Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992 [1 ed.] 9783428533817, 9783428133819

Die Entwicklung der EU vom Vertrag über die Gründung der EGKS bis hin zum Vertrag von Maastricht und auch darüber hinaus

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Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992 [1 ed.]
 9783428533817, 9783428133819

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Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Band 56

Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951 – 1992 Herausgegeben von

Rolf Ahmann, Reiner Schulze und Christian Walter

Duncker & Humblot · Berlin

ROLF AHMANN, REINER SCHULZE UND CHRISTIAN WALTER (Hrsg.)

Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951 – 1992

Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Martin Schermaier, Bonn Prof. Dr. Reiner Schulze, Münster Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Hamburg

Band 56

Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951 – 1992

Herausgegeben von

Rolf Ahmann, Reiner Schulze und Christian Walter

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-3365 ISBN 978-3-428-13381-9 (Print) ISBN 978-3-428-53381-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-83381-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der vorliegende Band ist aus der Tagung „Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951 – 1992“ hervorgegangen. Am 3. und 4. April 2008 führte diese Veranstaltung auf Einladung des Centrums für Europäisches Privatrecht (CEP), des Lehrstuhls für Öffentliches Recht einschließlich Völker- und Europarecht und des Historischen Seminars im Bereich Geschichte der Internationalen Beziehungen in Münster Wissenschaftler aus Deutschland und anderen europäischen Ländern zusammen, um die zeitgeschichtliche Thematik aus geschichtswissenschaftlicher, rechtswissenschaftlicher und politikwissenschaftlicher Perspektive zu erörtern. Der fruchtbare Austausch zwischen den Disziplinen auf dieser Tagung ermutigt zu weiterer interdisziplinärer Forschung auf diesem Feld, das weithin noch wissenschaftlich unerschlossen ist. Die Durchführung der Tagung und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse wären nicht möglich gewesen ohne die Förderung der Fritz-Thyssen-Stiftung. Dafür gilt ihr der besondere Dank der Herausgeber. Dank zu sagen ist zudem den wissenschaftlichen Mitarbeitern Adrian W. Helfenstein und Florian Lindemann für die tatkräftige und verantwortungsbewusste Mitwirkung bei der redaktionellen Betreuung des Bandes. Münster, im April 2010

Rolf Ahmann, Reiner Schulze, Christian Walter

Inhaltsverzeichnis Rolf Ahmann, Reiner Schulze und Christian Walter Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951 – 1992 – eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Teil: Nationale Perspektiven Wichard Woyke Die Benelux-Staaten und die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften zwischen 1947 und 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Georges-Henri Soutou Außenpolitische Zusammenarbeit aus französischer Sicht unter den Präsidenten Charles de Gaulle und Georges Pompidou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Jürgen Elvert Die deutsche Ost- und Europapolitik der sozialliberalen Koalition um 1970 . . .

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Ilaria Poggiolini Britain in Europe from Accession to the Thatcher Era . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Teil: Einzelaspekte Frank Hoffmeister Die Wahrnehmung der Europäischen Institutionen im Rahmen der Vereinten Nationen 1951 – 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Daniela Karrenstein Die Gemeinsame Handelspolitik als EG-Außenpolitik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Wilfried Loth Die Entwicklung der Außenbeziehungen aus der Sicht der Kommission 1958 – 1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

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Inhaltsverzeichnis

Christian Kohler und Niklas Görlitz Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft in der Rechtsprechung des EuGH bis zum Vertrag von Maastricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951 – 1992 – eine Einführung Rolf Ahmann, Reiner Schulze und Christian Walter I. Die Entwicklung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften bis 1992 Die Entwicklung der (west-)europäischen Gemeinschaften war von Anfang an auch von außenpolitischen Zielen und Anforderungen bestimmt. „Der Friede der Welt“ als Eingangsworte des Schuman-Plans1 weisen bereits auf den Zusammenhang zwischen der inneren Entwicklung Europas und den äußeren Verhältnissen hin. Die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) soll „der gesamten Welt ohne Unterschied und Ausnahme zur Verfügung gestellt werden, um zur Hebung des Lebensstandards und zur Förderung der Werke des Friedens beizutragen“.2 Unmittelbar im Anschluss an diese generellen Zielsetzungen für die erste der Europäischen Gemeinschaften nennt der Schuman-Plan bereits einzelne konkrete Aufgaben. Eine der „wesentlichsten Aufgaben“ Europas soll „die Entwicklung des afrikanischen Erdteils“ sein.3 Zugleich nimmt der Schuman-Plan auch die spezifische Beziehung der künftigen Gemeinschaft zu den Vereinten Nationen in den Blick.4 Der Vertrag über die Gründung der EGKS5 hat nicht nur die Aussagen des Schuman-Plans über die Sicherung des Weltfriedens und den Beitrag Europas „für die Zivilisation“6 in seiner Präambel aufgegriffen. Er hat auch die Grundlagen und Grenzen einer Handelspolitik der Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten festgelegt (Art. 71 ff. EGKS) sowie die Außenbeziehungen der Gemeinschaft zu den Vereinten Nationen und zur Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit geregelt 1 Erklärung der französischen Regierung (vertreten durch Robert Schuman, daher Schuman-Plan), in: Schulze, R./Hoeren, T. (Hrsg.), Dokumente zum Europäischen Recht, Band 1: Gründungsverträge, Berlin u. a. 1999, S. 8 ff. 2 Ebd., S. 8. 3 Ebd., S. 8. 4 Ebd., S. 10. 5 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951, Bundesgesetzblatt (BGBl.) 1952 II, S. 448 – 475. 6 Ebd., S. 448.

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(Art. 93 EGKS). Ebenso befasst er sich mit den Beziehungen zum Europarat (Art. 94 EGKS in Verbindung mit dem Protokoll über die Beziehungen zum Europarat).7 Von diesen Ausgangspunkten her bestätigte die weitere Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften in all ihren Etappen, dass sich wirtschaftliche Integration im Innern und gemeinsame Politik nach außen nicht trennen ließen. Zwar scheiterte der Versuch, bereits in den frühen fünfziger Jahren der EGKS eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und eine Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) an die Seite zu stellen und dadurch die Integration auf einen Schlag in weitem Umfang auf die Verteidigungs- und Außenpolitik zu erstrecken.8 Die EGKS entwickelte aber ihrerseits auf der Grundlage ihres Gründungsvertrages seit 1952 ihre Außenbeziehungen in verschiedenen Formen. Dabei bildete sie mit dem Abschluss von Assoziationsabkommen bereits das Grundmuster für eine der bis heute wichtigsten Formen der Gestaltung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften und später der EU aus. Nur in wenigen Stichworten kann angedeutet werden, in welche Richtungen sich die Entwicklung der Außenbeziehungen im weiteren Verlauf des europäischen Integrationsprozesses auf der Grundlage der Römischen Verträge von 1957, ihrer Weiterentwicklung in den folgenden Jahrzehnten und schließlich des Vertragswerkes von Maastricht fortsetzte. Die gemeinsame Handelspolitik wurde durch den Gründungsvertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)9 noch weit über die Ansätze im EGKS-Vertrag hinaus zu einem Kernelement für die Entwicklung der Außenbeziehungen der Gemeinschaft. Die Hervorhebung in der Präambel und die umfangreichen Festlegungen in den Art. 110 bis 117 EWG-Vertrag zeigen ihre Bedeutung für diesen Vertrag. Als Vorläufer des heutigen Art. 133 EG legte Art. 113 EWGVertrag fest, dass nach Ablauf der Übergangszeit die gemeinsame Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet werden sollte und wie Abkommen mit Drittstaaten auszuhandeln seien. Diese Abkommen waren gemäß Art. 114 EWG-Vertrag im Namen der Gemeinschaft vom Rat zu schließen. Die EWG und in der Folge die EG entwickelte sich insbesondere auf dieser Grundlage zu einem eigenständigen Akteur auf internationalem Terrain. Dazu trug auch der später in den EWG-Vertrag aufgenommene Ausbau der Zusammenarbeit im Zollwesen10 (heute Art. 135 EG) maßgeblich bei. Er ermöglichte der Gemeinschaft eine faktische Beteiligung im Rahmen des GATT. Trotz des Widerstandes einiger Mitgliedstaaten, die die Verhandlungsvorschläge im Rahmen der Uruguay-Runde als nichtig ansahen,11 akzeptierten die Han7 Protokoll über die Beziehungen zum Europarat vom 18. April 1951, BGBl. 1952 II, S. 489. 8 Streinz, R., Europarecht, 8. Aufl., München u. a. 2008, § 2 Rn. 19. 9 Im Folgenden wird der EWG-Vertrag in der Version von 1957 zu Grunde gelegt. 10 Art. 135 EG wurde im Amsterdamer Vertrag von 1997 eingeführt; vgl. Geiger, R., EUV/ EGV-Kommentar, 4. Aufl., München 2004, Art. 135 EGV Rn. 1. 11 Von Arnim, J., Aktuelle Entwicklung der Außenbeziehungen der EG, in: Ress, G./Stein, T.,Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europainstitut, Saarbrücken 1993, S. 1 – 11 (3).

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delspartner diese Beteiligung. Sie ebnete den Weg zu der späteren formellen Mitgliedschaft der EG in der Nachfolgeorganisation WTO.12 Die Europäischen Gemeinschaften beteiligten sich nicht nur an der WTO, sondern – zumeist neben ihren Mitgliedstaaten – an zahlreichen weiteren internationalen Organisationen, so dass die Mitwirkung und Mitgliedschaft in derartigen Organisationen zu einem weiteren Kernelement bei der Gestaltung ihrer Außenbeziehungen wurde. So war die EWG seit 1974 (und später die EG) durch die Kommission in der Generalversammlung der Vereinten Nationen als Beobachter vertreten.13 Mit gleichem Status gehörte sie dem Wirtschafts- und Sozialrat an.14 Der Maastrichter Vertrag legte – auf der Grundlage einer bereits zuvor entstandenen Praxis – fest, dass im Sicherheitsrat die Mitgliedstaaten der Union, die dessen ständige Mitglieder sind, die Interessen der Union wahrnehmen (Art. 19 Abs. 2 EU).15 Der Rat der EU unterhält ein Verbindungsbüro bei den Vereinten Nationen in New York und Genf; Delegationen der Europäischen Kommission sind bei einer Reihe von UN-Institutionen akkreditiert (so in Genf, Paris, Nairobi, New York, Rom und Wien). Zahlreiche UN-Sonderorganisationen und UN-Programme unterhalten ihrerseits ein Büro bei der EU in Brüssel.16 Mittlerweile tragen die 27 Mitgliedstaaten den größten Anteil am Budget der Vereinten Nationen und etwa die Hälfte der Gesamtkosten ihrer Programme.17 In einigen internationalen Organisationen, die mit den Vereinten Nationen verbunden sind, ebenso wie in den meisten sonstigen internationalen Organisationen ist die EG zwar lediglich neben ihren Mitgliedstaaten vertreten. Sie kann die gemeinschaftlichen Belange aber durchaus auch durch alleinige Mitgliedschaft wahrnehmen. Ihre Mitgliedstaaten haben daher in einer Reihe von Fällen, in denen nach dem Europäischen Gemeinschaftsrecht eindeutig eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft besteht, auf eine eigene Mitgliedschaft neben derjenigen der EG in internationalen Organisationen verzichtet (beispielsweise im Internationalen Zuckerrat, im Olivenölrat, im Ostseefischerei-Rat, in der North-West-Atlantic-Fisheries Organization und in der Indian Ocean Tuna Commission).18

12 Siehe Art. 1, Ratifikation des Abkommen von Marrakesch 1994, 23. 12. 1994, ABl. EG L 336, S. 1 ff. 13 Namentliche Erwähnung der Vereinten Nationen in Art. 229 EWG-Vertrag und später in Art. 302 EG. 14 Osteneck, K., Art. 302 EGV Rn. 13, in: Schwarze, J., EU-Kommentar, 2. Aufl., BadenBaden 2009. 15 Näher zur Vorgehensweise der EU im Sicherheitsrat: Europäische Kommission, Die Europäische Union und die Vereinten Nationen: Ein Plädoyer für den Multilateralismus, KOM (2003) 526 endg., S. 19. 16 Osteneck, K., Art. 302 EGV Rn. 15, in: Schwarze (Fn. 14). 17 Europäische Kommission (Fn. 15), S. 4 Fn. 3. 18 Die weit überwiegende Anzahl der Mitgliedstaaten wird zum Beispiel im Fall der Indian Ocean Tuna Commission durch die EG vertreten, vgl. die Onlinepräsenz www.iotc.org/english/ info/comstruct.php.

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Die angeführten Bereiche beschreiben keineswegs erschöpfend das Spektrum der Tätigkeitsfelder und Handlungsformen, in denen sich die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts und seit 1993 auch der Europäischen Union entfaltet haben. Einen weiteren Kernbereich bilden die Assoziierungsabkommen mit den überseeischen Ländern auf der Grundlage der Präambel und der Art. 131 bis 136 EWG-Vertrag von 1957 (heute Art. 182 bis 188 EG). Wesentliche Impulse gaben der Ausweitung und Intensivierung der Außenbeziehungen zudem neue Politikbereiche wie die Währungspolitik (vgl. z. B. Art. 111 Abs. 1 und 3 EG), die Forschung und technologische Entwicklung (Art. 170 EG), der Umweltschutz (Art. 174 Abs. 4 EG), die Entwicklungszusammenarbeit (Art. 177 bis 181 EG), um nur einige Beispiele zu nennen. Über die Anstöße zur Fortentwicklung der Außenbeziehungen aus derartigen einzelnen Politikbereichen hinaus hat die Aufnahme eines eigenen Titels über „Wirtschaftliche, finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Drittländern“ im Vertrag der EG19 (Titel XXI; Art. 181a EG) in neuerer Zeit die Bedeutung des nach außen gerichteten Handelns der Gemeinschaft unterstrichen. Der wachsenden Bedeutung der Außenbeziehungen in der politischen Praxis der EG trug Art. 1 Abs. 3 der 1987 in Kraft getretenen Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) mit dem zuvor entwickelten Konzept der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) Rechnung. Mit dem Maastrichter Vertrag trat eine weitreichende Aufgabenstellung auf diesem Feld für die neu gegründete EU hinzu. Durch die Art. 11 ff. EU wurde eine „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP) geschaffen, die unter dem Dach der EU neben den Europäischen Gemeinschaften und der „Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen“ eine eigene Säule bildete. Der Amsterdamer Vertrag führt in Art. 26 EU einen Hohen Vertreter für die GASP ein, dessen Aufgabe darin besteht, den Rat in diesen Angelegenheiten zu unterstützen.20 II. Defizite zeitgeschichtlicher Forschung Die reichhaltige Entwicklung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften seit den fünfziger Jahren spiegelt sich in der zeitgeschichtlichen Forschung bislang nur unzulänglich wider. Ganz überwiegend scheint die europäische Einigung als ein binnengerichteter Prozess wahrgenommen zu werden und sich das Forschungsinteresse auf eine reine Binnenperspektive der wirtschaftlichen und politischen Integration zu konzentrieren. Die Außenbeziehungen wurden aus rechthistorischer Sicht fast gar nicht, aus politikwissenschaftlicher Sicht lediglich ohne größere Quellenbasis, theoretisch oder in Teilaspekten behandelt und sind erst in jüngster Zeit

19 Eingefügt durch den Vertrag von Nizza, Martenczuk, B., Art. 181 a EGV Rn. 1, in: Schwarze (Fn. 14). 20 Bieber, R./Epiney, A./Haag, M., Die Europäische Union, 8. Aufl., Baden-Baden 2009, § 35 Rn. 7 ff.; Streinz (Fn. 8), § 2 Rn. 51.

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teilweise Gegenstand quellengestützter zeitgeschichtlicher Forschungen geworden.21 Wenig erforscht sind sowohl die Grundzüge der politischen Entwicklung und vertraglichen Gestaltung der Beziehungen zu Drittstaaten und internationalen Organisationen als auch die Verknüpfung der Außenbeziehungen mit einzelnen Politikbereichen der Gemeinschaft und mit Entwicklungen innerhalb der Gemeinschaft (einschließlich ihres Verhältnisses zu den Mitgliedstaaten und der Beziehungen der Mitgliedstaaten untereinander). Auch einzelne spezifische Aspekte der Außenbeziehungen – wie der Ursprung und die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen der Gemeinschaften – sind noch wenig in das Blickfeld der zeitgeschichtlichen Forschung getreten. Dem Verhalten der Europäischen Gemeinschaft beziehungsweise der Europäischen Union in den Vereinten Nationen haben sich mehrere Arbeiten vor allem aus der Politikwissenschaft gewidmet.22 Hinzu kommen – zumeist kurze und nicht auf Archivmaterial gestützte – Rückblicke in juristischen Arbeiten.23 Einige ältere Arbeiten dieser Art könnten als Quelle hinsichtlich der zeitgenössischen Sichtweisen, aber kaum mehr als zeitgeschichtlicher Forschungsbeitrag herangezogen werden.24 Von wenigen erschlossenen Landstreifen abgesehen wird man somit auf der zeitgeschichtlichen Landkarte für die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften in der Ausdrucksweise mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Geographen für unerforschte Gebiete25 vermerken müssen: Hic sunt leones.

21 Vgl. unter anderem: Möckli, D., European Foreign Policy during the Cold War. Heath, Brandt, Pompidou and the Dream of Political Unity, London 2009; Bitumi, A./DOttavio, G./ Laschi, G. (Hrsg.), La Communit e le relazioni esterne 1957 – 1992. Bologna 2008; BeckerDöring, C., Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl von 1952 – 1960: Die Anfänge einer europäischen Außenpolitik?, Stuttgart 2003; Kramer, E., Europäisches oder atlantisches Europa? Kontinuität und Wandel in den Verhandlungen über eine politische Union 1958 – 1970, Baden-Baden 2003; Sowie teilweise: Knipping, F./Schönwald, M. (Hrsg.), Aufbruch zum Europa der zweiten Generation. Die Europäische Einigung 1969 – 1989. Europäische und Internationale Studien, Trier 2004. 22 Lindemann, B., EG-Staaten und Vereinte Nationen, München u. a. 1978; Stadler, K.-D., Die Europäische Gemeinschaft in den Vereinten Nationen, Baden-Baden 1993; Aus politikwissenschaftlicher Sicht: Laatikainen, K. V., The European Union at the United Nations, Basingstoke 2006; Wouters, J., The United Nations and the European Union, Den Haag 2006. 23 Gilsdorf, P., Die Außenkompetenz der EG im Wandel, Europarecht (EuR) 1996, S. 145 ff.; Nakanishi, Y., Die Entwicklung der Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften, Frankfurt a.M. u. a. 1998; Sack, J., Die Europäische Union in den Internationalen Organisationen, Zeitschrift für europarechtliche Studien (ZEuS) 2001, S. 267 ff. 24 Reichardt, H.-W., Auswärtige Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu Drittstaaten und internationalen Organisationen, Köln 1961; Aus politikwissenschaftlicher Sicht: Hasenpflug, H., Die EG-Außenbeziehungen, Hamburg 1979. 25 Vgl. (in Hinblick auf andere rechtsgeschichtliche Forschungsgebiete) Stolleis, M., Aufgaben der neueren Rechtsgeschichte oder: Hic sunt leones, Rechtshistorisches Journal 4 (1985), S. 251 ff. (251).

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III. Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen als zeitgeschichtlicher Forschungsgegenstand Zu den Gegenständen, mit denen sich die zeitgeschichtliche Forschung zur europäischen Integration bislang noch kaum befasst hat, zählt die rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften. Diese Thematik verbindet die Perspektive auf die Außenbeziehungen mit der Untersuchung von Binnenstrukturen der Gemeinschaften. 1. Akteure Bei der Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist zu berücksichtigen, dass die Gestaltung der Außenbeziehungen in der Hand mehrerer Akteure lag. Zu diesen Akteuren gehörten einerseits die Organe der Gemeinschaft selbst, vor allem der Rat und die Kommission, in gewissem Umfang auch das Europäische Parlament und, soweit es um die Wahrung des Gemeinschaftsrechts ging, der Europäische Gerichtshof. Insbesondere Rat und Kommission waren in vielen Fragen auf ein Zusammenwirken politisch und rechtlich angewiesen. Beispielsweise sah schon der Gründungsvertrag der EWG 1957 für die Zollverhandlungen mit Drittstaaten über den Gemeinsamen Zolltarif vor, dass der Rat die Kommission ermächtigen sollte, die Verhandlungen einzuleiten, und dass die Kommission diese Verhandlungen im Benehmen mit einem vom Rat gestellten, besonderen Ausschuss nach Maßgabe der Richtlinien, die ihr der Rat erteilen kann, führen soll (Art. 111 Abs. 2 EWG-Vertrag). Auch für die Folgezeit war ein entsprechendes Verfahren vorgesehen (Art. 113 Abs. 3 EWG-Vertrag). Unbeschadet derartiger Mechanismen des Zusammenwirkens, die in den Verträgen über die Gemeinschaften vorgesehen waren und in der politischen Praxis weiter ausgebaut wurden, bleibt aber zu berücksichtigen, dass Rat und Kommission häufig auch gegenläufige Interessen hinsichtlich der Kompetenzverteilung, der außenpolitischen Konzepte und einzelner Sachfragen hatten und insofern die Gemeinschaft, was ihre Binnenverhältnisse betrifft, nicht durchweg als einheitlicher Akteur betrachtet werden kann. Andererseits wirkten die Mitgliedstaaten nicht nur über die Regierungsvertreter im Rat als Gemeinschaftsorgan mit eigenen Vorstellungen und Aktivitäten in starkem Maße auf die Gestaltung der Außenbeziehungen der Gemeinschaften ein. Vielmehr mussten die Gemeinschaften bei ihren eigenen unmittelbaren Außenaktivitäten die Außenpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigen und gegebenenfalls eine Abstimmung versuchen. Für die Handelsbeziehungen mit Drittstaaten sah der Gründungsvertrag der EWG eine Koordination zwischen den Mitgliedstaaten mit dem Ziel vor, die Voraussetzungen für eine gemeinsame Politik zu schaffen, und wies der Kommission die Aufgabe zu, Vorschläge für das Verfahren, das bei dem gemeinsamen Vorgehen anzuwenden ist, und für die Vereinheitlichung der Handelspolitik zu unterbreiten (Art. 111 Abs. 1 EWG-Vertrag). Diese Koordination war im

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EWG-Vertrag als Vorstufe einer gemeinsamen Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen (Art. 113 Abs. 1 EWG-Vertrag) konzipiert. Auf vielen weiteren Feldern entwickelten sich daneben verschiedenartige Formen des Zusammenwirkens und der Abstimmung zwischen Gemeinschaften und Mitgliedstaaten in ihrem Verhältnis zu Drittstaaten und internationalen Organisationen mit unterschiedlicher Intensität und rechtlicher Gestalt. Für die Abstimmung zwischen den Beteiligten in diesem breiten Spektrum von Außenbeziehungen sind ebenfalls durchaus widersprüchliche Interessen in Rechnung zu stellen. Dies betrifft sowohl das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander als auch ihr Verhältnis zu den Gemeinschaften. Die Außenaktivitäten der letzteren konnten aus der Sicht der Mitgliedstaaten je nach politischen Umständen als Entlastung, Ergänzung oder Instrument ihrer nationalen Außenpolitik willkommen sein oder als Hindernis, Beeinträchtigung oder gar Kompetenzanmaßung auf Ablehnung stoßen. Da der Bereich der Außenbeziehungen traditionell besonders stark von nationalstaatlichem Interesse geprägt ist, fiel – und fällt – es den Mitgliedstaaten hier besonders schwer, Kompetenzen abzugeben. Dies zeigt sich beispielsweise seit den fünfziger Jahren bis zur Gegenwart darin, dass die Außenbeziehungen der Gemeinschaften von einer Vielzahl so genannter gemischter Verträge geprägt sind (also von völkerrechtlichen Verträgen, die sowohl von der Gemeinschaft als auch von den Mitgliedstaaten geschlossen werden).26 Kennzeichnend für die Außenbeziehungen der Gemeinschaften ist vor diesem Hintergrund auch, dass sich die verschiedenen Rechtsgrundlagen erst nach und nach in unterschiedlichen Sachzusammenhängen herausgebildet haben und diese rechtlichen Grundlagen ebenso wie die politische Praxis verhältnismäßig schwer im Ganzen zu überblicken und zu konturieren sind. 2. Einzelne Untersuchungsbereiche Eine Untersuchung, die die Koordination der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften erfassen will, muss sich daher zum einen den jeweils eigenen Sichtweisen, Handlungsprogrammen und Aktivitäten der verschiedenen Akteure auf diesem Feld zuwenden: den zunächst sechs und heute 27 Mitgliedstaaten (1.) und den mit diesen und miteinander kooperierenden und konkurrierenden Organen der Gemeinschaft (2.). Zum anderen sind das Entstehen und gegebenenfalls die Ausweitung, Verdichtung und Verrechtlichung der Außenbeziehungen für einzelne Sachbereiche in den Blick zu nehmen (3.). a) Nationalstaatliche Perspektiven Ob und in welchem Ausmaß die Europäischen Gemeinschaften (und später die EU) als einheitlich handelndes Subjekt nach außen agieren konnten, wurde wesent26

Eingehend Sattler, S., Gemischte Abkommen und gemischte Mitgliedschaften der EG und ihrer Mitgliedstaaten, Berlin 2007.

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lich durch die Haltung der Mitgliedstaaten bestimmt. Für jeden der Mitgliedstaaten stellt sich daher die Frage, welche Beiträge er zur Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen und zur politischen Ausgestaltung der Außenbeziehungen der Gemeinschaften geleistet und inwieweit er seine eigenen Außenbeziehungen, insbesondere sein Verhalten in internationalen Organisationen, mittels der Gemeinschaften oder zumindest in Abstimmung mit ihnen gestaltet hat. Dies hat sich sowohl im Außenverhältnis als auch im Innenverhältnis gezeigt: in erster Hinsicht vor allem durch die Reaktion auf die Präsenz der Kommission auf internationaler Ebene (etwa durch Verzicht oder Insistieren auf angeblich eigene Kompetenzen und eigenständige politische Konzepte); in zweiter Hinsicht etwa durch Förderung oder Restriktion der Aufgabenzuweisung für den Hohen Vertreter beziehungsweise die Kommission. Konkret verfolgen lässt sich dies beispielsweise in Hinblick auf das Auftreten in internationalen Organisationen, indem zunächst die interne Entscheidungsfindung des einzelnen Mitgliedstaats im Vorfeld einer Abstimmung in dieser Organisation, sodann die Aktivitäten beziehungsweise Reaktionen dieses Mitgliedstaats gegenüber anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in Hinblick auf diese bevorstehende Abstimmung und schließlich das Verhalten in der internationalen Organisation selbst in den Blick genommen wird. Freilich lässt sich dies mit vertretbarem Aufwand nicht für alle Mitgliedstaaten und auch für ausgewählte Mitgliedstaaten nicht für alle Bereiche der Außenbeziehungen der Gemeinschaften durchführen. Um einige Kernfragen und Grundlinien der Entwicklung näher zu bestimmen, mag es genügen, einige ausgewählte Mitgliedstaaten und einige Schwerpunkte ihrer außenpolitischen Aktivität in Berührungsfeldern mit den Gemeinschaften in den Blick zu nehmen. Dazu gehören in dem vorliegenden Band die Benelux-Staaten als Kerngebiet der ursprünglichen Gemeinschaften der Sechs und als Initiator wichtiger Gestaltungselemente der Integration.27 Besonderes Interesse gegenüber Frankreich muss nicht nur deshalb gelten, weil es mit dem Schuman-Plan die Gründung der EGKS initiiert hat, sondern auch wegen der bemerkenswerten Ambivalenz seiner Haltung in der Folgezeit – mit einem grundsätzlichen Interesse an einer starken Position der Europäer in den internationalen Beziehungen und zugleich mit einer oftmals restriktiven Haltung hinsichtlich der Abgabe nationaler Kompetenzen im Bereich der Außenbeziehungen. Dies zeigt sich besonders in der französischen Sichtweise der außenpolitischen Zusammenarbeit unter den Präsidenten Charles de Gaulle und Georges Pompidou.28 Für Deutschland bestand lange Zeit die Besonderheit, dass die Nation geteilt, nur der westliche Teil Mitglied der Europäischen Gemeinschaften und dadurch der Ost-West-Konflikt auf spezifische Weise spürbar war. Den Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften galt daher aus deutscher Sicht ein besonderes Interesse im Spannungsfeld von Ostund Europapolitik, wie sich in verschiedenen Phasen der Entwicklung und nament27 Woyke, W., Die Benelux-Staaten und die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften zwischen 1947 und 1992, in diesem Band. 28 Dazu in diesem Band: Soutou, G. H., Außenpolitische Zusammenarbeit aus französischer Sicht unter den Präsidenten Charles de Gaulle und Georges Pompidou.

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lich in der Zeit der sozialliberalen Koalition29 erwies. Was die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften in der Zeit vor der Gründung der EU betrifft, nimmt das Vereinigte Königreich eine herausragende Rolle ein. Ob sich seine Haltung zum Fortgang des Integrationsprozesses in den Binnen- wie den Außenbeziehungen ausschließlich als negativ beschreiben lässt (wie zuweilen angenommen wird), bleibt allerdings zu überdenken.30 Jedenfalls setzt mit dem Beitritt des Vereinigten Königreichs jene bis in die Gegenwart fortschreitende Erweiterung der Gemeinschaften beziehungsweise später der Union ein, bei der jeweils die Außenbeziehungen zu einem Drittstaat zunächst zur Vorbereitung der Mitgliedschaft spezifisch gestaltet werden (etwa durch vertragliche Festlegungen über Anpassungsmaßnahmen in dem betreffenden Staat) und schließlich in ein mitgliedschaftliches Verhältnis übergehen. b) Gemeinschaftsorgane Die unterschiedlichen Funktionen und Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane und ihre zuweilen divergierenden Interessen31 erfordern es, die Sichtweise und das Verhalten dieser Organe bei der Gestaltung der Außenbeziehungen jeweils spezifisch zu analysieren. Für den Rat dürfte dabei neben dem Verhältnis zu den anderen Organen von besonderem Interesse sein, inwieweit sich die spezifischen nationalen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten im Verhalten ihrer Regierungsvertreter jeweils ungebrochen widerspiegeln oder die politischen Kooperationserfordernisse und eigenen Strukturen innerhalb der Gemeinschaft erkennbaren Einfluss haben. Diese Fragen, ebenso wie die Auseinandersetzung mit der Haltung der – zunächst nicht sehr einflussreichen – Versammlung der EGKS und der EWG sowie ihrer Nachfolgeinstitutionen bis zum heutigen Europäischen Parlament, stellen sich der weiteren Forschung als Aufgaben. Die Entwicklung der Außenbeziehungen aus Sicht der Kommission wird dagegen für die Zeit von 1958 bis 1973 im vorliegenden Band untersucht.32 Der fortwährende Kampf der Kommission um eine extensive Auslegung ihrer Rechte hat in dieser Phase, wie der Beitrag von Wilfried Loth zeigt, maßgeblich bewirkt, dass die Europäischen Gemeinschaften wirkungsvoll nach außen auftreten konnten und im internationalen Rahmen als Akteur mit erheblicher Relevanz wahrgenommen wurden. Was die Rolle des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bei der Ausgestaltung der Rechtsgrundlagen für die Außenbeziehungen der Gemeinschaften betrifft, hat die Rechtsprechung zum Verhältnis von Außen- und Innenkompetenzen der Gemeinschaften erheblich dazu beigetragen, die Außenpolitik als klassische Domäne des Na29 Dazu in diesem Band: Elvert, J., Die deutsche Ost- und Europapolitik der sozialliberalen Koalition um 1970. 30 Dazu in diesem Band: Poggiolini, I., Britain in Europe from Accession to the Thatcher Era. 31 Siehe unter III. 1. 32 Dazu in diesem Band: Loth, W., Die Entwicklung der Außenbeziehungen aus der Sicht der Kommission 1958 – 1973.

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tionalstaats immer mehr in die europäische Integration einzubeziehen. Aufgrund dieser Rechtsprechung können die Außenkompetenzen auch ohne vorherige Inanspruchnahme der Kompetenzen nach innen genutzt werden.33 Wenn die EG ihre Innenkompetenzen durch den Erlass von Regelungen für ein bestimmtes Gebiet wahrgenommen hat, dürfen die Mitgliedstaaten keine hiervon abweichenden Verträge mit Drittstaaten schließen (so der EuGH zu Verordnungen für den Luftverkehr, die auf Art. 84 II EG gestützt werden).34 Hat die EG in Ausübung ihrer Rechtsetzungsbefugnis nach innen bereits Regelungen für Drittstaaten und deren Angehörige erlassen, begründen diese internen Rechtsetzungsakte in den von ihnen gefassten Sektoren eine ausschließliche Kompetenz.35 Diese Rechtsprechungsentwicklung zeigt den tiefgreifenden Wandel, der gegenüber dem herkömmlichen nationalstaatlichen Verständnis der Außenpolitik eingetreten ist, und wird im vorliegenden Band für die Zeit bis zum Vertrag von Maastricht näher analysiert.36 c) Einzelne Politikfelder Im weiten Spektrum der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften heben sich einzelne Bereiche durch ihre spezifischen Rechtsgrundlagen ab; so die Gemeinsame Handelspolitik (Art. 133 EG), die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete (Art. 182 ff. EG) und die Assoziierung aufgrund von Abkommen gemäß Art. 310 EG. Von wachsender Bedeutung sind zudem die Entwicklungszusammenarbeit (Art. 177 ff. EG) und die Zusammenarbeit mit Drittländern aufgrund von Art. 181a EG mit dem „Ziel der Fortentwicklung und Festigung der Demokratie und des Rechtsstaats sowie […] der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ (Art. 181a Abs. 1 EG). Daneben tritt eine Fülle weiterer Sachbereiche, in denen die Verwirklichung der politischen Ziele im Inneren die Entwicklung von Außenbeziehungen erfordert (wie die bereits erwähnten Politikbereiche Energie, Forschung und technologische Entwicklung sowie Umwelt). Unter der Vielzahl der zeitgeschichtlichen Forschungsaufgaben, die sich in Hinblick auf Entstehen und Entwicklung dieser Sachbereiche stellen, richtet der vorliegende Band den Fokus auf den „klassischen“ Bereich der Gemeinsamen Handelspolitik.37 Auf diesem Feld lassen sich exemplarisch einige der rechtlichen und politischen Weichenstellungen verfolgen, die für die weitere Entwicklung auch auf anderen Feldern maßgeblich geworden sind. Neben der Untersuchung einzelner Politikbereiche und Regelungsgegenstände der Gemeinschaftsverträge sind freilich auch Analysen in Hinblick auf spezifische 33

EuGH, 31. 3. 1971, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, S. 263 Tz. 15 ff. EuGH, 5. 11. 2002, Rs. C-476/98 (Kommission gegen Deutschland), Slg. 2002, S. I09855 Tz. 101 ff. 35 Ebd., Tz. 109, 122 ff. 36 Dazu in diesem Band: Kohler, C./Görlitz, N., Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft in der Rechtsprechung des EuGH bis zum Vertrag von Maastricht. 37 Karrenstein, D., Die gemeinsame Handelspolitik als EG-Außenpolitik?, in diesem Band. 34

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Institutionen, Regionen oder sonstige Adressaten der Außenaktivitäten erforderlich. In regionaler Hinsicht betrifft dies beispielsweise die Koordination der Außenbeziehungen zu Afrika, die seit dem Schuman-Plan in vielerlei Variationen zu den Leitmotiven der auswärtigen Interessen Europas gehören. In Hinblick auf die internationalen Organisationen sind in erster Linie die Vereinten Nationen zu nennen, auf die sich ebenfalls bereits der Schuman-Plan und sodann Art. 93 EGKS-Vertrag beziehen.38 Die Aktivitäten der europäischen Institutionen in den Vereinten Nationen39 bilden einen wichtigen Untersuchungsgegenstand für die Ermittlung eigener institutioneller Beziehungen zu anderen internationalen Organisationen. 3. Forschungsanliegen und Leitfragen Art und Umfang der rechtlichen und politischen Koordination der Außenbeziehungen auf diesen verschiedenen Feldern bilden somit neben den binnengerichteten Aktivitäten der EG den Gradmesser für den Stand des Integrationsprozesses. Dabei stellt sich für diesen Bereich nicht weniger als für andere Bereiche der Integration die Aufgabe, zu untersuchen, inwieweit sich die Akteure aus ihrem nationalstaatlichen Rahmen lösen konnten und wollten; inwieweit eine genuin europäische Politik zustande gekommen oder neuartige Politikformen eine Zwischenposition von nationalen und supranationalen Politikstilen ausgebildet haben. Unmittelbar damit verbunden ist die Frage, inwieweit Rückkopplungsprozesse zwischen nationaler und supranationaler Ebene bestanden oder die europäischen Außenbeziehungen die Fortsetzung nationaler Außen- und Interessenpolitik mit anderen Mitteln war. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen erfasst nicht nur die institutionelle Seite der europäischen Integration, sondern richtet sich darüber hinaus auf den Zusammenhang der Außenbeziehungen mit dem „Selbstverständnis“ der Gemeinschaft und insofern mit der Ausbildung einer „europäischen Identität“. Identität lässt sich allgemein beschreiben als Resultat vergangener Identifizierungsprozesse, die Erfahrungen verstetigen sollen. Die Identitäten von Gemeinwesen sind nicht statisch, sondern in einem permanenten Wandlungsprozess begriffen. Sie basieren auf kollektiven Erfahrungen und ihrer Deutung in einem dialektischen Prozess: Individuell erlebte Wirklichkeiten werden im Lichte kollektiver Deutungsmodelle der Wirklichkeit interpretiert und tragen somit in Rückkopplungsprozessen zur Verstärkung und Verstetigung dieser Kollektivdeutungen bei. Solche Prozesse tragen immer das Moment der Exklusivität von anderen Gruppen in sich und führen so zur inneren Homogenisierung, also zur Einebnung vorheriger Unterschiede in der Wahrnehmung der Realität. Auch für die Europäischen Gemeinschaften lassen sich insofern die Außenbeziehungen als ein Ausdruck und zugleich als ein konstituierendes Element ihrer Identitätsbildung betrachten. 38

Erklärung der französischen Regierung (Fn. 1), S. 10. Dazu in diesem Band: Hoffmeister, F., Die Wahrnehmung der europäischen Institutionen im Rahmen der Vereinten Nationen 1951 – 1992. 39

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Besondere Aufmerksamkeit in rechtswissenschaftlicher Hinsicht verdient nicht nur die Entwicklung der Rechtsgrundlagen in den Gemeinschaftsverträgen und dem Vertrag über die EU sowie die Ausbildung der rechtlichen Instrumente und Formen zur Gestaltung der Außenbeziehungen im Einzelnen (etwa Assoziationsverträge und sonstige Vertragstypen oder die rechtliche Gestaltung der diplomatischen Beziehungen). Stand und Probleme des Integrationsprozesses schlugen sich vielmehr auch in einer Vielzahl konkreter Fälle nieder, in denen widersprüchliche Interessen von Gemeinschaften und Mitgliedstaaten in Rechtsstreitigkeiten zum Ausdruck kamen. Dies betrifft beispielsweise die Probleme der parallelen Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. So hat etwa die Kommission einen Ratsbeschluss im Vorfeld einer Tagung der Food and Agriculture Organization (FAO) angefochten40 oder das Rederecht, das Vertreter von Mitgliedstaaten trotz ausschließlicher Zuständigkeit der EG in internationalen Organisationen in Anspruch nahmen, bestritten.41 Über die einzelnen Fälle hinaus bedarf die Rechtsprechung des EuGH zum Gleichlauf von Außenund Innenkompetenzen der Gemeinschaften, ihre Vorbereitung und Rezeption in der Rechtslehre und ihre Auswirkungen auf die politische Praxis der Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten eingehender Untersuchung. Als ein Spiegel und zugleich Gestaltungsfaktor des Integrationsprozesses dürfte die Rechtsprechung auf diesem Gebiet für die zeitgeschichtliche Forschung mindestens ebenso ergiebig sein wie auf den weit häufiger analysierten „inneren“ Politikbereichen der Gemeinschaften.

IV. Ausblick Die Beiträge zu diesem Band bildeten die Grundlage einer von der Fritz-ThyssenStiftung geförderten Tagung zur Vorbereitung eines interdisziplinären, internationalen Forschungsprojekts, das weitergehende Untersuchungen der vorgestellten Leitfragen zu den rechtlichen und politischen Koordinierungen der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951 – 1992 auf der Basis der inzwischen, beziehungsweise bald der Forschung zugänglichen Aktenbestände – auch der Archive der Europäischen Gemeinschaften – leisten soll. Die nachfolgenden Beiträge von Rechts-, Politik- und Geschichtswissenschaftlern erbringen dazu grundlegende Vorarbeiten, indem sie wichtige Wegmarken und Aspekte der Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit bis 1992 sowie Forschungsstand und Forschungsfragen hinsichtlich der unterschiedlichen außenpolitischen Strategien von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, der außenpolitischen Aktivitäten ihrer Gemeinschaftsorgane (insbesondere der Kommission) und einiger ihrer durchgängig bedeutenden Sachbereiche aufzeigen. Aber sie können insgesamt nur der Einstieg in eine umfassendere Aufarbeitung der Entwicklungen, Formen, Aspekte und Probleme der Koordinierungen der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten von 1951 bis 40 41

EuGH, 19. 6. 1996, Rs. C 25/94 (Kommission gegen Rat), Slg. 1996, S. I-1469. Ebd., Tz. 34.

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1992 sein – eine Aufarbeitung die, wie gezeigt, vielfältige neue Forschungsperspektiven zu eröffnen verspricht. Dies auch im Hinblick auf die Bedeutungen und Wechselwirkungen von Vernetzungen verschiedener Aspekte der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften und spezifischer außenpolitischer Abstimmungen einzelner beziehungsweise mehrerer ihrer Mitgliedstaaten in einigen hier nur begrenzt angesprochenen Politikfeldern. So etwa: den Beziehungen zu den USA, der Sowjetunion und den Staaten des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) in der Zeit des Kalten Krieges sowie den Ausformungen der Außenbeziehungen der Gemeinschaften und ihrer Mitglieder im Rahmen ihrer so genannten „Mittelmeerpolitik“, ihrer Nahostpolitik, ihrer Afrika-Politik und ihrer Menschenrechtspolitik. Der Politikwissenschaftler Stephan Leibfried hat in einem am 14. Mai 2009 in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ veröffentlichten Artikel unter der Überschrift „Ein Riesenzwerg, der vieles kann. Die Außenpolitik der Europäischen Union ist enorm erfolgreich. Es merkt nur keiner.“ ausgeführt: „Wir brauchen umfassende Analysen aller EU-Außenpolitikinstrumente, gerade der neuartigen. […] Und wir brauchten realistische Voraussagen für jedes einzelne dieser Instrumente.“42 Der vorliegende Band mag dazu beitragen, die Erforschung der historischen Entwicklung dieser Instrumentarien zu befördern und damit auch das historische Bewusstsein ihrer Abhängigkeiten von den rechtlichen und den politischen Koordinierungen der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten zu schärfen.

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Leibfried, S., Ein Riesenzwerg, der vieles kann. Die Außenpolitik der Europäischen Union ist enorm erfolgreich. Es merkt nur Keiner, Die Zeit, 14. Mai 2009, Nr. 21, S. 15.

1. Teil: Nationale Perspektiven

Die Benelux-Staaten und die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften zwischen 1947 und 1992 Wichard Woyke Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die außenpolitische Strategie der BeneluxStaaten zur Disposition. In den Niederlanden, in Belgien und auch in Luxemburg gab es eine neutralistisch-absentistische Tradition, die überwunden werden sollte. Bis dahin waren in allen drei Staaten Neutralitätskonzeptionen ausprobiert worden, die aber allesamt gescheitert waren. So versuchten es die Benelux-Staaten mit einer stärkeren Einbindung in internationale Organisationen, unter anderen die Vereinten Nationen, die Nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft sowie die europäischen Organisationen. Alle drei Staaten haben in den fünfzig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg die europäische Zusammenarbeit aktiv mitgestaltet. Sie gehörten vom Beginn des Integrationsprozesses zu den Befürwortern der europäischen Integration und waren bereits 1951 Gründungsmitglieder der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Die Europapolitik der drei Benelux-Staaten war durch einen meist großen Konsens, sowohl innenpolitisch als auch zwischen den drei Staaten, gekennzeichnet. Im europäischen Integrationsprozess wurden mehrere Versuche unternommen, die Gemeinschaft auch als außenpolitischen Akteur zu entwickeln. Das begann bereits 1952 bis 1954 mit dem Versuch der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG), die das politische Dach für EGKS und Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) bilden sollte. Ein erneuter Versuch wurde 1960/61 vom französischen Präsidenten de Gaulle vorgenommen, der mit den sogenannten Fouchet-Plänen EWG-Europa auch eine außenpolitische Funktion zukommen lassen wollte. In der Europäisch Politischen Zusammenarbeit (EPZ), die 1970 eingeführt und 1987 offiziell in die Einheitliche Europäische Akte (EEA) übernommen wurde, wird der EG erstmals außenpolitischer Akteursstatus zugewiesen. Wenige Jahre später, im Vertrag von Maastricht, betritt die EWG mit der zweiten Säule – der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – neues Terrain, um auf der weltpolitischen Bühne auch ein bedeutsamer Akteur zu werden. Anhand dieser verschiedenen vier Entwicklungen sollen die Positionen der Benelux-Staaten zum außenpolitischen Handel der EG/EU analysiert werden.

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I. Die Haltung der Niederlande 1. Die Anfänge des Integrationsprozesses Die drei wichtigsten Traditionen in der niederländischen Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg waren eine maritim-kommerzielle, insbesondere mit Bezug auf den Freihandel, eine neutralistisch-absentistische sowie eine internationalistischidealistische Tradition.1 Trotz ihrer Position als Kleinstaat engagierten sich die Niederlande mit dem Aufkommen des Ost-West-Konflikts im europäischen Integrationsprozess, wobei der Schwerpunkt aber eindeutig auf der wirtschaftlichen Integration lag. „Das wichtigste Ziel der niederländischen Europapolitik nach 1945 war die Schaffung einer möglichst weitreichenden europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und späteren Integration“.2 Dem 1950 vom französischen Außenminister Robert Schuman und seinem Berater Jean Monnet vorgestellten Plan zur Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl standen die Niederlande zunächst ablehnend gegenüber, da der Hohen Behörde als neu einzurichtender Institution keine Kontrolle gegenüberstand. Erst als die Einrichtung eines Ministerrats, unter anderem auch als Kontrollorgan für die Hohe Behörde, von den Verhandlungspartnern akzeptiert wurde, schlossen sich die Niederlande den EGKS-Verhandlungen an und wurden gleichberechtigter Partner in der ersten supranationalen europäischen Organisation.3 Parallel zu den Verhandlungen über die EGKS entwickelte sich mit dem Ausbruch des Korea-Kriegs im Juni 1950 das Problem eines deutschen Verteidigungsbeitrags. Da inzwischen die 1949 gegründete NATO zum festen Bezugspunkt niederländischer Sicherheitspolitik geworden war und die USA einen deutschen Verteidigungsbeitrag forderten, mussten sich die Niederlande diesem Problem stellen. Hier war man überzeugt, „dass die Bundesrepublik nicht nur in die westliche wirtschaftliche Zusammenarbeit aufgenommen werden müsse, sondern sich auch militärisch an der Verteidigung Westeuropas zu beteiligen habe“.4 Dem französischen Vorschlag über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) standen die Niederlande jedoch sehr reserviert gegenüber. Außenminister Stikker wies Plevens Vorstellungen als eine zu begrenzte föderalistische Konstruktion zurück, da sie die atlantische Einheit untergraben würde. Auch drohte die EVG eine von Frankreich dominierte politischmilitärische Konstruktion zu werden. Auch die im Pleven-Plan vorgesehene Diskriminierung der Bundesrepublik lehnten die Niederlande ab. So nahmen die Niederlan1 Voorhoeve, J., Peace, profits and Principles – A Study of Dutch Foreign Policy, Den Haag 1979, S. 42 – 54. 2 Van der Haarst, J., Von der Vorhersehbarkeit zur Unsicherheit. Über die Veränderungen der niederländischen Europapolitik der Nachkriegszeit, in: Wielenga, F./Geeraedts, L. (Hrsg.), Jahrbuch des Zentrums für Niederlandstudien 15 (2004), Münster, S. 17 ff. (20). 3 Woyke, W., Erfolg durch Integration – Die Europapolitik der Benelux-Staaten 1947 bis 1969, Bochum 1985, S. 192 ff. 4 Garvert, K., Die Niederlande im europäischen Integrationsprozess, in: Wielenga/Geeraedts (Fn. 2), S. 207 ff (211).

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de seit 1951 an den Verhandlungen über die EVG teil, da sie in diesen Verhandlungen eine Möglichkeit erkannten, ihre supranationale Europakonzeption mit Hilfe des Instruments EVG weiter voranbringen, eine Harmonisierung der Außenpolitik mit Belgien und Luxemburg erreichen sowie ihre Verhandlungsposition stärken zu können. Darüber hinaus mussten die Niederlande schließlich einsehen, dass der NATO-Oberbefehlshaber in Europa, General Eisenhower, und damit auch die USA, inzwischen die EVG unterstützten. Allerdings waren die Niederlande bei den EVG-Verhandlungen weniger erfolgreich als bei den EGKS-Verhandlungen. So wandte sich Außenminister Beyen bereits auf der Luxemburger Konferenz vom 8.–10. September 1952 gegen die Bildung der Europäischen Politischen Union, die aus EGKS und EVG gebildet werden sollte. Eine europäische politische Gemeinschaft war für ihn nur unter der Voraussetzung akzeptabel, dass mit ihr eine soziale und wirtschaftliche Integration einherging.5 Letztendlich stimmte die niederländische Regierung dem EVG-Vertrag mangels anderer Alternativen zu, obwohl man gerade die Abwesenheit der Anglo-Amerikaner hinsichtlich der europäischen Sicherheit – und damit der niederländischen – fürchtete. Auch aufgrund der supranationalen Struktur der neuen Gemeinschaft konnte die niederländische Regierung der EGKS ihre Zustimmung geben, da sie in dieser Struktur die Interessen der kleineren Mitgliedstaaten am besten durch eine Übertragung nationaler Befugnisse auf die europäischen Einrichtungen gewährleistet sah. Das Scheitern der EVG – und damit verbunden der EPG – rief in den Niederlanden kein großes Bedauern hervor, da die Niederlande zu jener Zeit in erster Linie die ökonomische Integration favorisierten, die aber weder durch die EVG noch die EPG hätte gewährleistet werden können. Das Scheitern der EVG trug nun dazu bei, dass die Anhänger der ökonomischen Integration Auftrieb erhielten. Inzwischen hatten die Niederlande aufgrund des Wahlergebnisses mit Johan Willem Beyen und Joseph Luns 1952 zwei Außenminister erhalten, die in Arbeitsteilung das Portefeuille verwalteten. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit legte Beyen im Dezember 1952 den EGKS-Partnern ein Memorandum über die Gründung einer Zollunion vor. Anders als die bisherige sektorale und vertikale Integration sollte nun ein gemeinsamer Markt innerhalb einer allgemeinen, horizontalen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit verwirklicht werden. Aber auch Beyen plädierte für eine supranationale Struktur der zukünftigen Wirtschaftsgemeinschaft, so dass dieses Prinzip nun für die nächsten Jahrzehnte zur niederländischen Leitlinie in der Europapolitik avancieren sollte. Beyen machte seinen Gesprächspartnern immer wieder klar, dass sich die Niederlande an keiner politischen Zusammenarbeit beteiligen würden, wenn es nicht parallel dazu Fortschritte in der ökonomischen Integration gäbe.6 Beyen verstand die europäische Integration vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten. Zusammen mit seinen Kollegen aus Belgien und Luxemburg lancierte 5 Manning, A., Die Niederlande und Europa von 1945 bis zum Beginn der fünfziger Jahre, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1982, S. 1 ff. (18). 6 Garvert (Fn. 4), S. 214.

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Beyen eine neue Initiative zur Gründung eines einheitlichen gesamtwirtschaftlichen Marktes, die zur Außenministerkonferenz von Messina im Juni 1955 führte. Hier gelang es den Benelux-Staaten weitgehend, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Die Europäische Integration sollte befördert werden durch 1. den schrittweisen Zusammenschluss der nationalen Volkswirtschaften, 2. die Fortentwicklung gemeinsamer Institutionen, 3. die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und 4. die schrittweise Harmonisierung der Sozialpolitik.7 „Das Beyensche Prinzip, politische Integration durch wirtschaftliche Integration, fand in vollem Umfang seine Anwendung“.8 Die Vorstellungen des niederländischen Außenministers spiegelten sich so ebenfalls im ausgehandelten EWG-Vertrag wider, wo es in Art. 3 hieß: „Die Tätigkeit der Gemeinschaft […] umfaßt […] a) die Abschaffung der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren […]; b) die Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs […]; i) die Schaffung eines Europäischen Sozialfonds […].“9

Auch Beyens Forderung nach einer „überstaatlichen Körperschaft“ wurde in der supranationalen EWG Rechnung getragen. So wurde deutlich, dass die Römischen Verträge im Prinzip auf dem vom niederländischen Außenminister lancierten Plan beruhten. 2. Die Vorstellungen über die Europäische Union – Die Fouchet-Pläne 1960 entwickelte der französische Staatspräsident de Gaulle eine Europainitiative, in der er ein regelmäßiges, organisiertes Einvernehmen der Regierungen in verschiedenen Politikbereichen, unter anderem der Außenpolitik forderte.10 Letzten Endes zielten die Ideen auf die Einrichtung einer Europäischen Union auf intergouvernementaler Basis ab. Diese Vorstellungen standen insbesondere den niederländischen Ideen der Weiterentwicklung des europäischen Integrationsprozesses diametral entgegen. Bereits im Mai 1961 hatte Außenminister Luns in einem Memorandum das endgültige Ziel der europäischen Einigung als „wirtschaftliche und politische Integration auf supranationaler Basis von einer möglichst großen Anzahl freier europäischer Staaten“ definiert.11 Weitere Ziele für die Niederlande waren die Erweiterung der EWG, insbesondere um Großbritannien und die Zusammenarbeit auf politischem und militärischem Gebiet in der NATO. In de Gaulles Plänen befürchteten die Niederlande eine Aushöhlung der EG, die Gefährdung der Zusammenarbeit mit der 7

Archiv der Gegenwart, 04. 06. 1955, S. 5191. Reef, J., Die Niederlande im internationalen System. Fallstudien zum Einfluss eines Kleinstaates, Münster 1995, S. 64. 9 Schöndube, C., Europa – Verträge und Gesetze, Bonn 1975, S. 75 f. 10 Woyke, W., Frankreichs Außenpolitik – Von de Gaulle zu Mitterand, Opladen 1987, S. 42. 11 Reef (Fn. 8), S. 71. 8

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NATO, die Vertiefung der wirtschaftlichen Spaltung Europas, die endgültige Festschreibung der Abstinenz Großbritanniens vom europäischen Integrationsprozess sowie eine Reduzierung der politischen Bedeutung der Niederlande zwischen den Kontinentalmächten Deutschland und Frankreich. Außenminister Luns wehrte sich vor allem gegen eine neue Konstruktion Europas auf intergouvernementaler Basis. Luns widersetzte sich der von de Gaulle avisierten Politischen Union. Um ihre Position im Verhandlungsprozess zu verbessern, suchten die Niederlande einen gemeinsamen Benelux-Standpunkt herzustellen, was allerdings nicht gelang. Doch zusammen mit Belgiens Außenminister Spaak war sich Luns einig, dass die Wirtschaftspolitik in die supranationalen Gemeinschaften und nicht in die Politische Union gehörte. Wie weit entfernt die Niederlande von den französischen Vorstellungen waren, geht aus dem Bericht zur Vorbereitung der Bonner Gipfelkonferenz des Fouchet-Ausschusses hervor, in dem die Niederlande ihre Bedenken folgendermaßen artikulierten. Die Niederlande befürchteten, „daß das System der europäischen Institutionen durch die Schaffung einer politischen Suprastruktur intergouvernementalen Charakters in Frage gestellt werden könne. Die niederländische Delegation ist ferner der Meinung, dass die Staats- bzw. Regierungschefs nicht über weltpolitische Fragen beraten dürften, da für diese grundsätzlich die NATO zuständig sei. Daneben würde es die niederländische Delegation begrüßen, wenn Großbritannien zu den Beratungen hinzugezogen würde, was gleichzeitig mit der Vertretung der verschiedenen Tendenzen der NATO auch eine ausgeglichenere und der politischen Realität entsprechendere europäische Vertretung verbürgen würde“.12 Der niederländische Widerstand führte zur Einsetzung der Fouchet-Kommission, bestehend aus jeweils einem Vertreter der sechs EWG-Staaten, die sich mit den weiteren Aspekten der Europäischen Union befassen sollte. Doch inzwischen meldete Großbritannien seinen Beitrittswunsch an, so dass die Niederlande und Belgien die Fortsetzung der Verhandlungen über die Politische Union von der Aufnahme von Gesprächen mit Großbritannien abhängig machten (Pralable anglais). Die Niederlande wollten eine Politische Union ohne Großbritannien vermeiden. Sie wandten sich gegen die französischen Vorstellungen einer intergouvernementalen Union, die zu einer Schwächung der bestehenden EWG und besonders der Kommission geführt hätten. „Frankreich wollte ein selbstständiges Agieren der Kommission unmöglich machen und ihre Aktivitäten von einem Mandat des Europäischen Ministerrats abhängig machen“, urteilt der niederländische Historiker Albert Kersten.13 Der erste von Fouchet im Oktober 1961 vorgelegte Plan war für die Niederlande vollkommen inakzeptabel, sah er doch eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik und einen Rat, bestehend aus den Staatsund Regierungschefs sowie den Außenministern vor, der mindestens alle vier Monate einmal tagen müsste. Der Rat sollte die Beschlüsse der Union einstimmig fassen, die von der Kommission umgesetzt werden sollten. Diese Organisationsstruktur war eindeutig intergouvernemental und widersprach dem niederländischen Ansatz des in12

Ebd., S. 81. Kersten, A., Joseph Luns und die niederländische Europapolitik, in: Wielenga/Geeraedts (Fn. 2), S. 31 ff. (44). 13

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strumentellen Supranationalismus, in dem die Niederlande den bedeutsamsten Schutz der kleinen Staaten sahen.14 Doch auch ein zweiter Fouchet-Plan, der die Änderungswünsche der Partner Frankreichs weitgehend unberücksichtigt ließ, wurde von den anderen Partnern nicht akzeptiert. Je mehr die Niederlande die Unterstützung der anderen Partner erreichen konnten, je gefestigter wurde die ablehnende Haltung der Niederlande. So hatten sich 1961 zwei unterschiedliche Konzeptionen über den Fortgang der europäischen Integration herausgebildet, die gaullistische Variante des Intergouvernementalismus, die auf ein Europa der Staaten zielte, und die niederländische Vorstellung einer supranationalen Union, in der die kleineren Staaten durch die Supranationalität einen größeren Schutz besaßen. Baehr bewertet die Auseinandersetzungen um die Politische Union wie folgt: „This negative result can be considered as a success for the Dutch who had never liked the idea of having intergovernmental political consultations by the Six next to supra-national Communities“.15 3. Europäische Politische Zusammenarbeit und Einheitliche Europäische Akte Nach dem Rückzug de Gaulles 1969 – er hatte ein Referendum über eine Senatsreform verloren und war enttäuscht zurückgetreten – und der Übernahme des Präsidentenamts durch den früheren Premierminister Pompidou, sollte wieder Bewegung in den europäischen Integrationsprozess kommen. Auf der Haager Gipfelkonferenz von 1969, die unter dem Motto Vollendung, Vertiefung und Erweiterung stand, wurde nicht nur das ehrgeizige Vorhaben einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) beschlossen, sondern auch eine engere außenpolitische Zusammenarbeit verabredet. Dazu wurde der belgische Politiker Graf Davignon beauftragt, einen Bericht auszuarbeiten, der von den sechs Mitgliedstaaten 1970 angenommen wurde. Durch ihn begannen ein informeller Informationsaustausch und Konsultationen im Bereich der Außenpolitik. Es wurde festgelegt, dass die Außenminister der sechs Mitgliedstaaten mindestens zweimal jährlich zu Beratungen zusammenkommen sollten. Ein „Politisches Komitee“, dem die Leiter der politischen Abteilungen der Außenministerien angehören, sollte sich viermal treffen, um die Ministertreffen vorzubereiten. Jedoch beteiligten sich die Niederlande nur aufgrund der positiven Aussicht eines britischen EG-Beitritts. „Trotzdem wurde der Davignon-Bericht in Den Haag mit Enttäuschung und Kritik aufgenommen. Hauptanstoßpunkt war, dass Davignon ein Beschlussverfahren vorgesehen hatte, das strikt auf die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen beschränkt blieb und somit aus gemeinschaftlicher Perspektive als unzulänglich betrachtet werden musste“.16 Der aus diesem Bericht hervorgegangenen Implementierung der EPZ, einer strikt intergouvernementalen Kooperationsrunde der sechs EG-Außenminister, außerhalb der Römischen Verträge blieben die Niederlande immer reserviert gegenüber. Sie befürchteten, dass die Trennung von EPZ und Ge14

Ebd., S. 38 f. Baehr, R. P., The Foreign Policy of the Netherlands, in: Barstorn, R. P. (Hrsg.), The other Powers. Studies in the Foreign Policies of Small States, London 1973, S. 61 ff. (85). 16 Garvert (Fn. 4), S. 220. 15

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meinschaft den bestehenden supranationalen Charakter der Gemeinschaft konterkarieren könnte. Einen Teilerfolg konnten die Niederlande in Zusammenarbeit mit Belgien erreichen, als sie eine institutionelle Verbindung zwischen EPZ und EG durchsetzten, indem sie ab 1974 die Teilnahme von Kommissionsvertretern in diesen Sitzungen durchsetzten. Im gleichen Jahr stimmten die Niederlande der Einrichtung des Europäischen Rats – der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs der EG mit dem Präsidenten der Kommission – zu, obwohl damit eine deutliche Stärkung der zwischenstaatlichen Ebene verbunden war. Premierminister den Uyl stimmte diesem Vorgehen jedoch zu, da gleichzeitig die Direktwahlen zum Europäischen Parlament wie auch die Aufgabe der praktizierten Einstimmigkeit im Rat verabredet wurden. Gerade diese beiden Entscheidungen konnten auch als Förderung des supranationalen Prinzips angesehen werden. Anfang der 80er Jahre setzte eine „Eurosklerose“ im europäischen Integrationsprozess ein, d. h., dass die EG-Mitgliedstaaten primär nationale Lösungen auf die sich stellenden Herausforderungen suchten. Nach Ansicht des niederländischen Außenministers gab es anstelle von Vollendung, Vertiefung und Erweiterung, Stillstand, Rückschritt und Flucht.17 Erst der Gipfel von Fontainebleau 1984 brachte neue europapolitische Impulse, löste er doch das Problem des britischen Finanzbeitrags, die Finanzierung der EG-Agrarpolitik und die Finanzausstattung der Gemeinschaft. Auf der Gipfelkonferenz in Mailand 1985 einigten sich die Mitgliedstaaten mehrheitlich – gegen die Stimmen Großbritanniens, Dänemarks und Griechenlands – auf die Abhaltung einer Regierungskonferenz, die Reformen der Römischen Verträge durchführen sollte. Die EEA sah die Realisierung des Binnenmarkts, als Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleitungen und Kapital, garantiert werden sollte, bis zum 1. 1. 1993 vor. Die EEA änderte die Funktionsweise und Entscheidungsverfahren der EG-Organe und dehnte die Zuständigkeiten der EWG aus. Gleichzeitig wurde die EPZ zur gemeinsamen Außenpolitik. Die niederländische Regierung bewertete die EEA als „Mini-Paket“.18 Aus niederländischer Sicht wurden in der EEA vor allem die Durchsetzung der Beschlüsse zur Verwirklichung des Binnenmarkts bis 1992/93 und zur Verbesserung des Abstimmungsverfahrens im Ministerrat positiv bewertet. Negativ wurde allerdings vermerkt, dass das Europäische Parlament keinen reellen Machtzuwachs erreichen konnte, wie von den Benelux-Staaten im Vorfeld der Konferenz gefordert worden war.

4. Die Niederlande und der Vertrag von Maastricht 1989/1990 vollzog sich in Europa eine radikale politische Wende, als erstens das sozialistische Lager zusammenbrach, die deutsche Teilung durch die Wiedervereinigung überwunden wurde, der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und der 17 18

Ebd., S. 223. So Lubbers, R. in: Garvert (Fn. 4), S. 224.

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Warschauer Pakt sich auflösten und die Sowjetunion ihrem Ende entgegentaumelte. In den Niederlanden wurde die Frage aufgeworfen, wie man das größer und mächtiger gewordene Deutschland noch fester in dem europäischen Integrationsprozess verankern konnte.19 Die Antwort darauf war der Maastrichter Vertrag, der die Schaffung sowohl der Wirtschafts- und Währungsunion als auch einer Politischen Union vorsah. Bereits auf dem Gipfel von Dublin wurden aufgrund einer deutsch-französischen Initiative die Außenminister beauftragt, Reformvorschläge für die avisierte Regierungskonferenz zu erarbeiten. Als Grundlage diente ein belgisches Memorandum, das die generelle Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Rat vorsah und durch die Ausdehnung des Verfahrens der Zusammenarbeit auf möglichst viele Bereich effizienter zu gestalten. Das Europäische Parlament sollte in diesem Zusammenhang die Möglichkeit erhalten, innerhalb einer bestimmten Frist Beschlüsse des Rats mit absoluter Mehrheit wieder aufzuheben. Außerdem setzte sich die belgische Regierung für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein, allerdings lehnte sie eine Vergemeinschaftung der Verteidigungspolitik ab. Der niederländische Außenminister van den Broek stand dem belgischen Entwurf skeptisch gegenüber. Für ihn konnte eine Union nur schrittweise entwickelt werden. „Die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur ,allmählichen Verwirklichung der Europäischen Politischen Union waren aus seiner Sicht die Stärkung der supranationalen Organe, insbesondere des Europäischen Parlaments, die Verbesserung der Entscheidungsprozesse und der Integration der EPZ in die gemeinschaftlichen Strukturen“.20 Der Europäische Rat einigte sich im Juni 1990 in Dublin darauf, neben der Regierungskonferenz über die WWU parallel die Regierungskonferenz über die politische Union einzuberufen. Auf dem Europäischen Rat in Rom im Dezember 1990 wurde beschlossen, „den großen Binnenmarkt innerhalb der vorgesehenen Fristen zu vollenden, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt weiter zu stärken und die Stufen des Prozesses der Umwandlung der Gemeinschaft in eine als Stabilitätsanker in Europa zu verstehende Politische Union zu definieren“.21 Die politische Union sollte vor allem folgende drei Aufgaben erfüllen: eine stärkere Einbindung des geeinten Deutschlands in den europäischen Integrationsprozess, die Verringerung der sicherheitspolitischen Abhängigkeit Europas von den USA und die Übernahme globaler Aufgaben und Verantwortung, wie es die Weltgemeinschaft von den Europäern erwartete.22 Im Rahmen der Politischen Union sollte unter anderem eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, eine Stärkung des Europäischen Parlaments und eine

19 Wielenga, F., Vom Feind zum Partner. Die Niederlande und Deutschland seit 1945, Münster 2000, S. 187 ff.. 20 Pastoors, S., Anpassung um jeden Preis? Die europapolitischen Strategien der Niederlande in den neunziger Jahren, Münster 2005, S. 79. 21 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates zur 46. EG-Ratstagung am 14. und 15. Dezember 1990 in Rom, in: Weidenfels, W./Wessels, W. (Hrsg.), Jahrbuch der europäischen Integration 1990/91, Bonn 1990, S. 440. 22 Pastoors (Fn. 20), S. 79.

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Europabürgerschaft verwirklicht werden. Daneben wurde eine Regierungskonferenz zur Einrichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion auf den Weg gebracht. Während der Präsidentschaft Luxemburgs in der ersten Hälfte des Jahres 1991 kristallisierte sich die Europäische Union heraus. Es handelte sich um eine Tempel-Konstruktion, die, auf drei Pfeilern ruhend, als Dach die EU tragen sollte. Den ersten Pfeiler bildeten die bestehenden Gemeinschaften, die sich nach der Vollendung des Binnenmarkts weiter zu einer Wirtschafts- und Währungsunion weiter entwickeln sollten. Den zweiten Pfeiler sollte die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und den dritten Pfeiler die Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik bilden. Während der ersten Säule das Entscheidungsprinzip des Supranationalismus zu Grunde lag, sollte in der zweiten und dritten Säule der Intergouvernementalismus Eingang finden. Der Europäische Rat sollte das Dach dieses Modells bilden und eine allgemeine leitende Funktion ausüben. Der luxemburgische Vorschlag traf auf erbitterten Widerstand der niederländischen Regierung. Für sie entwickelte sich die Gemeinschaft aufgrund dieses Vorschlags in eine nicht gewünschte intergouvernementale Richtung. „Den Gemeinschaftsinstitutionen Kommission und Parlament drohte ein Machtverlust und der Europäische Rat würde sich zu einem Machtzentrum entwickeln, das die neue EU auf eine „informelle, undurchsichtige und demokratisch unkontrollierbare Weise“ steuern würde“.23 Doch traf dieser luxemburgische Entwurf auf den erbitterten Widerstand der Niederlande. Auch Vertreter der Kommission und des Europäischen Parlaments forderten eine einheitliche Struktur der Union. So wurde der niederländische Außenminister van den Broek durch seine Kollegen auf einer Tagung des Rats für Allgemeine Angelegenheiten beauftragt, einen Vertragsentwurf mit einer einheitlichen Struktur zu erarbeiten.24 Während der Sitzung des Europäischen Rats Ende Juni 1991 erklärte Ministerpräsident Lubbers, dass die niederländische Regierung den Entwurf noch einmal überarbeiten werde. In der zweiten Hälfte des Jahres 1991 übten die Niederlande die EG-Ratspräsidentschaft aus,25 so dass sie eine Möglichkeit sahen, ihre Vorstellungen stärker in den Entwurf über die Europäische Union einzubringen. Obwohl der von Luxemburg vorgelegte Entwurf im Grundsatz bereits akzeptiert worden war und nur noch zehn Wochen bis zur Verabschiedung auf der Gipfelkonferenz in Maastricht zur Verfügung standen, präsentierte Außenminister van den Broek einen vollkommen neuen Entwurf. Der neue niederländische Vorschlag ging weit über den luxemburgischen hinaus und übertraf alle vorherigen Entwürfe an föderativen und supranationalen Elementen. Das luxemburgische Dreisäulenmodell wurde nicht übernommen. Die Niederlande befürchteten, dass durch das Dreisäulenmodell der Europäische Rat zu dominant im Entscheidungsprozess würde und die supranationale Struktur der Gemein23

Garvert (Fn. 4), S. 227. Pastoors (Fn. 20), S. 91. 25 Woyke, W./Halff, G., Die Niederlande und die EG-Ratspräsidentschaft 1991, in: Wielenga/Geeraedts (Fn. 2), S. 93 – 113. 24

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schaft gefährdet wäre. „Der niederländische Entwurf sah hingegen vor, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie Fragen der inneren Sicherheit, der Rechtsund der Ausländerpolitik, die im Luxemburger Modell noch zwei separate Säulen darstellten, grundsätzlich in die bestehenden, eher supranationalen Strukturen der Gemeinschaft einzubeziehen“.26 Der niederländische Entwurf sah für Parlament und Kommission mehr Kompetenzen vor, die zu Lasten des intergouvernementalen Rats hätten gehen sollen, wodurch die Gemeinschaft einen insgesamt stärkeren supranationalen Charakter erhalten hätte. Auch war für die Niederlande sehr wichtig, dass der eigene Entwurf im Hinblick auf eine gemeinsame Verteidigung der NATO verwies. Johannes Reef sieht wesentliche Motive zur Vorlage des Entwurfs zur Europäischen Politischen Union (EPU) durch Außenminister van den Broek „in der Angst vor Intergouvernementalismus bzw. vor der Hegemonie der „Großen“, in der Kritik des eigenen Parlaments und in der Konkurrenz zum eigenen Premierminister“ begründet.27 So scheiterte der niederländische Vorschlag am 30. September 1991, als die Außenminister mit einer Mehrheit von zehn gegen zwei Stimmen diesen Plan ablehnten. Lediglich der belgische Außenminister Marc Eyskens sowie die Kommission hatten den Plan unterstützt. Die Niederlande hatten die Haltungen ihrer Partner falsch eingeschätzt.28 So präsentierten die Niederlande bereits am 8. Oktober einen zweiten Entwurf, der sich sehr stark am luxemburgischen Entwurf des Dreisäulenmodells orientierte. „Im Gegensatz zum luxemburgischen Entwurf sahen die Niederländer eine Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens unter Einbeziehung des Vermittlungsausschusses, die Einführung einer europäischen Staatsbürgerschaft sowie eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik unter Einbeziehung der Westeuropäischen Union (WEU) vor“.29 Der in Maastricht am 7. Februar 1992 von den Außen- und Finanzministern unterzeichnete Vertrag über die Europäische Union (EUV) orientierte sich in den meisten Punkten am luxemburgischen Vertragsentwurf. Die wesentlichsten niederländischen Vorstellungen – Stärkung des supranationalen Charakters, Aufnahme der Außen- und Sicherheitspolitik in die bestehenden Strukturen und Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments – hatten kaum Berücksichtigung gefunden. Zwar wurde das Europäische Parlament aufgewertet, doch nicht so stark, wie es die Niederlande gefordert hatten. Johannes Reef sieht das Scheitern der Niederlande mit ihrem Vorschlag zur Europäischen Union, nicht zuletzt weil es keine erfolgreiche Persuasionspolitik, wie noch bei Beyen und Luns, gegeben hatte. Somit wurde auch bei den Verhandlungen über den Maastrichter Vertrag deutlich, dass ein Kleinstaat Einfluss ausüben kann, aber nur unter der Voraussetzung, dass er die Unterstützung anderer Staaten, im besten Fall möglichst großer, finden muss. In den Niederlanden entwickelte sich nach dem Scheitern der Ratspräsidentschaft eine europapolitische 26 27 28 29

Reef (Fn. 8), S. 107. Ebd., S. 115. Zum Verlauf Pastoors (Fn. 20), S. 78 – 113. Ebd., S. 113.

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Diskussion, die Mitte der 90er Jahre zur Note einer Neuausrichtung der Außenpolitik führte. „Eines der wichtigsten Elemente der Neuausrichtung war, dass die Niederlande anerkannten, dass die Relevanz der Europäischen Union für die Niederlande zukünftig zunehmen würde, während die Relevanz der NATO abzunehmen schien.“30

II. Die Haltung Belgiens 1. Belgien und der Beginn des Integrationsprozesses Die belgische Außenpolitik, sowohl vor dem Zweiten Weltkrieg als auch danach, wurde maßgeblich von Paul-Henri Spaak bestimmt. Unter seinem Einfluss „wandte sich die belgische Exilregierung von der Neutralitätspolitik ab – hatte doch der Einmarsch der deutschen Truppen im Mai 1940 deren Nutzlosigkeit erwiesen“.31 Spaak hielt den Nationalstaat nicht länger für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen, sah jedoch in einem geeinten Europa eine wirklich fassbare und realistische Möglichkeit für eine friedenssichernde neue Ordnung. Spaak verstand unter europäischer Integration einen Prozess auf der Basis rechtlicher Regelungen, der allerdings über die Kooperation von Regierungen hinausging. In diesem Prozess müssten permanent Souveränitätsabgaben vollzogen werden und eine Angleichung wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller und politischer Interessen und Strukturen stattfinden. Als Robert Schuman am 9. Mai 1950 seinen berühmten Vorschlag über die Vergemeinschaftung der Kohleund Stahlpolitik vorlegte, war Belgien zunächst sehr zögerlich.32 Belgien wünschte zunächst eine klar formulierte Kompetenzabgrenzung für die neu einzurichtende Hohe Behörde. In den Debatten beider Häuser stellte sich immer wieder das Verhältnis der nationalen Parlamente zu den neuen europäischen Institutionen als ein schwerwiegendes Problem heraus. Sozialisten, Liberale wie auch Christlich-Soziale waren 1950 in Belgien noch nicht bereit, „Klein-Europa“ anstelle eines Vereinten Europa zu bauen.33 Die Debatten über den Schuman-Plan entwickelten sich zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über den Souveränitätsstatus des Königreichs. Nachdem die Regierung in einem Zusatzantrag verpflichtet wurde, die Einhaltung der Verträge zu überwachen, stimmten die Kammern mit überwältigender Mehrheit für die EGKS. Die vom französischen Premierminister vorgeschlagene Alternative einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft anstelle eines direkten NATO-Beitritts Deutschlands unterstützte Belgien. Es hatte ein legitimes Interesse daran, dass Deutschland keine eigene Armee erhielt. Es konnte als Kleinstaat über die Entwicklung einer bald wieder mächtigen Mittelmacht gleichberechtigt mitentscheiden und es sah seine Sicherheit durch eine erweiterte Pufferzone gegenüber Deutschland bes30

Garvert (Fn. 4), S. 228 f. Dumoulin, M., Belgien und Europa, in: Koll, J. (Hrsg.), Belgien – Geschichte, Politik, Wirtschaft, Kultur, Münster 2007, S. 281. 32 Coolsaet, R., La politique xterieure de la Belgique. Au cœur de lEurope – le poids dune petite puissance, Brüssel 2002, S. 103 – 107. 33 Woyke (Fn. 3), S. 83. 31

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ser gewährleistet. Zwar rief die Wiederbewaffnung intensive Debatten in Belgien hervor, doch stimmten beide Kammern 1953 dem Vertrag mit großer Mehrheit zu. Spaak wollte den erfreulichen Schwung der letzten Jahre34 nutzen, um den Rückschlag der gescheiterten EVG und EPG zu überwinden, so dass er Anfang April 1955 innerhalb der EGKS die Initiative ergriff und seinen Kollegen den Vorschlag machte, die Kompetenzen der EGKS auf die Atomenergie und das Transportwesen auszudehnen. Spaaks Vorschlag führte zum Benelux-Memorandum vom 20. Mai 1955, in dem die Fortsetzung der europäischen Integration gefordert wurde. Danach sollte die europäische Einigung durch die Entwicklung gemeinsamer Institutionen, durch fortschreitende Annäherung der nationalen Volkswirtschaften bis hin zur Verschmelzung der nationalen Volkswirtschaften, der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes und der fortschreitenden Harmonisierung der Sozialpolitik der Mitgliedsländer gefördert werden. Diese Initiative führte zu den Römischen Verträgen, die in beiden Kammern mit überwältigender Zustimmung angenommen wurden.35 Damit war Belgien gegen Ende der 50er Jahre Mitglied der drei Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EWG und EURATOM) und Sitzland nicht nur für die EWG-Kommission, sondern auch für die Benelux-Regionalorganisation. 2. Die Vorstellungen über die Europäische Union Auf der Pariser Gipfelkonferenz 1961 legte de Gaulle noch einmal seine Pläne über die zukünftige Struktur Europas vor, denen der belgische Ministerpräsident Eyskens im Grundsatz zustimmte. Doch wenige Monate später kehrte Spaak in die Regierung zurück und wurde zu einem weiteren Gegenpart de Gaulles, wenn auch nicht mit der gleichen Vehemenz wie der niederländische Außenminister Luns. Für Belgien bildete die Teilnahme Großbritanniens an der neuen Europäischen Union eine conditio sine qua non. Die Begründung gab Spaak in einem Schreiben an die belgischen Botschafter: „Das Hauptargument der belgischen Stellungnahme besteht darin, dass die kleinen Länder, wenn sie der geplanten politischen Vereinigung beitreten, über zwei verschiedene Schutzmaßnahmen verfügen: entweder über ein gemeinschaftliches Vorgehen oder über das Gegengewicht Großbritanniens. Die französischen Pläne verweigern uns jedoch beides“.36 Nach dem Scheitern der Fouchet-Pläne und dem damit verbunden Scheitern eines britischen EWG-Beitritts leitete Spaak eine Revision seiner bisherigen Europapolitik ein, die ein Abrücken vom bisherigen supranationalen Ansatz bedeutete und einen pragmatischen Ansatz wählte, der allein Erfolg versprechend schien. Doch auch mit diesem Ansatz musste Spaak erkennen, dass zwischen den beiden unterschiedlichen Integrationsansätzen, die von de Gaulle und Luns vertreten wurden, kein Kompromiss zu erzielen war.

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Spaak, P.-H., Memoiren eines Europäers, Hamburg 1969, S. 297. Woyke (Fn. 3), S. 101. Spaak (Fn. 31), S. 540.

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Zusammen mit den beiden anderen Partnern der Benelux-Union suchte Belgien den Integrationsprozess 1968 in einem erneuten Benelux-Memorandum voranzubringen. In diesem Memorandum wurden folgende sechs Problembereiche angesprochen: 1. Ausbau der inneren Entwicklung der Gemeinschaft mit parallel verlaufender geographischer Erweiterung; 2. Respektierung des Geistes und der Buchstaben der Römischen Verträge; 3. Aufrechterhaltung der üblichen Kontakte mit den Beitrittskandidaten; 4. Aufrechterhaltung der Integrationsanstrengungen auf allen Gebieten, die von den Gemeinschaftsverträgen direkt oder indirekt berührt werden; 5. Beginn einer konzertierten Außenpolitik der Benelux-Staaten und 6. Fortführung der Kontakte mit den beitrittswilligen Staaten um bestmögliche Übereinstimmung zwischen der Gesamtheit dieser Staaten zu erreichen.37 Über dieses gemeinsame Memorandum hinausgehend unternahm die belgische Regierung weitere eigene europapolitische Initiativen, als sie im Februar 1968 und im November zwei Memoranden über die technische Zusammenarbeit und den weiteren Fortgang der Integration vorlegte. Das Novembermemorandum befasste sich im ersten Teil mit der inneren Entwicklung der Gemeinschaften, während der zweite Teil die Außenbeziehungen der Gemeinschaften betraf. Für die Vertiefung bzw. Vollendung der Gemeinschaft forderte Belgien eine Ausweitung der Befugnisse der Kommission, Demokratisierung der europäischen Institutionen, insbesondere des Europaparlaments, gemeinsame Politiken der Mitgliedsländer im monetären und im Energiebereich. Im Bereich der Außenbeziehungen der Gemeinschaften setzte sich Belgien für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit beitrittswilligen Staaten ein.38 In den 70er und 80er Jahren standen zwei Persönlichkeiten aus Belgien für den Fortschritt in den Außenbeziehungen der EU: Etienne Davignon und Leo Tindemans. Graf Davignon wurde auf dem Haager Gipfel 1969 beauftragt einen Bericht über die Möglichkeiten außenpolitischer Zusammenarbeit vorzulegen, der am 26. Oktober 1970 von den sechs Außenministern der EWG-Staaten angenommen wurde und somit den Ausgangspunkt für die EPZ bildet. Die Mitgliedsstaaten der EWG beschlossen eine Verbesserung der außenpolitischen Zusammenarbeit und die Stärkung ihrer Solidarität durch ein zweimal jährlich stattfindendes ministerielles Zusammentreffen, die Gründung eines politischen Komitees, das sich aus den politischen Leitern der Außenministerien zusammensetzte, die Organisation von halbjährlichen Gesprächen zwischen den Außenministern und der politischen Kommission des Europäischen Parlaments sowie die Einführung einer jährlichen Mitteilung des amtierenden Ratspräsidenten vor dem Europäischen Parlament.39 Somit hatte die EPZ faktisch den von de Gaulle vorgeschlagenen intergouvernementalen Ansatz bei der Außenpolitik der EG-Staaten realisiert.

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Woyke (Fn. 3), S. 338. Ebd., S. 122. 39 Reich, C., Die politische Union, in: Röttinger, M./Wenger, C. (Hrsg.), Handbuch der Europäischen Integration, Wien 1991, S. 337 f. 38

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1974 wurde der damalige belgische Ministerpräsident Tindemans von den Staatsund Regierungschefs auf der Pariser Gipfelkonferenz beauftragt, in einem „Bericht über die Europäische Union“ Vorschläge für die Weiterentwicklung der Gemeinschaft zu einer Europäischen Union auszuarbeiten. In diesem Bericht formulierte Tindemans sowohl Leitbilder als auch konkrete Handlungsempfehlungen wie die Direktwahl des Europäischen Parlaments, die Europäisierung weiterer Politikbereiche, die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion sowie einer gemeinsamen Außenpolitik. Der Bericht blieb jedoch zunächst ohne politische Folgen. Tindemans Vorstellungen kamen zu früh, doch wurden viele seiner Anregungen in späteren Reformen der Gemeinschaft übernommen. 3. Belgien und der Maastrichter Vertrag Die Entwicklung nach dem Fall der Mauer in Mittel- und Osteuropa schätzte der langjährige belgische Premierminister Martens als gefährlich für die EG ein. Martens befürchtete, dass die EG in eine paneuropäische Union verwandelt werden könnte, in der nur auf intergouvernementaler Ebene Entscheidungen gefällt würden. Martens warnte davor, dass eine gefügige Gemeinschaft, die mit weniger Verantwortung ausgestattet wäre, schwächere Institutionen besäße und keine ambitiösen Ziele verfolge, weniger demokratisch strukturiert wäre und somit auch keine Ausstrahlungskraft auf die Staaten Mittel- und Osteuropas hätte. Martens setzte sich eindeutig für eine Vertiefung der bestehenden Integration ein. Nur als funktionsfähige Union mit föderaler Struktur könne die EU offen sein für vertiefte Kooperation mit Drittländern und eventuellen Erweiterungen. Im März 1990 legte die belgische Regierung ein europapolitisches Memorandum vor, in dem sie ihren EG-Partnern eine Reihe von Vorschlägen über die zukünftige Struktur und Entwicklung der Gemeinschaft unterbreitete. Diese Vorschläge zielten auf eine Stärkung des demokratischen Charakters der Gemeinschaft, die Kodifizierung des Subsidiaritätsprinzips und die Verbesserung der Einbeziehungen der Außenpolitik in die Gemeinschaft ab. Institutionell plädierte die belgische Regierung für die Anwendung des qualifizierten Mehrheitsentscheids im Rat als Regelfall für alle vom Rat zu treffenden Entscheidungen, die die Römischen Verträge vorsehen. Wie auch die Niederlande setzte sich Belgien für eine Stärkung der Rolle der Kommission ein, aber anders als die Niederlande wollte Belgien die Rolle des Kommissionspräsidenten gestärkt wissen. Auch forderte Belgien eine deutliche Stärkung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments, nicht zuletzt, um das Demokratiedefizit der Gemeinschaft abzubauen. Angesichts der Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa wurde nach belgischer Auffassung eine gemeinsame Außenpolitik der Mitgliedstaaten immer dringender. Nicht nur eine gemeinsame neue Ostpolitik und eine gemeinsame Position im Rahmen der KSZE wurde gefordert, sondern auch eine gemeinsame Politik gegenüber den großen Mächten. Das Ziel des Memorandums intendierte eine Beschleunigung der politischen Union, die sich zunächst auf 12 Mitgliedstaaten beschränken sollte, um dann als politischer und ökonomischer

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Stabilitätsanker mit den anderen europäischen Staaten Beziehungen verschiedenster Art aufnehmen zu können. Doch mit der Verabschiedung des Maastrichter Vertrags wurden die weitgehenden belgischen Wünsche nicht verwirklicht. Dennoch stimmte die Abgeordnetenkammer mit großer Mehrheit für den Maastrichter Vertrag,40 wenngleich die Regierung das Drei-Säulen-Modell nur als ein Zwischenstadium für eine föderative Politische Union ansah. III. Die Haltung Luxemburgs 1. Luxemburg und der Beginn des Integrationsprozesses Die Europapolitik des Großherzogtums Luxemburgs nach dem Zweiten Weltkrieg wurde vor allem durch die historischen Erfahrungen mit der fehlgeschlagenen Neutralitätspolitik sowie durch das Entstehen des Ost-West-Konflikts bedingt. Luxemburg, fast im Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen Ost und West gelegen, musste eine Außenpolitik betreiben, mit Hilfe derer es seine politischen Hauptziele, die Freiheit der Eigenentwicklung sowie die Verteidigung der territorialen Unversehrtheit, am besten gewährleisten konnte. Ein Mittel zur Erreichung dieses Ziels war für Luxemburg die Mitarbeit in internationalen Organisationen wie der UNO und der NATO.41 Ein anderes Mittel war die Europapolitik, d. h. die Mitwirkung am europäischen Integrationsprozess. Der europäische Einigungsgedanke schien der geeignete Weg zu sein, um die wieder gewonnene Freiheit und Unabhängigkeit zu bewahren, da europäische Integration ihren Mitgliedern, und gerade den Kleinstaaten, Sicherheit garantierte.42 Schon 1944 hatten die Exilregierungen von Belgien, den Niederlanden und Luxemburg in London die Benelux-Wirtschaftsunion beschlossen, die 1948 auch in Kraft trat. Bereits die Gründung dieser Organisation wurde in den Mitgliedstaaten als Chance eines Schrittmachers für die europäische Integration verstanden, „eventuell sogar als ,Pretest für supranationale Institutionen“.43 Vom Vorschlag des französischen Außenministers Schuman am 9. Mai 1950, die Kohle- und Stahlproduktion der europäischen Staaten zusammenzulegen, war Luxemburg ganz besonders betroffen, nahmen doch die übrigen fünf späteren EGKSStaaten 95 % des in Luxemburg produzierten Stahls ab.44 Nach intensiven Beratungen, sowohl im vorparlamentarischen Raum als auch im Parlament selbst, stimmte Luxemburg mit großer Mehrheit für die EGKS, sah man doch in dieser Mitgliedschaft 40 Woyke, W., Die Europapolitik in den Mitgliedstaaten – Belgien, Niederlande, Luxemburg, in: Weidenfeld, W./Wessels, W. (Hrsg.), Jahrbuch der europäischen Integration 1991/92, Bonn 1993, S. 291 – 298 (292). 41 Woyke (Fn. 3), S. 290 – 293. 42 Majerus, J.-M., Entwicklung der Europapolitik, in: Lorig, W. H./Hirsch, M. (Hrsg.), Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung, Wiesbaden 2008, S. 313. 43 Schroen, M., Das Großherzogtum Luxemburg. Portrait einer kleinen Demokratie, Bochum 1986, S. 95. 44 Majerus (Fn. 42), S. 315.

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mehr Vor- als Nachteile.45 In Luxemburg hatte sich inzwischen eine weitgehend supranationale Europaphilosophie entwickelt, weshalb das Land sich auch mit großer Mehrheit für die Einrichtung der EVG aussprach. In Luxemburg hatte die überwiegende Mehrheit der Politiker inzwischen erkannt, dass die Beteiligung am europäischen Integrationsprozess dem Land mehr Möglichkeiten der Einflussausübung ermöglichte als außerhalb der Gemeinschaften.46 Dennoch konnte die luxemburgische Entscheidung das Scheitern der EVG nicht verhindern. Es waren 1955 die Benelux-Staaten, insbesondere der belgische Außenminister Paul-Henri Spaak, die den europäischen Integrationsprozess wieder belebten. Das von ihnen verfasste Benelux-Memorandum sah die Errichtung gemeinsamer Institutionen ebenso vor, wie die fortschreitende Fusionierung der Volkswirtschaften und die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes. Auf der Konferenz der sechs EGKS-Außenminister von Messina im Juni 1955 wurde beschlossen, in Verhandlungen über eine Wirtschaftsgemeinschaft einzutreten. „In den Verhandlungen, welche schließlich auf die Errichtung einer EWG abzielten, konnte Luxemburg seine Interessen auf wirtschaftlichem, sozialem und politischem Gebiet wahren. Die neue Gemeinschaft war mehr als nur eine bloße Zollunion. Neben Waren konnten nun auch Dienstleistungen und Personen im Gebiet des Gemeinsamen Marktes frei zirkulieren, was ohne Zweifel die Kommunikation in Westeuropa befördert hat“.47 Die luxemburgische Landwirtschaft stellte das Hauptproblem für das Großherzogtum in der EWG dar, wurde sie doch seit Jahrzehnten durch protektionistische Maßnahmen geschützt. So konnte das Land für seine Landwirtschaft auch lange Übergangsfristen aushandeln. Politisch bedeutete die Mitarbeit in den Europäischen Gemeinschaften eine überproportionale Vertretung des Einflusses eines Kleinstaates in den Institutionen der Gemeinschaft. 2. Die Vorstellungen zur Europäischen Union Die luxemburgische Europapolitik wurde in den 60er Jahren von folgenden drei Prämissen bestimmt: Aufrechterhaltung der bisher erreichten Gemeinschaftsverträge; Entwicklung des Vereinten Europas im Rahmen der Atlantischen Solidarität und Anwendung des Mehrheitsentscheidungsverfahrens bei Erreichung der Europäischen Union. Nachdem die Römischen Verträge am 1. Januar 1958 in Kraft getreten waren, sollten in den 60er Jahren vor allem drei Entwicklungen die luxemburgische Europapolitik nachhaltig beeinflussen. Zum einen entwickelten sich die Vorschläge des französischen Präsidenten de Gaulle über die Errichtung einer europäischen Union Anfang der 60er Jahre zu einem, die Gemeinschaft in der ersten Hälfte der 60er Jahre belastenden, Problem. Ein zweiter, die Gemeinschaft dauerhaft beschäftigender 45

Woyke (Fn. 3), S. 298 – 306. Hirsch, M., Luxemburg und die europäische Integration, in: Lorig/Hirsch (Fn. 42), S. 330 ff. 47 Majerus (Fn. 42), S. 317. 46

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Komplex war das britische Beitrittsgesuch. Ein drittes, besonders die luxemburgische Europapolitik berührendes Problem, wurde die Demokratisierung der Gemeinschaften, da mit ihr eine Fusion der verschiedenen Organe vorgesehen war und Luxemburg dadurch unmittelbar betroffen wurde. Anders als die niederländische Regierung stand die Regierung Luxemburgs der französischen Initiative über eine Europäische Union grundsätzlich positiv gegenüber. Erst als Frankreich seine Forderungen zum Umbau der Integration verstärkte und faktisch neben der EWG eine formalisierte intergouvernementale Zusammenarbeit der Regierungschefs einrichten wollte, war auch Luxemburg nicht länger bereit, die französische Position zu unterstützen. Luxemburg war nicht bereit, dass außerhalb der EWG eine zusätzliche Institution eingerichtet würde, die in Konkurrenz zur EWG stünde. Luxemburg befürchtete durch das Prinzip des Intergouvernementalismus eine Gefährdung seiner bisher praktizierten Europapolitik. Ein weiterer Grund für die Ablehnung der französischen Pläne lag in der ungeklärten Rolle einer europäischen Verteidigungspolitik. Für Luxemburg kam nur die gemeinsame Verteidigung im Rahmen der Atlantischen Allianz in Betracht, während doch gerade der gaullistische Ansatz auf die alleinige Verteidigung Europas hinauslief. Auch der nach dem Scheitern des multilateralen Ansatzes vorgenommene Versuch de Gaulles, auf bilateraler Ebene mit Hilfe des intergouvernementalen Prinzips seine europapolitische Konzeption zu verwirklichen, der seinen sichtbarsten Ausdruck im Abschluss des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags vom 22. Januar 1963 erfuhr, wurde von Luxemburg vehement abgelehnt. Es befürchtete in diesem Vorgehen der beiden großen, sein Territorium umgebenden EWG-Staaten erhebliche Nachteile. Mit Hilfe einer europäischen Lösung, in der dem Großherzogtum eine formale und auch eine inhaltliche Mitbestimmungsmöglichkeit gegeben wurden, konnte dies verhindert werden. „Der Wille, über die begrenzte wirtschaftliche Kooperation hinaus zu einer europäischen Union zu gelangen, war ein hervorstechendes Kennzeichen luxemburger Außenpolitik, und zwar sowohl im Verbund der Benelux-Gemeinschaft als auch durch eigene Impulse“.48 Die luxemburgische Regierung setzte weiterhin auf die Strategie der aktiven Integration, d. h. durch ein offensives Vorgehen hoffte sie, viele ihrer Vorstellungen realisieren zu können. So suchte Luxemburg immer wieder die Zusammenarbeit mit den beiden anderen Partnern der Benelux-Union, was auch 1968 zu einem erneuten Benelux-Memorandum führte. In diesem Memorandum wurden folgende sechs Problembereiche angesprochen: 1. Ausbau der inneren Entwicklung der Gemeinschaft mit parallel verlaufender geographischer Erweiterung; 2. Respektierung der Buchstaben und des Geistes der Römischen Verträge; 3. Aufrechterhaltung der üblichen Kontakte mit den Beitrittskandidaten; 4. Aufrechterhaltung der Integrationsanstrengungen auf allen Gebieten, die von den Gemeinschaftsverträgen direkt oder indirekt berührt werden; 5. Beginn einer konzertierten Außenpolitik der Benelux-Staaten und 6. Fortführung der Kontakte mit den beitrittswilligen Staaten, um 48

Schroen (Fn. 43), S. 99.

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bestmögliche Übereinstimmung zwischen der Gesamtheit dieser Staaten zu erreichen.49 Luxemburg suchte – zusammen mit seinen Partnern – Erosionserscheinungen in der Gemeinschaft entgegenzuwirken. Der Vorschlag der koordinierten BeneluxAußenpolitik sollte Modellcharakter für den europäischen Integrationsprozess haben. Ein Aspekt war der Versuch der Wirtschafts- und Währungsunion, bei der Premierminister Werner federführend tätig war; jedoch kam dieser Ansatz in den 70er Jahren zu früh, so dass das Unternehmen scheiterte. Die 1970 eingeführte EPZ fand, obwohl sie primär intergouvernemental ausgerichtet war, die Unterstützung Luxemburgs. Zwar kam man damit den bisherigen französischen Vorstellungen entgegen, doch konnte man im Gegenzug eine bessere Kooperation innerhalb der EG sowie eine offenere Haltung Frankreichs gegenüber einem EG-Beitritt Großbritanniens, der letztlich 1973 erfolgte, erreichen. Mit der EPZ war Luxemburg nun vor die neue Situation gestellt, sich mit weltpolitischen Entwicklungen auseinanderzusetzen und Stellung zu nehmen. „Insgesamt betrachtet hat Luxemburgs Außenpolitik konzeptionell durch die EPZ ganz entscheidende Impulse erfahren und subsidiär infrastrukturelle Unterstützung von den EG-Partnern erhalten. Der Meinungsaustausch im Rahmen dieser intergouvernementalen Zusammenarbeit wurde die wichtigste Quelle europapolitischer Perzeption für Luxemburg.“50 Mit der EPZ hatte die luxemburgische Europapolitik aber auch einen Wandel erfahren. Anstelle des „föderativen Funktionalismus“ der 50er und 60er Jahre verfolgte das Großherzogtum nun in den 70er Jahren einen „konföderativen Funktionalismus“. 3. Luxemburg und der Maastrichter Vertrag Luxemburg hatte bereits bei seiner EG-Präsidentschaft 1985 entscheidend zur Realisierung der Einheitlichen Europäischen Akte und damit der vertraglichen Verankerung der EPZ in die Verträge beigetragen, so dass von dem kleinen Land auch ein positiver Beitrag beim Zustandekommen des Maastrichter Vertrags erwartet wurde. „Zu den Eigenschaften, die die Luxemburger besonders für ihre Aufgabe befähigen, gehört neben ihrem traditionellen Engagement und ihrer langjährigen EG-Erfahrung vor allem die Fähigkeit, sich sowohl in die Denkweise der romanischen wie der nördlichen EG-Partner einfühlen zu können. Ihre Kompromissvorschläge werden vielfach auch ernster genommen, als die der anderen EG-Partner.“51 Luxemburg hatte im ersten Halbjahr 1991 erneut die Präsidentschaft in der EG, so dass es durch eigene Aktivitäten den weiteren Fahrplan des Integrationsprozesses beeinflussen konnte. Unter luxemburgischer EU-Präsidentschaft wurde am 17. April 1991 ein Entwurf für einen Vertrag über die Politische Union sowie die Wirtschafts- und Währungsunion vorgelegt, der später auch als Arbeitsdokument für die niederländische Präsidentschaft gelten sollte, da, anders als erhofft, die Konferenz nicht unter luxemburgischer 49 50 51

Woyke (Fn. 3), S. 338. Schroen (Fn. 43), S. 102. Hirsch (Fn. 46), S. 325.

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Präsidentschaft abgeschlossen werden konnte. Luxemburg schlug ein Dreipfeilermodell vor.52 Den ersten Pfeiler bildeten die bestehenden Europäischen Gemeinschaften. Nach der Vollendung des Binnenmarkts sollte sich dieser Pfeiler zur Wirtschafts- und Währungsunion entwickeln. Den zweiten Pfeiler sollte die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und den dritten Pfeiler die Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Innenpolitik und Justiz bilden. Während im ersten Pfeiler der Entscheidungsprozess sich entsprechend dem Prinzip des Supranationalismus vollziehen sollte, war für die beiden anderen Pfeiler die intergouvernementale Zusammenarbeit vorgesehen. Jeder der drei Pfeiler sollte in letzter Instanz dem Europäischen Rat unterstehen. Die Niederlande bekämpften vehement den luxemburgischen Entwurf und legten einen eigenen Entwurf vor.53 Doch scheiterten sie mit diesem Ansatz vollends, so dass der luxemburgische Entwurf zu sehr großen Teilen in den Maastrichter Vertrag übernommen wurde. So konnte Luxemburg der europäischen Integration wieder große Dienste erweisen. „Sehr oft waren es gerade luxemburgische Politiker, welche es als „ehrliche Makler“ verstanden, Kompromisse auf den Weg zu bringen, weil sie keine oder nur wenige Eigeninteressen zu verfolgen hatten. Es gelang Luxemburg während der ersten 50 Jahre des Bestehens der Europäischen Gemeinschaften seine eigenen Interessen zu wahren und seine nationale Souveränität teilweise sogar auszubauen. Den einzigartigen wirtschaftlichen Wohlstand und den Sitz vieler Europabehörden in der Hauptstadt verdankt Luxemburg unter anderem seiner frühen Mitgliedschaft in der Gemeinschaft.“54

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Woyke, W., Die Europapolitik in den Mitgliedstaaten der EG – Belgien, Niederlande, Luxemburg, in: Weidenfeld, W./Wessels, W., Jahrbuch der europäischen Integration 1991/92, Bonn 1992, S. 307. 53 s.o. 54 Hirsch (Fn. 46), S. 326.

Außenpolitische Zusammenarbeit aus französischer Sicht unter den Präsidenten Charles de Gaulle und Georges Pompidou Georges-Henri Soutou Die französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle und Georges Pompidou haben hinsichtlich der Problematik der politischen Zusammenarbeit zwischen den sechs und später neun Mitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) drei Hauptziele verfolgt: 1. Die Errichtung einer echten europäischen außenpolitischen „Persönlichkeit“ (de Gaulle selbst verwandte diesen Ausdruck) jenseits der wirtschaftlichen Kooperation im Rahmen der EWG. Diese sollte verhindern, dass Westeuropa auf Dauer nur ein Anhängsel der Vereinigten Staaten innerhalb der NATO bleiben würde. Diese Vorstellungen wurden sehr deutlich, sowohl privat als auch öffentlich, vertreten. 2. Darüber hinaus hatte die politische Zusammenarbeit für de Gaulle und Pompidou auch einen weiteren Zweck, der jedoch nur intern erörtert wurde: Die zwischenstaatliche politische Kooperation sollte ebenso dazu dienen, eine eventuelle Ausdehnung der EWG auf das Feld der Politik zu blockieren. Gleichzeitig wurde die Hoffnung gehegt, sogar die bestehende Integration in den Römischen Verträgen durch die zwischenstaatliche Zusammenarbeit abzufangen und aufzuheben, so dass die Staaten die Kontrolle über „Europa“ bewahren konnten. 3. In dieser Teilung zwischen wirtschaftlichen Aufgaben für die EWG (die zwar kontrolliert, aber nicht vollends abgeschafft werden sollte) und den politischen Aufgaben für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit sah Paris das beste Mittel, die internationale Rolle Frankreichs, über die eigenen Kräfte hinaus, durch einen dynamischen Balanceakt mit den europäischen Partnerstaaten zu verstärken. Hinsichtlich des ersten Ziels vertraten bis heute alle Präsidenten der Fünften Republik die Position de Gaulles. In Bezug auf das zweite Ziel, der „Zähmung“ der integrierten Gemeinschaften, waren Pompidou und seine Nachfolger jedoch vorsichtiger als de Gaulle. Dennoch stand Georges Pompidou, abgesehen von seiner diplomatischeren Sprache, auf derselben Linie wie sein Vorgänger. Für das dritte Ziel waren die Amtsnachfolger de Gaulles im Grunde genommen alle mit der Position des Generals einverstanden, auch wenn sie wiederum bedachter agierten.1 1 Siehe das hervorragende Buch von Sutton, M., France and the Construction of Europe, 1944 – 2007. The Geopolitical Imperative, Oxford 2007. Es stellt einen sehr überzeugenden Rahmen für die Erörterung dieser Probleme dar.

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I. Der Fouchet-Plan Schon in den 50er Jahren hatte General de Gaulle das Konzept eines europäischen Staatenbundes den supranationalen Vorstellungen von Monnet und Schuman gegenübergestellt. Ziel dieses Staatenbundes wäre die Gestaltung einer „gemeinsamen Politik“ bezüglich der spezifischen europäischen und globalen Fragen durch eine „organische“ Zusammenarbeit (für einen Mann seiner Generation und seiner Bildung war der Begriff „organisch“ keine bloße Floskel). 1960 legte de Gaulle seinen Mitarbeitern sein Konzept dar: Er wollte ein „Europa der Staaten“ errichten. Dieses Europa der Sechs, welches zugleich offen für die anderen europäischen Staaten, inklusive den Staaten Osteuropas sein würde, sollte dazu dienen, den für Anfang 1967 in der Gemeinschaft vorgesehenen Übergang vom Prinzip der Einstimmigkeit zur Mehrheitsentscheidung in Frage zu stellen. Er erwähnte die Schaffung eines „politischen Sekretariats“, das wie die Europäische Kommission arbeiten könnte, dessen Mitglieder jedoch Beamte der Staaten wären und die Aufgabe hätten, die Beschlüsse der Staaten vorzubereiten. Der Begriff des „politischen Sekretariats“ sollte bis zum Ende der Pompidou-Präsidentschaft in den französischen Plänen „lauern“, auch wenn der Ausdruck „Sekretariat“ vermieden und nur von einem „ständigen Gremium“ gesprochen wurde. Um die Partner Frankreichs nicht zu provozieren, wurde – vielleicht nach dem Vorbild der „Fouchet-Kommission“ – eine rotierende Präsidentschaft angedacht.2 Idealerweise sollte das Sekretariat in Paris angesiedelt und von einem Franzosen geleitet werden. Hier ist der Kern der französischen Vorstellungen und Hintergedanken deutlich zu erkennen. Nach einem Treffen mit Adenauer Ende Juli 1960, der sich mit den Plänen einverstanden erklärte, fing man an, mit den vier anderen Partnern zu verhandeln. De Gaulle konnte dabei auf bestehenden Tatsachen aufbauen: Seit 1959 tagten die Außenminister der Sechs außerhalb des EWG-Rahmens zwar nicht regelmäßig, aber doch ziemlich häufig. Dabei traten mit dem Verhältnis zu Großbritannien, der Haltung zur NATO und der Zukunft der bestehenden Gemeinschaften gleich zu Anfang drei Probleme deutlich zu Tage. Um eine Kompromisslösung zu erreichen, wurde im März 1961 die Fouchet-Kommission eingesetzt, die eine „organisierte Zusammenarbeit“ durch regelmäßige Treffen der Staats- und Regierungschefs und der Außenminister satzungsmäßig festlegen sollte. Das Ziel der Franzosen war offenkundig: Einerseits sollten die Staats- und Regierungschefs bei ihren regelmäßigen Treffen die aktuellen Probleme der internationalen Politik besprechen, sich andererseits aber auch den Belangen der europäischen Gemeinschaften widmen, falls Probleme auftreten sollten für die im Rahmen der Brüsseler Gremien keine Lösungen gefunden werden konnten. Darüber hinaus sollten sie 2

Ministre des Affaires trangres (MAE), Europe 1961 – 1966, N8 1958, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung vom 20. März 1961; Aufzeichnung der Politischen Direktion am 4. Juli 1961; Gespräch zwischen Couve de Murville und Christian Fouchet am 27. September 1961.

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auch die neuen Bereiche bearbeiten, die sich aus der Entwicklung der europäischen Zusammenarbeit herauskristallisieren würden.3 Letzten Endes konnte beim Bonner Gipfel am 18. Juli ein Kompromiss gefunden werden: De Gaulle konnte die „politische Zusammenarbeit“ durch regelmäßige Treffen der Verantwortlichen in einem vertragsmäßigen Rahmen, mit dem Ziel einer „gemeinsamen Politik“, durchsetzen. Auf der anderen Seite sollte aber auch de Gaulle Zugeständnisse machen: Die Atlantische Allianz sowie die Vereinigten Staaten wurden im Communiqu erwähnt, eine Reform der Gemeinschaften zwecks größerer Effizienz wurde in Aussicht gestellt. Die Fouchet-Kommission hatte jetzt ihre „Marschroute“. Am 19. Oktober 1961 reichten die Franzosen überraschend und mit großer psychologischer Wirkung zum ersten Mal einen Vertragsentwurf für eine sogenannte Union des tats (Staaten-Union) ein.4 Im Vorfeld hatte man lediglich Überlegungen zum Prozedere der Treffen zwischen den Staats- und Regierungschefs angestellt und höchstens ein „Statut“ über die politische Zusammenarbeit, jedoch keinen richtigen Vertrag, der mit den Römischen Verträgen vergleichbar wäre, erwogen.5 Hatten die Fünf die Franzosen ehedem als zu zurückhaltend empfunden; so waren sie am 19. Oktober dementsprechend positiv überrascht.6 (De Gaulle selbst hätte den Terminus „Staatenbund“ vorgezogen, die Partner aber wollten vom Begriff des Bundesstaats nicht zu weit abrücken). Dieser Richtungswechsel in Paris, sowie diese plötzliche Vertragsoffensive, lassen sich sehr wahrscheinlich aus folgenden Gründen heraus erklären: 1. Ein echter Vertragsvorschlag seitens Paris würde das Feld besetzen, das Thema vorwegnehmen, und die weitergehenden, integrativen Vorstellungen der Partner noch früh genug blockieren.7 2. Schon am 20. September hatten die Italiener und die Luxemburger Vorlagen für die nächste Sitzung der Fouchet-Kommission am 28. überreicht. Die Überlegungen der Luxemburger gingen, genau wie die der Belgier, bereits über den Begriff eines Statuts hinaus und sahen die Schaffung eines Vertrages vor. Die Italiener zeigten sich zwar vorsichtiger in der Form, jedoch sehr ehrgeizig in der Sache: Genau wie die Belgier, die Luxemburger und die Deutschen erstrebten sie eine echte, integrierte,

3 MAE, Europe 1961 – 1966, N8 1958, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung vom 15. März 1961. 4 MAE, Europe 1961 – 1966, N8 1958, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung vom 20. Oktober 1961, Vertragsentwurf ebd. 5 Der Ausdruck „Statut“ stammte von den Italienern, deren eigenes „Statuto“ 1849 eigentlich eine Verfassung war! Der italienische Unterhändler Cattani war sehr wohl fähig einen solchen Scherz zu genießen. 6 MAE, Europe 1961 – 1966, N8 1958, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung vom 20. Oktober 1961. 7 MAE, Europe 1961 – 1966, N8 1958, Aufzeichnung vom 10. Oktober 1961.

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politische Gemeinschaft.8 Nur die Niederländer hüllten sich in dieser Frage in ein frostiges Schweigen. 3. Dennoch wollte Paris am 27. September noch keinen eigenen Vertragsentwurf überreichen; Couve de Murville und Christian Fouchet behielten sich vor, diesen Schritt erst später zu wagen.9 Was geschah also zwischen dem 27. September und dem 19. Oktober, um Paris umzustimmen? Sehr wahrscheinlich war es eine Neubewertung der Folgen des offiziellen britischen Aufnahmeantrags vom 31. Juli 1961 (die Beitrittsverhandlungen zwischen den Sechs und Großbritannien begannen am 10. Oktober), die diese Reaktion hervorrief. Am 4. Oktober notierte Jean-Marie Soutou, Leiter der Europa-Abteilung und eigentlicher Unterhändler des Fouchet-Plans, dass der britische Beitritt schwer aufzuhalten sei. Die baldige Errichtung einer politischen Union durch die sechs EWG-Staaten böte Frankreich jedoch die Gelegenheit, die Beitrittsverhandlungen intensiver mitzugestalten als es sonst nach den Bestimmungen der EWG der Fall wäre. Als logische Konsequenz könne Frankreich die Folgen eines britischen Beitritts besser kontrollieren.10 Am 13. Januar 1962 präsentierte der Quai dOrsay einen neuen Text. Dieser Entwurf, den Außenminister Couve de Murville am 15. guthieß, trug den Bemerkungen der Partner in Bezug auf den ersten französischen Vorschlag Rechnung. Das Problem bestand darin, einen Mittelweg zwischen dem Wunsch der Partner, den künftigen Vertrag als erste Stufe zur politischen Integration zu gestalten, und dem Willen Paris, strikt im Rahmen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit zu bleiben, zu finden.11 Der neue Entwurf sah eine „Union von Staaten“ vor, die das Ziel einer gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik verfolgte. Demnach sollten der Rat der Staats- und Regierungschefs sowie die Komitees der Außen-, Verteidigungs- und Erziehungsminister regelmäßig (drei oder vier Mal im Jahr, bei Notwendigkeit öfter) tagen. Dazu kamen eine ständige politische Kommission, die sich aus Beamten der Mitgliedstaaten zusammensetzte und die Aufgabe hatte, die Arbeiten des Rats vorzubereiten, und schließlich eine europäische Versammlung (bekannt aus den Römischen Verträgen). Aber der Kompromiss von Bonn wurde ernst genommen: Die Atlantische Allianz fand Erwähnung und Artikel 17 sah nach Ablauf von drei Jahren die Möglichkeit einer Reform vor, die der Versammlung und den Gemeinschaften eine größere Rolle beimessen sollte.

8 MAE, Europe 1961 – 1966, N8 1958, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung vom 20. September 1961 für das Ministerbüro; Tabelle mit Zusammenstellung der Vorschläge der Vier (außer Den Haag), Stand 4. Oktober, ebd. 9 MAE, Europe 1961 – 1966, N8 1958, Notiz über ein Gespräch zwischen Couve de Murville und Christian Fouchet vom 27. September 1961. 10 MAE, Europe 1961 – 1966, N8 1958. 11 MAE, Europe 1961 – 1966, N8 1958, Aufzeichnung der Europa-Abteilung vom 10. Oktober 1961.

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Allerdings änderte de Gaulle am 17. Januar den Vertragsentwurf in diesen beiden wichtigen Punkten ab: Die Atlantische Allianz wurde nicht mehr erwähnt, und andere neue Bestimmungen oder Auslassungen sollten dazu führen, die bestehenden Gemeinschaften kontrollieren zu können. Diese Änderungen standen jedoch im Widerspruch zu den Vorstellungen der Partner Frankreichs. Es war wahrscheinlich Premierminister Michel Debr, der in der letzten Minute de Gaulle überzeugen konnte, dass die französischen Unterhändler den Partnern zu viele Zugeständnisse gemacht hätten.12 Diese Einschätzung führte trotz verschiedener Rettungsversuche bis April 1962 zum Scheitern des Fouchet-Plans. Danach entschieden de Gaulle und Adenauer, eine eigene Union zu zweit zu schaffen und unterzeichneten am 22. Januar 1963 den Elyse-Vertrag. Die Bestimmungen dieses Vertrags ahmten die des FouchetPlans weitgehend nach. Für de Gaulle blieb jedoch das Ziel, den Fouchet-Plan auf diese oder eine andere Weise zu verwirklichen. Im Rahmen des Elyse-Vertrags entwickelte sich eine politische Kooperation mit regelmäßigen Treffen der Außenminister und der Leiter der jeweiligen politischen Abteilungen. So wurde im Januar 1968 eine Arbeitsgruppe von Diplomaten und Offizieren beider Länder mit der Aufgabe geschaffen, eine langfristige Bestandaufnahme der Ost-West-Beziehungen aufzustellen. Aufgrund der wachsenden Meinungsunterschiede zwischen Paris und Bonn trug diese Zusammenarbeit jedoch nicht sehr weit. Aus operativer Sicht kann diese Kooperation dennoch als Vorläuferin der späteren Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) angesehen werden, die ab 1970 weitgehend mit gleichen Methoden und Prozeduren funktionierte.13 Ein Grund für das Scheitern der Staaten-Union, wie sie der Fouchet-Plan vorsah, war die Furcht in Paris, man würde in eine supranationale Außenpolitik hineingezogen werden, wenn man die politische Kooperation nicht strikt begrenzen und einrahmen würde. De Gaulle würde eher seine diesbezüglichen Pläne scheitern lassen, als zu riskieren, in dieser Angelegenheit zu weit zu gehen. Das galt umso mehr, als dass die EWG-Gremien in Brüssel seit 1960 allmählich versuchten, der EWG eine internationale Persönlichkeit und ein Vertretungsrecht gegenüber Drittstaaten zu verleihen. Gegen diese Bestrebungen, die meines Erachtens der wichtigste Grund für die Politik des „leeren Stuhls“ von 1965 waren, setzte man sich in Paris strikt zur Wehr.14 Nach der Lösung der Krise erschien die EWG in dieser Hinsicht weniger gefährlich: Paris war überzeugt davon, dass der supranationale Eifer bei den Fünf und in Brüssel nun weitgehend erloschen sei. Anfang 1969 erklärte de Gaulle gegenüber Mi12

Vermerk von Amanrich vom 3. Januar und Akten, Archives Nationales Paris, Nachlass Michel Debr, 2 DE 69. 13 Soutou, G.-H., LAlliance incertaine. Les rapports politico-stratgiques franco-allemands, 1954 – 1996, Paris 1996, S. 271 – 275. 14 Newhouse, J., Collision in Brussels: the Common Market Crisis of 30 June 1965, New York 1967; Dunlea, C., Charles de Gaulle und das Scheitern einer europäischen Diplomatie, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2007/3, S. 463 – 486.

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chel Debr, damals Außenminister, die EWG als solche sei am Ende angelangt, Großbritannien werde beitreten, und er verlangte die Ausarbeitung eines Plans für eine politische Organisation, die über den Gemeinschaften stehen würde.15 Das alles geschah im Kontext der Soames-Affäre.16 Nach reichlicher Diskussion im Quai dOrsay Ende Januar 1969 gelangte man zu dem Schluss, dass der Beitritt Großbritanniens die Errichtung einer politischen Union im französischen Sinn eher erleichtern werde, da London im Grunde genommen ähnliche Vorstellungen wie Frankreich hegen würde.17 II. Georges Pompidou: Ein Fouchet-Plan „Light“ De Gaulles Nachfolger, Georges Pompidou, teilte diese Ansicht. Schon als Premierminister hatte er 1962 gegenüber Diplomaten erklärt, dass der britische Beitritt auf Dauer nicht zu vermeiden sei, gleichzeitig aber auch zu einer begrüßenswerten Politisierung der EWG führen würde.18 Pompidou würde nach der Übernahme des Präsidentenamtes diese neue Linie ohne Zweifel weiterführen. Es steht aktenkundig fest, dass Pompidou (wie anscheinend de Gaulle selbst) im britischen Beitritt zur Wirtschaftsgemeinschaft viele Nachteile sah. Allerdings sah er auch einen großen Vorteil: Mit London würde man, trotz des föderalistischen, supranationalen Hangs der Fünf, die zwischenstaatliche Zusammenarbeit vorantreiben können. Somit könne man letztlich die Oberhand über Brüssel gewinnen und die französischen Ziele verwirklichen.19 Diese Vorüberlegungen führten im Dezember 1969 zum Gipfel von Den Haag auf dem Frankreich den Beitritt Großbritanniens prinzipiell annahm, man gleichzeitig das Ziel einer Wirtschafts- und Währungsunion vor 1980 beschloss, wie auch eine erneute Initiative im Bereich der politischen Zusammenarbeit startete. Ab 1970 entwickelte sich tatsächlich diese „politische Zusammenarbeit“.20 Von März an tagte ein Komitee der politischen Ministerialdirigenten der verschiedenen Außenminister unter dem Vorsitz von Etienne Davignon. Der „Davignon-Bericht“ im Oktober schlug eine regelmäßige Absprache der Außenpolitiken vor. Die Partner 15

Privater Nachlass, Vermerk von Jean-Marie Soutou vom 29. Januar 1969. Lacouture, J., De Gaulle, Bd. III, Le Seuil, Paris 1986, S. 552 ff., und Ledwidge, B., De Gaulle, Paris 1982, S. 392 ff. 17 Soutou, G.-H., „Michel Debr: une vision mondiale pour la France“, in: Bernstein, S./ Milza, P./Sirinelli, J.-F . (Hrsg.), Michel Debr Premier ministre (1959 – 1962), Paris 2005. 18 Privater Nachlass, Aufzeichnung vom 5. Juni 1962, nach einem Gespräch zwischen Georges Pompidou und Jean-Marie Soutou, damals Leiter der Europe Abteilung im Quai dOrsay. 19 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Europa-Abteilung am 13. Mai 1971. 20 Loth, W., European Political Co-Operation and European Security in the Policies of Willy Brandt and Georges Pompidou, in: Van der Harst, J. (Hrsg.), Beyond the Customs Union: The Euroepan Communitys Quest for Deepening, Widening and Completion, 1969 – 1975, Brüssel 2007, S. 21 – 34; Buchet de Neuilly, Y., LEurope de la politique trangre, Paris 2005. 16

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Frankreichs wären hinsichtlich der politischen Zusammenarbeit, insbesondere mit einer Ausdehnung auf den Bereich der Verteidigungspolitik, gerne weiter gegangen als Paris es vorschlug, doch lehnte Frankreich diese Initiativen aus Furcht vor einer Zurückführung in die NATO ab. Aber immerhin konnte man sich auf konkrete Ergebnisse einigen: 1. Die Außenminister der Sechs tagten regelmäßig, zunächst zweimal im Jahr: München im November 1970, Paris im Mai 1971, Rom im November 1971.21 Den nicht unbeträchtlichen Umfang dieser politischen Arbeit kann man in den Beständen des Quai dOrsay feststellen.22 Vorsitzender war der Außenminister des Landes, das in Brüssel jeweils den Vorsitz im Ministerrat hatte. 2. Ihre Sitzungen wurden durch ein „Politisches Komitee“ vorbereitet; an diesem Komitee waren die Ministerialdirigenten der jeweiligen politischen Abteilungen beteiligt; besondere „Komitee-Ausschüsse“ mit den zuständigen Abteilungsleitern tagten gegebenenfalls und nach Bedarf über Sonderfragen (Naher Osten, Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), Koordinierung vor der Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, und vieles mehr).23 Diese Zusammenarbeit wurde auch zwischen den Botschaften der Sechs in den Hauptstädten von Drittländern etabliert. In bezeichnender Weise ermahnte dabei der französische Außenminister die französischen Botschafter zur Vorsicht: Nichts dürfe den Eindruck entstehen lassen, dass diese politische Arbeit etwas anderes sei als eine reine zwischenstaatliche Angelegenheit. Auch der Schriftverkehr sollte so weit wie möglich bilateral gehalten werden, damit die Multilateralität des Verfahrens so wenig wie möglich in Erscheinung treten würde.24 3. Auf dem Treffen der Außenminister in Paris im Mai 1971 wurde beschlossen, dass sowohl die Minister als auch das Komitee außerhalb der Tagesordnung Aktualitätsfragen frei besprechen konnten.25 Nach einem Jahr der praktischen Ausübung lautete das Fazit in Paris, dass sich die Treffen hinsichtlich des gegenseitigen Informationsaustausches als recht nützlich erwiesen hätten, aber die Substanz zur echten Zusammenarbeit, die über die bloße Beratung hinausging, relativ gering blieb.26

21

MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung, 7. Januar

1972. 22

MAE, Europe 1971 – 1976, Schachtel 3786 und 3791. MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Tagesordnung fur die Ministersitzung in Rom 19.–20. Oktober 1971. 24 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Runderlass Maurice Schumann am 9. Juni 1971. 25 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung, 29. Oktober 1971. 26 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung, 7. Januar 1972. 23

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Darüber hinaus erkannte Paris mehrere Gefahren für seine Idee einer außenpolitischen Kooperation: So würden die Fünf alles versuchen, um den Präsidenten der Kommission in Brüssel zu beteiligen, was Paris selbstverständlich ablehnte.27 Auch die Bemühungen der Partner Frankreichs die politische Zusammenarbeit auf Verteidigungsfragen auszudehnen lehnte Paris ab, da die Franzosen fürchteten, so wieder ins Fahrwasser der NATO zurückgebracht zu werden.28 Im Gegensatz zur Mehrheit der EWG-Staaten, die eine Teilnahme der EWG als solche an der KSZE wünschten, lehnte Paris dieses Ansinnen mit dem französischen Wunsch nach Vermeidung von Blockbildungen in Europa strikt ab.29 In der Tat hätte eine solche Teilnahme das Gesamtkonzept der französischen Entspannungspolitik durchkreuzt. Das für Frankreich sehr wichtige Anliegen (vielleicht in Paris damals der eigentliche Zweck der Teilnahme), einen gemeinsamen Standpunkt über den Nahen Osten zu erreichen, und diesen öffentlich als gemeinsame europäische Politik zu vertreten, scheiterte am Widerstand der Niederlande.30 So erkannte Paris in Den Haag sehr früh den entschiedenen Gegner des französischen Begriffs der politischen Zusammenarbeit: Aus Sicht der niederländischen Regierung sollten die politischen Fragen entweder im Ministerrat der EWG oder auf NATO-Ebene, wie bei der KSZE, erörtert, oder ganz beiseite gelassen werden, wie beispielweise der Konflikt im Nahen Osten. Darüber hinaus wünschte Den Haag die Einbeziehung Großbritanniens noch bevor es tatsächlich der Gemeinschaft beigetreten war. Kurzum: Mit einer „außerordentlichen Standhaftigkeit“ lehnten die Niederländer den Fouchet-Plan „Light“ der politischen Zusammenarbeit aus denselben Gründen ab, mit denen sie sich zehn Jahre früher gegen den eigentlichen Fouchet-Plan ausgesprochen hatten (nämlich wegen Großbritannien, wegen der NATO und wegen der Befürchtung, Paris würde dabei die EWG unterminieren).31 Diese an sich richtige Feststellung entblößte die Hintergedanken Paris. Letzterer waren sich die Partner Frankreichs vollauf bewusst. Aus diesem Grund schlugen die Europäische Kommission und Belgien 1972 vor, das Europäische Parlament weiterzuentwickeln, zu stärken und die politische Zusammenarbeit auf eine mehr supranationale Bahn zu führen. Pompidou reagierte am 2. Juni heftig und sehr „gaullistisch“: 27 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung, 29. Oktober 1971. 28 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Europa-Abteilung am 13. Mai 1971. 29 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Osteuropa-Abteilung, 30. Oktober 1971. 30 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Orient-Abteilung, 29. Oktober 1971. 31 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung, 30. Oktober 1971.

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„Quant aux discussions institutionnelles … je vous avouerais qu mes yeux, elles devraient seffacer devant la volont politique dagir pour faire entendre la voix distincte dune Europe indpendante qui … affirme sa personnalit propre.“32

Beim Pariser Gipfel im Oktober 1972 drückte sich Pompidou ohne Umschweife aus: Die politische Kooperation betraf allein die Staaten. Er blieb dabei pragmatisch: Die Staaten könnten auch beschließen, nach Artikel 235 der Römischen Verträge, Aufgaben, die in den Verträgen nicht vorgesehen worden waren, den Gremien der EWG zu übertragen.33 Der Gipfel (fortan zu Neunt) kündigte das Ziel einer politischen Union vor 1980 an. In der Tat wurden in Paris einige Fortschritte erreicht: Die Außenminister würden sich fortan vier Mal (oder öfter) im Jahr treffen; das politische Komitee tagte in der Folge monatlich; Arbeitsausschüsse von Experten der verschiedenen Außenministerien trafen sich nunmehr mehrmals im Monat; die Beziehungen mit und zwischen den Botschaftern in Drittländern wurden weiterentwickelt; ein Netz von verschlüsselten Fernschreibern wurde eigens für die politische Zusammenarbeit aufgebaut. Nach Ansicht des Quai dOrsay entwickelte sich die Zusammenarbeit über die früheren Themen hinaus (wie die KSZE, wo die Zusammenarbeit besonders erfolgreich war) bis zu den großen Fragen, wie die der europäischen Identität, der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, der eigenen Rolle Europas in der Welt, kurzum betreffs allem, was man in Paris seit 1958 plante, durchaus positiv.34 Dennoch blieb das grundsätzliche Problem der Beziehungen innerhalb eines immer komplexeren europäischen Gefüges mit gemeinschaftlichen und zwischenstaatlichen Gremien ungelöst. Der Streit zwischen Bundesstaatlern und Staatenbündlern setzte sich weiter fort. Einen möglichen Ausweg zeigte Georges Pompidou auf: Beim Pariser Gipfel schlug er die Bezeichnung „Europäische Union“ vor, die unbestimmt genug war um die Anhänger eines Staatenbundes (er hatte zunächst diesen Ausdruck vorgeschlagen) sowie die Anhänger eines Bundesstaates zu befriedigen. Wahrscheinlich rettete er dadurch das Vorhaben und vermied ein erneutes Scheitern wie es sich bereits 1962 ereignet hatte. Er war flexibler, als es de Gaulle gewesen war, und versuchte nicht, die Entwicklung Europas mit einer Reform der NATO zu verbinden, was dem Fouchet-Plan zum Verhängnis geworden war. Aber dieser Gegensatz setzte enge Grenzen für die politische Zusammenarbeit. Im Februar 1972 hatte Willy Brandt die Errichtung eines „politischen Sekretariats“ für die Betreuung der Treffen der Außenminister vorgeschlagen; Pompidou aber verlangte, dass dieses Sekretariat in Paris, und nicht in Brüssel angesiedelt werden sollte. Darüber hinaus sollte es auf rein technische Aufgaben begrenzt und kein Impulsgre-

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Pompidou, G., Entretiens et Discours 1968 – 1974, Paris, 1984, Bd. 2, S. 95. MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3788, Dclaration du prsident Pompidou  la confrence des chefs dEtat ou de gouvernement, Paris, 19. Oktober 1972. 34 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3788, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung, 31. August 1973. Zum Beispiel kann man in diesem Dossier 3788 viele Berichte und Aufzeichnungen über die Zusammenarbeit im Rahmen der KSZE finden. 33

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mium sein. Allerdings blieb der Vorschlag des deutschen Bundeskanzlers ohne Folgewirkung und man verblieb beim Komitee der politischen Ministerialdirigenten.35 Genau diese Bereiche wurden bei der Vorbereitung eines zweiten Berichts über die politische Zusammenarbeit, der für den 30. Juni 1973 anlässlich des Pariser Gipfels vorgesehen war, und der den ersten sogenannten Davignon-Bericht von 1970 ablösen sollte, erneut aufgerollt und erörtert. Die Problematik blieb dieselbe: Die Partner versuchten wieder und wieder die Kommission in den Prozess der politischen Zusammenarbeit miteinzubeziehen, sei es durch die Anerkennung ihres Anspruchs auf Beteiligung an den Arbeiten des politischen Komitees, sobald Befugnisse der Kommission tangiert würden, sei es durch die Schaffung von Arbeitsgruppen, die sich sowohl aus politischen Ministerialdirigenten wie auch ständigen Vertretern in Brüssel zusammensetzten. Bei Fragen, die die Befugnisse der Kommission tangierten, widersetzte sich Paris keineswegs ihrer Teilnahme an den Verhandlungen. Die Entscheidung darüber, ob die Kommission einbezogen würde, sollte jedoch von Fall zu Fall durch die Mitgliedstaaten und nicht durch Brüssel entschieden werden. Ansonsten würden, aus französischer Sicht, die Grenzen zwischen den Kompetenzen der EWG und denen der Staaten verwischt werden. An sich sah Paris keinen Grund weiter als der Luxemburger Bericht von 1970 zu gehen und fürchtete, dass eine Änderung der Bestimmungen über die politische Zusammenarbeit in diesem „Jahr Europas“ (so Henry Kissinger) zu einer Einmischung der Vereinigten Staaten in die Angelegenheiten der EWG führen könnte.36 Aufgrund des französischen Widerstandes enthielt der neue Bericht vom 23. Juli 1973 über die politische Zusammenarbeit wenig Neues.37 Der Missmut der Partner führte zu einer praktischen Lähmung der politischen Kooperation. Darüber hinaus häuften sich aus französischer Sicht die Probleme: Die amerikanisch-sowjetische Annäherung, möglicherweise auf Kosten Europas; der Oktober-Krieg, der Ölschock und die daraus resultierende Verschlechterung der Beziehungen zwischen Paris und Washington; sowie die neue Phase der Ostpolitik Bonns, die ein großes Unbehagen in Paris verursachte: War die BRD nicht versucht, ein Sicherheitssystem in Europa im Einvernehmen mit Moskau zu erwägen? Pompidou reagierte mit einem neuen Vorstoß in Richtung politischer Zusammenarbeit, was zum Kopenhagen-Gipfel im Dezember 1973 führte. Dabei griff er eine Anregung Jean Monnets auf, der vorgeschlagen hatte, regelmäßige Treffen der Staats- und Regierungschefs abzuhalten. Am 31. Oktober schrieb Pompidou an seine Partner, die Neun sollten sich regelmäßig, schon vor Ende 1973, ohne Tagesordnung versammeln, um ganz frei „ihren Standpunkt im Rahmen der politischen Zu35 Die Argumente, die zur Vorsicht gemahnen, sind zum Beispiel in einer Aufzeichnung der Europa-Abteilung am 13. Mai 1971 aufgeführt, MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3791. 36 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3788, Aufzeichnungen der Westeuropa-Abteilung am 1. und 25. Juni 1973, Handschriftliche Notiz für den Minister Michel Jobert am 2. Juni. 37 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3787, verschiedene Dossiers.

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sammenarbeit zu harmonisieren“. Darüber hinaus sollte man die Möglichkeit schaffen, durch die Ernennung von für Europa zuständigen Staatssekretären in allen Regierungen in einer Krise sehr schnell reagieren und sich treffen zu können.38 Für die Franzosen sollten diese Treffen nur der eigentlichen politischen Zusammenarbeit gewidmet sein, ohne dass dabei eine Verflechtung mit den Bereichen der EWG verbunden sein sollte. Ziel war es, diese Treffen als Vorläufer der künftigen „Europäischen Union“ zu gestalten, das heißt ein Gefüge einzurichten, das über die EWG herausragen würde, ohne im Rahmen der supranationalen EWG einbezogen zu werden. Somit würden die alten französischen Pläne seit 1960 über einen Umweg verwirklichen werden.39 Für viele Beamte im Quai dOrsay (das aber konnten die französischen Diplomaten ihren europäischen Kollegen nicht erklären) blieb doch das Endziel die Errichtung einer Reihe spezialisierter gemeinsamer Organisationen (für Wirtschaft, Außenpolitik, Kultur und Verteidigung), die durch die regelmäßigen Konferenzen der Staats- und Regierungschefs geleitet wurden: Kurzum, der alte Plan Fouchet.40 Im Oktober 1973 lagen zwei verschiedene französische Vorschläge vor: Zunächst sollte es eine informelle Konferenz in Kopenhagen vor Ende 1973 geben; danach würden weitere, regelmäßige, institutionalisierte Gipfel abgehalten werden. Der Vorschlag einer informellen Konferenz in Kopenhagen wurde ohne größere Diskussion durch die Mitgliedstaaten angenommen. Was jedoch die späteren Treffen anging, wollten die Partner, abgesehen von der BRD, die Paris am nächsten stand, vorerst nur das Treffen in Kopenhagen akzeptieren. Die nachfolgenden, regelmäßigen Sitzungen sollten nur im Falle einer Beteiligung der Kommission, und nur wenn die Tagesordnung sowohl die politische Zusammenarbeit als auch EWG-Themen einbeziehen würde, stattfinden. Dadurch sollte verhindert werden, dass die zwischenstaatliche Zusammenarbeit die supranationalen Elemente gefährden würde.41 Eine mögliche Kompromisslösung wurde zwischen Paris und Bonn erörtert: Zunächst erklärten die Deutschen, sie seien bereit, eventuell weiterzugehen und regelmäßigen Treffen der Staatschefs zuzustimmen. Diese könnten sogar zweimal jährlich, wobei nicht nur die Regelmäßigkeit, sondern auch der Rhythmus für Paris wichtig war, abgehalten werden. Aber auch wenn die europäischen Gipfel institutionali38 Ebd., Dossier 1009; Archives Nationales, 5AG2, Schachtel 1012, Brief an Brandt am 26. November; s. Sutton (Fn. 1), S. 187 – 189. 39 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3789, Rundtelegramm Michel Joberts 5. November 1973. Eine Aufzeichnung der Westeuropa -Abteilung vom 5. Dezember 1973 bestätigt. 40 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3789, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung am 5. Dezember 1973. 41 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3789, Gespräch zwischen Jobert und Scheel am 9. November 1973; Aufzeichnung des politischen Direktors am 3. Dezember 1973, nach einem Gespräch mit dem holländischen Botschafter. Weitere Berichte über die Reaktionen der Partner und der Kommission in Oktober und November im gleichen Dossier.

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siert würden, so sollten sie doch auf zwei Pfeilern ruhen: der EWG und der politischen Zusammenarbeit. Die Franzosen nahmen diesen Vorschlag prinzipiell an, allerdings sollte die Lösung nur für die Treffen nach Kopenhagen gelten. Darüber hinaus sollte die EWG nur über ihre eigenen Anliegen mitspracheberechtigt sein.42 Beim sogenannten „Präsidentschaftstreffen“ von Kopenhagen am 15. und 16. Dezember, welches auf Einladung Dänemarks, das dann den Vorsitz der EWG im Ministerrat innehatte, erfolgte, konnte kein volles Einvernehmen erreicht werden. Insbesondere konnte man sich nicht über die Regelmäßigkeit der Treffen einigen. Frankreich plädierte für eine Regelung, die mindestens zwei Treffen jährlich, oder öfter im Bedarfsfall, vorsah. Dagegen wollten die Partner Frankreichs die Treffen nur in Ausnahmefällen stattfinden lassen, um die Gemeinschaft nicht zu schwächen.43 Dennoch wurden Fortschritte im französischen Sinn erzielt: Zwar einigte man sich nicht formell über die Regelmäßigkeit solcher Treffen (von einem eigentlichen Rat der Staatschefs konnte nicht gesprochen werden), da die Regierungschefs einiger Staaten verfassungsmäßige Bedenken hegten. Allerdings wurde deutlich, dass jedes Land anlässlich der eigenen Präsidentschaft eine ähnliche „Präsidialversammlung“ veranstalten würde. Dieses hätte in der Praxis zur Folge, dass es doch zwei solcher Treffen im Jahr geben würde. Des Weiteren einigte man sich in Kopenhagen auf die Errichtung eines schnellen Konsultationsverfahrens während internationaler Krisen44 sowie auf eine „Erklärung zur europäischen Identität“. Diese sah eine allmähliche Festlegung von gemeinsamen Standpunkten in der Außenpolitik vor, und unterstrich die Verantwortung der EWG in der Welt. Das war ganz im französischen Sinn. In der Erklärung der Außenminister vom 6. November 1973 über die „Rechte“ der Palästinenser bezog Europa hinsichtlich eines wichtigen Fragenkomplexes zum ersten Mal eine andere Position als die Washingtons. Allerdings war diese Einigkeit nicht von langer Dauer, da nach 1973 die Gegensätze zwischen den Partnern noch weiter zunehmen sollten. Für die Gipfel nach Kopenhagen schlug Georges Pompidou einen Kompromiss vor: Am ersten Tag würden die Staatschefs allein und zwanglos tagen, um Grundprobleme zu erörtern. Am zweiten Tag würden sich die Außenminister und gegebenenfalls der Vorsitzende der Europäischen Kommission zur Erörterung von Fragen im engeren Rahmen der EWG und der politischen Zusammenarbeit dazugesellen.45 Dabei begnügte man sich in Paris in Form dieses Verfahrens vorerst mit einem Fouchet-Plan „Light“. Welche Hintergedanken Pompidou damals, trotz seines Pragmatismus, im Hinblick auf die künftigen institutionalisierten Gipfel nach Kopenhagen hegte, soll dahingestellt bleiben. Dennoch lauerte in Paris, wie gesehen, weiterhin der 42 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3789, Gespräch zwischen Jobert und Scheel am 14. November 1973. 43 Jobert, M., Mmoires davenir, Paris, 1974, S. 278 – 279. 44 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3789, Rundtelegramm vom 18. Dezember 1973. 45 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3789, Notiz des Generalsekretariats des Elyses für das Ministerbüro im Quai dOrsay am 23. Januar 1974.

Außenpolitische Zusammenarbeit aus französischer Sicht

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Begriff des früheren Plans Fouchet. Pompidou war dabei flexibler als mancher in der Verwaltung, wahrscheinlich auch flexibler als Außenminister Jobert. War die Aufteilung der Treffen auf zwei Tage und in unterschiedlicher Konstellation an sich keine glückliche Lösung, so führte die Furcht Frankreichs vor einer Einmischung der Kommission in die politische Zusammenarbeit paradoxerweise zu einer Schwächung des Grundkonzepts der Zwischenstaatlichkeit, die im Kern des Fouchet-Plans stand und die eine überragende Autorität der Staaten über alle Bereiche der EWG vorsah. Eigentlich entsprach das britische Konzept, welches von Edward Heath mit Nachdruck vertreten wurde, durch eine List der Geschichte dem ursprünglichen Fouchet-Plan viel besser. London empfahl die Zusammenführung der Gemeinschaftsbelange mit der politischen Zusammenarbeit, wobei aber die Gemeinschaftsangelegenheiten den politischen Richtlinien, die von regelmäßigen Treffen der Staats- und Regierungschef festgelegt werden sollten, unterstellt würden. Dabei wurde die Kommission in ihren vertragsmäßigen Befugnissen stark eingeengt.46 Es ist auch möglich, dass die Franzosen schon damals einsehen mussten, dass, wenn sie wirklich auf eine ganz klare Trennung der Befugnisse zwischen Kommission und Gipfel der Staatschef beharrten, die Partner eine sehr präzise Feststellung der Institutionalisierung und der Beziehungen zur Kommission verlangen konnten. Dabei bestand die Möglichkeit, dass diese die politische Zusammenarbeit in eine Richtung reformieren wollten, die ganz und gar nicht im Einklang mit den französischen Begriffen stünde. Es war für Frankreich also doch besser, vorerst im Unbestimmten zu bleiben und zum Beispiel auf die Errichtung eines politischen Sekretariats zu verzichten, obwohl man neuerdings in Paris doch die Gründung eines solchen Sekretariats erwogen hatte. Letztlich wäre dieser Schritt jedoch zu gefährlich gewesen, da die Frage der Beziehungen dieser neuen Einrichtung zu Brüssel zeitgleich hätte gestellt werden müssen.47 Hinsichtlich dieser Frage war Paris in eine Sackgasse geraten. Erst ab 1974 konnte Pompidous Nachfolger, Valry Giscard dEstaing, mit dem Europäischen Rat, der zwei Sitzungen pro Jahr vorsah und die Teilnahme des Kommissionspräsidenten, das alte französische Konzept, zumindest in der „Light“-Version, vervollkommnen. Dabei nahm das Konzept Formen an, die den britischen Vorstellungen weitgehend entsprachen. Dennoch hatte Frankreich, dessen Ziel es seit 1958 war, ein neues Gleichgewicht zugunsten der Zwischenstaatlichkeit im Einvernehmen mit den Partnern zu erreichen, doch schon unter Pompidou weitgehend verwirklicht, oder zumindest in greifbare Nähe gerückt. Maßgebend dabei waren der britische Beitritt, und auch die neue und ehrgeizigere Orientierung der BRD in der Außenpolitik. 46 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3789, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung am 5. Dezember 1973. 47 MAE, Europe 1971 – 1976, N8 3789, Aufzeichnung der Westeuropa-Abteilung am 5. Dezember 1973.

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Auf Seiten Frankreichs ist ein großer Unterschied zwischen de Gaulle und seinem Amtsnachfolger festzustellen: Pompidou hatte darauf verzichtet, die politische Zusammenarbeit unter den Neun als Hebel zur NATO-Reform zu benutzen. Dieses scheint die Basis für die erfolgreiche Umsetzung des Konzeptes gewesen zu sein. Im Nachhinein könnte man die Festlegung von gemeinsamen europäischen Verhandlungsstandpunkten für die KSZE-Konferenz in Helsinki als den größten Erfolg der politischen Kooperation in diesem Zeitraum bezeichnen.48 Nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Jahr 1954 (inklusive des Plans einer weitgehend integrierten europäischen Union auch für die Außenpolitik) zeigten de Gaulle und Pompidou, trotz mancher Illusionen, Fehler und Rückschläge, die ersten Etappen zu einem Weg in Richtung einer zwischenstaatlichen politischen Union auf, die in den Verträgen von Maastricht (1992) und Lissabon (2007) weitgehend verwirklicht wurden.

48

Sutton (Fn. 1), S. 186 – 187.

Die deutsche Ost- und Europapolitik der sozialliberalen Koalition um 1970 Jürgen Elvert Der folgende Beitrag behandelt die Ost- und Europapolitik der sozialliberalen Regierung Brandt/Scheel im Umfeld der außenpolitischen Neuausrichtung, die die sozialliberale Koalition nach ihrer Regierungsübernahme im Oktober 1969 vornahm, um die geplanten ostpolitischen Schritte vorzubereiten. Dabei steht die Frage nach der Bedeutung, die die Bundesregierung dem Verhältnis von Ost- und Europapolitik seinerzeit beigemessen hatte, im Zentrum der Überlegungen. Zu prüfen ist, ob diese unabhängig voneinander gepflegt wurden oder ob ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen beiden festgestellt werden kann, der über das simple Faktum hinausgeht, dass beide im Zuständigkeitsbereich der deutschen Außenpolitik lagen. Eine isolierte Betrachtung der deutschen Ost- und Europapolitik dieses Zeitraums erscheint dagegen wenig sinnvoll, denn erst vor dem Hintergrund der gesamteuropäischen wie der Weltpolitik lassen sich ihre verschiedenen Einfluss- und Wirkungsebenen angemessen herausarbeiten. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass für die bundesdeutsche Europapolitik dieser Jahre zwei Referenzgrößen von besonderer Relevanz waren: Frankreich und die Vereinigten Staaten. Das heißt, dass es trotz der besonderen Bedeutung des Jahres 1969 für die Bundesrepublik ebenso wie für Frankreich und die Europäische Gemeinschaft aus geschichtswissenschaftlicher Sicht erforderlich ist, die Perspektive zu erweitern und die 1960er Jahre insgesamt in den Blick zu nehmen.1 Der europäische Integrationsprozess drohte in den 1960er Jahren, bereits kurz nach Inkrafttreten der Römischen Verträge, daran zu scheitern, dass es keine eindeutige Verständigung unter den Regierungen der Mitgliedstaaten einerseits und den supranationalen Institutionen und ihren Repräsentanten andererseits über die finalit politique des europäischen Einigungswerks gab. Auf der einen Seite betrachtete Walter Hallstein als Präsident der ersten und zweiten Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) selbige als erste Etappe auf dem Weg zur Gründung eines europäischen Bundesstaates, auf der anderen Seite widersetzte sich der französische Präsident de Gaulle, um die Wahrung und Festigung der französischen Führungsrolle im Gemeinschaftsraum bemüht, vehement jedem Versuch, die supranatioIn Frankreich übernahm Georges Pompidou die Präsidentschaft nach dem Rücktritt von Charles de Gaulle, in der Bundesrepublik endete die nachkriegszeitliche Formationsphase mit der Bildung der sozialliberalen oder kleinen Koalition mit Willy Brandt als Bundeskanzler und Walter Scheel als Außenminister und für den europäischen Integrationsprozess sollte sich der Haager Gipfel vom Dezember 1969 als richtungweisend herausstellen. 1

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nalen Gemeinschaftsstrukturen weiter zu vertiefen. In der „Krise des leeren Stuhls“ erreichte der Konflikt seinen Höhepunkt, als die französische Regierung im Juli 1965 die eigenen Vertreter aus den europäischen Institutionen abberief und diese damit weitgehend lähmte. Zwar gelang es de Gaulle, die Position des ungeliebten Kommissionspräsidenten Hallstein so weit zu schwächen, dass dieser nach der Fusion der drei Gemeinschaften zur Europäischen Gemeinschaft nicht mehr als deren Kommissionspräsident in Frage kam, doch hatte sich Frankreich aufgrund des de Gaulleschen Widerstandes gegen eine Vertiefung der politischen Zusammenarbeit im Gemeinschaftsraum weitgehend isoliert, so dass die von ihm gewünschte Änderung des gemeinschaftlichen Vertragswerkes zugunsten einer Stärkung seiner intergouvernementalistischen Komponenten nicht erreicht wurde. Zudem gelang es de Gaulle nicht, einen Keil zwischen die anderen fünf Mitgliedstaaten zu treiben, die statt dessen unisono das französische Verhalten als vertragswidrig bezeichneten und die französische Regierung dazu aufforderten, den Konflikt auf dem Boden des Römischen Vertragswerks auszufechten. Auch in Frankreich stieß das Verhalten des Präsidenten auf Kritik, so dass dieser die Präsidentschaftswahlen vom Dezember 1965 nur mit einem hauchdünnen Vorsprung gewinnen konnte.2 Entsprechend geschwächt war Charles de Gaulle nun seinerseits zu Zugeständnissen an die Gemeinschaft gezwungen, was letztlich den Weg zum „Luxemburger Kompromiss“ ebnete, der zwar einigen, keineswegs aber allen Wünschen des Präsidenten Rechnung trug. Allerdings räumte der Kompromiss den Mitgliedstaaten fortan ein Vetorecht gegen Ministerratsbeschlüsse ein, wenn „sehr bedeutsame nationale Interessen“ auf dem Spiel standen – wobei offen blieb (und wohl auch nicht klar definiert werden konnte), was unter „sehr bedeutsamen Interessen“ zu verstehen war. Der Kompromiss verschob also die Gewichte innerhalb des Gemeinschaftsraums ganz erheblich zugunsten des Ministerrats und damit auf die intergouvernementale Ebene, weil im Falle eines Vetos und fehlgeschlagener Verständigungsbemühungen die Arbeit der Gemeinschaft zwar fortgesetzt werden sollte, die weitere Suche nach einem Interessenausgleich aber den Regierungen der Mitgliedstaaten überlassen blieb. Zudem wurde der Handlungsspielraum der Kommission deutlich zugunsten des Ministerrats eingeschränkt.3 Freilich hatte der Kompromiss den auch innerhalb der Kommission schwelenden Konflikt zwischen Föderalisten und Intergouvernementalisten nicht beigelegt, was die Arbeit Jean Reys, des ersten EG-Kommissionspräsidenten nach der Fusion der Gemeinschaften am 1. Juli 1967, erheblich belastete. Am Beispiel der Kontroverse zwischen den Kommissaren Barre und Colonna di Paliano lässt sich zeigen, wie weit die entsprechenden Standpunkte in der Kommission selber auseinanderklafften. So stellte Raymond Barre, der französische Vizepräsident der Kommission, im De2

Vgl. dazu: Krüger, P., Das unberechenbare Europa. Epochen des Integrationsprozesses vom späten 18. Jahrhundert bis zur Europäischen Union, Stuttgart 2006, S. 298. 3 Ebd., S. 298.

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zember 1968 öffentlich fest, dass die praktische Gemeinschaftspolitik die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten bestätigt habe und kein Staat bereit sei, eine supranationale Gemeinschaft zu akzeptieren. Dem widersprach der italienische Kommissar Colonna di Paliano im Januar 1969 vehement, als er ebenfalls öffentlich betonte, dass die Supranationalität kein Fetisch, sondern Methode sei, weil die Gemeinschaft nach dem zwischenstaatlichen Prinzip nicht funktionieren könne.4 Dass in einem derart spannungsgeladenen Arbeitsumfeld kaum zukunftsgerichtete Entscheidungen gefällt werden konnten, überrascht nicht. Dabei galt es Ende der 1960er Jahre im Bereich der Gemeinschaftspolitik eine Vielzahl von Problemen zu lösen. Unter anderem lag seit Mai 1967 das zweite britische Beitrittsgesuch zur Europäischen Gemeinschaft zusammen mit dem irischen, dem dänischen und dem norwegischen auf den Tischen der Kommission und der Regierungen der Mitgliedstaaten. Im November des gleichen Jahres hatte de Gaulle entsprechende Verhandlungen erneut kategorisch abgelehnt und sogar damit gedroht, einen Austritt Frankreichs aus den Gemeinschaften zu erwägen, falls die anderen Fünf darauf bestehen würden.5 Vor diesem Hintergrund hatte der Ministerrat im Dezember 1967 die Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen vertagt, freilich nicht verworfen, wie es bei dem ersten britischen Beitrittsgesuch der Fall gewesen war. Diesen hatte die Londoner Regierung im Sommer 1961 gestellt, er war vom französischen Präsidenten im Januar 1963 zurückgewiesen worden. Weil sich die Benelux-Staaten, Italien und die Bundesrepublik für die Aufnahme der drei Bewerber in die Europäischen Gemeinschaften ausgesprochen hatten, stellte die ablehnende französische Haltung seinerzeit eine erste schwere Belastungsprobe für die politische Zusammenarbeit im Gemeinschaftsraum dar und ist deshalb als eine der Ursachen für die „Krise des leeren Stuhls“ zu nennen. Die Gründe für de Gaulles Haltung waren 1963 wie 1967 ähnlich: Er wollte die französische Führungsrolle im Gemeinschaftsraum nicht gefährden und auch kein „Trojanisches Pferd“ der USA aufnehmen, schließlich hatte die KennedyAdministration nie verhehlt, wie sehr sie eine britische Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften wünschte, weil sie hoffte, dass über Großbritannien das Gewicht der NATO gegenüber de Gaulles Sonderwegsbestrebungen im westlichen Verteidigungsbündnis erhöht würde. Auch wusste der französische Präsident, dass die britische politische Elite der Beitrittsfrage insgesamt recht gelassen gegenüberstand, da sie davon ausging, dass das Land als Mitglied der Gemeinschaften aufgrund ihres Nuklearwaffenpotentials und ihres außenpolitischen Prestiges als Siegermacht des Zweiten Weltkriegs und Mutterland des Commonwealth in kurzer Zeit Frankreich als Führungsmacht ablösen werde. Für den zweiten britischen Beitrittsantrag hatten in erster Linie wirtschaftliche Gesichtspunkte den Ausschlag gegeben, weil sich die Labour-Regierung unter Harold 4 Bitsch, M.-T., Die ersten Jahre der gemeinsamen Kommission (1967 – 1972) in: Dumoulin, M. (Hrsg.), Die Europäische Kommission 1958 – 1972. Geschichte und Erinnerung einer Institution, Luxemburg 2007, S. 135 – 164 (138). 5 Krüger (Fn. 2), S. 299.

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Wilson angesichts der angespannten wirtschaftspolitischen Lage des Landes von einer Mitgliedschaft in den Gemeinschaften Impulse für die krisengeschüttelte britische Wirtschaft erhoffte. Weitere Gründe lagen in einer offensichtlichen Interessenkonvergenz Großbritanniens und der Gemeinschaften im Hinblick auf äußere Sicherheit und sozialpolitische Grundsätze. Die „gemeinsamen Interessen“ hatten sich vor dem Hintergrund schwindenden britischen Einflusses im Commonwealth ergeben und bezogen sich in erster Linie auf die europäische Sicherheitsarchitektur. Doch trotz des allgemeinen Wohlwollens, auf das der Antrag in den europäischen Institutionen und allen Mitgliedstaaten traf, lehnte Präsident de Gaulle die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien weiterhin strikt ab. Insofern konnte die britische Regierung die bloße Vertagung des Antrags durch den Ministerrat schon als einen Teilerfolg verbuchen, zumal sie mit dem französischen Widerstand gerechnet hatte. Und weil man in London davon ausging, dass der französische Widerstand spätestens mit dem Ausscheiden de Gaulles enden würde, ließ Premierminister Wilson nach Bekanntgabe der Ministerratsentscheidung umgehend mitteilen, dass man die Bewerbung um einen Platz in der Gemeinschaft aufrechterhalten werde. In der Tat leitete de Gaulles Nachfolger Georges Pompidou nach seiner Wahl zum Präsidenten im Jahre 1969 eine Trendwende in der französischen Politik ein, die auch die Außen- und Europapolitik betraf. Zwar hielt der neue Präsident an den Prinzipien des Gaullismus fest, er interpretierte diese aber deutlich flexibler als sein Vorgänger. Bezogen auf die Europäische Gemeinschaft bedeutete das in erster Linie die Rücknahme des französischen Vetos gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien, aber auch die Bereitschaft, konstruktiv an einer Weiterentwicklung der politischen Zusammenarbeit im Gemeinschaftsraum mitzuwirken. Wenn Pompidou verlauten ließ, dass es nunmehr gelte, am „Europa der Realitäten“ weiterzubauen, spiegelte sich darin seine Bereitschaft, die gewachsenen Strukturen der EG ebenso wie deren zwischenzeitlich gewonnene Bedeutung als internationaler wirtschaftsund finanzpolitischer Akteur anzuerkennen und die Errungenschaften des europäischen Integrationsprozesses nicht nur zu pflegen, sondern gemeinsam mit den anderen Staaten der Gemeinschaft auszubauen. Zwar stand auch er dem Gedanken an eine europäische Föderation skeptisch gegenüber und bevorzugte stattdessen eine konföderale Lösung, allerdings vertrat er diese Position nicht so dogmatisch wie sein Vorgänger im Amt. Stattdessen wollte er die europäische Einigung durch die seit längerem angestrebte endgültige Regelung der Agrarmarkt-Finanzierung vorantreiben, den Integrationsprozesses auf den Ebenen der Energie, des Verkehrs und der Währungspolitik vertiefen und die Gemeinschaft durch die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten erweitern. Damit war die Richtung vorgegeben, die der europäische Integrationsprozess nach den Vorstellungen des neuen französischen Präsidenten nehmen sollte: Die Erweiterung des Gemeinschaftsraums durch eine Vertiefung der bestehenden Strukturen, was auf höchster Ebene im Rahmen von Regierungskonferenzen erreicht werden sollte.6 6

Vgl. dazu: Elvert, J., Die europäische Integration, Darmstadt 2006, S. 83 ff. und 90 f.

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Auch die Bundesrepublik Deutschland schien in dieses Konzept zu passen, da die Bundesregierung gleichfalls davon ausging, dass die EG-Erweiterung zu einer Vertiefung der Gemeinschaftsstrukturen führen würde. Zudem hatte bereits Kurt-Georg Kiesinger, der Kanzler der „Großen Koalition“ seit 1966, als entschiedener „Gaullist“ den eher „atlantischen“ Kurs seines Vorgängers Erhard aufgegeben, die Bedeutung des Schulterschlusses mit Frankreich betont und so die Europapolitik seines Kabinetts unter einen deutsch-französischen Vorbehalt gestellt. Doch auch wenn Kiesinger keine Alternative zu einer Europapolitik „der kleinen Schritte“ sah, betrachtete er den Unterschied zwischen einem Europe unie, einem einigen Europa  la de Gaulle, und einem Europe unifie, einem vereinten Europa, so wie es die Föderalisten um Jean Monnet anstrebten, als unproblematisch. Stattdessen ging er ähnlich wie Adenauer davon aus, dass die wachsende Verflechtung der Politiken der Gemeinschaftsstaaten Fakten schaffen würden, die eigenen Gesetzen folgten. Vor diesem Hintergrund hatte die französische Staatsführung die Bildung der sozialliberalen Regierung Brandt/Scheel im Oktober 1969 mit einer gewissen Skepsis verfolgt, weil sie angesichts der neuen ostpolitischen Zielsetzungen Bonns ein größeres deutsches Selbstbewusstsein in außenpolitischen Angelegenheiten befürchtete. Doch hielten auch Willy Brandt und Walter Scheel am pragmatischen Ansatz der deutschen Europapolitik fest – wohl wissend, dass sie für die Realisierung ihrer neuen ostpolitischen Ziele auch auf französisches Wohlwollen angewiesen waren, aber auch aus der Überzeugung heraus, nur so dem europäischen Integrationsprozess neue Impulse verleihen zu können. Insofern ging es der sozialliberalen Koalition dabei weniger um die für die französische Regierung angestrebte konföderale finalit politique, sondern – ähnlich wie den Regierungen der Benelux-Staaten und Italiens – darum, die mit der Erweiterung der Gemeinschaft verbundenen Herausforderungen zu meistern. Dafür mussten die jeweils möglichen notwendigen Schritte getan werden.7 Es ist bereits darauf verwiesen worden, dass die Stärkung der intergouvernementalen Komponente der Gemeinschaft in Verbindung mit der Schwächung des französischen Präsidenten infolge des „Luxemburger Kompromisses“ eine so – jedenfalls aus französischer Sicht – nicht intendierte Nebenwirkung besaß: Wie in einem System kommunizierender Röhren gewann in diesem Spannungsfeld die ohnehin ökonomisch prosperierende Bundesrepublik Deutschland nun auch politisch deutlich an Gewicht. Das sollte sich spätestens im Umfeld des zweiten britischen Beitrittsgesuchs zu den Europäischen Gemeinschaften vom 10. Mai 1967 zeigen. In seiner Regierungserklärung hatte der am 1. Dezember 1966 als Nachfolger von Ludwig Erhard zum Bundeskanzler der großen Koalition gewählte Kurt-Georg Kiesinger das grundsätzliche Interesse Bonns an einer Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs und anderer Staaten der European Free Trade Association (EFTA) in den Europäischen Gemeinschaften betont. Aus ökonomischer Sicht bot diese Erweiterung der Bundesrepublik nicht zuletzt deshalb große Vorteile, weil der Handel mit den EFTA-Staaten erheblich zum westdeutschen Außenhandelsüberschuss beitrug. Darüber hinaus ging 7

Ebd., S. 90 f.

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die Bundesregierung davon aus, dass ein erweiterter Gemeinschaftsraum, in dem fast die Hälfte des Welthandels stattfand, das Gewicht Europas im Verhältnis zu den USA und zur Sowjetunion erheblich stärken würde, was als vorteilhaft auch für die Bonner Position gegenüber der Staatenwelt Osteuropas angesehen wurde und insofern den ostpolitischen Zielsetzungen der Großen Koalition entgegenkam.8 Allerdings hatte Kiesinger gegenüber de Gaulle im Rahmen seiner Bemühungen um eine Verbesserung des deutsch-französischen Verhältnisses keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er zwar aus ökonomischen Gründen einen britischen Beitritt zur EWG begrüßen, dieses Ziel aber niemals gegen den französischen Willen verfolgen würde.9 Entsprechend hatte der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung auch die neuen ostpolitischen Ansätze und die Verbesserung der Beziehungen zu Frankreich gemeinsam als vorrangige außenpolitische Ziele seiner Regierung bezeichnet. Unter Berufung auf den Elyse-Vertrag von 1963 setzten der Bundeskanzler und sein Außenminister also auf die französische Karte.10 Dies sollte auch zur Absicherung ihrer Ostpolitik dienen, weil Paris zumindest in den Augen Kiesingers als einziger Verbündeter über ein realistisches Konzept zur deutschen Wiedervereinigung verfügte.11 Allerdings waren die ostpolitischen Ansätze der Regierung KiesingerBrandt so neu nicht, sie lagen im wesentlichen auf der Linie, die schon Erhard im Frühjahr 1966 abgesteckt hatte, indem er an alle Staaten östlich des „Eisernen Vorhangs“ Friedensnoten verschicken ließ, in denen der Friedenswille der Bundesregierung betont, Vorschläge zur Non-Proliferation von Nuklearwaffen gemacht und Angebote zum Abschluss von bilateralen Gewaltverzichtsabkommen unterbreitet wurden. Anders als Erhard war Kiesinger jedoch erklärtermaßen auch dazu bereit, die DDR mit in den Dialog einzubeziehen, wenngleich er keine klaren Vorstellungen darüber hatte, in welcher Form das geschehen sollte.12 Allerdings behielt die Forderung nach Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands in der Deutschland-Politik der Großen Koalition ihren festen Platz.13 Obwohl die Schritte in Richtung auf die Staaten Osteuropas also nur klein waren und eher zögerlich gesetzt wurden, wollte die Regierung Kiesinger dabei nicht auf französische Rückendeckung verzichten. Das musste auch der britische Premierminister Harold Wilson erkennen, als er im Vorfeld des zweiten britischen Beitrittsan8 Dazu: Philippe, H., „The Germans hold the Key“. Anglo-German relations and the second British approach to Europe (Schriftenreihe des ADEF, Bd. 57), Augsburg 2007, S. 58. 9 Ebd., S. 60. 10 In diesem Zusammenhang ist freilich darauf hinzuweisen, dass die „Chemie“ zwischen Kiesinger und Brandt nicht stimmte: Während Kiesinger Brandt für eine „quantit ngligeable“ hielt und ihn nach Möglichkeit überging, um sich auf Herbert Wehner, seinerzeit Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen zu konzentrieren, hielt Brandt Kiesinger für einen verkappten Nazi und „eitlen Schwätzer“. Dazu: Hacker, J., Deutsche Irrtümer. Schönfärberei und Helfershelfer der SED-Diktatur im Westen, Frankfurt a.M., 3. Aufl., Berlin 1994, S. 135. 11 Philippe (Fn. 8), S. 59. 12 Krüger (Fn. 2), S. 342 f. 13 Hacker (Fn. 10), S. 134 f.

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trages einige EWG-Mitgliedstaaten, so auch die Bundesrepublik, besuchte. In Bonn machte er am 15. und 16. Februar 1967 Station und überraschte den Bundeskanzler mit der Aussage, dass die Bundesregierung eigentlich gar nicht auf französische Unterstützung für ihre neue Ostpolitik angewiesen sei. Denn auch Großbritannien verfüge über gute Beziehungen nach Moskau und habe bereits den sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin darum gebeten, die Bonner ostpolitischen Ansätze wohlwollend zu prüfen. Die Offenheit des britischen Premierministers überraschte Kiesinger sehr, sie unterstreicht indes die Bedeutung, die London der Bundesrepublik Deutschland im Kontext der eigenen europäischen Zielsetzungen beimaß: Nichts weniger als die Schlüsselrolle, denn ohne Bonner Unterstützung würde, davon ging jedenfalls die britische Regierung aus, der Druck der anderen EWG-Mitgliedstaaten auf Frankreich nicht genügen, um Paris zu einem Einlenken in der Frage der britischen Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften zu bewegen.14 Vor dem Hintergrund der Erweiterungsdiskussion sollte sich im weiteren Verlauf des Jahres 1967 ein Konflikt zwischen Kiesinger und Außenminister Brandt entwickeln. Angesichts der Avancen des britischen Premierministers in der Beitrittsfrage und seiner erklärten Bereitschaft zur Unterstützung der bundesdeutschen Ostpolitik wurde Willy Brandt in zunehmendem Maße zum Anwalt britischer Interessen im Bundeskabinett. So empfahl das Auswärtige Amt im April 1967, die eigene Europapolitik auf den Beitritt Großbritanniens zu konzentrieren, weil das zum einen der Gemeinschaft ein größeres Gewicht in der Weltpolitik verleihen, zum anderen aber auch die Voraussetzungen für eine Verbesserung der politischen Zusammenarbeit im Gemeinschaftsraum schaffen würde. Der Kanzler blieb dagegen bei seiner Überzeugung, dass die Hoffnung auf eine Stärkung des weltpolitischen Einflusses der EG infolge einer Erweiterung naiv sei und setzte weiterhin auf den engen deutsch-französischen Schulterschluss in dieser Frage.15 Dieser offensichtliche Dissens innerhalb des Kabinetts verhinderte einerseits die Erfüllung der britischen Hoffnungen auf eine aktive Rolle der Bundesrepublik als Fürsprecher des britischen Anliegens in der Erweiterungsdiskussion, auf der anderen Seite bestärkte er die britische Regierung darin, im Rahmen der europäischen Politik nach Alternativen zur EG-Mitgliedschaft zu suchen, ohne freilich den Beitrittsantrag zurückzuziehen. Die britischen Hoffnungen auf einen Durchbruch in der Beitrittsfrage schienen nicht unbegründet zu sein: Einerseits waren die Signale aus dem Bonner Auswärtigen Amt in dieser Frage weiterhin deutlich positiv, andererseits verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Kiesinger und de Gaulle im Verlauf des Jahres 1968 zunehmend. So hatte der französische Präsident im September 1968 anlässlich eines deutsch-französischen Gipfeltreffens in Bonn die bundesdeutsche Ostpolitik als unverantwortlich bezeichnet, da sie den Reformprozess in der CˇSSR unterstützt und

14 15

Philippe (Fn. 8), S. 64 f. Ebd., S. 68.

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damit die sowjetische Intervention provoziert habe.16 Der über diesen Vorwurf sichtlich entsetzte Kiesinger gestand daraufhin gegenüber dem Kabinett ein, dass seine Frankreich-Politik wohl als gescheitert betrachtet werden müsse.17 Diesem Befund ist sicher zuzustimmen, denn de Gaulles Reaktion – die auch im Zusammenhang mit den zeitgleichen Bemühungen Bonns um eine Stärkung der NATO-Strukturen unter dem Eindruck der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch die UdSSR und ihre Satelliten zu sehen ist – hatte deutlich gezeigt, dass sich Bonn nur über eine gleichsam bedingungslose Unterstützung der französischen Politik die Loyalität des Generals sichern konnte. De Gaulle war offensichtlich nicht bereit, Bonn widerspruchslos Raum für eigenes außenpolitisches Handeln einzuräumen, insbesondere dann nicht, wenn dieses Handeln seinen eigenen Vorstellungen zuwiderlief. Dies wiederum bot der britischen Regierung Möglichkeiten, eigene Hebel anzusetzen und demonstrativen Schulterschluss mit Bonn zu proben, indem London die Bonner Bemühungen um eine rasche und klare Antwort der NATO auf ˇ SSR unterstützte und auch bereit war, diesen Standdas sowjetische Vorgehen in der C punkt gegenüber sowjetischen Repräsentanten zu vertreten. Solche Schritte wurden vom Bonner Auswärtigen Amt wohlwollend registriert, gleichwohl musste Außenminister Brandt zur Kenntnis nehmen, dass der Bundeskanzler trotz der enttäuschenden Entwicklung seiner Frankreich-Politik weiterhin nicht bereit war, auf Großbritannien zuzugehen, sondern zur europäischen Absicherung der Ostpolitik der Großen Koalition weiterhin auf Frankreich setzte und die britischen Wünsche um Entgegenkommen in der Beitrittsfrage vergleichsweise dilatorisch behandelte. Damit entzog er auch anderen Initiativen, die im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 1968 neuen Schwung in die politische Zusammenarbeit der EG bringen und die Erweiterung vorbereiten sollten – hier sei z. B. an die Initiative des belgischen Außenministers Harmel erinnert, der die Westeuropäische Union (WEU) zum Kern eines Gemeinschaftsrahmens für Außen- und Sicherheitspolitik ausbauen wollte – von vornherein die Unterstützung, die zu deren Realisierung nötig gewesen wäre.18 Freilich sollte die Kiesingersche „Nibelungentreue“ gegenüber dem de Gaulleschen Frankreich sich nicht auszahlen, stattdessen scheint der Präsident im Februar 1969 sogar dazu bereit gewesen zu sein, ein Auseinanderbrechen von NATO und EG nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern sogar aktiv zu unterstützen, um auf deren Trümmern ein – selbstverständlich staatenbündisch organisiertes – politisches „Vier-Mächte-Direktorium“ über Europa zu gründen, das aus der Bundesrepublik, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich bestehen sollte. Dieses „Direktorium“ sollte den inneren Kern einer weiteren europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bilden, welche ebenso wie das Direktorium staatenbündisch zu organisieren wäre.19 Diese Überlegungen hatte de Gaulle im Fe16 Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAP), 1968, Nr. 318, S. 1252 (Aufzeichnung des Gesprächs zwischen Kiesinger und de Gaulle vom 28. 9. 1968). 17 AAP 1968, Nr. 322 (Aufzeichnung Bahr vom 1.10.68). 18 Zu den entsprechenden Ansätzen und den damit verbundenen Diskussionen vgl. Phillippe (Fn. 8), S. 127 f. 19 Ebd., S. 140 f.

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bruar 1969 gegenüber Christopher Soames, dem britischen Botschafter in Paris in einem vertraulichen Gespräch geäußert, sie wurden durch eine Indiskretion öffentlich bekannt und waren damit diskreditiert, gleichwohl ist aufgrund der gemeinschaftskritischen Haltung des Präsidenten davon auszugehen, dass er bereit gewesen wäre, sie zu realisieren, wenn er denn die Gelegenheit dazu erhalten hätte. Allerdings wären die Realisierungschancen ohnehin nur gering gewesen, denn sie hätten die Bereitschaft Bonns zur Mitwirkung vorausgesetzt und es war nicht davon auszugehen, dass sich der Bundeskanzler, trotz seiner Bereitschaft zu Zugeständnissen an de Gaulle, zu derart weitreichenden Schritten bereit erklärt hätte, zumal diese der Grundintention des europäischen Integrationsprozesses grundlegend widersprochen und den heftigen Widerstand insbesondere der Benelux-Staaten provoziert hätte. Insofern kann es nicht überraschen, dass auch die britische Regierung ein solches Konzept nicht ernsthaft in Erwägung zog, sondern das Angebot des Präsidenten eher als Falle für die britische Regierung ansah. Wenige Tage nach dem Gespräch zwischen de Gaulle und Soames berichtete Wilson dem Bundeskanzler darüber, der sich über das französische Angebot „überrascht und erschüttert“ zeigte, auch wenn der Brite ihm versichert hatte, dass London die NATO und die EG stärken und nicht begraben wollte.20 Knapp zwei Monate nach dem Gespräch mit Soames trat Charles de Gaulle vom Amt des Präsidenten Frankreichs zurück, am 15. Juni wurde Georges Pompidou zum neuen französischen Staatsoberhaupt gewählt. Die von ihm eingeleitete Trendwende in der französischen Politik betraf, wie bereits angedeutet, auch die Außen- und Europapolitik. Pompidou wollte mit seinen Impulsen für eine neue Europapolitik den geradezu dramatisch gesunkenen Einfluss Frankreichs im Gemeinschaftsraum wieder stärken, den sein Vorgänger aufgrund seiner Verweigerungshaltung gegenüber einer strukturellen Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft Frankreich im Kreise der Sechs nahezu verspielt hatte. Schon aus nationalem Interesse heraus musste der neue französische Präsident versuchen, diese Entwicklung zu Gunsten Frankreichs zu beeinflussen. So gesehen ging es seiner Regierung in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1969 primär darum, dem Integrationsprozess eine neue Dynamik zu verleihen, um ihn möglichst rasch den eigenen Vorstellungen entsprechend auszugestalten. In diesem Konzept spielte Großbritannien eine wichtige Rolle, schließlich ließen die Stellungnahmen führender britischer Politiker zu Europa darauf schließen, dass sie wie Frankreich eine europäische Konföderation anstrebten und damit als potentielle Verbündete im Rahmen des Baus eines „Europa der Realitäten“  la franÅaise zu betrachten waren. Die Bildung der sozialliberalen Regierung Brandt/Scheel im Oktober 1969 hingegen war von der französischen Seite skeptisch verfolgt worden. Denn während Kiesinger keine Zweifel an seiner Frankreich-Treue zugelassen hatte, schienen die ostpolitischen Zielsetzungen der neuen Bundesregierung ein Indiz für ein deutlich gewachsenes deutsches Selbstbewusstsein in außenpolitischen Angelegenheiten zu bieten. Überdies hatte Willy Brandt schon als Außenminister der großen Koalition be20

Ebd., S. 143.

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kanntlich mehrfach eine Frankreich-kritische Haltung eingenommen und für Großbritannien Partei ergriffen. Und in seiner Regierungserklärung wies er im Oktober 1969 noch einmal darauf hin, dass die Bundesregierung den Bündnisverpflichtungen loyal nachkommen werde, ohne freilich eine bequeme Regierung zu sein, auch verstehe er sich nicht als der Kanzler eines eroberten, sondern eines befreiten Deutschland.21 Vor diesem Hintergrund wuchs in Paris der Verdacht, dass die neuen Bonner Entscheidungsträger möglicherweise unter Umgehung der bestehenden Bündnisund Kooperationsstrukturen auf eigene Faust mit der Sowjetunion europäische Politik betreiben wollte. Dieser Verdacht war jedoch unbegründet, denn ein genauerer Blick auf die Motive, die der „Ostpolitik“ der sozialliberalen Koalition zugrunde lagen, zeigt, dass es sich dabei vom Ansatz her eher um eine Deutschlandpolitik gehandelt hat. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass Brandt sein Konzept vom „Wandel durch Annäherung“ erstmals 1963 in einem Vortrag in der evangelischen Akademie Tutzing einer größeren Öffentlichkeit präsentiert hatte. Dieser Vortrag hatte unter dem Leitsatz „Denk ich an Deutschland“ gestanden und war im Wesentlichen vom damaligen Leiter des Berliner Presse- und Informationsamtes Egon Bahr konzipiert worden.22 Während Bahr Brandts Ausführungen noch recht allgemein und in den Kontext der von Präsident Kennedy im Juni 1963 gehaltenen „Friedensrede“ gestellt und dessen darin formuliertes Schlagwort von der peaceful coexistence der beiden Blöcke zum Ausgangspunkt für ein Szenario genommen hatte, in welchem die deutsche Wiedervereinigung als nur in einem gewandelten Ost-West-Verhältnis möglich erschien, wurde er in seinen eigenen Ausführungen konkreter. Dabei entwickelte Bahr erstmals öffentlich seinen Plan von der Politik der kleinen Schritte auf dem Weg zur Lösung der deutschen Frage. Denn auch für ihn stand diese im Mittelpunkt seiner Überlegungen, gleichwohl ging er davon aus, dass die Voraussetzungen zur Wiedervereinigung nur mit der Sowjetunion geschaffen werden konnten, nicht jedoch gegen oder ohne sie.23 Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass Willy Brandt in den Jahren seiner Kanzlerschaft es nach Möglichkeit vermied, den Begriff „Ostpolitik“ zu benutzen und stattdessen „Entspannungspolitik“ bevorzugte.24 Diese Entspannungspolitik

21 Wilkens, A., Westpolitik, Ostpolitik and the project of the Economic and Monetary Union: Germanys European policy in the Brandt era (1969 – 1974), (1998) Journal of European integration history 5, S. 73 – 102 (73). 22 Vortrag des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Brandt, in der Evangelischen Akademie Tutzing vom 15. Juli 1963, in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), Dokumente zur Deutschlandpolitik, IV. Reihe, Bd. 9., Frankfurt a.M., S. 565 – 571. 23 Vortrag des Leiters des Presse- und Informationsamtes des Landes Berlin, Bahr, E., in der Evangelischen Akademie Tutzing vom 15. Juli 1963, in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Fn. 22), S. 572 f. 24 Hiepel, C., Willy Brandt, Georges Pompidou und Europa. Das deutsch-französische Tandem in den Jahren 1969 – 1974, in: Knipping, F./Schönwald, M. (Hrsg.), Aufbruch zum Europa der zweiten Generation. Die europäische Einigung 1969 – 1984, Trier 2004, S. 28 – 46 (40).

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sollte sich primär auf den europäischen Raum beziehen und musste daher mit den europäischen Partnern abgestimmt werden. Das Tandem Brandt/Bahr wollte die deutsche Frage also „europäisieren“, indem sie sie in den Gesamtkontext der europäischen Sicherheitspolitik einbetteten. Damit trugen sie zweifellos den politischen Gegebenheiten der 1950er und 1960er Jahre Rechnung, ebenso der Räson des europäischen Integrationsprozesses, der ja unter anderem deshalb eingeleitet worden war, um den Sicherheitsbedürfnissen der europäischen Nachbarn vor einem unabhängigen westdeutschen Teilstaat gerecht zu werden. Allerdings verlangte die Europäisierung der „deutschen Frage“ einige Vorleistungen in Form der Normalisierung des Verhältnisses der Bundesrepublik Deutschland zu den östlichen Nachbarstaaten einschließlich der Sowjetunion und der DDR. Denn die Anerkennung der Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen stellte für die östlichen Gesprächspartner die zentrale Voraussetzung für die Aufnahme geregelter Beziehungen zur Bundesrepublik dar. Damit handelte es sich bei den Verträgen einschließlich des Grundlagenvertrages mit der DDR, die Bonn Anfang der 1970er Jahre mit den östlich des „Eisernen Vorhangs“ gelegenen Staaten schloss, lediglich um Wegmarken auf dem Weg zu einer gesamteuropäischen Entspannungspolitik. Und wenn Egon Bahr am 17. August 1970 gegenüber US-Außenminister Kissinger betonte, dass die Sowjetunion angesichts der erkennbaren Entspannung in Europa beginne, sich zur EWG (sic!) als einer nicht mehr zu beseitigenden Tatsache neu einzustellen,25 so unterstreicht das zusätzlich die Notwendigkeit einer Betrachtung der deutschen Ost- und Europapolitik der frühen 1970er Jahre als einer Einheit. Zugegeben – diese Feststellung erfolgt aus der sicheren Distanz des Historikers. Aus der Perspektive der Jahre 1969/70 dürften sich die Dinge etwas anders dargestellt haben, insbesondere aus französischer Sicht. Schließlich verlangte die Einbettung der „deutschen Frage“ in eine größere europäische Ordnung zunächst aktive politische Maßnahmen seitens der Bundesregierung, die damit ihr auf der außenpolitischen Bühne Europas gewonnenes politisches Prestige gezielt einsetzte. Aber immerhin schuf sie mit ihrer Politik wesentliche Voraussetzungen für die Stabilisierung der politischen Verhältnisse in Europa. Damit begab sie sich in ein direktes Konkurrenzverhältnis zu Frankreich, das auch unter Pompidou zunächst noch das gaullistische außenpolitische Konzept eines Europas vom Atlantik bis zum Ural auf der Grundlage eines besonderen französisch-sowjetischen Dialogs verfolgte.26 Unter dem Eindruck der bundesdeutschen Politik erwies sich dies zunehmend als untauglich, Paris drohte gegenüber Bonn sogar ins Hintertreffen zu geraten. Vor diesem Hintergrund gewann das deutsch-französische Verhältnis an Bedeutung, dessen Grundlagen zwar mit dem Elyse-Vertrag von 1963 gelegt worden waren, das aber, wie bereits gezeigt wurde, bis zum Ende der Großen Koalition von einer deutlichen Asymmetrie zugunsten Frankreichs gekennzeichnet war. 25 Bahr, E., Aufzeichnungen, Berichte, Gespräche. Aus den Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1970, München 2001, S. 240. 26 Hiepel (Fn. 24), S. 40.

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Diese Asymmetrie konnte die Regierung Brandt-Scheel über ihre neue Ostpolitik nun weitgehend ausgleichen. Gleichwohl stellte ein „Verhältnis auf Augenhöhe“ auch im europapolitischen Denken Willy Brandts den Dreh- und Angelpunkt für eine Erfolg versprechende und zukunftsorientierte europäische Politik dar.27 Freilich wusste Brandt sehr wohl, dass er nur so weit gehen konnte, wie die Vier Mächte ebenso wie die anderen Gliedstaaten der EG zu gehen bereit waren. Eine Einbettung seiner Politik in diesen internationalen Kontext war daher unerlässlich. In Bezug auf die USA war das relativ unproblematisch, denn angesichts der eigenen Probleme in Vietnam war Washington über jede rationale und kalkulierbare Maßnahme froh, die dazu diente, die Stabilität in Europa zu sichern beziehungsweise sogar zu stärken. Hinsichtlich der deutsch-französischen Beziehungen bemühte sich der Bundeskanzler gezielt um Vertrauensbildung durch eine deutliche Steigerung der bilateralen Konsultationen zur internationalen Lage, sei es in Bezug auf die bundesdeutsche Politik gegenüber Osteuropa oder auf die Haltung Bonns zur Frage der europäischen Integration. Auch wenn es bereits unter Adenauer und dann erneut unter Kiesinger zu einer deutlichen Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen gekommen war, hatten diese sich erst nach dem Rücktritt de Gaulles und der dem Prinzip der außenpolitischen Gleichberechtigung gegenüber Frankreich folgenden Politik der sozialliberalen Koalition normalisiert. In gewisser Weise schlug in jenen Jahren also die Geburtsstunde des so genannten „deutsch-französischen Motors“ als Antriebskraft für den weiteren europäischen Integrationsprozess. Im Hinblick auf die EG bezog Brandt in seiner Stellungnahme auf dem Haager Gipfel von 1969 eine klare Position: Er bekannte sich ohne Einschränkungen zur Vollendung der Gemeinschaft auf dem Wege der Vertiefung und Erweiterung. Dies schien ihm unerlässlich zu sein, um das bisher Erreichte zu sichern und zukunftsfähig zu machen. Aus gesamteuropäischer Perspektive ging es ihm darum, mit der EG ein Instrument zu schaffen, das den Dialog zwischen Ost und West erleichtern sollte. „Wenn wir“, so hieß es in seiner Stellungnahme, „als freie, gleichberechtigte und friedliebende Partner ein gemeinsames Verantwortungsgefühl für Europa als Ganzes entwickeln und ihm durch unser Handeln Ausdruck geben, dann wird die Gemeinschaft nicht nur ein neuer Block sein, sondern eine exemplarische Ordnung, die als Bauelement einer ausgewogenen gesamteuropäischen Friedensordnung tauglich ist.28 Trotz einer unterschiedlichen Ausgangsposition waren die Voraussetzungen für eine konstruktive Zusammenarbeit der Gemeinschaftsstaaten bei der Suche nach Wegen zur Vertiefung der politischen Zusammenarbeit im Rahmen der EG im Herbst 1969 also günstig. In diesem Zusammenhang spielte nicht nur die notwendige Anpassung der Gemeinschaftsstrukturen an die mit der bevorstehenden Erweiterung verbundenen neuen Bedingungen eine Rolle, sondern auch der absehbare Machtzuwachs 27

Ebd., S. 38. Bundesarchiv Koblenz, Bestand B200 – 20, Bd. 1438, Entwurf der Eingangserklärung vom 20.11.69. 28

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im internationalen Kontext, mit dem die EG nach dem Vollzug der Erweiterung rechnen musste. Vor diesem Hintergrund befassten sich die Außenminister der Mitgliedstaaten im November 1969 mit dem Problemkomplex und prüften Möglichkeiten, wie eine Verbesserung der politischen Zusammenarbeit im Rahmen der EG erreicht werden konnte. Eingedenk des Scheiterns entsprechender, gleichwohl deutlich ehrgeizigerer Versuche – man denke an das Projekt der Europäischen Politischen Gemeinschaft im Rahmen des Pleven-Plans oder an die Fouchet-Pläne von 1961 – beschränkten sie sich darauf, Maßnahmen zur Verbesserung der Koordination der Außen- und Verteidigungspolitik der Mitgliedsstaaten im Sinne der Einrichtung eines Konsultationsmechanismus zu empfehlen.29 Trotz dieses recht unspektakulären Ansatzes sollte sich dieser hier erstmals in Erwägung gezogene Konsultationsmechanismus als Ausgangspunkt einer Entwicklung erweisen, die in letzter Konsequenz zur Formulierung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) als eigenständige Säule des Vertrags von Maastricht führte. Dass die Überlegungen vom November 1969 derart nachhaltige Folgen haben würden, war seinerzeit freilich nicht absehbar. Schließlich gab es für einen solchen Konsultationsmechanismus weder eine rechtliche Grundlage noch eine institutionelle Anbindung an die Gemeinschaftsstrukturen. Darüber hinaus hatten die 1960er Jahre unmissverständlich gezeigt, dass es unter dem Dach der EG keinen Konsens über die Ziele und Inhalte einer gemeinsamen Außenpolitik gab. Entsprechend behutsam mussten die Staats- und Regierungschefs mit diesem Thema umgehen, als sie sich im Dezember 1969 auf dem Haager Gipfel mit der Frage nach der künftigen Gestalt der EG und ihrer Institutionen befassten. Und entsprechend vorsichtig fielen die Aussagen der Gipfelteilnehmer über mögliche Formen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) aus. Willy Brandt schlug anstelle einer Festlegung auf bestimmte Verfahrensweisen die Einberufung eines Ausschusses vor, der Vorschläge erarbeiten sollte, wie in der Perspektive der Erweiterung am besten Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Einigung erzielt werden konnten. Dieser Vorschlag wurde wenig später mit Einberufung der „Arbeitsgruppe EPZ“ unter der Leitung des belgischen Diplomaten und späteren Kommissionsvizepräsidenten tienne Davignon realisiert.30 Konkreter fielen die Beschlüsse über die künftige gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik aus. In seiner Erklärung hatte Willy Brandt eindringlich die Schaffung einer „Wirtschafts- und Währungsunion“ gefordert, in der die Entwicklung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik möglichst zügig zur Einrichtung eines europäischen Wirtschaftsfonds führen sollte. Dabei stützte er sich auf ein im Juli 1969 von den sechs Finanzministern angenommenes Memorandum des französischen Kommissars Raymond Barre, das die Ausschaltung der für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik störenden Wechselkursschwankungen durch die Schaffung eines neuen, vom US-Dollar unabhängigen Festkurssystems vorsah. Auch wenn im weiteren Verlauf der Gipfelge29 30

Dazu: Elvert (Fn. 6), S. 91. Ebd., S. 92.

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spräche weitgehend Einvernehmen darüber erzielt werden konnte, vor weitergehenden Beschlüssen zunächst die bevorstehende Erweiterung abzuwarten, gelang es, einen Stufenplan zu formulieren, der zunächst eine bessere Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Währungspolitiken sowie die Schaffung kurz- und mittelfristiger Währungsbeistandsmöglichkeiten vorsah, um so dem Idealziel einer europäischen Währungsunion näher zu kommen. Frankreich hatte seine Zustimmung zu diesem Konzept abhängig gemacht von einem Beschluss zur „Vollendung“ des Gemeinsamen Marktes zum 1. Januar 1970, um „von der Übergangszeit in die Endphase der Europäischen Gemeinschaft einzutreten“ und dafür eine endgültige Regelung der Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) festzulegen. Dazu sollten die Beiträge der Mitgliedsstaaten gemäß Art. 201 des EWG-Vertrages schrittweise durch eigene Einnahmen ersetzt werden, um so den Weg zu einer vollständigen Finanzierung der Haushalte der Gemeinschaften zu ebnen. Mit Erfolg widersetzte sich Pompidou den Wünschen seiner Kollegen, im Gegenzug einer Reform der kostspieligen Agrarpolitik zuzustimmen. Hingegen stimmte er einem anderen Vorschlag zu, der vorsah, die Schaffung einer Gemeinschaftsfinanzierung zur Stärkung der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments zu nutzen und die Möglichkeit der Einführung einer Direktwahl des Parlaments zu prüfen. Damit war der Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion vorgezeichnet, der freilich schwieriger werden sollte, als es sich die Haager Gipfelteilnehmer im Dezember 1969 vorgestellt hatten. Dennoch spricht einiges dafür, dass die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition als Teil der Europapolitik der Regierung Brandt-Scheel binnen weniger Monate im Gemeinschaftsraum eine Dynamik entfaltete, die nicht nur die Stellung der Bundesrepublik Deutschland im europäischen Mächtekonzert erheblich verbesserte und dem KSZE31-Prozess den Weg bereitete, sondern überdies dem europäischen Integrationsprozess in erheblichem Maße eine neue Dynamik verlieh.

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Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Britain in Europe from Accession to the Thatcher Era Ilaria Poggiolini “The dilemma of a British Prime Minister over Europe is acute to the point of the ridiculous. Basically you have a choice: co-operate in Europe and you betray Britain; be unreasonable in Europe, be praised back home and be utterly without influence in Europe. Its sort of: isolation or treason.”1

My main argument in this essay is that the relationship between Britain and continental Europe has not been inexistent or empty, as many believe. Very unsatisfactory and stereotypical is the “all negative” argument of the British relationship with Europe – so popular in the UKs tabloid press – particularly if we focus on the post accession years. I will even go one step forward and argue that British policy towards Europe, since the 1970 s, contributed in some degree to the transformation of Community goals and practices and pushed forward an important process of reconciliation of British national interests with some areas of recognised collective interests within the Community. I would therefore stress the significance of this relationship in political-diplomatic terms more than discuss what it never was: a shared “vision” of the future of Europe which the continentals and the citizens of the British Isles could by no means have in common, lacking a collective memory of both their remote and recent past. The purpose to trace back the active side of British presence in Europe is twofold: firstly to discuss the birth of “Second Europe”, with the crisis of the original model of European integration and the need to push forward a revision of institutional goals and of the practice of intergovernmental collaboration, particularly in the area of external relations. Secondly, the paper intends to explore the achievements and limitations of British presence in Europe in the period 1969 – 1985: its lack of consistency as well as its contribution to reshaping the agenda of the Community in international relations and on the issue of the Single Market. It cannot be denied that from 1974 to Lady Thatchers leadership, Britains presence in Europe can be read as an uninterrupted clash on the question of the UK contribution to the European Economic Community (EEC) budget. A budget which was “an anomaly” from the start, being rooted in another contentious “anomaly”: that of the unbalance between the resources available in the Community and the portion of 1

Annual European Studies Centre Lecture by the Prime Minister Rt. Hon. Tony Blair PC MP, 2 February 2006, see: http://www.sant.ax.ac.uk/esc.

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the budget devoted to CAP (Common Agricultural Policy). Indeed, during the years following the leadership of Edward Heath, the political will in Britain to correct this “anomaly” grew as it did an equally strong political will to remain in the Community. The latter was based on a set of quite clear ambitions: to reinforce the intergovernmental dimension of European cooperation, to reduce disparities among regions in the Community, to liberalise the Internal Market, to adapt and transform relations with the United States and to develop a sense of specific responsibility and commitment towards the third world. I. Plans to exercise leadership In the first part of my essay I will focus on three points, all related to the question of what made enlargement possible in the early 70 s. I will also argue that the UK policy of accession contained elements of active involvement with European policy-making. 1. The first point regards the debate on accession in Britain. 2. The second focuses on the evolution of the EEC from the late 1960 s onwards, and on British understanding thereof it in view of accession. 3. The third point will centre on Ralf Dahrendorfs definition of “Second Europe” (1969 – 74): an enlarged Community providing creative, intergovernmental responses to the challenges of the decade, before proceeding to the following phase (“third Europe”), characterised by further advancement of the deepening process.2 The debate on the UK decisions to enter the EEC and on its consequences is still polarised between those who support the theory of the “missed opportunities” and those who see this turning point as a crucial moment in a difficult, but quite straightforward process of adaptation, on the side of Britain, to domestic and international changes and challenges. However, a certain degree of consensus among scholars and analysts has emerged and it regards the idea that accession was pursued by Britain as a “change of tactic”, within a classic framework of defence of national interest. The second British bid for accession to the EC in 1967, represented a major step in this direction. It was a “successful failure”3 on the path of British accession because it did not make it possible then, but it put the question of enlargement firmly on the agenda of the Community and activated a slow but steady process of change of attitude towards Britain within the Europe of the Six. No doubt the shift by France from rejection to acceptance of Britain as an equal partner after the end of de Gaulles era and the growing distance between Europe 2

Dahrendorf, R., Plädoyer für die Europäische Union, Munich 1973, pp. 75 – 85. See Daddow, O., The Historiography of Wilsons bid to join the EEC, in: Daddow, O. (ed.), Harold Wilson and European integration: Britains second application to join the EEC, London 2003, pp. 1 – 36; on Britains diplomacy towards the Six and Harold Wilson European policy in the years 1964 – 67 see: Parr, H., Britains Policy Towards the European Community, London 2006. 3

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and the United States determined the fate of the last two British requests to join the Community. In the end, Pompidous commitment to enlargement, as opposed to de Gaulles veto, and Heaths approach to transatlantic relations to be balanced with the creation of a stronger European voice, made the first enlargement possible. My argument is that once the main goal of accession was achieved, the UK government planned to make a success of this new reality. Limited accessibility of sources is not the only reason for the degree of neglect dedicated in the past to accession and post-accession British policies.4 The dominant narrative on the UKs uneasy relationship with Europe tends to overshadow everything else and to discourage scholars from closer investigation.5 Uneasy, reluctant, or awkward in dealing with the continent, Britain is usually described as a nation which missed, again and again, the opportunity to influence the process of European cooperation from inside. New narratives, pointing at some elements of creativity in British policy towards the Community/Union, struggle to emerge.6 “In a certain sense”, Con ONeil7 wrote, “the whole of our negotiations were peripheral, accidental and secondary. The general movement of events in 1969 and 1970 revived the opportunity and was much more important than the negotiations themselves. What matters was to get into the Community […] the negotiations were concerned only with the means of achieving this objective at an acceptable price. They therefore had to be concerned with the Community as we found it, as it happened to be. None of its policies was essential to us; many of them were object able. But in order to get in we had either to accept them”. Britain was ready to pay a high price for entry in the EEC, but were the Six equally keen to open the door of their club for the first time? Again, in ONeils words: “The position of France was so overwhelmingly central to the negotiations and the attitude of the other five Governments was […] of relatively little consequence to the outcome that it would be easy to conclude that what the Five thought and did hardly mattered”. However, “their collective pressure helped in most cases to wear down more extreme French positions and bring the Community as a whole towards positions within reach of our requirements”.8

4

Daddow, O., Britain and Europe since 1945: Historical Perspectives on Integration, Manchester 2004; Poggiolini, I., Alle origini dellEuropa allargata. La Gran Bretagna e ladesione alla CEE (1972 – 1973), Milan 2004. 5 Kaiser, W., A Never Ending Story, (2002) British Journal of Politics and International Relations 4, pp. 152 – 165. 6 A new narrative which includes the British case is: Möckli, D., European Foreign Policy during the Cold War. Heath, Brandt, Pompidou and the dream of Political Unity, London; New York 2009. 7 Sir Con ONeil was the senior diplomat who led the British delegation during negotiations, see: ONeil, C., Britains Entry into the European Community, Report by Sir Con ONeil on the Negotiations of 1970 – 1972 (edited by Sir David Hannay), London 2000, p. 355. 8 Ibid., p. 311.

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This analysis confirms the importance of the political decision in favour of enlargement taken at The Hague Summit in December 1969 and the centrality of France in advancing and implementing this decision during negotiations and in bilateral diplomacy, particularly on the occasion of the celebrated Heath-Pompidou meeting of May 1971. According to relevant documents released in July 2005, Heath told Georges Pompidou that “even if Britain wanted it” it was now impossible to embark on a “satisfactory partnership” with America given the “disparity of power” between them.9 These documents also shed light on some inhibiting factors – on the French side – obstructing the path towards enlargement and deepening in Europe, mostly the desire “to remain independent”. President Pompidou openly expressed his concern that the UK would reopen the question of majority voting in the Community and therefore increase the fragility of the Luxembourg “armistice” on unanimity. A meeting between Heath and Pompidou was arranged not because the PM and the President were more capable than their teams to narrow the gap between national negotiating positions, but rather because they had the power to decide – on the French side – “not to strip the British bare” and on the British side – “to put both feet in Europe”.10 In domestic politics, Heath presented public opinion not only with a clear “economic case” for entry – definitely much less unsound in the early days of accession negotiations than after entry – but also with a promise to take Britain constructively into the decision-making process of the Community. Heath, however, carefully avoided elaborating on the consequences of entry on national legislation and policies.11 This ambiguity may have seemed justified at home, at the time, by the urgency to join the Communitys policy-making and to influence the internal debate on communitarian and intergovernmental methods. The gloomy atmosphere of the early post-enlargement years in Europe was a marked disappointment for those who had believed in the 1969 Hague relaunch. Europeans shared a sentiment of apprehension regarding their marginality within the global scenario, and in relation to American interests and policies. Sharp differences characterised dtente  lEurope: a process of attrition, projected on the medium-long

9 See Margaret Thatcher Foundation: www.margaretthatcher.org. As argued by Piers Ludlow, these particularly relevant, newly released papers have filled in the final gap in our knowledge of how Britain persuaded the French to drop their opposition, begun by President Charles de Gaulle, to British membership of the EEC. See his interpretation, in: Ludlow, N. P., The European Community and the crises of the 1960 s: negotiating the Gaullist Challenge, London 2006. 10 Margaret Thatcher Foundation, Heaths Secret Files, PREM 15/368, EEC Application, April 1971. 11 Young, J. W., Britain and European Unity 1945 – 1999, London 2000, p. 106; see also Kitzinger, U., Diplomacy and Persuasion, London 1973. An interesting perspective on accession is provided by Lord, C., British Entry to the European Community under the Heath Government, London 1993.

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term, and the duel between giants that the super-powers still enacted while talking about arms reductions and diplomatic dialogue across the borders of the Cold War.12 In a very fragmented scenario, the intense and effective European cooperation in preparation of the Helsinki conference made the American administration suddenly aware of its allies capacity to act as a European team, rather than as separate actors. The evolution of European Political Cooperation (EPC) from the original Davignon set-up, seemed to endorse the idea of improved relations between the two sides of the divide in Europe, but in order to function it needed the UK in and lack of opposition from the United States. France remained cautious to expand the institutional mechanisms of EPC (particularly if it meant the creation of a Secretariat to service the Davignon system).13 On the contrary, Britain – until mid 1974 – was determined to embrace and certainly inclined to strengthen the EPC method. Old aims – Heath argued – could be pursued in a new forum, but this argument left unconvinced the sceptical public and many politicians at home, including those in the Conservative party who opposed the very essence of UK membership in the Community.14 After Heath left government, all British Prime Ministers, from Wilson to Thatcher played very successfully into the stereotype of an extremely ungracious British presence in Europe, obsessed with its own decline. Alan Milward questioned this narrative convincingly; he argues that a pragmatic “national strategy”, not the political habit of an unchecked, over-ambitious self-evaluation, guided Britain in its adjustment to Europe.15 Indeed, the accession process in the early 70 s shows, on the British side, a high degree of “adaptation” to the reality of Europe. Heath had been well aware of the importance to direct British membership towards the creation of “Second Europe”: a more cohesive and industrial Community than the previous one, with a new, redesigned set of external relations and a mechanism directed at harmonising the Nines foreign policy. Surely, thinkers such as the Sociologist Ralf Dahrendorf (a very active, definitely non-federalist, Commissioner for trade and external relations in the Community of the early 70 s) and the Economist Arthur Shonfield, had a clearer idea than Heath of how to turn “Second Europe” away from a highly centralised structure and towards a liberal political and economic model which also recognised its responsibilities in dealing with Eastern Europe and the developing world. The Nixon administration did fret about the competition which could come from a rich, strong and independent Community. Indeed, the run up to the Helsinki conference had confirmed that “Second Europe” was capable to advance and sustain independent ideas if the US let the Europeans take centre stage in diplomatic negotiations. One could argue that the success of EPC – if it had continued after the conclusion of

12 Bennet, G./Hamilton, K., Documents on British Policy Overseas: Dtente in Europe. 1972 – 1976, Vol. 3, Whitehall Histories, London 2001. 13 Möckli (fn. 5), pp. 56 – 93. 14 Young (fn. 11), p. 106. 15 Milward, A. S., The Rise and Fall of a National Strategy 1945 – 1963, London 2002.

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the Helsinki process – could have persuaded Britain to persist in its involvement in broadening the scope of EC external relations. The history of British transition from post-accession diplomacy to full membership does point in this direction: at the Paris Summit in 1972, the first the UK attended, EPC had emerged – with full British support – as a pragmatic system of cooperation at the intergovernmental level. This seemed to be a guarantee that both “communitarian” and intergovernmental methods had been now recognised as wholly legitimate within the enlarged Community. Regarding the need to renew external relations, the commitment to existing alliances was balanced with another pledge to advance the European position in world affairs. The Davignon mechanism was reinforced by a more intense, recognised structure of meetings with the purpose to intensify the process of consultations in foreign policy. The follow up from the Summit is also worth mentioning: in 1973 the Copenhagen Report on collective diplomacy was produced and the following year the formalisation of the existing summitry practices (the European Council), became a reality. EPC had become an effective tool which was making the EEC “visible” in international relations. From the British view point, since the Paris Summit of 1972, EPC represented a very concrete experience of equal cooperation with France and Germany and even the opportunity of eroding French absolute hegemony within the Community in the area of EC external relations.16 II. The price of accession Cooperation in EPC was an example of how the price of accession paid by Britain could be balanced with medium-long term political gains, if the Community decided to accept the UK as an active player in the policy-making process. Certainly, this positive balance would have implied that Britain was successful in moving the European process towards a set of goals compatible with its foreign policy. Heaths complete failure in domestic policy cut short the experiment, and we can only guess how it would have developed over the years if he had stayed in office longer. However, as part of the British process of adaptation of national strategies, which continued in 1972 and was going to develop further, accession negotiations represented one important move in a very labyrinthine path. It was the overall process of adaptation of national strategies which brought Britain in Europe and contributed to the first profound transformation of the Community. The link between entry, change and renewal within the EEC is undeniable, even now, after decades of uninterrupted enlargement. The first enlargement moved forward the process began at The Hague and prompted the reassessment of European external relations, the promotion of social and regional policies and the revision of institutional policy-making in the EEC. In other words, enlargement brought to the fore the question of how to expand and deepen 16

This thesis is discussed in Poggiolini (fn. 5).

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the process of cooperation in Europe at a time when all political, military and financial certainties, cultivated in the early Cold War years, had to be abandoned.17 Heaths domestic defeat in 1974 was a set-back. However, the UK remained firmly “in”, though replacing an attitude of confrontation with one of cooperation. As pointed out by Young, referring to previous works by George18: “The vital point about Heath, when compared to the succeeding three Prime Ministers, was that he was communitaire in his behaviour: no one could doubt his deep commitment to the Community; he did not pursue the myth of the special relationship to the detriment of EEC cooperation and he was popular with others European leaders”. I would add to this observation that Heath was also perfectly aware of the double communitarian and intergovernmental nature of the Community as it presented itself in the early 70 s. He believed that Britain could operate at both levels, pushing through policies (such as regionalism) at the communitarian level and schemes of cooperation (such as EPC) as result of intergovernmental bargain. Wilson, once back in government, opted for a strategy of renegotiation of the terms of entry but did not pushed it too far. His claim was made in order to obtain a deal which could justify the full re-engagement of Britain with Communitys affairs.19 The EEC was still perceived by many as an economic story of success (particularly if compared to the very poor economic performance of the UK at the time) and the split in the Labour Party between the Jenkins (pro-marketers) and Benns factions (antimarketers)20 was based on the allegation that Wilson had mishandled the process of renegotiations. Wilson and Callaghan were accused (by ministers such as Foot, Castle and Benn) of not having obtained a satisfactory revision of the diplomatic deal negotiated by Heath. The referendum campaign saw the “pro” groups21 taking a lead in the campaign thanks to the organisation “Britain in Europe” chaired by Sir Con ONeil, now retired from the diplomatic service. ONeil had directed the British delegation at the negotiation table and written a full report of the diplomacy of accession for the Secretary of State at the end of his mandate. On the opposite front, the “National Referendum Campaign” coordinated anti-market groups. Former Prime Minister “Ted” Heath, having lost the leadership of the country to Wilson and that of the Party to Thatcher, campaigned very effectively in partnership with Roy Jenkins, Labour but moderate and an old acquaintance from the Oxford years. Wilson himself supported the “yes” vote and considered the result of the referendum a personal success. 17

Kaiser, W./Elvert, J., European Union Enlargement. A Comparative History, London

2004. 18

George, S., Britain and European Integration since 1945, Oxford 1990, pp. 50 – 53. Benn, T., Against the Tide: Diaries, 1973 – 6, London 1989, pp. 116 – 135. 20 Hug, S., Voices of Europe. Citizens, Referendum and European Integration, Oxford 2002, p. 36. 21 On the referendum campaign see: Butler, D./Kitzinger, U., The 1975 Referendum, London 1976. 19

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Direct democracy put an end to the anxieties of the domestic pro-marketer groups and of those on the continent who feared that Britain could opt for an exit strategy from the Community. Following the referendum, the process of revision of the terms of accession took centre stage. In the meantime, the economic situation had worsened to the point that Alan Greenspan (who was White House Chairman of the Economic Advisers at the time) wrote to President Ford, with a quote from “The Economist”, describing: “the crumbling financial and fiscal condition of the United Kingdom”. Indeed, Greenspan feared that the US could do in the future as badly as Britain.22 The previous January, Henry Kissinger had also gone quite far and argued, in a conversation with the American President on energy matters, that: “Britain is a tragedy; it has sunk to begging, borrowing, stealing”.23 During the months following Thatchers victory in the two rounds of balloting for the leadership of the Conservative Party (against Heath first and William Whitelaw in the second round, when she obtained 148 votes and her opponent only 79), the discussion within the party on how to respond to the domestic crisis became increasingly intense.24 Thatchers victory definitely surprised the American administration, but her first visit to the US, in September 1975, was carefully prepared, though elections in Britain were not expected soon. Thatcher herself, though a critic of dtente policy in the US, made a success of her first visit. Inputs sent back to the Foreign Office were very positive: “Mrs Thatcher got what she wanted out of this visit, both in terms of putting herself across as a political leader to be taken into account and in terms of getting a great deal of publicity in Britain”. Even her remarks as leader of the party in opposition did appear to some as an open critic of the government back in Britain, but “the substance of what she said (as distinct from the way the press presented it)” – it was observed by the State Department – did not “merit such complains”. According to the British Embassy in Washington, “Mrs Thatcher made no bones about her political beliefs on such issues as public expenditure, nationalisation, egalitarianism, the limits of the welfare state and state intervention. This line lent itself rather easily to over-simplification […] and she took pains then to put her remarks into perspective”. It also helped that she “did not try to minimise the problems which we faced, but she repeatedly emphasised her belief that she would overcome them”. American reactions had obviously less to do with domestic British issues and more with the interest for an uncompromising politician who had attained the leadership of the British Conservative Party: “a great deal of American interest in Mrs Thatcher was engendered by her curiosity value as the first woman leader of a major political party in the western world; as well as by her forthright condemnation of socialism in her first 22 Greenspan, A., Memorandum for the President, April 23, 1975, Ford Library CO 160 Box 56, Margaret Thatcher Foundation. 23 Kissinger conversation with President Ford, Ford Library NSC NSA Memcons Box 8, Margaret Thatcher Foundation. 24 Conservative Research Department to Mrs Thatcher and all members of the Leaders Consultative Committee, Discussion paper, April 1975, Thatcher record, Thatcher MSS, Margaret Thatcher Foundation.

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public speech”. Thatcher never made herself a prisoner of gender issues, but she had no hesitation to make public professions of her anti-communism. Her American tour was a success. She was received by senior members of the Administration (including the President, Vice-President, the top Cabinet Ministers and a number of leading figures) and “received coverage in the media on a scale normally given only to major newsworthy figures”.25 While Mrs Thatcher was making her entry in the international political arena, two more Labour governments, led by Wilson (who resigned in March 1976) and by his successor, Jim Callaghan, remained powerless in confronting an even deeper economic crisis. Following the refund deal in 1975, Britains net contribution to the EEC budget continued to risen in the years 1976 to 1980 when, completed the transitional period, Britain reached the stage of full membership. In the fall of 1976, Callaghan accepted mid-1978 as the date for the first European elections which had been agreed on since the 1974 Paris Summit. The British government was divided on the issue, including the revision of the British electoral system in view of European elections. Domestic difficulties slowed down the preparation for the first European elections in Britain, with direct repercussion on the EEC electoral process which had to be shifted to the year 1979. On another fundamental development in the Community: monetary union, Callaghan remained on the margins of the debate. In January 1977, Schmidt and Giscard had supported Roy Jenkins candidature as President of the European Commission. Jenkins had hoped to be Prime Minister in Britain,26 but the Community was his second choice and his candidature appealed to many on the continent after his open stand in favour of British presence in Europe during the referendum campaign. The first semester of 1977 was also the first experience of Britain in the chair of the European Presidency. All together, the final period of Labour in power, before the victory by Margaret Thatcher, showed no signs of a constructive British presence in Europe. The relaunch of monetary union, on 27 September 1977, at the European University Institute (EUI) in Florence, by the President of the Commission, Roy Jenkins (Labour), was matched by the lack of enthusiasm of the Prime Minister, Jim Callaghan (Labour), to become involved in constructive talks on the matter. At the Copenhagen Summit in April, Schmidt spoke in “strongly anti-Carter terms” and Callaghan “concentrated on his fear that what was proposed might appear as anti-dollar and might therefore be divisive from an Atlantic point of view”. Negotiations on the European Monetary System

25

Mrs Thatchers visit to the United States, Derek Thomas North America Dept., 30 September 1975; R M Russell, British Embassy Washington to North American Department FCO, Mrs Thatchers visit, 25 September 1975, in Newly declassified British Govt. archives from 1973 – 75, Margaret Thatcher Foundation. 26 Young, H., This Blessed Plot. Britain and Europe from Churchill to Blair, London 1998, p. 300.

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(EMS) continued with the presence of a British delegation which was withdrawn by the Chancellor of the Exchequer, Denis Healey, in September.27

III. Hopes running in the sand? The Conservatives won the elections in the spring of 1979 with a Manifesto which did not question British presence in Europe. Nevertheless, “Thatcherism” was going to have a direct impact on UK European policy of cutting the costs of British membership and opposing social and political “deepening” in the Community. It also shaped the UK approach to negotiation of the Single European Act (SEA). Early on in Thatchers leadership the political debate among scholars and practitioners pointed at two paths opened to the UK in Europe: that of taking on the issue of “democratic deficit” of European institutions and to revive British interventionism in the area of regional policy as the correct way of planning regional development. The second option was to push for a dramatic expansion of the Common Market to the effect of cutting regulations and radically opening up opportunities for intervention across the borders of the Member States.28 Public opinion paid very little attention to complicated and abstract options of this kind or even to the first direct elections of the European Parliament, in June 1979.29 Within a regional and global scenario which had failed to justify the economic case for British entry – in the terms anticipated back in the 1960 s – British public opinion did not reject accession to the EEC but could find very little ground for enthusiasm. The Foreign Office, on the contrary, remained largely pro-European, or at least convinced that Britain should fight for leadership in Europe by pushing forward constructive ideas.30 Margaret Thatcher aimed first of all at the reduction of the British contribution to the EEC budget. It is not my intention to reconstruct here the process of tough bargaining on the “rebate” which ended at the Fontainebleau Summit on 25 – 26 June 1984, when Mitterrand, Kohl and Thatcher herself, finally agreed on its amount. Thatchers memoirs liquidate the matter as following: “The resolution of this dispute meant that the Community could now press ahead both with the enlargement and with the Single Market measures which I wanted to see. In every negotiation there comes the best possible time to settle: this was it”.31 That “was it” indeed, but were the scars left on the protagonists as deep as some argue, or after all, quite superficial? 27 Jenkins, R., European Diary, London 1989, p. 247; see also Ludlow, P., The Making of the European Monetary System: a case study of the Policy of the EEC, Oxford 1982, pp. 37 – 80. 28 See the Proceedings of a conference organised by the Royal Institute of International affairs in 1979 in: Wallace, W. (ed.), Britain in Europe, Oxford 1980. 29 De la Serre, F., La Grande Bretagne et la Communaut Europenne, Paris 1987, p. 6. 30 Young (fn. 11), p. 128. 31 Thatcher, M., The Downing Street Years, London 1993.

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Former diplomat Dame Pauline Neville-Jones (now Baroness Neville-Jones) spoke on this subject in the course of a witness seminar on the Thatchers years at Churchill College, Cambridge. She said that to settle the British “rebate” was not possible within the boundaries of existing EEC rules. This meant that the style of negotiations had to be highly antagonistic in order to produce results, ultimately making it possible to break those rules. The deal made justified the way it was negotiated also according to Geoffrey Howe, then Foreign Secretary. He had a central role in behind the scene negotiation together with two diplomats: David Hannay and Robin Renwick.32 Sir Stephen Wall – for twenty years in the Foreign Office dealing with European issues, for five ambassador to the EU and later EU adviser to Tony Blair – was involved in negotiations for all EU treaties from the SEA to the EU Constitution. He argues in a recent book, that without Thatchers obstinacy the outcome of the rebate would have not been secured.33 This is difficult to dispute but the question is whether Thatcher handling of the quest for a rebate can be considered the main cause for stagnation in European cooperation in the early 80 s. In other words, was Thatchers “insistence on national sovereignty” so “unreal” as historian David Reynolds has argued?34 One can argue that in the phase that led to the Fontainebleau Summit, Thatcher proved that she was an extraordinary and effective negotiator, but at the cost of losing credibility as an equal partner in the relaunch of the EEC, a goal that Mitterrand and Kohl pursued with determination once the rebate was settled. Thatchers victory on the rebate meant that all other members could only lose financially, particularly Germany. As she pointed out, “despite being a socialist”, Mitterrand “had intellectual quality”.35 Thatcher admired Mitterrand almost as much as she disliked Kohl. Mitterrand reciprocated her admiration as testified by his flamboyant, unforgettable comment on her eyes being of Caligula and her lips of Marilyn Monroe. The deal on the British rebate was a success for the UK: the arrangement would have the same life span of the new ceiling on the Communitys own resources and could only change by majority voting. Thatchers successor, Prime Minister John Major, maintained the British side of this deal and so did Tony Blair, though he 32

Dame Pauline Neville Jones comments at the seminar “Making Foreign Policy in the Thatcher era and beyond: a tribute to Sir John Boyd KCMG”, Churchill College Cambridge, 6 February 2006. Neville Jones is a British Diplomat who was Deputy and Chef de Cabinet to the Budget and Financial Institutions Commissioner Christopher Tugendhat in 1977 – 1982 and later on, Political Director of the FCO. See also: Howe, G., Conflict of Loyalty, London 1994, pp. 399 – 402. 33 Wall, S., A Stranger in Europe. Britain and the EU from Thatcher to Blair, Oxford 2008, pp. 31 – 40. 34 Reynolds, D., Britannia Overruled: British Policy and World Power in the 20th Century, 2nd edition, Essex 2000, pp. 266 – 267. 35 Young (fn. 26), p. 321.

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made a concession in 2006 in order to exclude the EUs expenditures in the new accession states from the calculation of the rebate. However, the fact that the CAP was only marginally affected by the discussion on the budget established a negative precedent for Britain. It meant the lack of a certain link between the “rebate” and the portion of the budget devoted to the CAP itself. This could explain why in 2006, Tony Blair was still unsuccessful in convincing the EEC partners to discuss CAP and the British rebate as an intertwined issue. Mrs Thatchers almost “unreal” “insistence on national sovereign”, as Reynolds puts it, was at the basis of her success on the “rebate”, but this victory had a very heavy impact on the follow up after Fontainebleau. With different degrees of fervour, the single market idea was now a shared objective in Europe. Thatchers desire to liberalisation at home and in Europe, Mitterrands desire to be the protagonist of a memorable relaunch of the Community, German commitment to integration and to the revival of catholic Europeanism inspired to “solidarism” and, soon, the arrival at the Commission of Jacques Delors, created a new window of opportunities open to Britain, as to all Member States. However, what we did not know until the publication of Stephen Walls book is that the UK delegation, at the Fontainebleau Council, did not just watch Thatchers successful charge against her partners over on the issue of the rebate. At Fontainebleau, the UK delegation circulated a Pamphlet with the title: “Europe of the Future” which aimed at demonstrating how clearly Britain could see the future of European collaboration and its role therein.36 The pamphlet prepared by a team of the Foreign and Commonwealth Office (FCO) and Cabinet officials: Robin Renwick, Michael Butler, Julian Bullard and David Williamson, does make for surprising reading. It was much more than a call for the Single Market. It called for: actions to make the Community relevant to its people; preservation of the CAP combined with corrections of the policy distortions; better cooperation in research and development; environmental responsibility alongside the quest for economic growth. The Pamphlet also envisaged a flexible Europe with some going faster than others, but the opportunity for all to catch up; the progressive achievement of a common external policy; improved European defence cooperation with Europe accepting a larger share for its defence and reform of some of Europes institutions.37 Finally, Thatchers ambitions to play a role in Europe after the “deal” should not be artificially separated from her Eastern European policy, particularly in her second term. According to Archie Brown, from 1983, Thatcher deliberately set out to play a greater role in foreign policy. This included a considerable commitment to engage with Eastern Europe even before she had met Gorbachev. The Foreign Offices “Action program” described “pluralisation” of the Soviet system “as a conscious goal” and a strong and active policy in Eastern Europe aimed at encouraging tendencies 36 37

Wall (fn. 33), p. 41 – 42. Ibid., p. 41 – 42.

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to collaborate with countries outside the Soviet bloc. Thatchers visit to Hungary and Budapest and Howes visits to five Eastern European states in 1985, were designed to support a complex balancing act by Britain in Eastern Europe which implied engagement with both governments and oppositions.38 Lack of flexibility on Thatchers side could have been partly responsible for her fall into a trap at the Milan European Council in June 1985. However, exchanges between Thatcher, European leaders and the President of the European Commission before Milan did create the illusion that Britain could still avoid treaty change at the Milan European Council. With the decision to open a new Intergovernmental Conference (IGC), following a vote directed primarily against Thatcher, the Six demonstrated their confidence in making use of majority voting against Britain. The founding members of the Community continued to see the British as problematic outsiders and were ready to fight for their own priorities. Their wish to create the single market was inseparable from the revival of the process of institution building and linked with an aspiration to negotiate a new European treaty. After the clash at Milan, the atmosphere remained bitter among EC members, adding up to the damage already done by the dispute with Britain over the budget. One can agree with Reynolds and Young that the clash between Thatcher and her partners over the creation of the IGC was based on her view of how to defend British national interests. Indeed all major players in Europe were moved by similar motivations. Only Thatcher, however, “did not deal in the hypocrisy of pretending her policy had universal benefits”.39 She had disagreed with Geoffrey Howe, her foreign Secretary appointed in 1983, on the need to come to terms with the creation of the IGC. Indeed, she was convinced that British membership of the Community to begin with and all incremental moves towards centralisation of power in the EEC since then, had contributed to strengthen the influence of the Foreign Office in Whitehall. Stephen Wall agrees that a gap opened between Number 10 and the FCO in the second part of the 1980 s, but rejects Thatchers allegations of FCO vested interests in Europe at a time when the Foreign Secretary and the Foreign Office were sharing more and more the responsibility on European matters with both the Treasury and the Cabinet Office.40 Thatcher remained firm in her rejection of an exit strategy from the Milan crisis which would encompass mediation. However, she finally decided that: 38 Brown, A., The Change to Engagement in Britains Cold War Policy: The Origins of the Thatcher-Gorbachev Relationship, (2008) Journal of Cold War Studies 10, pp. 3 – 47; Poggiolini, I., Thatchers double track road to the end of the cold war: merging liberalisation and preservation, in: Paper presented at the International Conference, “Overcoming the Iron Curtain. Visions of the End of the Cold War in Europe” 1945 – 90, Sorbonne, Paris, 12 – 14 June 2008, to be published in 2009. 39 Young (fn. 11), p. 139; Reynolds (fn. 34), p. 267; on the Milan episode see Wall (fn. 33), pp. 58 – 61. 40 Wall (fn. 33), pp. 57 – 61.

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Ilaria Poggiolini “We would take part in the IGC: I saw no merit in the alternative policy – practiced for a time in earlier years by France – of the so-called empty chair. There has to be a major matter of principle at stake to justify any nations refusing to take part in Community discussions. That was not the case here: we agreed with the aims of enhanced political co-operation and the Single Market; we disagreed only with the means (i. e., the IGC) to affect them. In general too, I believed that it was better to argue our case at the earlier stage, either in the Council or the IGC, rather than in the last ditch, when the proposals had become an amendment to the Treaty of Rome. My calculation here, however, depended upon fair dealing and good faith in discussions between heads of government and with the Commission. As time went on, I had reason to question both”.41

In preparation of the 2 December, 1985 Luxemburg European Council, Thatcher felt that Kohl was “more of the social than of the economic Right”, and that Mitterrand, “whatever he said to me in private”, would in the end see as a priority to keep “the Germans bound into the European Community”. The PM was also expecting that at the forthcoming Summit, the French would “press hard for closer European Union, since this is the phrase which allows both nations to pursue their own national interests with respectability”. Thatcher would not do the same. She was openly in favour of the creation of a single European market and made clear that this was her “overriding positive goal”, but she also opposed the permanent enhancement of the role of both Parliament and the Commission, though she accepted that the latter had to be given the necessary power to create and implement the Single Market. Finally, Thatcher deeply wished to dilute her partners commitment to economic and monetary union.42 The IGC Thatcher had not wanted but decided to join – having refused to “empty” the UKs chair in the Community – ended with the completion of the draft “Single European Act”. This first revision of the Treaty of Rome was approved by the Member States – including Britain – at the Luxemburg Council in December, opening the path to the Single Market completion but also to significant reforms of the EEC institutions and to monetary union: two goals the UK government had opposed and ultimately failed to prevent. The historiography on the process leading up to the SEA is in its infancy, nor has the Thatcher/Delors relationship with its phases of cooperation and confrontation, been fully understood. One point, however, is already quite clear: Thatcher was not an obstacle on the road to the SEA and quite admired Delors in the early days of his mandate. Notwithstanding his background as a French Socialist imbued of Catholic solidarism, she mainly approved of him because he had contributed to Mitterrands conversion from Socialism to a flexible form of dirigisme.43

41

Thatcher (fn. 31), p. 55. Ibid., pp. 552 – 553. 43 Young (fn. 26), pp. 327 – 328; Gillingham, J., European integration 1950 – 2003. Superstate or New Market Economy?, Cambridge 2003, pp. 165 – 168.; Wall (fn. 33), pp. 62 – 86. 42

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The early convergence of view between these two extraordinarily different and powerful personalities: Thatcher and Delors, later turned into open clash on fundamental issues, including the role of Arthur Cockfield, the British Commissioner for the Internal Market Tax Law and deputy President of the first Delors Commission. Thatcher, after becoming leader of her Party, had awarded Cockfield a peerage and the role of adviser. In 1982 he was appointed Secretary of State for Trade in Britain. With very strong encouragement from Thatcher, Delors gave him the task of coordinating the completion of the Single Market. While carrying on this task, Cockfield progressively distanced himself from London and embraced Delors mission in making the completion of SEA a success. In 1985, when the Single European Act was signed, Thatcher seemed pleased and no particular opposition emerged in Parliament when its approval came on the agenda. However, only a few years later, the Conservative narrative on the Act turned very sour. In their belated disappointment the Conservatives argued that the government of Mrs Thatcher had been unaware of the section of the Act which contained a commitment to the growth of Communitarian cooperation.44 One can argue that not unawareness of the contents of the treaty but different views of what SEA should and could achieve caused disappointment once the process of implementation was completed. Thatcher always wanted the Act to be about: a straightforward completion of the Single Market. Delors, on the contrary, saw the Act as act one of a play which would have Economic and Monetary Union as its pice de rsistance. In other words, Thatcher wanted SEA to be the main project Europe was embarking on in the 80 s and Delors saw it as a precondition to European Monetary Union (EMU). This was no misunderstanding; Delors and Thatcher knew that their convergence could only be tactical and that their views of Europe remained irreconcilable. What still needs to be understood is for how long the two leaders expected that the label “Single Market” would cover up the incompatibility of their pursuits. Lord Cockfield wrote: “The Single European Act is immensely important both in constitutional and legal terms. It clearly defined and gave legal backing to policies which were to form the future development of the Community. There could be arguments over detailed contents but no longer could anyone legitimately argue that Economic and Monetary Union and Social Policy, for example, were not agreed and accepted Community policies to which effect must be given. To a considerable degree this has still not been taken on board by the British political establishment, still less by the media.”45

In his book and interviews, Lord Cockfield also claims that too many attempts to rewrite history have been made, starting from the main protagonists: Delors and Thatcher. 44 45

Young (fn. 26), pp. 336 – 337. Lord Cockfield, The European Union: Creating the Single Market, London 1994, p. 65.

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Both the former and the latter modified their attitude towards SEA, as time went by. Lord Cockfield felt he had been made the main casualty in Britain among the actors involved in constructing and implementing the SEA: “You will recall Orwells 1984 when Goldstein was removed from all the pictures and records. For years the Conservative Party removed me from everything that was said or went out relating to the Single Market”.46 Thatcher certainly did not share Cockfields view that EMU and Social Policy had been made mandatory by SEA and saw her former adviser mostly as a traitor of Thatcherism. SEAs approval in the UK and British full acceptance thereof in 1985, were perceived on the continent as a spectacular evolution in the countrys attitude towards Europe. In reality, Thatcher had always favoured the liberalisation of the European market and when SEA was signed, she firmly believed that this goal was achieved at the only cost of minor adjustments in the institutional balance of power within the EEC. Whether it was clear to her that as result of SEA, EMU was going to be at least as important a goal as the market, Geoffrey Howe, then Chancellor of the Exchequer, recalls that Thatcher had opposed the idea to incorporate EMS into the treaty. According to this narrative, the German government had taken the UK side early on, but relented to French pressures and let EMU find its way in the treaty. In the end Howe remained convinced that the governments view had prevailed, notwithstanding Cockfields embrace of the Communitys culture: “Tax structures would thus to remain primarily a matter for national governments. Cockfield had already become a champion for the other harmonising, unifying side of this argument. But we all felt, Margaret, Nigel (Lawson) and I – equally strongly that Arthur had been pressing this case too far; and that any market distortions arising from tax diversity would iron themselves out through fiscal competition in due course. With that view we were able, happily, to carry the day.”

Howes conclusion is that SEA “was to achieve most of what we had hoped of it”. However, “we found ourselves facing on some social and environmental matters a more extensive use of Community powers than we had regarded as forceable or legitimate.”47 According to Thatcher, the expansion of Community prerogatives and a stronger, continental, culture of economic dirigisme had been responsible for diverting her purely liberal economic doctrine. No surprise that she felt that her “baby”, the SEA, could not be raised in partnership with Jacques Delors.48 The gap between Thatcher and her European partners that SEA did not help to bridge, widened further after her famous Bruges Speech, in September 1988. Stephen Wall, who was involved in the long process of drafting the speech, is extremely inte46

Interview with Lord Cockfield (AC) on 24 August 1998, EU Oral Programme carried out by Jean Monnet Chairs of History, INT567 – Lord Cockfield Arthur, EU Historical Archives, FI. 47 Howe, G., Conflict of Loyalty, London 1995, p. 457. 48 Gillingham (fn. 43), p. 231.

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resting on its genesis and on the conclusive phase when, rewritten by Charles Powell, the draft speech was “batted backwards and forwards across Downing street”. He argues that: “The shocked reaction to the speech in much of Europe at the time, as well as the iconic status it has achieved among Euro-sceptics, owed much to the way it was briefed to the Press by Mrs Thatchers spokesman, Bernard Ingham”. According to Wall, the Bruges speech was no more than “a classic exposition of British views”. Indeed, as he remarks, Thatchers first guiding principle in the Bruges speech (willing and active cooperation between independent sovereign states is the best way to build a successful European Community) “was taken, almost word for word by Tony Blair as his defining vision when he spoke in Oxford in February 2006.”49 The demonisation of the speech is based on those passages which deny that the European Community is the main manifestation of European identity, reject the move towards more centralisation of power in the EEC and finally say no to have “successfully ruled back the frontiers of the state in Britain, only to see them re-imposed at the European level with a European super-state exercising a new dominance from Brussels”. This phrase overpowered everything else she said at Bruges, including her passionate appeal for the return of Eastern Europe to the freedom of Western Europe.50 The end of Thatchers leadership came, according to Wall, as the result of her transformation between 1979 and 1989: “From being combative and opinionated, but fresh, open, and approachable, she had gone to being, tired, closed, and cut-off from outside advice. She made a number of mistakes in her last months in office, of which the Poll Tax at home and her misreading of German reunification were the most prominent”.51 IV. Conclusions Britain and Europe have been engaged in a relationship which evolved over the post-war decades but it never grew to become a full commitment without reserve on the UK side. This essay has argued that this peculiarity has exhausted its self-explicatory role.52 Indeed, some amongst the British leaders since the late 60 s,53 had been perfectly aware that actively engaging in European policy-making could foster British national interests, as well as create intergovernmental convergences of interest with other European partners. The illusion (in Jean Monnets words) that “you could maintain what you had without change” declined steadily in Britain since accession, though only few 49 Annual European Studies Centre Lecture by the Prime Minister Rt Hon. Tony Blair PC MP (fn. 1). 50 Wall (fn. 33), pp. 78 – 81. 51 Ibid., p. 85. 52 British position remains unique according to Rifkind, M., Britain restored in the world, in: Roy, S./Clarke, J., Margaret Thatchers Revolution, London; New York 2005, p. 29. 53 Bogdanor, V., Footfalls echoing in memory. Britain and Europe: the historical perspective, (2005) International Affairs 81, p. 16.

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politicians have acknowledged this change publicly.54 As a result, the shifts between dynamic and static views of British collaboration within the EEC/EU, have been so blurred to be very difficult to identify even when their impact manifested itself quite clearly.55 One could conclude that these two sides (constructive/negative) of the same coin of British European policy have made up “the manner of our staying in”, not a coherent strategy, but a practice which should be unpacked case by case. Definitely not all depended on that original sin: “the manner in which we originally joined”.56

54

Charlton, M., The Price of Victory, BBC, London 1983, p. 306 – 307. Wall, S. at the European Studies Centre, St Anthonys College Oxford, 31 October 2006, see: http://www.sant.ax.ac.uk/esc. 56 On different takes on “the original sin” see: Annual European Studies Centre Lecture by the Prime Minister Rt Hon. Tony Blair PC MP, see: http://www.sant.ax.ac.uk/esc; also see: Alexandre-Collier, A./DHellencourt, B./Shnapper, P. (ed.), Le Royaume-Uni et lUnion Europenne, Dijon 2007. 55

2. Teil: Einzelaspekte

Die Wahrnehmung der Europäischen Institutionen im Rahmen der Vereinten Nationen 1951 – 1992 Frank Hoffmeister „Le Trait rgle de manire nuance, selon les organisations concernes, la procdure suivant laquelle la Communaut entretient des relations avec les autres organisations internationales. Cette situation parat avoir t perdue de vue par la Commission, qui semble croire quelle dispose dans ce domaine dun vritable pouvoir discrtionnaire. Il convient que le Conseil apprcie, cas par cas, en fonction des seuls intrÞts de la Communaut, la forme et la nature des liaisons  tablir.“1

Dieser bittere Vorwurf stammt – aufgrund der Originalsprache leicht erkennbar – vom französischen Außenminister Couve de Murville. In seinem der Presse zugeleiteten Memorandum vom Januar 1966 ist ein Groll zu erkennen, die Kommission habe ihre außenpolitischen Aktivitäten bereits innerhalb weniger Jahre nach Gründung der drei Gemeinschaften zu weit und ohne politische Absprache mit den Mitgliedstaaten vorangetrieben. Zwar ist die Aussage im Rahmen des Streits zwischen Paris und Brüssel gefallen, welcher zum berühmten Luxemburger Kompromiss zu den Abstimmungsmodalitäten im Rat führte und muss daher mit einer gewissen Vorsicht gesehen werden. Gleichwohl erscheint interessant, dass bereits in einer frühen Phase gerade die Beziehungen der Gemeinschaft zu anderen Organisationen eine französische Besorgnis auslösten. Dies weist darauf hin, dass die Gemeinschaft von Beginn an in diesem Bereich aktiv wurde, was dem Thema eine gewisse Spannung verleiht. Dem hiesigen Beitrag liegt die These zugrunde, dass sich bezüglich der Wahrnehmung der europäischen Institutionen im Rahmen der Vereinten Nationen 1951 – 1992 drei Phasen unterscheiden lassen: eine Aufbauphase, eine Expansionsphase und eine Vertiefungsphase. I. Die Aufbauphase (1951 – 1973) 1. Die Aufnahme von Beziehungen der Gemeinschaft zu den UN-Sonderorganisationen Bereits bei der Gründung von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), Euratom und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hatten die Gründungsväter an das multilaterale Umfeld Europas gedacht. Art. 93 des EGKSVertrages, Art. 199 des Euratom-Vertrages sowie Art. 229 des EWG-Vertrages trugen 1

Bulletin de la Communaute europene conomique, 3 – 1966, S. 7.

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es der Kommission auf, „nützliche Beziehungen“ (liaisons utiles) mit den „Organen der Vereinten Nationen“ herzustellen. Auf Grundlage dieser Vorschriften trat die Kommission unter dem deutschen Präsidenten Hallstein zügig in Arbeitsbeziehungen zu denjenigen UN-Sonderorganisationen und -organen ein, deren Aufgaben in einem Näheverhältnis zu den eigenen standen. Erste Briefwechsel fanden mit einigen Spezialorganisationen statt:2 Internationale Arbeitsorganisation (IAO, 1953/583), Weltgesundheitsorganisation (WHO, 19594), Hoher Flüchtlingskommissar (19605), Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO, 19626) und UNESCO (19647) sind zu nennen. Die Briefwechsel sahen in der Regel eine technische Zusammenarbeit vor: Die Kommission und das jeweilige UN-Sekretariat verpflichteten sich zum Informationsaustausch sowie zur wechselseitigen Teilnahme von Beamten an Sitzungen. Auf europäischer Seite wurde darauf geachtet, dass es sich um Verwaltungsvereinbarungen handelte, denn zu damaliger Zeit stand ein gewichtiger Grund der Nennung der Gemeinschaften als eigenständigen Rechtspersönlichkeiten entgegen: Die Sowjetunion war der europäischen Integration feindlich gesinnt und nicht bereit, die Gemeinschaft als solche anzuerkennen. Dies schloss einen offiziellen EG-Status im UN-System aus. Dies zeigte sich deutlich, als sich die Kommission am 9. November 1958 an den UN-Generalsekretär in Bezug auf die Teilnahme im Wirtschafts- und Sozialrat (1958) wandte, einem Hauptorgan der Weltorganisation. In seiner Antwort vom 28. November 1958 stellte sich der Untergeneralsekretär für wirtschaftliche und soziale Fragen, de Seynes, auf den Standpunkt, die Frage der Teilnahme der Gemeinschaft in der UNHauptorganisation könne nicht vom Generalsekretär geregelt, sondern müsse von jedem Hauptorgan selbst entschieden werden. Er befürwortete eine praktische Zusammenarbeit der Kommission mit den regionalen Wirtschaftskommissionen des Economic and Social Council (ECOSOC), ohne formelle Beziehungen herzustellen. In seiner Antwort vom 9. Dezember 1958 erwiderte Kommissionspräsident Jean Rey, es sei auch seiner Ansicht nach nicht eilig, die Beziehungen zu formalisieren.8 Die anfänglichen Bemühungen der Kommission stießen nicht nur schnell auf außergemeinschaftliche Grenzen, sondern wurden auch in den europäischen Hauptstädten skeptisch beäugt. Vermutlich durch das Herantreten an die UNESCO (deren Sitz bekanntlich in Paris ist und deren Auftrag weit von den zentralen Aufgaben der Ge2 Die folgenden Briefwechsel sind zitiert nach Jacqu, J. P., La participation de la Communaut conomique aux organisations internationales universelles, Annuaire francais de droit international 1975, S. 924 (929). 3 Briefwechsel von 1953 (EGKS) und vom 7. Juli 1958 (EWG), OJ 1959, S. 521. 4 Briefwechsel von 1959. 5 Briefwechsel vom 27. April und 7. Juni 1960. 6 Briefwechsel von 1962. 7 Briefwechsel vom 15. September 1964. 8 Brückner, P., The European Community and the United Nations, European Journal of International Law (EJIL) 2000, S. 174 ff.

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meinschaft entfernt liegt) ohne vorherige Abstimmung mit dem Quai dOrsay verärgert, formulierte Frankreich die oben zitierte scharfe Note im Jahr 1966. Im Ergebnis einigten sich Kommission und Rat darauf, dass bei der Aufnahme künftiger Arbeitsbeziehungen mit anderen internationalen Organisationen über die „Opportunität, Modalitäten und Natur“ der Beziehungen vorherige Konsultation stattfinden.9 Derartig an die Hand genommen, lassen sich keine weiteren Briefwechsel der Kommission mit anderen UN-Organen bis zum Anbruch der zweiten Phase 1974 nachweisen – lediglich die Briefwechsel mit der WHO und der UNESCO wurden im Jahr 1972 erneuert und die Gemeinschaft erhielt 1967 Zugang zum ECOSOC. 2. Die Verhandlung von UN-Konventionen im Wirtschaftsbereich Waren die außenpolitischen Ambitionen der Kommission im Jahr 1966 also gewissermaßen intern „gestutzt“ worden, erhielt sie zwei Jahre später eine eher überraschende Schützenhilfe vom Rechtsdienst der Vereinten Nationen in einem anderen Forum, nämlich in der UN-Konferenz über den internationalen Zuckerhandel von 1968. Bereits 1965 hatte sie Zugang zu der neu gegründeten Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) durch die Einräumung eines Beobachterstatus erhalten. Nunmehr ging es um die Aushandlung eines verbindlichen Rohstoffübereinkommens in dessen Rahmen. Aufgrund von Art. 228 Abs. 1 EWG-Vertrag (jetzt Art. 300 Abs. 1 EG) verhandelt die Kommission völkerrechtliche Übereinkommen im Namen der Gemeinschaft, begleitet von einem (beobachtenden) Sonderausschuss der Mitgliedstaaten. Um diese Rolle effektiv im multilateralen Rahmen ausüben zu können, bedurfte es eines formellen Status in der UN-Konferenz. Auf die bekannten Bedenken der UdSSR hin wies der UN-Rechtsdienst auf folgende Lösung hin: „The Conference could invite the Community to participate in the Conference without vote, and permit the representative of the Commission to act as spokesman for the Community on matters relating to sugar. […] this procedure could be employed in a commodity conference without infringing upon United Nations requirements […] while at the same time satisfying the Communitys institutional arrangements.“10

Diese liberale Einräumung eines ad-hoc Status eines „verhandelnden Beobachters“ wertete einerseits die Kommission als Verhandlungsführerin der Gemeinschaft auf, kam aber andererseits den Nicht-EU-Staaten insofern entgegen, als bereits im Verhandlungsstadium Rechtsklarheit über die Verteilung der Abschlussbefugnis auf europäischer Seite geschaffen wurde.11 Indem die Gemeinschaft aktiv mitverhandeln durfte, war jedermann klar, dass ihre Teilnahme an dem zu schaffenden Rohstoffhandelssystem unerlässlich wurde. Dies wiederum führte dazu, dass seit jener Zeit die 9

Luxemburger Kompromiss vom 28./29. Januar 1996, Bulletin 3 – 1966, S. 9. Opinion prepared for the United Nations Sugar Conference of 24 May 1968, UN Juridical Yearbook 1968, S. 201 f. 11 Jacqu, J. P. : La participation de la Communaut conomique aux organisations internationales universelles, Annuaire francais de droit international 1975, S. 924 ff. 10

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Gemeinschaft Partei einer ganzen Reihe von UN-Rohstoffabkommen wurde. Systematisch weniger eindeutig war hier allenfalls die Behandlung der Mitgliedstaaten. In einigen Abkommen wurde auf deren Teilnahme im Laufe der Zeit verzichtet, in anderen Abkommen sind sie bis heute neben der Gemeinschaft Mitglied der jeweiligen Rohstofforganisation, ohne dass hierfür ein zwingender Grund erkennbar wäre.12 II. Die Expansionsphase (1974 – 1981) Konzentriert sich die Aufbauphase mithin auf die Stellung der Gemeinschaft in den Sonderorganisationen und in Vertragsverhandlungen unter UN-Auspizien, lassen sich bedeutende Entwicklungen in Bezug auf die Hauptorganisation erst in der folgenden Expansionsphase nachzeichnen. Zu nennen sind insbesondere die Zulassung der Gemeinschaft als Beobachterin in der Generalversammlung und die Verstärkung der Koordinierung der Mitgliedstaaten im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ). 1. Der Beobachterstatus der Gemeinschaft in der Generalversammlung Gemäß Art. 4 der UN-Satzung können nur Staaten Vollmitglieder der Organisation werden. Die Charta schließt indessen einen Beobachterstatus für andere internationale Organisationen nicht aus. So wurden schon früh die Organisation Amerikanischer Staaten13, die Arabische Liga14 und die Organisation für Afrikanische Einheit15 von der Generalversammlung eingeladen, bei der Arbeit zugegen zu sein. Gestützt durch diese Präzedenzfälle stellte die Gemeinschaft am 1. August 1974 den Antrag, als Beobachterin in die Generalversammlung aufgenommen zu werden. In der Begründung heißt es: „1. Die Generalversammlung beschäftigt sich zunehmend mit Wirtschaftsfragen. 2. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Entwicklung internationaler Wirtschaftsbeziehungen und leistet einen großen Teil der Entwicklungshilfe an die Dritte Welt. 3. Es ist deshalb notwendig, dass die EWG an der Arbeit der Generalversammlung und ihrer Hauptausschüsse beteiligt wird, wenn Fragen von Bedeutung für sie zur Diskussion stehen. Einen derartigen Status unterhält sie bereits im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) und in der Welthandelskonferenz (UNCTAD).“16 12

Vgl. Kuijper, P. J./Hoffmeister, F., The status of the European Union at the United Nations: institutional ambiguities and political realities, in: Wouters, J./Hoffmeister, F./Ruys, T., The United Nations and the European Union – an ever stronger partnership, Den Haag 2006, S. 9 (28). 13 GA Resolution 259 (III) vom 16. Oktober 1948. 14 GA Resolution 477 (V) vom 1. November 1950. 15 GA Resolution 2011 (XX) vom 11. Oktober 1965. 16 GA Dokument A/9701 vom 1. August 1974 zitiert nach Lindemann, B., Die EG-Staaten und die Vereinten Nationen, Oldenburg 1978, S. 108.

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Im Oktober 1974 nahm die Generalversammlung Resolution 3208 (XXIX) an. Sie verzichtete auf jegliche inhaltliche Diskussion über mögliche Meriten der Gemeinschaft und beschloss schlicht: „The General Assembly, wishing to promote cooperation between the United Nations and the European Economic Community, requests the Secretary-General to invite the European Economic Community to participate in the sessions and work of the General Assembly in the capacity of observer“.

Zwei Ereignisse sind dieser Entscheidung vorausgegangen. Zum einen war im Jahr 1973 der Kompromiss erzielt worden, sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die DDR als Vollmitglied in die Organisation aufzunehmen. Dies hatte die Zustimmung der Sowjetunion befördert, sowohl der EWG als auch dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe17 zum Eingang in die Vereinten Nationen zu verhelfen. Zum anderen hatte der Europäische Gerichtshof im Jahr 1972 entschieden, dass die Gemeinschaft die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer ausschließlichen Handelskompetenz im Rahmen des GATT ersetzt habe.18 Dies hatte gemeinschaftsintern dem Drängen der Kommission Nachdruck verliehen, den internationalen Status der Gemeinschaft weiter auszubauen. Da zahlreiche Untergremien der UNO auch im Wirtschafts- und Handelsbereich aktiv waren, war der Schlüssel für eine erfolgreiche Wahrnehmung der europäischen Interessen dort die Anerkennung eines Beobachterstatus durch die Generalversammlung. Dieser Zusammenhang lässt sich etwa anhand der Wirtschaftskommission für Europa (ECE), einer Kommission des ECOSOC nachweisen. Seit 1958 war die Europäische Kommission (und nicht die Gemeinschaft!), wie erwähnt, eingeladen, zu jenen Sitzungen Repräsentanten zu entsenden. Aber erst nach der Entscheidung der Generalversammlung aus dem Jahr 1974 konnte die Gemeinschaft als solche den formellen Beobachterstatus in der ECE im Jahr 1975 erhalten19. Auch die 1971 erlebten Schwierigkeiten der Kommission, im zweiten Hauptausschuss beobachtend tätig zu werden,20 waren seit 1974 überwunden. Die Entscheidung der Generalversammlung übte nachhaltige Wirkung auf die europäischen Institutionen aus. Die Kommission baute ihre Beobachtungsstelle in eine Delegation aus, welche bei den Vereinten Nationen akkreditiert ist. Die Vereinigten Staaten bestätigten den diplomatischen Status der Mission im Jahr 1977.21 Der Delegationsleiter trug seither den (informellen) Rang eines Botschafters und gesellte sich zu seinen Kollegen aus den Mitgliedstaaten. Allerdings wurde die Delegation anfangs 17

GA Resolution 3209 (XXIX) vom 11. Oktober 1974. EuGH, 12. 12. 1972, Rs. 21 – 24/72 (International Fruit Company), Slg. 1972, S. 1219 (1227 ff.) mit Anmerkung Millarg, E., Europa-Recht (EuR) , S. 144 ff. 19 Jacqu (Fn. 11), S. 928. 20 Lindemann (Fn. 16), S. 109, berichtet, dass die Gemeinschaft 1971 einen Beobachterstatus für den 2. Hauptausschuss beantragen wollte. Von Seiten des UN-Rechtsberaters wurden mögliche Schwierigkeiten mit dem RgW und der DDR befürchtet, weswegen die Initiative nicht weiter verfolgt worden ist. 21 Brückner (Fn. 8), S. 176. 18

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nur mit drei Beamten des höheren Dienstes bestückt,22 was im Vergleich zu den großen Mitgliedstaaten eine große Differenz in der Personalstärke bedeutete. Freilich ließen die Mitgliedstaaten nicht zu, dass nunmehr ausnahmslos die Kommission das Wort in der Generalversammlung zu gemeinschafsrechtlich relevanten Themen ergreifen würde. Vielmehr gab es einen ernsten Dissens über die Rolle der Außenvertretung. Die Mitgliedstaaten pochten auf den (inzwischen abgeschafften) Art. 116 EWGV, demzufolge sie die Position der Gemeinschaft in Gremien der internationalen Wirtschaftspolitik koordinieren würden. Daraus leiteten sie die Befugnis ab, derartige Positionen selbst vorzutragen oder von der Präsidentschaft des Rates vortragen zu lassen. Demgegenüber verwies die Kommission auf ihre Rolle als Vertreterin der Gemeinschaft in Vertragsverhandlungen – a maiore ad minus müsse dies erst recht für unverbindliche Stellungnahmen gelten. Im Ergebnis führte dieser innergemeinschaftliche Zwist zu einem zweiten großen Kompromiss, der „Rom-Formel“ über die doppelköpfige Außenrepräsentation auf der kombinierten Basis der Art. 116 und 228 EWG-Vertrag.23 Die Rolle des Gemeinschaftsvertreters solle von der Präsidentschaft und der Kommission wahrgenommen werden, wobei die genaue Aufteilung bei der Abfassung der Gemeinschaftsposition selbst festgelegt würde.24 Unausgesprochen blieb ein Seitenarrangement, in dem die Kommission politisch versprach, sich auf die Hauptausschüsse der Generalversammlung zu konzentrieren und das Feld den Mitgliedstaaten im Plenum zu überlassen.25 Interessanterweise versuchte der Rat, diese Beschränkung sogar als Ausfluss des UN-Beobachterstatus darzustellen,26 mithin (nicht existenten) UN-Regeln anzulasten. Die Kommission hielt sich demgegenüber Rederecht im Plenum zumindest juristisch offen.27 Auch im Schrifttum wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass der Verzicht der Kom22

Lindemann (Fn. 16), S. 110. Jacqu (Fn. 11), S. 943. 24 Entscheidung des Comit des reprsentants permanents (COREPER) vom 12. September 1974 (I/119/74). 25 Stadler, K. D., Die Europäische Gemeinschaft in den Vereinten Nationen – Die Rolle der EG im Entscheidungsprozeß der UN-Hauptorgane am Beispiel der Generalversammlung, Baden-Baden 1993, S. 123. 26 Antwort des Rates vom 5. Mai 1976 auf parlamentarische Anfrage N. 666/75 des Abgeordneten Glinne, M., Abl. 1976, C 158, S. 4 (5): « En proposant  lassemble dadopter cette resolution [3208 (XXIX)], le reprsentant permanent de la France, qui,  lpoque, assumait le prsidence du Conseil de la Communaut, a assur que la Communaut conomique europenne se conformerait en tous points aux rgles et usages des Nations Unies daprs lesquelles les observateurs ninterviennent pas devant lAssemble en tant que tels, mais peuvent demander  prendre la parole devant ses commissions, confrences et groupes de travail ». 27 Antwort der Kommission vom 3. Mai 1976 auf die schriftliche Frage Nr. 687/75 des Abgeordneten Glinne, M., ABl. 1976, C 139, S. 6 (7): „Par sa rsolution 3208 (XXIX), lassemble gnral a pri le secrtaire gnral dinviter la Communaut conomique europenne  participer aux sessions et aux travaux de lassemble gnral en qualit dobservateur. En vertu de cette dcision, la Communaut peut participer aux travaux de lAssemble et dans ses organes subsidiaires, sans droit de vote. Elle peut sexprimer en tant que telle dans les commissions de lAssemble.“ (Hervorhebung vom Autor). 23

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mission auf das Rederecht im Plenum eine reine Übung darstelle, die sich entwickeln könne.28 Unabhängig dieser juristischen Feinheiten lief das Rom-Arrangement in der Praxis darauf hinaus, dass die Kommission im Wesentlichen im zweiten Hauptausschuss (Wirtschaft und Finanzen) und dort nur in Bereichen der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz, wie z. B. Handel und Fischereipolitik, das Wort ergriff, während in den übrigen Gebieten ausnahmslos die Präsidentschaft zum Zuge kam. Damit blieben die rotierenden Präsidentschaften des Rates Dreh- und Angelpolitik auch für die Erarbeitung und Darstellung von Gemeinschaftspositionen nach außen, insbesondere im dritten Hauptausschuss (soziale, humanitäre und kulturelle Angelegenheiten), obwohl in diesem Gebiet die Gemeinschaft zunehmen intern aktiv wurde. Im sechsten Hauptausschuss (Völkerrecht) agierten ebenfalls hauptsächlich die Mitgliedstaaten. Eine gewisse Ausnahme stellte die Diskussion im Jahr 1975 zur Meistbegünstigungsklausel dar, an der die Kommission neben den Mitgliedstaaten29 aktiv teilnahm.30 2. Die Europäische Politische Zusammenarbeit in der Generalversammlung Die zentrale Rolle der Ratspräsidentschaft in der Außenwahrnehmung wurde durch eine parallele Entwicklung weiter gestärkt, nämlich die Gründung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit. Juristisch strikt getrennt von der Gemeinschaft und ihrer Integrationsmethode wollten die Mitgliedstaaten eine verstärkte Koordinierung ihrer außenpolitischen Positionen herbeiführen. Wie dem Luxemburger Bericht vom 27. Oktober 1970 implizit zu entnehmen ist,31 sollte dies unter zwei Vorzeichen geschehen: Freiwilligkeit und unter Ausschluss der Kommission und des Gerichtshofs. Der Kopenhagener Bericht vom 23. Juli 1973 bekräftigte diesen Ansatz und rief die Mitgliedstaaten nunmehr dazu auf, seine eigene Haltung zu wichtigen außenpolitischen Fragen nicht endgültig festzulegen, ohne seine Partner im Rahmen der Europäischen Zusammenarbeit konsultiert zu haben.32 Als ein ideales Betätigungsfeld für die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) wurde die UN-Generalversammlung ausgewiesen, mit der Folge, dass seit 1973/74 die EPZ-Koordinierung systematisch sämtliche UN-Hauptausschüsse und

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Jacqu (Fn. 11), S. 937. Laut Lindemann (Fn. 16), S. 111, gab es 1975 im 6. Hauptausschuss zum Thema Meistbegünstigungsklausel zunächst eine Erklärung der Ratspräsidentschaft (Italien) im Namen der Neun, gefolgt von einer Erklärung der Kommission für die Gemeinschaft. 30 Maes, A. P., The European Community and the United Nations General Assembly, (1979) Revue dintgration europenne/Journal of European integration III No. 1 (Canada), S. 73 (79). 31 Luxemburger Bericht vom 27. Oktober 1970, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ), 8. überarbeitete Aufl., Bonn 1987, S. 19 – 29. 32 Lindemann (Fn. 16), S. 70. 29

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das Plenum erfasste.33 Politisch erachteten die Neun ihre Koordinierung bei den Vereinten Nationen für wichtig, wurde sie doch in mehreren hochrangigen Erklärungen gesondert hervorgehoben.34 Am East River konnten sich die Mitgliedstaaten ohne großen Aufwand koordinieren, und bei fehlendem Konsens auf eine gemeinsame Stellungnahme und kohärentes Abstimmungsverhalten schlicht verzichten. Sollte die EPZ-Koordinierung jedoch erfolgreich sein, so fiel die Außenvertretung der amtierenden Ratspräsidentschaft zu. Außerdem ließen sich sensible Fragen, wie z. B. die im Sicherheitsrat diskutierten, von der EPZ-Koordinierung ohne Rechtfertigungsgrund ganz ausklammern.35 Unter diesen Vorzeichen konnte seit 1974 eine durchaus bedeutsame Zunahme der Kohärenz im Stimmverhalten der Mitgliedstaaten in der Generalversammlung verzeichnet werden.36 Für die Jahre 1948 – 1973 war nachgewiesen worden, dass die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft das Stimmverhalten der Gründungsstaaten in der Generalversammlung kaum beeinflusst hatte. Nur die Traktate „Menschenrechte“ und „Palästina“ wurden nach 1957 einheitlicher von den Sechs behandelt; in anderen Gebieten nahm die Disparität in den 1960er Jahren sogar zu.37 Zu UN-Konsultationszwecken wurden statt der Gemeinschaftsgremien, unter anderem die westeuropäische Gruppe in den UN, die WEU oder die NATO genutzt,38 deren Mitgliederstruktur nicht mit denjenigen der Gemeinschaft übereinstimmte. Dagegen verstärkte sich die Institutionalisierung der EPZ-Koordinierung in New York sogar trotz der Erweiterung der Gemeinschaft um das Sicherheitsratsmitglied Vereinigtes Königreich, das neutrale Irland und das in die nordische Zusammenarbeit eingebundene Dänemark (1973) deutlich. Zwar stießen gewisse Traktate wie Fragen der nuklearen Rüstung (1. Ausschuss) oder der Dekolonisierungsprozess (4. Ausschuss) nach wie vor auf gewichtige Trennungslinien in den Mitgliedstaaten. Allerdings konnten sogenannte „three-way-split votes“ im Laufe der Zeit kontinuierlich in weniger sensiblen Bereichen deutlich verringert werden. So durfte im 2. Ausschuss (Wirtschaft) und im 3. Ausschuss (Soziales und Kultur) eine deutliche Zunahme an gemeinsamen Stellungnahmen und Abstimmungsverhalten verzeichnet werden.39 Auch bürgerte es sich seit 1976 ein, dass in der Generalversammlung zu Beginn der Generaldebatte der Außen33 Hansen, N., Die Europäische Politische Zusammenarbeit bei den Vereinten Nationen, Europa-Archiv 15/1975, S. 493 (493). 34 Erklärung des Europäischen Rates über die europäische Identität vom 14. Dezember 1973, Ziffer 21, abgedruckt in: Europaarchiv 2/1974, D 53; Erklärung des Europäischen Rates über die Vereinten Nationen vom 17. Juli 1975, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ), 5. überarbeitete Aufl., Bonn 1981, S. 104 ff. 35 Zu den Einzelheiten des EPZ-Abstimmungsverfahrens in UN-Sachen siehe den Dubliner Bericht von 1975 beschrieben bei Lindemann (Fn. 16), S. 82 ff. 36 Ausführlich Lindemann (Fn. 16) für die Zeit 1973 – 1977, S. 119 – 216. 37 Hurwitz, L., The EEC in the United Nations: The voting behaviour of eight countries, 1948 – 1973, (1975) Journal of Common Market Studies 13 (3), S. 224 (235 – 238). 38 Lindemann (Fn. 16), S. 57 – 61. 39 Statistisch untermauert bei Stadler (Fn. 25), S. 115 – 119.

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minister der Präsidentschaft die Rede in seiner Eigenschaft als „Präsident des Ministerrates und Präsident der Europäischen Politischen Zusammenarbeit“ abgab.40 3. Das Gesamtbild in der Generalversammlung Insgesamt ergab sich somit in den 1970er Jahren das Gesamtbild in der Generalversammlung, dass die rotierende Präsidentschaft und die EPZ-Mechanismen den EG-internen Abstimmungsprozess und die Außenvertretung in der UN dominierte, während die Gemeinschaft als solche trotz ihres Beobachterstatus in der Generalversammlung im Wesentlichen in Bezug auf Wirtschaftsfragen im 2. Ausschuss aktiv wurde und daher von nur zweitrangiger Bedeutung war. Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, wenn das Erscheinungsbild der Gemeinschaft in der Generalversammlung von einem Kommissionsbeamten prägnant als both episodic and somewhat superficial beschrieben wurde.41 Hingegen schärfte sich das politische Profil der neun Mitgliedstaaten durch eine erhöhte Abstimmungskohärenz. III. Die Vertiefungsphase (1982 – 1992) Im Jahr 1982 traten die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten schließlich in eine Phase bei den Vereinten Nationen ein, die man als Vertiefungsphase bezeichnen kann. Sie zeichnet sich durch eine Diversifizierung der Mitgliedschaft in UN-Konventionen, eine stärkere Mitarbeit in einigen Sonderorganisationen und eine systematische Koordinierung in der Generalversammlung aus. 1. Die Diversifizierung der Mitgliedschaft in UN-Konventionen Den Auftakt für die Vertiefungsphase bereitete ein großes Kodifikationsvorhaben der Vereinten Nationen: die Verabschiedung der UN-Seerechtskonvention im Jahr 1982. Erstmals gelang es der Gemeinschaft, außerhalb eines reinen Handelsabkommens gewichtiges Mitglied neben den Mitgliedstaaten zu werden. Hierfür wurde eigens eine neuartige Technik entwickelt. Die Gemeinschaft wurde als „Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration“42 gekennzeichnet, sie wurde angehalten, eine Kompetenzerklärung über die von ihr abgedeckten Politikbereiche in der Konvention abzugeben und musste sich einem komplizierten Haftungssystem unterwerfen. Diesbezüglich konnte in Anhang IX der Konvention ein Regelwerk entworfen werden, welches den Besonderheiten der Gemeinschaft ausdrücklich Rechnung trägt. War somit mit dem Seerecht ein gewichtiges neues Politikfeld erschlossen, folgte in den 80er Jahren eine Reihe von Umweltabkommen demselben Muster. Genannt wer40

Ebd., S. 76. Maes (Fn. 30), S. 73 (82). 42 Zur Entwicklung in der Definition dieser Formel siehe Sack, J., Die EG als Mitglied internationaler Organisationen, Gedächtnisschrift für Grabitz, München 1995, S. 638 (648 ff.). 41

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den können das Montreal Protokoll (1987), das Basler Übereinkommen sowie die Biodiversitäts-Konvention und das Klimaschutzrahmenabkommen von 1992. Durch diese Diversifizierung der Mitgliedschaft in der UN-Konvention konnte auch die Kommission gewissermaßen Boden gutmachen in Bezug auf die Außenrepräsentation. Als Verhandlungsführerin für die Gemeinschaft in den jeweiligen adhoc Konferenzen kam ihr eine stärkere Rolle zu als in den ständigen UN-Gremien. 2. Die verstärkte Mitarbeit in einigen Sonderorganisationen und die Mitgliedschaft in der FAO Bei einigen Sonderorganisationen schärfte die Gemeinschaft in den 80er Jahren ihr Profil. Von der WHO erhielt die Kommission aufgrund eines erneuerten Briefwechsels seit 1982 Einladungen, an den Sitzungen des Plenar- und Exekutivorgans beobachtend teilzunehmen.43 Auch in der IAO verstärkte die Gemeinschaft ihre Mitarbeit und Koordinierungsbemühungen, was in der Einräumung eines offiziellen Beobachterstatus im Jahr 1989 mündete.44 Außerdem wurden die Mitgliedstaaten vom EuGH verpflichtet, in den Bereichen von Gemeinschaftskompetenz nur gemeinsam und als Treuhänder der Gemeinschaft aufzutreten, jedenfalls wenn es um den Abschluss verbindlicher Normen geht.45 Besonders erfolgreich waren die Bemühungen um eine stärkere Mitarbeit der Gemeinschaft schließlich in der FAO. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation mit Sitz in Rom zeigte derartig viele Berührungspunkte mit Gemeinschaftsaktivitäten, dass sie sogar als Testfall für eine Vollmitgliedschaft ausgewählt wurde.46 Der dagegen sprechende sowjetische Faktor war außerdem wegen des Fehlens der UdSSR in dieser Organisation nicht vorhanden. Daher ging es hauptsächlich darum, die USA vom Nutzen einer Mitgliedschaft der Gemeinschaft in der FAO zu überzeugen. Geopolitisch hatte die US-Administration keine Bedenken, die Gemeinschaft in einem technischen Bereich zu stärken. Einzige Bedingung war, dass kein europäisches Übergewicht in der Interessenvertretung erzeugt wurde. Dies ließ sich mit einem ausgeklügelten System der alternativen Stimmabgabe von Mitglied-

43 Briefwechsel vom 28. April 1982. Zu der Entwicklung zwischen EG und WHO seit 1982 vgl. Eggers, B./Hoffmeister, F., EU-EU Cooperation on public health, in: Wouters/Hoffmeister/ Ruys (Fn. 12), S. 155 (160 – 168). 44 Briefwechsel vom 21./22. Dezember 1989, OJ 1990, C24, S. 8. Zu der historischen Beziehung zwischen EG und IAO vgl. Delarue, R., ILO-EU cooperation on employment and social affairs, in: Wouters/Hoffmeister/Ruys (Fn. 12), S. 93 (99 – 110). 45 Lenaert, K./de Smijter, E., The United Nations and the European Union – living apart together, in: Wellens, K. (Hrsg.), International Law: Theory and Practice, FS für Eric Suy, 1998, S. 439 – 458 (444). 46 Pernice, I., Die EG als Mitglied der Organisationen der Vereinten Nationen: Konsequenzen für die Politik von Mitgliedstaaten und Drittstaaten, EuR 1991, S. 273 (277).

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staaten oder Kommission im Namen der Gemeinschaft technisch bewerkstelligen.47 Aufgrund einer zügig vorangetriebenen Satzungsänderung wurde die Gemeinschaft schließlich im November 1991 als Vollmitglied in der FAO aufgenommen. Damit war der vorläufige Höhepunkt in der statusrechtlichen Anerkennung der Gemeinschaft in den Vereinten Nationen erreicht. Ein Pferdefuß stellte allerdings die Verpflichtung dar, für jeden Tagesordnungspunkt gesondert die jeweilige Zuständigkeit der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten anzukündigen. Diese lästige Pflicht führt heute noch zu manchmal nicht unerheblichen innergemeinschaftlichen Streitigkeiten unter hohem Zeitdruck. 3. Die systematische Koordinierung in der Generalversammlung Auch im Bereich der Generalversammlung kam es in den 80er Jahren zur weiteren Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit. Neben der Kodifizierung der allgemeinen EPZ-Pflicht zur außenpolitischen Abstimmung der Zwölf in internationalen Organisationen in Art. 30 Abs. 7 der Einheitlichen Europäischen Akte (1986) sind fünf Faktoren mit Blick auf die Aktivitäten in den Vereinten Nationen zu nennen. Erstens wurde die UN-Koordinierung durch die Süderweiterung mit den Beitritten Griechenlands (1981) sowie Spaniens und Portugals (1986) nicht ernsthaft gefährdet. Zwar gebärdete sich vor allem Athen unter der Führung von Andreas Papandreou zunächst als außenpolitisches enfant terrible und sorgte für ein Absinken der mitgliedstaatlichen Abstimmungskohärenz Mitte der 80er Jahre in der Generalversammlung. Allerdings zeigten die beiden iberischen Länder eine gegenläufige Tendenz und stärkten die „Kerngruppe“ der Mitgliedstaaten (Benelux, Deutschland), welche eine hohe Kohärenz im Gegensatz zu den traditionellen „dissentern“ (Frankreich, Irland, Vereinigtes Königreich, Dänemark)48 aufweisen. Verbunden mit einem zunehmend europa-freundlicherem Kurs Athens, konnte somit 1991 ein insgesamt hoher Kohärenzgrad festgestellt werden.49 Außerdem verstärkte die Süderweiterung das relative Gewicht der Gemeinschaft und eröffnete der EG durch die engen Verbindungen ihrer neuen Mitgliedstaaten mit Lateinamerika und Afrika neue Betätigungsfelder im UN-System. Unabhängig von etwaigen inhaltlichen Differenzen waren alle neuen Mitgliedstaaten im Übrigen vom Wert der Koordinierung im Gemeinschaftsrahmen überzeugt. Deren Anzahl stieg von anfänglich knapp 200 auf Ende der 80er Jahre bis zu 300 Sitzungen pro Jahr.50 47 Sack, J., Die Europäische Union in den Internationalen Organisationen – Bedeutung der Beteiligung sowie Aktion und Einfluss der Gemeinschaft und Mitgliedstaaten in diesen Gremien, Zeitschrift für Europarechtliche Studien (ZEuS) 2001, S. 267 (278). 48 Zum Abstimmungsverhalten der EG-Staaten in den 70er Jahren siehe Hansen (Fn. 33), S. 496 – 498. 49 Zur Kohäsion der Mitgliedstaaten im Abstimmungsverhalten 1974 – 1991 ausführlich Stadler (Fn. 25), S. 169 ff., mit einer instruktiven Tabelle zur Abnahme der Minderheitenvoten (S. 183). 50 Ebd., S. 99.

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Zweitens einigten sich die Mitgliedstaaten im Londoner Bericht von 1981, die Kommission nicht nur ad hoc, sondern systematisch in den EPZ-Abstimmungsprozess einzubeziehen.51 Die formelle Aufwertung der Kommission führte zum Abbau von Berührungsängsten zwischen EPZ und EG. Spezifisch auf die UN bezogen, erlaubte sie eine bessere Koordinierung bei horizontalen Themen, die in die gemischte Zuständigkeit von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten fielen. Folgerichtig stellte ein Richtlinienpapier des Politischen Komitees der EPZ von 1983 fest, die EG-Staaten sollten die ganze Bandbreite außenpolitischer Fragen, die für die EGStaaten in ihrer Gesamtheit von Interesse sind, in ihre Koordinierung mit einbeziehen.52 Allerdings verlor die Kommission im internen Kräftemessen gegenüber den Mitgliedstaaten weiter an Boden. Ihre Berichte zu Wirtschaftsthemen in New York wurden nunmehr nicht mehr gesondert COREPER vorgelegt, sondern gingen in den gemeinsamen UN-Bericht auf, welche auf bedeutend mehr Widerhall in den EPZ-Gremien als im COREPER stieß. Außerdem verlagerte die Kommission ihren Schwerpunkt auf andere Gremien, wie die 1986 begonnene Uruguay-Runde im Rahmen des GATT. Folglich war die New Yorker Delegation der Kommission Ende der 80er Jahre weniger an einer Expansion ihrer Rolle im internen Koordinationsprozess interessiert, als vielmehr mit dem Bewahren ihres „Besitzstandes“ beschäftigt.53 Damit überlagerte das EPZ-Verfahren (Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten und zentrale Rolle der Präsidentschaft) den EG-Kooperationsprozess (Mehrheit im Rat und Initiativfunktion der Kommission).54 Beobachter des Prozesses sprachen daher von einer „Dominanz des New Yorker EG-Koordinationsprozesses durch EPZMechanismen“.55 Drittens änderten sich die Eröffnungsformeln für einige Themen. So verlas der italienische Außenminister als amtierender Ratspräsident im Jahr 1981 erstmals die Erklärung über die Prioritäten der europäischen UN-Politik in jenem Jahr „im Namen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten“56 (EG-9-Formel, später EG-10- beziehungsweise EG-12-Formel). Damit wurde auf die 1976 – 1980 gebräuchliche Erwähnung der EPZ verzichtet. Vielmehr wurde der Außenwelt deutlich gemacht, dass die EPZ auf dem Weg war, sich stärker mit dem Gemeinschaftssystem zu verzahnen. Diese in der Regel von der Ratspräsidentschaft vorgetragene EG-12-Formel wurde seither häufig gebraucht, änderte aber nichts an der Tatsache, dass sie durch anschließende nationale Stellungnahmen ergänzt werden konnte. Ein Beobachter nennt einen wichtigen Grund hierfür:

51 Londoner Bericht vom 13. Oktober 1981, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Dokumente zur Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ), 8. Auflage, S. 57 – 64. 52 EPZ Richtlinien von 1983 (unveröffentlicht), beschrieben von Stadler (Fn. 25), S. 81 – 82. 53 Stadler (Fn. 25), S. 128. 54 Brückner (Fn. 8), S. 181 – 182. 55 Stadler (Fn. 25), S. 131. 56 Ebd., S. 82.

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„In the Plenary general debate, Foreign Ministers of the Twelve may speak on any subject even if it involves some duplication and repetition of joint statements. Foreign Ministers are in New York to speak and to be seen doing so. In all other situations it has to be considered case by case if individual Member States interventions are appropriate“.57

Außerdem blieben reine EG-Stellungnahmen, welche die Kommission „im Namen der Gemeinschaft“ (EG-Formel) abgab, auf tiefem Niveau, weil diese nach wie vor für die wenigen Bereiche der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz wie Handel und Fischerei reserviert waren. Nur ausnahmsweise durfte die Kommission seit Beginn der 80er Jahre auch eine „EG-12“-Stellungnahme verlesen, nämlich zu Agrarfragen und der Interdependenz von Handel und Entwicklung im 2. Ausschuss.58 Viertens erleben wir in den 80er Jahren erstmals auch eine EPZ-Koordination zwischen den EG-Mitgliedstaaten in UN-Organen, in denen nicht sämtliche Mitgliedstaaten vertreten sind. So wurde im Jahr 1989 eine EPZ-Abstimmung für die Menschenrechtskommission ins Leben gerufen, obwohl in diesem Gremium von 53 gewählten UN-Staaten einige EG-Staaten fehlten. Diese Entwicklung lässt sich als Beginn einer Entwicklung begreifen, die Koordinierung im UN-Rahmen weiter zu systematisieren.59 Fünftens änderte sich die Außenwahrnehmung der Gemeinschaft bei den Drittländern. Gerade durch die Zunahme an gemeinsamen Positionen wurde die Gemeinschaft vermehrt als eigenständige westliche Gruppe in Abgrenzung zu den USAwahrgenommen. Viele Entwicklungsländer bemerkten, dass europäische Stellungnahmen zu Fragen des internationalen Entwicklungs- und Finanzsystems weniger konträr zu ihren Interessen standen als die unter US-Präsident Reagan eingenommenen amerikanischen Positionen. Auch aufgrund des amerikanischen Isolationskurses etablierten sich die EG und ihre Mitgliedstaaten gewissermaßen als vermittelnde Kraft in einigen Nord-Süd-Dossiers. Dies wiederum stärkte die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, im Rahmen der EPZ den gewonnenen Einfluss in der UN weiter auszubauen, so dass die Präsidentschaft oder ein von ihr beauftragter Mitgliedstaat nunmehr auch aktiv mit anderen UN-Mitgliedern Verhandlungen zu Resolutionstexten führte. Fiel die Sachmaterie in einen EG-Bereich des 2. Ausschusses, so übernahm die Kommission die Verhandlungsführung mit den Drittstaaten.60 Selbst in schwierigen Dossiers wie der 1987 stattfindenden Konferenz über Abrüstung und Entwicklung, konnten sich die Mitgliedstaaten darauf einigen, der Präsidentschaft ein flexibles Verhandlungsmandat im Umgang mit Drittstaaten zu übertragen.61 Damit trat in den 80er Jahren die EG zunehmend als einheitlicher politischer Block im Tagesgeschäft der Vereinten Nationen auf. 57 58 59 60 61

Brückner (Fn. 8), S. 185. Stadler (Fn. 25), S. 139 ff. und 262. Brückner (Fn. 8), S. 179. Stadler (Fn. 25), S. 264. Brückner (Fn. 8), S. 190.

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Andererseits darf nicht verschwiegen werden, dass die EPZ keinen Anspruch erhob, eine Koordinierung zu sicherheitspolitischen Fragen herbeizuführen. Diskussionen und Positionen im Rahmen des UN-Sicherheitsrates blieben wie in den 70er Jahren62 ein Tabu-Thema in der mitgliedstaatlichen Koordinierung. So wie die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates einen eigenständigen Kreis bilden (P-5), verhielt es sich mit Großbritannien und Frankreich. Die P-2 beharrten auf ihrer Sonderrolle und schlossen eine Bindungswirkung des Art. 30 Abs. 7 (b) der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA), der sich auf den EPZ-Prozess in internationalen Institutionen und Konferenzen mit beschränkter Mitgliedschaft von EG-Staaten bezog, kategorisch aus.63 Auch die nichtständigen europäischen Mitglieder zeigten wenig Anzeichen an europäischer Solidarität für die zwei Jahre, in denen sie in den Rat gewählt wurden. Allein das 1990 in den Rat gewählte Italien sorgte im Zuge des Irak-KuweitKonfliktes dafür, die übrigen Mitgliedstaaten zu Themen des Sicherheitsrates zumindest nachträglich zu informieren64 – von einer vorgreifenden Abstimmung, wie sie erst wesentlich später etabliert werden konnte,65 konnte aber keine Rede sein. Insofern waren auch der EPZ in New York zum Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages im Jahr 1993 klare Grenzen gesetzt. IV. Schluss Die Bedeutung der europäischen Institutionen in den Vereinten Nationen hat einen starken Wandel durchlaufen. Nach einer knapp zwanzigjährigen Aufbauphase, in der die Aufnahme von Beziehungen zu den technischen Sonderorganisationen im Mittelpunkt stand, erfolgte in den 70er Jahren eine Expansionsphase. Hier festigte die Gemeinschaft mit der Verleihung des Beobachterstatus in der Generalversammlung ihre internationale Stellung als neuer Akteur im Wirkungskreis der Vereinten Nationen. Mit der Errichtung einer Kommissions-Delegation in New York markierte zugleich die Kommission ihren Anspruch, in der Vertretung der Gemeinschaftsinteressen eine führende Rolle zu spielen. Politisch wurde dieser Durchbruch durch das sowjetische Einlenken möglich, die Existenz der Gemeinschaft nicht mehr zu ignorieren, juristisch stärkte der Europäische Gerichtshof durch seine Rechtsprechung zu den ausschließlichen Außenkompetenzen der Gemeinschaft den Rücken. Freilich blieb die politische Zusammenarbeit in außenpolitischen Fragen fest in den Händen der Mitgliedstaaten, die nach wie vor das Bild Europas in den Vereinten Nationen prägten. Eine gewisse Vertiefung war in den 1980er Jahren zu gewärtigen. Wiederum arbeitete die Kommission darauf hin, dass die Gemeinschaft durch die Teilnahme in Vertragsverhandlungen in wichtigen Politikbereichen (Seerecht, Umweltrecht) Präsenz markieren konnte. Auch konnte durch eine stärkere Mitarbeit in Sonderorgani62

Lindemann, (Fn. 16), S. 101. Brückner (Fn. 8), S. 179. 64 Stadler (Fn. 25), S. 69 – 70. 65 Verbeke, J., EU coordination on UN Security Council matters, in: Wouters/Hoffmeister/ Ruys (Fn. 12), S. 49 (55). 63

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sation die Vollmitgliedschaft in der FAO im Jahr 1991 erreicht werden. Auf der politischen Seite blieb die Dominanz der Präsidentschaft in den durch die EPZ geprägten Verfahren bestehen, allerdings konnte gleichzeitig eine Erhöhung der Abstimmungskohärenz erreicht werden. Eine Koordinierung zu Fragen im UN-Sicherheitsrat fehlte nach wie vor gänzlich mangels Interesses oder sogar Abwehr seitens Frankreichs und Großbritanniens. Alles in allem lässt sich daher vereinfachend folgender Schluss wagen: Nach 40 Jahren Integration und am Ende des Ost-West-Konflikts waren die europäischen Institutionen in den Fachgremien der Vereinten Nationen als erfolgreiche regionale Organisation der Wirtschaftsintegration angekommen. Eine eigenständige politische Rolle zu Fragen von Krieg und Frieden im Kernbereich der Organisation fiel ihnen jedoch noch nicht zu.

Die Gemeinsame Handelspolitik als EG-Außenpolitik? Daniela Karrenstein I. Einleitung Um die im Titel des Vortrags aufgeworfene Frage zu beantworten, wird dieser Beitrag erläutern, welche Akzente in der Gemeinsamen Handelspolitik in den Jahren 1951 bis 1992 gesetzt wurden. Dabei soll zum einen nach regionalen und zum anderen nach thematischen Schwerpunkten gesucht werden. Es soll herausgefunden werden, inwiefern in dem genannten Zeitraum eine Verknüpfung von Handelspolitik und Außenpolitik bestand und belegt werden, dass die Handelspolitik einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der politischen und rechtlichen Koordinierung der Außenbeziehungen der EG1 geleistet hat. 1. Ziele der Gemeinsamen Handelspolitik Die Gemeinsame Handelspolitik markiert den Beginn der gemeinschaftlichen Außenbeziehungen und stellt auch deren Kern dar. Neben der Schaffung und Sicherung günstiger Einfuhr- und Ausfuhrbedingungen für die Gemeinschaft, also Maßnahmen, die auf unmittelbare Vorteile in den Handelsbeziehungen abzielen, haben handelspolitische Maßnahmen auch ein außenpolitisches Ziel: Dass die Gemeinschaft verschiedene Regelungen gegenüber ihren Handelspartnern anwendet, hängt, wie noch unter 2. zu zeigen sein wird, mit verschiedenen außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Mitgliedstaaten zusammen.2 Die Gemeinsame Handelspolitik kann als Vorläufer der auch in anderen Politikbereichen gewonnenen Erkenntnis gesehen werden, dass Fortschritte im Binnenbereich (z. B. Abschaffung von Grenzkontrollen, Verbot mengenmäßiger Beschränkun-

1 Vgl. dazu den Beitrag von Ahmann, R./Schulze, R./Walter, C., Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951 – 1992 – eine Einführung, in diesem Band. 2 Bourgeois, J., in: von der Groeben, H./Schwarze, J. (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., BadenBaden 2003, Vorbem. zu den Art. 131 bis 134, Rn. 7; so trug z. B. die Mittelmeerpolitik starke außenpolitische, sogar sicherheitspolitische Züge, siehe Vedder, C., in: Grabitz, E./Hilf, M., EGV, Altband II, Art. 113 EWGV, Rn. 67; zum Beispiel der Verknüpfung von Handels- und Sicherheitspolitik in Bezug auf Jugoslawien siehe II. 1. d).

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gen) ein gemeinsames Vorgehen nach außen (Ausländer- und Asylpolitik, Ausfuhrpolitik) erfordern.3 Auch um das wirtschaftliche Gewicht der Gemeinschaft zum Tragen kommen zu lassen, muss in der Gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Drittstaaten einheitlich aufgetreten werden.4 Angesichts der Erkenntnis, dass für den wirtschaftlichen Integrationsprozess ein Minimum an Übereinstimmung in der Außenpolitik erforderlich ist, lief die Handelspolitik im hier relevanten Zeitraum parallel zu politischen Kooperationsverfahren in der Außenpolitik, die sich schließlich in der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) mit dem Ziel der Angleichung der Außenpolitik der Mitgliedstaaten formalisierten. 2. Entwicklung ihrer rechtlichen Grundlagen Von 1952 bis 1957 gab es nur eine Bestimmung zur Handelspolitik im Rahmen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl; Art. 71 EGKS5 (gültig bis 2002) beließ die Zuständigkeit für die Handelspolitik bei den Mitgliedstaaten, d. h. die EGKS hatte keine handelspolitische Zuständigkeit. Im Jahre 1958 traten die Bestimmungen im Rahmen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag6) hinzu. Dieser Beitrag wird sich auf die Handelspolitik, welche auf diesen Bestimmungen basiert, beschränken. Art. 111 Nr. 1 EWG-Vertrag in der Römischen Fassung sah den Zeitraum von seinem Inkrafttreten im Jahre 1958 bis Ende 1969 als eine Übergangszeit für eine Koordinierung der noch in mitgliedstaatlicher Zuständigkeit liegenden Handelspolitik an, während der auf eine „gemeinsame Politik“ hingearbeitet werden sollte: „ […] gelten während der Übergangszeit folgende Vorschriften: 1. die Mitgliedstaaten koordinieren ihre Handelsbeziehungen mit dritten Ländern derart, daß am Ende der Übergangszeit die erforderlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet des Außenhandels gegeben sind.“

Bis zum Jahr 1965 gab es ein gemeinsames Vorgehen nur im Bereich der Außenzölle, ansonsten ging eine Koordinierung nicht über Konsultationen und Abstimmungen hinaus. Seit Ablauf der Übergangszeit 1970 wurde die Handelspolitik als eine „gemeinsame Politik“ wahrgenommen,7 indem gemäß Art. 113 EWG-Vertrag die gemeinsame Handelspolitik „nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet“ wurde. 3 Fröhlich, S., Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 40 f.; Streinz, R., Europarecht, 8. Aufl., Heidelberg 2008, Rn. 30 f. 4 Hahn, M., in: Calliess, C./Ruffert, M. (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl., München 2007, Art. 131, Rn. 2. 5 Bundesgesetzblatt (BGBl.) 1952 II, S. 445. 6 BGBl. 1957 II, S. 766. 7 Vedder (Fn. 2), Altband II, Art. 111 EWGV, Rn. 1.

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Die Auslegung dieses Wortlauts war lange umstritten,8 seit 1973 geht der Europäische Gerichtshof (EuGH), unterstützt vom Schrifttum,9 in ständiger Rechtsprechung von einer ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft aus.10 Eine parallele Kompetenz lehnt er aus dem Grund ab, dass sie eine Gefahr für einen wirksamen Schutz der Gesamtinteressen der Gemeinschaft berge. Aber auch nach Ablauf der Frist konnten einzelstaatliche Maßnahmen gemäß einer besonderen Ermächtigung seitens der EWG weiterbestehen, d. h. also, dass handelspolitische frühere Verträge der Mitgliedstaaten verlängert werden konnten, soweit sie die Gemeinsame Handelspolitik nicht behinderten (dazu auch unter II.1.). Die im Rahmen der Handelspolitik zur Verfügung stehenden Instrumente lassen sich in die konventionelle beziehungsweise vertragliche Handelspolitik (bilaterale und multilaterale Abkommen) sowie die autonome Handelspolitik (z. B. Gemeinsamer Zolltarif, Antidumping-Regelungen, Einfuhr- und Ausfuhrregelungen) aufteilen.11 II. Die Verknüpfung von Handels- und Außenpolitik in der Praxis Anhand von Beispielen aus der vertraglichen Handelspolitik sowie aus der Embargopolitik als Teil der autonomen Handelspolitik soll nun erläutert werden, inwiefern die Handelspolitik mit der Außenpolitik verbunden ist und der Frage nachgegangen werden, ob sich regionale oder thematische Schwerpunkte eines gemeinsamen Vorgehens nach außen festmachen lassen. So kann anhand der inhaltlichen und geographischen Breite der Vertrags- und Embargopraxis das Gewicht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in diesem Bereich der Außenbeziehungen dargestellt werden. Seit 1970 waren formell die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für die Gemeinsame Handelspolitik geschaffen [siehe I. 2.]. Wie es sich mit dem tatsächlichen Ausmaß an Selbstständigkeit zu dieser Zeit verhielt, soll nunmehr untersucht werden.

8 Dazu Everling, U., Rechtsprobleme der Gemeinsamen Handelspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Göttingen 1965, S. 206 f.; DOrville, M., Die rechtlichen Grundlagen für die gemeinsame Zoll- und Handelspolitik, Köln u. a. 1973, S. 26 ff. 9 Nicolaysen, G., Autonome Handelspolitik der EWG, in: von Münch, I. (Hrsg.), Festschrift für H.-J. Schlochauer, Berlin u. a. 1981, S. 855 (857); Hahn (Fn. 4), Art. 133, Rn. 7; Bourgeois, J., in: Groeben, H./Thiesing, J./Ehlermann, C.-D., Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl., Baden-Baden 1999, Art. 113, Rn. 28 f; Vedder (Fn. 2), Altband II, Art. 113 EWGV, Rn. 6; Streinz (Fn. 3), Rn. 714 ff. 10 EugH, Rs. 8/73, Slg. 1973, 897 (Hauptzollamt Bremerhaven); Gutachten 1/75, Slg. 1975, 1355 (OECD-Gutachten), Gutachten 1/78, Slg. 1979, 2871 (Naturkautschuk-Übereinkommen); Gutachten 1/94, Slg. 1994, I-5267. 11 Bourgeois (Fn. 2), Vorbem. zu den Art. 131 bis 134, Rn. 9; Art. 133, Rn. 42; zu dieser Aufteilung siehe auch Nicolaysen (Fn. 9), S. 855 (856 ff.).

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1. Vertragliche Beziehungen Als eine Art „Gewöhnungsphase“ an die ausschließliche Kompetenz, in der sowohl nationale beziehungsweise bilaterale als auch gemeinschaftliche Vereinbarungen existierten, kann der Zeitraum zwischen 1970 und 1974 bezeichnet werden. Bilaterale Handelsabkommen der Mitgliedstaaten bestanden mit den Staatshandelsländern12 bis 1974 fort und konnten auch noch von den einzelnen Mitgliedstaaten bis 1972 nach einer Genehmigung der Gemeinschaft13 neu abgeschlossen werden. Dies lag an der ablehnenden Haltung, welche die Staatshandelsländer gegenüber der Gemeinschaft hatten.14 Ab 1974 schlossen die Mitgliedstaaten, um trotz der gemeinschaftlichen Kompetenz für die Handelspolitik weiter auch selbst handeln zu können, anstelle von Handelsabkommen auf Assoziierung und Handelspolitik gestützte sogenannte Kooperationsabkommen, von deren Aushandlung sie die Kommission und gegebenenfalls auch andere Mitgliedstaaten zu unterrichten hatten. Diese enthielten kaum noch Hinweise auf den Handel,15 sondern eine Vereinbarung zur wirtschaftlichen, technischen und industriellen Zusammenarbeit.16 Die nationalen Handelsabkommen im Verhältnis zu den Staaten, die nicht Staatshandelsländer waren, konnten größtenteils durch Abkommen der Gemeinschaft ersetzt werden.17 Bei dem Abschluss dieser Verträge sind keine regionalen Schwerpunkte auszumachen, da es Abkommen mit Staaten aus allen Regionen der Welt gab. Des Überblicks halber soll eine Einteilung in Ländergruppen erfolgen:

12 Diese Terminologie umfasste in Anlehnung an Weissenberg, P., Die Kompetenz der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum Abschluß von Handels- und Kooperationsabkommen gemäß Art. 113 EG-Vertrag, Berlin 1978, S. 19, die europäischen Staatshandelsländer Albanien, Bulgarien, CSSR, DDR, Polen, Rumänien, UdSSR, Ungarn und die asiatischen Staatshandelsländer China, Mongolei, Nordkorea, Vietnam, außerdem Kuba. 13 Dazu DOrville, M., Die rechtlichen Grundlagen für die gemeinsame Zoll- und Handelspolitik, Köln u. a. 1973, S. 65 ff. 14 Sachs, K. M., EG-Handelspolitik und zwischenstaatliche Kooperationsabkommen, Baden-Baden 1976, S. 53. 15 Weissenberg, P., Die Kompetenz der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum Abschluß von Handels- und Kooperationsabkommen gemäß Art. 113 EG-Vertrag, Berlin 1978, S. 50. 16 Z.B. das deutsch-polnische Abkommen über die Entwicklung der wirtschaftlichen, industriellen und technischen Zusammenarbeit vom 01. November 1972, BGBl. 1975 II, S. 619; zur umstrittenen Einordnung dieser Abkommen siehe Vedder, C., Die Auswärtige Gewalt des Europa der Neun, Göttingen 1980, S. 30 f. 17 Weissenberg (Fn. 15), S. 43.

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Mit südeuropäischen Ländern existierten Handels- und Assoziierungsabkommen,18 die ihrer Rechtsnatur nach gemischte Abkommen waren (d. h., dass am Abschluss die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten sowie die jeweiligen Drittländer beteiligt waren). Mit außereuropäischen Mittelmeerländern19 schloss die EWG zuerst Handelsund Assoziierungsabkommen, danach Kooperationsabkommen, ebenfalls als gemischte Abkommen. Auch mit den AKP-Ländern20 existierten assoziierte, gemischte Abkommen. Zwischen den übrigen Entwicklungsländern, also lateinamerikanischen und asiatischen Ländern, und der EWG wurden nichtpräferenzielle21 Kooperationsabkommen als nichtassoziierte, nichtgemischte Abkommen geschlossen.22 Die EWG schloss ihr erstes Handelsabkommen mit einem Drittstaat 1963 mit Iran ab. Dieses beinhaltete, genauso wie das 1970 mit Israel abgeschlossene Handelsabkommen, die Senkung beziehungsweise Aussetzung von Zöllen.23 Abkommen mit speziellem Inhalt aufgrund der geographischen Lage schloss die EWG mit Österreich und der Schweiz ab.24 Als erstes Kooperationsabkommen mit einem westlichen Industriestaat schloss die EWG 1976 das Rahmenabkommen über eine handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kanada ab.25 Dass die Handelspolitik immer auch außenpolitische Ziele sei es von der Gemeinschaft, sei es von einzelnen Mitgliedstaaten – verfolgt, war bereits in den ersten Jahrzehnten des Bestehens der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft deutlich.26 18

Assoziierungsabkommen gab es mit Griechenland, Türkei, Zypern, Malta; Handelsabkommen mit Spanien; Freihandelsabkommen mit Portugal, nicht aber mit Albanien. 19 Algerien, Tunesien, Marokko, Ägypten, Jordanien, Libanon, Syrien; nicht aber mit Libyen. 20 Hauptsächlich mit den ehemaligen Kolonien, den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten. 21 Zu präferenziellen und nichtpräferenziellen Handelsabkommen allgemein siehe Vedder (Fn. 16), S. 53 f. 22 Z.B. mit Indien, Brasilien, den ASEAN-Ländern Indonesien, Thailand, Philippinen, Malaysia, Singapur; die EWG vereinbarte z. B. mit Argentinien, Uruguay, Brasilien und Mexiko eine Meistbegünstigung. 23 Everling, U., Rechtsprobleme der Gemeinsamen Handelspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Göttingen 1965, S. 215. 24 Dazu Vedder (Fn. 16), S. 35 f. 25 Abkommen vom 06. Juli 1976, ABl. 1976, L 260, S. 2; dazu Weissenberg (Fn. 15), S. 39 ff. 26 Everling (Fn. 8), S. 221 f.; Bourgeois, J., in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. Baden-Baden 1999, Vorbem. zu Art. 110 bis 115, Rn. 7; Nicolaysen (Fn. 9), S. 855 (858); Vedder, C., Ziele der Gemeinsamen Handelpolitik und Ziele des Auswärtigen Handelns, in: Hermann, C./Krenzler, H.-G./Streinz, R. (Hrsg.), Die Außenwirtschaftspolitik der Europäischen Union nach dem Verfassungsvertrag, Baden-Baden 2006, S. 43 (53), merkt jedoch an, dass die frühen, mit europäischen Staaten geschlossenen,

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Aus der Vielzahl der gerade (nicht abschließend) genannten Vertragsbeziehungen sollen nun beispielhaft einige herausgegriffen werden, die über die Handelspolitik hinausgehende Ziele erkennen lassen, um zu verdeutlichen, wie die vertragliche Handelspolitik mit außenpolitischen Interessen – aktiv oder passiv in den ersten Jahrzehnten verknüpft wurde: a) Aus der Gruppe südeuropäischer Länder aa) Nichtverhandlung über ein Freihandelsabkommen zwischen der EWG und Spanien Ein Beispiel für ein defensives Nutzen der Handelspolitik für außenpolitische Beziehungen ist die Reaktion der Gemeinschaft auf die Hinrichtung von zum Tode verurteilten Regimegegnern (Baskenautonomisten) im Jahre 1975. Über das bereits genannte Handelsabkommen von 1970 hinaus plante die Europäische Kommission den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Spanien. Nachdem Spanien 1975 über Regimegegner Todesurteile verhängt hatte, deren Vollstreckung eine Begnadigungsbitte der Kommission vorausgegangen war, schlug die Kommission dem Rat vor, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen nicht wieder aufzunehmen.27 Die Mitgliedstaaten verurteilten die Vollstreckung der Todesstrafe öffentlich und folgten im Rat diesem Vorschlag der Kommission, indem sie beschlossen, vorerst die Verhandlungen mit Spanien nicht wiederaufzunehmen.28 Die Gemeinschaft nahm diese erst nach Antritt der neuen, demokratischen Regierung Anfang 1976 wieder auf. bb) Bloße Aufforderung zur Achtung der Menschenrechte gegenüber der Türkei Nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 äußerte die Kommission „größte Besorgnis“ und Hoffnung auf eine Einhaltung der Menschenrechte und Wiederherstellung der demokratischen Institutionen.29 Während das Parlament mit einem Abbruch der Assoziationsbeziehungen drohte, sprach sich der Rat zunächst für eine Fortsetzung der Beziehungen und später für den Abschluss eines neuen Finanzprotokolls aus. Zwar wurde ein neues, viertes Finanzprotokoll nicht verabschiedet, die bisherigen Finanzbeziehungen aufgrund des dritten Protokolls wurden jedoch fortgesetzt und das Assoziationsverhältnis aufrechterhalten. Der Grund für dieses zurückhaltenpräferenziellen Handelsabkommen und das Assoziierungsabkommen mit der Türkei über die Handelspolitik hinausgehende Anliegen noch nicht erkennen lassen. 27 Hoffmeister, F., Menschenrechts- und Demokratieklauseln in den vertraglichen Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft, Berlin u. a. 1998, S. 46 f. 28 Der Forderung des Europäischen Parlaments, die Beziehungen zu Spanien bis zur Herstellung von Freiheit und Demokratie einzufrieren, kam die Gemeinschaft jedoch nicht nach, da sie das schon bestehende Abkommen weiter durchführte, siehe ebd., S. 46. 29 Ebd., S. 48 ff.

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de Nutzen der vertraglichen Beziehungen für menschenrechtliche Belange dürfte in der strategischen Bedeutung der Türkei für die NATO-Sicherheitspolitik zu sehen gewesen sein. b) Aus der Gruppe der AKP-Länder Nach dem Militärputsch auf Fidschi durch General Rabuka 1987, mit dem er unter anderem auch den Austritt aus dem Commonwealth erklärte, sorgte sich das Europäische Parlament um die Stabilität im Südpazifik.30 Es zählte die Förderung der Demokratie in einem AKP-Staat ausdrücklich zu den Gemeinschaftsinteressen und forderte die Kommission dazu auf, eine Aussetzung des Zuckerprotokolls gegenüber Fidschi aufgrund des Putsches zu prüfen. Die Kommission ging nicht derart weit, allerdings erließ sie zunächst keine neuen Finanzierungsbeschlüsse zugunsten von Fidschi. Als sich die dortige politische und wirtschaftliche Lage nach der Wiedereinsetzung des ehemaligen zivilen Premierministers stabilisiert hatte, genehmigte die Kommission ab Ende 1988 wieder reguläre Finanzmittel.31 c) Aus der Gruppe der übrigen Entwicklungsländer aa) ASEAN Der Abschluss des Kooperationsabkommens zwischen der EWG und der Regionalorganisation ASEAN (Zusammenschluss der südostasiatischen Länder Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand) im März 198032 hatte nicht nur Gründe wirtschaftlicher Art, sondern ebenso einen politischen Hintergrund. Mit den Verhandlungen hatten die Parteien bereits im Zuge der Beitrittsverhandlungen Großbritanniens mit der EWG begonnen, angesichts derer Malaysia und Singapur als Commonwealth-Mitglieder sich um den Verlust ihrer Commonwealth-Präferenzen sorgten. Gleichzeitig wollten die ASEAN-Länder ihre bis dahin bestehende wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA und Japan verringern, die einen politischen Einfluss insbesondere der Vereinigten Staaten mit sich brachte.33 Aus der Sicht europäischer Staaten bestand aufgrund des 1977 ausgebrochenen Grenzkrieges zwischen Vietnam und Kambodscha auch ein sicherheitspolitisches Interesse an einer Zusammenarbeit.34 Das Abkommen, dessen Abschluss durch die Invasion Vietnams in Kambodscha 1978 beschleunigt wurde, regelte als nichtpräferenzielles Abkommen die Einräumung der Meistbegünstigung und die Förderung der handelspolitischen und wirt30

Hoffmeister (Fn. 27), S. 31 f. Ebd., S. 31. 32 ABl. 1980, L 144, S. 2. 33 Pappas, A., Die außenpolitischen Ziele und Interessen der gemeinsamen Handelspolitik der Europäischen Gemeinschaft, Berlin 1985, S. 67 f. 34 Ebd., S. 73. 31

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schaftlichen Zusammenarbeit, enthielt jedoch keine konkreten handelspolitischen Zusagen. Die EWG verpflichtete sich erstmals im Wege einer sogenannten Entwicklungskooperation zur Ausdehnung der Zusammenarbeit mit ASEAN-Ländern, um so zu deren wirtschaftlicher Entwicklung beizutragen.35 Die EWG unterstützte die Zusammenarbeit innerhalb der ASEAN, da sie diese regionale Integration für sicherheitspolitisch bedeutsam hielt. Dies wird im 5. Abs. der Präambel des Abkommens deutlich: „in dem Bewusstsein, daß diese Zusammenarbeit […] der Entstehung der ASEAN als einer lebensfähigen und festen Gemeinschaft, die zur Stabilität und zum Frieden in Südostasien beigetragen hat, Rechnung trägt.“36 Auch im 2. Abs. der Präambel wird die gemeinsame Verpflichtung bekräftigt, „die Bemühungen der ASEAN und der Gemeinschaft zur Errichtung und Stärkung regionaler Organisationen, die sich wirtschaftlichem Wachstum, sozialem Fortschritt und kultureller Entwicklung verschreiben und einen Faktor des Gleichgewichts in den internationalen Beziehungen darstellen wollen, gegenseitig zu unterstützen[…]“. Weiterhin findet sich in der Präambel, wenn auch implizit, ein Bekenntnis zu den Menschenrechten, indem der Wille der Parteien „die Entfaltung ihrer menschlichen und materiellen Kräfte auf der Grundlage von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu fördern“, bekräftigt wird. In ASEAN-Ländern waren jedoch viele Menschenrechtsverletzungen bekannt, und das Parlament forderte Rat und Kommission 1980 auf, die Regierungen der ASEAN-Länder zu drängen, die Menschenrechte in ihren Ländern zu gewährleisten.37 Die EWG ging in diesem Fall – anders als gegenüber Staaten in anderen Regionen [dazu sogleich unter bb)] – jedoch nicht darauf ein und führte die Beziehungen regulär fort, ohne auf irgendwelche Verletzungen hinzuweisen. Bei der EWG-ASEAN-Kooperation zeigt sich also zum einen, dass die gemeinsame Handelspolitik offensiv als sicherheitspolitisches Mittel eingesetzt wurde,38 und zum anderen, dass sicherheitspolitische Interessen überwiegen, wenn sie mit der Förderung von Menschenrechten kollidieren, und die EWG die Handelspolitik hier nicht als ein Instrument zur Einhaltung von Menschenrechten einsetzt. bb) Uruguay und Bolivien Gegenüber Uruguay wurde nach dem Militärputsch 1973/74 das Handelsabkommen von 1973 nicht gekündigt, jedoch lehnten die Kommission und die Mitgliedstaaten eine Weiterentwicklung, z. B. eine Ausweitung des Handelsförderprogramms, bis 1987 ab.39 35 36 37 38 39

Vedder (Fn. 16), S. 47. ABl. 1980, L 144, S. 2. ABl. 1980, C 85, S. 83. Pappas (Fn. 33), S. 86. Hoffmeister (Fn. 27), S. 55 f.

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Gegenüber Bolivien allerdings zeigte die EWG ein aktiveres Vorgehen: Sie unterbrach nach dem dortigen Militärputsch 1980 die Verhandlungen mit dem AndenPakt.40 d) Jugoslawien Nach dem Beitritt Griechenlands hatte Jugoslawien insbesondere als eine Brücke zu diesem Mitgliedstaat Bedeutung und spielte als Mittelmeeranrainer-Staat eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Sicherheit in Europa. Die EWG und Jugoslawien unterzeichneten 1980 ein Kooperationsabkommen auf unbegrenzte Dauer in der Form eines gemischten Abkommens. Um die darin vorgesehene handelspolitische Kooperation sobald wie möglich, also noch vor Inkrafttreten des Abkommens, umsetzen zu können,41 beschlossen beide Seiten ein Interimsabkommen in Form eines präferenziellen Handelsabkommens. Aufgrund des sowjetischen Einmarschs in Afghanistan und der sich nähernden Post-Tito-Ära waren die westlichen Staaten um die Stabilität Jugoslawiens und um das Fortbestehen von dessen Blockfreiheit besorgt. Diese besondere sicherheitspolitische Bedeutung Jugoslawiens führte dazu, dass die EWG in dem Kooperationsabkommen recht viele Zugeständnisse an Jugoslawien machte, beispielsweise, indem sie diesem eine einseitige Freihandelszone einräumte.42 In Bezug auf Jugoslawien setzte die EWG die gemeinsame Handelspolitik mithin als ein Mittel der Sicherheitspolitik offensiv ein.43 Dabei standen Handels- und Außenpolitik in einer derartigen Wechselwirkung, dass die im Abkommen vereinbarten Inhalte ohne die angedeuteten außenpolitischen Hintergründe nicht so vereinbart worden wären. Gleichzeitig konnten mithilfe der Handelspolitik außenpolitische Interessen realisiert werden. e) USA Ein Beispiel für die passive beziehungsweise indirekte Berücksichtigung politischer Interessen zeigt sich im Verhältnis zu den USA. Diese hatten einerseits neben einem ökonomischen auch ein politisches Interesse an der Integration der europäischen Staaten als Gegenpol zu sozialistischen Staaten, andererseits sahen sie ihren politischen Einfluss und im Zuge der Zunahme des Außenhandels der Gemeinschaft durch die Gewinnung neuer Märkte nach dem Beitritt Großbritanniens auch ihre ökonomischen Interessen bedroht.44 Diese Konkurrenzsituation spiegelte sich in diversen handelspolitischen Auseinandersetzungen wider. Die EWG wandte 40

Pappas (Fn. 33), S. 82. Diese Dringlichkeit ergab sich u. a. durch den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan im Dezember 1979. 42 Vedder (Fn. 2), Altband II, Art. 113 EWGV, Rn. 67, weist darauf hin, dass die Mittelmeerpolitik insgesamt starke allgemein außenpolitische, sogar sicherheitspolitische Züge trägt. 43 Pappas (Fn. 33), S. 118. 44 Ebd., S. 30 ff. 41

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sich gegen protektionistisch wirkende tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse seitens der USA. Die USA dagegen warfen der EWG eine protektionistische Agrarpolitik vor. Der sogenannte „Hähnchenkrieg“ im Rahmen des GATT, der die Folge einer Erhöhung der Zölle auf die Einfuhr von Hühnerfleisch aus den USAwar,45 zeigte schon im Jahr 1963, dass die USA ihre Handelspolitik mit sicherheitspolitischem Druck verknüpften: Senator Fulbright, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Senats und Senator von Arkansas, dem Staat mit den meisten Produzenten von Geflügel, drohte mit einer Reduzierung amerikanischer Truppen in der NATO.46 Dass das Verhältnis der EWG zur UdSSR sich auf ihre Beziehung zu den Vereinigten Staaten auswirkte, zeigte sich beim sogenannten Röhrenembargo: 1982 dehnten die USA ihre schon beschlossenen Sanktionen auf die Ausfuhr von Ausrüstungsgütern für die Erdgas- und Erdölindustrie in der UdSSR aus. Dieses „Röhrenembargo“ sollte das Röhrengeschäft von einigen europäischen Mitgliedstaaten mit der UdSSR verhindern. Dieses Embargo verdeutlicht, dass die europäischen Staaten keine Handelspolitik mit Staatshandelsländern oder der UdSSR betreiben konnten, ohne die Position der Vereinigten Staaten zur Osthandelspolitik47 zu berücksichtigen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die EWG in Bezug auf die USA außenpolitische Interessen passiv berücksichtigte, indem sie bei ihren handelspolitischen Beziehungen zu anderen Ländern mögliche negative Auswirkungen auf die politischen Beziehungen zu den USA im Auge behielt. Die EWG musste die Handelspolitik nicht direkt gegenüber den USA als ein außenpolitisches Mittel einsetzen, da politische Beziehungen mit den USA bereits auf einer festen Grundlage standen; dass diese bestehenden politischen Beziehungen nicht durch handelspolitisches Verhalten verschlechtert werden sollten, war die politische Komponente in der gemeinschaftlichen Handelspolitik.48 f) Fazit für die vertragliche Handelspolitik Nur gegenüber der Ländergruppe der lateinamerikanischen Staaten verfolgte die EWG mit ihrer Handelspolitik menschenrechtliche Interessen. In asiatischen und den europäischen und außereuropäischen Mittelmeeranrainerstaaten wurden politische

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Dazu Everling (Fn. 8), S. 214 f. Siehe DER SPIEGEL 33/1963 vom 14. 08. 1963, S. 19. 47 Nach Ansicht der USA hätte die UdSSR, die sich von europäischen Staaten hohe Geldsummen lieh, von diesen neueste Technologien importierte und diesen wiederum Rohstoffe lieferte, ihre wachsende Macht dazu nutzen können, die westeuropäischen Staaten zur Befolgung ihrer Politik zu zwingen, da diesen andernfalls Energievorräte und Exportmärkte hätten verloren gehen können, siehe Pissulla, P., East-West Trade: U.S. and European views, in: Peeters, M. (Hrsg.), United-States – European Community Trade Relations: The Search for Common Ground, Leuven 1985, S. 29 (30). 48 Pappas (Fn. 33), S. 57. 46

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Interessen mit der Handelspolitik verbunden, allerdings lag der Schwerpunkt auf sicherheitspolitischen Interessen. Am Beispiel der Beziehungen der EWG zu den ASEAN-Staaten hat sich gezeigt, dass es in der Handelspolitik zur Kollision zwischen einer menschenrechtsfördernden Politik und sicherheitspolitischen Interessen kommen kann, bei der die Gemeinschaft ihr handelspolitisches Potential dann nicht für Menschenrechte eingesetzt hat, wenn sie sicherheitspolitische Interessen in Gefahr gesehen hat.49 Ein solches Vorgehen war möglich, weil Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den ersten Jahrzehnten des Bestehens der EWG noch keine verpflichtenden Bestandteile in den von ihr abgeschlossenen Abkommen waren. Seit Mitte der neunziger Jahre enthalten alle Handels- und Assoziierungsabkommen Menschenrechts- und Demokratieklauseln verschiedener Art, bei deren Verletzung gegebenenfalls über die Wiener Vertragsrechtskonvention eine Suspendierung oder Kündigung der gewährten handelspolitischen Vorteile erfolgen kann.50 2. Autonome Handelspolitik: Embargomaßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Handelspolitik Die Durchführung von Sanktionen in Form eines Handelsembargos (außerhalb der Umsetzung von UN-Sicherheitsrats-Resolutionen) zeigt besonders deutlich die Einbeziehung außenpolitischer Interessen in die Handelspolitik auf: Ausfuhrverbote sind ein Instrument der Handelspolitik, für die die Gemeinschaft zuständig ist; gleichzeitig aber sind sie rein politisch motiviert, haben also kein wirtschaftliches Ziel. Für Außenpolitik wiederum sind die Mitgliedstaaten zuständig. Deshalb kommt bei der Verhängung eines Embargos die Frage auf, inwiefern diese noch in den Kompetenzbereich der Gemeinschaft fällt.51 a) Iran Die Verflechtung von Handels- und Außenpolitik und damit verbunden die Frage nach der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft zeigt sich beispielsweise im Handelsboykott gegenüber Iran 1980 nach der Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft. Die Entscheidungen über die Boykott-Maßnahmen wurden mitgliedstaatlich-intergouvernemental im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) getroffen: Eine Erklärung der Außenminister enthielt einen Beschluss zur Anwendung der Boykottmaßnahmen, anschließend haben die Mitgliedstaaten entspre-

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Ebd., S. 83. Ausführlich dazu Hoffmeister (Fn. 27), S. 376 ff. 51 Eeckhout, P., External Relations of the European Union, Legal and Constitutional Foundations, Oxford 2004, S. 422 f.; dazu Meng, W. Die Kompetenz der EWG zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Drittländer, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) 1982, S. 780 ff. 50

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chende Maßnahmen im nationalen Recht umgesetzt.52 Die Mitgliedstaaten sollten auf nationaler Ebene den Beschluss lediglich vollziehen, also keinen politischen Spielraum bei der Umsetzung der Sanktionen haben. Großbritannien zum Beispiel hat sich daran jedoch nicht gehalten, da das britische Parlament von der EPZ-Erklärung abwich und beschloss, bestehende Verträge nicht zu stornieren.53 Insgesamt stellte die Kommission später fest, dass die nationalen Maßnahmen sehr unterschiedlich durchgeführt worden seien.54 In Bezug auf den Iran-Boykott wurden also mitgliedstaatliche Interessen zunächst bei der Koordinierung des EPZ-Beschlusses berücksichtigt, und sie setzten sich sodann auch bei der Umsetzung des Beschlusses durch. Dementsprechend lag zur Zeit des Iran-Boykotts die Betonung noch auf der Kompetenz der Mitgliedstaaten, obwohl der EuGH bereits in seinem Gutachten 1/78 dargelegt hatte, dass Art. 113 EWG-Vertrag nicht in einer Weise ausgelegt werden dürfe, „die dazu führen würde, die gemeinsame Handelspolitik auf den Gebrauch der Instrumente zu beschränken, deren Wirkung ausschließlich auf die herkömmlichen Aspekte des Außenhandels gerichtet ist […]“.55 Diese Aussage konnte so verstanden werden, dass eine Kompetenz der Gemeinschaft zum Erlass einer Verordnung denkbar gewesen wäre.56 Eine gemeinschaftsrechtliche Maßnahme war jedoch 1980 anscheinend noch nicht gewollt.57 b) UdSSR Dagegen nahm die Gemeinschaft im Januar 1982 erstmalig die Kompetenz für Embargo-Maßnahmen auf Grundlage von Art. 113 EWG-Vertrag gegenüber der UdSSR wegen der Polen-Krise in Anspruch, indem sie eine Verordnung erließ, welche die Einfuhren bestimmter Waren aus der UdSSR verringerte, da die Interessen der Gemeinschaft dies ihrer Ansicht nach erforderten.58 Hintergrund war die Vermutung, dass hinter den Geschehnissen in Polen im Dezember 1981 – Machtübernahme des Militärs, Verhängung des Ausnahmezustands,

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Ausführlich dazu Nicolaysen (Fn. 9), S. 855 (870 ff.); Pappas (Fn. 33), S. 247 ff. Nicolaysen (Fn. 9), S. 855 (875). 54 EG-Bull. 5 – 1980, 1.5.4. 55 Gutachten 1/78, Slg. 1979, 2871 (Internationales Naturkautschuk Übereinkommen), Rn. 44; Elsig, M., The EUs common commercial policy: institutions, interests and ideas, Aldershot 2002, S. 93. 56 Kuyper, P. J., Community Sanctions against Argentina: Lawfulness Under Community and International Law, in: OKeeffe, D./Schermers, H. G. (Hrsg.), Essays in European Law and Integration, Deventer 1982, S. 141 (144 f.). 57 So waren bspw. Frankreich und Dänemark dagegen, während Deutschland ein Handeln der Gemeinschaft auf Grundlage von Art. 113 EWG-Vertrag befürwortet hätte, siehe Kuyper (Fn. 56), S. 141 (144). 58 VO EWG 596/82 des Rates über Einfuhrregelungen für sowjetische Waren, ABl. L 72, S. 15. 53

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Verbot der Gewerkschaft „Solidarität“ – die UdSSR stand und nunmehr politischer Druck ausgeübt werden sollte.59 c) Argentinien Auch gegenüber Argentinien verhängte die Gemeinschaft nach dessen Besetzung der Falkland-Inseln auf Wunsch Großbritanniens im April 1982 ein einmonatiges Embargo durch eine auf Art. 113 EWG-Vertrag basierende Verordnung,60 nachdem die Mitgliedstaaten sich im Rahmen der EPZ darauf geeinigt hatten. Die Präambel nahm auf diese Konsultationen erstmals ausdrücklich Bezug.61 Die Verordnung genehmigte nachträglich das zunächst einseitig durch Großbritannien gemäß Art. 224 EWG-Vertrag verhängte Einfuhrembargo.62 Unabhängig von der Streitfrage, ob mitgliedstaatliche und gemeinschaftliche Kompetenzen in einer Notstands-Situation des Art. 224 EWG-Vertrag nebeneinander bestehen,63 ist dieser Fall ein weiteres Beispiel für die mit dem Russland-Embargo einsetzende Praxis, dass ein Embargo von der EWG im Wege einer Verordnung, der ein EPZ-Beschluss vorausging, getroffen wurde. Ein ähnliches Vorgehen lässt sich bei Maßnahmen der Ausfuhrkontrolle erkennen. Auch in Bezug auf solche Maßnahmen konnte bereits 1989, als die Zuständigkeit für die Ausfuhrkontrolle aufgrund der politischen Komponente ähnlich wie die Zuständigkeit für Embargomaßnahmen umstritten war,64 ein eigenständiger Rechtsakt der Gemeinschaft erreicht werden. Nachdem die Weitergabe von technischem KnowHow über die Herstellung von Chemiewaffen an Libyen bekannt wurde, nahm der Rat 1989 eine auf Art. 113 EWG-Vertrag gestützte Verordnung betreffend die Ausfuhr bestimmter chemischer Erzeugnisse an.65 Die Mitgliedstaaten hatten sich zunächst im Rahmen der EPZ darauf verständigt, dass für ein schnelles und effektives Handeln ein einheitliches Vorgehen erforderlich war, und auch hier verwies die Prä-

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Steenbergen, J., U.S.-E.C. trade relations, mirrors image of a European identity crisis or a North-South adjustment problem?, in: Peeters (Fn. 47), S. 53 (64), weist darauf hin, dass die (viel weitergehenden) von den USA gegen die UdSSR verhängten Sanktionen wegen der PolenKrise auch zu einer Krise der europäisch-amerikanischen Beziehungen führten; dies lag an der grundsätzlich verschiedenen Haltung beider zur Osthandelspolitik. 60 VO EWG 877/82 des Rates zur Aussetzung der Einfuhr aller Erzeugnisse mit Ursprung in Argentinien, ABl. L 102, S. 1. 61 Italien und Irland nahmen an der ersten Verlängerung des Embargos unter Berufung auf Art. 224 EWG-Vertrag nicht teil, an der zweiten Verlängerung nahm außerdem Dänemark nicht mehr teil; dazu Kuyper (Fn. 56), S. 141 (148 ff.). 62 Hummer, W., in: Grabitz/Hilf (Fn. 2), Altband II, Art. 224 EWGV, Rn. 6 f. 63 Dazu Meng (Fn. 51), S. 797 ff.; Hummer, W., in: Grabitz/Hilf (Fn. 2), Altband II, vor Art. 223 – 225 EWGV, Rn. 6 a.E. 64 Eeckhout, P., External Relations of the European Union, Legal and Constitutional Foundations, Oxford 2004, S. 461. 65 VO EWG 428/89 des Rates betreffend die Ausfuhr bestimmter chemischer Erzeugnisse, ABl. 1989 L 50, S. 1.

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ambel der nachfolgenden Verordnung auf diese EPZ-Konsultationen.66 Aus ihr wurde deutlich, dass die Mitgliedstaaten ein Handeln in Form einer gemeinschaftsrechtlichen Verordnung deshalb wählten, weil sie schnelle und effektive Maßnahmen erlaubte. d) Fazit für die autonome Handelspolitik Während bei der Verhängung des Iran-Embargos noch Bedenken gegen ein gemeinschaftliches Handeln bestanden, erfolgte bei der späteren Embargopolitik im Rahmen der Polen- und Falkland-Krise eine Bewegung hin zu einer tatsächlichen Gemeinschaftspolitik und zu einem integrierten Vorgehen von Mitgliedstaaten und Gemeinschaft.67 Jedoch darf auch hier nicht außer Acht gelassen werden, dass die Maßnahmen der EWG bezüglich der UdSSR (beziehungsweise bezüglich Iran noch die Maßnahmen der Mitgliedstaaten) den Sanktionsmaßnahmen der USA gegenüber diesen Ländern nachfolgten und insofern Politik nicht in erster Linie gegenüber dem sanktionierten Land, sondern insbesondere gegenüber beziehungsweise unter Berücksichtigung der politischen Beziehungen zu den USA betrieben wurde. III. Fazit Die Gemeinschaft setzte die Gemeinsame Handelspolitik vielfach als Mittel zur Verfolgung außenpolitischer Ziele ein. Dabei verfolgte sie hauptsächlich sicherheitspolitische Ziele, was daran lag, dass die ersten Jahrzehnte ihres Bestehens stark von der Ost-West-Auseinandersetzung geprägt waren.68 Diese Ziele wurden offensiv (ausschließlich oder neben wirtschaftlichen Zielen) oder passiv durch die Berücksichtigung bereits bestehender politischer Bindungen, die nicht beeinträchtigt werden sollten und deshalb die handelspolitischen Interessen begrenzten, verfolgt.69 Die Beispiele aus der vertraglichen Handelspolitik zeigen, dass die Gemeinschaft gegenüber den Entwicklungsländern aus sicherheitspolitischen Gründen unterschiedlich handelte: Die EWG legte an lateinamerikanische Staaten strengere Maßstäbe an als an die restlichen Entwicklungsländer, indem sie ersteren gegenüber mehr menschenrechtliche Aspekte in die Handelspolitik einfließen ließ. Dies tat sie wiederum meistens „durch Unterlassen“, indem sie eine Weiterentwicklung der Vertragsbeziehungen zunächst nicht mehr verfolgte.

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VO EWG 428/89 des Rates betreffend die Ausfuhr bestimmter chemischer Erzeugnisse, ABl. 1989 L 50, S. 1; dazu Eeckhout (Fn. 64), S. 460. 67 Steenbergen (Fn. 59), S. 53 (66 f.). 68 Pappas (Fn. 33), S. 291. 69 Ebd., S. 288 f.

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Nach Ablauf der vertraglich vorgesehenen Übergangszeit Ende 1969 (siehe I. 2.) dauerte die Gewöhnungsphase an die ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft in der vertraglichen Handelspolitik bis Mitte der siebziger Jahre an. Damit danach die einzelnen Mitgliedstaaten weiterhin Vertragspartner bleiben konnten, rückten Kooperationsabkommen, die sich ihrem Inhalt nach nicht auf Handel beschränkten, mehr und mehr an die Stelle der klassischen Handelsabkommen. Dagegen begann die Aktivität der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Bereich der Embargopolitik erst später: Hier deutete sich ab Anfang der achtziger Jahre ein Handeln der Gemeinschaft an. Auch wenn dies zunächst eher auf der Einsicht beruht haben mag, dass wesentlich effektiver vorgegangen werden kann, wenn alle Staaten einheitlich handeln, als auf einer grundsätzlichen Zuerkennung der gemeinschaftlichen Zuständigkeit,70 so setzte sich infolge der genannten Embargo-Beispiele die Auffassung durch, dass die Verhängung von Embargomaßnahmen in die ausschließliche handelspolitische Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt.71 Unerlässlich für das Erreichen einer einheitlichen Position war das Forum der EPZ. Damit etablierte sich die Kombination von zunächst außenpolitischen Konsultationen der Mitgliedstaaten mit dem darauf folgenden, wirtschaftspolitischen Tätigwerden der Gemeinschaft. Dass der Vertrag von Maastricht dieses Vorgehen im Art. 228a (jetziger Art. 215 AEUV und ex-Artikel 301 EGV) kodifizierte, spricht dafür, dass es sich bewährt hat. Nach Betrachtung der vertraglichen und autonomen Handelspolitik ist eine Entwicklung der Gemeinsamen Handelspolitik hin zu einer tatsächlich von der EWG betriebenen Politik deutlich geworden. Diese verfolgte auch außenpolitische, insbesondere sicherheitspolitische, Ziele. Sie konnte somit dazu beitragen, die Wahrnehmung der EWG als eigenen außenpolitischen Akteur zu stärken.

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So Eeckhout (Fn. 64), S. 424. Vedder, C./Lorenzmeier, in: Grabitz/Hilf (Fn. 2), 35. EL Mai 2008, Art. 133 EGV, Rn. 90; Bourgeois, (Fn. 9), Art. 113, Rn. 20 a. E. 71

Die Entwicklung der Außenbeziehungen aus der Sicht der Kommission 1958 – 1973 Wilfried Loth Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) waren Gemeinschaften mit unterschiedlichen spezifischen Aufgaben. Die Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen der Mitgliedstaaten, die sie konstituierten, gehörte nur sehr eingeschränkt dazu – in dem Maße, wie sie die Politikfelder betrafen, die nach den Gemeinschaftsverträgen Schritt für Schritt vergemeinschaftet wurden. Die Außenbeziehungen der Gemeinschaften waren damit ein Feld, das einerseits auf Entwicklung hin angelegt war und andererseits über sich hinauswies. In diesem Entwicklungsprozess kam der Kommission der EWG als weitest reichender Gemeinschaft, ab 1967 der gemeinsamen Kommission der drei Gemeinschaften als institutionalisierter Vertretung des Gemeinschaftsgedankens eine zentrale Rolle zu. Von der Art ihrer Wahrnehmung hing es ab, wie sich die neuartigen Gemeinschaften in der Welt der internationalen Beziehungen etablieren würden.

I. Die rechtlichen Grundlagen Aus der Sicht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften geht es bei den auswärtigen Beziehungen der EU in erster Linie um die Gestaltung der Handelsbeziehungen. Nach Art. 110 des EWG-Vertrags ergibt sich aus der Schaffung einer Zollunion die Notwendigkeit einer gemeinsamen Handelspolitik. Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, „im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und zum Abbau der Zollschranken beizutragen“. Dazu war nach Art. 111 schon für die Übergangszeit eine Koordinierung der Handelsbeziehungen mit dritten Ländern vorgesehen; nach Art. 112 sollten die Beihilfen für Ausfuhren in dritte Länder schrittweise vereinheitlicht werden. Seit dem Ablauf der Übergangszeit fällt die Handelspolitik in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft. Art. 113 schreibt vor, dass sie „nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet“ wird. Art. 116 verpflichtet die Mitgliedstaaten, „in den internationalen Organisationen mit wirtschaftlichem Charakter bei allen Fragen, die für den Gemeinsamen Markt von besonderem Interesse sind, nur noch gemeinsam“ vorzugehen. Die Kommission hat in allen diesen Fällen zunächst die Aufgabe, dem Rat Vorschläge über Art und Umfang des gemeinsamen Vorgehens zu unterbreiten. „Sind

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Abkommen mit dritten Ländern auszuhandeln, so legt die Kommission dem Rat Empfehlungen vor; […]“ (Art. 113 Abs. 3; ähnlich Art. 111 Abs. 2). Der Rat ermächtigt die Kommission, die Verhandlungen einzuleiten. Sodann führt die Kommission die Verhandlungen „im Benehmen mit einem zu ihrer Unterstützung vom Rat bestellten besonderen Ausschuß“ und „nach Maßgabe der Richtlinien, die ihr der Rat erteilen kann“ (Art. 111 Abs. 2 beziehungsweise Art. 113 Abs. 3). Über die Einleitung von Verhandlungen und eventuelle Richtlinien zur Verhandlungsführung hat der Rat in den ersten beiden Stufen der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes einstimmig beschlossen; seither beschließt er mit qualifizierter Mehrheit. Über den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik hinaus sah der EWG-Vertrag vor, dass die Kommission „alle zweckdienlichen Beziehungen zu den Organen der Vereinten Nationen“ und ihrer Fachorganisationen sowie zu den Organen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) unterhält. „Soweit zweckdienlich“, das heißt: Für die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft hilfreich, sollte sie weiterhin „Beziehungen zu allen internationalen Organisationen“ unterhalten (Art. 229). In Art. 230 war zudem festgelegt, dass die Gemeinschaft „jede zweckdienliche Zusammenarbeit mit dem Europarat“ herbeiführt; in Art. 231 wurde ein „enges Zusammenwirken“ mit der Europäischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) angekündigt. Art. 228 bestimmte: „Soweit dieser Vertrag den Abschluss von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Staaten oder einer internationalen Organisation vorsieht, werden diese Abkommen von der Kommission ausgehandelt.“ Was „zweckdienlich“ war und welche Abkommen sich aus dem Vertrag ergaben, war freilich interpretationsbedürftig. Insofern war die Reichweite der Kompetenzen der Kommission nicht eindeutig bestimmt. Die erste Kommission unter dem Vorsitz von Walter Hallstein leitete aus diesen Artikeln den Anspruch ab, die Vertretung der Gemeinschaft in allen internationalen Organisationen zu übernehmen und in allen internationalen Wirtschaftsverhandlungen für die Gemeinschaft zu sprechen. Durchzusetzen war dieser Anspruch nicht ohne Weiteres. Selbst in den Fällen, in denen sie von den Vertragsbestimmungen her allein zuständig war, musste sie immer wieder darauf bestehen, tatsächlich mit der Verhandlungsführung betraut zu werden. In Fällen geteilter Zuständigkeit drängte sie darauf, dass die Gemeinschaft jeweils durch einen Vertreter der Kommission und einen Vertreter desjenigen Mitgliedstaates repräsentiert wurde, der gerade den Ratsvorsitz innehatte. Das ließ sich in der Regel erreichen. Es gelang der Kommission jedoch nicht, bei Verhandlungsdelegationen der Mitgliedstaaten, an denen sie beteiligt war, den Vorsitz zu übernehmen. II. Europäische Freihandelszone und GATT Gleichwohl stellte es einen großen Erfolg für die Kommission Hallstein dar, dass sie gleich nach ihrem Amtsantritt mit einer eigenen Delegation in die seit Oktober 1957 laufenden Verhandlungen über die Schaffung einer Freihandelszone aller

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OEEC-Staaten einbezogen wurde. Unter der Leitung des ersten Kommissars für Auswärtige Beziehungen und Außenhandel, des vormaligen belgischen Wirtschaftsministers Jean Rey, arbeitete sie kontinuierlich daran, die Mitgliedstaaten der jungen Gemeinschaft auf eine einheitliche Haltung gegenüber den britischen Vorschlägen festzulegen. Vor allem musste sie dafür sorgen, dass Mitgliedsländer wie die Bundesrepublik Deutschland oder Belgien, die sich der Verpflichtung zu gemeinsamen Außenzöllen und Gemeinschaftspolitiken nur schweren Herzens unterzogen hatten, diese Verpflichtungen nicht sogleich im Verein mit den Briten wieder aufgaben. Dank der Unterstützung durch den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle und den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer (der hier einen anderen Kurs verfolgte als sein Wirtschaftsminister Ludwig Erhard) war die Kommission damit letztlich erfolgreich, und das kam auch ihrem Prestige zugute. Als die Verhandlungen über die europäische Freihandelszone im November 1958 vertagt wurden und die erste Stufe der Wirtschaftsgemeinschaft darauf hin vertragsgemäß zum 1. Januar 1959 in Kraft treten konnte, hatte sich auch die Position der Kommission gefestigt.1 Nach dem Scheitern der europäischen Freihandelszone gelang es der Kommission, die Vertretung der Gemeinschaft bei der OEEC allein zu übernehmen. Im Zuge der Konstituierung ihrer Nachfolgeorganisation OECD wurde im Januar 1961 eine „Gruppe 20 + 1“ gebildet, die aus Vertretern der 20 OECD-Mitgliedstaaten und der Kommission bestand; hier wurde die Kommission im Sinne einer europaweiten Koordinierung im Vorfeld der weltweiten Verhandlungen im Rahmen des GATT aktiv.2 Den OEEC-Ländern, die außerhalb der Sechser-Gemeinschaft verblieben und dann die Europäischen Freihandelsassoziationen (EFTA) bildeten, wurden zum 1. Januar 1959 die gleiche einseitige Senkung der nationalen Zölle um 10 % gewährt wie den Mitgliedsländern, dazu eine Senkung der Zölle auf gewerbliche Waren um 20 Prozent unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit. Der weitere Abbau der Zollschranken für gewerbliche Waren blieb späteren Abkommen mit den EFTA-Ländern vorbehalten. Das Ansehen, das Rey in den Verhandlungen über die Freihandelszone gewonnen hatte, wurde noch bekräftigt, als es ab 1960 galt, die Vereinheitlichung der Zolltarife der Mitgliedsländer mit den Bestimmungen des GATT über Ausgleichszahlungen in Einklang zu bringen und den Druck abzuwehren, der von den USA und den sonstigen am weltweiten Freihandel interessierten Kräften ausging. Die Kommission bemühte sich zunächst, den Willen der Gemeinschaft zu einer allgemeinen Senkung der Handelsbarrieren unter Beweis zu stellen und so ein Klima des Vertrauens zu schaffen. Dem dienten die sogenannte Compensation Round in den GATT-Verhandlungen 1 Brenke, G., Europakonzeptionen im Widerstreit. Die Freihandelszonen-Verhandlungen 1956 – 1958, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42 (1994), S. 595 – 633; Loth, W./Bitsch, M.T., Die Kommission Hallstein 1958 – 1967, in: Dumoulin, M. (Hrsg.), Die Europäische Kommission 1958 – 1962. Geschichte und Erinnerungen einer Institution, Luxemburg 2007, S. 57 – 86, hier S. 68; Bossuat, G./Legendre, A., Die Rolle der Kommission in den auswärtigen Beziehungen, ebd. S. 367 – 407, hier S. 381 – 383. 2 Ebd. S. 403 f.

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vom September 1960 bis zum Mai 1961 und die anschließende Dillon Round vom Mai 1961 bis zum Mai 1962. Rey und seine Mitarbeiter leisteten nicht nur die technische Vorbereitung der Verhandlungen; sie suchten die nationalen Regierungen auch auf eine gemeinsame Linie zu bringen und sich die Verhandlungsführung unbeschadet der Verpflichtung zur Benehmensherstellung mit dem besonderen Ausschuss zu sichern. Letzteres gelang nicht ohne Widerstände: Die französische Regierung versuchte wiederholt, der Kommission ihre Position als alleinige Verhandlungsführerin streitig zu machen, indem sie argumentierte, dass die GATT-Verhandlungen nicht nur den internationalen Handel betrafen, sondern auch die internationalen Wirtschaftsbeziehungen.3 In den Verhandlungen in Genf trat Rey als energischer Interessenvertreter der sechs Mitgliedsländer auf. Mit der ersten Runde wurde sichergestellt, dass die gemeinsamen Zolltarife nicht über das arithmetische Mittel der bisherigen Zolltarife der Mitgliedsländer hinausgingen. Die zweite Runde brachte eine Reduzierung der gemeinsamen Zollsätze um durchschnittlich 7 %. Über substantielle Reduzierungen konnte erst in der dritten Runde verhandelt werden, der sogenannten Kennedy Round, die im Mai 1964 begann und am 30. Juni 1967 mit der Unterzeichnung eines umfassenden Abkommens abgeschlossen werden konnte. Dank der Verhandlungsmacht, die die Gemeinschaft durch ihr geschlossenes Auftreten entwickelte, konnte für mehr als zwei Drittel der verhandelten Produkte eine Reduzierung der Zölle um mehr als 50 % vereinbart werden. Im Durchschnitt aller Produkte betrug die Reduzierung 32 %; sie sollte in einem Zeitraum von fünf Jahren, bis zum 1. Januar 1972, schrittweise durchgesetzt werden.4 III. Assoziierung und Entwicklungspolitik Neben der Einbettung der EWG in die Regelungen der OEEC und des GATT stellte die Aushandlung von Assoziierungsabkommen ein zweites wichtiges Aktionsfeld der Kommission in den auswärtigen Beziehungen dar. Auch hier ging es darum, nachteilige Folgen der Integration für Drittstaaten zu begrenzen und dem Grundsatz weitest möglicher liberaler Öffnung Rechnung zu tragen. Darüber hinaus waren Assoziierungsabkommen, wie sie nach Art. 238 vorgesehen waren, häufig auch als mehr oder weniger deutliche Schritte zu einem späteren Beitritt zur Gemeinschaft gedacht. Hallstein plädierte dafür, sich dieses Instruments zur Gestaltung der Beziehungen zu den anderen europäischen Ländern vorrangig zu bedienen, weil es ein Höchstmaß an Flexibilität bot, ohne die internen Regeln der Gemeinschaft aufzubrechen. Die gegen-

3 EWG-Kommission, Sonderprotokoll 206, 14. 11. 1962, XIII; Sonderprotokoll 326, 19. u. 22. 7. 1965, IX; beide in: Historisches Archiv der EU. 4 Loth/Bitsch (Fn. 1); Bossuat/Legendre (Fn. 1), S. 383 – 389; Coppolaro, L., The European Economic Commission in the GATT negotiations of the Kennedy Round (1961 – 1967): global and regional trade, in: Varsori, A. (Hrsg.), Inside the European Community. Actors and Policies in the European Integration 1957 – 1962, Baden-Baden 2006, S. 347 – 366.

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über einer multilateralen Lösung größeren Friktionen mit den Vorschriften des GATT, die dabei notwendigerweise entstanden, nahm er bewusst in Kauf.5 Die typischen Probleme, die sich bei Verhandlungen über solche Assoziierungsabkommen stellten, wurden sogleich bei dem ersten Antrag auf Assoziierung deutlich, mit dem die Kommission konfrontiert wurde: dem Antrag Griechenlands vom Juni 1959. Auf der einen Seite wollte das antragstellende Land seine traditionellen Wirtschaftsbeziehungen mit Ländern außerhalb der EWG möglichst ungestört fortsetzen; auf der anderen Seite sperrten sich einzelne Mitgliedsländer gegen den Zustrom bestimmter Warengruppen. In diesem Fall war es vor allem Italien, das die Beibehaltung von Schutzzöllen gegenüber Weinimporten aus Griechenland verlangte. Frankreich wollte sein Tabakmonopol erhalten. Die Kommission bemühte sich, nicht zuletzt im Hinblick auf eine spätere Mitgliedschaft Griechenlands in der Gemeinschaft, die Sonderbestimmungen möglichst gering zu halten. Es gelang ihr, ihre Position im Hinblick auf die Außenvertretung der Gemeinschaft auch noch einmal zu festigen, indem sie einen Antrag Frankreichs abwehrte, wonach sich die Kommission die Aufgabe der Überwachung des Abkommens mit dem Rat teilen sollte. Mit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit Griechenland am 9. Juli 1961 wurde dieser Positionsgewinn auch nach außen hin deutlich. Das Ziel eines mittelfristigen Beitritts Griechenlands wurde in dem Vertrag ausdrücklich erwähnt, und zu diesem Zweck wurde auch die Bildung einer Zollunion vereinbart. Im Hinblick auf die Türkei, die ihren Assoziierungsantrag zwei Monate nach dem Antrag Griechenlands stellte – nicht zuletzt, um gegenüber dem griechischen Rivalen nicht ins Hintertreffen zu geraten – galten ähnliche Argumente. Auch hier betonte die Kommission das Interesse an einer Erweiterung der Gemeinschaft, auch hier unterstrich sie die strategische Bedeutung des Antragstellers für das westliche Bündnis und den Wert einer Assoziierung mit der EWG in der Konkurrenz zur EFTA. Die Schwierigkeiten in der Gestaltung eines Zollunion-Abkommens mit einem unterentwickelten Land, die in den Verhandlungen mit Griechenland deutlich geworden waren und sich im Hinblick auf die Türkei in weit größeren Dimensionen stellten, ließen sie dann aber im türkischen Fall vorsichtiger agieren. Das führte zu einer Verschleppung des türkischen Antrags und schließlich zu einem weit weniger bindenden Abkommen als es mit Griechenland geschlossen worden war. Das Assoziierungsabkommen mit der Türkei vom 12. September 1963 sah die Bildung einer Zollunion lediglich als Möglichkeit nach einer fünf- bis siebenjährigen Vorbereitungszeit vor und gewährte der Türkei auch kein Mitspracherecht bei der Änderung von Zollsätzen. Zur Perspektive eines Beitritts wurde nur festgehalten, dass „die Vertragsparteien die Möglichkeit eines Beitritts prüfen“ werden, sobald es möglich erscheint, „dass die Türkei die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Gemeinschaft vollständig über5 Vgl. seinen Bericht vom 27. 2. 1959 und die daran anschließenden Ergebnisse einer Arbeitsgruppe der Kommission, referiert bei Calandri, E., La CEE et les rlations extrieures 1958 – 1960, in: Varsori (Fn. 4), S. 399 – 431, hier S. 410 f.

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nimmt“ (Art. 28 des Vertrags von Ankara). Aus der internen Diskussion der Kommission geht hervor, dass man dies für eine „sehr ferne Möglichkeit“ hielt, zu der man sich nur bekannte, weil die türkische Regierung auf dieser Perspektive bestand.6 Assoziierungsabkommen ohne die Perspektive eines späteren Beitritts fasste die Kommission einerseits im Hinblick auf weitere Mittelmeerländer ins Auge, andererseits im Rahmen der Entwicklungsförderung für ehemalige Kolonialgebiete, wie sie in den Art. 131 bis 136 des EWG-Vertrags vorgesehen war. Im Hinblick auf die Entwicklungsförderung für die ehemaligen Kolonialgebiete Frankreichs, Belgiens und Italiens in Afrika optierte die Kommission für eine Fortführung des Systems von Zollerleichterungen, Entwicklungsschutz und finanzieller Unterstützung, wie es in den Verhandlungen über die Römischen Verträge zunächst nur für fünf Jahre vereinbart worden war. Dank wachsender Sensibilität für die Notwendigkeit von Entwicklungshilfe konnte sie sich damit auch durchsetzen. Im Vertrag von Yaound vom 20. Juli 1963 wurde die Finanzhilfe sogar noch etwas aufgestockt (730 Millionen US-Dollar in den Jahren 1964 – 1969 statt 581 Millionen in den ersten fünf Jahren). Ebenso wurde eine Ausweitung auf andere Gebiete (die ehemaligen niederländischen und vor allem die ehemaligen britischen Kolonien) in Aussicht gestellt.7 Entsprechend wurden 1964 ähnliche Assoziierungsabkommen mit den Niederländischen Antillen und Surinam geschlossen. 1966 beziehungsweise 1968 folgten gegen französischen Widerstand Abkommen mit Nigeria und den drei ostafrikanischen Staaten. Es gelang der Kommission jedoch nicht, die frankophonen Märkte in Afrika tatsächlich in nennenswertem Maße für Unternehmen aus anderen Mitgliedsländern zu öffnen. Im Gegenzug sorgte niederländischer Widerstand dafür, dass mit Tunesien und Marokko 1969 nur Präferenzabkommen geschlossen wurden, ähnlich dem Präferenzabkommen mit Israel von 1964. Beim nächsten Fünfjahresabkommen (Yaound II vom 29. Juli 1969) fiel die Zuwachsrate der finanziellen Förderung mit einer Steigerung auf 918 Millionen US-Dollar eher mäßig aus.8 Noch bescheidener waren die Erfolge der Kommission beim Versuch der Vereinheitlichung der Entwicklungspolitik gegenüber Ländern außerhalb der ehemaligen Kolonialgebiete und Mandate. Die Kommission wurde zwar Mitglied im Ausschuss für Entwick6

Jean Rey in der Kommissionssitzung vom 26. 3. 1963, zitiert nach Ceylanoglu, S., Von der unumstrittenen Beitrittsperspektive zu umstrittenen Beitrittsverhandlungen: Wandlungen des Verhältnisses der Europäischen Union zur Türkei, in: Clemens, G. (Hrsg.), Die Türkei und Europa, Münster 2007, S. 151 – 169, hier S. 164. Vgl. auch GümrükÅü, H., Die Veränderung der Grundlagen des Assoziierungsabkommens zwischen der Türkei und der EU, ebd. S. 127 – 149; Ceylanoglu, S., Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Griechenland und die Türkei. Die Assoziationsabkommen im Vergleich, 1959 – 1963, Baden-Baden 2004; und Calandri (Fn. 5), S. 419 – 421, 424 – 426 und 430 f. 7 Harryvan, A. G./van der Harst, J., A Bumpy Road to Lom. The Netherlands, Association, and the Yaounde Treaties, 1956 – 1969, in: Bitsch, M.-T./Bossuat, G.(Hrsg.), LEurope unie et lAfrique, Brüssel 2005, S. 319 – 343, hier S. 324 – 329; allgemein auch Migani, G., La France et lAfrique subsaharienne, 1957 – 1963. Histoire dune decolonisation entre idaux eurafricains et politique de puissance, Brüssel 2008. 8 Harryvan/van der Harst (Fn. 7), S. 330 – 340.

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lungshilfe der OECD und konnte dort auf eine Koordinierung der Finanzhilfen hinwirken; doch gelang es ihr nicht, mit der alleinigen Vertretung der Gemeinschaft bei der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) beauftragt zu werden. In den Akten der Kommission finden sich wiederholt Klagen darüber, dass die Gemeinschaft bei den Tagungen der UNCTAD kein geschlossenes Bild abgegeben hat.9 Im Alltag blieb die Verwaltung des Entwicklungsfonds die Hauptaufgabe der Kommission in der Entwicklungspolitik. Als schwierig erwies sich auch die Gestaltung der Beziehungen der Gemeinschaft zu den Ländern Südamerikas und Asiens. Erst nach der Vollendung der Zollunion zum 1. Juli 1968 gingen bei der Kommission zahlreiche Anträge dieser Länder auf Aufnahme von Verhandlungen über Handelsabkommen ein. Rücksichtnahmen auf bestehende bilaterale Handelsabkommen einzelner Mitgliedstaaten und die Präferenzregelungen gemäß den Art. 131 bis 136 erschwerten aber weiterhin das Zustandekommen von Vereinbarungen. Im Dezember 1969 übertrug der Rat dann der Kommission die ausschließliche und alleinige Zuständigkeit für Verhandlungen über Handelsverträge. Danach kam die Vereinheitlichung der bilateralen Verträge zügiger voran.10 IV. Die Beitrittsverhandlungen Anders als bei den Abkommen der Gemeinschaft mit dritten Staaten, für die die Kommission nach Art. 228 EWG-Vertrag einen klaren Verhandlungsauftrag hatte, waren Verhandlungen über Beitrittsanträge nach Art. 237 mit den Mitgliedstaaten zu führen. Der Kommission stand lediglich eine Stellungnahme vor dem Aufnahmebeschluss des Rates zu. Als die britische Regierung am 31. Juli 1961 ihren Antrag auf Aufnahme von Beitrittsverhandlungen stellte – dem dann in rascher Folge die Beitrittsgesuche Dänemarks, Irlands und Norwegens folgten – reklamierte die Hallstein-Kommission gleichwohl nicht nur ihre Beteiligung an den Beitrittsverhandlungen, sondern sogar die Verhandlungsführung. Die meisten Verhandlungsgegenstände beträfen die Gemeinschaft insgesamt, lautete ihr Argument; nur wenige Verhandlungspunkte seien ausschließlich Angelegenheit der Mitgliedstaaten.11 Insbesondere Frankreich wollte dieser Argumentation nicht folgen. Der Rat beschloss schließlich am 26./27. September 1961, dass die Verhandlungen multilateral geführt werden sollten. Die Kommission sollte aber als „Berater“ an den Verhandlungen teilnehmen, mit dem Recht zur jederzeitigen Wortmeldung, und sie sollte sich „vollumfänglich“ an den Koordinierungsarbeiten der sechs Regierungen beteiligen. Das war mehr, als es den Anschein hatte: Tatsächlich arbeitete die Kommission fortlaufend Stellung9

Bossuat/Legendre (Fn. 1), S. 393. Zu den Abkommen von Yaound siehe auch Becker, J., Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete. Vorbemerkungen zu den Art. 131 bis 136, in: von der Groeben, H. (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, 3. Aufl., Baden-Baden 1983, S. 2242 – 2265. 10 Bossuat/Legendre (Fn. 1), S. 397 – 399. 11 Erklärung vom 7. 9. 1961, zitiert bei van der Harst, J., Die Erweiterung: Die Kommission sucht ihre Rolle, in: Dumoulin (Fn. 1), S. 571 – 596, hier S. 577.

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nahmen und Berichte aus, die von den Delegationen der Regierungen dankbar angenommen wurden. Daneben traf sich Kommissionspräsident Walter Hallstein regelmäßig mit dem britischen Delegationschef Edward Heath, um sich informell über Verhandlungsfortschritte und Lösungsmöglichkeiten zu verständigen.12 In den Verhandlungen stand die Kommission häufig in einer gemeinsamen Front mit der französischen Delegation. Das ergab sich aus dem gemeinsamen Bestreben, die laufenden Gemeinschaftsprojekte wie die Schaffung einer Agrarmarktordnung und die Vollendung der Zollunion vor jeder Aufweichung zu schützen. Umso überraschter waren Hallstein und der für die Landwirtschaft zuständige Kommissar Sicco Mansholt, als de Gaulle die Verhandlungen mit Großbritannien in einer Pressekonferenz am 14. Januar 1963 einseitig aufkündigte. Ihre Sorge galt jetzt vorrangig dem Zusammenhalt der Gemeinschaft. Gleichzeitig mahnte Hallstein an, bei einer nächsten Verhandlungsrunde der Kommission eindeutiger die Federführung zu übertragen.13 Dieser Forderung wurde auch 1970 nicht in vollem Umfang Rechnung getragen, als die Verhandlungen mit Großbritannien und den anderen drei Beitrittskandidaten gemäß den Beschlüssen der Haager Gipfelkonferenz vom 1./2. Dezember 1969 wieder aufgenommen wurden. Die Rolle der Kommission wurde aber im Ratsbeschluss vom 8./9. Juni 1970 präziser beschrieben als es 1961 der Fall gewesen war: Dieses Mal sollte sie nicht nur Stellungnahmen zu den Problemen abgeben, die während der Verhandlungen auftraten, und die bereits vereinbarte Gemeinschaftspolitik verteidigen. Der Rat konnte sie darüber hinaus ausdrücklich ermächtigen, in Zusammenarbeit mit den Bewerberländern Lösungsvorschläge für auftretende Probleme zu erarbeiten. Daneben sollte sie Sondierungsgespräche mit denjenigen Ländern der EFTA führen, die nicht in die Beitrittsverhandlungen eingetreten waren.14 Die Verhandlungen nahmen infolge dessen einen weitaus bilateraleren Charakter an, als dies 1961 bis 1963 der Fall gewesen war. Der Rat und der Ausschuss der Ständigen Vertreter agierten in enger Abstimmung; die Delegierten der Kommission, an ihrer Spitze Kommissar Jean-FranÅois Deniau, der 1961 bis 1963 Leiter der Beamtendelegation in den Verhandlungen gewesen war, konnten ihre Fachkompetenz voll zur Geltung bringen. Die Verträge, die am 22. Januar 1972 in Brüssel unterzeichnet wurden, waren zu einem guten Teil ihr Werk. Der Bedeutungszuwachs, den die Kommission damit errungen hatte, kam zuletzt auch dadurch zum Ausdruck, dass 12 Nach dem Zeugnis von Hallsteins Mitarbeiter von Staden, B., Ende und Anfang: Erinnerungen 1939 – 1963, Vaihingen/Enz 2001, S. 222. 13 Rede vor dem Europäischen Parlament 5. 2. 1963, zitiert bei Loth/Bitsch (Fn. 1), S. 72. Zur Rolle der Kommission in der ersten Runde der Erweiterungsverhandlungen siehe auch Piers Ludlow, N., Influence and Vulnerability: The Role of the EEC Commission in the Enlargement Negotiations, in: Griffith, R. T./Ward, S. (Hrsg.), Courting the Common Market: The First Attempt to Enlarge the European Community, London 1996, S. 139 – 155; ders., A Welcome Change: The European Commission and the Challenge of Enlargement, 1958 – 1973, (2005) Journal of European Contemporary History 11/2, S. 31 – 46. 14 Van der Harst (Fn. 11), S. 585.

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Kommissionspräsident Franco-Maria Malfatti an der Unterzeichnung der Verträge beteiligt wurde. Damit wurde unterstrichen, dass die neuen Mitglieder nicht einfach einen Vertrag mit den bisherigen Mitgliedsländern schlossen, sondern einer gemeinschaftlichen Rechtsordnung beitraten.

V. Sonstige Verträge Parallel zu den Beitrittsverhandlungen führte die Kommission Assoziierungsverhandlungen mit den EFTA-Staaten Österreich, Schweiz, Portugal, Finnland, Schweden und Island. Angestrebt und erreicht wurde ein Abbau der Zölle und Kontingente für Industrieerzeugnisse, wobei die assoziierten Länder in ihrer Politik gegenüber Drittstaaten unabhängig blieben und die Gemeinschaft sich das Recht vorbehielt, den freien Handel für Erzeugnisse auszusetzen, bei denen sich die assoziierten Länder nicht an Wettbewerbsbestimmungen gemäß den Gemeinschaftsregeln hielten. Mit der Unterzeichnung dieser Verträge am 22. Juli 1972 (der Vertrag mit Finnland folgte erst im Oktober 1972) wurden die Nachteile kompensiert, die den verbliebenen EFTA-Staaten infolge des Beitritts Großbritanniens, Irlands und Dänemarks zu den Europäischen Gemeinschaften drohten. Mit Norwegen, dessen Beitritt an einem Referendum scheiterte, wurde 1973 ein gleichartiges Abkommen vereinbart. Ergänzend kamen Assoziierungsabkommen mit Malta und Zypern hinzu (unterzeichnet am 5. Dezember 1970 beziehungsweise 19. Dezember 1972). Eine Assoziierung oder gar ein Beitritt Spaniens kamen für die Kommission wegen der Franco-Diktatur nicht in Frage. Spanien musste sich mit einem Handelsabkommen begnügen, das im Juni 1970 geschlossen wurde. Ähnlich wurden die Beziehungen mit Griechenland eingefroren, als dort im April 1967 Obristen eine Militärdiktatur errichteten. Die Kommission setzte die finanzielle Unterstützung aus, boykottierte weitere Sitzungen des Assoziationsrates und führte auch die Zollunion nicht mehr weiter. Als prominente griechische Politiker, die von ihr geschätzt wurden, verhaftet wurden, erhob sie ihren Protest. Damit ging sie eindeutig über ihre vertraglich festgelegten Kompetenzen hinaus. Jean Rey, Kommissionspräsident der Jahre 1967 bis 1970, machte jedoch geltend, dass sich Handelspolitik und Diplomatie in der Praxis nicht säuberlich voneinander trennen ließen.15 Das galt natürlich auch im Hinblick auf die Staaten des Ostblocks. Die Europäischen Gemeinschaften wurden von der Sowjetunion und ihren Verbündeten nicht anerkannt; deswegen richteten diese ihre Forderungen nach Zollkonzessionen an die Regierungen einzelner Mitgliedstaaten. Aus politischen Gründen, das heißt: Um der Erweiterung des ostpolitischen Handlungsspielraums nicht im Wege zu stehen, akzeptierte die Kommission die bilateralen Handelsverträge, die die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1963 und 1964 mit Polen, Rumänien, Ungarn und Bulgarien schloss. Dem sowjetischen Begehren gegenüber, allein mit den Regierungen über Zollsenkungen zu verhandeln, machte Rey jedoch die Verhandlungskompetenz der 15

Bossuat/Legendre (Fn. 1), S. 390.

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Kommission geltend. Der Rat fasste dann 1963 auf Vorschlag der Kommission einen Beschluss zur Erleichterung der Einfuhr einiger russischer Lebensmittel.16 Zum Ende der Übergangszeit 1968 verlangte die Kommission von den Regierungen der Mitgliedsländer, sich auf eine einheitliche Einfuhr- und Kontrollregelung in den Verträgen mit den Staatshandelsländern zu verständigen und ihre Kontingentlisten zu vereinheitlichen. Zumindest im Hinblick auf die zweite Forderung war sie erfolgreich. Außerdem beschloss der Rat, dass vor dem Abschluss neuer bilateraler Verträge Vorberatungen im Kreis der Sechs stattfinden sollten; in den Verträgen sollte den Bestimmungen der gemeinsamen Handelspolitik Geltung verschafft werden. Nachdem sich die französische Regierung beim Abschluss neuer Handelsverträge mit der Sowjetunion (1969) und Polen (1972) nicht in jeder Hinsicht an diese Vereinbarungen hielt, ging die Kommission erneut in die Offensive. 1973 wurde ihr die Kontrolle über die ehemaligen bilateralen Handelsabkommen mit den Staatshandelsländern übertragen. Die gemeinsame Handelspolitik galt fortan auch für die Länder des Ostblocks in vollem Umfang.17 Die sowjetische Führung war zwar immer noch nicht zu direkten Verhandlungen mit der Kommission bereit; sie wollte stattdessen bilaterale Verhandlungen zwischen der EWG und dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON, auch RGW abgekürzt), an denen wiederum die EWG-Länder nicht interessiert waren. Die informellen Kontakte zwischen Vertretern der Ostblockländer und der Kommission nahmen jetzt aber stark zu.18 VI. Vertretungen und diplomatische Beziehungen Unabhängig von der Vorbereitung von Verträgen sah die Kommission in der Errichtung von Vertretungen im Ausland und in der Akkreditierung ausländischer Regierungsvertreter bei der Kommission und beim Rat ein wichtiges Instrument zur Gestaltung der auswärtigen Beziehungen. Die Hohe Behörde der EKGS war schon seit 1954 mit einem Informationsbüro in Washington vertreten; in London verfügte sie seit 1955 sogar über eine diplomatische Vertretung. Die Europäische Atomgemeinschaft unterhielt seit November 1958 ein Büro in Washington, das in erster Linie für die Versorgung der Gemeinschaft mit spaltbarem Material und dessen Kontrolle zuständig war. Die EWG-Kommission sprach sich für gemeinsame diplomatische Vertretungen aller drei Gemeinschaften aus. Sie stieß damit jedoch auf den Widerstand der französischen Regierung. Als die Präsidenten der drei Gemeinschaften im Juni 1959 in Washington empfangen wurden und eine gemeinsame Erklärung mit der US-Regierung unterzeichneten, richtete der Quai dOrsay eine scharfe Kritik an die Adresse des State Department. Als Hallstein im Februar 1960 eine gemeinsame 16

Ebd. S. 394. Ebd. S. 394 f. 18 Vgl. einen Bericht des französischen Außenministeriums 20. 6. 1973, zitiert bei Rey, M.P., Le retour  lEurope? Les dcideurs sovitiques face  lintgration ouest-europenne, 1957 – 1991, (2005) Journal of European Integration History 11/1, S. 7 – 27, hier S. 19. 17

Die Entwicklung der Außenbeziehungen

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diplomatische Vertretung in Washington eröffnete, protestierte Frankreich erneut, diesmal unterstützt von den Niederlanden. Offiziell konnte das Verbindungsbüro der Kommission in Washington erst nach der Fusion der Exekutiven der drei Gemeinschaften 1967 errichtet werden. Den Rang einer Delegation erhielt es erst 1970.19 In London etablierte die Kommission zunächst ein einfaches Informationsbüro. Nach der Fusion der Exekutiven ergab sich daraus gleich eine Delegation. Allerdings gelang es Hallstein nicht, ihr alle Vertretungsvollmachten zu übertragen, die der Vertreter der EGKS innehatte. Weitere Verbindungsbüros unterhielt die Kommission seit 1965 in Paris (bei der OECD) und in Genf (für das GATT und weitere internationale Organisationen). 1968 wurden daraus ebenfalls Delegationen. Schließlich führte die Fusion der Exekutiven zur Errichtung einer Delegation für Südamerika in Santiago de Chile; zuvor war die EGKS dort durch ein Verbindungsbüro vertreten (seit 1960), die EWG durch ein Informationsbüro in Montevideo (seit 1965).20 Mit der Akkreditierung von Vertretern dritter Staaten in Brüssel hatte die Kommission weniger Probleme. Der Rat stimmte im Juli 1959 einem Verfahren zu, wonach die Vertreter von Drittstaaten ihre Beglaubigungsschreiben dem Kommissionspräsidenten überreichen sollten; dieser sollte dann den Rat davon in Kenntnis setzen. Die Vertretungen dritter Staaten erhielten den Rang von diplomatischen Missionen. Die USA und Griechenland richteten schon 1958 solche Missionen ein. Bis 1960 folgten alle EFTA-Länder sowie Neuseeland, Australien, Kanada, Südafrika, Israel, Marokko, Spanien, Brasilien und Japan. In den folgenden Jahren kamen die anderen lateinamerikanischen Staaten sowie vor allem die zahlreichen jungen Staaten der Dritten Welt hinzu. Bis 1972 akkreditierten sich insgesamt 94 Staaten. Die wichtigste Rolle spielte naturgemäß die Vertretung der USA, die in den ersten Jahren von Walton Butterworth geleitet wurde. Indem sich die Kommission als ihr Gegenüber etablierte, trug sie dazu bei, dass die amerikanische Führungsmacht ihre europäischen Partner nicht gegeneinander ausspielen konnte. X YX X X X X X X

19 20

Calandri (Fn. 5), S. 423 f.; Bossuat/Legendre (Fn. 1), S. 372 – 375. Bossuat/Legendre (Fn. 1), S. 373, 376, 378.

136

Wilfried Loth Tabelle 1 Einrichtung von Missionen oder Vertretungen von Drittländern bei der EWG21 (Jahr der Übergabe des Beglaubigungsschreibens)

1958

Vereinigte Staaten, Griechenland

1959

Israel, Dänemark, Japan, Schweden, Schweiz, Vereinigtes Königreich, Norwegen, Irland

1960

Österreich, Kanada, Neuseeland, Brasilien, Australien, Marokko, Spanien, Südafrika

1961

Senegal, Mexiko, Gabun, Elfenbeinküste, Togo, Mauretanien, Somalia, Nigeria, Kolumbien, Tschad, Kongo-Lopoldville [Demokratische Republik Kongo], Madagaskar, Obervolta [Burkina Faso], Dahome [Benin]

1962

Zentralafrikanische Republik, Costa Rica, Indien, Iran, Kamerun, Ceylon [Sri Lanka], Portugal, Dominikanische Republik, Venezuela, Kongo-Brazaville [Republik Kongo], Chile, Libanon, Pakistan, Tunesien, Argentinien, Burundi, Thailand

1963

Peru, Ruanda, Uruguay, Island, Nigeria, Haiti, Mali

1964

Türkei, Ecuador, Südkorea, Algerien, Finnland, Philippinen

1965

El Salvador, Trinidad und Tobago, Guatemala

1966

Vereinigte Arabische Republik [Ägypten], Sudan, Paraguay

1967

Panama, Jamaika, Syrien, Saudi-Arabien

1968

Malta, Kenia, Tansania, Ghana, Uganda, Libyen, Jugoslawien, Malaysia, Indonesien

1970

Zypern, Nicaragua, Äthiopien, Vatikan

1971

Irak, Mauritius, Sierra Leone, Jordanien, Malawi, Fidschi

1972

Singapur

Hallstein nutzte das Recht zur Entgegennahme der Akkreditierungsschreiben zur Entwicklung eines aufwändigen Zeremoniells, das die protokollarischen Formen souveräner Staaten übernahm. Besuche von auswärtigen Ministern oder Regierungschefs wurden wie Staatsbesuche inszeniert, die Leiter der Missionen und die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten lud er zu Neujahrsempfängen ein. Alle diese Anlässe wurden streng nach diplomatischem Protokoll zelebriert. Hallstein pflegte dabei auf einem roten Teppich zu stehen. Fernsehkameras lieferten Bilder für die Öffentlichkeit und sorgten dafür, dass die Gemeinschaft und der Anspruch der Kommission, für sie zu sprechen, sowohl in den Mitgliedsländern als auch in vielen Ländern außerhalb der Gemeinschaft wahrgenommen wurden. Hallstein ließ sich auch gerne und oft in die USA einladen, wo er mit den protokollarischen Ehren eines Regierungschefs

21 Europäische Kommission, Generalsekretariat, Protokolldienst: Historischer Überblick über die Einrichtung von Missionen von Drittländern beziehungsweise assoziierten Ländern bei der EWG (letzter Stand: Juni 1991).

Die Entwicklung der Außenbeziehungen

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behandelt wurde. So festigte sich vor allem in der amerikanischen Öffentlichkeit bald sein Bild als Mr. Europe.22 Hallsteins unbestreitbarer Erfolg in der Außendarstellung der Gemeinschaft rief allerdings den Groll von de Gaulle hervor, der die Kommission auf die Rolle von Erfüllungsgehilfen des Rates beschränkt sehen wollte. Was in der Sache ein Versuch war, das supranationale Potential zur Geltung zur bringen, das in den Römischen Verträgen steckte, nahm er als illegitimen Versuch der Machtergreifung einer machthungrigen Technokratie wahr. Wie sehr ihn die Symbolpolitik Hallsteins reizte, wird in dem Zerrbild deutlich, das er in seinen 1970 redigierten Memoiren von ihm zeichnete: „Präsident der Kommission ist Walter Hallstein. Begeistert macht er sich die These des Superstaates zu Eigen und verwendet sein ganzes Geschick darauf, der Gemeinschaft diesen Gehalt und diese Gestalt zu geben. Aus Brüssel, seinem Amtssitz, hat er schon seine Hauptstadt gemacht. Angetan mit den Insignien der Souveränität, lenkt er seine Kollegen, denen er ihre Befugnisse zuteilt, herrscht über Tausende von Beamten, zu deren Ernennung, Einweisung, Beförderung und Bezahlung nach seinen Entscheidungen verfahren wird, nimmt Beglaubigungsschreiben fremder Botschafter entgegen, beansprucht bei seinen offiziellen Besuchen die höchsten Ehrungen, wobei er im übrigen die fortschreitende Montage der Sechs vorantreibt in der Meinung, sie würden sich notgedrungen nach seinem Bilde formen.“23

In der Krise des „leeren Stuhls“ 1965/66 gehörte darum die Beschneidung der Kompetenzen der Kommission zu de Gaulles Forderungen. Tatsächlich durchsetzen konnte er sich freilich nur in Punkten, die die Substanz der vertraglich verbrieften Rechte nicht berührten. Dazu gehörte die Aufgabe des aufwändigen Zeremoniells bei der Akkreditierung ausländischer Vertreter. Nach dem „Luxemburger Kompromiss“ vom 29. Januar 1966 wurden die Beglaubigungsschreiben dem Kommissionspräsidenten und dem jeweils amtierenden Ratspräsidenten ohne Zeremoniell übergeben.24 An der Praxis intensiven diplomatischen Verkehrs der Kommission änderte sich dadurch nichts. Sie sah sich nur in ihren Möglichkeiten beschränkt, ihr Bild als alleinige Vertreterin der Gemeinschaft weiter auszubauen. Neben den Beziehungen zu Drittstaaten pflegte die Kommission natürlich auch die Beziehungen zu internationalen Organisationen, die sich aus den Vertragsbestimmungen ergaben. In der UN-Wirtschaftskommission für Europa war sie zwar nicht vertreten (um dem COMECON der Ostblockländer nicht zu einer gleichartigen Repräsentanz zu verhelfen), wohl aber in der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und nach anfänglichen Widerständen Frankreichs und Belgiens auch in der UN-Wirtschaftskommission für Afrika. Schon 1958 schloss sie, an entsprechende 22

Loth/Bitsch (Fn. 1), S. 67. De Gaulle, C., Memoiren der Hoffnung, Wien/München/Zürich 1981, S. 227 f. 24 Loth, W., Hallstein und de Gaulle: Die verhängnisvolle Konfrontation, in: Loth, W./ Wallace, W./Wessels, W. (Hrsg.), Walter Hallstein. Der vergessene Europäer?, Bonn 1995, S. 171 – 188; Loth, W., Die Krise aufgrund der „Politik des leeren Stuhls“, in: Dumoulin (Fn. 1), S. 99 – 118. 23

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Wilfried Loth

Abkommen der Hohen Behörde der EGKS anknüpfend, Vereinbarungen mit dem Internationalen Arbeitsamt und der Internationalen Arbeitsorganisation. Ebenfalls seit 1958 nahm sie an den Arbeiten des Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) teil. 1962 folgte ein Arbeitsabkommen mit der Welternährungsorganisation (FAO). 1964 erhielt sie den Status einer Beobachterin bei der Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) und bei der UNESCO. Nach der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags vom 1. Juli 1968 drängte die Kommission auf eine Vereinbarung mit der Internationalen Atomenergie-Organisation, die die Aufrechterhaltung der Kontrollaufgaben von Euratom sicherstellte. Im September 1972 wurde ein entsprechendes Abkommen geschlossen. Sehr differenziert erfolgte die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen des westlichen Bündnisses. Mit der Westeuropäischen Union wurden Beobachter ausgetauscht. Mit der NATO wurde der Austausch wirtschaftlicher Informationen vereinbart; militärische Informationen blieben davon ausdrücklich ausgeschlossen. Mit dem Europarat wurden regelmäßige Treffen zwischen dem Generalsekretär der Kommission und Ministerausschüssen des Europarats ausgehandelt; in sozialen und bildungspolitischen Angelegenheiten sowie bei verschiedenen juristischen Fragen wurde eine Zusammenarbeit organisiert.25 VII. Bilanz Im Juni 1970 gab der langjährige Generalsekretär der Kommission, mile No l, in einem Memorandum für den neuen Kommissionspräsidenten Malfatti eine desillusionierte Einschätzung der Handlungsmöglichkeiten der Kommission: „Im Bereich der Außenbeziehungen bleiben der Rat und die Delegationen bezüglich jeglicher Erweiterung der Zuständigkeiten der Kommission äußerst reserviert und akzeptieren selbst die Ausübung der ihr im Vertrag eingeräumten Befugnisse nur widerstrebend. Es ist möglich, eigentlich sogar einfach, die Position der Kommission zu behaupten, sofern diese ohne jeglichen rechtlichen oder fachlichen Makel ist. Sobald jedoch irgend eine Unsicherheit hinsichtlich der Rechtsgrundlage besteht (wie bei der Erneuerung des Abkommens von Yaound), eine Ungenauigkeit bei der fachlichen Vorbereitung auftritt oder die politische Einschätzung der Situation nicht von den Tatsachen bestätigt wird (wie bei den Beitrittsverhandlungen), wird die Kommission „beiseite geschoben“. Hier kommen mehrere Faktoren zusammen, nämlich die besonderen Interessen der Botschaften und Ständigen Vertreter an den Außenbeziehungen, eine zögerliche Haltung der nationalen Verwaltungen, die nicht gerade darauf erpicht sind, ihre Vorrechte abzugeben, und die Verflechtung zwischen all diesen Angelegenheiten und allgemeinen politischen Problemen, die in Ermangelung einer politischen Union weiterhin in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen.“26

25

Bossuat/Legendre (Fn. 1), S. 402 – 405. Nol, E., Mitteilung an den Präsidenten Malfatti 22. 6. 1970, Historisches Archiv der EU, EN 1046, zitiert nach der deutschen Übersetzung in: Dumoulin (Fn. 1), S. 152. 26

Die Entwicklung der Außenbeziehungen

139

Die beständigen Spannungen zwischen nationalen Regierungen und Kommission, die No l hier ansprach, sollten aber nicht übersehen lassen, dass die Akteure der Kommission mit ihrem fortwährenden Kampf um eine extensive Auslegung ihrer Rechte entscheidend dazu beitrugen, dass die Europäischen Gemeinschaften als internationaler Akteur von großer Reichweite wahrgenommen wurden. Die Frustrationen, die sie in dieser Auseinandersetzung hinnehmen mussten, ließen sie zu engagierten Verfechtern eines Ausbaus der Außenwirtschafts- und Außenhandelspolitik zu einer gemeinsamen Konjunktur- und Währungspolitik werden und verstärkten auch ihr Engagement für die Schaffung einer politischen Union.27 Das Ansehen, das sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der Außenvertretung erwarben, insbesondere bei den Verhandlungen im GATT und den Erweiterungsverhandlungen der Jahre 1970 bis 1972, versetzte sie in die Lage, diese Anliegen wirkungsvoll in die Debatte um die Zukunft der Gemeinschaften einzubringen. Insofern lässt sich bei der Praxis der Kommission in den Außenbeziehungen ein Moment des spill over beobachten: nicht im Sinne eines entpolitisierten Integrationsprozesses, wohl aber im Sinne eines Formwandels durch konflikthafte Erfahrungen.

27

Bossuat/Legendre (Fn. 1), S. 381 und 406 f.

Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft in der Rechtsprechung des EuGH bis zum Vertrag von Maastricht Christian Kohler und Niklas Görlitz*

I. Einleitung Die Thematik der EG-Außenbeziehungen spielte in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der ersten Phase des europäischen Integrationsprozesses zunächst nur eine eher untergeordnete Rolle. Während für die Zeit der fünfziger und sechziger Jahre kaum einschlägige Entscheidungen nachweisbar sind, erweist sich die vom Gerichtshof seit den siebziger Jahren entwickelte Rechtsprechung hingegen sowohl in rechtsdogmatischer als auch -politischer Hinsicht als wegweisend. Zwar ist für den hier zu betrachtenden Zeitraum der statistische Umfang der im Bereich der Außenbeziehungen ergangenen Rechtsprechung mit rund 50 Entscheidungen in den ersten 40 Jahren der Rechtsprechungstätigkeit des Gerichtshofes eher unbedeutend. Allerdings legte der EuGH mit dem Paukenschlag des AETR-Urteils von 1971 ein – geradezu frühvollendet anmutendes – Fundament, auf dem die gesamte folgende Rechtsprechung aufbaut.1 Als Schlussstein dieses Gebäudes kann der durch den Vertrag von Lissabon in den künftigen Vertrag über die Arbeitsweise der Union eingefügte Art. 188 Abs. l gelten, der sich auch im Wortlaut an das AETR-Urteil anlehnt.2 Die Fähigkeit der Europäischen Gemeinschaft, mit dritten Staaten oder internationalen Organisationen vertragliche Bindungen völkerrechtlicher Natur einzugehen, ist seit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) durch die Römischen Verträge aus dem Jahre 1957 unbestritten und wird aus der ihr durch den Vertrag * Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Verfasser wieder. 1 EuGH, 31. 3. 1971, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, S. 263. 2 Art. 188 Abs. l lautet: „(1) Die Union kann mit einem oder mehreren Drittländern oder einer oder mehreren internationalen Organisationen eine Übereinkunft schließen, wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist oder wenn der Abschluss einer Übereinkunft im Rahmen der Politik der Union entweder zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele erforderlich ist oder in einem verbindlichen Rechtsakt der Union vorgesehen ist oder aber gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte. – (2) Die von der Union geschlossenen Übereinkünfte binden die Organe der Union und die Mitgliedstaaten.“

142

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zuerkannten „Rechtspersönlichkeit“ hergeleitet.3 Hieraus leitet der Gerichtshof die grundlegende Fähigkeit der Gemeinschaft ab, mit anderen Völkerrechtssubjekten verbindliche Verträge zu schließen.4 Entsprechende Kompetenzen, etwa in den Bereichen der gemeinsamen Handelspolitik sowie bei der Assoziierung von Drittstaaten, wurden der Gemeinschaft schon im EWG-Vertrag ausdrücklich übertragen. In der Praxis zeigte sich in der Folgezeit allerdings bald, dass diese nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung erfolgte Ausstattung der Gemeinschaft mit Vertragsschlusskompetenzen mit ihren Bedürfnissen im Rahmen der Durchführung der Gemeinschaftspolitiken nicht Schritt halten konnte. Es entwickelten sich deshalb neue Begehrlichkeiten der Gemeinschaft in Bereichen, in denen ihr interne Rechtsetzungsbefugnisse durch die Verträge übertragen worden waren, es gleichzeitig aber an einer durch den Vertrag explizit eingeräumten Möglichkeit fehlte, die in diesem Kontext verabschiedeten Maßnahmen durch Vereinbarungen mit Drittstaaten zu flankieren. Ferner stellte sich bei fortschreitender Integration zunehmend die Frage nach dem Verhältnis der (verbliebenen) völkerrechtlichen Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten zu den neu gewonnenen völkerrechtlichen Handlungsbefugnissen der Gemeinschaft. Vor dem Hintergrund dieser Sachlage lassen sich im Hinblick auf die Fragestellungen, die den Gerichtshof im Kontext der EG-Außenbeziehungen seit den siebziger Jahren beschäftigt haben, im Wesentlichen zwei Schwerpunkte ausmachen. Zum einen bedurften Natur und Umfang der Außenkompetenzen der Gemeinschaft, insbesondere im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, einer rechtlichen Klärung, da es hier verständlicherweise in der Praxis zunehmend zu Konflikten kam. Zum anderen rückte angesichts der zunehmenden Dichte der von den Gemeinschaften abgeschlossenen oder diese aus anderem Grund bindenden Abkommen die Frage nach deren Rechtswirkungen im EG-Binnenrecht in den Vordergrund. Die Rechtsprechung zu diesen beiden institutionellen Fragen soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Die unter dem Blickwinkel des materiellen Gemeinschaftsrechts wichtige Rechtsprechung zur inhaltlichen Reichweite der Außenkompetenzen, die während des betrachteten Zeitraums vor allem – aber nicht nur5 – den Außenhandel betraf, soll hingegen nur am Rande Erwähnung finden. Schon vorab mag erwähnt werden, dass sich trotz der Komplexität der zu behandelnden Fragen sowie der teilweisen Widersprüchlichkeit der in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen gleichsam als „roter Faden“ das Bestreben des EuGH erkennen lässt, seine Rechtsprechung – wie zuvor schon in anderen Bereichen der Gemeinschaftsrechtsordnung – am Leitmotiv der Autonomie und Selbstbehauptung des Gemeinschaftsrechts als neuer und eigenständiger Rechtsordnung im Ver-

Vgl. Art. 281 EG-Vertrag (entsprechend den üblichen Gepflogenheiten im Folgenden zitiert als „EG“). 4 In diesem Sinne schon EuGH (Fn. 1), S. 263, Tz.13/14. 5 EuGH, Gutachten 1/91 (Erstes EWR-Gutachten), Slg. 1991, S. 6079. 3

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hältnis zu den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten einerseits sowie im Verhältnis zur Völkerrechtsordnung andererseits auszurichten.

II. Schwerpunkte der Rechtsprechung des Gerichtshofes im Zeitraum zwischen 1971 und 1991 1. Erster Schwerpunkt: Natur und Umfang der EG-Außenkompetenzen a) Die AETR-Entscheidung als Fundament der weiteren Rechtsprechung Die Rechtsprechung zu Natur und Umfang der EG-Außenkompetenzen nahm im Jahre 1971 ihren Anfang mit der sogenannten AETR-Entscheidung6 : Der Rat hatte die Mitgliedstaaten mittels eines Beschlusses ermächtigt, nach einer von ihm vorgegebenen „Marschroute“ die Verhandlungen mit Drittstaaten zum Abschluss eines neuen europäischen Übereinkommens über die Arbeit der im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrzeugbesatzungen, das sogenannte AETR-Abkommen7, zu Ende zu führen. Die Kommission beanspruchte jedoch in der Begründung ihrer gegen den genannten Ratsbeschluss vor dem EuGH erhobenen Nichtigkeitsklage die Kompetenz zum Abschluss des genannten Abkommens für die Gemeinschaft, obwohl eine derartige Außenermächtigung im EG-Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehen war. Sie führte als Begründung an, dass die Vertragsabschlusskompetenzen der EG in ihrem Umfang den internen Rechtsetzungskompetenzen der Gemeinschaft entsprechen müssten. Vor diesem Hintergrund verlangte sie im Ergebnis, nicht zuletzt auch wegen einer von ihr behaupteten Verletzung der für diesen Fall bestehenden Mitwirkungsrechte der Kommission, die Aufhebung des Ratsbeschlusses. Tatsächlich beschränkte sich der EG-Vertrag nach seinem Wortlaut darauf, im Bereich der Gemeinsamen Verkehrspolitik den Erlass gemeinschaftsinterner Rechtsakte zu ermöglichen. Dementsprechend verfügte die Gemeinschaft lediglich im Binnenbereich über Rechtsetzungskompetenzen, von denen sie zum fraglichen Zeitpunkt speziell für die hier in Rede stehende Sachmaterie allerdings bereits durch den Erlass eines entsprechenden Sekundärrechtsaktes Gebrauch gemacht hatte.8 Demgegenüber vertrat der Rat die Auffassung, dass mangels expliziter Kompetenzzuweisung durch die Gründungsverträge an die Gemeinschaft schon vor dem Hintergrund des zentralen gemeinschaftsrechtlichen Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung, der sogenannten comptence dattribution, auch weiterhin ausschließlich die Mitgliedstaaten zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge im Bereich der Verkehrspolitik befugt seien. Dieser Ansatz des Rates wurde im Ergebnis ausdrück6

EuGH (Fn. 1), S. 263. Accord europen sur les Transports par Route (AETR). 8 Die Gebrauchmachung der Binnenkompetenz durch die Gemeinschaft war bereits durch den Erlass der Verordnung Nr. 543/69 erfolgt. 7

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lich von Generalanwalt Dutheillet de Lamothe unterstützt, der sich in diesem Zusammenhang in seinem Schlussantrag zu dem Hinweis veranlasst sah, dass die mögliche Bejahung einer Gemeinschaftszuständigkeit trotz fehlender expliziter vertraglicher Ermächtigung „Sie [den Gerichtshof] zu einer richterrechtlichen Konstruktion nötigen [würde], die sehr weit über die Grenzen hinausgehen würde, die Sie sich bisher bei der Ausübung Ihrer Befugnis zur Vertragsauslegung gesetzt haben“.9 Bekanntlich schloss sich der Gerichtshof mit dem AETR-Urteil, übrigens mit einer eher lakonischen Begründung, dem Vorbringen der Kommission in seinen wesentlichen Zügen an. Damit wurde im Ergebnis ein restriktiveres Verständnis des Grundsatzes der comptences dattribution zugunsten eines evolutiven Kompetenz-Verständnisses zurückgedrängt. Eine Außenkompetenz der Gemeinschaft kann sich danach nicht nur aus einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Vertrag ergeben, sondern sie kann auch aus anderen Vertragsbestimmungen und aus Rechtsakten der Gemeinschaften fließen, die in diesem Rahmen erlassen worden sind. Der Gerichtshof begründete mit diesem Ansatz die Doktrin der durchgehenden Parallelität interner und externer Befugnisse der Gemeinschaft, die im Schrifttum in der Folgezeit mit der Bezeichnung in foro interno, in foro externo belegt wurde.10 Nicht beantwortet wurde mit der Schaffung dieses neuen Rechtsinstituts allerdings die Frage, ob die auf diese Weise erfolgte Begründung einer Gemeinschaftskompetenz unweigerlich auch einen entsprechenden Kompetenzverlust auf Seiten der Mitgliedstaaten nach sich zieht oder ob hier möglicherweise doch noch Raum für eine eigenständige, wenn auch reduzierte mitgliedstaatliche Handlungsmöglichkeit verbleiben kann. Letzteres verneinte der EuGH im Ergebnis zwar nicht allgemein, aber zumindest für die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation, indem er dezidiert klarstellte, dass neben der bereits postulierten Gemeinschaftszuständigkeit kein Raum für eine etwaige „konkurrierende Zuständigkeit“ der Mitgliedstaaten bleiben könne. Er folgerte dies daraus, dass das im AETR-Abkommen geregelte Sachgebiet zum Anwendungsbereich einer bereits zuvor erlassenen EG-Verordnung gehörte und „alles, was außerhalb der Gemeinschaftsorgane geschieht, mit der Einheit des Gemeinsamen Marktes und der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts unvereinbar ist“.11 Die Entscheidung stieß auf zum Teil vehementen Widerspruch. Vom gouvernement des juges12 war hier ebenso wie von einer angeblich „politischen Rechtsprechung“ des Gerichtshofes die Rede. Das Ausmaß der Enttäuschung, die das Urteil im Rat und in den Außenministerien auslöste, wird insbesondere in einem Artikel 9

Schlussanträge von Generalanwalt Dutheillet de Lamothe in der Rs. AETR (Fn. 1). Vgl. nur Pescatore, P., Treaty making by the European Communities, in: Jacobs, F./ Roberts, S. (Hrsg.), The effect of Treaties in domestic law, London 1987, S. 175. Im Folgenden soll in diesem Zusammenhang von der „AETR-Formel“ die Rede sein. 11 EuGH (Fn. 1), Tz. 30/31 (Hervorhebung hinzugefügt). 12 Siehe Fn. 13. Hiergegen wendet sich Pescatore, P., Jusquo le juge peut-il aller trop loin?, in: Festskrift til Ole Due, Kopenhagen 1994, S. 299 (309). 10

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in Le Monde aus dem Jahre 1971 deutlich.13 So wird dort dem Gerichtshof vorgehalten, er habe in einem arrÞt politique seine Befugnisse überschritten, Rechts- und Opportunitätsfragen unzulässig vermischt und eine verkappte Revision der Verträge vorgenommen. Man muss freilich fragen, ob diese Kritik, jenseits der Polemik, in der Sache berechtigt war und die AETR-Entscheidung wirklich einen derartigen Umbruch darstellte. Einige Formulierungen des fraglichen Urteils scheinen eher das Gegenteil nahe zu legen, deuten sie doch darauf hin, dass sich die AETR-Entscheidung in eine schon zum damaligen Zeitpunkt herausgebildete Rechtsprechungslinie des Gemeinschaftsgerichts nahtlos einfügte. So heißt es schon in einer der Kernaussagen des Urteils, dass „[…] in den Bereichen, in denen die Gemeinschaft zur Verwirklichung einer vom Vertrag vorgesehenen gemeinsamen Politik Vorschriften erlassen hat, die in irgendeiner Form gemeinsame Rechtsnormen vorsehen, die Mitgliedstaaten weder einzeln noch selbst gemeinsam handelnd berechtigt, mit dritten Staaten Verpflichtungen einzugehen, die diese Normen beeinträchtigen. In dem Maße, wie diese Gemeinschaftsrechtssetzung fortschreitet, kann nur die Gemeinschaft mit Wirkung für den gesamten Geltungsbereich der Gemeinschaftsrechtsordnung vertragliche Verpflichtungen gegen über dritten Staaten übernehmen und erfüllen.“14

Schon diese Urteilsformulierung macht deutlich, dass es speziell der Schutzgedanke ist, der den Gerichtshof bei der Begründung der AETR-Formel leitet. Es geht ihm deshalb zuvörderst darum, die Gemeinschaftsrechtsordnung vor Störungen zu schützen, die aus einem möglichen eigenmächtigen Handeln der Mitgliedstaaten resultieren könnten. Der gemeinschaftsrechtliche Besitzstand und dessen Integrität wäre aus der Sicht des EuGH gefährdet, wäre es den Mitgliedstaaten gestattet, im Völkerrechtsverkehr Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten zu begründen, die sich beeinträchtigend auf den gemeinschaftsrechtlichen Besitzstand, den acquis communautaire, auswirken könnten. Die AETR-Formel stützt sich folglich im Ergebnis auf die zentrale gemeinschaftsrechtliche Argumentationsfigur des effet utile, d. h. auf die praktische Wirksamkeit und Effektivität des Gemeinschaftsrechts. Dabei machte der Gerichtshof aber gleichzeitig auch klar, dass dieser Schutzgedanke eben nur soweit trägt, wie auch tatsächlich eine nach innen wirkende Gemeinschaftsrechtsetzung existiert, deren Gefährdung konkret zu besorgen wäre. Im vorliegenden Fall wurde dies, wie dargelegt, vom Gerichtshof bejaht. Vor diesem Hintergrund lässt sich die AETR-Entscheidung in die bereits zum damaligen Zeitpunkt zum Leitmotiv der Autonomie und Selbstbehauptung 13 Vgl. „Le Monde“ vom 27. April 1971, S. 19. Interessanterweise wird der anonym bleibende Verfasser des Artikels, der im Wesentlichen die vom Rat vorgetragenen Argumente wiedergibt, als „haut fonctionnaire international qui a tenu  garder lanonymat“ vorgestellt; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Hinweise bei Mischo, J., Regard sur la gense du premier recours interinstitutionnel, in: Belliard (Hrsg.), Mlanges en lhonneur de Jean-Pierre Puissochet : Ltat souverain dans le monde daujourdhui, Paris 2008, S. 193. 14 EuGH (Fn. 1), Tz. 15/19.

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des Gemeinschaftsrechts als eigenständiger Rechtsordnung herausgebildete Rechtsprechungslinie des Gemeinschaftsgerichts nahtlos einfügen, die schon zu Beginn der sechziger Jahre insbesondere durch die bekannten Grundsatzentscheidungen in den Rechtssachen van Gend & Loos15 beziehungsweise Costa/ENEL16 geprägt worden war. Während etwa im Urteil van Gend & Loos unter ausdrücklicher Betonung des neuartigen und besonderen Charakters der Gemeinschaftsrechtsordnung der Grundsatz von der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen begründet worden war, formulierte der EuGH in der Rechtssache Costa/ENEL das Prinzip vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber den nationalen Rechtsordnungen. Schon mit der Schaffung dieser Instrumente hatte der Gerichtshof unter Hinweis auf die vorgenannte Autonomie und Selbstbehauptung des Gemeinschaftsrechts einen Schutzmechanismus geschaffen, der die Sicherung der Einheitlichkeit und der effektiven Durchsetzbarkeit des gemeinschaftsrechtlichen Besitzstandes bezweckte. Im Ergebnis wird damit deutlich, dass mit der AETR-Formel letztlich nur ein weiteres Instrument geschaffen wurde, die Unantastbarkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung nach außen, d. h. im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten als eigenständigen Akteuren, zu sichern und zu zementieren. Das in diesem Kontext zu Tage tretende evolutive Kompetenz-Verständnis des Gerichtshofes diente damit gleichsam als (präventives) Instrument zum Schutze der Gemeinschaftsrechtsordnung vor mitgliedstaatlichen Interventionen. Damit wird ein finaler Ansatz des EuGH deutlich, der sich von einem herkömmlichen, statischen Kompetenzdenken, wie es etwa dem deutschen Föderalismus zugrunde liegt, deutlich abhebt und den häufig an die Adresse des Gerichtshofes gerichteten Vorwurf der unzulässigen Kompetenzanmaßung weitgehend ins Leere laufen lässt.

b) Die Rechtsprechung nach dem AETR-Urteil: Präzisierung der AETR-Formel Durch das AETR-Urteil war hinsichtlich des Umfanges der Außenkompetenzen der Gemeinschaft mit der Schaffung der neuen Formel des in foro interno, in foro externo die erste wichtige Weichenstellung vorgenommen worden. Gleichwohl bedurfte dieser neue Ansatz einer weitergehenden dogmatischen Präzisierung, waren doch mit der AETR-Entscheidung nicht alle Fragen geklärt, die sich in diesem Zusammenhang stellten. Eine derartige weitergehende Klärung nahm der Gerichtshof im Jahre 1976 mit seinem Urteil in der Rechtssache Kramer vor, in der es um die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit einiger niederländischer Strafvorschriften im Fischereisektor ging.17 Die Niederlande hatten diese Vorschriften zur Verhinderung von 15 16 17

EuGH, 5. 2. 1963, Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1963, S. 1. EuGH, 15. 7. 1964, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, S. 1251. EuGH, 14. 7. 1976, Verb. Rs. 3, 4 u. 6/76 (Kramer), Slg. 1976, S. 1279.

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Überfischung auf der Grundlage von Empfehlungen der sogenannten Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik erlassen, einem durch das Nordostatlantik-Fischereiübereinkommen aus dem Jahre 1959 errichteten gemeinsamen Organ der Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, dem auch die meisten EG-Mitgliedstaaten angehörten. In dem Verfahren vor dem EuGH stellte sich unter anderem die Frage nach der Zuständigkeit der Gemeinschaft beziehungsweise der Mitgliedstaaten, bei der Ausarbeitung von Empfehlungen der vorgenannten Fischerei-Kommission mitzuwirken und in diesem Rahmen völkerrechtliche Verpflichtungen im Fischereisektor einzugehen. Der Gerichtshof bejahte in diesem Zusammenhang unter explizitem Rückgriff auf die AETR-Formel zunächst eine grundsätzliche Außenzuständigkeit der Gemeinschaft im fraglichen Sachbereich, indem er feststellte, dass eine Außenzuständigkeit der Gemeinschaft „auch aus anderen Bestimmungen des Vertrages und der Beitrittsakte sowie aus in ihrem Rahmen ergangenen Rechtsakten […] fließen [kann]“.18 Auf dieser Grundlage leitete der EuGH eine konkrete Außenkompetenz der Gemeinschaft aus dem damaligen gemeinschaftsrechtlichen Besitzstand im Bereich des Fischereiwesens ab. Dieser begründete nach Überzeugung des Gerichtshofes eine Befugnis der Gemeinschaft im Innenverhältnis, alle Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres einschließlich der Festlegung von Fangquoten zu treffen. Im Schrifttum wird diese argumentative Vorgehensweise seitdem häufig mit der implied powers-Doktrin des allgemeinen Völkerrechts in Verbindung gebracht.19 War insofern nach der AETR-Formel im zu entscheidenden Fall relativ problemlos zu klären, dass der Gemeinschaft überhaupt eine Außenkompetenz in einer bestimmten Materie zukam, blieb doch weiterhin nicht vollständig geklärt, inwieweit den Mitgliedstaaten möglicherweise trotzdem noch ein eigener Handlungsspielraum verbleiben konnte und wie gegebenenfalls das sich hieraus ergebende Miteinander von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Völkerrechtsverkehr kompetenzrechtlich zu organisieren wäre. Es ging mit anderen Worten darum zu klären, ob eine nach der AETR-Formel begründete Außenkompetenz zwangsläufig auch als ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft zu klassifizieren ist, oder ob nicht vielmehr trotz bestehender EG-Außenkompetenz Raum für eine konkurrierende mitgliedstaatliche Zuständigkeit verbleiben konnte. Zur Klärung dieser zentralen Frage, die der Gerichtshof im Rahmen des AETR-Urteils für den dort zu entscheidenden Fall noch eher kategorisch im Sinne einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz beantwortet hatte, stellte er nunmehr in differenzierterer Weise darauf ab, ob und gegebenenfalls inwieweit die Gemeinschaftsorgane auf der Grundlage ihrer abstrakt bestehenden Zuständigkeit die Aufgaben und Verpflichtungen aus dem Nordostatlantik-Fischereiübereinkommen und den auf seiner Grundlage gefassten Beschlüssen auch tatsächlich übernommen hatten. Da das bislang in dem fraglichen Bereich erlassene Sekundärrecht allerdings lediglich die 18 19

Ebd., Tz. 19/20. Für viele Streinz, R., Europarecht, 8. Aufl., Heidelberg 2008, Rn. 678.

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Möglichkeit eröffnete, entsprechende Fangquotenregelungen zum Schutz vor Überfischung in Kraft zu setzen, dies von der Gemeinschaft bislang allerdings noch nicht in die Tat umgesetzt worden war, bejahte der Gerichtshof im Ergebnis eine – konkurrierende – Befugnis der Mitgliedstaaten, die aus dem genannten Übereinkommen resultierenden Verpflichtungen zu übernehmen und deren Erfüllung in ihrem Hoheitsbereich durch den Erlass entsprechender nationaler Durchführungsakte sicherzustellen. Er stellte allerdings in diesem Zusammenhang zweierlei klar. Zum einen unterstrich der EuGH, dass dieser mitgliedstaatlichen Zuständigkeit nur ein Übergangscharakter zukommen könne, zum anderen formulierte er eine unbedingte Bindung der Mitgliedstaaten an Gemeinschaftsverpflichtungen, sofern sie im Rahmen sonstiger internationaler Gremien wie etwa der vorgenannten Fischerei-Kommission tätig werden. Insbesondere seien die Mitgliedstaaten gehalten, keine Verpflichtungen zu übernehmen, welche die Gemeinschaft bei der Ausführung ihrer Aufgaben behindern könnten. Interessant an dieser Entscheidung ist, neben der zentralen Bedeutung, die der Präzisierung der AETR-Formel zukommt, insbesondere die Frage, in welcher Weise der Gerichtshof auch hier seinen zentralen Leitmotiven, nämlich der Sicherung der Autonomie und Selbstbehauptung des Gemeinschaftsrechts als eigenständiger Rechtsordnung und dem daraus resultierenden Erfordernis des Schutzes des gemeinschaftsrechtlichen Besitzstandes, Rechnung trug. So erscheint besonders bemerkenswert, dass der EuGH in der Rechtssache Kramer auf einer neuen Wahrnehmungsstufe hinsichtlich der von den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht drohenden Gefahren angelangt zu sein schien. Er nahm diese nämlich nicht mehr als bloße potenzielle Störenfriede wahr, sondern wies ihnen die Rolle eines Partners der Gemeinschaft bei der effektiven Verwirklichung der Gemeinschaftsziele zu. Vor diesem Hintergrund lag es für den Gerichtshof nahe, einen Mechanismus zu finden, der einerseits die Mitgliedstaaten in die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Gemeinschaften, gleichsam als „Sachwalter“ der Gemeinschaftsinteressen, einzubinden vermochte, ihnen andererseits aber auch ein enges Korsett an Rechtspflichten auferlegte, um sicherzustellen, dass der acquis im Zuge dieser Operation keinesfalls zu Schaden kommen konnte. Im Ergebnis ging es den Luxemburger Richtern folglich nicht mehr allein um die Abwehr der dem acquis durch eigenständiges mitgliedstaatliches Handeln potenziell drohenden Gefahren, sondern zusätzlich um die Einbindung der Mitgliedstaaten in die gemeinsam verfolgte Förderung des gemeinschaftsrechtlichen Besitzstandes. Indem den Mitgliedstaaten gewisse Handlungsspielräume zugestanden wurden, solange sie nur für den Schutz und die Förderung des acquis stritten, wurde dem der AETR-Entscheidung zugrunde liegenden reinen Schutz- und Abwehrgedanken folglich in Gestalt des Fördergedankens eine neue, konstruktive Komponente hinzugefügt. Reine Handlungsverbote wurden damit durch Handlungsspielräume zum Zwecke der effektiven Erreichung der Gemeinschaftsziele und damit zur Förderung des gemeinschaftlichen Besitzstandes ergänzt.

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In zwei weiteren Entscheidungen des Gerichtshofes aus der Zeit bis 1992 ist die AETR-Rechtsprechung fortgesetzt und zum Teil modifiziert worden. Im Gutachten zum Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt aus dem Jahre 1976, mit dem der Gerichtshof die Zuständigkeit der Gemeinschaft zum Abschluss einer Vereinbarung im Rahmen der Mannheimer Rheinschifffahrtsakte auf die Bestimmungen des EG-Vertrages zur gemeinsamen Verkehrspolitik stützte, bestätigte der EuGH zunächst nochmals die Gültigkeit der AETR-Formel.20 Zugrunde lag diesem Verfahren ein Antrag der Kommission, mit dem diese dem Gerichtshof das geplante Schifffahrtsübereinkommen auf der Grundlage von Art. 300 Abs. 6 EG zur Vorabbegutachtung im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit primärem Gemeinschaftsrecht vorlegte. Es ging in der Sache also, anders als in der Rechtssache Kramer, nicht um einen Zuständigkeitskonflikt zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft. Die Tatsache, dass das geplante Übereinkommen eine Übertragung von Entscheidungs- und Rechtsprechungskompetenzen auf internationale, von den Gemeinschaftsorganen unabhängige Organe vorsah, sollte sich in diesem Zusammenhang als die eigentliche gemeinschaftsrechtliche Bruchstelle erweisen, die den Gerichtshof letztlich veranlasste, das Übereinkommen als unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht zu bewerten. Interessanter ist hier jedoch, losgelöst von diesen fallspezifischen Aspekten, insbesondere die generelle argumentative Vorgehensweise des EuGH im Hinblick auf die EG-Außenkompetenzen. So unterstrich der Gerichtshof im Gutachten 1/76 die Gültigkeit der AETR-Formel, indem er nochmals darauf hinwies, dass sich eine Zuständigkeit der Gemeinschaft zum Abschluss völkerrechtlicher Vereinbarungen mit Drittstaaten nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend aus den Bestimmungen des EG-Vertrages ergeben konnte. Gleichzeitig stellten die Luxemburger Richter jedoch klar, dass es für die Begründung einer derartigen EG-Kompetenz unbeachtlich ist, ob von der internen Zuständigkeit durch die Gemeinschaft bereits Gebrauch gemacht worden ist oder nicht. Dieser Aspekt spielte in der Rechtssache Kramer allerdings auch nur im Zuge der hier nicht relevanten Frage eine Rolle, inwieweit den Mitgliedstaaten noch ein eigener – konkurrierender – Handlungsspielraum im Bereich der Außenbeziehungen verblieben sein konnte. Besonders interessant für die hier zu erörternde Fragestellung erscheint aber ein anderer Punkt. So leitete der Gerichtshof, wie dargelegt, die Befugnis der Gemeinschaft, im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, daraus ab, dass ihr im Innenverhältnis in Hinblick auf ein bestimmtes Ziel eine Zuständigkeit verliehen worden war. Auf deren Grundlage sei sie befugt, „die zur Erreichung dieses Ziels erforderlichen völkerrechtlichen Verpflichtungen einzugehen, auch wenn eine ausdrückliche diesbezügliche Bestimmung fehlt“.21 Anknüpfungspunkt für eine Gemeinschaftszuständigkeit war damit die Erforderlichkeit eines Tätigwerdens der Gemeinschaft zum Zwecke der Verwirklichung der Ziele des 20 EuGH, Gutachten 1/76 (Europäischer Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt), Slg. 1976, S. 741. 21 Ebd., Tz. 3 (Hervorhebung hinzugefügt).

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EG-Vertrages. Auch hier schlug folglich ein finales Verständnis von der Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten durch. Im konkreten Fall war im Übrigen ein Vertragsabschluss mit einem Drittstaat aber auch sachlich schon deshalb zwingend, weil eine Regelung der Rheinschifffahrt nicht ohne Einbeziehung des Anrainers Schweiz möglich gewesen wäre. Der bislang erörterte Fragenkreis soll mit der Behandlung des sogenannten ILOGutachtens22 abgerundet werden. Es ging in diesem Zusammenhang um die Vereinbarkeit der ILO-Konvention Nr. 170 betreffend die Sicherheit bei Gebrauch von Chemikalien am Arbeitsplatz mit dem EG-Vertrag. Vor dem Hintergrund der Ausführlichkeit des vom EuGH in dieser Sache erstatteten Gutachtens sollen an dieser Stelle nur einige wenige, hier interessierende Aspekte herausgegriffen werden. Zunächst überrascht es nicht, dass die Richter an dieser Stelle unter Verweis auf die AETR-Formel eine grundsätzliche Außenzuständigkeit der Gemeinschaft bejahen. Den größten Raum der richterlichen Erwägungen nimmt dann aber die Klärung der Frage ein, ob es sich bei dieser Gemeinschaftszuständigkeit um eine ausschließliche oder eine, den Mitgliedstaaten einen eigenen Handlungsspielraum belassende, konkurrierende Zuständigkeit der Gemeinschaft handelte. Damit ging es um das gleiche Problem, das sich schon in der Rechtssache Kramer gestellt hatte. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang vor allem Folgendes: Während der Gerichtshof in der Rechtssache Kramer zur Begründung einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz in erster Linie darauf abstellte, ob und gegebenenfalls inwieweit die Gemeinschaftsorgane auf der Grundlage ihrer abstrakt bestehenden Zuständigkeit die konkret in Rede stehenden Aufgaben und Verpflichtungen auch tatsächlich übernommen hatten, ging er im ILO-Gutachten noch einen Schritt weiter und prüfte darüber hinaus, ob und gegebenenfalls inwieweit das in Rede stehende Abkommen geeignet war, die einschlägigen Bestimmungen des gemeinschaftlichen Besitzstandes auch tatsächlich zu beeinträchtigen. Dies verneinte er im Ergebnis bezüglich derjenigen Bestimmungen der ILO-Konvention, die lediglich die Festlegung von Mindeststandards des Arbeitsschutzes betrafen, bejahte es hingegen bezüglich derjenigen Bestimmungen, die ein Gebiet betrafen, das bereits weitgehend von EG-Sekundärrecht determiniert worden war.23 Im Ergebnis führen diese Überlegungen des Gerichtshofes dazu, dass er eine gemeinsame Zuständigkeit von Mitgliedstaaten und Gemeinschaft zum Abschluss des Abkommens feststellte. Stellt das ILO-Gutachten nun aber eine Relativierung der bisherigen Rechtsprechung seit dem AETR-Urteil dar? Man wird dies im Ergebnis nicht bejahen können, denn letztlich hat der Gerichtshof in der Sache seinen in der Rechtssache Kramer entwickelten Ansatz hinsichtlich des Verhältnisses von mitgliedstaatlichen und gemeinschaftlichen Außenkompetenzen lediglich präzisiert, wobei interessant ist, dass dieser kompetenzbegrenzende Ansatz bereits im AETR-Urteil anklingt. Da sich die gesamte Rechtsprechung seit der AETR-Entscheidung vom Schutz- und Fürsorgege22 23

EuGH, Gutachten 2/91 (ILO-Konvention Nr. 170), Slg. 1993, I-1061. EuGH (Fn. 22), Tz. 18 – 24.

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danken zugunsten des gemeinschaftlichen Besitzstandes hat leiten lassen, ist es im Ergebnis konsequent, den Mitgliedstaaten immer dann einen eigenen Handlungsspielraum zu belassen, wenn und soweit eine derartige Gefährdungssituation tatsächlich gar nicht zu besorgen war, beziehungsweise durch das mitgliedstaatliche Handeln der acquis in seinem Bestand nicht gefährdet, sondern gerade gefördert wurde. Dass der Gerichtshof insoweit Schranken für ein ausschließliches Tätigwerden der Gemeinschaft in den Außenbeziehungen setzt, beweist Augenmaß hinsichtlich des latent an ihn gerichteten Vorwurfs einer angeblich uferlosen Kompetenzanmaßung. Insofern zeichnen sich bereits an dieser Stelle speziell im Hinblick auf die Ausgestaltung des vorerwähnten Beeinträchtigungstests erste restriktivere Tendenzen ab, die sich später, etwa im hier nicht zu behandelnden WTO-Gutachten aus dem Jahre 1994, verfestigen sollten.24 c) Vorläufiges Fazit im Hinblick auf die Rechtsprechung zu Natur und Umfang der EG-Außenkompetenzen Als erstes Fazit scheinen folgende Feststellungen zur Entwicklung der Rechtsprechung bis 1992 möglich: Umfang und Anwendbarkeitsvoraussetzungen der auf eine Parallelität von Innen- und Außenkompetenzen der Gemeinschaft zielenden AETRFormel sind vom Gerichtshof schrittweise abgesteckt worden. Dabei wird jenseits aller dogmatischen Details der angesprochenen Entscheidungen deutlich, dass sich diese Rechtsprechung am zentralen Bestreben des EuGH orientiert, den gemeinschaftlichen Besitzstand zu schützen und zu fördern. Dieser Leitgedanke trägt speziell bei der Begründung der impliziten ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeiten durch den Gerichtshof. Hier bewies er Augenmaß, indem er mittels des Beeinträchtigungstests fallbezogen – und damit im Sinne einer ultima ratio – die tatsächliche Notwendigkeit einer derartigen Zuständigkeit prüfte. Insoweit erscheint der im Schrifttum erhobene Vorwurf, man habe es hierbei mit einem Fall exzessiven Richterrechts zu tun, nicht gerechtfertigt.25 Für das Verhältnis von gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Außenzuständigkeiten lässt sich im Sinne einer Faustregel festhalten, dass grundsätzlich immer dann eine Sperrwirkung hinsichtlich eines etwaigen mitgliedstaatlichen Handelns eintritt, sobald die Gemeinschaft einen Regelungsbereich, für den ihr eine interne Zuständigkeit zusteht, legislatorisch betritt – im gemeinschaftsrechtlichen Schrifttum wird in diesem Zusammenhang von einer „Gebietsbesetzung“ durch die Gemeinschaft gesprochen26 – und zusätzlich der vorgenannte „Beeinträchtigungstest“ bezüglich der Auswirkungen des künftigen internationalen Abkommens auf den gemeinschaftlichen Besitzstand positiv ausgefallen ist. Daraus folgt im Umkehrschluss 24

EuGH, Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, I-5267. In diesem Sinne etwa Lecheler, H., Archiv des Öffenlichen Rechts (AöR) 1994, S. 1. 26 Vgl. nur Gilsdorf, P., Die Außenkompetenzen der EG im Wandel, Europa-Recht (EuR) 1996, S. 145 (147). 25

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vor dem Hintergrund der Rechtssache Kramer,27 dass die Mitgliedstaaten zu eigenem Handeln trotz bestehender grundsätzlicher Gemeinschaftskompetenz immer dann berechtigt sind, wenn die Gemeinschaft von ihrer Binnenkompetenz noch nicht konkret Gebrauch gemacht hat und gleichzeitig die Mitgliedstaaten das Gebot gemeinschaftsfreundlichen Verhaltens wahren. Entscheidend ist für den Gerichtshof damit, wie er selbst in seinem im Jahre 2006 ergangenen sogenannten Lugano-Gutachten herausgestellt hat, „dass das Abkommen nicht die einheitliche und kohärente Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften und das reibungslose Funktionieren des mit diesen errichteten Systems beeinträchtigen kann“.28 Im Hinblick auf die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft, internationale Verpflichtungen einzugehen, ist noch ergänzend darauf hinzuweisen, dass sich parallel zu der hier dargestellten AETR-Rechtsprechung eine weitere Entscheidungskette zu der Frage entwickelt hat, wie die im Vertrag bereits verankerten expliziten Außenkompetenzen der Gemeinschaft, etwa im Bereich des Außenhandels, zu verstehen sind. Der Gerichtshof hat in diesem Kontext schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt klargestellt, dass derartige Außenzuständigkeiten der Gemeinschaft, anders als die über die AETR-Formel hergeleiteten Befugnisse, grundsätzlich immer als ausschließliche Gemeinschaftskompetenzen zu verstehen sind, so dass selbst für ein beschränktes eigenes Agieren der Mitgliedstaaten, unabhängig vom konkreten Gefährdungsgrad eines derartigen Tätigwerdens im Hinblick auf den gemeinschaftlichen Besitzstand, keinerlei Raum mehr verbleiben konnte. Der Gerichtshof begründete dies – etwa im OECD-Gutachten von 1975 – damit, dass durch ein einseitiges Vorgehen der Mitgliedstaaten im Bereich der Gemeinsamen Handelspolitik, das der Befriedigung ihrer Eigeninteressen dient, die Gemeinschaft daran gehindert werden könnte, ihre Aufgabe zum Schutz des gemeinsamen Interesses zu erfüllen.29 Ausdrücklich im EG-Vertrag verankerte Außenkompetenzen der Gemeinschaft sind folglich immer auch ausschließliche EG-Kompetenzen. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage nach der konkreten inhaltlichen Reichweite speziell der Außenhandelskompetenzen der Gemeinschaft. Mitgliedstaaten und Kommission vertraten hier höchst unterschiedliche Auffassungen. Im Ergebnis entschied sich der Gerichtshof bei der Bestimmung dieser inhaltlichen Reichweite – und damit letztlich der Reichweite der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit – für einen dynamischen Ansatz und orientierte sich vor diesem Hintergrund in erster Linie an den Bedürfnissen der Gemeinschaft im Hinblick auf eine effektive Umsetzung ihrer vertraglichen Ziele im Bereich der Gemeinsamen Handelspolitik.30 Er stellte in diesem Zusammenhang unter anderem darauf ab, dass die im EG-Vertrag

27 28 29 30

EuGH (Fn. 17). EuGH, Gutachten 1/03 (Lugano), Slg. 2006, I-01145, Tz. 133. EuGH, Gutachten 1/75 (OECD), Slg. 1975, S. 1355, Tz. 30 – 33. Vgl. hierzu die Darstellung bei Streinz (Fn. 19), Rn. 721.

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enthaltene Aufzählung der Gegenstände der Handelspolitik nicht abschließend sei, sondern zwar deren Kern, keinesfalls aber ihre Grenzen festlege.31 2. Zweiter Schwerpunkt: Geltung und Rechtswirkungen völkerrechtlicher Abkommen im EG-Binnenrecht Neben der Frage nach Natur und Umfang der EG-Außenkompetenzen spielten insbesondere die möglichen Rechtswirkungen völkerrechtlicher Abkommen im EGBinnenrecht eine zentrale Rolle in der Rechtsprechung des Gerichtshofes. Zu unterscheiden ist in diesem Kontext zwischen Abkommen, welche die Gemeinschaft selbst mit Drittstaaten geschlossen hat, und solchen Abkommen, die zwar allein von den Mitgliedstaaten mit Drittstaaten abgeschlossen worden sind, die die Gemeinschaft aber gleichwohl binden. a) Geltungsgrund und Stellung im Gemeinschaftsrecht Geltungsgrund und Rang eines von der Gemeinschaft mit Drittstaaten abgeschlossenen Abkommens ergeben sich unmittelbar aus dem EG-Vertrag. So stellt zunächst Art. 300 Abs. 7 EG die Verbindlichkeit derartiger Abkommen für „die Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten“ fest. Insbesondere wird aus dieser Festlegung der Vorrang derartiger Übereinkommen vor gemeinschaftsrechtlichem Sekundärrecht gefolgert, da die (rechtsetzenden) Gemeinschaftsorgane insoweit an die völkerrechtliche Vereinbarung gebunden sind. Umgekehrt ergibt sich aus Art. 300 Abs. 6 EG ein Vorrang des EG-Primärrechts insoweit, als dieses im Rahmen des Gutachtenverfahrens vor dem EuGH Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit eines derartigen völkerrechtlichen Abkommens ist. Im Ergebnis stehen folglich die von der Gemeinschaft mit Drittstaaten abgeschlossenen Abkommen im Rang zwischen dem Primärund Sekundärrecht.32 Der Gerichtshof hat sie in ständiger Rechtsprechung als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung klassifiziert,33 woraus sich zugleich seine Zuständigkeit für deren Auslegung im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens ergab. Die sich aus Art. 300 Abs. 7 EG ergebende rechtliche Bindung der Mitgliedstaaten an diese Abkommen hat im Übrigen – mangels eigener vertraglicher Bindung im Verhältnis zu dem betroffenen Drittstaat – keinen völkerrechtlichen, sondern gemeinschaftsrechtlichen Charakter. In der Rechtsprechung des Gerichtshofes ging es daneben bereits in den siebziger Jahren um die Frage, ob und inwieweit die Gemeinschaft auch an Abkommen gebunden war, die von den Mitgliedstaaten mit Drittstaaten in eigenem Namen abgeschlos31

EuGH, Gutachten 1/78 (Internationales Naturkautschuk-Übereinkommen), Slg. 1979, S. 2871, Tz. 45. 32 Vgl. nur Streinz (Fn. 19), Rn. 693. 33 In diesem Sinne etwa EuGH, 30. 4. 1974, Rs. 181/73 (Haegemann), Slg. 1974, S. 449, Tz. 2/6.

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sen worden waren. Der EG-Vertrag sieht hier keinen Mechanismus vor, der eine Bindungswirkung auch gegenüber der EG gemeinschaftsrechtlich begründen könnte. Vielmehr stellt Art. 307 Abs. 1 EG bezüglich der von den Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten des EG-Vertrages abgeschlossenen völkerrechtlichen Übereinkünfte lediglich fest, dass die hieraus (für die Mitgliedstaaten) resultierenden Rechte und Pflichten durch den Vertrag nicht berührt werden. Jedoch hat der Gerichtshof, insbesondere bezüglich des bereits vor Inkrafttreten des EG-Vertrages von den Mitgliedstaaten ratifizierten Welthandelsabkommens GATT, gleichwohl eine (völkerrechtliche) Bindung auch der Gemeinschaft an dieses Abkommen in dem Maße bejaht, in dem die Gemeinschaft aufgrund des EG-Vertrags Befugnisse übernommen hatte, die zuvor im Anwendungsbereich des GATT von den Mitgliedstaaten ausgeübt worden waren.34 Insoweit trug der Gerichtshof der Tatsache Rechnung, dass die Gemeinschaft im Rahmen des GATT – trotz fehlender förmlicher Mitgliedschaft – in einem gewissen Maße, etwa als Teilnehmerin der Zollverhandlungen, in von den übrigen Vertragsparteien akzeptierter Art und Weise die faktische Funktionsnachfolge der Mitgliedstaaten angetreten hatte. Hieraus leitete er eine (eingeschränkte) Rechtsnachfolge ab. Der EuGH begründete diesen Ansatz insbesondere damit, dass einerseits die Mitgliedstaaten durch die Übertragung von Zuständigkeiten auf die Gemeinschaft im Bereich der Zoll- und Handelspolitik ihren Willen haben erkennen lassen, die EG an die aufgrund des GATTeingegangenen Verpflichtungen zu binden, und dass andererseits die übrigen Vertragsstaaten des GATT diese Zuständigkeitsverlagerung auf die Gemeinschaft auch (konkludent) anerkannt hätten.35 So sprach der Gerichtshof in diesem Zusammenhang davon, dass die Gemeinschaft nunmehr anstelle der Mitgliedstaaten für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem GATT einzustehen habe.36 b) Unmittelbare Wirkung beziehungsweise Anwendbarkeit Völkerrechtliche Übereinkünfte der Gemeinschaft stellen als integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung immer auch einen Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Sekundärrecht der Gemeinschaft dar. Gleichwohl bedeutet dies nach der bereits in den siebziger Jahren begründeten Rechtsprechung des Gerichtshofes keineswegs, dass die zur effektiven und einheitlichen Durchsetzung der Gemeinschaftsrechtsordnung entwickelten Rechtsinstrumente, wie etwa der Grundsatz der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, auch in diesem Kontext zwingend Anwendung fände. Der Gerichtshof lässt sich bei dieser Vorgehensweise von einem –

34 Vgl. nur EuGH, 12. 12. 1972, Rs. 21 – 24/72 (International Fruit Company), Slg. 1972, S. 1219, Tz. 14/18. 35 EuGH, (Fn. 34). 36 EuGH, 19. 11. 1975, Rs. 38/75 (Nederlandse Spoorwegen), Slg. 1975, S. 1439, Tz. 15/ 16.

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etwa im Urteil Polydor37 deutlich herausgestellten – Grundsatz leiten, demzufolge die Instrumente, über die die Gemeinschaft verfügt, um innerhalb des Gemeinsamen Marktes zur einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und zur schrittweisen Abschaffung der Unterschiede in den Rechtsvorschriften zu gelangen, nicht zwingend ein Äquivalent in Drittstaatsabkommen finden müssten. Vielmehr ist über eine etwaige Übertragbarkeit dieser Instrumente im jeweiligen Einzelfall unter Rückgriff auf Sinn, Aufbau und Wortlaut des jeweils in Rede stehenden völkerrechtlichen Abkommens vom EuGH gesondert zu entscheiden.38 Präzisiert hat der Gerichtshof die an die unmittelbare Anwendbarkeit von Drittstaatsabkommen zu stellenden Anforderungen etwa im Zusammenhang mit dem zwischen der Gemeinschaft und der Türkei bestehenden Assoziationsabkommens in der Rechtssache Demirel aus dem Jahre 1987. Hier ging es um die unmittelbare Anwendbarkeit einer Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit einem Drittstaat geschlossenen Abkommens. Der EuGH bejahte diese im Ergebnis unter der Voraussetzung, dass die fragliche Bestimmung „unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen“.39 Im Hinblick auf das GATT hat der Gerichtshof hingegen eine derartige Übernahme des Grundsatzes der unmittelbaren Anwendbarkeit in Bezug auf einzelne Abkommensbestimmungen seit den siebziger Jahren in ständiger Rechtsprechung in der Regel abgelehnt.40 Allerdings finden sich in der Rechtsprechung auch Tendenzen eines vorsichtigen Abrückens von diesem Grundsatz, so etwa, als es um die Prüfung von Bestimmungen des GATT ging, auf die eine Gemeinschaftsverordnung explizit verwies und die damit qua Verweisung zu Tatbestandsmerkmalen eines der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Gemeinschaftsrechtsaktes wurden.41 Insofern verweigerte der EuGH speziell im Hinblick auf das GATT nicht jegliche Anwendung durch die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit. In eine ähnliche Richtung ging auch die Rechtsprechung zu den WTO-Übereinkünften. Der Gerichtshof stellte in diesem Zusammenhang in aller Deutlichkeit fest, dass diese Abkommen wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften gehörten, an denen er die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane messe.42 Gleichzeitig wies er darauf hin, dass eine Überprüfung von Gemeinschaftshandlungen anhand der Vorschriften der WTO nur dann in Betracht kommen könne, wenn die Gemeinschaft speziell eine im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung umsetzt oder

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EuGH, 9. 2. 1982, Rs. 270/80 (Polydor), Slg. 1982, S. 329, Tz. 20. EuGH, 5. 2. 1976, Rs. 87/75 (Bresciani), Slg. 1976, S. 129, Tz. 16. 39 EuGH, 30. 9. 1987, Rs. 12/86 (Demirel), Slg. 1987, S. 3719, Tz. 14. 40 In diesem Sinne schon EuGH (Fn. 34), Tz. 27; EuGH, 16. 3. 1983, Rs. 266/81 (SIOT), Slg. 1983, S. 731. 41 EuGH, 22. 6. 1989, Rs. 70/87 (FEDIOL), Slg. 1989, S. 1781, Tz. 19 – 21. 42 EuGH, 23. 1. 1999, Rs. C-149/96 (Portugal/Rat), Slg. 1999, I-8395, Tz. 47. 38

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wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist.43 Im Zusammenhang mit anderen von der Gemeinschaft abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen zeigte sich der Gerichtshof hingegen deutlich aufgeschlossener in Bezug auf die Akzeptanz des Grundsatzes der unmittelbaren Anwendbarkeit bei der Auslegung der fraglichen Abkommensbestimmungen.44 Vor dem Hintergrund der eigentlichen Zwecksetzung dieses Instruments, die darin besteht, die Autonomie und Selbstbehauptung des Gemeinschaftsrechts als eigenständiger Rechtsordnung speziell im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu sichern, ist diese Vorgehensweise aber durchaus konsequent. Dies folgt schon daraus, dass es bei der Anwendung völkerrechtlicher Abkommen gerade nicht darum geht, die Gemeinschaftsrechtsordnung als eigenständige Rechtsordnung gegenüber den Mitgliedstaaten durchzusetzen. Insbesondere ist bei der Auslegung derartiger, die Gemeinschaft bindender völkerrechtlicher Abkommen immer auch zu berücksichtigen, dass letztere wegen der Einbindung von Drittstaaten nicht allein aus dem Blickwinkel der Gemeinschaft ausgelegt werden können. Insoweit erscheint die differenzierte Vorgehensweise des Gerichtshofes bei der Auslegung völkerrechtlicher Abkommen hinsichtlich der Heranziehung gemeinschaftsrechtlicher Instrumente wie der unmittelbaren Anwendbarkeit auf den ersten Blick durchaus gerechtfertigt. Allerdings scheint der Gerichtshof, zumindest in den Augen seiner Kritiker, stellenweise dann doch zu weit zu gehen, wenn er etwa unter Berufung auf die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit des GATT selbst den Mitgliedstaaten gegenüber eine Rechtmäßigkeitskontrolle von sekundärem Gemeinschaftsrecht am Maßstab dieses völkerrechtlichen Abkommens verweigert,45 obwohl gerade die völkerrechtlich ebenfalls an das GATT gebundenen Mitgliedstaaten darauf angewiesen sind, nicht durch etwaiges völkerrechtswidriges, sie aber gleichwohl bindendes sekundäres Gemeinschaftsrecht in eine Pflichtenkollision getrieben zu werden.

III. Fazit Die dargestellte Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung zu den EG-Außenbeziehungen in der Zeitspanne bis zum Vertrag von Maastricht hat hinsichtlich der beiden hier behandelten Schwerpunkte deutlich gemacht, dass sich der Gerichtshof durchgängig von einem insgesamt integrationsfreundlichen Ansatz hat leiten lassen. Dabei steht für ihn das Leitmotiv der Autonomie und Selbstbehauptung des Gemein43

EuGH (Fn. 42), Tz. 49. In diesem Sinne etwa EuGH (Fn. 38) im Hinblick auf das im Jaunde-Abkommen vorgesehene Verbot, Abgaben zollgleicher Wirkung an einen Mitgliedstaat zu entrichten. 45 EuGH, 5. 10. 1994, Rs. C-280/93 (Bananenmarkt), Slg. 1994, I-4973; anders zuvor allerdings EuGH, 7. 7. 1991, Rs. C-69/89 (Nakajima), Slg. 1991, I-2069, Tz. 28 – 32, wo der EuGH explizit die Rechtmäßigkeit einer vom Rat erlassenen Gemeinschaftsverordnung auf der Grundlage des GATT unter Hinweis auf die (völkerrechtliche) Bindung der Gemeinschaft an dessen Bestimmungen überprüft. 44

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schaftsrechts als eigenständiger Rechtsordnung im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten einerseits sowie im Rahmen des Völkerrechtsverkehrs andererseits im Vordergrund. Dieser Leitgedanke trägt speziell bei der Begründung der ausschließlichen impliziten Gemeinschaftszuständigkeiten durch den Gerichtshof im Zuge der AETRRechtsprechung, bei der es letztlich um den Schutz und die Förderung des gemeinschaftlichen Besitzstandes geht. Trotz der in diesem Kontext vorgebrachten Kritik kann man dem Gerichtshof hier durchaus Augenmaß bescheinigen, da er im Ergebnis eine ungeschriebene exklusive Außenzuständigkeit der Gemeinschaft nur insoweit annimmt, als ein Schutz von Integrität und Effektivität der Gemeinschaftsrechtsordnung auf andere Weise nicht mehr sicherzustellen wäre. Fehlt es an einer derartigen konkreten Gefährdung, verbleibt den Mitgliedstaaten nach wie vor ein eigener Handlungsspielraum. Die im Schrifttum im Kontext der AETR-Rechtsprechung stellenweise angeführten „Phasentheorien“46 helfen deshalb beim Verständnis dieser Rechtsprechung nicht unbedingt weiter, da sie einen „Bruch“ innerhalb der Rechtsprechungsentwicklung suggerieren, der sich in dieser Schärfe – zumindest für den hier beleuchteten Zeitraum bis 1992 – nicht feststellen lässt, sondern den man allenfalls an der noch stärkeren Gewichtung mitgliedstaatlicher Belange durch den Gerichtshof im Zuge der in den neunziger Jahren ergangenen Rechtsprechung festmachen könnte.47 Im Hinblick auf die Durchsetzung der von der Gemeinschaft mit Drittstaaten geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen, die als „integrierender Bestandteil“ Eingang in die Gemeinschaftsrechtsordnung gefunden haben, ist hingegen eine gewisse Zurückhaltung des Gerichtshofes zu beobachten, diesen eine gleichberechtigte rechtliche Durchschlagskraft im innergemeinschaftlichen Rechtsraum zuzubilligen. Generalanwalt Poiares Maduro hat diese Vorgehensweise des Gerichtshofes zuletzt im Rahmen der Rechtssache Kadi so beschrieben, dass „der Gerichtshof, auch wenn er sehr darauf bedacht ist, die der Gemeinschaft obliegenden völkerrechtlichen Verpflichtungen zu achten, in erster Linie bestrebt ist, den durch den Vertrag geschaffenen Verfassungsrahmen zu wahren“.48 Letztlich kommt es in der zu den Außenbeziehungen ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofes in erster Linie darauf an, und an dieser Stelle sei der Gerichtshof selbst zitiert, „eine einheitliche und kohärente Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften und ein reibungsloses Funktionieren des von ihnen errichteten Systems sicherzustellen, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu wahren“.49

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In diesem Sinne Gilsdorf (Fn. 26), S. 145. Wie dies etwa im Rahmen des WTO-Gutachtens 1/94 (Fn. 24) beziehungsweise des EMRK-Gutachtens (Gutachten 2/94, Slg. 1996, I-1759) deutlich wird. 48 Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro, 16. 1. 2008, in der Rs. C-402/05 (Kadi), Slg. 2008, I-06351, Tz. 24. 49 EuGH (Fn. 28), Tz. 128. 47

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IV. Zusammenfassende Thesen I. Zwar ist für den Zeitraum 1951 – 1992 der „statistische“ Umfang der im Bereich der Außenbeziehungen ergangenen Rechtsprechung des EuGH eher unbedeutend. Allerdings legte der Gerichtshof mit den Urteilen AETR (1971) und International Fruit Company (1972) für die institutionellen Kernfragen – Außenkompetenzen der Gemeinschaft und Wirkungen völkerrechtlicher Abkommen im Gemeinschaftsrecht – ein gleichsam frühvollendet anmutendes Fundament, auf dem die gesamte folgende Rechtsprechung aufbaut. II. Leitmotiv der Rechtsprechung des EuGH ist auch in diesem Bereich die Ausbildung und Kräftigung der Autonomie und Selbstbehauptung des Gemeinschaftsrechts als eigenständiger Rechtsordnung. III. Zu Natur und Umfang der Außenkompetenzen enthält das AETR-Urteil die wesentlichen Aussagen. Schlussstein des auf dieser Grundlage errichteten Gebäudes ist der durch den Vertrag von Lissabon in den Vertrag über die Arbeitsweise der Union eingefügte Art. 188 Abs. l, der sich auch im Wortlaut an das AETR-Urteil anlehnt. IV. Die Aussagen des Urteils International Fruit Company zu Geltung und Rang völkerrechtlicher Abkommen im Gemeinschaftsrecht zeigen eine völkerrechtsfreundliche Grundhaltung, die im Vertrag nicht zwingend vorgegeben ist. Hiermit kontrastiert die Weigerung des EuGH, die Gültigkeit sekundären Gemeinschaftsrecht am GATT (und später an den WTO-Übereinkünften) zu prüfen. Dagegen steht die Rechtsprechung zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Abkommen nicht in grundsätzlichem Widerspruch zu dieser Grundhaltung. V. Für den betrachteten Zeitraum ist eine nennenswerte inhaltliche Entwicklung der betrachteten Rechtsprechung nicht festzustellen. Eine solche Entwicklung setzt erst nach 1992 ein.

Autorenverzeichnis Rolf Ahmann, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, (mit dem Forschungs-)Schwerpunkt Geschichte der internationalen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Jürgen Elvert, Professor der Geschichtswissenschaft mit dem Forschungsschwerpunkt der Geschichte der Europäischen Integration, Universität Köln, Senior Fellow am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn. Niklas Görlitz, Mitglied des Juristischen Dienstes des Europäischen Parlaments, Regierungsdirektor beim Deutschen Bundestag (z. Zt. beurlaubt). Frank Hoffmeister, Mitglied des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission, Professor an der Freien Universität Brüssel. Daniela Karrenstein, Beigeordnete Sachverständige im Sekretariat der Vereinten Nationen, zuvor wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Christian Walter, Lehrstuhl für Öffentliches Recht einschließlich Völker- und Europarecht, Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Christian Kohler, Generaldirektor e.h. der Generaldirektion Bibliothek, Wissenschaftlicher Dienst und Dokumentation beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg, Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes (Europa-Institut). Wilfried Loth, Professor der Geschichtswissenschaft, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Universität Duisburg-Essen. Ilaria Poggiolini, Professorin der Geschichtswissenschaft mit dem Forschungsschwerpunkt der Geschichte des europäischen Integrationsprozesses, Universität Pavia. Reiner Schulze, Professor der Rechtswissenschaft, Direktor des Instituts für Internationales Wirtschaftsrecht, des Instituts für Rechtsgeschichte sowie Geschäftsführender Direktor des Centrums für Europäisches Privatrecht (CEP), Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Georges-Henri Soutou, Professor der Geschichtswissenschaft mit dem Forschungsschwerpunkt der internationalen Beziehungen im 20. Jahrhundert, Universität Paris IV (Sorbonne), Politikwissenschaftliches Institut Paris (Institut dtudes politiques de Paris – Sciences Po) und Institut für Sozialwissenschaften und Politik (Institut de France). Christian Walter, Professor der Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Öffentliches Recht einschließlich Völker- und Europarecht, Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Wichard Woyke, Professor der Politikwissenschaften mit dem Forschungsschwerpunkt Integrationsforschung, insbesondere Erweiterungsfragen und Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union, Westfälische Wilhelms-Universität Münster.