukturen zur Abwendung von Insolvenz

schränkungen für Bankgruppen, Trennungsgebote auf Institutsebene und absichernde Verflechtungsbeschränkungen unterscheiden (vgl. den Überblick auf der Grundlage dieser Matrix in Tabelle 1). Diese Bausteine können entweder dazu eingesetzt werden, selektiv als besonders gefahrträchtig eingestufte Aktivitäten zu isolieren oder umgekehrt die wenigen, als unverzichtbar angesehenen Finanzdienstleistungen abzuschirmen. Sowohl die unter dem Vorsitz von Paul Volcker,12 als auch die unter demjenigen von John Vickers13 bzw. Erkki Liikanen14 erarbeiteten Regulierungsvorschläge der jeweiligen Gremien identifizierten die Verflechtungen zwischen Eigenhandelsaktivitäten15 und Einlagengeschäft in den Instituten als systemdestabilisierende Schwachstelle.16 Dies zum einen deshalb, weil aus einem Übergreifen von Verlusten aus spekulativen, keinem unmittelbaren Kundeninteresse dienenden Aktivitäten umfassende Vertrauensverluste entstehen können. Diese bergen die Gefahr eines in letzter Konsequenz das gesamte Finanzsystem erschütternden Ansturms auf die Kasse durch Einleger17 oder – in der Krise von 2007/2008 bedeutender – andere, für die Refinanzierung entscheidende Gläubiger der Institute.18 Neben dem vordergründigen Gesichtspunkt der Risikoabschirmung19­ and Liikanen Structural Measures Help?, IMF Staff Discussion Note 13/4, S. 15 (abrufbar unter http://www.imf.org/external/pubs/ft/sdn/2013/sdn1304.pdf). 12 Das President’s Economic Recovery Advisory Board (PERAB) veröffentlichte keinen Abschlussbericht. Wortlautprotokolle der öffentlichen Verhandlungen sind aber abrufbar unter https://www.whitehouse.gov/administration/eop/­ perab/meetings/05-20-09. Der Vorsitzende stellte seine einschlägigen Vorstellungen erstmals in einem Meinungsbeitrag in einer Tageszeitung der Öffentlichkeit vor, Volcker, How to Reform Our Financial System, NY Times, 31.1.2010, S. WK11. 13 Independent Commission on Banking (im Folgenden: ICB), Final Report, S. 46 (abrufbar unter https://www.gov.uk/government/news/independent-commissi on­-on-banking-final-report). 14 Liikanen-Report (Fn. 10), S. 100. 15 Der Begriff ist hier finanzwissenschaftlich zur Kennzeichnung des proprietary trading verwendet, also nicht rechtstechnisch im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG. Er ist auch nicht notwendig identisch mit dem Begriff der Eigengeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG, der allerdings den Versuch darstellt, die Regelungsmaterie in eine trennscharfe juristische Definition zu gießen. 16 Vgl. aber auch bereits Blundell-Wignall/Wehinger/Slovik, OECD Journal on Financial Market Trends 2009(2), 1. 17 Zum klassischen, auf Kollektivhandlungsproblemen in Vertrauenskrisen beruhenden Modell, Diamond/Dybvig, 91 J. Pol. Econ. 401 (1983). 18 Generell zum in der Finanzkrise zu beobachtenden „run on repo“ Gorton in Fed. Res. Kan. City (Hrsg.), Maintaining Stability in a Changing Financial System, 2009, S. 131 (132); Gorton, 99 Am. Econ. Rev., Papers & Proc. 567, 567 ff. (2009); Gorton, Slapped by the Invisible Hand, 2010, passim. Speziell zu den entsprechenden Vorgängen und Zusammenhängen (Finanzierung schnellen Wachstums (23 % p.a.) durch kurzfristiges Fremdkapital am Interbankenmarkt und „run“ dieser Fremdkapitalgeber) bei Northern Rock, Shin, 23 J. Econ. Persp. 101 (2009). 19 So z.B. Chow/Surti, Making Banks Safer: Can Volcker and Vickers Do it?, IMF Working Paper 11/236, S. 3 (abrufbar unter http://www.imf.org/external/pubs/

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II. Liikanen, Volcker, Vickers und ein deutsches Destillat

Teil 3

soll vor allem auch einem aus Sicht der Institute bestehenden Anreiz entgegengewirkt werden, risikobehaftete Eigenhandelsaktivitäten durch Mittel aus dem Kundengeschäft zu finanzieren.20 Dieser erwächst daraus, dass auf letztere keine, den den Eigenhandelsaktivitäten immanenten Gefahren adäquate Risikoprämie gezahlt wird,21 sondern das Ausfallrisiko der gesamten Bankengruppe – unter Berücksichtigung ausdrücklicher (Einlagensicherung) oder etwaiger impliziter (too-big/complex/inter­ connected-to-fail) Staatsgarantien – über die am Markt zu zahlenden Aufschläge entscheidet.22 In der Tat stellt die Möglichkeit einer gegenüber exogen bestimmten Ausfallrisiken unempfindlichen Finanzierung eine bekannte Grundursache für exzessive Risikonahmen und daraus folgende ineffiziente Investitionsentscheidungen im Finanzsektor dar.23 Schließlich geht es auch darum, Komplexität zu reduzieren, um im Krisenfall eine vorstrukturierte Sanierung oder Abwicklung des betroffenen Instituts – im Wege einer Ausgliederung von Vermögensteilen und einer Unternehmensveräußerung (vgl. Art. 38 f., 42 BRRD; §§ 107 ff. SAG) – bewerkstelligen zu können, bei der v.a. die als unverzichtbar identifizierten Funktionen möglichst ungestört fortgeführt werden.24

ft/wp/2011/wp11236.pdf.); Möslein, BKR 2013, 397 (398). Dagegen aber z.B. Krosz­ner/Strahan, 101 AER 242, 244 (2011), die in Trennbankensystemen eine höhere Vernetzung der Institute prognostizieren. Kritisch, weil die Trennung Stabilitätsgewinne durch unternehmensinterne Diversifikation erschwere z.B. Lehmann/Rehahn, WM 2014, 1793 (1793 f.); Kumpan, ZBB 2014, 201 (203). 20 Begr. RegE, BT-Drucks. 17/12601, S. 2. 21 Liikanen-Report (Fn. 10), S. 99; ICB (Fn. 13), S. 81; auch Begr. RegE, BT-Drucks. 17/12601, S. 2; Lehmann/Rehahn, WM 2014, 1793. 22 Zum Modell vgl. Merton, 1 JBF 3 (1977). Empirische Belege bei Tsesmelidakis/ Merton, The Value of Implicit Guarantees, Working Paper (abrufbar unter http:// ssrn.com/abstract=2231317); Schweikhard/Tsesmelidakis, The Impact of Government Interventions on CDS and Equity Markets, American Finance Association 2012 Chicago Meetings Working Paper (abrufbar unter http://ssrn.com/ abstract=1573377). 23 Dazu auch Tröger, 17 EBOR (2015) (im Erscheinen). Die Kritik von Kumpan, ZBB 2014, 201 (202 f.) berücksichtigt diesen systemdestabilisierenden Einfluss möglicher Quersubventionen innerhalb der Bankengruppe auf den Preis für Fremdkapital nicht hinreichend und begrüßt den Transfer zwischen Geschäftsbereichen daher zu Unrecht als im Kundeninteresse liegend (Ausweitung und Verbilligung des Dienstleistungsangebots). Insofern geht es in der Tat nicht um die Herkunft der Risiken aus Eigen- oder Fremdgeschäft, sondern um deren inadäquat günstige Finanzierung, verkannt von Altvater/von Scheinitz, WM 2013, 625 (629). Zu den Problemen, die aus einer lediglich rechtlichen Trennung bei Aufrechterhalten wirtschaftlicher Verquickung resultieren können unten 4. 24 Begr. RegE, BT-Drucks. 17/12601, S. 2; Liikanen-Report (Fn. 10), S. 98, 99; ICB (Fn. 13 ), S. 9 f., 24 f.

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– Verbriefung eigener Vermö­ genswerte

– Liquiditätsmanagement

– (einfaches) Management von Eigen- und Kundenrisiken

– Einlagengeschäft, Zahlungsdienstleistungen, Kreditgeschäft

– Sämtliche Finanzdienstleistungen außer Einlagengeschäft etc.

– Handel in bestimmten Wertpapieren

– Beschränkte (