Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts: Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung [1 ed.] 9783428472437, 9783428072439

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Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts: Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung [1 ed.]
 9783428472437, 9783428072439

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FRANK FECHNER

Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Hans v. Mangoldt Wernhard Möschel, Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen

Band 25

Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung

Von Dr. Frank Fechner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Fechner, Frank: Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts: Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung I von Frank Fechner. Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht ; Bd. 25) ISBN 3-428-07243-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Satz: W. März, Tübingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-07243-X

Vorwort Bei meiner Beschäftigung mit Fragen der Archäologie sind mir vielfach Situationen begegnet, in denen durch bessere juristische Handhaben archäologische Güter wirksamer hätten geschützt werden können. Wenn das Recht auch nur einen Faktor bei der Erhaltung archäologischer Substanz bildet, sollte doch von juristischer Seite aus alles getan werden, um diesen Schutzfaktor optimal auszugestalten. Das ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, der effektive Regelungen zu schaffen hat, aber auch des Rechtsanwenders, der die bestehenden Regelungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des archäologischen Kulturguts umzusetzen hat. Die Verbesserung des rechtlichen Schutzes archäologischer Kulturgüter kann nur auf der Grundlage der bisher bestehenden rechtlichen Bedingungen gefordert werden. Die Mühe, sich mangels entsprechender Publikationen einen Überblick über diesen Rechtsbereich zu verschaffen, lassen es erforderlich erscheinen, zunächst die bereits bestehenden Vorschriften zum Schutz und mit Schutzwirkung für archäologisches Kulturgut mitzuteilen. Die Grundlagen werden breit dargestellt, da diese Arbeit vor allem auch denen hilfreich sein soll, die als Juristen oder Denkmalpfleger in der Praxis mit Rechtsfragen des Schutzes von Bodenbefunden konfrontiert werden. Möge die Schrift ihrem zweifachen Ziel - über die bestehenden Regelungen zu informieren und zur Verbesserung des Schutzes archäologischen Kulturguts beizutragen - gerecht werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. iur. Dr. h. c. Thomas Oppermann, bei dem ich viel über das Kulturverwaltungsrecht erfahren habe, für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe der "Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht". Interessante und weiterführende Gespräche durfte ich mit Herrn Professor Dr. phil. Wolfgang Kimmig führen und mit dem Leiter der Abteilung Archäologische Denkmalpflege des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg und Vorsitzenden des Verbandes der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland e.V., Herrn Professor Dr. phil. Dieter Planck. Freundliche Hilfe und aufschlußreiche Informationen verdanke ich dem Deutschen Archäologischen Institut in Berlin (Herrn Dr.-lng. Hoffmann), dem Deutschen Nationalkomitee beim Bundesministerium des Ionern (Frau Dr. Kirschbaum), dem Thüringer Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Erfurt (Herrn Viebrock), dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg in Potsdam (Herrn Dr. Neufeldt) und Herrn

6

Vorwort

Dr. Reim vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Unterstützung für meine Untersuchung erhielt ich auch vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und dem Landesmuseum für Vorgeschichte mit Archäologischem Landesamt Sachsen, beide Dresden. Für wichtige inhaltliche Hinweise bei der kritischen Durchsicht des Manuskripts danke ich meinen Kollegen, den Herren Privatdozent Dr. iur. Wolfgang Mitsch, Dr. iur. Claus Dieter Classen, Felix Hammer und Mare Beise. Tübingen, im August 1991

Frank G. Fechner

Inhalt A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts . . . . . . . . . . . . . . .

11

8. Der Schutz archäologischen Kulturguts Im geltenden nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

I. Spezialgesetze des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Gesetzgebungskompetenzen des Bundes aus Art. 75 Nr. 3 GG?

21

2. Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht . .

22

3. Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung . . . . .

23

4. Verhältnis zur Länderkompetenz aus Art. 70 Abs. 1 GG . . . . . . . . .

25

5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

II. Denkmalschutzgesetze der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1. Der Begriff des Kulturdenkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Allgemeiner Schutz von Kulturdenkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

3. Schutz der Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung . . . . . . . . . .

36

4. Zulässigkeil von Grabungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

5. Zufallsfunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

6. Grabungsschutzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

7. Schatzregal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

8. Enteignung

.. . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . .

45

9. Ehrenamtliche Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

10. Die Situation in den neuen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

11. Bindung des Bundes an die Denkmalschutzgesetze der Länder?

50

12. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

III. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

1. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

a) Verhältnis zu den Landesdenkmalschutzgesetzen . . . . . . . . . . . .

51

b) Diebstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

c) Unterschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

d) Hehlerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

8

Inhalt . . . .. . .. . . .. .. . . . . .

55

. . ... . . . . . . . . . . .. . . .. .. . .. . .

56

e) Gemeinschädliche Sachbeschädigung f) Stönmg der Totenruhe

g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

2. Baurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

3. Eigentumsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

a) Der Schatzfund gern. § 984 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

b) Das Verhältnis des § 984 BGB zum Schatzregal . . . . . . . .

59

c) Der grundrechtliche Eigentumsschutz nach Art. 14 GG . . . . . . . .

61

4. Die Forschungsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . .

67

5. Regelungen des Internationalen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

C. Recht der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

I. Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft mit Bezug zur Archäologie .

79

II. Einfluß der EG auf den Handel mit archäologischem Kulturgut . . .

81

1. Archäologische Kulturgüter als ..Waren" i.S. des EWGV . . . . . . . . .

81

2. EG-Binnenhandel

. . . . .. . ... . . .. . . . . .. .. . . . . .. . . . . .

82

3. Abbau der Grenzkontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

4. EG-Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

a) Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

b) Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

D. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

I. Kriegsvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

1. Die Herausbildung von Schutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

2. Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten . .

87

II. Friedensvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

1. Europäisches Übereinkommen zum Schutz archäologischen Kulturguts

92

2. Europäisches Übereinkommen über Straftaten gegen Kulturgut . . . . .

94

3. UNESCO-Konvention zur Bekämpfung der unerlaubten Ausfuhr von Kulturgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

Inhalt

9

4. Übereinkommen der Vereinten Nationen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

5. Bilaterale Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

6. Allgemeines Völkerrecht .

100

III. Zusammenfassung . . . . . . .

103

E. Möglichkelten der Verbesserung des Schutzes archäologischen Kulturguts ..... . .. . .. .. ... .. .... . .. . . ... ... . ... .

105

1. Schutz gegen illegale Ausgrabungen und den Handel im Inland

105 105

2. Schutz gegen Abwanderung von Kulturgut ins Ausland

107

3. Schutz gegen Abwanderung von Kulturgut aus Europa .

111

I. Schutz nationaler archäologischer Objekte . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Der Schutz archäologischen Kulturguts unabhängig von seiner nationalen Herkunft . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besondere Problernlage archäologischen Kulturguts . . . . . . . . 2. Vergleich mit dem Artenschutz . . . . . . . . . .

. .....

3. Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen

111 111 114 116

4. Artenschutz in der Europäischen Gemeinschaft

118

5. Unzulänglichkeiten in den Artenschutzbestimmungen . . .

118

6. Möglichkeit eines Importverbots für archäologische Objekte durch eine nationale Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119

7. Importverbot durch ein zu schaffendes internationales Abkommen

122

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

125

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts Die Notwendigkeit des Schutzes von Kulturgut ist national wie international weitgehend unbestritten. Eine Untersuchung des tatsächlich bestehenden Schutzes von Kulturgütern enttäuscht demgegenüber. Die Einsicht in die Notwendigkeit des Kulturgüterschutzes hat bisher nicht zu effektiven Regelungen geführt. Diese Feststellung gilt insbesondere für archäologische Objekte, deren Schutzbedürftigkeit in verschiedener Hinsicht die von Kunstwerken noch übertrifft. Die Besonderheiten archäologischen Kulturguts werden zwar in einigen landesrechtliehen Regelungen beachtet, finden indessen im geltenden Recht keine ausreichende Berücksichtigung. Selbst in der juristischen Literatur sind sie bisher kaum beachtet worden. 1 Im nationalen Recht sind noch nicht ausgegrabene archäologische Objekte der Bodendenkmalpflege zugeordnee und bilden damit einen Teil der durch die augenflUligeren Gebäude geprägten Denkmalpflege. Durch den sich intensivierenden internationalen Handel, insbesondere in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, sind den archäologischen Kulturgütern Gefahren erwachsen, denen bisher keine entsprechenden Schutzvorschriften gegenüberstehen. Vom Internationalen Privatrecht werden archäologische Gegenstände nicht anders als herkömmliche Waren behandelt. Der Handel mit unzulässigerweise ausgegrabenen oder gestohlenen Gegenständen wird durch das IPR nicht erschwert, sondern in einigen Fällen gefördert. Das Völkerrecht wagt es nur dann, die einzelnen Staaten in Pflicht zu nehmen, wenn Kulturgüter in bewaffneten Auseinandersetzungen gefahrdet sind. Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe, die Notwendigkeit einer Verbesserung des gegenwärtig bestehenden Schutzes archäologischen Kulturguts augenscheinlich zu machen, und anhand von Vorschlägen die Realisierbarkeil dieser Forderung zu belegen. Voraussetzung hierfür ist eine umfassende Darstellung des gegenwärtig bestehenden Schutzes archäologischen Kulturguts im nationalen und internationalen Recht. Bevor die rechtlichen Regelungen im einzelnen untersucht werden, soll kurz erläutert werden, worin die besondere Schutzbedürftigkeit archäologi-

1

Oebbecke, DVBI. 1983, S.384; Gahlen, NVwZ 1984, S.687.

Ausgegrabene archäologische Objekte können ohnehin den allgemeinen Vorschriften über bewegliche Denkmäler unterfallen. 2

12

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

sehen Kulturguts begründet ist. 3 Die Art der Schutzbedürftigkeit archäologischer Objekte unterscheidet sich grundlegend sowohl von der ortsfester Bodendenkmäler als auch von der beweglicher Kunstwerke. Bodendenkmäler können zwar häufig nach den rechtlichen Regelungen für Baudenkmäler behandelt werden und Ausgrabungsfunde nach denen für bewegliche Kunstgegenstände. Die Regelungen beider Gruppen lassen indessen - von ihrer Lückenhaftigkeit abgesehen - die besondere Schutzbedürftigkeit noch ungestörter archäologischer Substanz unberücksichtigt. Solange archäologische Kulturgüter nicht ausgegraben sind, sind sie viel stärker als in Sammlungen befindliche Kunstwerke in ihrer Substanz gefährdet. Zerstörungen sind in der Mehrzahl der Fälle Nebenfolge nicht zielgerichteter Eingriffe in die Bodensubstanz, die durch modernes technisches Gerät erleichtert werden. An erster Stelle stehen dabei Baumaßnahmen, angefangen vom privaten Hausbau bis hin zwn Bau von Straßen und Tiefgaragen. Zerstörerisch können sich auch land- und forstwirtschaftliche Maßnahmen auswirken, wie das Tiefpflügen und das Schleppen von Holz mit Forstmaschinen, sowie die Entnahme von Sand und Kies und der Abbau von Bodenschätzen im Tagebergbau. Beispiel einer indirekten Zerstörung ist das Absenken des Grundwasserspiegels durch Drainagen, das zur Austrocknung und zum Zerfall von Fundschichten führen kann. Aufgrund ihrer Lage sind die unausgegrabenen archäologischen Kulturgüter meist faktisch schutzlos dem Zugriff von Menschen ausgesetzt, die gezielt nach ihnen suchen. Dabei handelt es sich um sog. Hobbyarchäologen, die auf diese Weise ihre Sammlungen bereichern wollen und um mehr oder weniger professionelle "Schatzsucher", die, mit modernsten Prospektionsgeräten ausgerüstet, die von ihnen ausgegrabenen Gegenstände veräußern. Die Objekte im Boden sind in jüngster Zeit noch stärker gefährdet als früher. Das liegt am wachsenden Interesse an archäologischen Themen und der zunehmenden Freizeit einerseits, der Absättigung des Marktes mit Massenprodukten und dem Wunsch nach einmaligen, scheinbar zeitlosen Werten andererseits. Verblüffend ist die Offenheit, mit der die Raubgräberei propagiert und mit der für illegal erlangte Fundstücke Werbung gemacht wird. In Zeitungen und Zeitschriften wird für Metallsuchgeräte geworben. Ihr Gebrauch und die Erfolgsaussichten der Suche werden in Handbüchern für "Schatzsucher'' minutiös beschrieben. Die Raubgräber haben sich bereits zu vereinsmäßig strukturierten Gemeinschaften zusammengeschlossen. Archäologische Fundstücke werden auf Sammlerbörsen ebenso angeboten wie auf Auktionen und auch in Zeitungsinseraten, wobei selbst bei heimischen Stücken auf Nach3 Auf die internationalen Besonderheiten archäologischer KulturgUter wird gesondert in Kapitel E II 1 eingegangen.

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

13

frage nicht selten offen zugegeben wird, sie stammten "von einem Buddler". In dicken Katalogen wird auf Hochglanzpapier für den Kauf ausländischer Ausgrabungsgegenstände geworben, wobei sich die Verkäufer kaum noch die Mühe geben zu behaupten, ihre Waren stammten aus Erbschaften und alten Sammlungen. Hingegen sind die Waren nicht selten mit Expertisen anerkannter Wissenschaftler versehen. Die Auslieferung erfolgt auf dem bequemen und diskreten Versandweg. Um andere Käufergruppen wird in Schaufensterauslagen mit Objekten geworben, die manches Museum in den Schatten stellen. Diese kurzen Hinweise aus der Praxis des archäologischen Kunsthandels seien lediglich als Argument gegen die Behauptung angeführt, zum Schutz archäologischer Kulturgüter reiche es aus, auf einen Bewußtseinswandel in der Bevölkerung hinzuarbeiten. Wer glaubt, durch einen Appell an das Verantwortungsgefühl der Käufer den Schutz archäologischer Kulturgüter verbessern zu können, verkennt die Psyche des Sammlers.4 Darüber hinaus lassen sich archäologische Fundstücke sehr gut an finanzkräftige ausländische Sammler absetzen, kann man doch beispielsweise derzeit für eine goldene keltische Fibel in den USA sechsstellige Dollarbeträge erzielen. Neben den privaten Sammlern tragen leider auch staatliche Museen noch immer zur Förderung der Raubgräberei bei. Den lautstarken Beteuerungen der Museen zum Trotz werden bis heute umfangreiche Ankäufe illegal ergrabener Gegenstände aus dem In- und Ausland getätigt. Um die Wahrheit zu erfahren, frage man die Antiquitätenhändler, nicht die Museen. Nicht selten preisen die Händler ihre Waren mit dem Hinweis an, sie hätten vergleichbare Stücke kürzlich an dieses oder jenes Museum verkauft. Völlig unverständlich ist es, wenn beispielsweise eine staatliche Sammlung zur Vorbereitung einer Ausstellung durch gezielte Ankäufe einer bestimmten Epoche nicht nur die Preise in die Höhe treibt und damit die Raubgräber zu weiterer Aktivität anstachelt, sondern darüber hinaus die Raubgräber zu Lasten des Etats für Rettungsgrabungen entlohnt. Der Handel mit archäologischen Fundstücken bedarf nicht um seinetwillen der Beschränkung. Solange jedoch diese Form des Handels einträglich ist, haben die Händler einen Bedarf an Nachschub und werden die Raubgräber durch große Gewinne gelockt. Ziel der archäologischen Denkmalpflege muß es grundsätzlich sein, noch nicht ausgegrabene archäologische Objekte an ihrer ursprünglichen Stelle ungestört zu erhalten. Nur so ergibt sich für die Archäologie die Möglichkeit, Der Beitrag privater Sammler zur Wertschätzung und Erhaltung von Antiken soll dabei nicht verkannt werden; dazu die Bücher von Brieger und von Holst. 4

14

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

den Zusammenhang des Fundes mit seiner Umgebung aufzudecken, zu dokumentieren und auszuwerten. Waren früher die Fundgegenstände selbst der wichtigste Forschungsgegenstand, ist durch die veränderten und verfeinerten Arbeitsmethoden der Archäologie der Befund zum wichtigsten Informationsträger geworden.s Darin zeigt sich ein grundlegender methodischer Wandel, wurde doch früher der Sinn des "Ausgrabungsrechts" darin gesehen, die Freilegung von Bodendenkmälern zu befördern, um sie der wissenschaftlichen Erforschung und der Geschichte des Menschen dienlich zu machen. Die Fundstätte und der Fundzusammenhang spielten damals nur eine untergeordnete Rolle.6 Die Fundumstände sind für die Archäologie heute oftmals von weit größerer Bedeutung als das Fundobjekt selbst.7 Ja auch ohne jeden substanziellen Fund kann der Befund der Wissenschaft bisher unbekannte Informationen über vergangenes menschliches Leben liefern. Die gewandelte Methodik des Archäologen darf der Jurist nicht unbeachtet lassen. Bereits die zeitliche Bestimmung eines Fundstücks ist oft nur durch die stratigraphische Beobachtung möglich. Ältere Gegenstände in einer jüngeren Umgebung können das Fortleben bestimmter Traditionen und religiöser Vorstellungen belegen. Die geographische Verbreitung bestimmter Produkte kann Rückschlüsse auf Handelswege zulassen. Handwerkliche Abfälle, pflanzliche und tierische Reste in Siedlungen lassen den Grad der Arbeitsteilung und die Ernährungsgewohnheiten erkennen. Die Zuordnung von Beigaben innerhalb eines Gräberfeldes macht es möglich, die Sozialstruktur einer Siedlungsgemeinschaft zu rekonstruieren. Werden die Gegenstände aus ihrem Kontext gerissen, sind alle diese Aussagen nicht mehr möglich. Da die Informationen in vielen Fällen ganz unabhängig von einem konkreten Gegenstand im Boden konserviert sind, muß der Schutz archäologischen Kulturguts als umfassender Schutz der Befunde unabhängig von jeder materiellen Hinterlassenschaft eingreifen. Beispiele für letzteres sind Verfärbungen des Erdreichs durch Pfostengruben und Grabenverfüllungen oder eine unterschiedliche chemische Zusammensetzung des Bodens, wie bei Leichenschauen, und schließlich Abdrücke vergangener organischer Gegenstände im Boden.

~ Zu den heutigen Methoden archäologischer Ausgrabung siehe das Buch von Gersbach. 6

Diehl, S.I2.

7

Anders wiederum Diehl, aaO.

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

15

Der Befund ist unwiederbringlich verloren, wenn ein Eingriff in die Bodensubstanz erfolgt. Das gilt gleichermaßen für die unautorisierte wie für die offizielle wissenschaftliche Grabung. Der Unterschied ist lediglich der, daß bei der Grabung durch Archäologen die Befunde mit den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden festgehalten (dokumentiert) und grundsätzlich auch ausgewertet und publiziert werden. 8 Bei der unautorisierten Fundsuche, der sogenannten Raubgrabung, werden die Bodeninformationen hingegen ohne jede Befundsicherung zerstört. Werden bei der häufig planlosen Suche Privater überhaupt Funde gemacht, so haben sie mit der Entnahme aus dem Boden ihren wissenschaftlichen Wert weitgehend eingebüßt, da der Fundzusammenhang für immer unbekannt bleibt9 Vielfache punktuelle Störungen bisher unangetasteter Befundsituation sind vor allem seit dem unautorisierten Einsatz von Metallsuchgeräten zu beklagen. Scherben und Fragmente von hoher wissenschaftlicher Aussagekraft erscheinen dem Sammler oft wertlos und werden demzufolge weggeworfen. Doch auch die Substanz der Funde ist gefährdet. Die Konservierung archäologischer Fundstücke bereitet selbst Fachleuten noch häufig unüberwindliche Schwierigkeiten. Beispielsweise ist die Erhaltung korrodierten Eisens noch immer nicht zufriedenstellend gelöst. Der Privatmann verfügt im Regelfall nicht über die notwendigen Apparaturen und die Erfahrung zur Funderhaltung, weshalb manches Fundstück in wenigen Jahren zu Staub zerfällt Die nicht legal ausgegrabenen Funde sind der Wissenschaft und der Öffentlichkeit verloren. Aus der Sicht wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns sollten nach Möglichkeit alle Funde wissenschaftlich ausgewertet werden, auch dann, wenn es sich um bereits bekannte Fundtypen handelt. Qualitative Unterschiede, aber auch schlicht die Anzahl und Verbreitung bestimmter Arten und Formen von Gegenständen können bedeutsam sein. Das schließt eine Rückgabe an einen Finder nicht aus; da sich indessen die Fragestellungen und Untersuchungsmethoden in unvorhergesehener Weise ändern können, ist es vorzugswürdig, wenn die Funde für mögliche zukünftige Forschungen verfügbar bleiben.

Zur rechtlichen Verankerung siehe unten bei den Denkmalschutzgesetzen in Kapitel B ll 4. 1

9 Nicht mehr nachvollziehbar sind daher Forderungen, zur Unterstützung von Denk· malschutz und Denkmalpflege dem privaten Sammlerturn Schutz und Förderung angedeihen zu lassen; so jedoch Blens-Vandieken, S. 69, mit Hinweis auf die damaligen Richtlinien zum schleswig-holsteinischen Denkmalschutzgesetz (abgedruckt bei Hingst, S. 68, 5 Abs. 4).

16

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

Darüber hinaus besteht ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit, daß sie über Funde unterrichtet wird und ihr archäologische Fundstücke in Museen zugänglich gemacht werden. Aus ähnlichen Gründen gab es bereits Ende des 18. Jahrhunderts Vorschriften, die sich um eine Erhaltung von Altertümern und um eine Weitergabe von Funden an den jeweiligen Landesherrn bemühten. 10 Allerdings können sich auch in dem Bereich der anerkannten Interessen der Öffentlichkeit schwer lösbare Konflikte ergeben. So hat sich vor allem die Publizierung von Fundstellen als Gefahr für die archäologische Substanz erwiesen. In einigen Fällen entwickeln sich neue Fundstellen am Wochenende nach einer Veröffentlichung zu Treffpunkten der Hobbyarchäologen. Auf der einen Seite steht hier die berufsspezifische Pflicht des Archäologen, Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, und die Notwendigkeit, die Bevölkerung durch Informationsvermittlung zur Mitarbeit im denkmalpflegerischen Bereich zu gewinnen. Auf der anderen Seite kann eine zu frühzeitige Bekanntgabe den Verlust einer nicht vollständig ausgegrabenen Fundstelle bewirken. Selbst Führungen durch Ausgrabungsstätten können zu Beschädigungen aus Unachtsamkeit oder Mutwillen führen und haben immer wieder den Diebstahl wissenschaftlich ausgegrabener Objekte oder nächtliche Plünderungen zur Folge. Aus der Sicht wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns ist aus allen diesen Gründen das Hauptaugenmerk auf die Verhinderung von unwissenschaftlich

10 So versuchte schon Herzog Eberhard ill. von Württemberg, durch ein Reskript aus dem Jahr 1670, mit Hilfe seiner Vögte und Specialsuperintendenten, seine Kunstkammer mit ,,Antiquiteten und Rariteten" zu erweitern, wobei er als Beispiele aufführt: "( ... ) römischer inscriptionum lampadum umarum ( ... ) Münzen oder rudera von alten Monumentis, oder anders, massen bereits schon mehrmals geschehen. dass auf den Feldern bei beschehenen Umbrüchen zerschierlene römische Antiquiteten in Unserem Land gefunden worden (.. .)", abgedruckt bei Fleischluluer, S. 16. Vergl. die Verordnung Friedrich II., Landgraf zu Hessen. "die im Lande befindlichen Monumente und Altertümer betreffend", aus dem Jahr 1779, abgedruckt bei Huse, S. 26 f.: "Wenn jemand Münzen und sonstige Altertümer fmdet, so soll er solches dem nächsten Beamten anzeigen und insofeme das Gefundene annehmlich ist, nicht nur die Vergütung des innem Werts, sondern auch nach Befmden ein mehreres gewärtigen, bei denen aber, die das Gefundene verheimlichen. soll solches confisciert werden. und derjenige, der es angeben wird, den dritten Teil des Wertes bekommen", ebd., S. 27. Denkmalschutzgesetz Ludwig X., Großherzog von Hessen und bei Rhein, aus dem Jahr 1818: "Wenn bei Nachgrabungen oder anderen Veranlassungen Alterthümer aufgefunden werden, so haben Unsere Beamten dafür zu sorgen, dass dieselben möglichst erhalten werden, und ist davon sogleich die Anzeige an Unser Ober-Baukolleg oder die Direction Unsers Museums zu machen", ebd., S. 33.

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

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durchgeführten Grabungen zu richten. Allerdings wird die Frage der notwendigen rechtlichen Regelung durch die Zweischneidigkeit der praktischen Vorgehensweise erschwert. Der wirksamste Schutz gegen Raubgräberei ist sicherlich die wissenschaftliche Ausgrabung. Diese Aussage könnte dazu verleiten, die Lösung des Problems darin zu sehen, durch einen verstärkten Grabungseinsatz alle der Denkmalpflege bekannten archäologischen Stätten zu retten. Eine verstärkte Grabungsintensität ist zwar sehr wünschenswert, da in vielen Fällen die Ausgrabung den einzigen Schutz vor Zerstörung von Informationen bieten kann. Vor einer bevorstehenden Zerstörung durch Baumaßnahmen oder landwirtschaftliche Eingriffe ist die Rettungsgrabung die ultima ratio. Deswegen ist die Erhöhung der personellen Mittel der für die Bodendenkmalpfelge zuständigen Abteilungen der Landesdenkmalämter eine noch immer aufrechtzuerhaltende Forderung. 11 In einer Vermehrung der Grabungen liegt indessen nicht die optimale Lösung für die Archäologie. Angesichts des raschen Fortschritts der auf den unterschiedlichsten naturwissenschaftlichen Disziplinen basierenden Auswertungsmethoden wird in der archäologischen Denkmalpflege mehr und mehr der Rat befolgt, möglichst viele Bodenurkunden den voraussichtlich wesentlich verfeinerten Methoden zukünftiger Generationen zu überlassen und sich derzeit auf die zahlreichen unaufschiebbaren und personell kaum zu bewältigenden Rettungsgrabungen zu konzentrieren. Zudem wird angesichts der Menge von Grabungen und Grabungsergebnissen die Konservierung, Auswertung und umfassende Publizierung zu einem immer größeren Problem. Manche Objekte lassen sich mit den modernsten Methoden nicht bergen oder sind mangels ausreichender Konservierungsmöglichkeiten dem Untergang preisgegeben. Bei aller Fähigkeit der Konservatoren bietet doch manches Objekt im Museum im Vergleich zum Zustand bei der Auffindung im Boden ein jämmerliches Bild. Auch trifft die Annahme, in einem Museum seien die Kulturgüter in jedem Fall bestens bewahrt, leider keineswegs immer zu. Vor allem in kleineren Museen können die Einwirkung von Licht und Luft ebenso einen Verlust an Originalsubstanz bewirken wie unzureichende Schutzmaßnahmen gegen Einbruch und Diebstahl. Es wird daher heutzutage primär eine bessere Sicherung der Funde mitsamt der Befunde im Boden angestrebt. Rechtliche Handhaben können dabei direkten wie indirekten Einfluß ausüben. Die Befundsicherung kann zunächst durch einen effektiveren Gebrauch der strafrechtlichen Sanktionen erreicht werden. Allzuhäufig werden unautorisierte Grabungen von Staatsanwälten und Richtern als Kavaliersdelikt angesehen

11

Materialien zum Denkmalschutz, S. 27.

2 Fec:lmcr

18

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

und dementsprechend behandelt Strafrechtliche Sanktionen allein reichen angesichts des relativ geringen Risikos der Entdeckung, das ein Raubgräber eingeht, solange nicht aus, als sich die Ware gut verkaufen läßt. Die zweite Aufgabe der Rechtsordnung muß es somit sein, die Verkäuflichkeit archäologischer Gegenstände weitestmöglich zu verhindern. Insofern können auch Rechtsvorschriften, die sich auf bereits ausgegrabene archäologische Kulturgüter beziehen, indirekt den Schutz ungestörter Fundstellen erhöhen. Wegen des heute gängigen internationalen Kunsthandels ist vor allem die Ausfuhr von Funden stärker zu überwachen. 12 Schließlich besteht, wie noch auszuführen sein wird, 13 eine Verantwortlichkeit auch gegenüber archäologischen Fundstätten, die sich nicht im Inland befinden. Aus diesem Grund wird schließlich die Forderung erhoben, auch die Einfuhr archäologischer Objekte durch internationale Verträge oder durch nationales Recht zu verhindem. 14 Auf der Grundlage der eben dargestellten Gegebenheiten läßt sich der Begriff des archäologischen Kulturguts bestimmen, wie er im folgenden verwendet wird. Unter archäologischem Kulturgut wird die staatenübergreifende Gesamtheit der archäologischen Kulturgüter verstanden. Es handelt sich dabei um alle im Boden oder unter Wasser befindlichen, wie auch alle aus dem Boden ausgegrabenen oder auf der Erdoberfläche gefundenen Objekte, sowie alle bekannten und noch unbekannten Fundstätten in ihrer ungestörten Einheit von Funden und Befunden, die Informationen über vergangenes menschliches Leben liefern oder zukünftig liefern könnten. Diese weite Umschreibung ist unabhängig vom materiellen Wert und der kunstgeschichtlichen Bedeutsamkeil eines Fundes, ja selbst unabhängig von dessen Gegenständlichkeit. Der Wortbestandteil "Kultur" beinhaltet einen Bezug zum menschlichen Leben. Allerdings darf dieser Bezug nicht zu eng in dem Sinne verstanden werden, daß nur von Menschenhand hergestellte Sachen oder gar nur Kunstgegenstände hierunter fielen. So läßt sich kaum bezweifeln, daß etwa Skelettreste, die Aufschluß über die anthropologische Entwicklung des Menschen geben können oder Rückschlüsse auf Krankheiten und Todesursachen zulassen, von Bedeutung für die Kulturgeschichte sind. Aufschluß über vergangenes menschliches Leben können desweiteren Pflanzen- und Tierreste geben, wenn sie in einem Bezug zu menschlicher Tätigkeit oder Lebensweise stehen. Selbst die Umgestaltung des Bodens oder der Landschaft kann bedeutungsvoll sein, man denke nur an die Gangsysteme vorgeschichtlicher Bergwerke.

12

Dazu unten Kapitel E I 2.

13

Unten Kapitel E II 1.

14

Dazu unten Kapitel E II 6 und 7.

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

19

Ohne jede materielle Hinterlassenschaft können Verfärbungen in der Erde Rückschlüsse auf frühere menschliche Tätigkeiten zulassen. Nicht unter den Begriff der archäologischen Kulturgüter fallen hingegen paläontologische Funde oder sonstige auf oder unter der Erdoberfläche auffindbare Naturdenkmäler, wie Tropfsteinhöhlen oder mineralische Ausbildungen. Allerdings kann es angesichts des vergleichbaren Schutzinteresses und der ähnlichen Gefährdungslage in vielen Fällen sinnvoll sein, diese Objekte den Schutzvorschriften für archäologische Kulturgüter zu unterstellen, soweit ein wissenschaftliches oder sonstiges öffentliches Interesse besteht. Ein eigenständiger Schutz dieser ebenfalls schutzwürdigen Sachen ist regelmäßig nicht vorgesehen; ihn zu fordern hat wegen der scheinbaren oder angeblichen Bedeutungslosigkeit dieser Objekte nur geringe Aussicht auf Erfolg. Eine zeitliche Eingrenzung des Begriffsinhalts etwa auf die Epochen, die nicht oder nicht überwiegend durch schriftliche Urkunden erschlossen sind, sollte neben den inhaltlichen Kriterien nicht verlangt werden. Ist eine Epoche durch umfangreiche schriftliche Quellen dokumentiert, so können diese doch durch archäologische Untersuchungen ergänzt oder relativiert werden. Wird der Begriff des Kulturguts vorwiegend im Völkerrecht gebraucht, wo er allerdings keine einheitlich anerkannte Definition erfahren hat, 15 so ist die Verwendung des Wortes "archäologisches Kulturgut" im nationalen Recht besonders dann sinnvoll, wenn die Bedeutung der Objekte nicht nur für die einzelne Nation, sondern für die gesamte Menschheit betont werden soll. 16 In diesem Sinne unterfallen dem Begriff des archäologischen Kulturguts Objekte der oben angeführten Beschreibung, unabhängig von ihrer inländischen oder ausländischen Herkunft oder BelegenheiL Die Denkmalschutzgesetze der einzelnen Bundesländer benutzen demgegenüber den Begriff der Kulturdenkmäler, der teilweise in Baudenkmäler, Bodendenkmäler und bewegliche Denkmäler untergliedert wird. 17 Zu den Bodendenkmälern können, wie bei den archäologischen Kulturgütern, ebenfalls sowohl die noch in der Erde befindlichen, wie die schon ausgegrabenen

u Einzelheiten bei Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 12 ff., und Walter, S.l2 ff. 16 Vergl. Art. 1 der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (s.u. Kapitel D I 2). Die UNESCO-Konvention zur Bekämpfung der unerlaubten Ausfuhr von Kulturgütern (s.u. Kapitel D II 3) überläßt es dagegen in Art 1 dem jeweiligen Staat, sein Kulturgut zu bezeichnen. 17

Kleeberg I Eberl, Rdnr. 14.

20

A. Schutzbedürftigkeit archäologischen Kulturguts

Gegenstände gehören. 18 Umfaßt werden sowohl die verborgenen wie die noch sichtbaren, obertägigen Bodendenkmäler. Fraglich ist jedoch bereits, inwieweit unter der Wasseroberfläche befmdliche Gegenstände zu den Bodendenkmälem gerechnet werden. Dies ist eine Frage der einzelnen Denkmalschutzgesetze, die nicht nur in dem einen Punkt den Begriff des Bodendenkmals nicht einheitlich umschreiben19, wenn sie ihn überhaupt verwenden. Aus diesem Grund ist der grundsätzlich weitere und noch nicht belegte Begriff des archäologischen Kulturguts für eine umfassende und überörtliche Unterschutzstellung vorzugswürdig.

11

Gahlen, NVwZ 1984, S. 687.

In einigen Landesdenkmalschutzgesetzen sind Bodendenkmäler nur von Menschenhand geschaffene Sachen; dazu unten Kapitel B 11 1. 19

B. Der Schutz archäologischen Kulturguts im geltenden nationalen Recht I. Spezialgesetze des Bundes 1. Gesetzgebungskompetenzen des Bundes aus Art. 75 Nr. 3 GG?

In der Weimarer Republik wurde von der aus Art. 150 Abs. 1 WRV20 hergeleiteten Reichsgesetzgebungskompetenz für die Denkmalpflege kein Gebrauch gemacht. 21 Das Grundgesetz sieht keine ausdrückliche Kompetenzzuweisung bezüglich des Denkmalschutzes an den Bund vor. 22 Allerdings kommt als Kompetenzgrundlage für den Schutz archäologischer Objekte Art. 75 Nr. 3 GG in Betracht. Diese Vorschrift ermächtigt den Bund, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG für den Naturschutz und die Landschaftspflege Rahmenvorschriften zu erlassen. Umstritten ist, ob unter diese Vorschrift auch der Denkmalschutz fällt. Relikte menschlicher Tätigkeit lassen sich dem Wortlaut und dem Sinn der Vorschrift nach gerade nicht unter die beiden Begriffe subsumieren, die primär den Schutz des vom Menschen unbeeinflußten Zustands bezweckt. Mögen auch Ausnahmen denkbar sein, etwa für Denkmäler, die landschaftsprägend sind und damit zur Landschaftspflege gehören,23 so ist doch eine umfassende Kompetenz des Bundes für den Denkmalschutz24 und insbesondere für Bodendenkmäler aus dieser Vorschrift nicht herzuleiten.25 Bestehen wie hier keine ausdrücklichen Kompetenzzuweisungen an den Bund, können doch ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen vorliegen. Sie haben für den vorliegenden Bereich allerdings nur eine sehr geringe Bedeu-

:zo ,,Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates." 21 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 128 mit Arun. 46; str., dazu Bülow, S. 56 f.; zur Geschichte des Denkmalschutzes im übrigen Gassner, Kennzahl 090 03 ff.

22

Zu Forderungen einer Bundeskompetenz für den Sachbereich Denkmalpflege

Kummer, S. 104 f. 23 v. MÜIICh, in: ders., Art. 75, Rdnr. 27. ~ Maunz in: Maunz I Dürig, Art. 75, Rdnr. 125. 25

Ebenso Bac/chaus, S. 20; Bülow, S. 74, 96 ff.

22

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

tung.26 Beispielsweise kann aus der Natur der Sache das Recht des Bundes abgeleitet werden, Kulturdenkmale von nationaler Bedeutung finanziell zu fördern.27 Seit 1989 werden nicht nur Baudenkmäler, sondern auch Bodendenkmäler und Ausgrabungsstätten in diese Förderung einbezogen. 28 Im Rahmen des Bauplanungsrechts ist - im Hinblick auf die konkurrierende Zuständigkeit für das Bodenrecht in Art. 74 Nr. 18 GG - eine Bundeskompetenz insoweit gegeben,29 als Denkmäler durch Maßnahmen der Bauleitplanung beeinträchtigt werden, wobei sich die Beeinträchtigungen i.d.R. auf ihr Erscheinungsbild beziehen werden. Angesichts der grundsätzlich alleinigen Länderzuständigkeit im kulturellen Bereich sollten diese Ansätze von Bundeskompetenzen indessen nicht weiter ausgedehnt werden. 2. Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht

Das Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht vom 1. Juni 198030 änderte und ergänzte verschiedene raumordnungs- und planungsrelevante Normen in Bundesgesetzen, trifft aber keine gesonderten denkmalschutzrechtlichen Regelungen.31 So wurden etwa im Raumordnungs- und im Flurbereinigungsgesetz die allgemeinen Planungsgrundsätze dahingehend geändert, daß nun auch der Denkmalschutz und das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Kulturdenkmälern bei der Planung zu berücksichtigen sind. Da der Denkmalschutz bereits zuvor in den Abwägungsvorgang einer Planung einzustellen war und das Abwägungsergebnis durch das Gesetz in keiner Weise festgelegt wird, ist die Bedeutung des Gesetzes zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht gering geblieben.32 Eine Ausnahme mag die Erweiterung des Bundesnaturschutzgesetzes auf historische Kulturlandschaften sein, insbesondere die Umgebung geschützter oder schützenswerteT Bodendenkmäler in § 2 Abs. 1 Nr. 13 BNatSchG.

26

Einzelheiten bei Badehaus, S. 25 ff.

n Einzelheiten

zu dieser Form der Förderung bei Badehaus, S. 29, 140.

Denkmalschutzfördenmg durch den Bund, dpa-Dienst für Kulturpolitik vom 30.1. 1989, abgedruckt bei Stiehl Burhenne, Kennzahl 460 31. 28

29

Bundeskompetenzkraft Sachzusamrnenhang; Badehaus, S. 28.

30

BGBl. 1980 I, S. 649 ff.

31

Dazu auch Badehaus, S. 26 f.

32

Einzelheiten bei Moench, NJW 1980, S. 2343 f.

I. Spezialgesetze des Bundes

23

3. Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung

Ausdrücklicher Gegenstand konkurrierender Gesetzgebung ist gern. Art. 74 Nr. 5 GG der Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland. Aufgrund dieser Bestimmung wurde das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung erlassen. 33 Kunstwerke und anderes Kulturgut, deren Abwanderung aus dem Geltungsbereich des Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, werden dem Gesetz zufolge in dem Bundesland, in dem sie sich befinden, in ein "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" eingetragen (§ 1 Abs. 1). Über die Eintragung des Kulturguts in das Verzeichnis entscheidet die oberste Landesbehörde nach Anhörung eines Sachverständigenausschusses, dem Fachleute aus den öffentlichen Verwaltungen, Hochschullehrer, private Sammler, Kunsthändler und Antiquare angehören (§ 2). Die Ausfuhr eingetragenen Kulturguts bedarf der Genehmigung. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalles wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen (§ 1 Abs. 4). Über die Genehmigung zur Ausfuhr entscheidet der Bundesminister des Innem, der vor seiner Entscheidung einen ähnlich zusammengesetzten Sachverständigenausschuß anzuhören hat (§ 5). Als Sanktion für die Ausfuhr eingetragenen Kulturguts sieht die Strafnorm des § 16 Abs. 1 Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor - ein angesichts der Bedeutung der betroffenen Objekte durchaus angemessener Strafrahmen.34 Wie ein Blick auf diese Vorschriften zeigt, bietet das Gesetz dennoch keine Handhabe gegen die Zerstörung archäologischer Substanz. Zwar bedeutet der Begriff "deutscher Kulturbesitz" nicht notwendig, daß das Gesetz sich nur auf Objekte deutscher Herkunft erstreckt. Vielmehr ist das Wort "deutsch" nach den Motiven des Gesetzgebers und der Auslegung durch die Rechtsprechung lediglich eine Ortsbestimmung. Geschützt wird danach der Kulturbesitz, der im Geltungsbereich des Gesetzes belegen ist, gleichgültig, 33 Vom 6. August 1955, BGBI 1955 I, S.501 ff. Verg!. Art. 105 Abs. 2 WRV. Zur vorausgehenden Entwicklung Wid allgemeinen Zielsetzung dieses Gesetzes Pieroth I Kampmann, S. 1386 f. 34 Nach Reichelt (Internationaler Kulturgüterschutz, S. 15) ist an den in der Liste eingetragenen Kulturgütern kein Gutglaubenserwerb möglich. Da sich diese Rechtsfolge nicht aus dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ergibt, körmen lediglich die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb zu diesem Ergebnis führen. Bei Kunsthändlern wird man im Falle bedeutender Fundstücke im Inland keine Zweifel an der Bösgläubigkeit haben; nicht eindeutig ist das jedoch in den anderen Fällen, so beispielsweise wenn einzelne Teile eines eingetragenen HortfWides zum Kauf angeboten würden.

24

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

ob er sich schon lange oder erst seit kurzem dort befindet.35 Als besonders nachteilig stellt sich hingegen das vom Gesetzgeber nonnierte Eintragungserfordernis dar. Es bedürfen danach nur solche Kulturgüter einer Ausfuhrgenehmigung, die in das "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" eingetragen sind. Wird ein (national) noch so wertvoller Gegenstand außerhalb einer offiziellen Grabung gefunden, kann er längst über die Grenze gebracht worden sein, bevor das Eintragungsverfahren eingeleitet wurde. Dann ist nicht nur das Kulturgut verloren, sondern darüber hinaus auch eine Strafbarkeit der Täter nach § 16 des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes ausgeschlossen. Demgegenüber wäre eine Konstruktion des Gesetzes denkbar gewesen, derzufolge zumindest archäologische Objekte generell nicht ausgeführt werden dürfen,36 wenn nicht eine Ausfuhrgenehmigung vorliegt. Die strafrechtliche Sanktion würde dann auch weitergehende Wirkung entfalten, das Risiko für potentielle Täter nicht mehr so leicht abschätzbar sein. Als zweite Todesfalle archäologischen Materials erweist sich im Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung die Beschränkung auf wertvolles Kulturgut. Wie bereits die komplizierten Regelungen über die Sachverständigenausschüsse zeigen, ist hier für Kleinfunde kein Raum. Was die archäologischen Objekte betrifft, ist die bestehende Regelung wenig sinnvoll. Lassen sich Kleinfunde ohne Beschränkung außer Landes schaffen, bleibt die Suche nach ihnen trotz der landesrechtliehen Verbotsbestimmungen attraktiv - der Zerstörung nicht rekonstruierbarer Befundsituationen wird dadurch Vorschub geleistet. In der Praxis läuft das Gesetz Gefahr, seinen Schutzcharakter weitgehend einzubüßen und im Sinne eines Leistungsgesetzes verstanden und mißbraucht zu werden. In einigen Bundesländern werden Eintragungen nur noch auf Antrag vorgenommen, wobei die Antragsteller lediglich beabsichtigen, in den Genuß der damit verbundenen steuerlichen Vorteile zu kommen?7 Der Kreis der tatsächlich erfaßten Kulturgüter ist ohnehin klein genug. Ein Blick in das Gesamtverzeichnis national wertvollen Kulturgutes zeigt, daß sich die auf diese Weise geschützten archäologischen Objekte an einer Hand abzählen lassen.38

35 VGH Mannheim, NJW 1987, S. 1440 f.; Pierothl Kampmann, S. 1387; Engstler, S.37.

36 Zu Regelungen anderer Staaten näher unten E I 2. Das erste Exportverbot für Kulturgüter soll Papst Pius II. im Jahr 1464 erlassen haben; vergl. Walter, S.49. 37

Pierothl Kampmann, S.1386.

Gesamtverzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung, in der Bekanntmachung der Gesamtver38

I. Spezialgesetze des Bundes

25

4. Verhältnis zur Länderkompetenz aus Art. 70 Abs. 1 GG

Soweit keine Kompetenzzuweisung an den Bund gegeben ist, besteht die allgemeine Gesetzgebungskompetenz der Länder gern. Art. 70 Abs. 1 GG.39 Tatsächlich gehört die Denkmalpflege als Teil der Kulturhoheit zu den wenigen Kompetenzbereichen, die den Ländern noch weitgehend unangefochten verblieben sind. Indessen läßt sich die Abgrenzung keineswegs scharf ziehen. Nicht unumstritten ist etwa die Frage, ob der Bund oder die Länder die Rechtsgrundlage schaffen können, die Privatpersonen zur Kennzeichnung von Kulturgütern verpflichtet, entsprechend der - unten näher zu behandelnden40 - Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.41 Es wurde zwar versucht, die Bundeskompetenz aus Art. 73 Nr. 1 GG abzuleiten,42 der dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung zuweist. Die Zuordnung des Kulturgüterschutzes zum Kornpelenzbereich der Länder gemäß den Artikeln 30 und 70 GG ist hingegen dogmatisch wie sachlich überzeugender. Der Weg über internationale Abkommen kann dem Bund keine Gesetzgebungskompetenzen einräumen, die ihm nach innerstaatlichem Verfassungsrecht nicht zustehen.43 Im übrigen sollte der Schutz archäologischen Kulturguts nicht unter Reibungsverlusten eines Gegeneinanders von Bund und Ländern leiden. Der vorliegende Bereich ist ein typisches Beispiel föderaler Aufgabenteilung: als Teil der Kultur steht er in der Kompetenz der Bundesländer, es handelt sich jedoch um Aufgaben des Bundes, soweit die Repräsentation nach außen

zeiclmisse national wertvollen Kulturgutes und national wertvoller Archive, vom 21. Oktober 1988, Bundesanzeiger vom 11.11.1988. Archäologische Objekte sind dort die Nr. 01901 (fierknochen mit Zeichnungen aus dem Paläolithikum aus Thayngen), 01902 (alamannischer Spanger!helm aus Gammertingen), 08901 (bronzezeitlicher Trinkbecher), 09801 (römischer Hortfund) und mit Nr. 02518 eine ägyptische Falkenstatue. Anzwnerken ist, daß in dem Verzeichnis nur Kulturgut in Privateigentum aufgeftlhrt ist; vergl. § 18 Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung. 39 Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 25; Erbguth l Paßliek I Püchel, S. 2. 40

Kapitel D I 2.

41

Vergl. beispielsweise § 37 rpDSchPflG.

42

So der Bundesminister des lnnern 1984; Nachweis bei Hönes, DÖV 1988, S. 544.

43 Dazu näher bei Hönes, DÖV 1988, S. 544 ff., insbes. S. 545; grundsätzlich Fastenrath, S.l01, 132 ff.

26

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

betroffen ist. Die im Bereich der Archäologie tätigen Institutionen und Gremien haben sich in die beschriebene Aufgabenverteilung einzuordnen. Vor allem ist zu beachten, daß Einrichtungen des Bundes die Kulturhoheit der Länder nicht verletzen dürfen. Beispiel für kulturelle Aktivitäten des Bundes im Rahmen auswärtiger Angelegenheiten ist das Deutsche Archäologische Institut (DAI). 44 Das DAI hat die Aufgabe, Forschungen auf dem Gebiet der Archäologie und deren Nachbarwissenschaften, vorzugsweise in den Ländern der antiken Kultur, durchzuführen, zu fördern und zu veröffentlichen.45 Im Vordergrund der Aktivitäten stehen Ausgrabungen im Ausland. Organisatorisch handelt es sich beim DAI um eine nachgeordnete Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes, die der dortigen Abteilung für auswärtige Kulturpolitik untersteht. Die Finanzierung der archäologischen Forschung erfolgt über das Bundesaußenministerium gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Das Deutsche Archäologische Institut unterhält neben einer Zentrale in Berlin eine Reihe von Abteilungen in verschiedenen archäologisch interessanten europäischen und außereuropäischen Ländern. Dem DAI sind verschiedene Kommissionen angegliedert, so die Kommission für Allgemeine und Vergleichende Archäologie, die für die Weltarchäologie zuständig ist. Eine wichtige Rolle beim Abbau von Reibungsverlusten zwischen Bund und Ländern kommt dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz zu, das auch in gewissem Umfang rechtsvereinheitlichende Tendenzen verfolgt. Das Nationalkomitee ist 1973 auf Anregung des Bundespräsidenten gegründet

44 Das Deutsche Archäologische Institut ging aus dem ,,Instituto di corrispondenza archeologica" hervor, das 1829 von einem Freundeskreis aus Gelehrten, Künstlern und Diplomaten gegründet wurde. Dessen Aufgabe war es, möglichst international und umfassend die Denkmäler der antiken Kunst, der Epigraphik und der Topographie zu erforschen, zu pflegen und bekanntzumachen. Das preußische Königshaus übemalun die Schirmherrschaft. 1837 wurde die Leitung des Instituts nach Berlin verlegt. 1859 übemalun der preußische Staat die Finanzierung des Instituts, dessen Tätigkeitsfeld sich inzwischen über die gesamte antike Welt erstreckte. 1874 wurde das Institut eine dem Auswärtigen Amt zugeordnete Deutsche ReichsanstalL Während der Weimarer Republik gehörte es vorübergehend zum Kultus- und Innenministerium, dann wieder zum Auswärtigen Amt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es zunächst dem Senat von Berlin unterstellt, gehörte dann ab 1954 zum Innenministerium und ab 1972 schließlich wieder zum Auswärtigen Amt (Informationsblatt des Deutschen Archäologischen Instituts und schriftliche Auskunft vom 26.3.91).

§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Deutschen Archäologischen Instituts vom 16.8.1982. 45

I. Spezialgesetze des Bundes

27

worden und führt die Aktivitäten des Europäischen Denkmalschutzjahres fort, indem es die Berücksichtigung der Belange des Denkmalschutzes in allen Bereichen des Lebens zur Aufgabe hat. Das Nationalkomitee soll insbesondere den Erlaß denkmalfreundlicher Gesetze und Vorschriften und die entsprechende Anpassung bestehender Vorschriften anregen und unterstützen46 und sich für einen denkmalfreundlichen Vollzug der bestehenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Planungen einsetzen. Es hat seine Geschäftsstelle beim Bundesminister des Innern. Sein Präsidium setzt sich u.a. aus einem Landesminister, der der Kultusministerkonferenz angehört, dem Bundesminister des Innern, einem Mitglied des Bundestags und dem Präsidenten eines kommunalen Spitzenverbandes zusammen.47 Ein Beispiel für eine länderübergreifende Kooperationsform ist - in gewisser Weise der Kultusministerkonferenz vergleichbar - der Verband der Landesarchiiologen. Er ist in dem anschaulich, verfassungsrechtlich indessen unzutreffend als "dritte Ebene" bezeichneten Übergangsbereich zwischen den Ländern und dem Bund angesiedelt. Der Verband ist als eingetragener Verein organisiert und hat seinen Sitz in Bann. Ordentliche Mitglieder des Verbandes können nur amtierende Landesarchäologen sein. Neben der gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung anstehender Fragen der archäologischen Denkmalpflege und des archäologischen Denkmalschutzes und der Unterstützung von Forschungsaufgaben von überregionaler Bedeutung befaßt sich der Verband vor allem mit der Aufarbeitung fachlicher und berufspraktischer Fragen. Schließlich hat er sich die Förderung des allgemeinen Bewußtseins für die archäologische Denkmalpflege zur Aufgabe gemacht.48 5. Zusammenfassung

Liegt die Kompetenz zum Erlaß von Gesetzen bezüglich archäologischen Kulturguts grundsätzlich bei den einzelnen Bundesländern, so stehen dem Bund doch verschiedentlich Regelungskompetenzen zu, die vor allem aus der Außenkompetenz des Bundes resultieren. Die Regelungen des Bundes, die sich speziell auf Kulturgüter oder den Denkmalschutz beziehen, entfalten deswegen, aber auch wegen ihrer nicht speziell ausgerichteten Zielsetzung,

46 Das Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht geht auf die Empfehlungen des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz zurück.

47 § 2 Abs. 2 der Geschäftsordnung. Weitere Einzelheiten lassen sich dem Faltblatt ,,Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz" entnehmen. 48 Satzung des Verbandes der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland e.V., vom 8. Dezember 1986.

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B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

nur eine geringe Schutzwirkung für die archäologischen Kulturgüter. Bedeutungsvoll für ihren Schutz ist indessen die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern, die die Bemühungen der Länder und die Kooperation der Länder untereinander - vor allem zukünftig - wirkungsvoll ergänzen kann.

li. Denkmalschutzgesetze der Länder Die Länder haben den Schutz archäologischen Kulturguts im Rahmen ihrer Denkmalschutzgesetze49 gegegelt, die - nach teilweise jahrzehntelangem Zögern- erst im Laufe der siebziger Jahre entstanden sind. Spezielle Gesetze über archäologische Ausgrabungen, wie sie in einigen ausländischen Staaten zu finden sind,50 gibt es in der Bundesrepublik bisher' nicht.52 Soweit die erforderlichen Regelungen in den Landesdenkmalschutzgesetzen getroffen wurden, sind gesonderte Bodendenkmalpflegegesetze nicht erforderlich. Als Landesgesetze spiegeln die Denkmalschutzgesetze - bei überwiegend ähnlichen Regelungen - in Einzelheiten föderalistischen Pluralismus wider. Exemplarisch wird im folgenden das Denkmalschutzgesetz von Baden-Württemberg vorgestellt,53 das gerade in der Bodendenkmalpflege noch immer als vorbildlich gelten darf. Abweichende Regelungen anderer Bundesländer werden erwähnt, soweit es für den vorliegenden Zweck erforderlich erscheint.

49 Eine Zusammenstellung der derzeit geltenden Denkmalschutzgesetze findet sich in: Materialien zum Denkmalschutz des Deutschen Nationalkomitees fUr Denkmalschutz; zur Rechtslage in den neuen Bundesländern unten B li 10. Zur Ausgestaltung des deutschen Ausgrabungsrechts vor dem Grundgesetz und seiner Geschichte insbes. Diehl, S. 22 ff.

so Siehe etwa das französische Gesetz aus dem Jahr 1941 über die Durchführung von Ausgrabungen, abgedruckt bei Hingst, S. 127 ff.; das Iuxemburgische Gesetz betreffend die Ausgrabungen von geschichtlichem, vorgeschichtlichem, paläontologischem oder sonstigem wissenschaftlichen Interesse aus dem Jahr 1966, ebd. S.317 ff.; das spanische Gesetz archäologische Ausgrabungen betreffend aus dem Jahr 1911, ebd. S. 468 ff. SI Eine Ausnahme ist das geplante Gesetz zum Schutz archäologischer Denkmale in Sachsen (Bodendenkmalschutzgesetz). 52 Zu den Vorteilen einer Regelung in einem umfassenden Denkmalschutzgesetz Asal, S.15.

Sl Gesetz zum Schutz der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz - DSchG) vom 25. Mai 1971, i.d.F. vom 6. Dezember 1983 (GBI. BW S. 797); geändert durch § 9 des Landesarchivgesetzes vom 27. Juli 1987 (GBI. BW S.230).

II. Denkmalschutzgesetze der Länder

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1. Der Begriff des Kulturdenkmals

Das Denkmalschutzgesetz Baden-Württembergs konkretisiert Art. 86 der Landesverfassung, demzufolge die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur den öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden genießen.54 Das Gesetz definiert die nach § 1 zu schützenden Kulturdenkmale55 als "Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht" (§ 2 Abs. 1 bwDSchG). 56 Der Begriff des Kulturdenkmals ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung anband des Wissensstandes sachverständiger Kreise zu erfolgen hat und gerichtlich überprüfbar ist. 57 Ein Beurteilungsspielraum der Behörde besteht nicht. 58 Das öffentliche Interesse, das sich in allen Denkmalschutzgesetzen findet, ist nach einer Ansicht ebenfalls auf der Grundlage des Kenntnis- und Wissensstandes des sachverständigen Fachmanns festzustellen. 59 So sehr diese Ansicht den Belangen der Denkmalpflege entgegenkommt, ist das öffentliche Interesse vom Sinn und Zweck her als Korrektiv des Denkmalbegriffs zu

S4 Zu den übrigen Landesverfassungen Bülow, S.l42 mit Anm. 1; Einzelheiten zur landesverfassungsrechtlichen Verankerung des Denkmalschutzes bei Hönes, Denkmalrecht und Dorfemeuerung, S. 7 ff.

'' Soweit einzelne Denkmalschutzgesetze lediglich vom Begriff Denkmal ausgehen, ergibt sich dadurch kein sachlicher Unterschied; bez. Nordrhein-Westfalen Erbguthl Paßlick, DVBl. 1984, S. 604; der unterschiedlichen Pluralbildung (Kulturdenkmale/ Kulturdenkmäler) in den verschiedenen Denkmalschutzgesetzen kommt ebenfalls keine juristische Bedeutung zu; vergl. Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 76 f. 56 Die Begriffe ,,künstlerisch", "wissenschaftlich" und "öffentliches Interesse" werden bei Backhaus, S. 82 f. (85) bez. des niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes erörtert; zu den Begriffen ,,künstlerische Bedeutung" und "öffentliches Interesse" im Denkmalschutzrecht Namgalies, DOV 1984, S. 239 ff.; zum zusätzlichen Kriterium der ,,Bedeutsamkeit" des Denkmals im nordrhein-westfalischen Denkmalschutzgesetz kritisch Erbguthl Paßlick, DVBl. 1984, S. 605. $7

Moe11Ch, NVwZ 1984, S.146 f.; ders., NVwZ 1988, S. 304.

58

Moe11Ch, NJW 1983, S. 2000.

"Hönes, NVwZ 1983, S. 214: das öffentliche Interesse an der Erhaltung und Pflege des Kulturdenkmals dürfe kein Einfallstor für andere öffentliche und private Belange sein; Strobl I Majoccol Birn., § 2, Rdnr. 25.

30

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

verstehen60 und daher nicht lösgelöst von den Vorstellungen der Öffentlichkeit, zumindest den Interessen eines breiteren Kreises von Sachverständigen, zu interpretieren.61 Die Frage, ob ein öffentliches Interesse vorliegt, steht jedenfalls nicht zur Disposition eines Gremiums wie des Gemeinderats.62 Soweit einzelne Landesgesetze die Entscheidung über die Denkmaleigenschaft statt den Landesbehörden den Gemeinden bzw. Landkreisen übertragen, können sie sich kulturgüterfeindlich auswirken. 63 Bodendenkmale sind in besonderer Weise durch lokale Sonderinteressen gefährdet, gegenüber denen das überregionale Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung der BodenurkWlden nicht aus den Augen verloren werden darf. Unerheblich für den Begriff des Kulturdenkmals ist der Erhaltungszustand einer Sache und deren Erhaltungsfähigkeit,64 die sich jedoch auf das öffentliche Erhaltungsinteresse auswirken können. Die Frage, ob es zurnutbar ist, dem Eigentümer die Erhaltungskosten aufzuerlegen, gehört ebenfalls nicht zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Denkmalbegriffs. Die Entscheidung über die Denkmaleigenschaft einer Sache muß ohne Rücksicht auf den konkreten Eigentümer getroffen werden.6s Erst im Rahmen der Frage nach der Erhaltungspflicht ist die Zumutbarkeit für den Eigentümer von Gesetzes wegen mit heranzuziehen.66 Gern. § 2 Abs. 2 bwDSchG gehört zu einem Kulturdenkmal auch das Zubehör, soweit es mit der Hauptsache eine Einheit von Denkmalwert bildet. Abs. 3 erklärt die Umgebung eines Kulturdenkmals zum Gegenstand des Denkmalschutzes, soweit sie für dessen Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung ist. Nicht von den Denkmalschutzgesetzen der Länder erfaßt werden Objekte, die im Ausland ergraben worden sind und in den Anwendungsbereich des

60 Erbguthl Paßlick, DVBI. 1984, S. 605; Moench, NJW 1983, S. 1999; zur Herkunft des Begriffs Hönes, Denkmalrecht und Dorferneuerung, S. 21; ders., Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 98 ff. 61

Vergl. Moench, NVwZ 1988, S. 306 m.w.N.

62

Moench, NVwZ 1988, S.306.

63

Materialien zum Denkmalschutz, S. 23 f.

Hönes, DöV 1983, S. 333, 335; Strobl I Majoccol Birn, § 2, Rdnr. 26; Backhaus, S.91. 64

OVG Rheinl.-Pfalz, DöV 1984, S. 75; Hönes, NVwZ 1983, S. 213 f.; ders., DöV 1989, S. 82; Strobl! Majocco/ Birn, § 2, Rdnr. 24. 65

66 § 6 bwDSchG; darüber hinaus in allen anderen Denkmalschutzgesetzen, Moench, NVwZ 1988, S.308; bezüglich Niedersachsen Back/ums, S.104 f.

li. Denkmalschutzgesetze der Länder

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jeweiligen Denkmalschutzgesetzes verbracht werden sollen.67 Diese Tatsache gilt es bei der Frage nach dem Schutz ausländischen Kulturguts im Auge zu behalten. Die weite Definition des Kulturdenkmals im baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz läßt es zu, über die mittelbaren Spuren menschlicher Tätigkeit hinaus, auch nicht von Menschenhand geschaffene Sachen mit in den Schutzbereich des Denkmalschutzgesetzes einzubeziehen.68 Das gilt zum einen für solche nicht von Menschenhand hergesteilen Objekte, die deMoch für die Archäologie unmittelbar von Bedeutung sind, wie etwa Skelette69 oder botanische Überreste, die Rückschlüsse auf die Lebensbedingungen bestimmter Kulturen zulassen. Auch Veränderungen und Verfarbungen der natürlichen Bodenbeschaffenheit, die durch nicht mehr als solche erhaltene Gegenstände hervorgerufen wurden, sind vom Sinn und Zweck der Norm her in den Schutzbereich aufzunehmen. 70 Darüber hinaus verbleibt ein größerer Spielraum für die Einbeziehung von Objekten geringeren Wertes71 als beim Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung oder den meisten internationalen Abkommen. Die betroffenen Fundstücke sind für die Archäologie keineswegs bedeutungslos. Grundsätzlich ist allerdings nicht das einzelne Fundobjekt, sondern die gesamte Fundstelle als Sachgesamtheit "Kulturdenkmal" im Sinne des Denkmalschutzgesetzes.72

67

Oebbeclce, DVBl. 1983, S. 386.

Strobl!Majocco1Birn, § 2, Rdm.l6; ErbguJhiPaßlick, DVBl. 1984, S.604, bez. Nordrhein-Westfalen; Hönes, Denkmalrecht Wld Dorferneuerung, S. 15 f., bez. des ebenfalls weiten rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetzes. 611

69 In diesen Fällen zählen auch menschliche Knochen zum Begriff der Sache im Sinne der Denkmalschutzgesetze; Bülow, S. 227. 70 § 2 Abs. 5 Satz 2 nwDSchG zählt zu den Bodendenkmälern ausdrücklich auch "VerändeTWlgen Wld VerfärbWlgen in der nat11rlichen Bodenbeschaffenheit, die durch nicht mehr selbständig erkennbare Bodendenkmäler hervorgerufen worden sind". 71 "Objektiv belanglose Sachen" aus dem Schutzbereich der Denkmalschutzgesetze herauszunehmen (so Eber[ I SchiederrruJir I Petzet, Art. 8, Anm. 1), ist aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung von Fundumständen nicht wünschenswert; zudem läßt sich die Belanglosigkeit nicht ad hoc durch den Laien beurteilen. 72 StrobliMajoccoiBirn, § 2, Rdm. 13, zur archäologischen Fundstelle; Bülow, S. 232, zum nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetz. Abgrenzung zur Gesamtanlage (§ 2 Abs. 3 Nr. 2, 19 bwDSchG) bei Strobl! Majoccol Birn, § 2, Rdnr. 15: während bei der Gesamtanlage das geschützte Bild Schutzgegenstand ist, ist die Sachgesamtheit insgesamt ein Kulturdenkmal, ihre Teile sind als Teil eines Kulturdenkmals in ihrer Substanz geschützt, auch wenn sie für sich keinen Denkmalwert haben.

32

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

Soweit Denkmalschutzgesetze mehrerer Länder noch immer nur .,von Menschen geschaffene Sachen" erfassen,73 sollten sie baldmöglichst den heutigen Arbeitsmethoden der Archäologie angepaßt werden.74 Eine analoge Anwendung der Schutzvorschriften ist in solchen Fällen nicht möglich, da dem im Bereich der Eingriffsverwaltung der Vorbehalt des Gesetzes entgegensteht Eine eigenständige Bestimmung des Begriffs Bodendenkmal gibt es im baden-württembergischen Recht nicht.75 Hierdurch werden unnötige Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden, wie sie sich etwa bei ausgegrabenen Bauwerken stellen.76 Bestimmen Denkmalschutzgesetze den Begriff des Bodendenkmals, umfaßt er neben den typischen Objekten der Bodendenkmalpflege, wie Hügelgräber, Wallburgen, Reste alter Siedlungen, auch bewegliche Sachen wie Scherben und Münzen.77 Das Charakteristikum des Bodendenkmals gegenüber den anderen Denkmalobjekten ist, daß es zufallig Überwachsen oder eingeebnet worden ist; 78 als obertägige Bodendenkmäler werden archäologische Stätten bezeichnet, die zwar unter der Erdoberfläche liegen, aber im Gelände erkennbar sind.79 Einige Denkmalschutzgesetze, die den Begriff des Bodendenkmals verwenden, versuchen dessen Defmition dadurch prägnanter zu machen, daß sie ihn auf Epochen und Kulturen beziehen, .,für die Ausgrabungen und Funde eine der Hauptquellen wissenschaftlicher Erkenntnisse sind".80 Diese schein-

73 Art. 1 Abs. 1 des bayerischen Denkmalschutzgesetzes, das in Abs. 4 zwar Bodendenkmäler gesondert definiert, jedoch den allgemeinen Denkmalbegriff aufnimmt; nicht wesentlich besser ist die Formulierung " ... oder sonstige Spuren menschlichen Lebens ..." in § 2 Abs. 7 harnbDSchG; etwas besser § 3 Abs. 4 ndsDSchG: " ... die von Menschen geschaffen oder bearbeitet wurden oder Aufschluß über menschliches Leben in vergangener Zeit geben ...". Die Argumentation bei Eberl I Schiedermeir I Petzet, Art. 1, Anm. 3, die Auswertung von Skeletten erfolge nicht durch die Denkmalpfleger, erklärt nicht, warum sie nicht schutzwürdig sein sollten.

74

Oebbecke, DVBI. 1983, S.385.

StrobliMajoccoiBirn, § 1, Rdnr. 5. Zum Begriff des Bodendenkmals auch Kleeberg I Eberl, Rdnr. 212 ff. 15

76

Zur Abgrenzung, Bülow, S. 158 ff.

Art. 1 Abs. 4 bayDSchG; § 2 Abs. 3 blnDSchG; § 2 Abs. 1 Nr. 4 brDSchG; Erbguthl Paßlick, DVBI. 1984, S. 606; Erbguthl Paßliek I Püchel, S.16. 77

78

Bülow, S. 160, 406.

79

Kleeberg I Eberl, Rdnr. 214.

§ 19 hessDSchG; ähnlich § 2 Abs. 7 hambDSchG; § 2 Abs. 3 saarlDSchG; die anderen Denkmalschutzgesetze formulieren vorsichtiger. 10

li. Denkmalschutzgesetze der Länder

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bare Verdeutlichung grenzt nicht nur einen Teil schutzwürdiger Gegenstände von vomeherein aus,81 sie schafft vor allem eine unnötige Unklarheit bei der Abgrenzung von geschützten und ungeschützten Objekten. Dem Begriff des Kulturdenkmals im baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz unterfallen auch paläontologische Objekte. Das sind versteinerte Zeugnisse pflanzlichen und tierischen Lebens, die regelmäßig aus Epochen vor dem Auftreten des Menschen datieren. Sie sind, soweit sie nicht obertägig in Erscheinung treten, nicht durch § 24 bwNatschG geschützt.82 In der Einordnung dieser Objekte scheint auf den ersten Blick eine Überspannung des Begriffs des Kulturdenkmals vorzuliegen. Was Kulturdenkmale sind, ergibt sich indessen erst aus der Definition des § 2 Abs. 1 bwDSchG, der sie als "Sachen, Sachgesarntheiten und Teile von Sachen" umschreibt, "an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht".83 Damit hat sich der badenwürttembergische Gesetzgeber- im Unterschied zu dem anderer Landesdenkmalschutzgesetze - nicht für eine Auflistung von Objektgruppen entschieden, bei der immer die Gefahr besteht, daß wichtige oder erst zukünftig in ihrer Bedeutung erkennbare Gruppen von Objekten nicht erwähnt sind. Der badenwürttembergische Kulturdenkmalbegriff ist vom Erhaltungsinteresse her mit hinreichender rechtsstaatlicher Präzision umschrieben. Die Einbeziehung eines Naturobjekts in den Schutzbereich des Denkmalschutzgesetzes beurteilt sich bei der weiten Definition des Kulturdenkmals danach, ob das Naturobjekt Gegenstand kultureller Betätigung, insbesondere wissenschaftlicher Forschung, ist oder sein kann. 84 Einige Denkmalschutzgesetze beziehen in den Begriff des Bodendenkmals ausdrücklich solche Sachen mit ein, die "für die Urgeschichte der Tier- oder

11 Als Beispiel seien lediglich die Gruben mit Fehlbränden von Porzellanmanufakturen genannt.

12 Moench, NJW 1983, S. 2000, der davon ausgeht, daß Kulturdenkmale nur Objekte sind, die durch eine menschliche Kulturleistung hervorgebracht wurden, will eine Ausnahme nur für Bodendenkmäler zulassen. Versteinerungen und Naturdenkmäler sind nach dieser zu sehr am Wortlaut haftenden Auffassung nicht umfaßt. 13 Zu den historischen Gründen Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 88 ff., der S. 89 von einer Fiktion spricht; ebenso Bülow, S. 229. Erbguth l Paßliek I Püchel, S. 17, halten die Ausweitung für gerechtfertigt, weil sich sonst kein anderer Verwaltungszweig hierurn kümmern würde und die Schutzrichtung dem Denkmalschutz nahe komme. 14

Vergl. Strobl I Majocco I Birn, § 2, Rdnr. 16.

3 Fec:lm...

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B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

Pflanzenwelt von Bedeutung" sind.85 Darin ist zwar ein bedeutender Vorteil gegenüber den Denkmalschutzgesetzen zu sehen, die die Kulturdenkmalseigenschaft nur den von Menschen hergestellten Objekten zuerkennen wollen. Indessen liegt in der sehr speziellen Formulierung ihrerseits eine begriffliche Verengung, lassen sich doch alle sonstigen Naturgebilde, wie etwa Tropfsteinhöhlen oder Fundstellen von Mineralstufen, nicht mit einbeziehen. Dieses Ergebnis ist nur dann zu rechtfertigen, wenn eine Unterschutzstellung durch ein separates Gesetz, etwa das jeweilige Naturschutzgesetz, erfolgt ist.s6 2. Allgemeiner Schutz von Kulturdenkmalen

Ein Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes darf nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde zerstört oder beseitigt, in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt oder aus seiner Umgebung entfernt werden, soweit diese für den Denkmalwert von wesentlicher Bedeutung ist (§ 8 Abs. 1 bwDSchG). Der letzte Fall könnte für nicht ausgegrabene Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung sein. Gerade bei ihnen lassen sich häufig aus der Beziehung zur Umgebung die Merkmale eines Kulturdenkmals herleiten.87 Allerdings ergibt sich eine wesentliche Einschränkung der Regelung aus § 8 Abs. 2 bwDSchG, wonach sie für bewegliche Kulturdenkmale nur gilt, wenn diese allgemein sichtbar oder zugänglich sind. Ob ein noch im Boden befindlicher Gegenstand als beweglich in diesem Sinne anzusehen ist,88 ist eine Frage der Auslegung. Der Vergleich mit § 20 Abs. 2 und § 23 bwDSchG legt die Vermutung nahe, daß archäologische Objekte im Boden vom Denkmalschutzgesetz den beweglichen Kulturdenkmalen zugerechnet werden. Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts besteht hingegen an der Unbeweglichkeit von Bodenurkunden kein Zweifel.89 Sowohl der Wortlaut als auch die natürliche Anschauung sprechen für die Unbeweglichkeit. Richtigerweise muß man Bodenbefunde mit ihrem gesamten Inhalt als wesentliche Bestandteile des jeweiligen Grundstücks ansehen. Der Fund kann nicht aus dem

as § 2 Abs. 3 blnDSchG; vergl. § 3 Abs. 2 rpDSchPfiG; § 2 Abs. 3 saariDSchG. 86 Bezüglich der Naturdenkmäler könnte der Bund Rahmenvorschriften gern. Art. 75 Nr. 3 GG erlassen; Maunz, in: Maunz I Dürig, Art. 75, Rdm. 125.

87

Strobl/Majocco/Birn, § 8, Rdm. 17 f.

Allgemein zu den Merkmalen beweglich I unbeweglich Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 81. 88

89 Nach Hönes, Denkmalrecht und Dorferneuerung, S. 14, lassen sich zivilrechtliche Vorstellungen nicht immer auf das Denkmalschutzrecht übertragen; bez. des Sachbegriffs ders., Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 79 f.; Bülow, S. 225 ff.

II. Denkmalschutzgesetze der Länder

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Boden herausgelöst werden, ohne daß er in seinem Wesen verändert wird. Das ist ohne weiteres bei schwer zu bergenden Gegenständen, etwa brüchigen Knochen, einsichtig.90 Es gilt jedoch im besonderen Maße, wenn man nicht nur das einzelne Fundobjekt, sondern den Bodenbefund als solchen als Wert anerkennt. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich aus der Kontrollüberlegung, daß selbst die Substanzen, aus denen der Grund und Boden besteht, wie Erde, Sand oder Kies, nach § 93 BGB als wesentliche Bestandteile des Grundstücks gelten, und zwar selbst dann, wenn sie mit dem Boden nicht fest verbunden sind.91 Selbst wenn man die noch im Boden befindlichen, aber technisch separierbaren Gegenstände als beweglich ansieht, müssen sie doch im Ergebnis den Bestimmungen über die Bodendenkmäler unterworfen werden, solange sie noch nicht aus den Fundumständen herausgelöst und von ihrem Fundort entfernt worden sind.92 Diese Ansicht führt zur Anwendbarkeit der Genehmigungspflicht des § 8 Abs. 1 bwDSchG auch auf Bodendenkmale. Das Schatzregal, das dem Wortlaut des § 23 bwDSchG nach nur auf bewegliche Kulturdenkmale anzuwenden ist, greift auch bei dieser Auslegung ein, wenn man die archäologischen Fundgegenstände mit der Loslösung vom Boden als beweglich ansieht. Andernfalls bestünde außerhalb der Grabungsschutzgebiete kein hinreichender Schutz für Bodendenkmäler. Von dem allgemeinen Schutz abgesehen, haben Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen diese im Rahmen des Zurnutbaren zu erhalten und pfleglich zu behandeln (§ 6 bwDschG). Für bekannte Bodenurkunden sind die daraus gefolgerten Pflichten zur sachgemäßen Behandlung und zum Schutz vor Gefährdungen durch Naturkräfte und negative tierische und pflanzliche Einwirkungen von besonderer Bedeutung. 93 Darüber hinaus bestehen bestimmte Auskunfts- und Duldungspflichten (§ 10 bwDSchG). Die Pflicht zur Wiederherstellung des früheren Zustands94 kann auch bei Boden90 Aus diesem Grund spricht sich Bülow, S. 228, für die Unbeweglichkeit aller mit dem Erdboden so verbundenen Sachen aus, daß sie nicht ohne Gefahr einer Beeinträchtigung ihrer Substanz tatsächlich fortbewegt werden können. 91 Holch, in: MK, § 93, Rdnr. 12; demgemäß rechnen Strobll Majocco l Birn, § 12, Rdnr. 5 auch Gräber, Wüstungen sowie vor- und frühgeschichtliche Siedlungsreste zu den unbeweglichen Kulturdenkmalen.

92

So im Ergebnis Kleeberg I Eber/, Rdnr. 238.

93

Strobl IMajocco I B irn, § 6, Rdm. 3.

Strobl1Majocco1Birn, § 7, Rdnr.16; § 16 brDSchG; § 18 Abs. 1 Satz 2 shDSchG; zur Rekonstruktion allgemein vergl. Oebbecke, DOV 1989. 94

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B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

denkmälern von Bedeutung sein, wenn nicht die Originalsubstanz selbst zerstört ist, sondern lediglich schützende Deckschichten oder das Erscheinungsbild eines obertägig sichtbaren Bodendenkmals beeinträchtigt wurde. Die Denkmalschutzbehörden haben zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihnen nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen; sie können insbesondere gegen Störer im polizeirechtlichen Sinne vorgehen (§ 7 Abs. 1 bwDSchG). 95 Bei Gefahr im Verzug kann das Landesdenkmalamt selbt oder subsidiär die Polizei die erforderlichen vorläufigen Maßnahmen treffen (§ 7 Abs. 4 bwDSchG).96 3. Schutz der Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung

Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung genießen gern. § 12 Abs. 1 DSchG zusätzlichen Schutz durch Eintragung in das Denkmalbuch. In AusnahmeBillen können auch bewegliche Kulturdenkmale ins Denkmalbuch eingetragen werden, etwa wenn sie eine überörtliche Bedeutung haben oder zum Kulturbereich des Landes besondere Beziehungen aufweisen (§ 12 Abs. 2 bwDSchG). Gräber sowie vor- und frühgeschichtliche Siedlungsreste können hingegen als wesentliche Bestandteile eines Grundstücks nach der Regelung über unbewegliche Kulturdenkmale eingetragen werden.97 Dieser Typus der Eintragung hat den Vorteil, daß die EintTagungsvoraussetzungen für bewegliche Denkmäler nicht vorzuliegen brauchen. Werden archäologische Objekte in das Denkmalbuch eingetragen, ist die Genehmigungspflichtigkeit von Substanzveränderungen besonders wichtig (§ 14 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. bwDSchG), sowie aufgrund ausdrücklicher Verfügung das Verbot, das Kulturdenkmal von seinem Stand- oder Aufbewahrungsort zu entfernen. Ein vorläufiger Schutz noch nicht eingetragener Sachen ist über § 17 bwDSchG möglich. Mit dieser Regelung macht Baden-Württemberg die Intensität des Schutzes von einer Eintragung abhängig und kombiniert insoweit zwei in anderen

95 Eine Ausnahme ergibt sich aus § 11 bwDSchG für Kulturdenkmale, die dem Gottesdienst dienen, eine Vorschrift, die auch bei Ausgrabungen in Kirchen Bedeunmg erlangen kann.

Einzelheiten bei Strobl IMajocco I B irn, § 7, Rdnr. 34 ff. Strobl! Majoccol Birn, § 12, Rdnr. 5; im Gegensatz zur Ausweisung von Grabungsschutzgebieten muß die Existenz der Sache im Boden mit Gewißheit nachgewiesen werden; Gahlen, NVwZ 1984, S.689. 96 97

IT. Denkmalschutzgesetze der Länder

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Bundesländern gebräuchliche Prinzipien.98 Während beim Prinzip der Generalklausel (oder Tatbestandsprinzip) alle Sachen, die bestimmte Begriffsmerkmale erfüllen, kraft Gesetzes unter Denkmalschutz stehen,99 sind in Ländern, die dem Eintragungsprinzip folgen, nur diejenigen Sachen vom Schutz des Gesetzes umfaßt, die in ein Denkmalbuch oder eine Denkmalliste eingetragen sind.100 Die Eintragung hat bei diesem Classement-System konstitutive Wirkung, sie ist nach herrschender Meinung ein Verwaltungsakt. 101 Als Vorteil des letzteren Systems wird die Rechtsklarheit angeführt, die für Baudenkmäler nicht unterzubewerten ist und dort zu einem effektiven und rechtsstaatlich unbedenklichen Schutz der Denkmäler führen mag. 102 Noch im Boden verborgene Objekte können nach dem Einttagungsprinzip keinen Schutz genießen/ 03 weshalb dieses Prinzip aus Sicht der Archäologie nicht durchgeführt werden kann. 104 Zudem sind beim EintTagungsprinzip weniger augenfällige Objekte regelmäßig schutzlos gestellt. Das Prinzip des Schutzes durch eine generalklauselartige Legaldefinition hat demgegenüber den Vorteil, daß alle Sachen, die unter den Begriff des Kulturdenkmals fallen, geschützt sind. Länder, die dem EintTagungsprinzip folgen, können den Bodenurkunden allenfalls durch eine Durchbrechung des Prinzips zugunsten des Systems der Unterschutzstellung ipsa lege gerecht werden. So läßt beispielsweise das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz in § 3 Abs. 1 Satz 4 die besonderen Schutzvorschriften für das Auffinden und Sichern von Bodendenkmälern auch ohne Eintragung eingreifen. 1os Im Ergebnis wird den Bo-

91 Am ausführlichsten zu den Schutzsystemen: Hön.es, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 150 ff.; Erbguth! Paßlick, DVBI. 1984, S. 607; zu den Regelungen in den anderen Bundesländern auch Hön.es, Denkmalrecht und Dorferneuerung, S.48 ff.

99 Art. 2 Abs. 1 bayDSchG ,,sollen" Bodendenkmäler lediglich ,,nachrichtlich" in eine Verzeichnis (Denkmalliste) aufgenommen werden; vergl. § 9 Abs. 1 hessDSchG; § 5 ndsDSchG; § 7 Abs. 1 saarlDSchG. 100 § 6 Abs. 4 Satz 1 blnDSchG: .,Durch die Eintragung wird das Denkmal den Schutzvorschriften dieses Gesetzes unterworfen"; ähnlich die Regelungen § 7 Abs. 1 bremDSchG, § 7 Abs. 1 hambDSchG; § 3 Abs. 1 Satz 2 nwDSchG; § 8 Abs. 1 rpfDSchPflG (.,durch Verwaltungsakt"), die Eintrag\lrlg erfolgt gern. § 10 Abs. 2 rpfDSchPflG; s.a. § 5 shDSchG. 101

Erbguth! Paßlick, DVBI. 1984, S. 606.

102

Moench, NJW 1983, S. 2001.

103

Hön.es, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 161.

104

Die gegenteilige Ansicht von Erbguth! Paßliek I Püchel, S. 22, überzeugt nicht.

Erbguthl Paßlick, DVBI. 1984, S. 607. § 2 Abs. 2 hambDSchG erklärt denkmalschutzwürdige archäologische Gegenstände kraft Gesetzes für geschützt. Die Anhin105

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B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

dendenkmälern in allen Bundesländern auch ohne Eintragung Schutz gewährt.106 Das hessische Denkmalschutzgesetz wurde 1986 vom ClassementSystem auf das Prinzip der Generalklausel umgestellt. 107 Das Gegenargument, die Unterschutzstellung unmittelbar durch das Gesetz verletzte den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz,1111 greift bei Bodendenkmälern nicht, da diese wegen ihrer Seltenheit und ihrer wissenschaftlichen Bedeutung generell als schutzwürdig anzusehen sind. Von der konstitutiven Eintragung in Denkmalbücher ist die listenmäßige Erfassung der bekannten Bodendenkmäler zu unterscheiden, die bisher nur vereinzelt und lückenhaft durchgeführt worden ist. 109 Für die Landesarchäologie von besonderer Bedeutung ist der sechste Abschnitt des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes, der sich mit dem Fund von Kulturdenkmalen befaßt. 110

4. Zulässigkelt von Grabungen Für die Erhaltung archäologischer Kulturdenkmale im Boden steht die Frage der Zulässigkeil gezielter Grabungen an erster Stelle. Nachforschungen, insbesondere Grabungen mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, bedürfen gern. § 21 bwDSchG der Genehmigung des Landesdenkmalamts. 1u Genehmigungspflichtig sind alle Arten von Grabungen, somit auch universitäre Forschungs- und Lehrgrabungen. 112

dung an eine im Einzelfall schwer abzugrenzende Denkmalschutzwürdigkeit sollte aufgegeben und ersatzlos gestrichen werden. 106

Kleeberg I Eberl, Rdnr. 215.

Moench, NVwZ 1988, S. 307, FN 57; zum hessischen Denkmalschutzgesetz allgemein der Kommentar von Dörffeldt I Viebrock. 107

101 Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmalen, S. 173 ff., 269 f.; zur Diskussion auch Moench, NVwZ 1988, S.307.

109 Materialien zum Denkmalschutz, S.19; vergl. Art. 2 Abs. 1 bayDSchG; § 6 Abs. 1 blnDSchG; § 3 Abs. 1 nwDSchG. 110 Zu den Regelungen in den anderen Bundesländern vor allem Hönes, Denkmalrecht und Dorfemeuerung, S. 81 ff.

§ 21 bwDSchG; § 21 hessDSchG; § 18 Abs. 1 shDSchG; vergl. Art. 7 Abs. 1 bayDSchG (nur auf Grundstücke bezogen); § 16 Abs. 1 bremDSchG (nur Grabungen nach Bodendenkmälern sind genehmigungsbedürftig). 111

112

Zur Problematik des Verhältnisses zur Forschungsfreiheit unten Kapitel B ill 4.

II. Denkmalschutzgesetze der Länder

39

Da Grabungen dem Wortlaut nach nur als Unterfall der Nachforschungen anzusehen sind, ist die gezielte Suche nach Funden grundsätzlich verboten, also beispielsweise auch das systematische Absuchen frisch gepflügter Felder.113 Noch wichtiger ist das Nachsuchen in Gewässern, was nicht nur für Küstenregionen, sondern auch für Binnenseen von Bedeutung ist. Nur bei einer weiten Formulierung in den Landesdenkmalschutzgesetzen wie ,,Nachforschungen" oder ,,Nachsuchen", lassen sich Tauchgänge subsumieren,114 wenn nicht auch das Bergen eines Bodendenkmals aus einem Gewässer ausdrücklich genehmigungspflichtig gemacht ist. m Der Verstoß gegen das Verbot ungenehmigter Grabungen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar," 6 die mit Geldbuße bis zu 100.000.- DM, in besonders schweren Fällen bis zu 500.000.- DM geahndet werden kann (§ 27 Abs. 2 bwDSchG). Gegenstände, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht, können gern. § 27 Abs. 3 bwDSchG eingezogen werden. 117 Das ist wichtig für die Funde, die nicht dem staatlichen Schatzregal unterfallen. Auf Erteilung einer Grabungsgenehmigung besteht kein Rechtsanspruch, es ist lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gegeben. Ermessensfehlerfrei ist die Ablehnung einer Genehmigung immer dann, wenn eine sachgerechte Ausgrabung nicht sichergestellt ist. 118 Einzelne Bundesländer sehen ausdrücklich die Möglichkeit von Auflagen und Bedingungen vor, die sowohl die Qualität der Ausgräber, wie die Ausführung der Grabung, die Art der Mitteilung der Befunde und entdeckten Sachen oder die abschließende Herrichtung der Grabungsstelle betreffen können. 119 Zur Sicherstellung der methodischen Grundregeln einer ordnungsgemäßen Ausgrabung muß die Behörde angesichts der Unwiederbringlichkeit eines archäologischen Befundes einen strengen Maßstab anlegen dürfen.

113 Oebbecke, DVBI. 1983, S. 388; § 21 Abs. 1 rpDSchPflG führt als Beispiel für Nachforschungen .,insbesondere Geländebegehungen mit Schatzsuchgeräten" an. 114 Zu eng daher die Erlaubnispflicht des Art. 7 Abs. 1 bayDSchG, der nur das Graben nach einem Bodendenkmal auf einem Grundstück unterfallt; ähnlich § 16 hambDSchG.

m § 13 Abs. 1 nwDSchG. 116

§ 27 Abs. 1 bwDSchG.

Zu den Unterschieden gegenüber der strafrechtlichen Einziehung (§ 74 StOB) Stroh/! Majoccol Birn, § 27, Rdnr. 11. 117

118

Einzelheiten bei Strobll Majoccol Birn, § 21, Rdnr. 5.

§ 16 Abs. 2 bremDSchG; § 16 Abs. 1 Satz 2 hambDSchG; § 12 Abs. 2 ndsDSchG; § 13 Abs. 3 nwDSchG; § 20 Abs. 3 saarlDSchG; § 18 Abs. 2 shDSchG. 119

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B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht S. Zufallsfunde

Soweit keine gezielte Suche vorliegt, sondern zufallig Sachen, Sachgesamtheiten oder Teile von Sachen entdeckt werden, von denen anzunehmen ist, daß an ihrer Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht, ist § 20 bwDSchG einschlägig. Diese Fälle sind der Denkmalschutzbehörde oder der Gemeinde unverzüglich anzuzeigen. Die Anzeigepflicht wird richtigerweise nicht nur auf Funde im Boden, sondern auch auf Zufallsfunde, die im Wasser120 oder auf der Erdoberfläche gemacht werden, für anwendbar gehalten, was nicht zuletzt bei Lesefunden auf einem Acker zutrifft.'21 Besser sind Regelungen, die ausdrücklich auch Funde im Wasser zu Bodenfunden erklären.122 Auch unbewegliche Gegenstände können gemäß § 20 bwDSchG "entdeckt" werden. 123 Für die Anzeigepflicht ist nach dem Gesetzestext ausreichend, wenn der Laie erkennt, daß er möglicherweise ein Bodendenkmal gefunden hat, selbst wenn die Eigenschaft der Sache nicht eindeutig geklärt ist. 124 Die unverzügliche Anzeige muß gefordert werden, da ein Befund sich durch den Zutritt von Luft und Licht, sowie durch Witterungseinflüsse innerhalb kürzester Zeit verändern kann und Fundobjekte in verstärktem Maße dem Zugriff Dritter ausgesetzt sind. Der Kreis der anzeigepflichtigen Personen ist in Baden-Württemberg enger als in anderen Bundesländern, in denen neben dem Entdecker auch der Grundstückseigentümer und der Leiter der Arbeiten, bei denen die Entdek-

120 Zur Unterscheidung von Bodendenkmal und in Gewässern verborgenen Kulturdenkmalen Baclchaus, S. 109. Spezielle Vorschriften für die Unterwasserarchäologie, wie sie in anderen Staaten zu finden sind, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht; siehe Schutter, S. 86. 121 Strobl I Majocco/ Birn, § 20, Rdnr. 5. Das trifft auch für Denkmalschutzgesetze zu, die lediglich von Funden ,,in der Erde" sprechen, wie § 14 Abs. 1 Satz 1 des niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, Oebbecke, DVBI. 1983, S. 386; Backhaus spricht (S. 112, 152), auf das niedersächsische Denkmalschutzgesetz bezogen, von einem redaktionellen Versehen, einer Regelungslücke, die im Wege der Auslegung zu beseitigen sei. 122 § 14 Abs. 1 ndsDSchG; § 2 Abs. 3, 20 Abs. 1 saarlDSchG; schleswig-holsteinische Durchführungsvorschriften zum Denkmalschutzgesetz, zu § 1 Abs. 2, letzter Spiegelstrich.

123 Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, S. 9.

124 Erbguthl Paßlickl Püchel, S. 54, bezüglich der unklareren Rechtslage in Nordrhein-Westfalen.

II. Denkmalschutzgesetze der Länder

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kung des Bodendenkmals gemacht werden, einbezogen sind. 125 Den anzeigepflichtigen Personenkreis weit zu fassen, ist sinnvoll, da eine Ordnungswidrigkeit sich nur aus einer bestehenden Anzeigepflicht ergeben kann. Die strenge Überwachung und Ahndung der Anzeigepflicht ist entgegen landläufiger Meinung einer der wichtigsten Schritte zum Schutz heimischen archäologischen Kulturguts. Die Gefahrdungen und Zerstörungen durch Baumaßnahmen stehen heutzutage an erster Stelle. Wenn es in dieser Situation gang und gäbe ist, daß Unternehmer und Bauherrn des Zeitgewinns wegen Anweisung geben, beim Auftauchen archäologischer Funde diese möglichst schnell und unauffallig zu beseitigen, ist das ein deutliches Zeichen für die Unvollkommenheit der gegenwärtigen Regelung. Der vielbeschworene Appell an die Vernunft der Bevölkerung stößt dort auf Grenzen, wo skrupelloses Gewinnstreben oder purer Egoismus mit im Spiel sind. Derart motivierten Vorgehensweisen kann nur mit entsprechenden Sanktionen begegnet werden. Neben der Anzeigepflicht besteht die Verpflichtung, den Fund und die Fundstelle eine bestimmte Frist in unverändertem Zustand zu erhalten (§ 20 Abs. 1).126 In einigen Landesgesetzen wird im übrigen gefordert, notwendige Schutzmaßnahmen zur Erhaltung des Fundes zu treffen. 127 Das Landesdenkmalamt und seine Beauftragten sind berechtigt, den Fund auszuwerten und, soweit es sich um bewegliche Kulturdenkmale handelt, diese zu bergen und zur wissenschaftlichen Bearbeitung in Besitz zu nehmen. 128 Soweit das Land kein Eigentum an den Funden erwirbt, können sie so lange in Besitz genommen werden, bis die wissenschaftliche Auswertung erfolgt ist. Danach

125 Art. 8 Abs. 1 bayDSchG; § 15 Abs. 2 bremDSchG; § 18 Abs. 2 hambDSchG; § 20 Abs. 2 hessDSchG; § 15 nwDSchG; § 14 Abs. 1 ndsDSchG; § 15 Abs. 2 nwDSchG; § 17 Abs. 2 rpDSchPflG; § 16 Abs. 2 saarlDSchG; Oebbecke, DVBI. 1983, S. 386; Strobl I Majoccol Birn, § 20, Rdnr. 4. Nur das schleswig-holsteinische Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale erstreckt die Anzeigepflicht in § 14 Abs. 2 auch auf den Eigentümer und den Besitzer des Gewässers. Eine Übersicht über die unterschiedliche Regelung der artZeigepflichtigen Personen in den verschiedenen Bundesländern fmdet sich bei Kleeberg I Eber/, Rdnr. 219. 126 Die Frist endet je nach landesrechtlicher Regelung zwischen drei Tagen und vier Wochen nach der Anzeige (wobei der Durchschnitt bei der unteren Grenze liegt), bzw. bereits zuvor mit der Freigabe der Fundstelle durch die Behörde; § 18 Abs. 3 hambDSchG; Art. 8 Abs. 2 bayDSchG; § 14 Abs. 2 ndsDSchG; § 16 Abs. 2 nwDSchG; § 18 Abs. 1 rpDSchPflG; § 17 Abs. 1 saarlDSchG.

127 § 20 Abs. 3 hessDSchG; § 14 Abs. 2 ndsDSchG; § 18 Abs. 1 rpDSchPflG; § 17 Abs. 1 saarlDSchG.

121

§ 20 Abs. 2 bwDSchG.

42

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

sind sie dem Eigentümer zurückzugeben. 129 Die Frage der Rückgabe wird in der Praxis großzügig gehandhabt, um die Anzeigefreudigkeit der Bevölkerung zu erhöhen und auf diese Weise behördlicherseits wenigstens Kenntnis von den gefundenen Objekten zu erhalten. In verschiedenen anderen Bundesländern ist die Inbesitznahme auf sechs Monate befristet. 130 In seltenen Fällen kann sich eine Fundstelle als so bedeutend erweisen, daß sie als solche unter Schutz gestellt wird. 131 6. Grabungsschutzgebiete

§ 22 DSchG 132 ermächtigt die untere Denkrnalschutzbehörde, Gebiete,

die begründeter Vermutung nach Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung bergen, durch Rechtsverordnung133 zu Grabungsschutzgebieten zu erklären.134 Wegen des weiten Kulturdenkmalbegriffs des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes können beispielsweise auch Fossilfundstellen Gegenstand von Grabungsschutzverordnungen sein. 135 Die Begründung der Vermutung für das Vorhandensein von Kulturdenkmalen macht in der Praxis keine Schwierigkeiten, da genügend Prospektionsmethoden zur Verfügung stehen. Außer den herkömmlichen Sondagen ist häufig nicht einmal ein Eingriff in den Boden erforderlich, können doch Luftbildarchäologie, Erdwiderstands- und Magnetfeldmessungen meist ausreichende Informationen liefern.

129 Strobll Majoccol Bim, § 20, Rdnr. 8; vergl. § 15 ndsDSchG; § 19 Abs. 2 rpDSchPfJG. 130

Oebbecke, DVBI. 1983, S.387.

131

Gahlen, NVwZ 1984, S. 691.

Art. 7 Abs. 2 bayDSchG; § 17 bremDSchG; § 17 hambDSchG; § 22 hessDSchG; § 16 ndsDSchG; § 22 rpDSchPfJG; § 21 saar!DSchG; § 19 shDSchG. 132

133 Im Gegensatz dazu stellt die Eintragung eines Kulturdenkmals in die Denkmalliste (nach herrschender Meinung) einen Verwaltungsakt dar; vergl. Strobl l Majoccol Bim, § 12, Rdnr. 6; Gahlen, NVwZ 1984, S. 689, der es für möglich hält, auch ein flächenmäßig größeres Bodendenkmal durch einen Verwaltungsakt der Denkmalbehörde unter Schutz zu stellen. 134 Eine klarstellende Eintragung ins Grundbuch kann nach geltendem Recht nicht erfolgen, so jedoch die Forderung von Backhaus, S. 111. Eine zeitliche Befristung (z.B. § 14 nwDSchG: drei Jahre) besteht nicht; zur zeitlichen Befristung zurecht kritisch Erbguthl Paßlickl Püchel, S. 56 f.

m Strobll Majoccol Birn, § 2, Rdnr. 16.

II. Denkmalschutzgesetze der Länder

43

In den Grabungsschutzgebieten dürfen Arbeiten, durch die verborgene Kulturdenkmale zutage gefördert oder gefährdet werden können, nur mit Genehmigung des Landesdenkmalamts vorgenommen werden. Nicht nur direkte Einwirkungen auf Kulturdenkmale sind in diesen Gebieten ohne Genehmigung unzulässig, gleiches gilt vielmehr auch für indirekte Gefährdungen. Eine solche liegt etwa bei der Drainage von Wiesen in der Nähe von Feuchtbodensiedlungen vor. Andere Gefahren ergeben sich durch das Tiefpflügen sowie das Befahren mit schweren Fahrzeugen. 136 Auch insoweit besteht das Verbot, das bei Zuwiderhandlungen mit einer Geldbuße nach § 27 DSchG droht. Der für die archäologische Substanz sehr verhängnisvolle Braunkohletagebergbau spielt nur in einzelnen Bundesländern eine Rolle und macht Sonderregelungen erforderlich. Sinnvoll erscheint in diesen Fällen, dem Denkmalamt die Möglichkeit einzuräumen, die Abbaukanten und Bodenaufschlüsse laufend auf zutagetretende Bodendenkmäler zu überprüfen, sie archäologisch zu untersuchen und zu bergen. 137 Arbeiten auf Grundstücken, die nicht in einem Grabungsschutzgebiet liegen, sind in Baden-Württemberg im Gegensatz zu manchen anderen Bundesländern138 auch dann nicht genehmigungsbedürftig, wenn unter ihrer Oberfläche Kulturdenkmale vermutet werden.139 Das ist bedauerlich, findet sich doch in einigen Bundesländern die Regelung, derzufolge derjenige einer Genehmigung der Denkmalschutzbehörde bedarf, der Erdarbeiten an einer Stelle vornehmen will, von der er weiß oder vermutet oder den Umständen nach annehmen muß, daß sich dort Kulturdenkmale befinden. 140 Diesem Mangel des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes sollte baldmöglichst durch eine Gesetzesänderung abgeholfen werden. Ein wirksames Mittel zur Erhaltung von Bodendenkmälern kann ein Vor-

kaufsrecht der Gemeinde oder des Staates sein, wie es etwa in Art. 19 des bayerischen Denkmalschutzgesetzes, nicht jedoch im baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz geregelt ist.

136 Strobl!Majocco!Birn, § 22, Rdnr. 7; Gahlen, NVwZ 1984, S. 690; weitere Formen der Gefahrdungen von Bodendenkmälern bei Bülow, S. 28 ff. 137

§ 19 Abs. 4 nwDSchG; dazu Bülow, S.274 ff.

Art. 7 Abs. 4 bayDSchG bestimmt, daß der Erlaubnis bedarf, wer in der Nähe von Bodendenkmälern, die ganz oder zum Teil über der Erdoberfläche erkennbar sind, Analgen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines dieser Bodendenkmäler auswirken kann. 138

1"

Strobl!Majocco!Birn, § 22, Rdnr. 9.

§ 13 Abs. 1 ndsDSchG; vergl. § 21 Abs. 2 rpDSchPflG; § 20 Abs. 1 Satz 2 saarlDSchG. 140

44

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht 7. Schatzregal

Sind archäologische Objekte einmal dem Boden entnommen worden, kann ihnen in Baden-Württemberg über § 23 DSchG Schutz zukommen. Danach werden bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos sind oder die so lange verborgen gewesen sind, daß ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten entdeckt werden oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben.141 Einige andere Denkmalschutzgesetze statuieren hingegen nur die Pflicht, bei einer Grabung oder zufällig entdeckte Bodendenkmäler auf Verlangen gegen Entschädigung abzuliefern.142 In anderen Bundesländern besteht ein Schatzregal an Sachen, die bei staatlichen Grabungen entdeckt werden, wohingegen die übrigen Sachen dann dem Land zu übereignen sind, wenn zu befürchten ist, daß der Fund sonst der Öffentlichkeit oder der wissenschaftlichen Forschung verloren ginge.143 Eine Beschränkung des Schatzregals auf staatliche Grabungen, wie sie das baden-württembergische Denkmalschutzgesetz vorsieht, erscheint nicht sinnvoll, da dann bei unautorisierten Grabungen der Funderwerb nach § 984 BGB vielfach nicht verhindert werden kann. Bezüglich des Schatzregals ist die Anpassung der Landesdenkmalschutzgesetze wünschenswert. Dies könnte Fälle verhindern, in denen in einem Bundesland mit Schatzregal illegal ausgegrabene Fundstücke in einem Bundesland ohne Schatzregal vergraben werden, um - nach erneuter Ausgrabung sich des Eigentums an ihnen nach § 984 BGB zu berühmen. Im Schrifttum ist die Befürchtung geäußert worden, der automatische staatliche Eigentumserwerb verstärke die Gefahr der Verheimlichung von Funden. 144 Dem läßt sich mit der Gewährung von Fundprämien begegnen,145 wobei allerdings darauf zu achten ist, daß keine Raubgräber unter-

141

Vergl. § 19 bremDSchG; § 19a rpDSchPflG.

§ 24 hessDSchG; § 17 Abs. 1 nwDSchG; die Festsetzung der Entschädigung wird dort in § 34 geregelt. § 16 i.V.m. § 25 shDSchG. Das rheinland-pfälzische Landesgesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmäler kombiniert in den §§ 19a und 20 das Schatzregal mit der Ablieferungspflicht für bewegliche Funde für die verbleibenden Fälle; ebenso §§ 23 und 19 saarlDSchG. 141

143 § 5 Abs. 2 blnDSchG; vergl. § 18 ndsDSchG i.V.m. § 30 ndsDSchG, der die Enteignung ausgegrabener Kulturdenkmale für die wissenschaftliche Forschung zuläßt. 144

Nachweise bei Oebbecke, DVBJ. 1983, S. 391.

145

Oebbecke, DVBL 1983, S. 391.

II. Denkmalschutzgesetze der Länder

45

stützt werden. Der Eigentumsübergang auf den Staat rechtfertigt sich auch aus der Entwicklung wissenschaftlicher Auswertungsmethoden, weshalb eine neuerliche Untersuchung nach Ablauf einiger Jahre weitere unerwartete Erkennulisse liefern kann. 146 Neben der eigentumsrechtlichen Problematik des Schatzregals, die im Zusammenhang mit den allgemeinen bundesrechtlichen Regelungen zu behandeln sein wird,147 ist auf die Einschränkung durch den Begriff "hervorragender wissenschaftlicher Wert" hinzuweisen. In der engen Fassung der Norm liegt die eigentliche Problematik für archäologische Objekte. Kulturdenkmale, die für die Wissenschaft von Bedeutung sind, jedoch nicht den Anforderungen eines "hervorragenden wissenschaftlichen Werts" entsprechen, entgehen der wissenschaftlichen Auswertung. Auch scheinbar unbedeutende Gegenstände können für die Forschung aussagekräftig sein, etwa für statistische Untersuchungen oder zur Dokumentation von Handelswegen. Darüber hinaus entfallt regelmäßig bei der unbefugten Entnahme "unbedeutender" Kulturdenkmale aus dem Boden die Möglichkeit der Bestrafung wegen Unterschlagung. Die einmal in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts geäußerte Vorstellung, archäologische Funde gingen in der Hand privater Sammler der Wissenschaft nicht verloren, sondern würden einem größeren Kreis von Interessierten zugänglich gemacht, als dies bei der Einlagerung in ein Museum der Fall wäre/ 48 ist kaum nachvollziebar. 8. Enteignung

Als ultima ratio des Denkmalschutzes können eingetragene Kulturdenkmäler - gegen Entschädigung 149 - enteignet werden, wenn ihre Erhaltung auf andere zurnutbare Weise nicht gesichert werden kann. Zulässig ist die Enteignung von Funden, soweit auf andere Weise nicht sicherzustellen ist, daß ein Kulturdenkmal wissenschaftlich ausgewertet werden kann oder allgemein zugänglich ist (§ 25 bwDSchG). Nicht nur der Fund selbst kann enteignet

146 Dieser Gnmd wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Falle eines Münzfundes abgelehnt, BVerwGE 21, 191 ff. (194 f.); zur Kritik an diesem Punkt der Entscheidung Oebbecke, DVBI. 1983, S. 391. 147

Dazu unten Kapitel B III 3 b.

141

So BVerwGE 21. 191 ff (195), auf einen karolingischen Münzschatz bezogen.

Ermittlung und Festsetzung der Entschädigung richten sich nach den einschlägigen Bestimmungen des Landesenteignungsgesetzes (Strobl! Majocco/ Birn, § 25, Rdnr. 14), nicht nach § 24 bwDSchG, der sich nur auf Maßnahmen von enteignender Wirkung bezieht. 149

46

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

werden, vielmehr auch das Grundstück, das den Fund birgt, was zur Sicherung des Fundzusammenhangs besonders wichtig sein kann. 150 Den Bedürfnissen der Archäologie trägt im übrigen § 25 Abs. 3 bwDSchG mit der Möglichkeit der Enteignung zum Zwecke von planmäßigen Nachforschungen Rechnung. 151 Bei der Frage der Sicherung der Forschungsmöglichkeit muß die künftige Entwicklung der wissenschaftlichen Methoden, auch soweit sie noch nicht im einzelnen abzusehen ist, mit berücksichtigt werden. 152 Ein Entschädigungsfonds besteht leider bisher nur in wenigen Bundesländem.153 9. Ehrenamtliche Mitarbeiter

Die Einschaltung ehrenamtlicher Mitarbeiter zur Unterstützung der Aufgaben des Landesdenkmalamts ist nicht in den Einzelheiten im Denkmalschutzgesetz geregelt. 154 Die Befugnisse der sog. Beauftragten sind indessen durch das Gesetz mehrfach denen des Landesdenkmalamts angeglichen.155 In Zeiten großen Handlungsbedarfs durch rege Bautätigkeit bei gleichzeitigem pekuniär bedingtem Personalmangel können die Beauftragten des Landesdenkmalamts zur Rettung wichtiger Informationen beitragen. Eine Vielzahl bedeutender Funde sind ehrenamtlichen Mitarbeitern der Landesdenkmalämter zu verdanken. Möglicherweise läßt sich auf diese Weise der Forschungstrieb von Laien kanalisieren. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, daß es auch hierbei noch bis in jüngste Zeit zu Mißbräuchen gekommen ist, ja daß sich ehrenamtliche Mitarbeiter mit Hilfe ihrer Ausweise und mit Duldung der Behörden größere Privatsammlungen zugelegt haben. 156

150

Strobl!Majocco!Birn, § 25, Rdnr. 7.

151

Strobl! Majoccol Birn, § 25, Rdnr. 9.

152

Oebbecke, DVBI. 1983, S.391.

Bayerische Verordnung über den Entschädigungsfonds nach dem Denkmalschutzgesetz vom 1. März 1974, GVBI. S. 107, mit späteren Änderungen, abgedruckt in den Materialien zum DenkmalschuJz, S. 27; vergl. den Beihilfefonds im geplanten Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. 153

154 Einzelheiten bei Stroh/ I Majoccol Birn, § 5, Rdnr. 1 ff.; Erlaß des Kultusministeriums über ehrenamtliche Beauftragte für Denkmalpflege, abgedruckt bei Strobl! Majoccol Birn, Anhang 1.8; zur Regelung in anderen Bundesländern Hönes, Denkmalrecht und Dorferneuerung, S. 45 ff. Im bayerischen Denkmalschutzgesetz haben die Heimatpfleger vergleichbare Funktionen, Art. 13 bayDSchG.

155

§§ 5, 10 Abs. 2, 20 Abs. 2 bwDSchG; Strobl! Majoccol Birn, § 5, Rdnr. 1 ff.

Nora Andrikopou/ou-Strack/Michael Gechter. Die rheinische Bodendenkmalpflege und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter, in: Rheinische Heimatpflege, 1990, S. 178 ff. (180). 156

li. Denkmalschutzgesetze der Länder

47

10. Die Situation in den neuen Bundesländern

Die Rechtslage in den neuen Bundesländern richtet sich bis zum Erlaß neuer Regelungen nach den Denkmalschutzvorschriften der ehemaligen DDR. Aus Art. 9 Abs. 1 des Vertrags zur deutschen Einheit (Einigungsvertrag) ergibt sich, daß grundsätzlich das Recht der DDR, das nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Landesrecht ist, in Kraft bleibt. Der Denkmalschutz zählt unzweifelhaft hierzu. Als Grundlage für einen Schutz der Kulturgüter in den neuen Teilen der Bundesrepublik kann Art. 35 Abs. 2 des Einigungsvertrages herangezogen werden, wonach die kulturelle Substanz in den neuen Ländern keinen Schaden nehmen darf. In Erfüllung dieser Vorschrift sind umfangreiche Bundesmittel für ein Sonderprogramm zur Sicherung, Erhaltung und Restaurierung unbeweglicher Kulturdenkmäler und historischer Bauten im Beitrittsgebiet bereitgestellt worden, die auch für Bodendenkmäler eingesetzt werden sollten. Das Gesetz zur Erhaltung der Denkmale in der Deutschen Demokratischen Republik - Denkmalpflegegesetz- aus dem Jahr 1975157 in der Fassung des Gesetzes vom 3. Juli 1980 zum Schutz des Kulturguts in der DDR158 erfaßte die Bodenaltertümer ausdrücklich nicht159 . Regelungen für Bodenaltertümer sind der Verordnung zum Schutze und zur Erhaltung der ur- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer vom 28. Mai 1954160 mit deren Ergänzung in verschiedenen Durchführungsbestimmungen161 zu entnehmen, die einheitlich für die gesamte DDR galt.

m Vom 19.6.1975, Gesetzblatt der DDR Teil I Nr. 26 vom 27.6.1975, S. 458 ff .. mit den Durchführungsbestimmungen vom 24.9.1976, GBl. der DDR I Nr. 41 vom 15.11.1976, S.489 f.; vom 14.7.1978, OBI. DDR I Nr. 25 vom 25.8.1978, S.285 f.• und vom 20.2.1980, GBl. DDR I Nr. lO vom 18.3.1980, S. 86 f. 151 Gesetzblatt der DDR Teil I Nr. 20 vom 10.7.1980, S.191 ff.; Erste Durchführungsbestimmung zum Kulturgutschutzgesetz - Geschütztes Kulturgut - vom 3.7. 1980, GBl. DDR I Nr. 21 vom 17.7.1980, S. 213 f.; Zweite Durchführungsbestimmung zum Kulrurgutschutzgesetz - Anmeldung und Registrierung von geschütztem Kulturgut - vom 2.12.1981, OBI. DDR I Nr. 6 vom 25.2.1982, S. 144 f.; Dritte Durchführungsbestimmung zum Kulrurgutschutzgesetz - Ausfuhr von Kulturgut vom 3.5.1982, GBl. DDR I Nr. 24 vom 1.7.1982, S. 432 ff.; Vierte Durchführungsbestimmung zum Kulturgutschutzgesetz - Tätigkeit der Kultursachverständigen - vom 24.9.1984, Gbl. DDR I Nr. 28, S. 319; Fünfte Durchführungsbestimmung zum Kulturgutschutzgesetz - Befugnisse des Kurators bei der ordnungsgemäßen Verwaltung von gefährdetem Kulturgut- vom 6.10.1986, Gbl. DDR I Nr. 32, S. 423.

159

§ 5 Abs. 2 Denkmalpflegegesetz.

160

GBl. DDR I Nr. 54, vom 10.6.1954, S. 547 ff.

Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung zum Schutze und zur Erhalnmg der ur- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer - Sicherung bei Baumaßnah161

48

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

Die genannten Gesetze und Verordnungen schufen bis zu einem gewissen Grade einen Schutz von Bodenaltertümern. Maßgeblich war deren Eintragung in Listen. Gelegenheitsfunde waren meldepflichtig und auf Verlangen abzuliefern. Erwähnenswert ist die hohe Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr/ 62 die nur bestimmte Handlungsweisen sanktioniert, nicht jedoch ungenehmigte Ausgrabungen. 163 In der Praxis nützten die Vorschriften häufig nichts, da der Staat sich nicht an sie gebunden fühlte und aus Gleichgültigkeit, regelmäßig jedoch in politischer Intention, Zerstörung und Ausverkauf von Kulturgütern vorantrieb. 164 Doch lassen auch die Rechtsgrundlagen selbst gravierende Mißstände erkennen, die sich aus der sozialistischen Ideologie erklären und bezüglich Eigentum und Föderalismus besonders augenscheinlich werden. Aus diesen Gründen und wegen der mangelnden demokratischen Legitimation können Änderungen und Ergänzungen der Rechtsgrundlagen der DDR nicht zu modernen und rechtsstaatliehen Regelungen führen. Das sollte nicht als Nachteil für die Bodendenkmalpflege aufgefaßt werden. Den neuen Bundesländern bietet sich durch den Einigungsvertrag die Chance, aufgrund der Erfahrungen der alten Bundesländer mit deren Gesetzen moderne, den heute gesteigerten Anforderungen der Denkmalpflege entsprechende Denkmalschutzgesetze zu erlassen. Wichtig ist, nicht lediglich die Vorschriften des Partnerlandes zu übernehmen, sondern durch Vergleich die besten Regelungen zu konstruieren. Die ersten Ansätze der Denkmalschutzgesetzgebung in den neuen Bundesländern sind insgesamt vielversprechend und räumen gerade den Bodendenkmalen einen besonderen Stellenwert ein. Bemerkenswert ist in dieser Beziehung das Novum eines speziellen Beodendenkmalschutzgesetzes, wie es im Gesetz zum Schutz archäologischer Denkmale in Sachsen verwirklicht werden wird. Hingegen ist die Bodendenkmalpflege im geplanten Gesetz Sachsen-Anhalts innerhalb des Denkmalschutzgesetzes nicht von der Baudenkmalmen - vom 28.5.1954, GBI. DDR I Nr. 54 vom 10.6.1954, S. 549; s.a. Anweisung Nr. 79 des Staatssekretariats für Hochschulwesen zur Regelung von Ausgrabungen gern. § 6 IV der eben erwähnten Verordnung. 162 § 14 der Verordnung zum Schutze und zur Erhaltung der ur- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer in der Fassung vom 11.6.1968, GBl. DDR I 1968, Nr. 11, S.244. 163 Vergl. die z.T. noch höheren Strafbestimmungen von § 12 des Kulturgutschutzgesetzes, das gern. § 2 Abs. 1 auch archäologische Funde erfaßt.

164 Bekarmte Beispiele aus der Kunstdenkmalpflege sind die Verkäufe von Bildern aus der Dresdener Staatsgalerie ins Ausland und die Sprengung der intakten Leipziger Paulinerkirche zur Verwirklichung einer "sozialistischen Gro&tadt"; F.A.Z. vom 19.4.1991, s. 33.

II. Denkmalschutzgesetze der Länder

49

pflege abgesetzt, sondern mit dieser vermengt, was die Bedeutung der Bodendenkmäler verwischt und die Auffindbarkeil der Schutznormen erschwert. Begrüßenswert sind weite Denkmalbegriffe, die die Denkmaleigenschaft von keiner Katalogisierung abhängig macht.11'.s In Thüringen werden Bodendenkmale gesondert definiert und den Kulturgütern zugeordnet. Paläontologische Funde und Fundstellen werden ausdrücklich zu den Bodendenkmalen gerechnet, lediglich Naturgebilde wie Tropfsteinhöhlen und Mineralfundstellen fallen durch die gut gemeinte Präzisierung auf Reste oder Spuren tierischen oder pflanzlichen Lebens, die eine weitergehende Auslegung nicht mehr zuläßt, aus dem Denkmalbegriff heraus. Doch ist das Thüringer Gesetz weiter als die Fassungen anderer Entwürfe, die einen Bezug zur Geschichte des Menschen verlangen. 166 Einige Besonderheiten ergeben sich aus der Geographie einzelner Bundesländer, wie besondere Überprüfungsmöglichkeiten von Abbaukanten bei umfangreichen Erdarbeiten, was für den Braunkohletagebergbau von besonderer Bedeutung ist, oder die Erlaubnispflichtigkeit der Bergung von Bodendenkmälern aus einem Gewässer 67 oder dem Meer168• Weitere Besonderheiten können sich aus der Tatsache der Wiedervereinigung ergeben, z.B. wenn bei Reprivatisierungen Grundstücke, auf denen sich archäologische Denkmale befinden, nach Möglichkeit in öffentliche Hand zu überführen sind.169 Zu begrüßen sind grundsätzlich neue gesetzliche Konstruktionen oder Erweiterungen, die z.T. eine deutliche Verbesserung gegenüber den Regelungen der alten Bundesländer beinhalten. Bedeutsam ist hierbei vor allem die Erweiterung des Schatzregals über die Kulturdenkmale von hervorragendem wissenschaftlichem Wert hinaus auf alle Funde, die bei ungenehmigten Nachforschungen entdeckt werden. 170 Damit läßt sich verhindern, daß es über § 984 BGB zu unrechtmäßigem Fundeigentum kommen kann. Erwähnenswert sind Vorschriften, die es der obersten Denkmalschutzbehörde ermöglichen, außerhalb archäologischer Reservate die Nutzung von Grund-

16s Thüringen; Brandenburg hat zwar das Classement-System zur Grundlage, nimmt Bodendenkmäler jedoch ausdrücklich aus; unklar bisher die Regelungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt. 166

Sachsen und Sachsen-Anhalt.

167

Thüringen.

161

Sachsen.

169

Sachsen.

Thüringen und ohne Einschränkung Sachsen, enger hingegen Brandenburg und Sachsen-Anhalt. 170

4 Fcclma-

50

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

stücken zu beschränken, in denen sich Bodendenkmale von wissenschaftlicher oder geschichtlicher Bedeutung befindenP1 Eine wesentliche Verbesserung gegenüber den älteren Denkmalschutzgesetzen der Bundesrepublik Deutschland bedeutet es, wenn sämtliche Erdarbeiten an Stellen, an denen Kulturdenkmale zu vermuten sind, grundsätzlich genehmigungspflichtig gemacht werden.172 Zu begrüßen ist ebenfalls, wenn alle Veränderungen und Maßnahmen an Denkmalen dokumentationspflichtig sind113 und wenn für unbewegliche archäologische Denkmale eine Nutzung anzustreben ist, die ihre Erhaltung auf Dauer gewährleistet.174 Schließlich sind auch wieder Freiheitsstrafen vorgesehen, wenn ein Denkmal zerstört wird,175 oder wenn ein Auftrag zur Zerstörung eines Denkmals erteilt wird. 176 Die Freiheitsstrafen beziehen sich allerdings nicht auf ungenehmigte Ausgrabungen.

Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, daß die Regelungen in den fünf neuen Bundesländern in einzelnen Punkten Abweichungen von den bisherigen Denkmalschutzgesetzen der Bundesrepublik beinhalten werden, von denen einige deutliche Verbesserungen bedeuten. Eine generell abweichende Normierung ist hingegen nicht zu erwarten. 11. Bindung des Bundes an die Denkmalschutzgesetze der Länder?

Eine spezielle Frage in diesem Zusammenhang ist die, inwieweit der Bund an die Denkmalschutzgesetze der Länder gebunden ist. Die Frage kann etwa bei der Streckenplanung der Bundesbahn von Bedeutung sein. Bei diesem Beispiel ist umstritten, ob die Bundesbahn nur über § 36 BBahnG die Belange des Denkmalschutzes zu beachten hat, oder ob bei der bundesbahnrechtlichen Planfeststellung eine Bindung an allgemeine Gesezte auch des Landesrechts besteht. 177 Letzteres bejaht das Bundesverwaltungsgericht zu Recht, spricht doch Art. 20 Abs. 3 GG für eine Bindung der Bundesbehörden an alle verfassungsrechtlich einwandfrei ergangenen Gesetze auch der Länder.178

171

Thüringen, Sachsen-Anhalt

172

Diese V erbessenmgen sind in Thüringen geplant.

173

Sachsen-Anhalt

174

Sachsen.

m Sachsen, Sachsen-Anhalt 176

Sachsen-Anhalt

177

Einzelheiten bei Fluck., NJW 1987, S. 2352.

178

Fluck, aaO.

Ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

51

12. Zusammenfassung

Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer schaffen trotz mancher föderalen Eigenständigkeit in Einzelpunkten ein qualitativ ähnliches, insgesamt brauchbares System zum Schutz des heimischen archäologischen Kulturguts. Sowohl die Ausgrabung selbst als auch der zufällige Fund archäologischer Substanz unterliegt genauen Regelungen. Bekannte, jedoch noch nicht ausgegrabene Fundplätze können unter besonderen Schutz gestellt werden. Von einzelnen Regelungslücken abgesehen, ist die bewußte wie die beiläufige Zerstörung archäologischer Kulturgüter weniger auf die Denkmalschutzgesetze selbst zurückzuführen als auf die mangelhafte Ahndung von Verstößen gegen die bestehenden Gesetze. Da eine vollkommene Überwachung der bekannten Fundplätze praktisch nicht durchführbar ist, noch weniger illegale Ausgrabungen an zuvor nicht bekannten Stellen verhindert werden können, muß diese Schwäche soweit als möglich durch eine konsequente Anwendung der Sanktionen der Landesdenkmalschutzgesetze ausgeglichen werden.

m. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen Ist der Umfang der Kompetenzen des Bundes zum Erlaß spezieller Kulturgutschutzvorschriften - wie festgestellt wurde - gering, können doch die allgemeinen Gesetze des Bundes Schutzwirkungen entfalten. Zu untersuchen sind aus diesem Grund an erster Stelle die Strafbestimmungen des StGB. Einfluß auf die Rechtsstellung archäologischen Kulturguts haben darüber hinaus die Eigentumsordnung der Bundesrepublik Deutschland, wie sie im Grundgesetz und im BGB ihre Ausprägung gefunden hat, die verfassungsrechtlich verankerte Forschungsfreiheit sowie die bei Sachverhalten mit Auslandsberührung heranzuziehenden Regelungen des Internationalen PrivatrechtsP9 l. Strafrecht

a) Verhältnis zu den Landesdenkmalschutzgesetzen

Die Normen des Strafgesetzbuchs sind für den Schutz archäologischen Kulturguts besonders hervorzuheben, da sie bei unzulässigen Ausgrabungen die einzige Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung der Raubgräber 179 Zu den hier nicht behandelten Gebieten des Straßen- und Verkehrsrechts, der Bundesbahn. der Bundespost, des Bergrechts, des Wasserrechts, des Flurbereinigungsund des Friedhofsrechts siehe Hönes, Denkmalrecht und Dorfemeuerung, S. 117 ff.

52

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

bieten und mit Freiheitsstrafen drohen. Die Landesdenkmalschutzgesetze normieren lediglich mit Geldbußen zu ahndende Ordungswidrigkeiten. Eine Ausnahme bildet § 34 des niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, der die ungenehmigte und nicht genehmigungsfähige Zerstörung eines Kulturdenkmals oder eines wesentlichen Teils eines Kulturdenkmals mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht. 180 Bezüglich dieser Regelung sind verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden. Der Bund habe von der in Art. 74 Nr. 1 GG festgelegten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz umfassenden Gebrauch gemacht; der verbleibende Raum für Strafbestimmungen des Landesrechts sei jedoch in den Art. 2, 3 EGStGB in engen, hier überschrittenen Grenzen festgelegt. 181 Allerdings beziehen sich die angesprochenen Vorschriften des EGStGB nicht auf den Inhalt der Strafnormen. Der Strafrahmen des Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB von zwei Jahren ist jedenfalls in der jetzigen Fassung des § 34 nsDSchG eingehalten. Da der Bund mit § 304 StGB nur einen Teil der vom landesrechtlich umrissenen Begriff des Kulturdenkmals erfaßten Gegenstände normiert hat,182 ist gern. Art. 4 Abs. 2 EGStGB eine landesrechtliche Regelung insoweit zulässig und kann verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden. 183

b) Diebstahl Bei den strafrechtlichen Sanktionsnormen liegt es nahe, zunächst den Tatbestand des Diebstahls zu prüfen. Indessen ist der Anwendungsbereich des § 242 StGB begrenzt, da er den Bruch fremden Gewahrsams voraussetzt. Diebstahl kommt deswegen praktisch nur bei bereits ausgegrabenen Stücken zur Anwendung. Bei den noch nicht ausgegrabenen, noch unbekannten Sachen kann nach der Auffassung des täglichen Lebens, die hier maßgeblich ist, nicht von einem Gewahrsam des Grundstückseigentümers gesprochen werden. Gewahrsam setzt neben der tatsächlichen Herrschaftsmacht über die Sache auch den Herrschaftswillen des Berechtigten voraus. Ein genereller Gewahrsamswille kann sich zwar auch auf Gegenstände erstrecken, von denen der Berechtigte nichts weiß. In den typischen Fällen (die Post im Briefkasten, die vor Geschäftsbeginn angelieferte Milch vor dem Laden etc.) erstreckt sich der Gewahrsamswille des Berechtigten indessen auch auf be-

110 Ähnlich die Strafbestimmung des geplanten sächsischen Bodendenkmalschutzgesetzes. 111

Badehaus, S. 146 f.

182

Dazu in diesem Kapitel, B ill 1 e. Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 31.

113

ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

53

stimmte, möglicherweise in seinen Herrschaftsbereich gelangende Gegenstände. In all diesen Fällen wird stillschweigend vorausgesetzt, daß der Berechtigte mit dem Hineingelangen von Gegenständen in seinen Bereich rechnet Bei den unbekannten archäologischen Objekten ist dies gerade nicht der Fall. Der dann gegebene Sachverhalt entspricht der Konstellation des Grundstückseigentümers, der an einer Sache, die ihm jemand in seinen Garten geworfen hat. nach der Auffassung des täglichen Lebens erst dann Gewahrsam hat, wenn er von ihr weiß und den Willen gefaßt hat, sie zu beherrschen.184 Eine andere Beurteilung kann denkbar sein, wenn der Grundstückseigentümer aus bestimmten Gründen mit Funden rechnet. Dann kann ein Diebstahl gegenüber dem Grundstückseigentümer begangen werden, wenn nicht ein staatliches Schatzregal greift. In letzterem Fall scheitert Diebstahl bereits an der Fremdheit der Sache. Wird eine bereits ausgegrabene Sache entwendet, wird häufig ein besonders schwerer Fall des Diebstahls gern. § 243 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorliegen. Die Strafschärfung greift ein, wenn eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befmdet oder öffentlich ausgestellt ist, gestohlen wird. 185 Maßgeblich ist nicht die Art der Objekte, sondern deren öffentliche Zugänglichkeil; bereits bei Sammlungsstücken, die sich in Museumsmagazinen befinden, kommt die Strafschärfung nicht zur Anwendung.186

c) Unterschlagung Unausgegrabene archäologische Objekte stehen, wie oben ausgeführt, im Regelfall in niemandes Gewahrsam. In diesen Fällen kommt bei ungenehmigter Ausgrabung und Ansichnahme Unterschlagung nach § 246 StGB in Betracht Die Fremdheit der Sache ergibt sich je nach Landesrecht aus unterschiedlichen Bestimmungen. Wird ein Fundobjekt mit seiner Entdeckung kraft Landesrecht Eigentum des Landes (z.B. § 23 bwDSchG), kann am Eigentum des Landes Unterschlagung begangen werden. Unerheblich ist, daß die Sache sich nicht, wie es der Gesetzestext suggeriert, vor der Aneignungshandlung im Besitz oder Gewahrsam des Täters befand. Nach der heute anerkannten sog. kleinen berichtigenden Auslegung können Gewahrsamser-

184 Eser, in: Schönlee I Schröder, § 242, Rdnr. 30. 115

Einzelheiten bei Ruß, in: LK, § 243, Rdnr. 26 ff.

116

Eser, in: Schönlee I Schröder, § 243, Rdnr. 38.

54

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

langung und Zueignung in einem Akt zusammenfallen. 187 In Ländern, die kein Schatzregal kennen, kann sich die Fremdheit i.S. des § 246 StGB aus den Eigentumsvorschriften des BGB ergeben. Da ein Schatzfund gern. § 984 BGB 188 im hälftigen Miteigentum von Finder und Grundstückseigentümer steht, ist der Fund immer dann taugliches Objekt einer Unterschlagung, wenn der Finder nicht zugleich der Grundstückseigentümer ist. Auch die eigenmächtige Teilung eines Münzfundes kann eine Unterschlagung nach § 246 StGB darstellen. Da nicht fungible Sachen in Rede stehen, wie es bei gültigen Zahlungsmitteln der Fall ist, sondern individuelle, in ihrem Wert vom Grad der Erhaltung abhängige Sachen, besteht hälftiges Miteigentum an jeder einzelnen Münze.189 Bei geringwertigen Sachen ist das Antragserfordernis gern. § 248a StGB zu beachten. Die Bestimmung der Geringwertigkeit hat grundsätzlich nach dem Verkehrswert zu erfolgen. Indessen wird der Wert der Sache dann als gering eingestuft, wenn er nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unerheblich sowohl für den Gewinn wie für den Verlust angesehen wird. 190 Da für die Frage der Geringwertigkeit auf den Zeitpunkt der Tat abzustellen ist, ist nicht der Wert der ausgegrabenen Sache anzusetzen, sondern der Wert des archäologischen Fundes im Erhaltungszustand bei Auffindung und unter Berücksichtigung der Fundurnstände. Auch der Verkehrswert eines archäologischen Objekts, nicht nur seine wissenschaftliche Bedeutung, ist höher, wenn er einer bestimmten Kulturstufe und einem bestimmten Fundplatz zugeordnet werden kann. Steht das Grundstück im Eigentum des Finders, ist bei Ausgrabungen in Bundesländern, die ein Schatzregal nicht kennen, auch eine Bestrafung nach § 246 StGB ausgeschlossen. d) Hehlerei

Erfüllt eine ungenehmigte Ausgrabung weder den Tatbestand des Diebstahls noch den der Unterschlagung, so ist das nicht nur für die Beurteilung des Raubgräbers von Bedeutung, sondern hat auch Konsequenzen für die Händler, die die Fundstücke weiterverkaufen. Beide Delikte sind Vortaten, die einen Händler, die subjektive Seite des Tatbestandes vorausgesetzt, gern.

187

Eser, in: Schönke!Schröder, § 246, Rdnr. 10.

111

Dazu unten, Kapitel B III 3 a.

119

So bereits RGSt 21, 271 ff.

190

Eser, in: Schönke I Schröder, § 248a, Rdnr. 8.

m. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

55

§ 259 StGB zum Hehler werden lassen. Nonnen der Denkmalschutzgesetze reichen demgegenüber nicht aus, eine Strafbarkeit zu begründen. Sind Sachen lediglich unter Verstoß gegen Nonnen der Denkmalschutzgesetze erlangt, liegt keine gegen fremdes Vennögen gerichtete Vortat i.S.d. § 259 Abs. 1 StGB vor.

e) Gemeinschädliche Sachbeschädigung Als weiterer strafrechtlicher Tatbestand kann gegenüber Raubgräbern die gemeinschädliche Sachbeschädigung gern. § 304 StGB zur Anwendung kommen. Die Variante der Zerstörung und Beschädigung archäologischer Funde, die in öffentlichen Sammlungen aufbewahrt oder öffentlich aufgestellt werden, ist zwar rechtlich unproblematisch, jedoch praktisch nicht von Bedeutung. Die Auslegung der Begriffe "Grabmäler, öffentliche Denkmäler, Naturdenkmäler" bereitet mehr Schwierigkeiten und ist von größerer Relevanz. Als Grabmäler lassen sich archäologische Fundstellen nach der bisherigen Rechtsprechung jedoch auch dann nicht einordnen, wenn es sich um Gräber handelt. Als Grabmäler i.S. des § 304 StGB werden nur diejenigen dauerhaften Teile eines Grabes angesehen, die nach Art, Gestaltung und Ausführung in einer Verbindung mit sonstigen Anhaltspunkten auf den Toten hinweisen und damit nach der Lebensauffassung selbst den Charakter eines Erinnerungszeichens tragen.191 Maßgeblich ist zwar nicht ein Anspruch auf Benutzung des Grabes, jedoch ein erkennbares, tatsächlich bestehendes Pietätsinteresse an dem Weiterbestehen der Grabstelle. 192 Geschützt werden lediglich die Gefühle der Angehörigen, nicht die Totenruhe. Insoweit ist § 304 StGB ein Spezialfall des § 168 StGB. Sind die Angehörigen und die sonst mit dem Toten persönlich verbundenen Menschen nicht mehr arn Leben, ist der Leichnam ungeschützt. Dieses Ergebnis kann eine Korrektur erfahren durch die Einordnung einzelner archäologischer Fundstätten in die .. Denkmäler" i.S.d. § 304 StGB. Als solche werden nämlich auch Gegenstände angesehen, die als kennzeichnende Reste eines früheren Kulturabschnitts von geschichtlicher, wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedeutung sind. 193 Danach kann etwa auch

ff.

191

BGHSt 20, 286 f.

192

Wolff, in: LK, § 304, Rdm. 6.

193

Wolff, in: LK, § 304, Rdm. 7; Drehl!r/Tröndle, § 304, Rdm. 8; RGSt 43, 240

56

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

ein Hünengrab die Eigenschaft eines kulturhistorischen Denkmals erlangen.194 Mit der Frage, ob von einem "Denkmal" auch dort gesprochen werden kann, wo im Gelände kein sichtbares Zeichen einen Anhaltspunkt für das Andenken an eine frühere Epoche bildet, hatte sich die Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bisher mangels entsprechender Anklage nicht zu befassen. Die Anwendung von § 304 StGB in diesen Fällen wäre indessen keine unzulässige Analogie zu Lasten des Täters. f) Störung der Totenruhe § 168 StGB stellt u.a. die Zerstörung oder Beschädigung einer Beisetzungsstätte unter Strafe. Vom Wortlaut her wäre es unproblematisch, auch Gräber aus vergangeneo Zeiten unter diesen Begriff zu subsumieren. Wie beim Begriff des Grabmals in § 304 StGB wird die Strafbarkeit indessen vom Sinn und Zweck der Norm her abgelehnt, da sich auf Gräber, die für die Archäologie von Interesse sind, kein Pietätsempfinden mehr erstrecke. 195 Man mag unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob nicht auch andere Menschen als die Angehörigen gegenüber einem Toten Pietät empfinden können, selbst wenn sie ihn zu seinen Lebzeiten nicht gekannt haben. Das Bild einer Persönlichkeit kann auch aus den geschichtlichen oder archäologischen Quellen erwachsen. Zu denken ist vor allem auch an die Fälle natürlicher oder künstlicher Konservierung von Leichen. Dennoch ist die Wertung im Ergebnis richtig, da es sich bei § 168 StGB nicht um eine archäologische Schutzvorschrift handelt. Das zeigt sich bereits daran, daß Grabungen in Siedlungen, Befestigungen etc. in keinem Fall von dieser Strafvorschrift erfaßt sind.

g) Zusammenfassung Der strafrechtliche Schutz ist für Bodenurkunden sehr schwach ausgebildet Greifen einzelne Straftatbestände, so handelt es sich meist um Normen, die zum Schutz von Vermögensinteressen geschaffen wurden und rein zufällig auch auf archäologische Kulturgüter Wirkung entfalten. Einen umfassenden strafrechtlichen Schutz unausgegrabener archäologischer Objekte gibt es im deutschen Recht nicht

194 OLG Celle, NJW 1974, S. 1291 ff; vergl. RG GA 51 (1904), S. 49 f. eine Entscheidung, in der es interessanterweise um eine wissenschaftliche Grabung ging.

195

Lenckn.er, in: Schönla!l Schröder, § 168, Rdnr. 10.

ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

57

2. Baurecht

Vor allem auf der Ebene des Bauplanungsrechts kann die Bewahrung archäologischer Kulturgüter frühzeitig eingeleitet werden. Bei der Aufstellung von Bauleitplänen sind gern. § 1 Abs. 5 Nr. 5 BauGB die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege zu berücksichtigen.196 In der Praxis spielen vor allem die Belange der Baudenkmalpflege eine Rolle. Zudem ist der Denkmalschutz nur einer unter vielen bei der Abwägung zu berücksichtigenden Interessen. 197 Hat eine Abwägung widerstreitender Belange durch den Gemeinderat stattgefunden, wird häufig einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan der Vorrang vor dem Denkmalschutz eingeräumt/ 98 wenn erst später die Denkmaleigenschaft einer Sache erkannt wird. Als Argument wird vorgebracht. der Denkmalschutz dürfe keine absolute Sperrwirkung entfalten, die eine Verwirklichung des Bebauungsplans verhindem könne. 199 Dieser Auffassung kann in ihrer Pauschalität nicht gefolgt werden. Erforderlich ist nach dem Auftauchen der bisher unbekannten Erkenntnisse vielmehr eine neuerliche Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des aufgefundenen Kulturdenkmals. In der Rechtsprechung finden sich allerdings auch Beispiele für einen Erfolg des Denkmalschutzes gegenüber der gemeindlichen Planung, so im Fall des römischen Kastells von Köngen, das zunächst als Wohnbaufläche ausgewiesen war.200 Der Denkmalschutz kann auch bei der bodenrechtliehen Zulässigkeil von Vorhaben über die §§ 34 und 35 BauGB zu berücksichtigen sein. In diesem

196 Eine ausdrückliche, die bundesgesetzliehen Abwägwtgsprozesse einschränkende Regelwtg findet sich in § 11 des nordrhein-westfalischen Denkmalschutzgesetzes. Danach haben die Gemeinden, Kreise wtd Flurbereinigungsbehörden die Sicherwtg der Bodendenkmäler bei der Bauleitplanwtg, der Landschaftsplanung wtd der Aufstellwtg von Flurbereinigwtgsplänen zu gewährleisten; dazu Memmesheimer I Upmeier I Schönstein, § 11, Rdnr. 1 ff.

197

Hönes, Denkmalrecht und Dorfemeuerung, S.100 f.

Einzelheiten bei Moench, NVwZ 1988, S. 313, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung. So hat der VGH München (ZffiR 1987, S. 215) die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans, wenn in seinem Geltungsbereich später Bodendenkmäler gefunden werden, untersucht und von einer Würdigung der Gesamtumstände abhängig gemacht, wobei er die späteren Erkenntnisse als unerheblich bezeichnet hat. 191

199 Stüer, BauR 1989, S. 254 f., 256; a.A. Bac/,haus, S. 72; Bülow, S. 336 ff.; Einzelheiten auch bei Schmittat, S. 124 ff.

:zoo Urteil des VGH Mannheim, ESVGH 23, 188 ff., aus dem Jahr 1973, das sich noch nicht auf § 1 Abs. 5 Nr. 5 BauGB stützen konnte; dazu Thierfelder, BWVPr 1975, S. 74 ff.; weitere Beispiele bei Moench, NVwZ 1984, S. 153.

58

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

Rahmen ist seit längerem die Notwendigkeit zur Erhaltung von Freiflächen anerkannt.201 Damit können obertägig sichtbare Kulturdenkmäler vor einer unmittelbar heranrückenden Bebauung geschützt werden. Zu bemerken bleibt, daß nicht jede Bebauung eine Zerstörung von Kultursubstanz beinhalten muß. Denkbar sind beispielsweise Lagerhallen ohne tiefgreifende Fundamentierung, die die darunterliegenden Bodenschichten nicht zerstören, vielmehr für zukünftige Forschungsvorhaben konservieren. Im übrigen lassen sich archäologische Reservate als Grünanlagen oder Sportplätze nutzen. 3. Eigentumsordnung

a) Der Schatzfund gem. § 984 BGB Die für die vorliegende Fragestellung im Ausgangspunkt wichtigste Regelung des bürgerlichen Rechts ist § 984 BGB.202 Diese Vorschrift normiert die Rechtsfolgen des Schatzfundes. Ein Schatz ist nach der dortigen Legaldefinition eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, daß der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. Einzelne archäologische Fundstücke lassen sich nicht ohne weiteres unter den Wortlaut der Norm subsumieren, weil sie nicht deswegen keinem Eigentümer zugeordnet werden können, weil sie verborgen gelegen haben. Ihre Behandlung ist in der Praxis unproblematisch. In analoger Anwendung der Norm werden auch herrenlose Altertumsfunde, wie vor allem Grabbeigaben, als Schatz i.S.d. § 984 BGB angesehen. Davon umfaßt sind auch Sachen, die nie im Eigentum eines Menschen standen und nie von Menschen verborgen wurden, wenn sie dennoch wissenschaftlich von Interesse sind.:zm Als Beispiele werden Skelette und Fossilien aufgeführt. Auf einen pekuniären Mindestwert, wie er vom Begriff "Schatz" suggeriert werden könnte, kommt es für die Anwendung der Norm nicht an. Nicht unter die Regelung des § 984 BGB fallen hingegen unbewegliche Bodenaltertümer. Unbeweglich sind die im Zeitpunkt der Entdeckung mit dem Grund und Boden fest verbundenen Gegenstände. 204 Das trifft unzwei-

201

Moench, NVwZ 1984, S. 154.

202

Ausführlich Blens-Vandieken, S.14 ff.

203

Mühl, in: Soergel, § 984, Rdnr. 1; Oebbecke, DVBI. 1983, S. 391 m.w.N.

Nach dem oben Ausgeführten ist auch im Rahmen des § 984 BGB eine Auslegung denkbar, wonach Gegenstände, die nicht ohne Substanzverlust bzw. Beschädigung aus dem Boden entnommen werden können, den unbeweglichen Sachen zu204

ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

59

felhaft auf Mosaikfußböden, Grabkammem, Mauerreste etc. zu, könnte aber obiger Auffassung entsprechendlOS auf alle in einem Fundzusammenhang stehenden Objekte ausgedehnt werden.2015 Wird ein Schatz entdeckt und infolge der Entdeckung in Besitz genommen, so ordnet § 984 BGB als Rechtsfolge an, daß das Eigentum daran zur Hälfte vom Entdecker, zur Hälfte vom Eigentümer der Sache erworben wird, in welcher der Schatz verborgen war.21TI In den hier interessierenden Fällen ist der Eigentümer der Sache, in der der Schatz verborgen war, der Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Sache ausgegraben wurde. Entdecker und Grundstückseigentümer werden Miteigentümer gern. §§ 1008 ff. BGB. Etwas schwieriger kann die Bestimmung des Entdeckers sein, wenn ein Arbeitnehmer den Schatz findet. Richtigerweise wird hier danach unterschieden, ob der Arbeitnehmer im Rahmen einer planmäßigen Grabung fündig wird, oder ob er den Schatz zufällig entdeckt. Im ersten Fall ist der Arbeitgeber Entdecker, im zweiten Fall der Arbeitnehmer selbst.2al Das Interesse der Öffentlichkeit an archäologischen Funden berücksichtigt § 984 BGB nicht. 209 Ein öffentliches Anrecht an archäologischen Funden oder auch nur ein Vorkaufsrecht, wie sie in den Beratungen zum BGB diskutiert wurden, ist nicht Gesetz geworden.210 b) Das Verhältnis des§ 984 BGB zum Schatzregal

Ein Schutz archäologischer Objekte ergibt sich aus dem BGB naturgemäß nicht. Im Gegenteil stellen sich landesrechtliche Schutzvorschriften, die das Eigentum an Fundstücken von wissenschaftlichem Interesse dem Land zu-

geordnet werden gen kann.

mit der Folge, daß der Finder an ihnen kein Miteigentum erlan-

205

Oben in Kapitel B II 2.

206

Blens-Vandie~n.

207

Das entspricht dem Prinzip der ,,hadrianischen Teilung" des römischen Rechts;

S.29.

vergl. Schroeder, JZ 1989, S. 678.

201 Quack, in: MK, § 984, Rdnr. 2; Mühl, in: Soergel, § 984, Rdnr. 2; Schreiber, S.448.

209

Insoweit zutreffend, Diehl, S. 15.

210

Einzelheiten bei Schroeder, JZ 1989, S. 679.

60

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

sprechen, als Abweichung von § 984 BGB dar.211 Erstaunen mag, daß landesrechtliche Regelungen die bundesrechtliche Vorschrift des BGB zu modifizieren vermögen. Der Grund ist in Art. 73 EGBGB zu suchen, demzufolge die landesgesetzlichen Vorschriften über Regalien unberührt bleiben. Das Schatzregal entstammt einem - im Sachsenspiegel verzeichneten - mittelalterlichen Rechtsgrundsatz, demzufolge dem König alle Schätze zustehen, die tiefer liegen als der Pflug geht. 212 Die Denkmalschutzgesetze, die ein Schatzregal normieren, sind allerdings viel jünger als das EGBGB. Wegen Art. 1 Abs. 2 EGBGB wird Art. 73 EGBGB indessen dahingehend verstanden, daß solche Vorschriften auch neu erlassen werden dürfen.213 Demgegenüber wird allerdings die Auffassung vertreten, die landesrechtliehen Regelungen seien verfassungswidrig, weil es sich bei ihnen nicht mehr um ein Schatzregal, sondern um etwas grundsätzlich anderes, nämlich ein "Altertumsregal" handle. Zudem sei die Regelung nicht sachgerecht 214 Dem ist entgegenzuhalten, daß lediglich die Gründe für die Regelung und der Inhalt des Wortes "Schatz" sich fortentwickelt haben, indessen keine Neuregelung geschaffen wurde. Das Argument, das Schatzregal habe eine Verheimlichung der Funde zur Folge,215 überzeugt letztlich ebenfalls nicht. Besteht ein Ausgrabungsverbot, wird sich der Finder hüten, den Fund bei der Behörde abzuliefern. Hat er hingegen keine straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen zu befürchten, wird durch die Entschädigung ein Anreiz zu illegalen Grabungen geschaffen. Die Konstruktion einer staatlichen Erwerbsberechtigung ist schon deswegen nicht sachgerechter, weil die Preise, die von Privaten zu erzielen sind, immer attraktiver erscheinen werden als ein von staatlichen Stellen geschätzter und erstatteter Wert.

211 Anders war es im Fall BVerwGE 21, 191 ff., weil das dort einschlägige Preußische Ausgrabungsgesetz vom 26.3.1914 eine entschädigungspflichtige Ablieferung durch den Eigentümer vorsah, das Eigentum mithin nicht ipso jure dem Staat zufallen ließ (ebd., S.192). 212 Sachsenspiegel (Landrecht), Erstes Buch, XXXV, S. 1: ,,Alle schatz undir der erden begraben, tüer den ein phlug get, daz hort zu koninglicher gewalt"; s.a. BVerfGE 78, 205 ff. (210) und Schroeder, JZ 1989, S. 677. 213

BVerfGE 78, 205 ff. (210).

214

Schroeder, JZ 1989, S. 679.

215

Blens-Vandieken, S.68.

Ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

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c) Der grundrechtliche Eigentumsschutz des Art. 14 GG

Der Denkmalschutz hat sich häufig mit Kulturgütern zu befassen, die im Eigentum Privater stehen. In vielen dieser Fälle ist zwischen den Interessen der Öffentlichkeit an einem effektiven Denkmalschutz und den Interessen des jeweiligen Eigentümers eine Entscheidung zu treffen. 216 Ein Grundproblem besteht darin, daß zwar das Eigentumsrecht eines der grundlegenden Freiheitsgrundrechte darstellt, die dogmatische Ausgestaltung des Grundrechts aber bisher noch nicht in vollem Umfang geglückt ist. Mit ursächlich dafür ist, daß der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen hat. Seine Grenze findet der Gesetzgeber allerdings an der Institutsgarantie des Eigentums. Soweit durch den Gesetzgeber Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigenturns in verfassungsrechtlich zulässiger Weise vorgenommen werden, sind die sich daraus ergebenden Beschränkungen des Eigentums vom Eigentümer zu dulden, ohne daß er dafür eine Entschädigung verlangen könnte. In diesen Fällen kann sich der Eigentümer nicht auf die Verletzung einer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition berufen. Die Beschränkungen des Eigentums werden in diesen Fällen als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums gern. Art. 14 Abs. 2 GG angesehen. Über die Sozialbindung konkretisieren sich die Interessen der Allgemeinheit an der Erhaltung von Bodendenkmälem. Im Baudenkmalrecht ist die Situation gegenüber der Bodendenkmalpflege häufig dadurch zugespitzt, daß die Eigentümer nicht nur Einschränkungen ihres Eigentums hinnehmen müssen, sondern darüber hinaus durch die Pflicht zur Erhaltung des Denkmals erheblichen finanziellen Belastungen ausgesetzt sind. In besonders gelagerten Fällen ist ein Vollentzug des Eigentums unter den Voraussetzungen der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) zulässig. Oftmals umstritten ist die Frage, inwieweit die landesrechtliehen Regelungen mit dem Eigenturnsschutz des Art. 14 GG vereinbar sind. Die landesrechtlichen Denkmalschutzsysteme sehen zum Teil unterschiedliche Maßnahmen vor, die sich auf das Individualeigentum auswirken können. Die Enteignung archäologischer Objekte zur wissenschaftlichen Bearbeitung ist dabei lediglich ein Beispiel. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Kulturdenkmals rechtfertigt als solches regemäßig nur Beschränkungen des Eigentums. Viel häufiger ist daher die Versagung bestimmter Nutzungen eines Grundstücks. Enteignende Wirkung kann die Wartepflicht nach einem Zufallsfund haben. Zudem ist die Entnahme von Funden und die wissenschaftli-

216

Zur geschichtlichen Entwicklung Bülow, S. 106 ff.

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B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

ehe Untersuchung des Befundes, nicht regelmäßig, aber doch in einigen Fällen, mit nicht unerheblichen Eingriffen ins Eigentum verbunden. Eine Frage mit der sich das Bundesverfassungsgericht zu befassen hatte, betraf die Vereinbarkeit des Iandesrechtlichen Schatzregals mit dem Eigentumsrecht des Art. 14 GG. Dem Beschluß lag folgender Sachverhalt zugrunde: Einem Raubgräber war es mithilfe eines Metalldetektors gelungen, in der Nähe einer alamannischen Höhensiedlung einen Hortfund zu machen. Die freigelegten Stücke brachte er in sein Fahrzeug, um sie für sich zu behalten oder um sie zu veräußern. Es handelte sich um Gegenstände von hervorragendem wissenschaftlichen Wert, da sie einen guten Einblick in die noch wenig aufgehellte Entwicklung des Schmiedehandwerks zwischen Spätantike und Frühmittelalter gewährten. Da gern. § 23 des anzuwendenden badenwürttembergischen Denkmalschutzgesetzes das Land Eigentum an den Fundgegenständen erlangt hatte und der Täter die entsprechenden Vorschriften kannte, wurde er wegen Unterschlagung zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen das letztinstanzliehe Urteil erhob der Täter Verfassungsbeschwerde, die jedoch ohne Erfolg blieb.217 Das Bundesverfassungsgericht löste den Fall über eine Schutzbereichsermittlung der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Die Vorschrift schützt lediglich Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht bloße Erwerbschancen und Verdienstmöglichkeiten. Die eigentumsrechtliche Vorschrift des Schatzregals greift jedoch ein, bevor der Schatzsucher Eigentum am Schatz erwerben kann. § 984 BGB vermittelt lediglich eine Erwerbschance, jedoch kein von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Recht.l's Die Regelung des § 23 bwDSchG sah das Bundesverfassungsgericht auch unter Beachtung des aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebots als verfassungsmäßig an. Selbst wenn die Vorschrift den "hervorragenden wissenschaftlichen Wert" einer Fundsache als tatbestandliehe Voraussetzung normiert, ist das Bestimmtheitsgebot gewahrt, da sich ihr Vorliegen gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigen anband objektiver Kriterien ermitteln läßt. Die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe durch den Gesetzgeber hält das Bundesverfassungsgericht angesichts der Vielschichtigkeil der hier zu regelnden Sachverhalte, die auch nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Forschung zu beurteilen seien, für ersichtlich nicht vermeidbar?19

217

Sachverhalt: BVerfGE 78, 205 ff. (207 f.).

211

BVerfGE 78, 205 ff. (211 f.).

219

BVerfGE 78, 205 ff. (212 f.).

lll. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

63

Während beim eben geschilderten Sachverhalt der Bürger noch gar kein Eigentum erworben hatte, in das hätte eingegriffen werden können, betreffen die häufigsten Streitfälle die Beeinträchtigung von Grundeigentum durch archäologische Grabungen. Archäologische Befunde treten oftmals erst nach dem Beginn von Baumaßnahmen zutage. Ihre Dokumentation und Bergung ist dann nur noch im Zuge einer Rettungsgrabung möglich, die ihrerseits eine Verzögerung des Baufortschritts bedingen kann. Regelmäßig wird die archäologische Untersuchung mit der Entwicklung des Bauvorhabens koordiniert, d.h. es werden zunächst die Flächen untersucht, die für den Bau primär gebraucht werden. Wenn es sich nicht um ganz ungewöhnliche Befunde oder große Flächen handelt, kann die Grabung nach wenigen Tagen beendet werden. Die damit verbundene Verzögerung ist Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums und ist vom Eigentümer hinzunehmen. Die Dokumentation und Bergung im Wege der Rettungsgrabung ist gegenüber einem Baustop und der Konservierung der Funde an Ort und Stelle ohne Zweifel das mildere Mittel. In Ausnahmefällen kann es allerdings zu längerdauernden Verzögerungen durch Ausgrabungen kommen. In diesen Fällen muß entschieden werden, ab wann und unter welchen Voraussetzungen der Eigentümer sich gegen die Maßnahmen zur Wehr setzen kann oder ob er sie hinnehmen muß, für die Beeinträchtigung seines Eigentums jedoch eine Entschädigung verlangen kann. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie des Bundesverwaltungsgerichts fmdet sich der Begriff der Zumutbarkeit eines Eingriffs ins Eigentum. 220 So wurden vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschränkungen der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis und Nutzungsberechtigung des privaten Eigentümers eines Kulturdenkmals als Inhaltsbestimmung nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als erlaubt angesehen.221 Da sich die Bodendenkmalpflege mit dem Schutz unwiederbringlicher Informationsträger befaßt, sollte die Frage der Zumutbarkeit in diesen Fällen indessen nicht an den Verhältnissen der beteiligten Personen festgemacht werden. Andernfalls könnten denkmalschützende Maßnahmen durch eine Veräußerung des Objekts an einen weniger vermögenskräftigen Erwerber verhindert werden.222

220

Moench, NVwZ 1984, S.152 (zu BGH).

VGH BW, DÖV 1989. S. 80; die Entscheidung betraf den Abbruch eines Kulturdenkmals. Eine Güterahwägung im Sinne der Verhältnismäßigkeit scheitert nach MaiUIZ, BayVBI. 1983, S. 258, bereits am Fehlen einer entsprechenden Werteordnung im Denkmalrecht 221

222 MaiUIZ, BayVBI. 1983, S. 258 mit Kritik am bay. Denkmalschutzgesetz; a.A. ein großer Teil der neueren Literatur; s. Moench, NVwZ 1988, S.309 m.w.N. in FN 77.

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B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

Bei der Administrativenteignung wird das Eigentum des einzelnen ganz oder teilweise durch eine auf Wegnahme gerichtete Verfügung entzogen. Sie bedarf gern. Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG einer gesetzlichen Grundlage (etwa § 25 bwDSchG), die Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Umstritten sind hingegen die Fälle, in denen eine Ausgrabung sehr lange Zeit in Anspruch nimmt und die Nutzung oder Bebauung des Grundstücks während dieser Zeit untersagt ist, in denen jedoch das Eigentum nicht förmlich entzogen wurde. Unzweifelhaft sind Maßnahmen von übermäßiger Zeitdauer nicht durch die Sozialbindung des Eigentums verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Verfügung, die eine Grabung über diese Zeit hinaus ermöglicht, ist rechtswidrig, von sog. enteignender Wirkung. Die Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit ist indessen umstritten und auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht eindeutig zu beantworten. Entgegen der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts im NaßauskiesungsBeschluß223 gewährt der Bundesgerichtshof eine Entschädigung auch im Falle eines rechtswidrigen Eingriffs ins Eigentum.Z24 Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet strenger zwischen der Inhaltsbestimmung des Eigentums durch den Gesetzgeber und der Enteignung. Es verlangt daher in Fällen, in denen ohne rechtliche Grundlage ins Eigentum eingegriffen wird, entweder gegen die unzulässige Eingriffsmaßnahme vorzugehen oder diese entschädigungslos hinzunehmen. Bei einem Eingriff ins Eigentum ohne rechtliche Grundlage wird kein Wahlrecht zwischen dem Vorgehen gegen die rechtswidrige Maßnahme und einer Entschädigung eingeräumt.225 Demgegenüber prüft der Bundesgerichtshof, ob im Einzelfall die konkret angeordnete Maßnahme sich noch im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums hält. Ob das der Fall ist, entscheidet sich aus der "Situation", in der sich ein Grundstück befindet, d.h. aus seiner Lage und Beschaffenheit sowie seiner Einbettung in die Landschaft und Natur.226 Die immanenten Beschränkungen der Rechte des Eigentümers sind aus der "Situationsgebundenheit"227 des Grundstücks abzuleiten. Eine besondere, die Sozialbindung aktualisierende Situation eines Grundstücks kann sich daraus ergeben, daß es im Erduntergrund archäologisch oder historisch wertvolle Kulturdenkmale aufweist,

223

BVerfGE 58, 300 ff.

224

BGHZ 105, 15 ff. (17).

s Einzelheiten zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Bülow, S.l12 ff. 22

226 Zur Rechtsprechung des BGH Bülow, S. 109 ff.; Strobl/Majocco/Birn, § 6, Rdnr. 8 ff. 227

Dazu ausführlich Parodi, S. 19 ff.

ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

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die nach Entdeckung als Bodenfunde ausgewertet bzw. geborgen werden können. Wie die Grenzen im Einzelfall zu ziehen sind, wird jeweils aufgrund einer wertenden Beruteilung der Kollision zwischen den berührten Belangen des Allgemeinwohls und den betroffenen Eigentümerinteressen festgestellt. Die Grenze zwischen Sozialbindung und Eingriff von enteignender Wirkung sieht der Bundesgerichtshof dann als überschritten an, wenn eine ausgeübte Nutzung oder eine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende zukünftige Nutzungsmöglichkeit untersagt wird. 2211 Hält sich eine Maßnahme innerhalb der Sozialbindung des Eigentums, ist sie entschädigungslos hinzunehmen. Eine Überschreitung der Opfergrenze hielt der Bundesgerichtshof hingegen in einem Fall für gegeben, in dem ein rechtmäßig betriebener Sandabbau auf einem Grundstück über drei Jahre hoheitlich unterbunden wurde, um die Ausgrabung einer jungsteinzeitlichen Siedlung zu ermöglichen, wodurch dem Abbauunternehmer fühlbare Ertragsverluste entstanden. Auch in Anbetracht des Umstands, daß es sich um Bodenfunde von erheblichem historischem und archäologischem Wert handelte, sah es der Bundesgerichtshof nicht als gerechtfertigt an, eine Überschreitung der Opfergrenze zu verneinen.229 Dem Ergebnis des speziellen Falles läßt sich aus denkmalpflegerischen Gründen kaum widersprechen. Eine zeitlich derart ausgedehnte Rettungsgrabung - und um eine solche handelte es sich angesichts des drohenden Sandabbaus - ist in der Praxis ein seltener Ausnahmefall. Allerdings bestehen gegen die Lösung des Falles dogmatische Bedenken, da entgegen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen im Fall eines rechtswidrigen Eingriffs Entschädigung gewährt wurde. Hier hätte der Bürger sich gegen die Maßnahme als solche zur Wehr setzen müssen. 230 Überträgt man die Lösung des Bundesverfassungsgerichts im Naßauskiesungs-Beschluß auf die Fälle der Bodenaltertümer, ist es dem Gesetzgeber unter dem Grundgesetz unbenommen, das Grundeigentum dort enden zu lassen, wo der Eigentümer auf Bodenurkunden stößt. Die Praxis ordnet die verschiedenen behördlichen Maßnahmen gemäß der Rechtsprechung folgendermaßen den beiden Bereichen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums auf der einen und Enteignung auf der anderen Seite zu: Die Unterschutzstellung eines Bodendenkmals wird nicht als enteignend angesehen. Insbesondere ist die Eintragung eines Kulturdenkmals in

221

BGHZ 105, 15 ff. (18 f.).

229

BGHZ 105, 15 ff. (23).

230

Ossenbühl, JZ 1989, 5.190 ff.

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das Denkmalbuch keine unzulässige Beschränkung des Eigentums. 231 Auch nach der Eintragung bleibt offen, ob und wie die Behörde von den Ge- und Verbotsvorschriften des Gesetzes Gebrauch macht. Die sich aus der Eintragung ergebende Pflicht, besondere Verfahren hinzunehmen, sind noch von der Sozialbindung des Eigentums gedeckt. 232 Der Ausgleich von öffentlichen und privaten Interessen wird auch bei Denkmalschutzgesetzen, die als Voraussetzung für die Eintragung die "besondere Bedeutung" des Kulturdenkmals verlangen, als hinreichend sichergestellt angesehen.233 Ebensowenig beinhaltet die Ausweisung eines Grabungsschutzgebietes einen unzulässigen Eingriff ins Eigentum. 234 Als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums wird weiterhin die Wartepflicht nach einem Zufallsfund angesehenm und ebenso das durch das Kriterium der Zumutbarkeit begrenzte Erhaltungsgebot.236 Die Pflicht des Eigentümers, Funde zur wissenschaftlichen Auswertung und Dokumentation dem Landesdenkmalamt zu überlassen, überschreitet die Grenze der Sozialbindung des Eigentums regelmäßig nicht, da die Funde nach der Auswertung zurückgegeben werden. 237 Hingegen kann die Versagung von Genehmigungen für bestimmte Arbeiten in Grabungsschutzgebieten im Einzelfall die dem Eigentum immanente Sozialbindung überschreiten.238 Das kann auch der Fall sein bei einer Beschränkung der baulichen oder sonstigen Nutzung eines Grundstücks nach der Auffindung eines erhaltenswerten Bodendenkmals.239

231 Moench, NVwZ 1988, S. 312 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Das Reichsgericht sah bereits in der Eintragung eines Denkmals eine erhebliche, entschädigungspflichtige Beeinträchtigung des Eigentums (,.Galgenbergurteil"); Hönes, Denkmalrecht und Dorferneuerung, S. 93; Strobll Majocco l Birn, § 12, Rdnr. 10. 232

Moench, NVwZ 1984, S.l52; ErbguJhl Paßliek I Püchel, S. 68.

BVerwG NJW 1988, S. 505, bezüglich § 2 Abs 1 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen; die vergleichbare Regelung findet sich in§ 12 Abs. 1 bwDSchG. 233

234 Gahlen, NVwZ 1984, S. 691; Hönes, Denkmalrecht und Dorfemeuerung, S. 97 m.w.N. Das entspricht der Rechtsprechung zur Eintragung in das Verzeichnis des national wertvollen Kulturgutes, das ebenfalls als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums angesehen wird; VGH Mannheim, NJW 1987, S. 1440. 233

Oebbecke, DVBI. 1983, S. 387.

236

ErbguJhl Paßlickl Püchel, S. 71.

237

Eberll SchiederTTUlir I Petzet, Art. 9, Anm. 4.

238

Gahlen, NVwZ 1984, S. 691.

239

Eberll SchiederTTiflir I Petzet, Art. 20, Anm. 9.

ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

67

In einigen Fällen grenzen die Landesgesetzgeber Eigentum und Sozialbindung uneinheitlich voneinander ab. Beispielsweise wird teilweise eine Pflicht des Grundstückseigentümers zur Duldung von Grabungen angenommen, teilweise wird die Durchführung von Grabungen als Enteignungsgrund angesehen.240 Die vollständige Entziehung des Eigentums ist nur zulässig, wenn sie sich nach umfassender Abwägung als unverzichtbares und letztes Mittel zur Verwirklichung der gesetzgebensehen Ziele erweist.241 4. Die Forschungsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG

Ein weiteres verfassungsrechtliches Problem ist die Frage, wie sich angesichts der in Art. 5 Abs. 3 GG nonnierten Forschungsfreiheit die Beschränkung archäologischer Forschungen durch staatliche Stellen rechtfertigen läßt. Ist die Gefahr staatlicher Einflußnahme auf die archäologische Forschung unter den gegebenen Umständen in der Bundesrepublik Deutschland derzeit nicht groß, so gilt es doch im Auge zu behalten, daß auch das scheinbar unpolitische archäologische Kulturgut nicht vor politischem Mißbrauch gefeit ist. So kann ein totalitärer, auf Propaganda angewiesener Staat ein Interesse am "wissenschaftlichen" Nachweis bestimmter Aussagen haben. Von besonderer Bedeutung sind Belege für die frühe Vorherrschaft einer Bevölkerungsgruppe und die Innehabung eines bestimmten Territoriums, woraus allzuleicht soziologische oder gebietsmäßige Herrschaftsansprüche abgeleitet werden. Schließlich kann versucht werden, eine bestimmte Gesellschaftsordnung mit archäologischen Methoden zu belegen und ideologisch zu verwerten. Aus diesen Gründen kann der Staat nicht nur ein Interesse daran haben, daß bestimmte Forschungen betrieben werden, andere Bereiche hingegen unbeachtet bleiben, sondern auch daran, daß die Forschungen vorgegebene Ergebnisse zeitigen.242 Von diesen extremen, leicht zu wertenden Fällen abgesehen, bleibt die Frage, inwieweit Ausgrabungsgenehmigungen durch die zuständigen Landesbehörden auf Rettungsgrabungen beschränkt werden dürfen, die Genehmigung für Forschungsgrabungen hingegen grundsätzlich verweigert werden können. Durch eine solche Genehmigungspraxis würden die Forschungsinhalte vom Zufall abhängig gemacht, gezielte, thematisch ausgerichtete Nachfor-

,.0

Oebbecke, DVBl. 1983, S.390.

:MI

BackJuJus, S. 45.

Wie eine politische Ideologie Einfluß auf die Gestaltung von Rechtsregeln haben kann, belegt anschaulich die Arbeit von Diehl. :MZ

68

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

schungen hingegen verunmöglicht. Es hieße daher das Problem verkürzen, wollte man alle Bestimmungen, die der bestmöglichen Erfassung des Befundes und der optimalen Erhaltung der Funde dienen, als gerechtfertigt ansehen.243 Daß der Schutzbereich der Forschungsfreiheit bei der Versagung von Grabungsgenehmigungen betroffen ist, bedarf keiner Erörterung. Auch die Wahl des Forschungsgegenstandes ist vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG umfaßt, der dem Wissenschaftler nach seiner eigenen Entscheidung zu forschen erlaubt, wo, mit welchen Methoden und an welchem Gegenstand er will. Ein Forschungsvorhaben, dessen Wissenschaftlichkeit nicht gewährleistet ist, f?

'N>B

Kreuzer, in: MK, nach Art 38 EGBGB, Anh. I, Rdnr. 53.

Zu Einzelfragen des gutgläubigen Erwerbs von Kunstgegenständen im nationalen Recht Picker, S. 158 ff. 'N>9

270 Ähnliche Unterschiede ergeben sich hinsichtlich Ersitzungs- und Verjährungsfristen; Hanisch, S.218 f. 271

Knott, S.63 bzw. S.66.

74

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

den Rechtsordnung in das Land zurückbringen, in dem es entwendet wurde. Beispielsweise wurden einem englischen Sammler Kunstgegenstände gestohlen, die, nach Italien verbracht, nach dem dortigen Recht von einem Italiener gutgläubig erworben wurden. Als dieser das Diebesgut einem englischen Auktionshaus übergab, konnte sich der frühere Eigentümer vor einem englischen Gericht nicht mehr auf die auch in England bestehende Regel berufen, denufolge an gestohlenen Sachen kein gutgläubiger Erwerb möglich ist.212 Sind diese Sachverhalte auch durch eine offensichtliche Gesetzesumgehung gekennzeichnet, läßt sich ihnen - auch im Falle deutscher Gerichtsbarkeit durch den nationalen ordre public nicht beikommen.273 In der deutschen Rechtsordnung kann ebenfalls Eigentum an gestohlenen oder abhandengekommenen Sachen - etwa durch Ersitzung274 - erworben werden. Selbst der Dieb kann dem Herausgabeanspruch des Eigentümers die Einrede der Verjährung entgegenhalten. Deshalb wird sich kaum vertreten lassen, der gutgläubige Erwerb gestohlener Sachen durch das Recht eines ausländischen Staates sei mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar, wie es Art. 6 EGBGB für die Anwendung des ordre public verlangt.275 Die Argumente, auf die sich die Forderung nach Sonderregelungen für Kunstwerke stützt, gelten grundsätzlich auch für archäologische Objekte, da beide im Regelfall nur einmal vorhanden sind.276 Um den illegalen Händlern die Wahl der für ihre Machenschaften günstigsten Rechtsordnung zu nehmen, wurde verschiedentlich vorgeschlagen, auf den gutgläubigen Erwerb das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Sache zur Zeit des Diebstahls belegen. war. 277 Eine Sonderanknüpfunl18 würde indessen eine schwer zu rechtfertigende Durchbrechung der bewährten situs-Regel darstellen und wäre zudem aus Gründen des Entscheidungseinklangs nicht wünschenswert.279 Allerdings sollte man über eine Auflockerung der lex-rei-

Fall Winkworth v. Christie's; Nachweise bei Krwtt, S. 82; Hanisch, S.217. m Kreuzer, in: MK, nach Art 38 EGBGB, Anh. I, Rdnr. 63; Hanisch, S. 218. 772

274

Oder beim Pfanderwerb nach § 1244 BOB; näher dazu Walter, S. 32, FN 41.

m Mu.ßgnug (Das Kunstwerk im internationalen Recht, S. 23) hält dagegen den Rekurs auf den deutschen ordre public bei der Legalisierung von Waren über die •.Italian Connection" für naheliegend. 276

Hanisch, S. 222.

277

Mansel, IPRax 1988, S. 271.

Zu ÜberleglDlgen, Kulturgut als Sache ,,sui generis" zu behandeln, Reichelt, IPRax 1986, S. 73, 75. 271

279

Kreuzer, in: MK, nach Art 38 EGBGB, Anh. I, Rdnr. 64, 67; Hanisch, S. 222.

ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

75

sitae-Regel für bestimmte Kunstgegenstände nachdenken, wenn die Lageortveränderung lediglich aus Gründen der Gesetzesumgehung vorgenommen wurde und kein Bezug zu der Rechtsordnung der Iex rei sitae gegeben ist.2M() Den Interessen des Eigentümers wird im geltenden IPR somit gegenüber dem Verkehrsschutzinteresse in der Fonn des Vertrauens der Parteien auf die Rechtsordnung des Erwerbs der Vorrang eingeräumt. Wegen der praktischen Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung im Auslandu1 wird in der Praxis in vielen Fällen der Rückerwerb von gestohlenem Kunstgut einem Rechtsstreit vorgezogen. 282 Sonderregelungen für illegal ausgegrabene Antiquitäten gibt es im IPR nicht. Indessen ist zu untersuchen, ob die illegal ausgegrabenen Kulturgüter den gestohlenen Kunstwerken entsprechend behandelt werden können. Dann wäre an ihnen nur unter den Voraussetzungen gutgläubigen Erwerbs rechtmäßiges und unangreifbares Eigentum zu erlangen. Diese Frage ist zu bejahen, soweit die Sache aufgrund eines staatlichen Schatzregals im Eigentum des Staates stand. In diesem Fall können die Eigentumsverhältnisse nicht anders behandelt werden, als beim Diebstahl aus einer privaten oder öffentlichen Sammlung. Das Eigentum des Staates geht dann mit dem Grenzübertritt nicht verloren. Eine illegal ausgegrabene und exportierte Sache kann somit als gestohlenu3 oder als abhandengekommen angesehen werden. Ein gutgläubiger Erwerb an der Sache ist nur dann möglich, wenn im Land des Verkaufs ein gutgläubiger Erwerb an gestohlenen oder abhandengekommenen Sachen vorgesehen ist. Internationalprivatrechtlich handelt es sich beim Abhandenkommen um eine Vorfrage, die selbständig anzuknüpfen ist. Maßgeblich ist die Iex rei sitae zur Zeit des Abhandenkommens.284 In den Fällen

280

Reiclu!lt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 24.

Zu den Problemen der Anerkennung und Vollstreckung eines Titels im Belegenheitsstaat Walter, S. 36 f.; don auch (S. 38 ff.) zu strafrechtlichen Möglichkeiten der Rückführung. 281

282 Kun Siehr, Wer schläft, der sündigt. Die Rückerwerbung von gestohlenem Kunstgut: Vergleich, Rückkauf oder Rechtsstreit?, F.A.Z. vom 27.2.1991, S. 35. Für Entwicklungsländer ist das meist kein gangbarer Weg; Walter, S. 189, FN 16. 283 Knott, S. 94 und FN 29. Der Court of Appeals entschied in einem strafrechtlichen Fall mexikanischer archäologischer Objekte, daß auch solche archäologischen Gegenstände als dem fremden Staat gestohlen anzusehen sind, die seinen Behörden weder bekannt waren noch sich in deren Besitz befanden, wenn dort ein Gesetz besteht, das Kulturgut zu staatlichem Eigennun erklärt; Knott, S. 96; Walter, S. 64.

284

So auch nach dem Recht des Staates New York im berühmten Fall Kunstsamm-

76

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

illegaler Ausgrabung müssen die ergrabeneo Sachen wenigstens als abhandengekommen behandelt werden. Beispiel für diese Gestaltung des Sachverhalts war die von italienischen Gerichten zu entscheidende Klage der Regierung Ecuadors auf Herausgabe präkolumbianischer Gegenstände, die von Gesetzes wegen im Staatseigentum standen. Die Klage richtete sich gegen den Käufer, der die aus 12 000 Stücken bestehende Sammlung in Ecuador erworben und dann nach Italien verbracht hatte. Die Herausgabeklage hatte Erfolg, da der Käufer in Ecuador nicht gutgläubig gewesen war und in Italien kein Erwerbsvorgang stattgefunden hat.285 Schwieriger zu lösen sind die Fälle, in denen mit der Ausgrabung zwar kein Eigentum des Fundstaates begründet wird, jedoch anderweitige öffentlich-rechtliche Regelungen bestehen. Bei dieser Sachverhaltskonstruktion ist zu untersuchen, inwieweit die nationalen !PR-Gesetze Erwerbsbeschränkungen fremder Staaten berücksichtigen müssen. 286 Sind nach einer Rechtsordnung archäologische Fundgegenstände ohne entsprechende Genehmigung unveräußerlich und nicht ausfuhrfähig, fragt sich, wie diese Gegenstände, wenn sie außer Landes geschmuggelt werden, unter der neuen Rechtsordnung zu behandeln sind. Ungeachtet des Streits in der Literatur zu dieser Frage ist für den tatsächlichen Schutzumfang von der Ansicht der Rechtsprechung auszugehen, die am herkömmlichen Grundsatz festhält, demzufolge ausländische Normen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur territoriale Geltung beanspruchen können/87 also außerhalb des Staatsgebiets, in dem sie erlassen wurden, keine Wirkung entfalten. Von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof im sog. Nigeria-Fall288 eine Ausnahme gemacht. Dort ging es um die Gültigkeit eines Versicherungsvertrages, der für den Seetransport verschiedener nigerianischer Kunstgegenstände abgeschlossen worden war. Es stellte sich die Frage, ob das nigerianische Ausfuhrverbot zum Schutze vor Ausplünderung des Landes

hmgen zu Weimar (KSZW) v. Elicofon; Hanisch, S. 216; zu diesem Fall s.a. Krwtt, S. 26 ff.; demgegenüber für die Iex causae ders., S. 96. 28' Republica dell'Ecuador v. Danusso; Einzelheiten bei Greenfield, S. 223 f., 258 f.; Krwtt, S. 74; Hanisch, S. 200. 286 Hanisch, S. 197. Nach welchem Recht sich staatliche Regalien für archäologische Funde richten, ergibt sich aus dem Sachstatut, wie auch die Frage nach der Verkehrsfähigkeit von archäologischen Funden, Kreuzer, in: MK, nach Art 38 EGBGB, Anh. I, Rdnr. 16, 25.

287 Hanisch, S. 201, 206, der auch auf die übrigen Meinungen eingeht. Dazu auch der Fall Attomey General of New Zealand v. Oritz and others, ebd., S. 204.

211

BGHZ 59, 82 ff.

ill. Allgemeine bundesrechtliche Regelungen

77

durch ausländische Kunstliebhaber zur Ungültigkeit des Versicherungsvertrages führen konnte. Der Bundesgerichtshof lehnte zwar die Anwendung des § 134 BGB - mit der Folge der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot - bei einem ausländischen Verbotsgesetz ab.289 Indessen sah er die Umgehung eines Schutzgesetzes, das die Erhaltung des künstlerischen Erbes im Ursprungsland bezweckt, als verwerflich an. Er erkannte darin eine Zuwiderhandlung gegen das nach heutiger Auffassung allgemein zu achtende Interesse aller Völker an der Erhaltung von Kulturwerten an Ort und Stelle. Die Ausfuhr von Kulturgut entgegen einem Verbot des Ursprungslandes verdiene daher im Interesse der Wahrung der Anständigkeit im internationalen Verkehr mit Kunstgegenständen keinen bürgerlich-rechtlichen Schutz, auch nicht bei der Versicherung einer Beförderung.290 Verallgemeinert man das Urteil des Bundesgerichtshofs, ist ein Rechtsgeschäft, das unter Verstoß gegen ein ausländisches Exportgesetz abgeschlossen wurde, wegen Sittenwidrigkeit gern. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Sinnvoll wird die Lösung über § 138 BGB erst dann, wenn man auch das dingliche Geschäft als von der Sittenwidrigkeit erfaßt ansieht. Im Gegensatz zu anderen Fällen zeigt sich beim Verstoß gegen ein ausländisches Exportgesetz, daß gerade die Einigung über den Eigentumsübergang sittenwidrig sein kann.291

Ob auch in anderen Fällen Exportbeschränkungen ausländischer Staaten anerkannt werden sollten, ist umstritten.292 Im speziellen Fall archäologischen Kulturguts sollte dem freien Handel nicht der Vorrang eingeräumt werden, da andernfalls illegale Ausgrabungen nicht eingedämmt werden können. Die Problemfrage der Anerkennung ausländischer Exportbeschränkungen würde mit der Einführung von eigenständigen Importkontrollen für archäologische Gegenstände hinfällig. Der Importstaat könnte unabhängig von den Regelungen der Exportstaaten entscheiden, welche Gegenstände nicht dem internationalen Handel unterfallen sollen. Das hat den Vorteil, daß auch archäologische Kulturgüter aus solchen Ländern geschützt werden könnten, die nicht für Exportbeschränkungen Sorge getragen haben. Bezüglich des Kunsthandels mit nicht gestohlenen, nicht einem Zusammenhang entrissenen Kunstwerken ist gegen eine Liberalisierung grenzüberschreitenden Handels nichts einzuwenden.

21'

BGHZ 59, 82 ff. (85).

290

BGHZ 59, 82 ff. (85 f.).

291

Zm Streit um die Fehleridentität bei § 138 Abs. 1 BGB Baur, § 5 IV 3a.

292

Zum Streitstand Knott, S. 135 f.

78

B. Der Schutz im geltenden nationalen Recht

IV. Zusammenfassung Die allgemeinen bundesrechtlichen Regelungen haben in vielfältiger Weise Auswirkungen auf archäologisches Kulturgut. Ein tiefergreifender oder umfassender Schutz ist den allgemeinen Vorschriften indessen nicht zu entnehmen. Das ist im Falle des Strafrechts besonders mißlich. Im IPR werden zwar Ansätze zum Schutz von gestohlenem Kulturgut diskutiert, die sich auch auf illegal ausgegrabene archäologische Kulturgüter ausdehnen ließen. Die Ansätze sind indessen als Abweichung von der lex-rei-sitae-Regel dogmatisch umstritten, ihre Durchsetzungsmöglichkeit in der Praxis ist zweifelhaft. Der Schutz heimischen archäologischen Kulturguts ergibt sich fast ausschließlich aus den Denkmalschutzgesetzen der Länder. Das macht ersichtlich, wie wichtig die lückenlose Ausgestaltung und konsequente Anwendung der Denkmalschutzvorschriften in diesem Bereich ist. Neben den Ausgrabungen selbst ist der Handel mit ungenehmigt ausgegrabenem archäologischem Kulturgut von Einfluß auf die Bodenurkunden. Die Zunahme vor allem des internationalen Handels führt zum Verlust von archäologischen Kulturgütern für die Wissenschaft und für die Öffentlichkeit und fördert indirekt die Zerstörung von Bodenurkunden. Inwieweit intemationalrechtliche Regelungen des Europa- und des Völkerrechts dieser Entwicklung entgegentreten, wird im folgenden untersucht, bevor in einem letzten Teil die Möglichkeiten einer Verbesserung des bisher bestehenden rechtlichen Schutzes archäologischen Kulturguts erörtert werden.

C. Recht der Europäischen Gemeinschaft I. Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft mit Bezug zur Archäologie Die Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft, die zum Schutz archäologischer Objekte beitragen könnten, sind rar. Das liegt naturgemäß an dem Umstand, daß der Europäischen Gemeinschaft im Kulturbereich nur in sehr geringem Umfang Kompetenzen eingeräumt sind. Daran hat sich auch durch die Einheitliche Europäische Akte von 1986 nichts geändert. Die neu eingefügten Art 130r ff. EWGV beziehen sich nur auf den Umweltschutz. Allerdings wird von den rudimentären Zuständigkeiten durch die Organe der Gemeinschaft in erweiternder Auslegung immer umfassenderer Gebrauch gemacht.293 Sind die Kompetenzgrundlagen nicht ausreichend, werden die Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft mit ihrer Notwendigkeit zur Verwirklichung der im EWG-Vertrag festgelegten Freiheiten und zur Herstellung eines einheitlichen Marktes begründet. Den archäologischen Gütern dürfte insofern wenig Bedeutung zukommen. Andererseits bleibt zu berücksichtigen, daß die EG zur Zerstörung archäologischen Kulturguts - wenn nicht direkt, so doch indirekt - durch den Abbau der Grenzkontrollen in nicht unerheblichem Maße beiträgt.294 Angesichts dieser faktischen Mitverantwortlichkeit von EG-Recht muß erstaunen, daß bisher kein durchgreifender Versuch unternommen wurde, zur Erhaltung archäologischen Kulturguts beizutragen. Das gilt umso mehr, als die EG in anderen Bereichen sich durchaus zu umfassenden Schutzmaßnahmen bereitgefunden hat, wie die Entschließungen des Europäischen Parlaments zum Tier- und Artenschutz in der Europäischen Gemeinschaft zeigen.295 Die EG bleibt auch deswegen zum Handeln aufgerufen, weil ein Konsens sich international am ehesten auf Gemeinschaftsebene bilden kann,

293

Einzelheiten bei Oppermann, Europarecht, Rdnr. 1980 ff.

Zur tatsächlichen Relevanz von Schwarzgrabungen am Beispiel Italiens ChaJelain, S.14 f., der zum Schluß kommt, die Anzahl der illegal ausgegrabenen Objekte halte der Zahl der Kunstdiebstähle (Gemälde, Skulpturen etc.) die Waage. 294

295 Diese Entschließungen fmden sich in der Zusammenstellung des Europäischen Parlamenls.

80

C. Recht der Europäischen Gemeinschaft

eine Regelung innerhalb der EG jedoch für eine weltweite Regelung richtungweisend sein könnte. 296 Rechtsverbindliche Regelungen auf dem Gebiet der Archäologie sind von der Europäischen Gemeinschaft bisher nicht getroffen worden. An sonstigen Maßnahmen ist eine Entschließung des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 1982 zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes zu nennen,297 sowie eine weitere Entschließung zu demselben Themenkreis von 1988.298 Dabei geht es der EG nicht zuletzt wn das architektonische Erbe als Anreiz für den Fremdenverkehr und um den Einfluß arbeitsintensiver Erhaltungsmaßnahmen auf den Beschäftigungsbereich.299 Allerdings läßt sich in den Entschließungen ein Ansatzpunkt für weitergehende Schutzmaßnahmen erkennen: zum einen bezüglich finanzieller Mittel zur Erhaltung des archäologischen Erbes der Gemeinschaft, zur Förderung von Ausgrabungen etc,300 zwn anderen bez. der Einführung gemeinsamer Vorschriften in der Gemeinschaft zum Schutz des kulturellen Erbes Europas gegen Diebstähle, Plünderungen, Vandalismus und Hehlerei.301 Lediglich am Rande sei ein Pilotvorhaben zur Erhaltung von Baudenkmälern erwähnt.302 Die Entschließung der im Rat vereinigten, für Kulturfragen zuständigen Minister vom 13. November 1986 über die Erhaltung von Kunstwerken und sonstigen Werken von kulturellem und historischem Wert!03 ist lediglich eine unverbindliche Erklärung, die sich mit der beispielhaften Aufzählung einiger Möglichkeiten zur Erhaltung von Kunstwerken und sonstigen Werken von kulturellem und historischem Wert befaßt. Ob sich daraus ein Schutz für noch nicht geborgene Bodenfunde entwickelt, steht zu bezweifeln.304 Immer-

296 Zur Rückgabe gestohlen~ Kulturgüter, der Ahndung von Diebstählen und illegalem Handel, in diesem Sinne ChaJelain, S. 93. 297 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes vom 14.9.1982, ABl. 1982 C 267, S. 25 ff. 291 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28.10.1988, ABL 1988 C 309, S.423 ff. 299

ABl 1988 C 309, S.424 (A).

300

ABl. 1988 C 309, S.425 f (F 1a, 1).

301

Abl. 1988 C 309, S.426 (F 2c).

Seit 1984, Ausschreibungen in ABl. 1988 C 308, S. 3, und ABl. 1984 C 145; Niedobitek, S. 75 f. 302

303

ABl. 1986 C 320, S. 3.

Zum Vorschlag einer Richtlinie nach Art. 100 EWGV zum Schutz von Kulturgütern allgemein, Chatelain, S. 97 ff.; heute wäre Art. lOOa I EWGV einschlägig. 304

II. Einfluß der EG auf den Handel mit archäologischem Kulturgut

81

hin zeigt die Entschließung die Tendenz zur Zusammenarbeit vor allem auf restauratorischem Gebiet. Sonderregelungen für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke sind im Zusammenhang mit steuerrechtliehen Vorschriften vorgesehen worden.305 Für den hier zu erörternden Zweck sind lediglich die Definitionen für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten von Bedeutung, die zwar bisher nur in einem Richtlinienvorschlag enthalten sind, jedoch richtungweisend sein dürften. Zu den Sammlungsstükken zählen u.a. Stücke von geschichtlichem, archäologischem, paläontologischem und völkerkundlichem Wert. Antiquitäten sind andere Gegenstände als die Kunstgegenstände und Sammlungsstücke, die mehr als hundert Jahre alt sind?06 Hinzuweisen ist auf die allgemeinen Förderprogramme der EG, die auch für die archäologische Forschung von Bedeutung sein können. 307 Zu nennen ist in diesem Zusammenhang das "Erasmus"-Programm, mit dem die EG die Zusammenarbeit der Hochschulen der Gemeinschaft fördert, indem sie den Austausch von Studenten und Hochschullehrern innerhalb der Gemeinschaft bezuschußt. 308

II. Einfluß der EG auf den Handel mit archäologischem Kulturgut 1. Archäologische Kulturgüter als "Waren" I.S. des EWGV

Soweit bezüglich der archäologischen Kulturgüter keine Sonderregelungen eingreifen, sind die allgemeinen Vorschriften anwendbar. Das bedeutet im Ausgangspunkt, daß archäologische Gegenstände als "Waren" i.S. des EWGV behandelt werden. Unter dem Begriff "Ware" werden Erzeugnisse verstanden, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäf-

305 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Artikel 32 und 28 der Richtlinie 77/388/ EWG - Sonderregelung für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke; ABI. 1989 Nr. C 76, S.lO ff.

306

ABI. 1989 Nr. C 76, S. 12.

Wichtige Adressen, das kulturelle Erbe betreffend, finden sich im Handhook of cultural affairs in Europe, insbes. S. 106 f., 268. 3117

301 ,,European Community Action Scheme for the Mobility of University Students", Beschluß des Rates der EG vom 15.6.1987, ABI. 1987 L 166, S.20 ff.

6 Fec:hner

82

C. Recht der Europäischen Gemeinschaft

ten sein können. Indem die Gemeinschaft Kulturgüter schlicht dem Katalog und Begriff der "Waren", ihren Austausch dem "Warenverkehr" zuordnet, verwahrt sie sich gegen den Vorhalt, mit Aktionen im Bereich des Handels mit Kulturgütern, Kulturpolitik zu betreiben. 309 2. EG-Binnenhandel

Vom Grundsatz, demzufolge archäologische Kulturgüter am freien Warenverkehr10 teilnehmen, läßt Art. 36 EWGV Ausnahmen der nationalen Ge-

setzgebungen zu. Dies gilt nur, solange der Handel mit Kulturgütern noch nicht gern. Art. lOOa EWGV gemeinschaftsrechtlich geregelt ist. Danach ist Art. lOOa Abs. 4 EWGV einschlägig, der es zuläßt, die Hannonisierungsmaßnahmen in geeigneten Fällen mit einer Schutzklausel zu verbinden. Diese ermächtigt die Mitgliedstaaten, aus einem oder mehreren der in Art. 36 EWGV genannten nichtwirtschaftlichen Gründe vorläufige Maßnahmen zu treffen, die einem gemeinschaftlichen Kontrollverfahren unterliegen. Art. 36 EWGV zufolge stehen die Vorschriften über die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 30 bis 34 EWGV) unter anderem solchen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die zum Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert gerechtfertigt sind. Schwierigkeiten bei der Beurteilung der nationalen Gesetzgebungen bereitet neben der Unschärfe des Begriffs "nationales Kulturgut" der des ,,künstlerischen, geschichtlichen oder archäologischen Werts". Weder ist der Vorschrift selbst ein Maßstab beigegeben, nach dem sich der Wert bestimmen ließe, noch gibt es außerhalb des Vertrages anerkannte Beurteilungskriterien. Die Begriffe werden, bei Berücksichtigung der Ziele des EWGV, jedenfalls nicht national, sondern autonom auszulegen sein.311 Angesichts dieser Unsicherheiten liegt es nahe - entsprechend der zu den übrigen Alternativen des Art. 36 geäußerten Tendenz des Gerichtshofs -, die Gemeinschaftskontrolle im wesentlichen auf die Prüfung zu beschränken, ob die nationalen Ausnahmevorschriften "gerechtfertigt" und weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung, noch zu einer verschleierten Beschränkung

309

V ergl. Kommissionsmitteilung an den Rat vom 22.11.1977, EG-Bull., Beilage

6/77, S.5 f.; Hans-Peter Ipsen, S.343. 310

Art. 3 lit. a, Art. 9 ff. EWGV.

Allerdings hält Müller-Graf! (in: Groeben, Art. 36, Rdnr. 56) gemeinschaftsrechtliche Zurückhaltung gegenüber dem mitgliedstaatliehen Beurteilungsspielraum für geboten. 311

II. Einfluß der EG auf den Handel mit archäologischem Kulturgut

83

des Handels zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 36 Satz 2 EWGV) sind.312 Der Spielraum, der den nationalen Gesetzgebern verbleibt, ist letztlich gering. Art. 36 ist als Ausnahmetatbestand eng auszulegen. Auf Art. 36 EWGV können daher insbes. keine Ausnahmen des in den Art. 12 ff. EWGV normierten Verbots der Erhebung von Zöllen und Abgaben gestützt werden.313 Eine einzelstaatliche Maßnahme zur Abwehr der Gefährdung nationalen Kulturguts ist nur dann gerechtfertigt i.S.vArt. 36 EWGV, wenn sie zum Schutz des betreffenden Rechtsguts notwendig und geeignet ist, und wenn sie das zum Schutz erforderliche Maß nicht überschreitet. 314 Ob eine Maßnahme der Mitgliedstaaten gerechtfertigt ist, ist eine Frage des Gemeinschaftsrechts, worüber der Europäische Gerichtshof, nicht der einzelne Mitgliedstaat zu entscheiden hat Die Beweislast liegt beim jeweiligen Mitgliedstaat.315 Praktisch spielt Art. 36 EWGV zum Schutz archäologischen Kulturguts keine Rolle.316 Der Regelung des Art. 36 EWGV vergleichbare Bestimmungen finden sich in einer Reihe von Abkommen der EG mit Drittstaaten,317 die allerdings nicht von den binnenmarktspezifischen Zwecken geprägt sind und daher eine weitere Auslegung, d.h. stärkere nationale Beschränkungen des Warenverkehrs zulassen.318 Diese Regelungen entsprechen Art. 20f des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens GAIT (General Agreement on Tariffs and Trade), wonach grundsätzlich keine GATT-Bestimmung so ausgelegt werden darf, daß sie eine Vertragspartei daran hindert, Maßnahmen zum Schutze nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert zu beschließen oder durchzuführen.

312

Müller-Graff, in: Groeben, Art. 36, Rdnr. 68 ff., 92.

313

Ehle I Meier, B 138 f.

314

Matthies, in: Grabitz, Art. 36, Rdnr. 7.

315

Ehle!Meier, B 141.

Nach Matthies, in: Grabitz, Art. 36, Rdnr. 16 (Stand: Sept. 1987) sind praktische Fälle bisher nicht aufgetreten. Die staatlichen Gesetzgebungen verwendeten meist ähnlich unbestimmte Rechtsbegriffe wie Art. 36 selbst; anläßlich der Entscheidung von Einzelfällen (die als solche keine "staatliche" Maßnahme seien, wie sie Art. 30 EWGV voraussetze; dazu ebd., Art. 30, Rdnr. 4f), sei es zu Vorlagen an den EuGH nicht gekornrnen. 316

317 Die Abkornrnen sind mit Fundstellen aufgeführt bei Müller-Graf!, in: Groeben, Art. 36, FN 8.

311

6•

Müller-Graff, in: Groeben, Art. 36, Rdnr. 8.

84

C. Recht der Europäischen Gemeinschaft

3. Abbau der Grenzkontrollen

Nationale Vorschriften zum Schutz von Kulturgut gegen Abwanderung werden letztlich wegen der mangelnden Kontrollmöglichkeiten hinf