Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich: Reichweite und Wahrnehmung [1 ed.] 9783428504725, 9783428104727

Umweltschutz ohne internationalen Bezug ist heute kaum mehr denkbar. Deshalb beteiligt sich auch die Europäische Union b

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Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich: Reichweite und Wahrnehmung [1 ed.]
 9783428504725, 9783428104727

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WALTER FRENZ

Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 77

Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich Reichweite und Wahrnehmung

Von Walter Frenz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Frenz, Walter:

Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich : Reichweite und Wahrnehmung I von Walter Frenz.- Berlin: Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum europäischen Recht ; Bd. 77) ISBN 3-428-10472-2

Alle Rechte vorbehalten

© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10472-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Vorwort Umweltschutz ohne internationalen Bezug ist heute kaum mehr denkbar. Daher beteiligen sich auch die Europäische Union bzw. Gemeinschaften an internationalen Konferenzen und schließen Abkommen mit Staaten oder internationalen Organisationen gerade im Umweltbereich. Diese Handlungsformen wählen auch die Mitgliedstaaten. Daher stellt sich die Frage, wer für welche Bereiche inwieweit kompetent ist. Diese Problemkreise sind partiell für Randbereiche des Umweltschutzes anders, so für die internationale Handelspolitik, die Atom- oder die Fischereipolitik. Darauf aufbauend ist näher das Verfahren zu untersuchen. Welche Organe bestimmen den Abschluß von Abkommen wesentlich mit: der Rat oder die Kommission? Inwieweit können die Mitgliedstaaten Einflüsse geltend machen? Schließlich stellt sich auch noch die Frage, inwieweit die deutschen Bundesländer über Art. 23 GG oder gegebenenfalls auch das Lindauer Abkommen auf den Abschluß von Abkommen einwirken können. Dabei handelt es sich um allgemeine europa- bzw. staatsrechtliche Fragen. Alle diese Fragen sind Gegenstand einer Studie, die ich im Auftrage des Umweltbundesamtes (FKZ: 298 19 730, "Analyse und Handlungsempfehlungen zur Wahrnehmung der Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich") durchgeführt habe. Unterstützung geleistet haben Herr Rufus Terhorst und Herr Dominik Thieme. Die Untersuchung wurde weitestgehend im Januar 2000 abgeschlossen. Danach eingetretene Entwicklungen und erschienene Veröffentlichungen konnten nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Herrn Magiera und Herrn Merten danke ich für die Aufnahme in die "Schriften zum Europäischen Recht", Herrn Sirnon für die großzügige Einreihung in sein Verlagsprogramm. Aachen, im Dezember 2000

Walter Frenz

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . .. . . . . . . . . .. .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . .. .. .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . .

17

A. Abgrenzung der Außenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen . . . . . . .

26

1. Art. J.l ff. /11 ff. n. F. EUV - Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

(GASP). ... . ... ... .. . . . . . . .. ...... .. . . . .... . . . . . ... . . . . .. . .. .. . .. . . .. . . . ...

26

a) Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

b) Ansatzpunkte für eine Erstreckung in den Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . .

26

c) Materielle Begrenztheit . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . ..

27

d) Begrenztheit der GASP aufgrund ihrer eigenen Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

e) Begrenztheit der GASP vor dem Hintergrund der allgemeinen Ziele . . . . .

29

f) Die GASP als bewußt eigener Vertragsbestandteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

g) Abweichung im Verfahren und in der Verbindlichkeit von den Bestimmungen der anderen Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

h) Anwendungsbereich der GASP unter Berücksichtigung des Verhältnisses EUV/ EGV . . . . ....... . .... . .. .. .. . . . ... . .. . . .. . ........ . ... . ... . .. .... .

34

i) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

2. Art. 130 r/174 n. F. Abs. 4 EGVals bloße Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . .

36

a) Die Bedeutung der Vorschrift selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

b) Einfügung in den Gesamtkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

3. Handelspolitische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

a) Begriffliche Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

b) Einschluß verfahrensbezogener Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

c) Ausschluß explizit anderen Vertragsabschnitten zugewiesener Teilfragen

41

4. Atompolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

8

Inhaltsverzeichnis II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

42

l. Parallelität von Innen- und Außenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2. Kompetenzergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

3. Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

a) Erfassung des Umweltschutzes allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

b) Schutz der menschlichen Gesundheit . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . .. .

47

c) Rohstoffbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. .. . . .

49

d) Spezifisch benannte internationale Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

4. Atomsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

a) Umweltbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

b) Weiter Anwendungsbereich des EAGV . . . .. .. . . .. . .. . .. . . .. . . . . .. .. . . . .

51

c) Gesundheitsschutz und Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

d) Notwendigkeit internationaler Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

e) Grenzen am Beispiel eines Ausstiegs aus der Kernenergie....... . ... . ...

55

f) Nähere Abgrenzung anhand der Nuklearen Sicherheitskonvention (NSC) . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

( 1) Grundlegende Zielsetzung .. . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .

57

(2) Einzelne Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

bb) Kompetenzgefüge Gemeinschaft- Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

(1) Zuständigkeit der Gemeinschaft flir den Strahlenschutz . . . . . . . . .

60

(2) Weitere Befugnisse der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

(a) Art. 1 bis 5 NSC . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . .. .. . .. .. . . . . . . .. .. . . .

62

(b) Art. 7 NSC . . . . . . . .. . .. . .. .. . . . .. . .. . . . . . . .. .. .. . . . . . .. .. . .

63

(c) Art. 14 NSC .. .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . .. . .. . .. .. . . . .. .. . . .. .

64

(d) Art. 16 NSC . . . . . .. . . . .. . . . . . .. . . .. .. . . .. . . .. .. .. .. . .. .. . . .

65

(e) Art. 17 bis 19 NSC

65

(f) Art. 20 bis 35 NSC

66

5. Landwirtschaft und Fischerei . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

66

a) Agrarpolitik und Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

b) Weite Konzeption der Landwirtschaft . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

c) Folgerungen aus der Konkurrenzvorschrift des Art. 38/32 n. F. Abs. 2 EGV für die Kompetenzreichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Inhaltsverzeichnis

9

d) Notwendigkeit eines spezifischen Agrarbezugs

69

e) Fischerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . .. .. . . . . . . . . . . .

69

6. Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

7. Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

a) Einbeziehung des Umweltschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

b) Internationaler Bezug . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . .

74

c) Keine gänzliche Ausschaltung mitgliedstaatlicher Handlungsmöglichkeiten. ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . ..

75

III. Verhältnis der verschiedenen Einzelkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Übertragbarkeit der Grundsätze für die Abgrenzung verschiedener Binnenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

2. Anwendungen in einzelnen Bereichen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . .

78

a) Abgrenzung von umwelt- bzw. gesundheits- und atompolitischen Kompetenzen .. . . .. . . . . . . . .. . . . . .. . . .. . .. . . . .. . . . . . . . .. . .. . . .. . . . . .. . . . . . . . ..

79

b) Abgrenzung der umwelt- und landwirtschaftpolitischen Kompetenzen . .

81

aa) Folgen des Vorrangs der Agrarpolitik in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs .. . .. . . .. . . . .. . .. . . . . . . . .. . . . .. .. . .. .. . . .

81

bb) Gleichrang der Agrarpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

cc) Folgen insbesondere am Beispiel der Fischereipolitik............. . .

85

dd) Spezifische Auswirkungen auf den Meeresschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

(I) Kernbereich der Fischereipolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

(2) Gleichrangigkeil von Umweltschutz- und Fischereipolitk im Meeresschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

(3) Das OSPAR-Übereinkomrnen und begleitende Konferenzen als Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

c) Abgrenzung der umweltpolitischen von den handelspolitischen Kompetenzen . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

IV. Ausschließliche oder konkurrierende Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

1. Grundsätzliches .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . .. . . . .

91

2. Ausschließliche Außenkompetenz nach den Grundsätzen des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

10

Inhaltsverzeichnis 3. Abweichung in der Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

a) Aufgrund Art. 130 r /174 n. F. Abs. 4 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

b) Nach Art. 130 t/ 176 n. F. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

4. Fazit . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . ......... .. . .. . . . . . . . .

98

a) Folgerungen für Außenmaßnahmen im Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

b) Beispielhafte Darstellung anhand des Meeresschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

aa) Abgrenzung umwelt- versus fischereipolitische Kompetenz . . . . . . . .

99

bb) Gemeinschaftsrechtliche Normsetzung zum Meeresschutz . . . . . . . . . . 101 (1) Stoffbezogene Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

(2) Anlagenbezogene Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 cc) Bedeutung für den Meeresschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

B. Verfahrensfragen auf Gemeinschaftsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Einschlägige Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Spezialregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

2. Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Landwirtschaft und Fischerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4. Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5. Lückenschließungsfunktion von Spezialregelungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Grundablauf des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I. Nach Art. 228 I 300 n. F. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

2. Art. 113/133 n. F. EGV für gemeinsame Handelsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Verfahren für Abkommen aus dem Atombereich nach Art. 101 bis 106 EAGV .. ............. . .. ... . .... . .... . .... . .. . . .. . . . . .. . . . . . . . .. . . ... . .... . 110 a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Verfahren bei Abkommen, die nicht eindeutig dem Atom- oder Umweltbereich zuzuordnen sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Inhaltsverzeichnis

11

III. Erteilung des Mandats an die Kommission zu Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Abstimmungsmodalitäten im Rat 00 00 00 00 00 .... 00 00 00 00 00 00 00 00 .. 00.00 00 00 00 115

a) Grundsätzlich 00 .................... 00 . ....... . . 00 .. . ..... 00 ......... 00. . 115 b) Zur notwendigen Einstimmigkeit im Energiebereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Einstimmigkeit bezüglich Wasserstraßenübereinkommen? . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Form(en) derErteilungdes Ratsmandats und Vorwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Umfang des Ratsmandats an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Einschluß der Paraphierung .. 00 .. 00 00 ... 00 ... 00.................... .. ... 122 b) Entbehrlichkeit für Vorgespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Ausschluß von Abschluß und (vorhergehender) Unterzeichnung . . . . . . . . 125 d) Partieller Wiedereinschluß der Unterzeichnung durch Art. 300 Abs. 2 n. F. EGV? . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . .. . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. .. . 125 e) Frage der Reichweite der Verhandlungsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) "Führen der Verhandlungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Auswirkungen indirekter Einflußmöglichkeiten des Rates nach Art. 228/300 n. F. Abs. 1 S. 2 EGV .... .. .... 00.... .. ............ .. 128 cc) Informationspflicht an den Rat .... .. ... .. .......... 00........ .. .. .. 130 dd) Verbindung von Verhandlungen und Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Änderungen des Mandats und "Dauermandat"

132

1. Auswirkungen der grundsätzlichen Zuordnung der Außenkompetenzen zum Rat . ........ . ... ..... .. . .. . . .. . ... .. . . . . . . .. ... . .. . . . . . .... .... .. .... . ... .. 132 2. Institutionelle Flankierung durch die bestellten besonderen Ausschüsse . . . . 134 V. Ratsermessen . . . . . .. .. . . . . . . . .. . .. .. . . . .. . .. . . . . . .. . . .. . . . . . . . . .. .. . . . . .. . .. . . 135 1. Ansatz .. . . .. . . . . . .. . .. . . .. .. . .. .. . . .. . .. . . . . . .. . . .. . . .. . .. . . .. .. . .. . . . . . . .. 135

2. Externe Handlungspflichten der Gemeinschaft im Umweltbereich . . . . . . . . . . 135 a) Auf umweltpolitischer Basis .. . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . .. .. .. . . 135 b) Auf der Grundlage grundrechtlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Zum Ratsermessen auch im Hinblick auf die handelnden Organteile . . . . . . . . 139 4. Rechtliche Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

12

Inhaltsverzeichnis VI. Allgemeine Koordinierungsformen zwischen Rat und Kommission

141

VII. Verhandlungsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Aus völkerrechtlicher Sicht .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 145

2. Aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 VIII. Besonderheiten bei gemischter Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Gemischte Abkommen und ihre Erfassung in den Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 147

a) Eingrenzung und Auftreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Verfahrensmodifikationen bei gemischten Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Koordinierungsformen zwischen Kommission und Mitgliedstaaten . . . . . . . . . 150 3. Wahrung der Verhandlungsrolle der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Wahrung der Verhandlungsrolle als solcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Faktische Wahrung der Verhandlungsrolle der Kommission . . . . . . . . . . . . . 155 c) Zum Entzug von Teilbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Erteilung eines Verhandlungsmandats an die Kommission durch die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 5. Koordination innerhalb der gemeinsamen Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Grundsätzlich...... . .. . .................... . ... . .. . . . ............ . .. . ... 160 b) Form ................. . .... . ................... . ...... . . . ... . .... . .. . ... 161 6. Unterzeichnung und Ratifizierung durch beide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 7. Gegenständlicher Bezug von Unterzeichnung und Ratifizierung . . . . . . . . . . . . 165 8. Folgepflicht zur Zusammenarbeit

167

IX. Regionalabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 C. Einbeziehung der Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Das grundsätzliche Verhältnis von Art. 23 und 32 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Das Verfahren nach Art. 23 GG i.V.m. dem Verfahren für auswärtige Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Einschlägige Verfahren . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 173

Inhaltsverzeichnis

13

2. Das Verfahren nach Art. 23 Abs. 2-7 GG i.V.m. ZEUBLG und ZEUBBG im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Die Mitwirkung des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Mitwirkung der Länder über den Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Wahrnehmung mitgliedstaatlicher Rechte der Bundesrepublik durch einen Ländervertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Gemischte Abkommen als Teil des Europäischen Integrationsprogramms . . 181 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Bestehende Meinungen und ihre Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Bund und Länder... . ................ . ... . ................. . ...... . . 182 bb) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 cc) "Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse" nach Art. K.1/29 n. F. EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 dd) Änderungen durch den Amsterdamer Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 ee) Allenfalls partielle Erfassung des Verwaltungs- und Gerichtssektors

186

c) Anhaltspunkte aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zum Maastricht-Vertrag und zur gemeinschaftlichen Fernsehrichtlinie. . . . .. .. 187 aa) Maastricht-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Urteil zur Fernsehrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 d) Rechtlicher und faktischer Zusammenhang mit der Verwirklichung eines vereinten Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 e) "Angelegenheiten der Europäischen Union" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Einfügung in die Systematik des Europaartikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Maßnahmebezogene Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Länderbelange und Zweck des Art. 23 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 196

D. Behandlung rein politischer Verhandlungen und Konferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

I. Problemstellung und Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . 198 II. Allgemeine Rahmenbedingungen internationaler politischer Verhandlungen im Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Umweltvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

2. Handlungsmuster des Yolkerrechts im Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

14

Inhaltsverzeichnis 3. Strukturmerkmale des Umweltvölkerrechts... ... . .. ................ . ....... 201 4. Erfordernis politischer Lösungen im Umweltvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5. Politische Verhandlungen in Abgrenzung zu völkerrechtlichen Verträgen . . . 202 a) Allgemeine Prinzipien des Völkervertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Formen politischer Absichtserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Vorstufen völkervertraglicher Bindung . . .. .. . .. .. . . .. . . .. . .. . . .. . .. .. . . . 204 6. Umweltvölkergewohnheitsrecht . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . 205 7. Bedeutung für politisches Erklärungsverhalten der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . 206 III. Fehlende Übertragbarkeit der Regelungen zur GASP auf politische Verhandlungen und Konferenzen im Umweltbereich ...... . . ...... . ................ . .. 207 IV. Übertragbarkeit der für Abkommen geltenden Vorschriften auf rein politische Verhandlungen und Konferenzen . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . 208 l. Das Problem des eingeschränkten Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

2. Exklusivität des Art. 228/300 n. F. EGV ....... . .. .. .................... . .. 208 3. Parallelen zu Art. 101 Abs. 3 EAGV ..... .. .... . ... .. .......... .... ..... . .. 209 4. Art. 229/302 n. F. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5. Art. 162/218 n. F. EGV ... .. .. .......... .. .. . ...... .. ... .. .. ..... ....... . .. 210 6. Parallele Interessenlage und effet utile . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . 211 7. Abgestufte Geltungsintensität .. . .. .. . . .. . . . . . . . . .. . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . 212 V. Zur Anwendung von Art. 228/300 n. F. EGV auf rein politische Verhandlungen und Konferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 l. Inhaltliche Gestaltungsmacht des Rates . . . .. . .. . .. .. .. . . .. . . . .. . . .. . . . .. . . . 213

2. Erfordernis einer Abschlußkompetenz des Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Bereiche entsprechender Anwendung des Verfahrens nach Art. 228/300 n. F. EGV bei rein politischen Verhandlungen und Konferenzen ... . ...... . . 214 a) Bindungswirkungen . . . .. . ... ..... . .... . . .. ... . ..... .. .......... . . .. .... 215 b) Bindung der Gemeinschaft durch Erklärungen der Mitgliedstaaten . . . . . . 216

Inhaltsverzeichnis

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c) Konkretisierungen aufgrundformaler Gesichtspunkte ...... . ... . ... . . . . . 217 d) Verfahrensmodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Förmliche Beauftragung der Kommission . .. ..................... . . 219 bb) Koordinierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Koordinierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 dd) Besondere Ausschüsse im Sinne des Art. 228 I 300 n. F. EGV . . . . . . . 221 ee) Richtlinien im Sinne des Art. 228/300 n. F. EGV ...... .... ... . .. . . 221 VI. Rückwirkung auf die Beteiligung der Länder

222

VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Thesen ...... ... ........... . .................. . ......... . ................. . ......... . .. 223 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

Einführung Die Wahrnehmung der Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten birgt vielfältige Problemfelder gerade im Umweltbereich. Diese betreffen das Procedere im einzelnen, aber auch Grundsatzfragen. Sie stellen sich zum Teil unterschiedlich in der "Kernzone" des Umweltschutzes nach Art. 130 rl 174 n. F. EGV und den "Randbereichen" wie den umweltrelevanten Handelsabkommen, dem EURATOM-Bereich sowie der Landwirtschaft, insbesondere der Fischerei. Zudem bedarf es einer Abgrenzung zur Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik (GASP). Grundlage der gesamten Untersuchung sind daher die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften. Sie gilt es von denen der Mitgliedstaaten zu separieren. Ausgangspunkt sind dabei die Außenkompetenzen in der Umweltpolitik. In Abgrenzung dazu ist auf der Basis der nach dem aus Ziel und Inhalt ersichtlichen Hauptzweck einer Maßnahme abgrenzenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes 1 auf weitere Kompetenzgrundlagen einzugehen. Hervorzuheben sind dabei insbesondere Art. 113 1133 n. F. EGV (ausschließliche Gemeinschaftskompetenz) und Art. 31 EAGV ebenso wie die Kompetenzen für die Landwirtschaft. Insoweit hält der Europäische Gerichtshof im Binnenbereich die Kompetenz aus der Agrarpolitik für vorrangig. 2 Damit durchbricht er indes seine sonstige Linie. Auch stellt sich die Frage, ob sich diese Exklusivstellung in die Aufwertung des Umweltschutzes durch den Amsterdamer Vertrag und seine nunmehrige Querschnittsfunktion bereits nach den Grundsätzen des EGV einfügen läßt. Mangels ausdriicklicher Kompetenzzuweisung im Außenbereich - auch nicht durch Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV - hat die Gemeinschaft im Umweltsektor nach den allgemeinen Grundsätzen der AETR-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes 3 die Außenkompetenz, wenn sie für einen bestimmten Sachbereich die Binnenkompetenz besitzt. Ausschließlich ist die Außenkompetenz freilich nur, wenn die Gemeinschaft im Innenbereich erschöpfend von ihren Kompetenzen Gebrauch gemacht hat oder die Materie sinnvoll nur durch eine externe Regelung erfaßt werden kann. 4 In Anknüpfung an diesen letzten Punkt ist zu fragen, ob aus Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 1 4. Spiegelstrich EGV eine notwendige ausschließliche Etwa EuGH, Slg. 1991,1-4529 (4564 f.)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. EuGH, Slg. 1978, 2347 (2370)- Pigs Marketing Board. 3 Beginnend mit Slg. 1971, 263- AETR und sich fortsetzend mit Slg. 1976, 1279 - Biologische Schätze des Meeres; Slg. 1977, 741- Stillegungsfonds; Slg. 1994, 1-5267- WTO. 4 EuGH, Slg. 1994,1-5267 (5411 ff.)- WTO. I

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2 Frenz

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Außenkompetenz der Gemeinschaft folgt. Eine Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme ist ohne externe Regelungen schwerlich möglich. Freilich setzt Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV für die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und internationalen Organisationen ein Zusammenwirken mit den Mitgliedstaaten voraus, was den normativ ableitbaren Sinn einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz in Frage stellt. Tiefergehend ist zu fragen, ob nicht durch die Regelungen zur gemeinschaftlichen Umweltpolitik Modifikationen im Umweltbereich angezeigt sind. Da Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 EGV von einer Zusammenarbeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten in den Außenbeziehungen ausgeht, ist zu priifen, ob nicht im Umweltbereich stets sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten handeln können. 5 Diese Konzeption geht über die Sicht des Europäischen Gerichtshofes im WTO-Gutachten6 hinaus, wonach die mitgliedstaatliche Kompetenz bei einer erschöpfenden Binnenregelung bzw. einer sachlich begrundeten Bewältigung einer Materie nur mittels einer externen Regelung gänzlich gesperrt ist. Unabhängig davon spricht Art. 130 tl 176 n. F. EGV auf den ersten Blick dafür, daß die Mitgliedstaaten jedenfalls stets dann eine Außenkompetenz besitzen, wenn ihre Maßnahmen zu einem verstärkten Schutzniveau führen. 7 Insoweit stellt sich allerdings dann die Frage, inwieweit Art. 130 t/176 n. F. EGV sich auch auf den Außenbereich bezieht8 oder für diesen nicht Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV ausschließlich eingreift. 9 Auf dieser Basis sind dann die formalen Fragen des Verfahrensablaufs insbesondere anhand von Art. 228 I 300 n. F. EGV zu untersuchen. Dies erfolgt in erster Linie für ein Handeln auf umweltpolitischer Kompetenzgrundlage. Unterschiede zu anderen möglichen Kompetenzgrundlagen im Umweltbereich werden aufgezeigt. Für Handelsabkommen greifen Art. 113 Abs. 2-4 I 133 Abs. 2- 5 n. F. EGV. Für den Atombereich werden die detaillierteren Art. 101-106 EAGV untersucht; möglicherweise lassen sich daraus auch Rückschlüsse auf im EGV offene oder zweifelhafte Fragen ziehen. Das kann aber deshalb, weil beide Verträge in der insoweit einschlägigen, durch die weiteren Änderungen nicht grundlegend modifizierten Fassung parallel ausgehandelt und am selben Tag unterzeichnet wurden, allenfalls sehr zuriickhaltend erfolgen. 10

5 Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 r Rn. 115; Krämer, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, Art. 130 r Rn. 39; ab!. Schröer, Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, S. 283. 6 Slg. 1994, 1-5267 (5411 ff.)- WTO. 7 So Krämer, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, Art. 130 r Rn. 39. 8 Etwa Scheuing, EuR 1989, 152 (173). 9 Dafür Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 39. 1o Abi. EuGH, Slg. 1994, 1-3641 (3677).

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Indem die Abstimmungsmodalitäten im Rat gern. Art. 228 I 300 n. F. Abs. 1 UAbs. 2 i.V.m. Abs. 2 UAbs. 1 EGV an die entsprechenden Vorgaben für die Annahme interner Vorschriften gekoppelt sind, ist für den Umweltbereich insbesondere relevant, inwieweit durch Maßnahmen nach außen die Wahl eines Mitgliedstaats zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung erheblich berührt werden, da insoweit Art. 130 s I 175 n. F. Abs. 2 3. Spiegelstrich EGV eine einstimmige Beschlußfassung des Rates festlegt. Das Mandat erstreckt sich gern. Art. 228 I 300 n. F. Abs. 1 EGV auf die Verhandlungen, an deren Abschluß üblicherweise die Paraphierung steht. Das "Führen von Verhandlungen" und damit dessen Reichweite wird aber nicht näher definiert. Den Verhandlungen voraus gehen regelmäßig Sondierungsgespräche, die für Empfehlungen meist Voraussetzung sind. Indem der Rat auf Empfehlung der Kommission beschließt, muß diese zur Abgabe der Empfehlung und damit zur Führung von Vorgesprächen nicht erst noch ermächtigt werden. Der Abschluß des Abkommens und nach Art. 300 Abs. 2 n. F. EGV nunmehr explizit auch eine vorhergehende Unterzeichnung unterliegen einem Beschluß des Rats, dem auch die Zuständigkeit nach außen zugesprochen wird. 11 Art. 300 Abs. 2 n. F. EGV sieht zwar nur einen Ratsbeschluß vor, während Art. 228 Abs. 2 EGV vorsah, daß die Abkommen vom Rat geschlossen werden. Diese Formulierung verwendet aber immer noch Art. 300 Abs. 3 EGV. Eine Ermächtigung der Kommission wird- etwa von Tomuschat 12 als möglich, wenngleich nicht notwendig angesehen. Diese braucht auch nicht mit zu unterzeichnen. Eine partielle Modifikation dieser Zuständigkeitsverteilung könnte freilich aus der Neufassung des Art. 300 Abs. 2 EGV rühren, der besagt, daß einem Ratsbeschluß die Unterzeichnung unterliegt, "mit der ein Beschluß über die vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten einhergehen kann". Wird damit eine zusätzliche Beschlußmöglichkeit eingeräumt oder werden nur die Unterzeichnungen erfaßt, die aufgrund ihres Zuschnitts einen solchen Beschluß ermöglichen, und damit die Beschlußgegenstände zu Lasten des Rates zurückgedrängt? Mögliche Änderungen des Mandats während laufender Verhandlungen dürften sich zum Teil bereits aus dem Inhalt des Mandates ergeben. Tiefergehend ist zu fragen, wer letztlich Träger der Außenkompetenz ist. Wird durch die Erteilung des Mandats an die Kommission diese Inhaberin, kommen Änderungen tendenziell weniger in Betracht, als wenn weiterhin der Rat der Inhaber bleibt und die Kommission lediglich für ihn handelt. Für die zweite Sicht spricht die enge Anhindung des Vertragsschlusses an den Rat gern. Art. 228 I 300 n. F. Abs. 2 EGV. Ein "Dauermandat" nach Art. 228 I 300 n. F. Abs. 4 EGV wäre vor diesem Hintergrund und aufgrund der als Abweichung vom Regelfall gefaßten Formulierung tendenziell eng zu fassen.

II

12 2*

Tomuschat, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, Art. 228 Rn. 23. Wie zuvor.

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Indem Art. 228 I 300 n. F. Abs. 1 S. 1 2. HS. EGV lapidar formuliert "dieser ermächtigt die Kommission zur Einleitung der erforderlichen Verhandlungen", wird aus der Vorschrift selbst nicht recht deutlich, ob und inwieweit dem Rat ein Ermessen zur (Nicht-)Erteilung eines Mandats an die Kommission zusteht. Daß darüber ein Beschluß gefaßt werden muß, spricht jedenfalls für einen Entscheidungsspielraum. Da ausschließlich die Kommission als diejenige bestimmt ist, die die Verhandlungen führt, geht es freilich - ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift - bei diesem Beschluß eher um die Frage, ob überhaupt eine entsprechend nach außen gerichtete Maßnahme ergehen soll. Bejaht dies der Rat, bleibt ihm aufgrund des vorgesehenen Procedere nur, die Kommission zur Einleitung der erforderlichen Handlungen zu ermächtigen. Eine Notwendigkeit dazu besteht aber allenfalls dann, wenn eine Pflicht zu umweltschützenden Maßnahmen durch die Gemeinschaft existiert und diese Pflicht nur durch externe Aktionen erfüllt werden kann. Allerdings wird sich eine solche Pflicht im Einzelfall nur sehr selten gewinnen lassen; das gilt auch bei der Annahme (gemeinschaftsrechtlicher) Schutzpflichten, gesteht doch zur Erfüllung der aus dieser Rechtsfigur folgenden Anforderungen auch das Bundesverfassungsgericht dem deutschen Gesetzgeber einen sehr weiten Handlungsspielraum zu. 13 Weiter fragt sich, ob sich der Entscheidungsspielraum des Rates auch darauf bezieht, welches Organ handeln soll. Art. 228 I 300 n. F. EGV sieht eine Ermächtigung der Kommission als solcher vor. Die Koordinierungsfonnen zwischen Kommission und Mitgliedstaaten sind durch Art. 228 I 300 n. F. EGV nicht vorgegeben. Hier sind zunächst die grundsätzlich vorhandenen Möglichkeiten der Koordinierung aufzuzeigen. Können auch die in Art. 228 I 300 n. F. Abs. 1 S. 2 EGV vorgesehenen besonderen Ausschüsse insoweit Koordinierungsaufgaben übernehmen? Weiter ist zu fragen, inwieweit von in Koordinierungsgremien zustande gekommenen Beschlüssen Bindungswirkung ausgeht. Schließlich fragt sich, inwieweit der Rat, der der Kommission das Mandat erteilt hat, daneben eine Ratsgruppe bilden kann. Umgekehrt ist zweifelhaft, inwieweit die Kommission ihrerseits als Inhaberin des Mandats Aufgaben delegieren darf. Im Namen der Gemeinschaft sieht Art. 228 I 300 n. F. Abs. 1 EGV ebenso wie Art. 113 I 133 n. F. Abs. 2 EGV ein Führen der Verhandlungen durch die Kommission vor. Insoweit stellt sich dann die Frage, wer für die Kommission handeln darf bzw. muß. Das wirft weiter die Frage auf, ob sich der Rat und damit etwa der Ratspräsident trotz Erteilung des Mandats an die Kommission in Verhandlungen einschalten darf. Eine ausdrückliche Regelung erfolgt nicht. Für eine bloße inhaltliche Einflußmöglichkeit spricht, daß die Kommission nach Art. 130 r /174 n. F. Abs. 4 S. 2 EGV bzw. 113 I 133 n. F. Abs. 3 UAbs. 2 EGV die Verhandlungen im Benehmen mit den zu ihrer Unterstützung vom Rat bestellten besonderen Ausschüssen nach Maßgabe der ihr vom Rat erteilten Richtlinien führt; die Festschreibung einer solchen materiellen Anhindung deutet darauf hin, daß auf diese Weise 13

BVerfGE 77, 170 (214 f.) gerade für den auswärtigen Bereich.

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dem Rat Einfluß verschafft werden sollte, nicht aber durch eine formelle Verhandlungsführung nach außen. Diese an sich zu ziehen scheint freilich umgekehrt dem Rat schwerlich verwehrt werden zu können, wenn man ihn weiterhin als Inhaber der Außenkompetenz ansieht und ihm darauf aufbauend das Recht der Mandatsentziehung zugesteht. Dann stellt sich aber immer noch die Frage, ob die einschlägigen Vorschriften nicht ausschließlich die Kommission für die Verhandlungsführung vorsehen. Für diese Sicht spricht neben Art. 228 I 300 n. F. Abs. I EGV, daß Art. 228 I 300 n. F. Abs. 2, 3 EGV auch dem Rat nur bestimmte Maßnahmen zuweist, und zwar "vorbehaltlich der Zuständigkeiten, welche die Kommission auf diesem Gebiet besitzt", mithin auch der nach Absatz 1. Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 sieht in UAbs. 2 EGV ein Verhandlungsrecht der Mitgliedstaaten in internationalen Gremien vor. Dies betrifft allerdings die Verhandlungen aufgrund anderweitig begründeter Kompetenzen. Eine Zusammenarbeit im Rahmen der jeweiligen Befugnisse sieht auch Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 S. 1 EGV vor. Bei gemischten Abkommen können aufgrund ihrer formellen Beteiligung die Mitgliedstaaten auch nach außen auftreten; die Formen sind offen (gemeinsame oder selbständige Delegation von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten). Die Mitgliedstaaten können indes auch die Kommission zur Verhandlungsführung ermächtigen, ihr diese aber auch grundsätzlich wieder entziehen. Aufgrund der ohnehin bestehenden Zuweisung der Verhandlungsführung an die Kommission für den gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzbereich muß dieser jedenfalls insoweit ein Spielraum verbleiben. Für ihre Kompetenzbereiche müssen allerdings auch die Mitgliedstaaten gestaltend agieren können. Eine Trennung wird freilich oft schwerlich möglich sein. Letztlich bedarf es dann der gegenseitigen Abstimmung. Ansatzpunkt für eine Verpflichtung zu einer solchen sind Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV sowie Art. 51 IOn. F. EGV. 14 Damit ist das Problem gemischter Abkommen angesprochen, also solcher Abkommen, deren Vertragspartner aufgrund von Vertragsmaterien aus unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen sowohl die Europäische Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten sind. 15 Nach dem Wortlaut von Art. 228 I 300 n. F. EGV wird nicht nach ausschließlicher und gemischter Kompetenz der Gemeinschaft differenziert. Insoweit ist allerdings näher zu prüfen, inwieweit aufgrund der fachspezifischen Bestimmungen, aus Effektivitätsgründen und vor allem wegen grundsätzlicher Kompetenzerwägungen Änderungen bedingt sind. Für den Umweltbereich sieht Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 EGVohnehin eine Zusammenarbeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten vor. Bei gemischten Abkommen sind die Mitgliedstaaten aus eigener Kompetenz berechtigt. Das stärkt ihre Position. Daher bedarf es der Unterzeichnung und Ratifizierung durch beide, wie auch Art. 130 r 1174 n. F. Abs. 4 UAbs. 2 EGV bestätigt. Schon um eine geschlossene völkerrechtliche VerSiehe EuGH, Slg. 1991, 1-2797 (2848)- Athanasopoulos. Tomuschat, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 228 Rn. 9; näher Vedder; in: Grabitz I Hilf, Art. 228 Rn. 18 ff. 14

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tretung zu erreichen, ist eine Abstimmung zwischen beiden notwendig. Insoweit ist zu fragen, ob zur Sicherstellung eines Mitwirkens aller Mitgliedstaaten und der Vermeidung eines "Rückziehers" diese vor der Gemeinschaft zeichnen müssen bzw. sollen. Wem gebührt bei Kompetenzüberschneidungen bzw. unsicheren Kompetenzabgrenzungen die Verhandlungsrolle? Wie erfolgt die Abstimmung der Positionen zwischen Vertretern der Mitgliedstaaten und denen der Gemeinschaft? Von tiefergehender rechtlicher Bedeutung ist, worauf sich die Zeichnung und Ratifizierung beziehen - nur auf den jeweiligen Kompetenzbereich von Gemeinschaft bzw. Mitgliedstaaten oder auf das gesamte Abkommen. Daraus ergeben sich vor allem Folgen dafür, wer inwieweit aus dem Abkommen verpflichtet ist. Nur dem jeweils kompetentiell Berechtigten ist auch die Erfüllung möglich. Dieser Aspekt ist freilich völkerrechtlich unbeachtlich, es sei denn, eine entsprechende Klausel würde vertraglich aufgenommen. Was das Innenverhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten anbelangt, stellt sich die Frage, ob eine umfassende Verpflichtung jedenfalls für die nicht von der eigenen Kompetenz erfaßten Gebiete ausscheidet. Daran schließt sich die Frage einer (Folge-)Pflicht zur Zusammenarbeit an, um die Erfüllung und damit die Vertragseinhaltung durch alle völkerrechtlich Verpflichteten zu gewährleisten. Regionalabkommen sind ebenfalls gemischte Abkommen; an ihnen sind aber nur einzelne Mitgliedstaaten entsprechend ihrem regionalen Bezug beteiligt. Daraus ergeben sich einige Besonderheiten. Was die Einbeziehung der Bundesländer in den vorstehend aufgezeigten Verfahrensstadien anbelangt, stellt sich insbesondere das Problem der Rechtzeitigkeit. Sind erst einmal auf internationaler Ebene Vereinbarungen ausgehandelt oder gar abgeschlossen, können die Bundesländer nicht mehr korrigierend eingreifen. Schwierig ist dies bereits dann, wenn sich der Rat eine bestimmte Meinung gebildet hat. Nicht umsonst sieht Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG eine friihstmögliche Unterrichtung des Bundesrates vor, Ziff. 4 a) des Lindauer Abkommens eine solche der Länder. Zur Untersuchung der Mitwirkung im einzelnen ist näher auf die Kompetenzverteilung von Bund und Ländern einzugehen. Insoweit stellt sich dann die grundsätzliche Frage, ob bei externem Handeln der Gemeinschaft im Umweltbereich an die Sachmaterie anzuknüpfen ist und damit für die Mitwirkung der Länder das Regime des Art. 23 GG greift oder aber aufgrundder Externität der Maßnahmen die Vorschriften über die Außenkompetenzen maßgeblich sind. Betrachtet man Art. 23 GG als lex specialis zu Art. 32 GG i.V.m. dem Lindauer Abkommen, 16 knüpfen Art. 23 Abs. 5, 6 GG für die Intensität der Einbeziehung der Länder an die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung an. Der Umweltbereich unterliegt in erster Linie der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Somit ist die Streitfrage relevant, ob auch dann, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht Gebrauch gemacht hat, die Stellungnahme des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG nur zu 16 Siehe insbes. Winkelmann, DVBI. 1993, 1128 (1133); aber auch Clostenneyer/Lehr; DÖV 1998, 148 (150).

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berücksichtigen ist oder der Länderkammer über Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG praktisch das Letztentscheidungsrecht zukommt. Für die erste Position spricht vor allem, daß der Bund vielfach auch bewußt einen Bereich nicht regelt. 17 Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG könnte freilich darüber zum Zuge kommen, daß externe Maßnahmen wie die EGRichtlinien über die künftige Handhabung der Veterinärkontrollen an den Außengrenzen der Gemeinschaft sich (unmittelbar) auf den verwaltungsorganisatorischen und verfahrensrechtlichen Kompetenzbereich der Länder auswirken (z. B. Errichtung von Grenzkontrollstellen). Insoweit ist näher auf den Begriff "im Schwerpunkt" einzugehen. Bei gemischten Abkommen, die sowohl Gemeinschafts- als auch nationale Kompetenzen betreffen, finden an sich beide vorstehend angerissenen Ordnungen Anwendung. Es stellt sich die Frage, ob dann nach den verschiedenen Materien getrennt unterschiedlich vorgegangen werden muß oder ein einheitliches Regime herausgearbeitet werden kann. 18 Letzteres würde dem Rechnung tragen, daß eine strikte Scheidung zwischen den der Gemeinschaft zustehenden und nicht zustehenden Einzelmaterien innerhalb eines Vertragswerks oft schwerlich möglich ist. Im Hinblick auf rein politische Verhandlungen und Konferenzen, die nicht auf den Abschluß einer völkerrechtlichen Vereinbarung zielen, sind vor dem Hintergrund der vorstehend erarbeiteten Grundlinien die entsprechenden Modifikationen herauszuarbeiten. Indem sich Art. 228 I 300 n. F. EGV sowie Art. 113 I 133 n. F. Abs. 3 EGV nur auf den Abschluß von Abkommen beziehen, ist tiefergehend zu fragen, inwieweit eine Übertragung möglich ist. Dagegen spricht, daß Art. 228 I 300 n. F. Abs. 2 S. I EGV die Ratsbeschlüsse für Abkommen "vorbehaltlich der Zuständigkeiten, welche die Kommission auf diesem Gebiet besetzt", vorsieht und damit solche ohne das insoweit vorgesehene Verfahren voraussetzen könnte. 19 Indes kommt auch in Betracht, daß sich die Zuständigkeiten auf Art. 228 I 300 n. F. Abs. 1 EGV beziehen. Hält man Art. 2281300 n. F. EGV insoweit nicht für heranziehbar, bleibt der Rückgriff auf die - freilich nicht auf die Bedürfnisse der internationalen Ebene abgestimmte - allgemeine Zuständigkeitsverteilung; 20 soweit es sich um laufende Angelegenheiten handelt, würde die Stellung der insoweit aus eigenem Recht handelnden Kommission verstärkt. Das hat schon deshalb Auswirkungen auf die Einbeziehung der Bundesländer, als diese nach Art. 23 GG nur bei 17 Näher auch zum Streitstand Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 Rn. 126, der Art. 72 Abs. 2 GG hinzunimmt. 18 Grundsätzlich für das Verfahren nach Art. 23 GG Winke/mann, DVBI. 1993, 1128 (1135); für ein Vorgehen nach Art. 32 GG i.V.m. dem Lindauer Abkommen Clostermeyer/ Lehr, DÖV 1998, 148 (150 f.). Siehe für die unterschiedlichen Positionen von Bund und Ländern das Protokoll über den Verhandlungsstand zwischen Bund und Ländern in der Frage der Behandlung völkerrechtlicher Abkommen im Bereich der Europäischen Union (Beschluß der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 24. 2. 1994), I. Ziff. 3 und II. Ziff. 2. 19 So Tomuschat, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 228 Rn. 12; vgl. insoweit sehr zurückhaltend EuGH, Slg. 1994, I-3641 (3677). zo So Vedder, in: Grabitz I Hilf, Art. 228 Rn. 28.

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einer Mitwirkung der Bundesregierung besteht und nicht die Tätigkeit der Kommission erfaßt. Zudem hängt die Beteiligung des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 4 GG von einer Mitwirkung an entsprechenden innerstaatlichen Maßnahmen bzw. der innerstaatlichen Zuständigkeit ab. Art. 59 Abs. 2 GG beschränkt sich indes auf rechtlich bindende Vorgänge. Davon geht auch der Wortlaut des Art. 32 Abs. 3 GG aus. In Anknüpfung an diese letztgenannte Kompetenzzuweisung ist höchstens näher zu untersuchen, inwieweit die Länder bei gemischten Kompetenzen im nichtvertraglichen Bereich mitwirken können, was vom praktizierten Rahmen her als problematisch angesehen wird. 21

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Näher Rojahn, in: von Münch/ Kunig, Art. 32 Rn. 58 ff.

A. Abgrenzung der Außenkompetenzen Entsprechend dem in Art. EI 5 n. F. 1 EUV sowie Art. 3 b I 5 n. F. Abs. 1 EGV kodifizierten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung2 besitzt die Gemeinschaft nur dann eine Handlungsbefugnis, wenn ihr in dem in Frage stehenden Bereich vertraglich eine Einzelermächtigung verliehen wurde. Die Gemeinschaftsorgane müssen sich daher im Rahmen der ihnen ausdrücklich zugewiesenen Befugnisse halten und nach den in den einzelnen Sachgebieten sowie insgesamt festgelegten Zielen ausrichten; schließlich dürfen sie auch keine anderen als die in den Einzelermächtigungen eingeräumten Arten von Rechtshandlungen erlassen. 3 Diese Grundsätze gelten allgemein und damit im Ansatz auch für die Außenkompetenzen. Art. 228 I 300 n. F. Abs. 1 EGV nennt den Abschluß von Abkommen, knüpft aber insoweit daran an, daß der EG-Vertrag einen solchen Abschluß bereits vorsieht, mithin an anderer Stelle festlegt. Als spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzgrundlagen kommen im Umweltbereich Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 EGV, aber auch die allgemein die gemeinsame Handelspolitik erfassende Vorschrift des Art. 1131133 n. F. EGV in Betracht. Auch aus den Bestimmungen des EUV zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) als spezifisch auf die internationale Tätigkeit der Union ausgerichteten Normvorgaben ergeben sich möglicherweise Ansatzpunkte für eine umweltpolitische Handlungsbefugnis im Außenbereich. Zu untersuchen ist ferner, inwieweit aus Binnenkompetenzen der Gemeinschaft im gesamten Umweltbereich, in der Atompolitik sowie im eng mit dem Umweltschutz verbundenen Landwirtschaftssektor entsprechend den in der AETR-Rechtsprechung4 entwickelten Grundsätzen eine Außenkompetenz erwächst. Ist solchermaßen der Kompetenzrahmen umrissen, stellt sich die Frage, welche Grundlage zum Zuge kommt, wenn potentiell mehrere Vorschriften einschlägig sind. Ist auf diese Weise die Gemeinschaftskompetenz von der der Mitgliedstaaten abgegrenzt und steht deren Grundlage im einzelnen fest, ist weiter zu I Die jeweils erstgenannte Bestimmung entspricht der bisherigen Fassung der europäischen Verträge, die dann aufgeführten. F. der am 1. 5. 1999 in Kraft getretenen, aufgrunddes Arnsterdamer Vertrages konsolidierten. 2 Siehe EuGH, Slg. 1976, 1989 (1998)- Rewe I; Slg. 1976, 2043 (2053) - Cornet; Slg. 1980, 501 (522 f.)- Just; Möschel, NJW 1993, 3025 (3025); Krämer; WiVerw 1990, 138 (156); Zuleeg, NVwZ 1987,280 (282). 3 Schweitzer. in: Festschrift für F. Klein, S. 85 (86); Zuleeg, NVwZ 1987, 280 (282); Bleckmann, Europarecht, Rn. 380. 4 Grundlegend EuGH, Slg. 1971, 263 (274 f.) - AETR; Slg. 1994, 1-5267 (5402 f.) WTO; zustimmend etwa Breier; EuR 1993, 340 (349); Heintschel von Heinegg, in: Rengeling, EUDUR, § 22 Rn. 19; Vedder; in: Grabitz/Hilf, Art. 228 Rn. 4, rn. w. N.

A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

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untersuchen, ob die Mitgliedstaaten dann im Außenbereich weiterhin tätig werden können oder die Gemeinschaft eine ausschließliche Außenkompetenz besitzt, so daß die Mitgliedstaaten nicht eigenständig neben der Gemeinschaft handeln können.

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen 1. Art. J,l ff./ 11 ff. n. F. EUV- Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)

a) Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

Die GASP bestimmt als Nachfolger der in Teil III der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) vom 17.128. Februar 1986 enthaltenen"Vertragsbestimmungen über die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik" (EPZ)5 die weitergehenden Bemühungen der Union und der Mitgliedstaaten, eine gemeinsame Politik zu erarbeiten und zu verwirklichen, die sich auf "alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt" (Art. J.l I 11 n. F. Abs. 1 EUV). Im Rahmen der GASP gibt der Europäische Rat die Grundsätze und allgemeinen Leitlinien vor, die in gemeinsamen Strategien konkretisiert werden und von der Union durchzuführen sind (Art. 1.3 I 13 n. F. EUV). Zur Verwirklichung der GASP sieht der EUV mit den vom Rat in der Regel mit Einstimmigkeit zu beschließenden gemeinsamen Aktionen (Art. 1.4114 EUV) und den gemeinsamen Standpunkten (Art. 1.5115 EUV) Handlungsformen vor, die für die Mitgliedstaaten bindende völkerrechtliche Beschlüsse im Unionsbereich darstellen. 6

b) Ansatzpunkte für eine Erstreckung in den Umweltbereich

Die Zielfestlegung der GASP in Art. 1.1 I 11 n. F. EUV zeigt mit den Nennungen "Wahrung der gemeinsamen Werte", "grundlegende Interessen" und "Förderung der internationalen Zusammenarbeit" mögliche Ansatzpunkte auf, aus denen sich eine Zuständigkeits- bzw. Handlungsgrundlage der Union auch auf dem Gebiet des Umweltschutzes ergeben könnte. So könnte zu diesen gemeinsamen Werten und grundlegenden Interessen, die nach Art. J .1 I 11 n. F. Abs. 1 1. Spiegelstrich EUV zu wahren sind, auch eine saubere Umwelt gehören. Die in Art. J.l I 11 n. F. Abs. 1 3. Spiegelstrich EUV aufgeführte Förderung der internationalen Zusammenarbeit könnte sich auch auf den Umweltsektor erstrecken, in dem sich eine solche Kooperation in zahlreichen Abkommen manifestiert und weiter manifestieren muß, um zu weltweiten Standards als Grundlage für Fortschritte in diesem Bereich zu koms BGBI. 1987 L 169 S. I, II S. 1102. Kaufrnann-Bühler; in: Grabitz/Hilf, Art. 1.4 Rn. 3; Oppermann, Europarecht, Rn. 307; Lecheler, AVR 1994, I (15 ff.). 6

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen

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men. Mit dem weiter für den Bereich der GASP in Art. 1.9119 n. F. EUV postulierten koordinierten Auftreten der Mitgliedstaaten auf internationaler Ebene und dem geforderten abgestimmten Verhalten auf diplomatischer Ebene gemäß Art. J.1 0 I 20 n. F. EUV ergeben sich möglicherweise weitere Vorgaben für das Vorgehen der Union und ihrer Mitgliedstaaten bei der Zusammenarbeit im Umweltschutz. Zudem sieht Art. J .14 I 24 n. F. EUV ausdrücklich die Möglichkeit vor, zur Erreichung der in der GASP festgelegten Ziele Übereinkünfte mit Drittstaaten und insbesondere auch mit internationalen Organisationen zu schließen.

c) Materielle Begrenztheit Gegen eine sich aus den Vorschriften der GASP ergebende Außenkompetenz der Union auch für den Umweltbereich spricht jedoch schon, daß Titel V. des EUV vom 7. Februar 1992 in der konsolidierten Fassung vom 2. 10. 19977 mit der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einen Bereich umfaßt, unter den sich allgemein eine gemeinsame Umweltpolitik bereits dem Wortsinn nach kaum subsumieren läßt. So erstreckt sich die GASP aufgrund der in Art. J.l I 11 n. F. EUV genannten Elemente auf Themen, die typische Materien der internationalen Außenpolitik betreffen, etwa die Entspannungspolitik oder Strategien der internationalen Konfliktlösung und Krisenbewältigung, die Abrüstung und Sicherheit in Europa oder die nukleare Nichtverbreitung und Exportkontrolle von Waffen und Rüstungstechnologie. 8

d) Begrenztheit der GASP aufgrundihrer eigenen Ziele Diese gegenständliche Begrenztheit stimmt mit den in Art. J.1 I 11 n. F. EUV genannten Zielen überein. An erster Stelle genannt wird freilich u. a. die Wahrung der gemeinsamen Werte und der grundlegenden Interessen, und zwar mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen. Der Begriff der gemeinsamen Werte und der grundlegenden Interessen in Art. J.l I 11 n. F. Abs. 1 1. Spiegelstrich EUV wird nicht näher definiert. Als solcher ist er nicht beschränkt auf die spezifischen Gegenstände der Außen- und Sicherheitspolitik. Darauf bezogen sind hingegen die anderen explizit aufgeführten Komponenten, insbesondere die Unabhängigkeit und die Unversehrtheil der Union. Dies spricht dafür, daß auch die gemeinsamen Werte und die grundlegenden Interessen im Zusammenhang damit stehen, es sich mithin um spezifisch auf die Außen- und Sicherheitspolitik bezogene Belange handelt. Zwar enthalten die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen darüber hinausgehende materielle Elemente, indes nicht aus dem Umweltsektor,

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CONF/4005/97 ADD 1. Siehe die Aufzählung bei Kaufmann-Bühler; in: Grabitz/Hilf, Art. J.l Rn. 2.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

sondern vor allem aus dem humanitären Bereich. 9 Zudem soll die Wahrung der gemeinsamen Werte etc. nur im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen stehen. Letztere erfüllen also eine abgleichende und nicht eine unmittelbar prägende Funktion. Sie schließen damit die Verfolgung solcher Werte und Interessen aus, die nicht im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen stehen, ihr mithin widersprechen. Damit werden aber noch nicht Werte und Interessen aus dieser Charta begründet. Tiefergehend werden schon vom allgemeinen Verständnis her gemeinsame Werte mit Menschen- und Bürgerrechten verbunden. Grundlegende Interessen beziehen sich auch mehr auf Sicherheits- und sonstige Aspekte der Erhaltung des Gemeinwesens denn auf Umweltgesichtspunkte. Eine beschränkte materielle Ausrichtung wird weiter bestätigt durch Art. J.l I 11 n. F. Abs. I 5. Spiegelstrich EUV, der auf die Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zielt. Die übrigen Spiegelstriche von Art. J.l I 11 n. F. Abs. 1 EUV sind spezifisch auf die Sicherheit bezogen, der 4. Spiegelstrich mit der Komponente der internationalen Zusammenarbeit ist für sich gesehen neutral. Damit betrifft die GASP nach Art. J.l I 11 n. F. EUV das Handeln der Union in einem Bereich, der den Umweltschutz nicht zum Gegenstand hat und dem ein umweltpolitischer oder umweltrechtlicher Bezug allenfalls als Reflex zukommt. So können beispielsweise die im Rahmen möglicher bewaffneter internationaler Konflikte auftretenden Umweltbelange, etwa die durch den Einsatz von Kriegsmitteln entstehenden Umweltschäden, 10 in diesem Zusammenhang nicht als dem Bereich der GASP unterfallender Regelungsbereich angesehen werden. Sie sind lediglich die Folge eines etwaigen außen- oder sicherheitspolitischen Handeins der Union bzw. ihrer Mitgliedstaaten, nicht aber dessen RegelungszieL Ein umweltpolitischer Reflex einer Maßnahme, die ihrem Schwerpunkt nach den Regelungsmaterien der Außen- oder Sicherheitspolitik zuzuordnen ist und so ihre Grundlage in den Vorschriften des EUV zur GASP findet, kann jedoch nicht zu einer spezifischen Außenkompetenz im Umweltbereich führen. Letztlich haben viele Maßnahmen mit Außenwirkung auch eine Wirkung auf die Umwelt. Weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus dem Text des EUV ergeben sich jedoch Anhaltspunkte, die den Schluß zuließen, daß die Bestimmungen in Titel V des EUV eine Art Generalklausel für ein umweltpolitisches Handeln der Union enthalten.

9 So nennt Art. 1 Nr. 3 der Charta der Vereinten Nationen als Ziel explizit die Herbeiführung einer internationalen Zusammenarbeit, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten zu festigen, BGBI. 1973 II S. 431. IO Siehe zu den durch die Nato-Bombenangriffe gegen Jugoslawien entstandenen Umweltschäden etwa dpa vom 14. Mai 1999 "Nato-Bomben in der Adria gefunden" und vom 19. Mai 1999 "UNO sieht keine größeren Umweltschäden durch Nato-Bomben".

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen

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e) Begrenztheit der GASP vor dem Hintergrund der allgemeinen Ziele

Durch die Ziele der GASP nach Art. J.l I 11 n. F. EUV werden die Zielvorgaben aus Art. BI 2 n. F. EUV näher bestimmt, ohne daß eine ausdrückliche Bezugnahme auf diese erfolgt. Art. BI 2 n. F. 2. Spiegelstrich EUV hebt insbesondere eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als Garant für eine identitätswahrende Rolle der Union im internationalen Bereich hervor. Demgemäß besagt Art. J.l I Il n. F. Abs. I EUV, daß die Union eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik erarbeitet und verwirklicht. Als Ziele der GASP nennt Art. J.l I 11 n. F. Abs. I I. Spiegelstrich EUV die Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen, der Unabhängigkeit und der Unversehrtheil der Union im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen. So wird das sich aus der allgemeinen Vorgabe für die GASP aus Art. BI 2 n. F. 2. Spiegelstrich EUV ergebende Ziel der Union, auf internationaler Ebene ihre Identität zu behaupten, konkretisiert. Mit der Herbeiführung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung 11 nennt Art. BI 2 n. F. 1. Spiegelstrich EUV als weitere Zielvorgabe der Union ein Element, das grundsätzlich die Option für ein internationales Tätigwerden im Umweltbereich beinhaltet. Die Befindlichkeit der Umwelt wird entscheidend von den Änderungen und Entwicklungen in den Verursacherbereichen wie Wirtschaft und Industrie, Landwirtschaft, Verkehr, Energie und Tourismus geprägt. 12 Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung beinhaltet einen Ausgleich von Ökonomie, Ökologie und Sozialem. 13 Zwar ist diese Verfolgung einer nachhaltigen Entwicklung für den Umweltschutz elementar. 14 Indes reicht die nachhaltige Entwicklung bereits vom Ansatz her über den Umweltschutz hinaus und will diesen gerade mit anderen gleichrangigen Belangen in Einklang bringen. 15 Aufgrund dieser weit ausgreifenden Konzeption ist der Umweltschutz notwendig integraler Bestandteil (nahezu) jeder Entwicklung. 16 Dementsprechend ist eine nachhaltige Entwicklung nur dann wirksam zu verwirklichen, wenn sie in nahezu sämtlichen Politiken Eingang findet. 17 Damit beinhaltet die nachhaltige Entwicklung notwendigerweise auch eine internationale Komponente, da nur durch ein grenzüberschreitendes Tätigwerden eine durchgreifende Realisierung ihrer Vorgaben gewährleistet ist. Wollte man aber jedes internationale Tätigwerden mit dem Ziel der Verwirklichung einer nachSiehe dazu Muttelsee, in: Rengeling, EUDUR, § 82 Rn. 28 ff. Vgl. die Aufzählung bei Tietmann, in: Rengeling, EUDUR, § 2 Rn. 53. 13 Siehe zum Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung allgemein und spezifisch bezogen auf das Europarecht ausführlich Frenz/ Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, passim; zum internationalen Verständnis Agenda 21 der UNCED-Konferenz 1992, Dok. AICONF. 151126 (Band I), Kap. 7. 14 Näher zu den Folgen Frenz, ZG 1999, 143 (145 ff.). 15 Siehe Frenz, in: Hendler I Marburger I Reinhardt I Schröder, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1999, S. 37 (50 f.). 16 Breier, ZfU 1997, 131 (131). 17 Tietmann, in: Rengeling, EUDUR, § 2 Rn. 53. 11

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haltigen Entwicklung einer diese umfassenden Kompetenzgrundlage zuordnen, so wäre diese gleichsam allumfassend, da die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung notwendig in nahezu alle Politikbereiche hineinreichen muß. Diese würde entgegen dem fein ausdifferenzierten Kompetenzsystem der europäischen Verträge weit in andere Zuständigkeitsfelder übergreifen. So macht auch die bloße Berücksichtigung von Umweltbelangen eine Politik noch nicht zur Umweltpolitik. 18 Daher kann die Zielvorgabe einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung nicht zu einer Kompetenz für bestimmte Außenmaßnahmen im Rahmen der GASP führen. Neben diesem allgemeinen systematischen Argument spricht dagegen auch, wie die Ziele der GASP zu den allgemeinen Zielen des EUV in Bezug gesetzt wurden. Der Grundsatz der Nachhaltigkeit findet in den in Art. J.1 I 11 n. F. EUV aufgezählten Zielen der GASP gerade keine, auch keine inhaltliche Entsprechung. Zwar ist in Art. J.l I ll n. F. Abs. 1 3. Spiegelstrich EUV die Förderung der internationalen Zusammenarbeit als Ziel der GASP angeführt. Angesprochen ist damit aber nicht die in Art. BI 2 n. F. I. Spiegelstrich EUV festgelegte Herbeiführung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung. Art. BI 2 n. F. 3. Spiegelstrich EUV stellt die Förderung der internationalen Zusammenarbeit vielmehr in den übergeordneten Rahmen der Erarbeitung und Verwirklichung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, ohne diese inhaltlich zu determinieren. Auch die Einfügung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung unter den 1. Spiegelstrich und nicht etwa den 2. Spiegelstrich des Art. BI 2 n. F. Abs. 1 EUV belegt, daß die Implementierung möglicherweise aus der Verwirklichung des Nachhaltigkeitsgedankens resultierender Befugnisse für den Umweltbereich in die GASP und damit eine Instrumentalisierung dieser für Ziele aus dem Umweltbereich gerade nicht vorgesehen ist. Anders als Art. BI 2 n. F. 2. Spiegelstrich EUV, dessen Zielvorgaben die GASP und die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik postulieren, spricht Spiegelstrich 1 mit der Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und eines hohen Beschäftigungsniveaus, der Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen und der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion ökonomische, soziale und ökologische Ziele an, die gerade die Elemente in Bezug nehmen, die einen Rahmen für die Umsetzung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung bilden. Damit steht die Herbeiführung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung als zu verwirklichendes Ziel der Union in Art. BI 2 n. F. Abs. I EUV isoliert neben der GASP. f) Die GASP als bewußt eigener Vertragsbestandteil

Auch aus der Stellung der GASP im Verhältnis zu den anderen Bestandteilen des Gemeinschaftsrechts ergibt sich, daß die Bereiche der Außen- und Sicherheits18

Siehe EuGH, S1g. 1990,1-1527 (1550)- Tschernobyl.

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen

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politik gerade nicht in die supranationale Organisation der Europäischen Gemeinschaften einzugliedern und dem Gemeinschaftsrecht zu unterwerfen sind. 19 Die GASP ist als eigener Vertragsbestandteil des EUV ausgestaltet und nicht in den Normenkomplex des EGV eingegliedert, sondern neben diesen gestellt worden. Auch die Entstehungsgeschichte der GASp2° zeigt, daß die zwischen wirtschaftlicher Integration und außen- und sicherheitspolitischer Kooperation liegende Diskrepanz der fehlenden Bereitschaft der Mitgliedstaaten entspricht, die GASP unter Aufgabe nationaler Kompetenzen in den Zuständigkeitsbereich allein der Gemeinschaft zu stellen? 1 Dominieren die Wahrung nationaler Interessen oder der Wunsch nach internationaler Profliierung die jeweiligen Handlungsspielräume, sind die Mitgliedstaaten, anders als im Bereich des EGV, weitaus weniger bereit, sich nach gemeinschaftlichen Vorgaben zu richten. 22 Daher aber kann sich dieser die mitgliedstaatliehen Belange kaum antastende Titel schwerlich auf von der gemeinschaftlichen Integration erfaßte Bereiche wie den Umweltschutz erstrecken. Bis zum Inkrafttreten des EUV war in Art. 116 EWG-Vertrag das "gemeinsame Vorgehen" in "internationalen Organisationen mit wirtschaftlichem Charakter bei allen Fragen, die für den Gemeinsamen Markt von besonderem Interesse sind" geregelt. Der maßgebliche Absatz 1 des Art. 116 EWGV lautete: "Nach Ablauf der Übergangszeit gehen die Mitgliedstaaten in den internationalen Organisationen mit wirtschaftlichem Charakter bei allen Fragen, die für den Gemeinsamen Markt von besonderem Interesse sind, nur noch gemeinsam vor. Zu diesem Zweck unterbreitet die Kommission dem Rat Vorschläge über das Ausmaß und die Durchführung des gemeinsamen Vorgehens; dieser beschließt darüber mit qualifizierter Mehrheit." Im Gegensatz zu Art. 1.2 Abs. 3 EUV, der ausschließlich ein Instrument der intergouvernementalen außen- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit ist, statuierte Art. 116 EWG-Vertrag eine gemeinschaftsrechtliche Entscheidungskompetenz des Rates hinsichtlich Art und Umfang eines "gemeinsamen Vorgehens" auf internationaler Ebene bei Angelegenheiten "gemischter Kompetenz". Auf der Grundlage des allgemeinen Loyalitätsgebots aus Art. 5 EWGV bestand damit eine Entscheidungsbefugnis des Rates in den Fällen, in denen sowohl eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten als auch eine solche der Gemeinschaft gegeben war. Durch Art. G Abs. 31 EUV ist Art. 116 EWG-Vertrag ersatzlos gestrichen worden. Die dadurch entstandene Lücke kann jedoch nicht durch einen Rückgriff auf den V. Ti19 Burghard/Tebbe, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Vorbemerkung zu den Artikeln J bis J.ll Rn. 24. 2o Dazu ausführlich Burghard/Tebbe, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Vorbemerkung zu den Artikeln J bis J.ll Rn. 4 ff.; Kaufmann-Bühler; in: Grabitz/Hilf, vor Art. J Rn. 4 ff. 21 Oppennann, Europarecht, Rn. 314 ff.; Bleckmann I Pieper; in: Bleckmann, Europarecht, S. 72, Rn. 132, unter Hinweis auf das mit der Erreichung einer verstärkten Integration in der GASP trotz weiterhin in Art. 223 I 296 n. F. EGV gegebenen mitgliedstaatliehen Kompetenzen in sicherheitspolitischen Angelegenheiten verbundene rechtliche KonfliktpotentiaL 22 Burghard/Tebbe, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. J.l Rn. 16.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

tel des EUV gefüllt werden. Soll weiterhin in dem vormals von Art. 116 EWG-Vertrag erfaßten Bereich eine gemeinschaftsrechtlich verbindliche Koordinierung erfolgen, ist auf die sachlich jeweils einschlägige Gemeinschaftsbefugnis, im Umweltbereich etwa aus Art. 130 r I 175 n. F. EGV, in Verbindung mit Art. 5 I 10 n. F. EGV abzustellen. Für einen Rückgriff auf Art. 1.2 Abs. 3 I 19 Abs. I n. F. EUV bei bestehenden kompetentiellen Lücken des EGV verbleibt damit nur dann Spielraum, wenn die betroffene Materie ihrem Schwerpunkt nach zugleich außen- und sicherheitspolitischer Natur ist. 23 Auszuklammern ist dann aber der umweltpolitische Bereich. Zwar sind außenpolitische Maßnahmen der Union im Rahmen der GASP denkbar, die auch umweltpolitische Wirkungen aufweisen. Die Vorschriften über die GASP als Regelungen über die Außenpolitik der Union lassen aufgrund des rein intergouvernementalen Charakters der GASp24 jedoch nicht den Schluß auf eine eigene Außenpolitik der Union dergestalt zu, daß letztere gleichsam als völkerrechtlich verselbständigtes Organ der Union die entsprechenden außenpolitischen Kompetenzen ihrer Vertragsstaaten übernommen hätte. 25 Damit können außenpolitische Maßnahmen mit umweltpolitischer Relevanz nur auf eigenen außenpolitischen Befugnissen der Mitgliedstaaten oder auf vom EGV verliehenen Kompetenzen fußen.

g) Abweichung im Veifahren und in der Verbindlichkeit von den Bestimmungen der anderen Verträge

Das im EUV vorgesehene Verfahren der außenpolitischen Vertretung der EU und die Durchführung der vom Rat beschlossenen operativen Aktionen und Konzepte weichen zudem von den anderen Gemeinschaftsbestimmungen im vom Ansatz her ökonomischen und mittlerweile auch in andere Felder wie den Umweltschutz26 und die Beschäftigung27 ausgedehnten Bereich (EGV IEAGV IEGKSV) Burghardt/Tebbe, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. J.2 Rn. 12. Vgl. dazu die Ausführungen des BVerfG in seinem Maastricht-Urteil: "Außerhalb der Europäischen Gemeinschaften bleibt die Zusammenarbeit intergouvememental; dies gilt insbesondere für die Außen- und Sicherheitspolitik sowie für die Bereiche Justiz und Inneres." BVerfGE 89, 155 (176 f.). . 25 Pechstein/ Koenig, Die Europäische Union, Rn. 74. 26 Dazu ausführlich unten 11.3. Die Gemeinschaft ist anerkanntermaßen eine Umweltgemeinschaft, Wiegand, DVBI. 1993, 533 (545); siehe auch Pemice, EuZW 1995, 385. Schon vor der Änderung durch den EUV von einer "Umweltschutzgemeinschaft" ausgehend Scheuing, EuR 1998, 152 (176); Jahns-Böhm/Breier, EuZW 1992, 49 (50); Epiney, DVBI. 1993, 93 (100); ab!. noch für diese Zeit Pemice, Die Verwaltung 22 (1989), 1 (50); keinen Gleichrang anerkennend Rengeling/Heinz, JuS 1990,613 (617); vor der Amsterdamer Vertragsänderung BVerfGE 89, 155 (190); lsensee, in: Festschrift für Everling I, S. 567 (577). Durch den Amsterdamer Vertrag wurde aber der Umweltschutz nochmals erheblich aufgewertet, insbesondere durch seine Aufnahme schon in die Grundlagenbestimmung des Art. 2 EGV. 27 Siehe die durch den Amsterdamer Vertrag eingefügten Art. 125 ff. n. F. EGV. 23

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I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen

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ab. 28 Der jeweilige Vorsitz im Rat (s. Art. 28 Abs. I EUV i.V.m. Art. 203 Abs. 2 EGV) vertritt die Union gern. Art. 1.5 I 18 EUV in einem politischen Sinne29 nach außen und ist für die Durchführung der gemeinsam gefaßten Beschlüsse verantwortlich. Die Kommission ist zwar an der Willensbildung des Rates in vollem Umfang beteiligt und kann dem Rat Vorschläge unterbreiten (Art. 1.12122 n. F. EUV). Dieser ist an etwaige Vorschläge der Kommission jedoch nicht gebunden und entscheidet mithin in einem intergouvernementalen Sinn?0 Auch eine den Verfahren nach Art. 189 b) u. c)l251, 252 n. F. EGV vergleichbare Beteiligung des Europäischen Parlaments findet im Bereich der GASP nicht statt. 31 Der Rat muß das Europäische Parlament lediglich zu grundlegenden Fragen der gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik hören und hat darauf zu achten, daß eine "gebührende Beriicksichtigung" der Auffassungen des Parlaments erfolgt (Art. J .ll I 21 n. F. EUV). So ist auch das im Rahmen der GASP anzuwendende Verfahren zur gemeinschaftlichen Willensbildung Ausdruck der gewollten Trennung der außenund sicherheitspolitischen Vorgaben von den ökonomischen Gemeinschaftsbestimmungen,32 die mittlerweile in andere Bereiche wie die Umwelt übergreifen. Dies bedingt ebenfalls, daß der Anwendungsbereich der GASP nicht sehr weit gespannt werden kann. Dies indiziert auch die gänzlich anders geartete Verbindlichkeit der GASP im EUV. Anders als die Europäischen Gemeinschaften besitzt die Europäische Union nach ganz herrschender Auffassung33 keine eigene Rechtspersönlichkeit Gegen das Vorliegen einer eigenen Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union spricht insbesondere, daß ihr anders als den Europäischen Gemeinschaften in Art. 2101281 n. F., 2111282 n. F. EGV, Art. 184, 185 EAGV sowie Art. 6 1-III EGKS weder eine eigene Völkerrechtssubjektivität noch eine sonstige Rechts- und Geschäftsfähigkeit von den Mitgliedstaaten ausdriicklich zuerkannt worden ist. Der Union sind auch keine Zuständigkeiten oder Befugnisse übertragen worden, 28 Burghard/Tebbe, in: GroebeniThiesing iEhlermann, Vorbemerkung zu den Artikeln J bis J.ll Rn. 24. 29 Siehe Cremer; in: Calliess I Ruffert, EUV I EGV, Art. 18 EUV Rn. I und hier sogleich nachfolgender Absatz. 30 Siehe dazu und zum Verständnis der GASP als "am stärksten intergouvernementale verbliebene Säule" Kaufmann-Bühler; in: GrabitziHilf, vor Art. J Rn. 12 und Art. J II; Oppermann, Europarecht, Rn. 314. 31 Oppermann, Europarecht, Rn. 309. 32 Burghard!Tebbe, in: GroebeniThiesingi Ehlermann, Vorbemerkung zu den Artikeln J bis J.ll Rn. 24. 33 BVerfGE 89, 155 (195); Jaque, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. A Rn. 13; Hilf, in: GrabitziHilf, Art. A Rn. 29; Pechstein/Koenig, Die Europäische Union, Rn. 7; dies. , EuR 1996, S. 137 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 151; Bleckmann, Europarecht, Rn. 164 ff.; Schweitzer/Hummer; Europarecht, Rn. 627; Klein, in: Vitzthum, Volkerrecht, S. 388, Rn. 251, Lecheler; AVR 1994, 1 (7); Sack, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, S. 631 (631); a.A. Dörr; EuR 1995, 334 (337); Ress, EuR l9951Beiheft 2, 27 (32); ders., JuS 1992, 985 (986).

3 Frenz

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

die ohne eine gleichzeitige Verleihung von Völkerrechtssubjektivität nicht sinnvoll wahrgenommen werden könnten und so möglicherweise eine eigene Rechtspersönlichkeit der Union implizieren könnten. 34 Über den bloßen Mangel einer ausdrücklichen Verleihung der Völkerrechtsfähigkeit an die Union und das Fehlen einer möglichen indirekten Übertragung hinaus belegen zudem Ablauf und Ergebnis der sog. Maastricht II-Verhandlungen, an deren Abschluß der Amsterdamer Vertrag steht, eindeutig, daß die Unionsstaaten derzeit gerade nicht die Schaffung einer internationalen Rechtspersönlichkeit der Union wünschten. 35 Zwei entsprechende, im Rahmen dieser Verhandlungen zur Diskussion und Abstimmung ausdrücklich vorgelegte Vorschläge blieben erfolglos. 36 In Ermangelung einer eigenen Völkerrechtssubjektivität kann die Union daher als solche wirksame Rechtsakte und -handlungen nicht bzw. nur durch die Mitgliedstaaten vornehmen. So kann die Europäische Union im Bereich der GASP grundsätzlich nur politisch handeln. 37 Rechtsverbindliche Übereinkommen wie etwa internationale Abkommen mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen kann der Rat zwar im Rahmen der GASP gemäß Art. 24 EUV mit Einstimmigkeit abschließen. Eine Verbindlichkeit ist für den einzelnen Mitgliedstaat jedoch nur bedingt gegeben. Erklärt der Vertreter eines Mitgliedstaates im Rat, in seinem Land müßten bestimmte verfassungsrechtliche Bestimmungen eingehalten werden, ist der betreffende Mitgliedstaat gern. Art. 24 S. 3 I. HS. EUV an das Übereinkommen nicht gebunden. Auch können sich die Mitgliedstaaten gern. Art. 24 S. 3 2. HS. EUV die nur vorläufige Geltung einer solchen Übereinkunft vorbehalten.

h) Anwendungsbereich der GASP unter Berücksichtigung des Verhältnisses EUV I EGV Daß die Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik gerade nicht in die supranationale Organisation der Europäischen Gemeinschaften eingegliedert werden können, ergibt sich ebenfalls aus dem Fehlen eines Spezialitätsverhältnisses zwischen den Verfahren des EUV und denen des EGV. Über die in der GASP vorgesehenen Instrumente darf es mithin nicht zu einer Überlagerung anderer Gemeinschaftsverfahren kommen. Der EUV kennt keine Hierarchie des einen Vertragsbereichs über den anderen. Damit besteht eine Pflicht, die jeweils einschlägigen Verfahren ein34 Hilf, in: Grabitz/Hilf, Art. A Rn. 26; Pechstein/Koenig, Die Europäische Union, Rn. 79; Bleckmann, Europarecht, Rn. 166. 35 Pechstein/ Koenig, Die Europäische Union, Rn. 61. 36 CONF/2500/96 vorn 5. 12. 1996, S. 91 ff. und CONF/2500/96, AD. I, vorn 20. 3. 1997, S. 47 ff. Beide Vorschläge sowie ihre Behandlung bei den Vertragsverhandlungen sind bei der Auslegung des Arnsterdarner Vertrages als sog. "travaux preparatoires" i. S. d. Art. 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention zu berücksichtigen. 37 Burghard/Tebbe, in: Groeben/Thiesing/Ehlerrnann, Vorbemerkung zu den Artikeln J bis J.ll Rn. 27.

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen

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zuhalten. Da der EGV für den Umweltbereich und für das Tätigwerden im Außenbereich explizit Handlungskompetenzen der Gemeinschaft aufweist, verbietet sich ein Rückgriff auf die Vorschriften der GASP, die ansonsten den EGV überlagern würden. Mit dem XVI. I XIX. Titel n. F. EGV "Umwelt" hat die Umweltpolitik als Regelungsmaterie Eingang in den EGV gefunden. Art. 130 r Abs. 4 I 174 Abs. 4 1. Spiegelstrich n. F. EGV sieht ausdrücklich die Arbeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten im internationalen Rahmen zur Verwirklichung der in Art. 130 rl 174 Abs. 1 n. F. EGV aufgezählten Ziele der Umweltpolitik der Gemeinschaft vor. In die Umweltpolitik der Gemeinschaft im Außenbereich sind damit sowohl die internationale Zusammenarbeit mit Drittstaaten als auch die Kooperation mit internationalen Organisationen eingebunden. 38 Damit vergemeinschaftet der EGV die Umweltpolitik und die mit ihr verbundenen grundlegenden Zielsetzungen und bestimmt so materienbezogen den Handlungsrahmen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten für Umweltmaßnahmen insbesondere auch im Außenbereich. Da eine Exklusivität des EUV gegenüber dem EGV nicht, wohl aber eine materienbezogene Spezialität des Umwelttitels des EGV gegenüber der GASP gegeben ist, würde eine Verlagerung umweltbezogener Befugnisse für Maßnahmen im Außenbereich vom EGV in die GASP eine von den Verträgen nicht gedeckte Einengung der Gemeinschaft bedeuten. Das gilt zumal deshalb, weil die intergouvernementale Struktur des EUV und die damit verbundene fehlende Völkerrechtssubjektivität der EU bedingt, daß die Mitgliedstaaten der Union bei Verträgen der Union mit Drittstaaten im Außenbereich zwar gemeinsam und konzertiert, jedoch jeweils für sich parallele Abkommen mit dem betreffenden Vertragspartner treffen. 39

i) Zwischenergebnis

Aufgrund der besonderen Struktur und Gestaltung der GASP, die mit ihrer abgesonderten Stellung und ihrer gegenständlichen Begrenztheit korrespondiert, können aus den diese Politik ordnenden Bestimmungen keine eigenständigen Kompetenztitel für andere Politikbereiche hergeleitet werden. Das gilt zumal dann, wenn die anderen Gemeinschaftsbestimmungen letztere in Bezug nehmen oder sich in diesen ausdrücklich die jeweiligen Bereiche betreffende Vorgaben finden. Mit den durch die EEA in den EGV eingefügten Art. 130 r I 174 n. F. ff. EGV ist die Umweltpolitik Gegenstand der gemeinschaftlichen Tätigkeit geworden. In Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EGV wird für internationale Abkommen eigens auf das Verfahren nach Art. 228 I 300 n. F. EGV verwiesen. Infolgedessen kann auch aus den genannten Bestimmungen der GASP keine explizite Kompetenzgrundlage für ein umweltbezogenes Tätigwerden der Union im Außenbereich abgeleitet werden. 38 39

3*

Dazu unten A.l.2. Pechstein/ Koenig, Die Europäische Union, Rn. 79.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen 2. Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV als bloße Aufgabenzuweisung

a) Die Bedeutung der Vorschrift selbst

Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV sieht vor, daß die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten mit dritten Ländern und den zuständigen internationalen Organisationen zusammenarbeiten. Was die Zusammenarbeit der Gemeinschaft betrifft, können die Einzelheiten Gegenstand von Abkommen zwischen dieser und den betreffenden dritten Parteien sein. Damit setzt diese Vorschrift den Abschluß von Abkommen durch die Gemeinschaft voraus, und zwar aufgrund der systematischen Stellung dieses Abschnittes im Umweltbereich. Art. 130 r /174 n. F. Abs. 4 EGV verweist auf Art. 228 I 300 n. F. EGV. Dieses Ineinandergreifen beider Vorschriften könnte somit den Schluß nahelegen, daß Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 EGV die in Art. 228 I 300 n. F. EGV vorausgesetzte Befugnisnorm darstellt. Allerdings knüpft erstere ihrerseits in Satz 1 an den Rahmen der jeweiligen Befugnisse an, soweit es um die Zusammenarbeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten geht. Das spricht dafür, daß Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 EGV seinerseits an bestehende Befugnisse anknüpft und sie nicht begründet. 40 Seine Aufgabe wäre dann die Ordnung des Zusammenwirkens zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten sowie die Hervorhebung, daß die Gemeinschaft auch Abkommen schließen kann. Diese Hervorhebung begründet dann einen besonderen Auftrag, nach dem die Gemeinschaft auf internationaler Ebene Umweltabkommen schließt. Eine darüber hinausgehende Interpretation von Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 S. 2 widerspricht der Stellung nach Satz 1, der sich eindeutig auf einen bestehenden und damit anderweitig festgelegten Rahmen bezieht. Dadurch wird Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 S. 2 EGV nicht etwa entbehrlich bzw. erhält eine rein deklaratorische Natur. 41 Die Hervorhebung von Abkommen deutet auf einen Auftrag, solche im Umweltbereich auf internationaler Ebene tatsächlich zu schließen. Dabei soll die Gemeinschaft gerade auch allein handeln, obwohl Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 S. 1 EGV eine Zusammenarbeit von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten vorsieht. Die Mitgliedstaaten müssen also nicht stets auch Vertragsparteien sein. Umgekehrt schließt diese Möglichkeit der Gemeinschaft nach Art. 130 r /174 n. F. Abs. 4 UAbs. 2 EGV nicht aus, daß die Mitgliedstaaten gegebenenfalls parallel zur Gemeinschaft und internationalen Gremien verhandeln und internationale Abkommen schließen. Daß insoweit die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nicht berührt wird, deutet darauf hin, daß diese vorausgesetzt wird. Nicht berührt kann schwerlich gleichgesetzt werden mit begründet. Anders wäre auch Unterabsatz 2 nicht mit Unterabsatz 1 Satz I in Einklang zu bringen, der eindeutig von den beSo auch Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 28. So Zuleeg, NVwZ 1987, 280 (283); Schröer; Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, S. 275 m. w. N.; offen gelassen von Kloepfer; Umweltrecht, § 9 Rn. 15; a.A. Pieper; in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 2819. 40 41

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen

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stehenden jeweiligen Befugnissen ausgeht. Daher kann auch nicht Unterabsatz 2 als Argument dafür herangezogen werden, daß Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV eine die Kompetenz der Gemeinschaft zum Abschluß von Außenabkommen begründende Wirkung zukommt. 42 b) Einfügung in den Gesamtkontext

In Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EGV eine um einen Auftrag erweiterte Aufgabenzuweisung zu sehen, entspricht auch dem Gesamtkontext der Bestimmung. Art. 130 rl 174 n. F. EGV legt den inhaltlichen Rahmen und die dabei zu berücksichtigenden Grundsätze der gemeinschaftlichen Umweltpolitik fest. Art. 130 sl 175 EGV regelt demgegenüber das Beschlußverfahren in diesem Bereich; diese Vorschrift verweist auf die vorhergehende rahmensetzende Bestimmung des Art. 130 r I 174 n. F. EGV. Daß die Gemeinschaft in diesem Bereich Maßnahmen erlassen kann, ergibt sich gleichwohl aus Art. 130 s/175 n. F. EGV. Die Verweisung auf die in Art. 130 r I 174 n. F. EGV genannten Ziele unterstreicht gerade dessen inhaltsausfüllenden Charakter.43 Nicht diese Vorschrift bildet daher die Kompetenzgrundlage, sondern Art. 130 sl 175 n. F. EGV. 44 Dieses System würde durchbrachen, wenn Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV ein kompetenzbegründender Charakter für die Arbeit der Gemeinschaft auf internationaler Ebene zu.. 45 k ame. Allerdings taucht die internationale Ebene im Rahmen von Art. 130 rl 174 n. F. EGV zweimal auf: Bereits dargelegt wurde Absatz 4; hinzu kommt Absatz 1 4. Spiegelstrich, wo als Ziel der Gemeinschaft im Umweltbereich die Förderung von 42 Für ein Verständnis von Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 EGV als bloß aufgabenzuweisender Norm auch Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 174 Rn. 22; a.A. Heintschel von Heinegg, in: Rengeling, EUDUR, § 22, Rn. 39; Grabitz, in: Grabitz I Hilf, Art. 130 r Rn. 80 f. m. w. N. 43 Matuschak, DVBI. 1995, 81 (86); Hoppe I Matuschak, in: Festschrift zum ISOjährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, 331 (339). 44 Bereits vor den Änderungen durch den EUV EuGH, Slg. 1991, I-2867 (2899 f.)- Titandioxid und ganz h. M., etwa Beyer, JuS 1990, 962 (964); Grabitz, in: Festschrift für Sendler, 443 (448); Molkenbur, DVBI. 1990, 677 (679 f.); Oppermonn, Europarecht, Rn. 2024; Pernice, Die Verwaltung 22 (1989), I (3); Purps, Umweltpolitik und Verursacherprinzip im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 18; Schröer, EuR 1991, 356 (358); Soell, NuR 1990, 155 (156); a.A. Pieper, in: Bleckrnann, Europarecht, Rn. 2829; Scheuing, EuR 1989, 152 (161 Fn. 53). 45 So i. E. noch Krämer, in: MagieraiMerten, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 193 ( 199) mit der Begründung, andernfalls habe die Kommission stets vorab ihre Zuständigkeit zu klären und der Rat könne mit dem Beschluß nach Art. 130 seine Art Zuständigkeitsverteilung vornehmen; kritisch dazu Stewing, Subsidiarität und Föderalismus in der Europäischen Union, S. 100 f., der diese Argumentation unter Hinweis darauf nicht für stichhaltig hält, daß die Gemeinschaftsorgane die Zulässigkeit ihres Tätigwerdens stets zu prüfen hätten und in der Beschlußfassung des Rates gern. Art. 130 s lediglich eine eigene Beurteilung der Rechtslage durch den Rat zu sehen sei.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme genannt wird. Das könnte dafür sprechen, daß insoweit der Zielcharakter festgelegt wird, während Absatz 4 eine davon abweichende Bedeutung zukommen müßte. Absatz 4 geht aber auch bei einem unterstellten Aufgaben- und Auftragscharakter immer noch dadurch über Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 1 4. Spiegelstrich EGV hinaus, daß er gerade Abkommen aufnimmt, während die vorher die internationale Ebene betreffende Vorschrift nur von Maßnahmen spricht. Zudem bleibt dort das Nebeneinander von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten unerfaßt. Besitzt damit Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 EGV keine kompetenzbegründende Bedeutung für Außenmaßnahmen der Gemeinschaft, kommt die Umweltpolitik höchstens insoweit zum Tragen, als aus ihr der Gemeinschaft eine Binnenkompetenz erwächst und daraus auch eine Außenkompetenz folgt. 46 Das hat den Vorteil, daß der internationale Bereich nicht aufgrund einer kompetenzbegründenden Funktion abgekoppelt steht, sondern auch für diese Ebene wegen der engen Verbindung der Kompetenznorm des Art. 130 s I 175 n. F. EGV mit dem gesamten Art. 130 rl 174 n. F. EGV der Umweltbereich in seiner ganzen Tragweite bei der Abmessung des Kompetenzrahmens Berücksichtigung findet. 3. Handelspolitische Maßnahmen

a) Begriffliche Offenheit Auch handelspolitische Maßnahmen können sich auf den Umweltschutz auswirken.47 Das gilt weniger für die in Art. 113 I 133 n. F. Abs. 1 EGV ausdrücklich aufgeführten Maßnahmen in Gestalt der Änderung von Zollsätzen, des Abschlusses von Zoll- und Handelsabkommen, der Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, der Ausfuhrpolitik und der handelspolitischen Schutzmaßnahmen, z. B. im Fall von Dumping und Subventionen. Indem diese Vorschrift eine Gestaltung der gemeinsamen Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen vorgibt, weist sie indes über die genannten Maßnahmen hinaus, deren Aufführung zudem mit einem "insbesondere" eingeleitet und daher als eine nicht abschließende gedacht ist. 48 Die Nennung lediglich des Oberbegriffs "gemeinsame Handelspolitik" weist vielmehr auf eine offene Perspektive. Sie ist daher nicht auf den Gebrauch herkömmlicher Instrumente beschränkt, sondern erfaßt weiterentwickelte Mechanismen. 49 46 Zur rechtlichen Natur von Art. 130 r/ 174 n. F. Abs. 4 EGVals lediglich die Befugnisse der Gemeinschaft von denen der Mitgliedstaaten abgrenzende Norm siehe auch Stewing, Subsidiarität und Föderalismus in der Europäischen Union, S. 101 f. ; ausführlich unten B.II.l. 47 Dazu allgemein Schmidt I Kahl, in: Rengeling, EUDUR, § 90 Rn. 54 ff. 48 EuGH, Slg. 1979,2871 (2913)-Intemationales Naturkautschuk-Übereinkommen. 49 EuGH, Slg. 1979, 2871 (2913) - Internationales Naturkautschuk-Übereinkomrnen; ebenso Sig. 1994,1-5267 (5400 f.)- WTO.

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen

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Andernfalls wäre auch eine wirksame Handelspolitik nicht möglich. Deshalb kann sich die Gemeinschaft auch an modernen Instrumenten wie internationalen Marktorganisationen beteiligen.50 Ein solches Abkommen lag dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Internationalen Naturkautschuk-Übereinkommen zugrunde.51 Dieses wies über die klassischen Fälle der Handelspolitik hinaus, indem es die Bedürfnisse der Entwicklungsländer und deren Interesse nach einem gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Erzeugerländer und der Verbraucherländer aufgriff. Heute läge es nahe, ein Rohstoffabkommen nicht nur mit entwicklungspolitischen Aspekten zu verbinden, sondern auch mit den Folgen für die Umwelt.52 Dies belegt, daß der Handel nicht isoliert steht, sondern mit anderen Gegenständen verwoben ist. Dementsprechend werden sogar Teile der klassischen Materie des Dienstleistungsverkehrs als mögliche Gegenstände der gemeinsamen Handelspolitik eingestuft. 53 So können auch Umweltschutzthemen Gegenstand von Vereinbarungen auf der Grundlage von Art. 113 I 133 n. F. Abs. 1 EGV sein. Das ist gerade Ausdruck des von seinen Gegenständen her offenen Begriffs der gemeinsamen Handelspolitik. 54 Damit korrespondiert letztlich auch der in Art. 130 r Abs. 2 S. 3 I 6 n. F. EGV niedergelegte Integrationsgedanke, der gerade auf die Einbeziehung von Umweltschutzerfordernissen auch in die anderen Gemeinschaftspolitiken, so auch die gemeinsame Handelspolitik, abzielt,55 sofern man ihm auch eine interpretationsleitende Bedeutung für den Tatbestand anderer Bestimmungen zumessen will. Gegen eine Bedeutung für die Tatbestandsauslegung spricht aber die Formulierung des Art. 6 EGV, daß die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der in Artikel 3 genannten Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen berücksichtigt werden; es soll nur die Handhabung der nach Art. 3 EGV bestehender Kompetenzen beeinflußt werden. 56 Ansatzpunkt für eine Einbeziehung umweltmotivierter handelspolitischer Maßnahmen ist daher ausschließlich die begriffliche Offenheit des Art. 113 I 133 n. F. EGV.

EuGH, Slg. 1979, 2871 (2912)- Internationales Naturkautschuk-Übereinkommen. EuGH, S1g. 1979, 2871 (2871 ff.)- Internationales Naturkautschuk-Übereinkommen. Zu dessen Ausnahmecharakter Heintschel von Heinegg, in: Rengeling, EUDUR, § 22 Rn. 25. 52 EuGH, Slg. 1994, 1-5267 (5398)- WTO zu dem von Art. 113 EGV umfaßten Kompetenzbereich bei Abkommen auf der Grundlage des Art. 113 EGV, die gesundheitspolitische und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen umfassen. 53 EuGH, Slg. 1994, 1-5267 (5401) - WTO. 54 Vgl. EuGH, Slg. 1979, 2871 (2913 f.) - Internationales Naturkautschuk-Übereinkommen. 55 Vgl. Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 6 Rn. 6; vgl. auch das Programm "Handel und Umwelt" als sektorspezifisches Programm zur Integration des Umweltschutzes in andere Politikbereiche, KOM (96) 54 endg. vom 28. 2. 1996. 56 Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 64; näher ders., Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht, S. 224 zur deutlicheren Vorgängerbestimmung des Art. 130 r Abs. 2 S. 3 EGV, der von anderen Gemeinschaftspolitiken sprach. 50

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

b) Einschluß veifahrensbezogener Maßnahmen

So weit auch der Begriff der gemeinsamen Handelspolitik ist, muß doch diese Politik gegenständlich betroffen sein. Zweifel erwachsen dann, wenn die Handelsbeziehungen keiner materiellen Regelung unterworfen sind, sondern lediglich formale Kontrollen eingezogen werden. Solches ist im Rahmen der PIC- bzw. Rotterdamer-Konvention57 vorgesehen: Um zu verhindern, daß verschiedene Pflanzenschutzmittelarten und Industriechemikalien unkontrolliert in Entwicklungsländer gelangen, sollen mitgliedstaatliche Stellen, die für Import I Export-Genehmigungen zuständig sind, entsprechende Kontrollen vornehmen. 58 Die Freiheit des Handelsverkehrs bleibt durch diese Regelung substantiell unangetastet. Allerdings geht es um die Etablierung einer Zustimmung zu einem Handelsvorgang, wenn dieser auch frei bleibt. Damit handelt es sich zwar überwiegend um eine Verfahrensfrage, die an sich der Kompetenz der Mitgliedstaaten unterfällt. 59 Es werden nur staat57 Conference of plenipotentiaries on the convention on the prior informed consent procedure for certain hazardous chemieals and pesticides in international trade, Rotterdam, 10- llth September 1998 UNEP/FAO/PIC/CONF/5, http://www.fao.org/ag/agp/agpp/ pesticid/picfinact.htm convention. 58 In der Bundesrepublik Deutschland sind dies die Behörden nach § 21 Chemikaliengesetz. Zunächst umfaßt die PIC 22 Pestizide und fünf Industriechemikalien, wobei sie aber ausdrücklich auf die Aufnahme weiterer Chemikalien angelegt ist (vgl. Art. 5 Abs. 6 bzw. Art. 6 Abs. 5 PIC). Zielsetzung ist neben dem Schutz des Menschen und seiner Umwelt vor allem die Bewahrung der Drittweltländer vor einem "Chemie-Abfalltourismus". Die PIC ist ein Mittel zum formellen Informationsaustausch zwischen vom Chemikalienhandel betroffenen Staaten, also Export-, Import- und Transferländem. Zu diesem Zweck verlangt die Konvention die Einrichtung nationaler Verfahren (Art. 10 [Import] und Art. 11 [Export]). Zentrales Element ist die Notifikationspflicht über den (erstmaligen) Export einer PIC-Chemikalie durch das Exportland an den Importstaat (Art. 12). Zudem statuiert die PIC eine geteilte Verantwortung für die Beherrschung der von den Substanzen ausgehenden gesundheitlichen Gefahren zwischen Ex- und Importstaaten (Präambel und Art. 1). Des weiteren gewährt die Konvention technologische Hilfestellung für die Entwicklungsländer, um diese in die Lage zu versetzen, die entsprechenden Mechanismen anwenden zu können (Art. 16 und Informationsaustausch in Art 14). Die Organe der PIC sind die Vertragsstaatenkonferenz (VSK, Art. 18), ein Sekretariat, dessen Funktionen gemeinsam von UNEP und FAO wahrgenommen werden (Art. 19 Abs. 3). Als Unterorgan besitzt die PIC einen sog. "Chemikalienüberprüfungsausschuß" (Chemical Review Comrnittee, Art. 18 Abs. 6), der nach der Prozedur des Art. 5 Abs. 5, 6, bzw. Art. 6 Abs. 4, 5 jeweils i.V.m. Art. 7 der VSK weitere von den Mitgliedstaaten genannte Chemikalien zur Aufnahme in die PIC-Prozedur vorschlagen kann. Die EG hat den auch bei anderen multilateralen Übereinkommen geläufigen Status einer Organisation Regionaler Wirtschaftlicher Integration (Regional Economic Integration Organisation, REIO; Art. 2 (h), 23 Abs. 2 [Stimmrecht]). Des weiteren verfügt die PIC über insgesamt fünf Anhänge, die Anforderungen an die Notifikation nationaler Regelungen über den Umgang mit Chemikalien enthalten (Annex I), Kriterien für die Auswahl der in Annex III aufgelisteten PIC-Chemikalien aufstellen (Annex II und IV) sowie den Umfang der im Exportfall zu notifizierenden Informationen bestimmen (Annex V). 59 "Grundsatz der verfahrensmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten". Dazu EuGH, Slg. 1976, 1989 (1998)- Rewe I; aus der Literatur Koch, EuZW 1995, 78 (78); Frenz, Verwal-

I. Spezifisch Außenbeziehungen ansprechende Kompetenzbestimmungen

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liehe Stellen bei privaten Handelsbeziehungen administrativ zwischengeschaltet Diese Zwischenschaltung ist auch bezogen auf den Handel. Gerade der Handel kann durch behördliche Maßnahmen erheblich behindert werden. Werden auch keine materiellen Anforderungen festgelegt, so ist doch immerhin ein zusätzlicher Verwaltungsvorgang zu bewältigen. Jedenfalls bringt er eine zusätzliche Belastung mit sich, die den Handel beeinträchtigen kann. Art. 113/133 n. F. Abs. 1 EGV nennt unter anderem auch handelspolitische Schutzmaßnahmen. Dumping und Subventionen werden als Beispiele für derartige Schutzmaßnahmen ausdrucklieh angeführt. Art. 113 I 133 n. F. Abs. 1 EGV bezieht jedoch ebenfalls andere Formen handelspolitischer Schutzmaßnahmen ein.60 Hier geht es um einen handelspolitischen Schutz vor dem Export von Entwicklungsländer gefährdenden Chemikalien. Somit liegt sogar eine Maßnahme vor, die sich einem ausdrucklieh als handelspolitische Maßnahme aufgeführten Beispiel zuordnen läßt. Daß Verfahrensfragen grundsätzlich der Kompetenz der Mitgliedstaaten unterliegen, gilt nur mit der Maßgabe, daß diese nicht so stark mit einer Gemeinschaftspolitik gekoppelt sind, daß deren erfolgreiche Verwirklichung von ihrer Einbeziehung abhängt. 61 Gerade die Handelsströme reagieren immer sensibler auf zusätzliche bürokratische Maßnahmen. Daher sind Handelspolitik und Verwaltungsverfahren, die unmittelbar am Warenverkehr anknüpfen, untrennbar miteinander verbunden. Daher fallt eine bloß formale Einbeziehung von Verwaltungsschritten auch dann unter die gemeinsame Handelspolitik nach Art. 113 I 133 n. F. Abs. 1 EGV, wenn diese die materiellen Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik nicht beruhren.

c) Ausschluß explizit anderen Vertragsabschnitten zugewiesener Teilfragen

Ausgeschlossen sind von der gemeinsamen Handelspolitik allerdings die Materien, die explizit anderen Abschnitten des Vertrages zugewiesen sind. So klammerte der Europäische Gerichtshof in seinem WTO-Gutachten wegen ihrer expliziten Nennung in Art. 3 (Abs. 1 n. F.) lit. d) EGV Maßnahmen hinsichtlich der Einreise und des Personenverkehrs aus. 62 Dort ist indes in lit. c) auch der Dienstleistungsverkehr genannt, der allgemein durchaus als möglicher Gegenstand der gemeinsamen Handelspolitik eingestuft wird. Es kommt mithin darauf an, daß gerade der grenzüberschreitende Charakter ausdrucklieh anderweitig zugewiesen ist. tungsgerichtlicher Rechtsschutz in Konkurrenzsituationen, S. 48 f.; Grabitz, in: Grabitz/Hilf, Art. 189 Rn. 4 f. zur Kompetenzstruktur der Gemeinschaftsverfassung. 60 Müller-lbold, in: Lenz, Art. 133 Rn. 39 ff. 61 Ausgehend von der ordnungsgemäßen Anwendung erlassenen Gemeinschaftsrechts, von der binnenbezogen die Verwirklichung der Ziele einer Gemeinschaftspolitik abhängt, EuGH, Slg. 1976, 677 (677) - Roquette; Slg. 1980, 617 (629) - Ferwerda; aus der Lit. Weber, EuR 1986, 1 (13). Siehe freilich EuGH, DVBI. 1991, 480; krit. dazu Schlemmer-Schulte, EuZW 1991, 307 (309 f.). 62 EuGH, Slg. 1994,1-5267 (5402) - WTO; dazu Hilf, EuZW 1995,7 (7).

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

Zwar wird eine Politik auf dem Gebiet der Umwelt in Art. 3 lit. k) I 3 Abs. 1 lit. I) n. F. EGV als solche und damit ohne internationalen Bezug aufgeführt. In Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 EGV kommt eine solche Verbindung gleichwohl zum Vorschein. Dieser Bezug legt den Aufgabenbereich der Gemeinschaft im Umweltsektor mit fest. 63 Jedoch baut diese Vorschrift auf vorhandenen Kompetenzen auf, ohne sie zu verleihen. Zudem ist es denkbar, daß ein internationales Übereinkommen sowohl Umweltschutz- als auch Handelsaspekte berührt; demgegenüber war in dem im WTO-Gutachten untersuchten Fall teilweise gerade die Verlegung ins Ausland und damit eine spezifisch anderweitig in Art. 3 (Abs. 1 n. F.) EGV geregelte Konstellation Gegenstand. Nur insoweit wurde auch ein Eingreifen der gemeinsamen Handelspolitik verneint. 64 Zudem war gerade dieser spezielle Bereich in einem eigenen Kapitel des EG-Vertrages geregelt. 65 Das spricht dafür, auch internationale Maßnahmen mit Umweltbezug a priori unter die gemeinsame Handelspolitik fallen zu lassen, sofern ein Handelsbezug besteht. Eine andere Frage ist dann, nach welchen Kriterien diese beiden möglichen Kompetenzgrundlagen für Umweltabkommen zu unterscheiden sind. 66 4. Atompolitik

Art. 101 ff. EAGV sehen ein bestimmtes Verfahren für Außenaktivitäten der Gemeinschaft im Atombereich vor, ohne spezifisch die dafür bestehenden Kompetenzbereiche aufzuzeigen. Vielmehr knüpft Art. 101 EAGV an den Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten an, vergleichbar zu Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 4 bzw. Art. 228 I 300 n. F. EGV. Somit bildet auch dieses Vertragswerk keine Kompetenzgrundlage spezifisch für Außenmaßnahmen. II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen 1. Parallelität von Innen- und Außenkompetenz

Sowohl für den Bereich von Atomabkommen als auch für den Sektor der (allgemeinen) Umweltvereinbarungen kann damit die Kompetenz der Gemeinschaft zum Abschluß völkerrechtlicher Abkommen nur aus entsprechenden Binnenkompetenzen hergeleitet werden. Das gilt ebenso für die Bereiche Landwirtschaft und Fischerei. Eine Ausnahme bilden lediglich Maßnahmen, die Gegenstand der gemeinsamen Handelspolitik sind. Zwar gilt gern. Art. 3 b I 5 n. F. Abs. I EGV das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, ohne daß - von Ausnahmen abgese63 64 65

66

Siehe oben 1.1. Deutlich EuGH, Slg. 1994, 1-5267 (5401 f.) - WTO; dazu Hilf, EuZW 1995, 7 (7 ff.). EuGH, Slg. 1994,1-5267 (5402)- WTO. Dazu unten III.2.c).

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

43

hen - die Befugnis der Gemeinschaft zu Außenmaßnahmen in den einzelnen Bestimmungen vorgesehen ist.67 Im Umweltbereich wird sie immerhin in Art. 130 rl 174 n. F. Abs. 4 EGV vorausgesetzt, wenngleich nicht begründet.68 Indes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 5 I 10 n. F. EGV alle Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus dem Vertrag und den Handlungen der Organe ergebenden Verpflichtungen zu treffen und zugleich alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des Vertrages gefahrden könnten. Daß damit die Mitgliedstaaten außerhalb dieses Rahmens keine Verpflichtungen eingehen dürfen, die die Gemeinschaftsrechtsnormen oder deren Tragweite ändern könnten, würde partiell durchbrochen, wenn sie einzeln oder gemeinsam handelnd mit dritten Staaten Verpflichtungen einzugehen vermochten, obwohl die Gemeinschaft in einem Bereich zur Verwirklichung einer vom Vertrag vorgesehenen gemeinsamen Politik Vorschriften erlassen hat, die in irgendeiner Form gemeinsame Rechtsnormen vorsehen. Deshalb kann beim Vollzug der Vorschriften des Vertrages der für innergemeinschaftliche Maßnahmen bestehende Rahmen nicht separat von der für die Außenbeziehungen geltenden Regelung betrachtet werden.69 Insoweit kann daher nur noch die Gemeinschaft mit Wirkung für den gesamten Geltungsbereich der Gemeinschaftsrechtsordnung vertragliche Verpflichtungen mit dritten Staaten eingehen und diesen gegenüber erfüllen. Damit ist die Gemeinschaft jedenfalls dann zum Abschluß von Außenmaßnahmen berechtigt, wenn sie bereits im Binnenbereich Vorschriften erlassen hat. 70 Aber auch dann, wenn ein Bereich der Gemeinschaft zugewiesen ist und nur durch ein Handeln der Gemeinschaft ein Gemeinschaftsziel erreicht werden kann, haben die Mitgliedstaaten im Vorgriff darauf nach Art. 5 I 10 n. F. Abs. 2 EGV alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Vertragsziele gefährden könnten. Daher ist die Gemeinschaft bereits dann als berechtigt zu Außenmaßnahmen anzusehen, sofern eine solche Verpflichtung der Gemeinschaft notwendig ist, um eines der Ziele der Gemeinschaft zu erreichen. 7 1 Es genügt dann, wenn die internen Maßnahmen der Gemeinschaft erst vorliegen, sobald die völkerrechtliche Vereinbarung abgeschlossen und in Kraft gesetzt wird, indem etwa die Kommission dem Rat einen entsprechenden Verordnungsvorschlag unterbreitet. 72 Diesen all67 Zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung im Kontext der umweltrechtlichen Kompetenzen der Gemeinschaft Voß/Wenner, NVwZ 1994, 332 (332 f.). 68 Siehe vorstehend I. I. 69 EuGH, Slg. 1971, 263 (274 f.) - AETR; dazu aus jüngerer Zeit aus der umweltrechtlichen Literatur Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 41 . ?o EuGH, Slg. 1971, 263 (275) - AETR; bestätigend EuGH, Slg. 1994, 1-5267 (5402 f.)WTO; zustimmend etwa Breier, EuR 1993, 340 (349); Erdmenger, in: Groeben/Thiesing/ Ehlermann, Vorbemerkung zu den Artikeln 74 bis 84 Rn. 6; speziell zur AETR-Entscheidung des EuGH Vedder, in: Grabitz/Hilf, Art. 228 Rn. 4, m. w. N. ; Lenaerts, in: Demaret, Relations exterieures de Ia Communaute europeenne et marche interieur: aspects juridiques et fonctionnels, S. 37 (58); siehe auch Dörr, EuZW 1996, 39 (41). 71 Siehe bereits EuGH, Slg. 1976, 1279 (1311) - Biologische Schätze des Meeres und ausdrücklich Slg. 1977, 741 (755 f.)- Stillegungsfonds.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

gemeinen Ansatz hat der Europäische Gerichtshof gleichwohl dahingehend präzisiert, daß Außenmaßnahmen der Gemeinschaft unabhängig vom Bestehen interner Regelungen nur dann ergriffen werden können, wenn letztere effektiv nur durch eine Absicherung auch im völkerrechtlichen Verhältnis ins Werk gesetzt werden können. 73 Mit diesen Maßgaben gilt somit der Grundsatz, daß sich Innen- und Außenkompetenz grundsätzlich entsprechen. 74 Um die Bedeutung dieses Grundsatzes der Parallelität von Binnen- und Außenkompetenz für die Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaft im Umweltbereich in ganzer Tragweite erfassen zu können, bedarf es einer Betrachtung der einzelnen in Betracht kommenden internen Kompetenzen. Auszugehen ist von den wesentlichen Kompetenzaspekten, die die Grundlage der Darstellung des Verfahrensabiaufs bilden.

2. Kompetenzergänzung Sieht der EG-Vertrag in bestimmten Bereichen keine entsprechenden Kompetenznormen vor, bietet Art. 235 I 308 n. F. EGV als allgemeine Kompetenzergänzungsnorm der Gemeinschaft die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen zum Zwecke der Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft Rechtsakte zu erlassen.75 Damit erlaubt Art. 2351308 n. F. EGV der Gemeinschaft, einen Ausgleich in den Fällen zu schaffen, in denen den Gemeinschaftsorganen unzulängliche oder keine Befugnisse durch den EG-Vertrag verliehen werden, eine entsprechende Übertragung von Befugnissen gleichwohl zur Erreichung der durch den EG-Vertrag gesetzten Ziele notwendig ist. 76 Art. 235 I 308 n. F. EGV kann jedoch aufgrund seiner Natur als allgemeiner Kompetenzergänzungsnorm nur dort eingreifen, wo es an einer expliziten Regelung im Vertragstext fehlt. Hält der EG-Vertrag zur Verwirklichung eines Ziels der Gemeinschaft, hier des Umweltschutzes, die erforderlichen Befugnisse an anderer Stelle bereit, ist Art. 235 I 308 n. F. EGV subsidiär und findet keine Anwendung? 7 Vor der Implementierung der Art. 130 r I 174 n. F. ff.

n EuGH, Slg. 1977,741 (756)- Stillegungsfonds. EuGH, Slg. 1994,1-5267 (5413 ff.)- WTO. 74 Siehe neben den bereits genannten Fundstellen EuGH, Slg. 1976, 1279 (1309 f .)- Biologische Schätze des Meeres; Slg. 1978, 2151 (2181)- Euratom-Übereinkommen; Slg. 1992, 1-2825 (2845) - EWR II; Slg. 1993, 1-1064 (1076) - ILO-Übereinkommen Nr. 170; Slg. 1994,1-5267 (5413 ff.) - WTO; Slg. 1996,1-1759 (1787) - Beitritt EMRK. 75 Horstig, Die Europäische Gemeinschaft als Partei internationaler Umwe1tabkommen, S. 117 f.; Schwanz, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 235 Rn. 1 ff. 76 EuGH, Slg.1994, 1-5267 (5413 ff.)- WTO; Slg. 1995,1-521 (560)- OECD, Slg. 1996, 1-1759 (1788) - Beitritt EMRK; Schwanz, in: Groeben/Thiesing/Eh1ermann, Art. 235 Rn. 2 f. 77 So die ständige Rspr. seit EuGH, S1g. 1987, 1493 (1520) - Allg. Zollpräferenzen für Waren aus Entwicklungsländern; Slg. 1995, I-1985 (2012)- Ergänzendes Schutzmittel für 73

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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EGV in den EGV wurde die umweltpolitische Kompetenz der Gemeinschaft bei der Mehrzahl der von der Gemeinschaft abgeschlossenen Umweltabkommen auf Art. 2351308 n. F. EGV gestützt. 78 Mit Inkrafttreten der Art. 130 rl 174 n. F. ff. EGV, in denen die Umweltpolitik der Gemeinschaft ihre umfassende kompetentielle Grundlage findet, 79 besteht für eine Anwendung von Art. 235 I 308 n. F. EGV nahezu kein Spielraum mehr. 80 Vereinzelt wird Art. 2351308 n. F. EGV nach Einführung der Art. 130 r I 174 n. F. ff. EGV im Umweltbereich für gänzlich obsolet erachtet. 81 Denkbar bleiben allerdings Rechtsakte etwa im Bereich der Umwelterziehung. 82 3. Umweltschutz

a) Eifassung des Umweltschutzes allgemein

Wie bereits dargelegt, 83 bildet Art. 130 sl 175 n. F. EGV die Kompetenzgrundlage für den Umweltschutz. Durch den Verweis auf die Erreichung der in Art. 130 rl 174 n. F. EGV genannten Ziele wird aber der Umfang der Umweltkompetenz durch diese Zielbestimmung festgelegt. 84 Der in Art. 130 r 1174 n. F. Abs. 1 I. Spiegelstrich EGV genannte Bereich der Erhaltung und des Schutzes der Umwelt sowie der Verbesserung ihrer Qualität umfaßt die gesamte Breite des Umweltschutzes. Die Erhaltung der Umwelt weist auf die Bewahrung des gegenwärtigen Zustandes; 85 allerdings würde dieses Ziel konterkariert, wenn dabei die bestehenden Beeinträchtigungen und Zerstörungen den zu erreichenden Umweltschutz mitbestimmten. 86 Unterstrichen wird dies durch die Aufnahme der Förderung eines hohen Maßes an Umweltschutz in die grundlegende Aufgabennorm der Gemeinschaft nach Art. 2 EGV durch den Amsterdamer Vertrag. Zumal vor diesem HinterArzneimittel; Slg. 1996, 1-6177 (6216) - Kooperationsabkommen Gemeinschaft-Indien; siehe dazu auch Grabitz, in: Grabitz/Hilf, Art. 235 Rn. 39. 78 Kloepfer, Urnweltrecht, § 9 Rn. 9; Horstig, Die Europäische Gerneinschaft als Partei internationaler Urnweltabkornrnen, S. 117 f.; siehe auch die Aufzählung bei Krämer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Vorb. zu Art. 130 r bis 130 t Rn. 45. 79 Zur Reichweite im einzelnen sogleich. 80 Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 s Rn. 56; Kahl, Umweltprinzip und Gerneinschaftsrecht, S. 14; Horstig, Die Europäische Gerneinschaft als Partei internationaler Urnweltabkornrnen, S. 118. 81 Vgl. etwa Zuleeg, NJW 1993, 31 (32), ders., NVwZ 1987, 280 (281); Glaesner, NuR 1988, 166 (168). 82 Zu diesem und anderen Beispielen Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 s Rn. 56. Eine umweltorientierte Energiepolitik wird hier allerdings auf der Basis der Umweltpolitik für möglich gehalten (sub 3.c)). 83 Siehe oben 1.1. 84 Siehe oben I. I. 85 Dazu Kahl, Umweltprinzip und Gerneinschaftsrecht, S. 19. 86 Grabitz /Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 r Rn. 17.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

grundkann auch das gegenwärtige Maß des Umweltschutzes auf lange Sicht nur dann sichergestellt werden, wenn vorbeugende Maßnahmen gegen derzeit lediglich andeutungsweise erkennbare Entwicklungen ergriffen werden. 87 Dies korrespondiert mit dem in Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 2 S. 2 EGV durch den Maastrichter Vertrag aufgenommenen Vorsorgeprinzip, das umweltpolitisches Handeln nicht erst zur Abwendung eines drohenden Schadens erforderlich macht, sondern ein Ansetzen bereits im Vorfeld der Risikovermeidung bedingt. 88 Erst recht beinhaltet den präventiven Umweltschutz die zweite Komponente des Art. 130 r I 174 n. F. Abs. I I . Spiegelstrich EGV, der Schutz der Umwelt. Sie belegt, daß die Umwelt umfassend als Schutzgegenstand erfaßt wird und damit nicht nur repressive, sondern gerade auch präventive Maßnahmen eingeschlossen sind.89 Dieser umfassende Sinn schließt es auch aus, nur den Schutz der Umwelt vor den Menschen angesprochen zu sehen90 und nicht auch etwa vor Naturgefahren. 91 Umweltabkommen der Gemeinschaft können sich somit auf sämtliche Spielarten des repressiven und präventiven Umweltschutzes erstrecken. Es kann sowohl um eine Reduzierung von Einwirkungen des Menschen auf die Umwelt gehen als auch um eine Einschränkung der Auswirkungen oder der Ursachen von Naturgefahren, wobei die Ursachen vielfach auf menschliches Verhalten zurliekzuführen sind bzw. durch dieses verstärkt werden. Insbesondere sind durch diese Zielbestimmungen auch weit in die Zukunft reichende Umweltschutzabkommen gedeckt. Sie werden durch diese umfassende Schutzkonzeption für die Umwelt, die zugleich auf ein hohes Maß zielt, besonders begünstigt. Erhaltung und Schutz der Umwelt auf lange Sicht werden in vielen Bereichen ohne weltweites Zusammenwirken nicht auskommen. 92 So beruht der Klimaschutz maßgeblich auf einer Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen und dem Erhalt von Wäldern; beide Phänomene können nur durch ein weltweites Zusammenwirken und ein daraus resultierendes Bemühen um einen Abbau der Luftverschmutzung angegangen werden. Dies gilt erst recht im Hinblick auf das drittgenannte Element, die Verbesserung der Umweltqualität Dieses Element ist in Verbindung mit der Grundlagenbestimmung des Art. 2 n. F. EGV zu sehen, worin eigens die Gemeinschaft auf die Förderung eines hohen Maßes auch an Verbesserung der Umweltqualität festgelegt ist. Bereits die Erreichung eines hohen Niveaus der Erhaltung und des Schutzes der Umwelt und in besonderem Maße die Verbesserung ihrer Qualität auf hohem Standard ist in vielen Feldern nur möglich, wenn die Gemeinschaft nicht nur auf den 87 So im Ergebnis auch Pieper, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 2839; Grabitzl Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 r Rn. 17. 88 Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 174 Rn. 13. 89 Epiney, Umweltrecht in der EU, S. 98 f.; Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 7. 90 So Grabitz /Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 r Rn. 18. 91 Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 7. 92 Henke, EuGH und Umweltschutz, S. 100.

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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Bereich der EU-Mitgliedstaaten beschränkt bleibt, sondern international agiert. 93 Im Bereich der Luftreinhaltung etwa werden leicht die Bemühungen im Bereich der EU-Mitgliedstaaten zunichte gemacht, wenn aus angrenzenden Gebieten in hohem Umfange Emissionen kommen, die sich dann in schädigenden Immissionen niederschlagen. Um dies zu verhindern, bedarf es zumindest der Abkommen mit angrenzenden Staaten. 94 Eine Verbesserung der Klimaqualität ist ohne ein weltweites Zusammenwirken undenkbar. Somit ist gerade das Element der Umweltqualität auf eine internationale Komponente angewiesen. 95 Dabei muß noch nicht einmal irgendein Idealzustand angestrebt werden,96 sondern dies gilt bereits bei einer angestrebten Verbesserung der aktuellen Standards. In dem vorgenannten Umfang besteht daher eine Außenkompetenz der Gemeinschaft unabhängig davon, ob Rinnenregelungen existieren.

b) Schutz der menschlichen Gesundheit

Der Schutz der menschlichen Gesundheit als Ziel der Umweltpolitik nach Art. 130 r/ 174 n. F. Abs. 1 2. Spiegelstrich EGV bezieht sich zwar aufgrundder systematischen Stellung und eines eigenen Abschnitts über das Gesundheitswesen nach Titel 13 nur auf die umweltbezogenen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. 97 Damit wird allerdings deutlich, daß der Umweltschutz auch die menschliche Gesundheit mit in Betracht ziehen muß.98 Für den internationalen Bereich ist deshalb auch der Abschluß von Umweltschutzabkommen gedeckt, die sich zugleich auf den Schutz der menschlichen Gesundheit beziehen. Ein Beispiel ist die Festlegung von Emissionsgrenzwerten, um die weitere Belastung der Ozonschicht durch Treibhausgase zu begrenzen und so mittelbar auch die weitere Belastung der menschlichen Gesundheit, etwa durch die Abnahme der Qualität der Ozonschicht als UV-Lichtfilter, einzuschränken. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang das Wiener (Rahmen-)Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht99 und insbesondere dessen Montrealer Protoko11 100. 93

Horstig, Die Europäische Gemeinschaft als Partei internationaler Umweltabkomrnen,

s. 84.

94 Zur Notwendigkeit umweltpolitischer Tatigkeit auf europäischer Ebene siehe allg. Sach, in: Rengeling, EUDUR, § 44 Rn. l ff. 95 So allgemeiner Breier; EuR 1993, 340 (341). 96 Darauf bezieht sich die Verbesserung der Umweltqualität nicht, Grabitz / Nettesheim, in: Grabitz I Hilf, Art. 130 r Rn. 21. 97 Eine bloß klarstellende Funktion annehmend daher Grabitz/Nettesheim, in: Grabitzl Hilf, Art. 130 r Rn. 22; ebenso Krämer; in: Groeben I Thiesing I Ehlermann, Art. 130 r Rn. 11; a.A. Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 174 Rn. 7, die dem Gesundheitsschutz im Bereich der Umweltpolitik eine selbständige Bedeutung zuerkennen. 98 Vgl. Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 174 Rn. 7. 99 Vom 22. 3. 1985, BGBI. 1988 II S. 902.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

Die Wiener Konvention enthält neben der generellen Zielsetzung zum Schutz der Ozonschicht in Artikel 2 Absatz I (Schutz der menschlichen Gesundheit und Umwelt vor Veränderungen der Ozonschicht) und Kooperationspflichten für die Vertragsparteien (Art. 2 Abs. 2) im wesentlichen allgemeine Verpflichtungen in Gestalt der Förderung der Forschung (Art. 3) sowie zum Informationsaustausch (Art. 4, 5). Als Rahmenabkommen ist sie ausdrücklich offen gehalten für Protokolle und weitere Ergänzungen (in Art. 8 und 9). Am 16. 9. 1987 wurde in Kanada im Rahmen des UN-Umweltprogramms UNEP das "Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen" (Montrealer Protokoll) unterzeichnet. Der bis heute maßgebliche grundlegende Artikel 2 des Montrealer Protokolls bestimmt die Hauptpflicht der Vertragsstaaten zur Reduktion ozonschichtzerstörender Stoffe und der Entwicklung geeigneter Ersatzsubstanzen. Diese schädlichen Stoffe sind im einzelnen im Anhang A aufgeführt, wobei es sich zunächst um zwei Gruppen, FCKW und Halone, handelte. Dabei war ursprünglich ein Einfrieren des Verbrauchs auf dem Niveau von 1986 (Art. 2 Abs. 1) sowie eine stufenweise Verringerung der Produktion bis Mitte 1999 (Art. 2 Abs. 4) vorgesehen. Die besondere Rolle der Entwicklungsländer wird in Artikel 5 des Protokolls berücksichtigt. Die zweite Vertragsstaatenkonferenz (VSK) in London beschloß im Juni 1990 eine Verschärfung der Ausstiegsanforderungen des Montrealer Protokolls. Nunmehr war wiederum über mehrere Stufen ein Auslaufenlassen von Produktion und Verbrauch bis zum 1. 1. 2000 festgelegt. Darüber hinaus wurden weitere zehn vollhalogenierte FCKW sowie zwei Chlorkohlenwasserstoffe mit dem Ziel eines Ausstiegs bis zum Jahr 2000 bzw. 2005 erlaßt. Außerdem werden weitere 33 teilhalogenierte FCKW unter einer Kategorie Übergangsstoffe ("transitional substances") aufgenommen, die nur unter bestimmten restriktiven Kriterien (keine Ersatzstoffe vorhanden, keine Ausweitung, geringstmöglicher Einsatz und Entsorgung) verwendet werden dürfen. Dem Montrealer Protokoll in der Londoner Fassung (in Kraft seit 10. 8. 92) gehören zur Zeit 137 Staaten an. Die vierte VSK in Kopenhagen bewirkte im November 1992 eine weitere Verschärfung der Vorgehensweise. So wurde für die bereits vom Montrealer Protokoll (in der Londoner Fassung) erfaßten fünf FCKW das Ausstiegsdatum auf den 1. 1. 1996 um vier und für die drei geregelten Halone mit dem 1. 1. 1994 sogar um sechs Jahre vorgezogen. Für die erstmals mit der Londoner Änderung einbezogenen zehn FCKW sowie die beiden Chlorkohlenwasserstoffe wurde der Ausstiegstermin ebenfalls auf den 1. 1. 1996 vorgezogen. Zusätzlich wurden neue ozonschädliche Substanzen aufgenommen sowie ein schrittweiser Ausstiegsfahrplan für diese teilhalogenierten FCKW (bis 2030) und teilbromierte FCKW (1. 1. 1996) festgelegt.

wo Vom 16. 9. 1987, BGBI. 1988 II S. 1015.

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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Auf der neunten VSK im September 1997 in Montreal wurde das Montrealer Protokoll durch Modifikation v. a. seines Artikel 4 angepaßt. Dieser enthält nun Im- und Exportverbote für den Handel mit Nicht-Vertragsparteien mit Chemikalien des Annex E und die Einführung eines Lizensierungssystems für bestimmte Substanzen. Für Methylbromid wurde ein Ausstieg zum 1. 1. 2005 festgelegt. Dieses Regelungsgeflecht zeigt, daß Maßnahmen des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes schwer von nur oder schwerpunktmäßig Umweltschutzzwecke verfolgenden abzugrenzen sein können. Dies ist aber auch nicht notwendig, weil in jedem Fall die Umweltkompetenz greift. Hingegen bedarf es einer Abgrenzung zur handelspolitischen Kompetenz nach Art. 113/133 n. F. EGV, weil nunmehr in dem untersuchten Abkommen auch Im- und Exportverbote enthalten sind. 101 Die umweltpolitische Zielsetzung steht aber im Vordergrund. 102

c) Rohstoffbezug

Die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen nach Art. 130 r/ 174 n. F. Abs. 1 3. Spiegelstrich EGV weist auf einen vorsichtigen und damit verantwortungsvollen sowie wirtschaftlichen, das heißt eine wirksame Ausbeute bzw. Nutzung versprechenden Umgang mit den Umweltmedien 103 wie auch der Bodenschätze. 104 Inhaltlich angesprochen ist mit dieser Zielbestimmung somit die Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklung, 105 die als wesentliche Elemente das Bewußtsein der Endlichkeit der den Menschen zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen und die intendierte Möglichkeit der Nutzung dieser Ressourcen auch durch zukünftige Generationen enthält. 106 Von der Reichweite wird insbesondere auch das Umweltmedium umfaßt, das vor allem langfristig in erster Linie durch eine internationale Koordination der Bemühungen zu schützen ist, die Luft. Aber auch die Primärrohstoffe wie Öl und Gas können auf lange Sicht nur durch eine weltweite Betrachtung und damit durch ein internationales Zusammenwirken gesichert werden. Diese Primärrohstoffe sind Gegenstand von Handelsbeziehungen, und vielfach werden in entfernten Erdregionen neue Vorkommen entVgl. oben A.1.3. Allgemein zur Abgrenzung von Handels- und Umweltkompetenz unten A.III.2.c). 103 Das heißt Luft, Wasser und Boden einschließlich der Pflanzenwelt, Viertes Aktionsprogramm für den Umweltschutz Nr. 5.2., ABI. 1987 C 328, S. 5; Hoppe/Matuschak, in: Festschrift zum 180-jährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, S. 331 (339); Krämer; in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 130 r Rn. 20 f. ; Schröer; Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, S. 44. 104 Näher Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 9. 105 Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 174 Rn. 8. 106 Breier; ZfU 1997, 131 (131); Kirchgässner; ZfU 1997, 1 (5 f.). Ausführlich zum theoretischen Hintergrund und der Ausformung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung im Europarecht Frenz / Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, passim. 101

102

4 Frenz

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

deckt. 107 Daher ist eine Gesamtbetrachtung angezeigt. Entsprechend bedeutsam sind völkerrechtliche Abkommen. Das gilt auch und gerade für den Energieverbrauch als spezifischer Nutzungsform von Rohstoffen. Daß die Energiepolitik auf der Basis der Umweltpolitik möglich ist, wird damit bereits durch eine weite Interpretation des Begriffes "Verwendung der natürlichen Ressourcen" angezeigt. Vollends deutlich wird dies durch Art. 130 s/l75 n. F. Abs. 2 S. I 3. Spiegelstrich EGV: Bedürfen Maßnahmen, welche die Wahl eines Mitgliedstaats zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung erheblich beriihren, der Einstimmigkeit, liegen entsprechende Maßnahmen auch im Kompetenzbereich der Gemeinschaft. 108 Nur durch eine internationale Regelung können die weltweiten Auswirkungen des Energieverbrauchs insbesondere auf den Klimaschutz bewältigt werden.

d) Spezifisch benannte internationale Dimension Art. 130 r I 174 n. F. Abs. 1 4. Spiegelstrich EGV nennt die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme ausdrucklieh als Ziel der Umweltpolitik der Gemeinschaft. Damit wird die besondere Verantwortung der Gemeinschaft für regionale und globale Umweltbelange herausgestellt und dieser Politik eindeutig eine internationale Dimension zugewiesen. 109 Sie unterstreicht die bereits bei den vorstehenden Elementen herausgearbeitete Notwendigkeit eines Agierens der Gemeinschaft auf völkerrechtlicher Ebene aufgrund grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen 110 und -auswirkungen. Regionale Umweltprobleme werden dabei insbesondere durch zweiseitige Abkommen mit Einzelstaaten sowie gebietsmäßig beschränkte Abkommen geregelt werden. Globale Umweltprobleme werden hingegen in erster Linie im Rahmen von internationalen Abkommen erfaßt werden können. 1 11 Zusätzlich betont wird die Mitwirkung der Gemeinschaft in internationalen Organisationen in Art. 130 r /l74 n. F. Abs. 4 UAbs. 1 S. 1 EGV. 112 Bezieht man ein, daß 107 Zu den Folgen für die Interpretation des Art. 130 r /174 n. F. Abs. 1 3. Spiegelstrich EGV näher Frenz. Sustainable Development durch Raumplanung, S. 32 ff. 108 Jüngst unter Einbeziehung der sich aus der Arnsterdamer Vertragsänderung ergebenden Aspekte Frenz. EuR 1999, 27 (36), rn. w. N. aus der früheren Literatur. Damit ist unschädlich, daß eine Energiepolitik nicht als eigenständige Politik in die Gemeinschaftsverträge aufgenommen wurde. Siehe näher auch unten B.III.l.b ). 109 Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 174 r Rn. 9. I IO Zur generellen Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit im Umweltbereich bei grenzüberschreitenden Urnweltbeeinträchtigungen: Horstig, Die Europäische Gerneinschaft als Partei internationaler Umweltabkornrnen, S. 123; Henke, EuGH und Umweltschutz, S. 100. III Horstig. Die Europäische Gemeinschaft als Partei internationaler Umweltabkornrnen, S. 83 f. ; Schmidhuber; DVBI. 1993,417 (419 f.). 112 Siehe oben 1.1.

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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Art. 2 n. F. EGV als Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft die Förderung eines hohen Maßes an Umweltschutz und der Verbesserung der Umweltqualität vorsieht, wird eine zahlreiche Mitwirkung der Gemeinschaft an völkerrechtlichen Abkommen nahegelegt, und zwar insbesondere an solchen, die auf ein hohes Umweltschutzniveau zielen. Soweit die Gemeinschaft an Verhandlungen beteiligt ist, ist sie vor diesem Hintergrund aufgerufen, auf ein hohes Niveau bei völkerrechtlichen Abkommen hinzuwirken. 4. Atomsektor

a) Umweltbezug

Maßnahmen und Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane auf dem Atomsektor finden ihre Grundlage maßgeblich im EAGV. 113 Unter Berücksichtigung der mit der Nutzung der Kernenergie verbundenen Gefahrenpotentiale stellen die mit der Nutzung der Kernenergie immanent verbundenen weitreichenden Umweltauswirkungen Ansatzpunkte dar, die ein Einbeziehen in den Rahmen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik nach dem EGV nahelegen. 114 Aufgrund der angelegten grenzüberschreitenden umweltrelevanten Auswirkungen, deren Folgen sich bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zeigten, 115 gilt dies auch und gerade für die Außenkompetenzen im Umweltbereich. b) Weiter Anwendungsbereich des EAGV

Der Anwendungsbereich des EAGV ist indes nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof weit auszulegen. 116 Danach werden auch Sachverhalte mit eindeutigen Bezügen zu den anderen Politiken der Gemeinschaft dann ausschließlich dem Atombereich zugeordnet, wenn ihre primäre Ausrichtung dem vom Europäischen Gerichtshof aus Art. 30 ff. EAGV abgeleiteten Ziel, einen lückenlosen und wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlen sicherzustellen, 117 entspricht, das Hauptgewicht einer Maßnahme also auf dem atomrechtlichen Bezug zum Gesundheitsschutz liegt. Der Europäische Gerichtshof hat hingegen ein Abstützen auf die außenhandelspolitische Kompetenz 11 8 bei Verordnungen für zulässig erachtet, die Beschränkun11 3 Grabitz!Nettesheim, in: Grabitz/ Hilf, Art. 130 s Rn. 238; Kloepfer; Umweltrecht, § 9 Rn. 57. 114 Henke, EuGH und Umweltschutz, S. 109. 115 Dazu Grunwald, EuR 1986, 315 (315 f.). 116 EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 117 EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566) - "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 118 EuGH, Slg. 1990, 1-1527 (1559) -Tschernobyl; krit. Schroeder; DVBI. 1995, 322 (325).

4*

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

gen für die Ein- und Ausfuhr radioaktiv belasteter Lebensmittel enthalten. 119 Der EAGV weist keine Bestimmungen auf, die den Handel mit Drittländern betreffen, so daß der Europäische Gerichtshof zutreffend eine Handlungsbefugnis aus Art. 113 I 133 n. F. EGV in diesen Fällen für gegeben hielt. 120 In diesem Rahmen ist dann auch im Außenverhältnis eine Abstützung in Art. 113 I 133 n. F. EGV und eine Zuordnung der Maßnahme zur gemeinsamen Handelspolitik möglich. 121 Soweit zur Lösung etwaiger Gefahren oder Probleme im Atombereich die Notwendigkeit eines gemeinsamen Handeins der Gemeinschaft auf völkerrechtlicher Ebene besteht, eröffnen Art. 101 ff. EAGV der Gemeinschaft ein eigenständiges, an Art. 228 I 300 n. F. EGV angelehntes Verfahren, 122 regionale oder globale Probleme im Rahmen internationaler Abkommen zu erfassen, und unterstreichen so gleichzeitig deren Notwendigkeit.

c) Gesundheitsschutz und Umweltschutz Nach Art. 30 ff. EAGV werden in der Gemeinschaft Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgesetzt. Auszuarbeiten sind diese Grundnormen gemäß Art. 31 EAGV von der Kommission nach Stellungnahme eines Sachverständigenausschusses.1 23 Auf Vorschlag der Kommission legt der Rat anschließend gemäß Art. 31 Abs. 2 EAGV die Grundnormen mit qualifizierter Mehrheit fest. Von den Mitgliedstaaten sind weiter geeignete Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die die Beachtung der Grundnormen sicherstellen (Art. 33 EAGV). Damit korrelieren die in Art. 30 ff. EAGV vorgesehenen Anforderungen an den von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Nutzung der Kernenergie zu beachtenden Gesundheitsschutzmit der in Art. 2 b) EAGV genannten Aufgabe der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom), einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung aufzustellen. 124 Bei der Bestimmung der umweltrechtlichen Kompetenzen, die sich aus dem EAGV ergeben, ist dabei gleichwohl zu berücksichtigen, daß der Gesundheits119 VO 1388/86 (EWG) vom 12. 5. 1986, ABI. 1986 L 127, S. I; VO 686/95 (EG) vom 28. 3. 1995, ABI. 1995 L 71, S. 15, betreffend der Einfuhr verstrahlter landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus den Nachbarstaaten der Ukraine; VO 2219/89 (EWG) vom 18. 7. 1989, ABI.l989L2ll,S.l. 12o So bereits EuGH, Slg. 1987, 1493 (1521 f.)- Allg. Zollpräferenzen für Waren aus Entwicklungsländern. 121 Vgl. die Darstellung bei Schmidtl Kahl, in: Rengeling, EUDUR, § 90 Rn. 64 ff. 122 Siehe näher zum Verfahren nach Art. 101 ff. EAGV vorerst: Oppermann, Europarecht, Rn. 1717. Ausführlicher in dieser Studie sub B.II.3. 123 Zur Festlegung von "Grundnormen" für den Gesundheitsschutz siehe die Darstellung bei Haedrich, NVwZ 1993, 1036 (1041). 124 Vgl. Breier, in: Rengeling, EUDUR, § 13 Rn. 41 ff.

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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schutz i. S. d. Art. 30 ff. EAGV begrifflich und inhaltlich nicht alle Aspekte erfaßt, die unter den Begriff der nuklearen Sicherheit zu subsumieren sind. Wahrend das Schutzziel des Gesundheitsschutzes ausschließlich die körperliche Unversehrtheit von Menschen ist, bezieht der Begriff nukleare Sicherheit (nuclear safety) den Schutz von Sachen, des Vermögens oder der Umwelt als Ganzes ein. Insbesondere im Kontext internationaler Übereinkünfte und Verhandlungen, die sich auf den Atombereich beziehen, wird unter nuklearer Sicherheit ein Komplex von Maßnahmen organisatorischer, technischer und finanzieller Art verstanden, die mehr als nur die körperliche Unversehrtheit des Menschen betreffen. 125 Danach umschreibt der Begriff nukleare Sicherheit eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen, die neben dem reinen Gesundheitsschutz insbesondere auf die Sicherheit von Anlagen und Tätigkeiten abzielen. 126 Der EAGV verwendet den Begriff nukleare Sicherheit jedoch nicht in diesem weiten Sinne. Art. 30 ff. EAGV nennen lediglich die Festsetzung von Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen. Auch in den anderen Vorschriften des EAGV ist eine Bezugnahme auf den umfassenderen Begriff der nuklearen Sicherheit nicht gegeben. Mithin stellt der Gesundheitsschutz bzw. der Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Menschen vor radioaktiver Belastung nur einen Aspekt der nuklearen Sicherheit dar, für die sich eine umfassende Regelungskompetenzaus dem EAGV nicht ableiten läßt. 127 Da die Fähigkeiten des Menschen, sich für ihn ungünstigen Veränderungen der Umwelt anzupassen, beschränkt sind, stellen Umweltbeeinträchtigungen jedoch grundsätzlich auch Gefahren und schädigende Einflüsse auf die menschliche Gesundheit dar. 128 Entsprechend sind auch aus der Nutzung der Kernenergie resultierende Umweltbeeinträchtigungen als die menschliche Gesundheit potentiell gefährdende Faktoren in den Anwendungsbereich der Art. 30 ff. EAGV einzubeziehen. Der Schutz der menschlichen Gesundheit als Ziel nach Art. 30 ff. EAGV erfaßt aufgrund der systematischen Stellung im EAGV und eines eigenen Abschnitts über das Gesundheitswesen in Art. 129 I 152 n. F. EGV nur die mit der Nutzung der Kernenergie verbundenen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. 129 InSiehe dazu ausführlich Pelzer. in: Rengeling, EUDUR, §59 Rn. 19. Vgl. etwa die Definition im Code on the Safety of Nuclear Power Plants: Operation, IAEA Series No. 50-C-0 (Rev. 1), Wien 1988, S. 4: "The achievement of proper operating conditions, prevention of accidents or mitigation of accident consequences, resulting in protection of site personnel, the public and the environment from undue radiation hazards.". 127 Pelzer, in: Rengeling, EUDUR, §59 Rn. 19. 128 Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 Rn. 22; allgemein Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 3. 129 Siehe zur vergleichbaren Einordnung des Gesundheitsschutzes in den Regelungsbereich des XVI. bzw. XIX. Titels n. F. EGV (Umwelt) oben 3.b) und insbes. Krämer; in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 130 r Rn. 11, der die Erwähnung in Art. 130 r Rn. ll für eine bloße Tautologie hält. 12s

126

A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

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dem aber diese nuklearbedingten Folgen für die Gesundheit durch einen lückenlosen und wirksamen Schutz vor den Gefahren durch ionisierende Strahlen umfassend ergriffen werden sollen, 130 sind die insoweit relevanten Umweltauswirkungen voll erlaßt. Führt die Nutzung der Kernenergie erst einmal zu Umweltauswirkungen, wird davon regelmäßig auch der Gesundheitsschutz beriihrt. So führte der Reaktorunfall im ukrainischen Tschernobyl am 26. April 1986 aufgrundder freigesetzten Strahlen, die durch den Wind bis nach Westeuropa getragen wurden, insbesondere in Skandinavien zu radioaktiven Umweltbelastungen. 131 Zugleich erwuchsen daraus gesundheitsgefährdende Belastungen jedenfalls über die Kontaminierung von Lebensmitteln. Daher ist die sich aus den über Umweltbeeinträchtigungen eintretenden Gesundheitsgefährdungen ergebende Reichweite des atombezogenen Aktionsraums sehr groß. Die Nutzung der Kernenergie muß die umweltbedingten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit mit in Betracht ziehen. Ausgehend von dieser Binnenkompetenz ist deshalb für den internationalen Bereich auch der Abschluß von Nuklearabkommen gedeckt, die sich zugleich auf den Schutz der menschlichen Gesundheit beziehen und in diesem Rahmen auch umweltbezogene Vorgaben enthalten. Damit eröffnen sich der Gemeinschaft zugleich weitere Spielräume im Hinblick auf den mit der Nutzung der Atomenergie verbundenen Gesundheitsschutz. Das vom Europäischen Gerichtshof132 geforderte hohe Maß des anzusetzenden lückenlosen Gesundheitsschutzes kann auf lange Sicht nur dann sichergestellt werden, wenn vorbeugende Maßnahmen auch gegen derzeit lediglich andeutungsweise erkennbare Entwicklungen und Gefahren für die menschliche Gesundheit ergriffen werden, die auch die mittelbare Folge von Umweltbeeinträchtigungen sein können. Dies beinhaltet jedoch, daß der Gemeinschaft die Möglichkeit gegeben sein muß, auch in einem internationalen Kontext vorsorgend tätig sein zu können. 133 d) Notwendigkeit internationaler Kooperation

Eine intensive internationale Kooperation ist zur Erreichung eines ausreichenden Schutzes vor den Gefahren der Nutzung der Kernenergie in der Gemeinschaft

no Siehe oben 4.b). Siehe dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 15 Rn. 1; Zehetner, UPR 1986, 201 (326 ff.); Grunwald, EuR 1986, 315 (315 ff.). 132 EuGH, S1g. 1991,1-4529 (4566)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 133 Die Reichweite der sich aus Art. 30 ff. EAGV ergebenden Gemeinschaftskompetenzen ist wegen der naturgemäß schwierigen Bestimmung des Schutzziels einer Maßnahme oder einer Norm im Rahmen eines internationalen Übereinkommens oftmals zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission umstritten. So hat die Kommission vor dem EuGH Klage wegen Teilanfechtung der im Anhang des Mandats zur Zeichnung der Nuklearen Sicherheitskonvention enthaltenen Kompetenzerklärung erhoben:The Commission of the European Communities against the Council of the European Union, EuGH case C-29 I 99. 131

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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nicht nur möglich, sondern erforderlich. 134 Angesichts der nahen räumlichen Verbundenheit der Gemeinschaft mit Drittstaaten wäre eine isolierte Strahlenschutzpolitik der Gemeinschaft in diesem Bereich wegen der grenzüberschreitenden Wirkungen möglicher atomarer Unfälle oder Belastungen ineffektiv bzw. nicht realisierbar.135 Die massiven grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen als Folge des Reaktorunfalls von Tschernobyl belegen, daß effektiver atomarer Sicherheits- und Umweltpolitik per se ein internationaler Handlungsrahmen immanent ist.l36

e) Grenzen am Beispiel eines Ausstiegs aus der Kernenergie Gleichwohl unterliegt die sich aus Art. 30 ff. EAGV ergebende Kompetenz der Gemeinschaft im Außenbereich Einschränkungen. Das vom Europäischen Gerichtshof137 geforderte hohe Maß des anzusetzenden lückenlosen Gesundheitsschutzes vermag nicht, auf Art. 30 ff. EAGV gestützte internationale Übereinkommen kompetentiell zu tragen, die der originären Zielsetzung des EAGV nicht entsprechen. Primäre Aufgabe der Europäischen Atomgemeinschaft ist gemäß Art. 1 EAGV die Schaffung der für die schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen Voraussetzungen, um zur Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und der Entwicklung der Beziehungen mit Drittstaaten beizutragen. 138 Die Bildung und Entwicklung von Kernindustrien wird bei einem Ausstieg jedenfalls mit dessen endgültigem Vollzug gänzlich unterbunden. Folglich ist es der Gemeinschaft etwa verwehrt, sich durch einen auf Art. 30 ff. EAGV gestützten Rechtsakt zum Ausstieg aus der Kernenergie oder zur Einhaltung von Sicherheitsstandards auf einem Niveau zu verpflichten, das einem Ausstieg gleichkäme. Ausgeschlossen ist damit gleichwohl nur, daß durch den Abschluß von auch auf Art. 31 EAGV gestützten Nuklearabkommen, die sich zugleich auf den Schutz der menschlichen Gesundheit beziehen und in diesem Rahmen umweltrelevante Vorgaben enthalten, auf Gemeinschaftsebene der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie vorgege134 So Schroeder; DVBI. 1995, 322 (329), der weitergehend den Erfordernissen eines effektiven Strahlenschutzes den Vorrang vor der Förderung der Kernenergie einräumen will; vgl. Pemice, EuZW 1993, 497 (498). 135 Horstig, Die Europäische Gemeinschaft als Partei internationaler Umweltabkommen, S. 123; Henke, EuGH und Umweltschutz, S. 100; Schroeder; DVBI. 1995, 322 (329). 136 Demgemäß umfaßt Art. 101 EAGV die Befugnis der Gemeinschaft, im Bereich der Versorgung, Sicherheitsüberwachung und Forschung Abkommen mit dritten Staaten und internationalen Organisationen zu schließen. So ohne nähere Begründung Henke, EuGH und Umweltschutz, S. 109. 137 EuGH, Slg. 1991,1-4529 (4566)- .,Post-Tschernobyl"-Verordnung. 138 Siehe zu den aus der Präambel und Art. 1 und 2 EAGVabzuleitenden Zielen und Aufgaben der Euratom m. w. N. Borgmann, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen des Ausstiegs aus der Kernenergie, S. 402 f.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

ben wird. Dies gilt auch dann, wenn den Strahlenschutz betreffende Maßnahmen einbezogen werden. Da sich das bereits angesprochene Ziel der Atomgemeinschaft, nämlich die Bildung und Entwicklung der für Kernindustrien erforderlichen Voraussetzungen, nur auf die Atompolitik der Gemeinschaft bezieht, enthält der EAGV jedenfalls keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Nutzung der mit Hilfe der primären Kernenergie sekundär gewonnenen elektrischen Energie. 139 Eine umfassende atomrechtliche Zuständigkeit steht der Atomgemeinschaft demnach schon im Hinblick auf die beschränkte Zielsetzung nach Art. 1 Abs. 2 EAGV nicht zu. Korrespondierend dazu sind als Mittel nur eine gemeinschaftliche Forschung, ein gegenseitiger Kenntnisaustausch und eine gemeinschaftliche Versorgung mit Kernbrennstoffen aufgeführt. Eine ländernbergreifende gemeinschaftliche Stromerzeugung ist hingegen nicht festgelegt. 140 Gemäß Art. 4 EAGV wird die Euratom nur fördernd tätig und unterstützt die Mitgliedstaaten etwa durch gemeinschaftliche Forschungs- und Ausbildungsprogramme bei der Ausgestaltung ihrer Kernindustrien. 141 Damit bleibt die Entscheidung über die Nutzung der Kernenergie als solche und auch deren Verantwortbarkeit im Hinblick auf das gegebene Gefährdungspotential für Umwelt und Gesundheit des Menschen den Einzelstaaten überlassen, ohne daß der Ausstieg eines Mitgliedstaates aus der Kernenergie einen Verstoß gegen die Vorgaben des EAGV bedeuten würde. 142 Eine entsprechende Verpflichtung der Gemeinschaft, die zugleich den Mitgliedstaaten eine Nutzung oder umgekehrt einen Ausstieg vorgeben würde, wäre daher gemeinschaftsrechtswidrig. f) Nähere Abgrenzung anhand der Nuklearen Sicherheitskonvention (NSC) Die vorstehenden grundsätzlichen Erwägungen entbinden nicht von einer Abgrenzung im Einzelfall. Diese kann sich im Atombereich deshalb als sehr schwierig darstellen, weil sich der EAGV nach Art. 30 ff. nicht auf alle unter den Begriff der nuklearen Sicherheit zu fassenden Aspekte bezieht, sondern nur auf den Schutz der Gesundheit vor radioaktiver Belastung. Anschauliches Bespiel für diese Schwierigkeiten ist die Nukleare Sicherheitskonvention. 143 Mit dieser Konvention wurde Anfang der 90er Jahre erstmals im internationalen Bereich eine völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung geschaffen, international anerkannte Grundsätze der Reaktorsicherheit im nationalen Bereich anzuwenden. Der Bereich der Reaktorsicherheit wurde bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich von nationalen Bestim139 Schroeder; 140

DVBI. 1995, 322 (328 f.).

Borgmann, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen des Ausstiegs aus der Kernenergie,

s. 405. 141

Schroede r; DVBI. 1995, 322 (328 f.). EuZW 1993,497 (498); Schroede r; DVBI. 1995, 322 (329).

142 Pemice,

143 Convention on Nuclear Safety (NSC), IAEA-Dokument INFCIRC/449, 5. Juli 1994, abgedruckt in: ILM 1994, S. 1518 ff.

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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mungen geregelt. Mit der NSC sollte dieser auch einer internationalen Kontrolle zugeführt werden. Vom 2. bis zum 6. September 1991 fand vor dem Hintergrund des Reaktorunglücks von Tschernobyl vom 26. April 1986 144 und der veränderten Machtverhältnisse in Mittel- und Osteuropa die "Internationale Konferenz über die Sicherheit in der Kernkraft: Strategien für die Zukunft" unter der Schirmherrschaft der International Atomic Energy Agency (IAEA) 145 in Wien statt. 146 Nach rund zweieinhalbjährigen Verhandlungen wurde der Text der Nuklearen Sicherheitskonvention auf der vom 14. bis 17. Juni 1994 in Wien stattfindenden Internationalen Diplomatischen Konferenz, an der 83 Staaten teilnahmen, fertiggestellt und angenommen. Ab dem 20. September 1994 lag die NSC bei der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien zur Zeichnung auf. 147 Das Übereinkommen trat am 24. Oktober 1996 in Kraft. Alle Mitgliedstaaten der EAG haben die NSC inzwischen ratifiziert, auch die Bundesrepublik Deutschland, 148 wobei Dänemark dies im Dezember 1998 als letzter Mitgliedstaat tat. 149 aa) Inhalt ( 1) Grundlegende Zielsetzung

Die Präambel der NSC hebt die Bedeutung der Gewährleistung einer sicheren, gut geregelten und umweltverträglichen Nutzung der Kernenergie für die internationale Staatengemeinschaft hervor. Die Absicht, eine wirksame nukleare Sicherheitskultur zu fördern, wird bekräftigt. Auch werden das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial 150, das Übereinkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfallen 151 und das Übereinkommen über die ge-

144 Als unmittelbare Reaktionen auf den Unfall wurden im Jahre 1986 das Übereinkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen vom 26. September 1986 (IAEA-Dokument INFCIRC/335) und das Übereinkommen über die gegenseitige Hilfeleistung bei nuklearen Unfällen oder radiologischen Notfallen vom 26. September 1986 (IAEADokument INFCIRC /336) zur Zeichnung aufgelegt, beide in Deutschland in Kraft seit dem 15. Oktober 1989, BGBI. II 1993, Nr. 34. 145 Siehe http://www.iaea.org/. 146 Siehe dazu den von der Kommission vorgelegten Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Genehmigung zum Abschluß des Ubereinkommens über die nukleare Sicherheit durch die Europäische Atomgemeinschaft vom 19. 9. 1994, KOM(94) 362 endg. /Ratsdok.Nr. 9273/94. 147 http://www.iaea.org I worldatom I glance /legal/ nukesafety.html. 148 Siehe BGBI. II 1997, Nr. 2 und Nr. 14. 149 http://www.iaea.org I worldatom I glance /legal/ nukesafety.html; vgl. Aide-Memoire des Generalsekretariats des Rates vom 8. 2. 1999, Dok. SN 1722/99 (ATO) OR. F. 150 Übereinkommen vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz von Kemmaterial, BGBI. II 1990, S. 326; BGBI. II 1995, Nr. 11. 151 IAEA-Dokument (INFCIRC/335), BGBI. II 1993, Nr. 34.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

genseitige Hilfeleistung bei nuklearen Unfällen oder radiologischen Notfällen 152 ausdrücklich in Bezug genommen. Erklärtes Ziel der NSC ist die Schaffung und Beibehaltung wirksamer Abwehrvorkehrungen gegen mögliche radiologische Gefahren, die Erreichung und Beibehaltung eines weltweit hohen Standards nuklearer Sicherheit und die Verhütung von Unfällen mit radiologischen Folgen (Art. I UAbs. i-iii NSC). 153 Unter den Allwendungsbereich des Übereinkommens fallen ortsgebundene zivile Kernkraftwerke. Einbezogen werden dabei Vorrichtungen für die Lagerung, Handhabung und Bearbeitung radioaktiven Materials, das sich auf dem Gelände des Kernkraftwerks befindet und mit dem Betrieb unmittelbar zusammenhängt (Art. 2 NSC). Die NSC legt den Vertragsstaaten Verpflichtungen auf, die der Erreichung des Vertragsziels dienen sollen, beschränkt sich jedoch auf allgemeine Grundsätze der Reaktorsicherheit. Letztere basieren im wesentlichen auf den sogenannten Safety Fundamentals154 der IAEO. (2) Einzelne Bestimmungen

Mit Unterzeichnung und Ratifizierung der NSC verpflichten sich die Vertragsstaaten, die in den Safety Fundamentals der IAEO festgelegten technischen Grundsatzbestimmungen in ihr nationales Recht umzusetzen, soweit noch erforderlich. Inhaltlich geht es dabei etwa um die von staatlichen Stellen bei der Kontrolle von Kernkraftwerken wahrzunehmenden Aufgaben und um Vorgaben für die jeweiligen nationalen gesetzlichen Rahmenbestimmungen (Art. 7 Abs. 2 NSC). 155 Weiter werden die vertragschließenden Parteien verpflichtet, Sorge dafür zu tragen, daß allgemeine Sicherheitsüberlegungen beachtet werden (Art. 9 und lO NSC), hinreichend finanzielle Ressourcen und qualifiziertes Personal in jeder Anlage zur Verfügung stehen (Art. 11 NSC), Qualitätssicherungsprogramme (Art. 13 NSC) eingeführt, Notfallschutzmaßnahmen vorgesehen (Art. 16 NSC) und bestimmte allgemeine Grundsätze bei der Standortwahl (Art. 17 NSC), bei der Auslegung (Art. 18 NSC) und beim Betrieb der Anlage (Art. 19 NSC) beachtet werden. Außerdem verpflichten sich die Vertragsparteien, die Sicherheit ihrer vorhandenen, in den Allwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Anlagen zu überprüfen und diese notfalls nachzurüsten oder sogar stillzulegen. Dabei sind allerdings weitere Faktoren wie die Lage der Energieversorgung in dem betroffenen Vertragsstaat und soziale und wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen (Art. 6 NSC).

152 IAEA-Dokument (INFCIRC/336), BGBI. II 1993, Nr. 34. 153 Siehe auch den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit, BT-Drs. 13/5018. 154 The Safety of Nuclear Installations, IAEA Safety Series No. 110, 1993. 155 Siehe dazu die Denkschrift zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit, BT-Drs. 13/5018.

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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In Artikel 14 der NSC wird den Vertragsstaaten die Verpflichtung auferlegt, umfassende und systematische Sicherheitsbewertungen von der Errichtungsphase bis zum Betriebsende vorzunehmen. Diese Bewertungen sind von den Parteien des Übereinkommens zu dokumentieren, damit mit Hilfe der gewonnenen Erfahrungen der Stand der Sicherheit fortentwickelt werden kann. So soll durch Analyse, Überwachung und Erprobung sichergestellt werden, daß der physische Zustand und der Betrieb einer Kernanlage entsprechend seiner Auslegung und den geltenden innerstaatlichen Sicherheitsanforderungen, Grenzwerten und Bedingungen überprüft wird. Weiter wird der international anerkannte Strahlenschutzgrundsatz "so gering wie vernünftigerweise möglich" 156 durch Art. 15 NSC zur ausdrücklichen Vertragsverpflichtung der Teilnehmerstaaten erklärt. Zugleich verpflichtet er die Vertragsparteien, Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, daß niemand einer Strahlendosis ausgesetzt wird, die die innerstaatlich vorgeschriebenen Grenzwerte überschreitet. Die Vertragsparteien müssen nach Art. 16 NSC Notfallpläne innerhalb und außerhalb der Kernanlage vorbereiten und überprüfen sowie der eigenen Bevölkerung die entsprechenden Informationen für die Notfallplanung und -bekämpfung geben. Ferner haben sie sicherzustellen, daß Nachbarstaaten, soweit sie von einem strahlungsbedingten Notfall betroffen werden können, die Möglichkeit zu Konsultationen erhalten und die entsprechenden Informationen für die Notfallplanung und -bekämpfung erhalten. Artikel 16 NSC erfaßt auch Vertragsstaaten, die in ihrem Gebiet keine Kernanlage haben, aber von einem Notfall in der Kernanlage eines Nachbarstaates betroffen sein könnten. Diese Staaten haben ebenfalls geeignete Notfallmaßnahmen für ihr Gebiet zu treffen (Art. 16 Abs. 3 NSC). Die Vertragsstaaten müssen bei der Standortwahl alle standortbezogenen einschlägigen Faktoren berücksichtigen, die auf die Sicherheit der Kernanlage Auswirkungen haben könnten (Art. 17 UAbs. i NSC). Entsprechend müssen sie auch hinsichtlich der Standortwahl die notwendigen Informationen an Nachbarstaaten weiterleiten (Art. 17 UAbs. iv NSC). Die NSC sieht ferner vor, daß die Umsetzung des Übereinkommens auf mindestens alle drei Jahre stattfindenden Überprüfungstagungen bzw. -konferenzen der Vertragsstaaten kontrolliert wird (Art. 20 ff. NSC). Von den Vertragsstaaten sind Berichte über die Umsetzung des Übereinkommens im nationalen Bereich vorzulegen, die dann von den Vertragsstaaten diskutiert werden. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, an den Überprüfungskonferenzen teilzunehmen. Hintergrund der Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Teilnahme an den Konferenzen und der Berichtspflicht sowie die gemeinsame Diskussion der Berichte ist, daß die Staaten angehalten werden sollen, sich vertragsgerecht zu verhalten (Peer Group Review).157 156

Das sogenannte alara-(as low as reasonably achievable)Prinzip.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

Das Übereinkommen steht zur Zeichnung durch alle Staaten offen, unabhängig davon, ob sich Kernanlagen in ihrem Hoheitsgebiet befinden. Eröffnet ist die Beitrittsmöglichkeit nach Art. 30 Abs. 4 UAbs. i NSC auch regionalen Organisationen, die aus souveränen Staaten gebildet sind und Integrations- oder anderen Charakter besitzen. Zudem ist Voraussetzung, daß sie für das Aushandeln, den Abschluß und die Anwendung internationaler Übereinkünfte im Hinblick auf die von der NSC erfaßten Angelegenheiten zuständig sind. Als internationale Organisation im Sinne von Art. 30 Abs. 4 UAbs. i ist damit auch die Euratom zur Zeichnung berechtigt, soweit ihre Kompetenzbereiche von der NSC betroffen sind. bb) Kompetenzgefüge Gemeinschaft - Mitgliedstaaten Zu prüfen ist somit, inwieweit die NSC Regelungsbereiche umfaßt, die dem Zuständigkeitsbereich der Europäischen Atomgemeinschaft unterfallen. Ansatzpunkte sind die Vorgaben der NSC, die die Aufstellung von Strahlenschutz- und einheitlichen Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und deren Umsetzung in innerstaatliches Recht in Bezug nehmen. ( 1) Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Strahlenschutz

Die Europäische Atomgemeinschaft übt gemäß Art. 2 b und Art. 30 EAGV die Befugnis zur Festlegung von Strahlenschutznormen aus. Danach hat die Gemeinschaft "einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte aufzustellen und für ihre Anwendung zu sorgen". Nach Art. 30 EAGV sind in der Gemeinschaft Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festzusetzen. Die zur Zeit in der Gemeinschaft gültigen Grundnormen sind in der Richtlinie des Rates 96 I 29 I Euratom vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen, im folgenden Sicherheitsnormenrichtlinie genannt, festgelegt. 158 Sie werden durch weitere einschlägige Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zum Gesundheitsschutz ergänzt.159 157 Zwischen den Vertragsstaaten der NSC bestand bereits während der Verhandlungen hinsichtlich der Eignung der Peer Group Review als Instrument zur Gewährleistung der Einhaltung der vorgesehenen Sicherheitsregeln Einigkeit. Siehe die Denkschrift zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit, BT-Drs. 13/5018. 158 ABI. 1996 L 159, S. I. 159 Vgl. die Aufzählungen in dem Vorschlag_ der Kommission für einen Beschluß des Rates über die Genehmigung zum Abschluß des Ubereinkommens über die nukleare Sicherheit durch die Europäische Atomgemeinschaft, KOM(94) 362 endg. / Rats-Dok. Nr. 9273/94 und dem Vorschlag für einen Beschluß des Rates über Direktiven für die Aushandlung eines in-

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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Die NSC hat nach Art. I UAbs. ii zum Ziel, den einzelnen, die Gesellschaft und die Umwelt vor möglichen schädlichen Auswirkungen der von Kernanlagen ausgehenden ionisierenden Strahlungen zu schützen, indem in solchen Anlagen wirksame Abwehrvorkehrungen gegen mögliche radiologische Gefahren geschaffen und beibehalten werden. Nach Art. 4 NSC sind die hierfür erforderlichen innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsmaßnahmen von den Vertragsstaaten vorzunehmen. Hierzu gehört nach Art. 15 NSC insbesondere auch die Sicherstellung eines umfassenden Strahlenschutzes vor von Kernanlagen ausgehenden Strahlenbelastungen. Damit korrespondiert der in den genannten Normen der NSC festgelegte Strahlenschutz mit den Befugnissen der Gemeinschaft nach dem EAGV in diesem Bereich. Der Anwendungsbereich des EAGV ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes weit auszulegen. 160 Danach werden insbesondere Regelungsbereiche dem Atombereich zugeordnet, deren primäre Ausrichtung dem vom Europäischen Gerichtshof161 aus Art. 30 ff. EAGV abgeleiteten Ziel, einen lückenlosen und wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlen sicherzustellen, entspricht. Da die Gemeinschaft mit Erlaß der angeführten Normen zudem ihre interne Regelungsbefugnis in diesem Bereich wahrgenommen hat, besitzt die Euratom nach der AETR-Rechtsprechung 162 des Europäischen Gerichtshofes im Bereich des Strahlenschutzes und damit für den Regelungsbereich des Art. 15 NSC die Außenkompetenz. 163 (2) Weitere Befugnisse der Gemeinschaft Eine Zuständigkeit der Euratom ist auch für andere Vorschriften der NSC gegeben. Die Befugnisse der Gemeinschaft nach Art. 31 bis 32 EAGV werden durch die in Art. 33 bis 38 EAGV bestimmten nichtexklusiven Rechte der Gemeinschaft, die die Wirksamkeit der Grundnormen und ihre Anwendung in den Mitgliedstaaten sicherstellen sollen, ergänzt. So ist nach Art. 33 EAGV die Kommission an der Sicherstellung der Grundnormen nach Art. 30 EAGV beteiligt. Sie hat bei der Setzung nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten geeignete Empfehlungen abzugeben und zu den Bestimmungsentwürfen Stellung zu nehmen (Art. 34 und 37 EAGV). Nach Art. 34 EAGV haben die Mitgliedstaaten die Stellungnahme und gegebenenfalls die Zustimmung der Kommission einzuholen, bevor besonders gefährliche Versuche stattfinden, die zusätzliche Vorkehrungen für den Gesundheitsschutz nottemationa1en Übereinkommens über nukleare Sicherheit durch die Kommission, SEC(93)1465 endg. 160 EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566) - "Post-Tschemobyi"-Verordnung. Siehe oben A.II.4.b). 161 EuGH, S1g. 1991,1-4529 (4566)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 162 EuGH, Slg. 1971,263 (274 f.)- AETR; dazu Dörr, EuZW 1996, 39 (41). 163 Vgl. dazu A.II.l. Siehe dazu auch das Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates der Europäischen Union vom 13. Dezember 1993, Dok. 11282 I 93.

A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

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wendig machen. Weiter hat die Kommission nach Art. 37 EAGV eine Stellungnahme darüber abzugeben, ob die Durchführung von Plänen zur Ableitung radioaktiver Stoffe "eine radioaktive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedstaats verursachen kann". (a) Art. 1 bis 5 NSC Die Gemeinschaft hat zudem mit der Sicherheitsnormenrichtlinie 164 verbindliche Grundbedingungen für die einzelstaatlichen Maßnahmen zur Sicherung der nuklearen Sicherheit festgeschrieben, soweit der Strahlenschutz betroffen ist. Weitere von der Gemeinschaft im Regelungsbereich der NSC gesetzte Vorgaben finden sich in der Verordnung 87 I 3954 I Euratom zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation 165 und der Entscheidung 87 I 600 I Euratom über Gemeinschaftsvereinbarungen für den beschleunigten Informationsaustausch im Fall einer radiologischen Notstandssituation 166. Mit ersterer sollen über die Kontrolle eventuell kontarninierter Lebensmittel mögliche Atomunfälle abgeschwächt werden können, während mit letzterer der Kommission und den Mitgliedstaaten die Verwirklichung ihrer Strahlenschutzpflichten in diesen Fällen ermöglicht werden soll. Damit finden die in Art. 1 NSC genannten Ziele der NSC, die Schaffung und Beibehaltung wirksamer Abwehrvorkehrungen gegen mögliche radiologische Gefahren, die Erreichung und Beibehaltung eines weltweit hohen Standards nuklearer Sicherheit und die Verhütung von Unfallen mit radiologischen Folgen, eine Entsprechung. Für den Anwendungsbereich der NSC, der nach Art. 3 NSC, die "Sicherheit von Kernanlagen" umfaßt, gilt gleiches. Soweit der Schutz vor den Gefahren ionisierender Strahlen betroffen ist, fällt die Sicherheit von Kernanlagen unter den viel weiteren Geltungsbereich der Sicherheitsnormenrichtlinie 167. Kernanlagen im Sinne der NSC gehören zudem zu den in Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 87 I 600 I Euratom über Gemeinschaftsvereinbarungen für den beschleunigten Informationsaustausch im Fall einer radiologischen Notstandssituation 168 genannten Einrichtungen. Mit der Aufstellung der von der Gemeinschaft in der Sicherheitsnormenrichtlinie169 festgelegten grundlegenden Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierenABI. 1996 L 159, S. 1. ABI. 1987 L 371, S. 11, geändert durch die Verordnung 89/2218/Euratorn, ABI. 1989 L 211, S. 1, ergänzt durch die Verordnung 89/944/Euratorn, ABI. 1989 L 101 , S. 17 und die Verordnung 90/770/Euratorn, ABI. 1990 L 83, S. 78. 166 ABI. 1987 L 371, S. 11. 167 ABI. 1996 L 159, S. 1. 168 ABI. 1987 L 371, S. 11. 169 ABI. 1996 L 159, S. 1. 164 165

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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der Strahlungen wird die in Art. 4 NSC vorgegebene Verpflichtung, entsprechende Durchführungsmaßnahmen zu ergreifen, umgesetzt. Die Kompetenz der Gemeinschaft hierzu folgt aus Art. 2 b und Art. 31 EAGV. Danach übt die Gemeinschaft diese Aufgabe der Rechtsetzung aus. Art. 5 NSC legt den Parteien des Übereinkommens die Verpflichtung auf, den anderen Vertragsparteien Berichte über die in ihren Bereich fallenden Angelegenheiten vorzulegen. Ein Beitritt der Gemeinschaft zieht folglich eine Berichterstattungspflicht nach Art. 5 NSC nach sich. Da es sich hier um eine verfahrenstechnische Auflage handelt, besitzt die Gemeinschaft auch die erforderliche Befugnis, dieser Verpflichtung nachzukommen. (b) Art. 7 NSC Art. 7 Abs. I NSC sieht vor, daß die Vertragsparteien einen Rahmen für Gesetzgebung und Vollzug zur Regelung der Sicherheit der Kernanlagen schaffen. Dabei geht es um die von staatlichen Stellen bei der Kontrolle von Kernkraftwerken wahrzunehmenden Aufgaben und um Vorgaben für die jeweiligen nationalen gesetzlichen Rahmenbestimmungen. 170 Als Vertragspartei der NSC ergibt sich damit die Verpflichtung der Gemeinschaft, in dem Umfang, in dem sie Befugnisse im Bereich des Gesundheitsschutzes und des Strahlenschutzes besitzt, die Vorgaben der NSC in innergemeinschaftliches Recht umzusetzen. Eine entsprechende Zuständigkeit folgt aus Art. 30 ff. EAGV, die der Gemeinschaft gerade eine auf die Schaffung gemeinschaftlicher Rahmenbestimmungen in diesem Regelungsbereich gerichtete Kompetenz verleihen. Als Vertragspartei ist die Gemeinschaft damit verpflichtet und berechtigt, den erforderlichen rechtlichen Rahmen in diesem Ausmaß zu schaffen. Anderes gilt für Art. 7 Abs. 2 UAbs. i-iv NSC. Diese sehen die Schaffung einschlägiger innerstaatlicher Sicherheitsbestimmungen (UAbs. i), eines umfassenden Genehmigungssystems bzw. Betriebsverbote für Kernanlagen (UAbs. ii), ein behördliches Priifungs- und Beurteilungssystem (UAbs. iii) und die Durchsetzung der zu schaffenden Normen (UAbs. iv) vor. Art. 7 Abs. 2 UAbs. i NSC nimmt die Schaffung innerstaatlicher Sicherheitsbestimmungen in Bezug, so daß eine Zuständigkeit der Gemeinschaft bereits aus diesem Grund ausscheidet. Aber auch für die angelegten umfassenden Priif- und Genehmigungssysteme betreffend die Sicherheit von Kernanlagen und die Schaffung von Regelungen zu deren Durchsetzung besteht keine Befugnis der Gemeinschaft. Ihr verleiht der EAGV nicht die allgemeine Kompetenz, über Genehmigung und Betrieb von Kernanlagen zu entscheiden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Artikel 4 und 5 der Sicherheitsnormenrichtlinie 171 . Diese enthalten die Auflage, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet 170 Siehe dazu die Denkschrift zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit, BT-Drs. 13 I 5018. 171 ABI. 1996 L 159, S. 1.

A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

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sind, für den Betrieb von Anlagen des nuklearen Brennstoffkreislaufs und die Beseitigung radioaktiver Stoffe eine vorherige Genehmigung einzuholen, soweit der Strahlenschutz betroffen ist. Freilich sieht Art. 37 EAGV vor, daß die Kommission noch eine Stellungnahme darüber abgibt, ob die Durchführung von Plänen zur Ableitung radioaktiver Stoffe "eine radioaktive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedstaats verursachen kann". Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hat diese Stellungnahme bereits vor Erteilung der Genehmigung durch einen Mitgliedstaat zu erfolgen. 172 Auch gehört Art. 37 EAGV zu dem mit den Worten "Der Gesundheitsschutz" überschriebenen Kapitel III des EAGV, das eine systematisch gegliederte Gesamtregelung enthält, die der Gemeinschaft relativ weitgehende Befugnisse zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor den Gefahren eines radiologischen Unfalls einräumt. 173 Gleichwohl begründet dies keine Art. 7 Abs. 2 UAbs. ii-iv NSC genügenden Befugnisse der Gemeinschaft. Art. 37 EAGV und damit auch Artikel4 und 5 der Sicherheitsnonnenrichtlinie 174 setzen ein vorgelagertes und insoweit eigenständiges Genehmigungsverfahren des betroffenen Mitgliedstaates gerade voraus. Eigenständige Befugnisse werden insoweit jedoch nicht begründet. (c) Art. 14 NSC Nach Art. 14 UAbs. ii NSC hat jede Vertragspartei geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß der physische Zustand und der Betrieb einer Kernanlage den geltenden innerstaatlichen Sicherheitsanforderungen und betrieblichen Grenzwerten entspricht. Damit wird von Art. 14 UAbs. ii NSC insbesondere der Strahlenschutz in Bezug genommen. Der Europäische Gerichtshof175 hat aus Art. 30 ff. EAGV das Ziel abgeleitet, einen lückenlosen und wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlen sicherzustellen. Davon wird auch die Überprüfung des physischen Zustands und des Betriebes einer Kernanlage umfaßt, soweit dies den Erfordernissen eines wirksamen und umfassenden Strahlenschutzes dient. Nicht umfaßt wird hingegen der von Art. 14 UAbs. i NSC allgemein einbezogene Bau und die Inbetriebnahme einer Kernanlage, nämlich die vorgesehenen "umfassenden und systematischen Sicherheitsbewertungen sowohl vor dem Bau und der Inbetriebnahme einer Kernanlage als auch während ihrer gesamten Lebensdauer". Eine solche Kompetenz der Gemeinschaft ergibt sich nicht aus dem EAGV. So sieht Art. 35 EAGV ausdrücklich vor, daß die Mitgliedstaaten "die notwendigen Einrichtungen zur ständigen Über-

m Vgl. dazu EuGH, Slg. 1988,5013 (5040 ff.). EuGH, Slg. 1988, 5013 (5040). !74 ABI. 1996 L 159, S. l. 175 EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 173

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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wachung des Gehalts der Luft, des Wassers und des Bodens an Radioaktivität sowie zur Überwachung der Einhaltung der Grundnormen" schaffen. (d) Art. 16 NSC Für Art. 16 Abs. 2 NSC ergeben sich Kompetenzen der Gemeinschaft insbesondere aus dem in diesem Bereich ergangenen Gemeinschaftsrecht So sind die in Art. 16 Abs. 2 NSC vorgesehenen Notfallpläne etwa in Artikel 50 der Sicherheitsnormenrichtlinie 176 angesprochen. Weitere Rechtsakte der Gemeinschaft, die die in Art. 16 NSC geregelte Notfallvorsorge zum Gegenstand haben, sind die Verordnung des Rates 87 I 3954 I Euratom zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation und die Richtlinie des Rates 89 I 618 I Euratom über die Unterrichtung der Bevölkerung über die bei einer radiologischen Notstandssituation geltenden Verhaltensmaßregeln und zu ergreifenden Gesundheitsschutzmaßnahmen 177. Artikel 50 der Sicherheitsnormenrichtlinie 178 und die angeführten Gemeinschaftsregelungen fordern gleichwohl nur eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich strahlungsbedingter Notfälle. Der EAGV sieht eine Kompetenz der Gemeinschaft zur Ausarbeitung von Notfallplänen für Kernanlagen nicht vor, so daß eine Zuständigkeit der Gemeinschaft damit nur im Bereich des Strahlenschutzes und somit in diesem Umfang für Art. 16 Abs. 2 NSC, nicht aber für die in Art. 16 Abs. 1 und 3 NSC geregelten Bereiche angenommen werden kann. (e) Art. 17 bis 19 NSC Art. 17, 18 und 19 NSC betreffen die von den Vertragsparteien in Bezug auf die Standortwahl (Art. 17), Auslegung und Bau (Art. 18) sowie den Betrieb von Kernanlagen zu treffenden Maßnahmen. Soweit die Art. 30 ff. EAGV das Postulat eines lückenlosen und wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor Strahlenschäden enthalten, erstrecken sich die damit verbundenen Befugnisse der Gemeinschaft nur auf den Strahlenschutz, soweit dieser den Gesundheitsschutz betrifft. Sie vermögen jedoch nicht, über diesen Bezug hinausgehende allgemeine Kompetenzen im Bereich der Planung, der Errichtung, des Baus und des Betriebes von Kernanlagen zu begründen. Dies vermag auch Artikel 43 der Sicherheitsnormenrichtlinie, der den Schutz der Bevölkerung betrifft, über die damit verbundenen Strahlenschutzaspekte hinaus nicht. Die Kernanlagen selbst fallen als mögliche Quelle radioaktiver Strahlen allein in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten; nur der Schutz der Bevölkerung vor den schädlichen Auswirkungen derartiger Strah176 177 178

5 Frenz

ABI. 1996 L 159, S. l. ABI. 1989 L 357, S. 31. ABI. 1996 L 159, S. l.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

lenbelastungen fällt nach Art. 30 ff. EAGV in den Bereich der Gemeinschaftszuständigkeit. Auch aus dem Erlaß der Richtlinie des Rates 851337 IEWG 179 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der Fassung der Richtlinie 97 I ll IEG 180 folgt nichts anderes. Diese verlangt, daß "Kernkraftwerke und andere Kernreaktoren einschließlich der Demontage oder Stillegung solcher Kraftwerke oder Reaktoren" einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden (Art. 4 Abs. 1 UVP-Richtlinie). Vertragspartner eines internationalen Übereinkommens mit Drittstaaten im Anwendungsbereich des EAGV ist jedoch die Euratom. Für eine Aufnahme von Sekundärrecht der EG ist im Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 2 EAGV damit auch dann kein Raum, wenn dieses auf Kernanlagen unmittelbar anwendbar ist. (f) Art. 20 bis 35 NSC

Art. 20 bis 35 NSC betreffen vorrangig das von der NSC vorgesehene Instrumentarium zur Überprüfung der Umsetzung der Vorgaben des Übereinkommens und beinhalten Regelungen, die dessen Durchführung konkretisieren. Weiter regelt das dritte Kapitel der NSC Verfahrensfragen hinsichtlich des Inkrafttretens und etwaiger Änderungen des Übereinkommens sowie hinsichtlich des Vorgehens zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien und zur Überprüfbarkeit der Einhaltung der Konvention. Dabei handelt es sich um notwendige Ausführungsbestimmungen zu den inhaltlichen Vorgaben. Die Kompetenz für ihre Vereinbarung richtet sich daher nach der für die korrespondierenden sachlichen Bereiche. 5. Landwirtschaft und Fischerei

a) Agrarpolitik und Umweltschutz

Im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik, die nach Art. 38 I 32 n. F. Abs. EGV Landwirtschaft und Fischerei umfaßt, obliegt der Gemeinschaft die Aufgabe, übergeordnete Erfordernisse des Allgemeininteresses wie etwa des Verbraucherschutzes und des Umweltschutzes einzubeziehen. 181 Bereits der in Art. 130 Abs. 2 S. 3/6 n. F. EGV niedergelegte Integrationsgedanke erfaßt die Einbeziehung von Umweltschutzerfordernissen auch in die anderen Gemeinschaftspolitiken, worunter grundsätzlich alle von Art. 3 I 3 n. F. EGV erfaßten Aufgaben und Handlungsfelder der Gemeinschaft im Bereich des EGV, mithin auch die gemeinABI. 1985 L 175, S. 40. ABI. 1997 L 73, S. 5. 18 1 EuGH, S1g. 1988, 855 (896); S1g. 1988, 4607 (4630)- Dänische Pfandflaschen; S1g. 1992, 1-4431 (4480) - Wallonische Abfalle. 179

180

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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same Agrarpolitik, zu verstehen sind. 182 Die Verordnung Nummer 2328191 zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur 183 nennt den Schutz der Umwelt und die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Ressourcen der Landwirtschaft ausdrücklich als eines der vier Grundziele der Gemeinschaft. Agrarpolitik und Umweltschutz stehen dabei aufgrund der bestehenden vielfaltigen Interdependenzen in einem untrennbaren Zusammenhang. 184 Sowohl mit der intensiven agrarindustriellen Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen als auch mit der industriellen Befischung und Bewirtschaftung der Meere gehen enorme Veränderungen und Beeinträchtigungen der Umwelt einher. Umgekehrt ist eine gesunde Umwelt Basis für eine ertragreiche Landwirtschaft und Fischerei. Diese doppelte Problemlage weist eine internationale Dimension auf. Für die Hochseefischerei folgt dies schon aus den vorhandenen Meeresströmungen und dem regelmäßigen Wandern von Fischbeständen zwischen verschiedenen Fischereizonen. Für die Landwirtschaft stellen die Überdüngung der Böden und die damit verbundene Einbringung schädlicher Stickstoffe und Phosphate in die Wasserkreisläufe nur ein Beispiel der in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückten grenzüberschreitenden ökologischen Probleme dar, die Folge eines sehr intensiven Umgangs mit den Ressourcen der Landwirtschaft sind. 185 Demzufolge können eine zukunftsweisende und nachhaltige Agrarpolitik und die Gemeinsame Fischereipolitik der Gemeinschaft nur in einen überregionalen, internationalen Kontext eingebettet sein. 186 b) Weite Konzeption der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft selbst wird in Art. 38 ff. I 32 ff. n. F. EGV nicht näher definiert. In Art. 38 I 32 n. F. EGV wird im Zusammenhang mit der Landwirtschaft auch der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen genannt. Er fällt daher als spezifische Ausprägung unter die Landwirtschaftspolitik. Der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, der letztlich auch Art und Umfang der landwirtschaftlichen Produktion determiniert, wird durch eine zunehmende Globalisierung gekennzeichnet. Erzeuger und Abnehmer der innerhalb der Gemeinschaft gehandelten landwirtschaftlichen Produkte gehören nicht allein den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft an. Gleiches gilt für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die Gegenstand des Außenhandels der Gemeinschaft mit Drittstaaten sind. Daher ist eine BewältiBreier/Vygen, in: Lenz, Art. 6 Rn. 6. ABI. 1991 L 218, S. 1. 184 Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 s Rn. 32. 185 Näher spezifisch zur Fischerei sub e). 186 Dies berücksichtigen auch die internationalen Übereinkommen der Gemeinschaft in diesem Bereich, die zum Teil Regelungen aufweisen, die ausdrücklich den grenzüberschreitenden Charakter von Umweltverschmutzungen benennen und in Bezug nehmen. Vgl. etwa Art. 21 , "Grenzüberschreitende Verschmutzung", des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR), ABI. 1998 L 104, S. 1. 182 183

5*

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

gung der ökologischen Probleme nur durch innergemeinschaftliche Koordination und Kooperation und eine verstärkte internationale Zusammenarbeit realisierbar. Die Agrarpolitik als solche, deren handlungsbezogene Kompetenzgrundlage Art. 43 I 37 n. F. Abs. 2 EGV bildet, ist vor allem aufgrund der in Art. 39/33 n. F. EGV genannten Zielfaktoren und der in Art. 40134 n. F. EGV genannten inhaltlichen Elemente weit konzipiert. 187 Der Agrarsektor soll in all seinen Schattierungen und mit seinen verschiedenen lmplikationen umfassend geordnet werden. Spezifisch auf die Verbindung der Landwirtschaft mit der Umwelt weisen etwa die in Art. 39 I 33 n. F. Abs. 2. lit. a) EGV genannten naturbedingten Unterschiede. 188 c) Folgerungen aus der Konkurrenzvorschrift des Art. 38/32 n. F. Abs. 2 EGV für die Kompetenzreichweite

Der AETR-Rechtsprechung 189 des Europäischen Gerichtshofes wird spezifisch eine außenhandelspolitische Kompetenz der Gemeinschaft auch aus Art. 43 I 37 n. F. entnommen. 190 Ansatzpunkt dafür ist Art. 38132 n. F. Abs. 2 EGV. Aus diesem hat der Europäische Gerichtshof hergeleitet, daß die Bestimmungen des Vertrages über die gemeinsame Agrarpolitik den sonstigen Vorschriften für die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes im Falle eines Widerspruchs vorgehen, wenn der Regelungsgehalt der materiellen Vorgaben der landwirtschaftlichen Vertragsbestimmungen betroffen ist. 191 Dies ist nicht nur eine Frage des Verhältnisses verschiedener Einzelkompetenzen. 192 Mit der Hinzunahme der gemeinsamen Außenhandelspolitik weist die gemeinsame Agrarpolitik über den engen Rahmen der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes hinaus. Parallel dazu könnte ein Rechtsakt im Außenbereich auch auf Art. 43 I 37 n. F. EGV gestützt werden, dessen Zielsetzung zwar auf den Bereich der Landwirtschaft ausgerichtet ist, gleichzeitig aber landwirtschaftliche Umweltprobleme wie z. B. der Überdüngung, Güllebeseitigung, Brachenwiesen etc. beinhaltet. 193 So ist mit dem primär agrarwirtschaftlich ausgerichteten Ziel der Reduzierung überschußbildender Intensivproduktion häufig auch ein ökologisches Ziel verbunden. 194 187 Siehe EuGH, Slg. 1979, 713 (720 f.)- Stölting; Slg. 1988, 855 (859); Slg. 1988, 905 (929) - Legehennen; Götz, in: Rengeling, Umweltschutz und andere Politiken der Europäischen Gemeinschaft, S. 173 (198 ff.). 188 Zu den Möglichkeiten, anband der strukturellen und naturbedingten Unterschiede der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete Differenzierungen vorzunehmen, Kone lvan Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 39 Rn. 13. 189 EuGH, Slg. 1971,263 (274 f.)- AETR; dazu Dörr, EuZW 1996, 39 (41). 190 Kortelvon Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 43 Rn. 10; so i. E. auch GilsdorfiPriebe, in: Grabitz/Hilf, Art. 38 Rn. 16. 191 EuGH, Slg. 1978, 2347 (2370)- Pigs Marketing Board. 192 Dazu unten 111. 193 So Kortelvon Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 43 Rn. 14.

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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d) Notwendigkeit eines spezifischen Agrarbezugs

Aufgrund des in Art. 39 f. I 33 f. n. F. EGV zwar weit gezogenen, aber doch gegenständlich begrenzten Rahmens ist es indes unabdingbar, daß die auch durch eine weite Sicht der Agrarpolitik einbezogenen Materien in enger Beziehung zur Landwirtschaft stehen. Zum Vergleich muß etwa auch der einen Teil der Umweltpolitik bildende Gesundheitsschutz 195 spezifisch auf die Umwelt bezogen und der zur Atompolitik gehörige mit den Auswirkungen der Nutzung der Kernenergie verbunden sein. 196 Korrespondierend dazu darf es sich also bei einer Abstützung auf die Agrarpolitik nicht um allgemeine Regelungen des Umweltschutzes handeln; vielmehr müssen spezifisch mit der Landwirtschaft verbundene Umweltprobleme angesprochen sein. 197 Von Art. 43 I 37 n. F. EGV werden daher Maßnahmen nicht mehr getragen, die losgelöst von jedem agrarwirtschaftlichen Zweck ausschließlich ökologische Zwecke verfolgen. 198

e) Fischerei

Die Gemeinsame Fischereipolitik ist Bestandteil der Gemeinsamen Agrarpolitik, da die Fischerei und sonstige Gewinnung von lebenden Schätzen des Meeres im weiteren Sinne als "Urproduktion" und damit als Landwirtschaft anzusehen ist. 199 Zudem werden Erzeugnisse der Fischerei in Art. 38 I 32 n. F. Abs. 1 S. 2 EGV ausdrücklich als landwirtschaftliche Erzeugnisse benannt und die Erzeugung und Vermarktung von Fischereiprodukten, die in Anhang li zu Art. 38 I 32 n. F. Abs. 3 EGV aufgeführt sind, in den Regelungsbereich der Art. 38 I 32 n. F. ff. EGV eingegliedert. Der Rat hat nach Art. 43 I 37 n. F. Abs. 2 UAbs. 3 EGV eine umfassende Handlungskompetenz für die Gemeinsame Fischereipolitik. Auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments kann er für den gesamten Bereich der Landwirtschaft mit qualifizierter Mehrheit Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen erlassen.200 Insbesondere die auf die Vorschriften der Art. 38 I 32 n. F. ff. EGV gegründete Gemeinsame Fischereipolitik beinhaltet eine internationale Dimension. Der Europäische Gerichtshof weist zutreffend darauf hin, daß Rechtsetzungsmaßnahmen der Gemeinschaft zum Schutz der Meeresschätze ohne Einbeziehung der nicht zur Gemeinschaft gehörenden Anrainerstaaten eines Gewässers wenig wirkungsvoll Gilsdorf/Priebe, in: Grabitz/Hilf, Art. 38 Rn. 25. Siehe oben 11.3.b). 196 Siehe oben 11.4.c). 197 Gilsdorf/Priebe, in: Grabitz /Hilf, Art. 38 Rn. 25. 198 Korte/van Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 43 Rn. 14. 199 Fischer, in: Grabitz/Hilf, nach Art. 47 Rn. 2 ff. zoo Borchardt, in: Lenz, Art. 37 Rn. 18. 194

195

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

wären.Z01 Die verbesserten Fangmethoden in der Seefischerei und die damit verbundene Produktivitätssteigerung führen langfristig zu einer Überfischung und damit zu einer unmittelbaren Gefahrdung der Bestände. Folge ist eine Verringerung des Angebots. Diese ist wiederum Anlaß für die Fischereiindustrie, ihre Fangmethoden zu optimieren, um Produktionsverluste zu kompensieren. Dadurch wird ein Erholen der Bestände jedoch verhindert. Geboten sind deshalb koordinierte Maßnahmen, die eine Erhaltung der Meeresschätze und damit der Produktion gewährleisten.Z02 Da vor allem die Hochseefischerei durch das Konkurrieren internationaler Fischfangunternehmen gekennzeichnet wird, sind die bei intensiver Ausnutzung notwendigen Maßnahmen, die dem Schutz und Erhalt der Fischbestände dienen, nur durch öffentliche Vorschriften und Vorgaben möglich, die aus internationalen Übereinkünften und Abkommen resultieren. 203 Zudem ergibt sich die internationale Dimension der Fischereipolitik der Gemeinschaft in der Seefischerei bereits aus der Ausdehnung und Mobilität der meisten Fischbestände, die in der Regel nicht den jeweiligen Fischereizonen der einzelnen Mitgliedstaaten zuzuordnen sind. Ein effektiver Schutz der biologischen Meeresressourcen ist somit im innergemeinschaftlichen Bereich und im Verhältnis zu Drittstaaten durch das Erfordernis internationaler Zusammenarbeit geprägt. Entsprechend nimmt die internationale Zusammenarbeit im Fischereibereich in den Fischereiabkommen der Gemeinschaft mit Drittstaaten einen immer höheren Stellenwert ein. 204 Ausgangspunkt für die Zuständigkeit der Gemeinschaft zum Abschluß bi- und multilateraler Abkommen im Fischereisektor ist Art. 43 I 37 Abs. 2 n. F. EGV i.V.m. Art. 102 der Beitrittsakte vom 22. 1. 1972?05 Letztere erteilte der Gemeinschaft die Aufgabe, für den Schutz der Fischbestände und die Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres umfassende Regelungen bis Ende 1978 einzuführen.206 Nach fruchtlosem Ablauf der den Mitgliedstaaten gesetzten Frist zum 31. 12. 1978 stellt diese Aufgabe nunmehr eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft dar.207 Der Europäische Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, daß die Mitgliedstaaten nunmehr nicht mehr befugt sind, im Bereich der gemeinsamen Fischereipolitik eigenmächtig aufzutreten. 208 Nach der Rechtsprechung des Euro-

EuGH, Slg. 1994, 1-5267 (5413 f.)- WTO. Zur Natur des Erzeugnisses Fisch und seiner Produktionsbedingungen EuGH, Slg. 1976, 1279 (1314 f.) - Biologische Schätze des Meeres. 203 Siehe zu den Besonderheiten der gemeinsamen Fischereipolitik auch Fischer; in: Grabitz/Hilf, nach Art. 47 Rn. 1 ff. 204 Fischer; in: Grabitz/Hilf, nach Art. 47 Rn. 2 u. 23 ff. 20s ABI. 1972 L 73, S. 5. 206 Dazu und zur grundsätzlichen Abgrenzung der Zuständigkeiten für den marinen Umweltschutz Booß, in: Rengeling, EUDUR, § 86 Rn. 14. 207 Schmidhuber; DVBI. 1993, 417 (418). Siehe zur Entwicklung der gemeinsamen Fischereipolitikdie detaillierte Darstellung bei Fischer; in: Grabitz/Hilf, nach Art. 47 Rn. 3 ff. 2o1

2o2

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

71

päischen Gerichtshofs erwächst der Gemeinschaft danach weiter sowohl für Gemeinschaftsabkommen als auch für bi- und multilaterale Übereinkommen mit Drittstaaten über die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen die ausschließliche Kompetenz. 209 Beispiele sind das Übereinkommen über die zukünftige multilaterale Zusammenarbeit in der nordwestatlantischen Fischerei (NAF0)210 und das Übereinkommen über die Fischerei und den Schutz der lebenden Ressourcen in der Ostsee und den Belten (IBSFC)211 . Damit bestehen grundsätzlich auf dem Gebiet der Gemeinsamen Fischereipolitik keine nationalen Handlungsspielräume mehr. Die Gemeinschaft hat auf dem Gebiet der Fischerei eine Vielzahl von Regelungen getroffen, die die Materie mehr oder weniger erschöpfend regeln. Zudem sind in den Art. 38 I 32 n. F. ff. EGV keine gesonderten Regelungen und Schutzverstärkungsmöglichkeiten für den Fischbestand durch die Mitgliedstaaten vorgesehen. Für alle Maßnahmen, auch solche im internationalen Kontext, die einen direkten Bezug zur Fischerei haben, besteht somit eine vorrangige Gemeinschaftskompetenz aus Art. 38 I 32 n. F. ff. EGV. Die Möglichkeit gemischter multilateraler Abkommen, an denen sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten beteiligt sind, bleibt gleichwohl insoweit eröffnet, als Gegenstand und Zweck eines Fischereiabkommens neben der Erhaltung und dem Schutz der Fischereiressourcen auch andere politische Zielsetzungen sein können, deren Zweckbestimmung und Grundlage in anderen Regelungsbereichen liegen.Z 12 Auch ergibt sich aus dem Grundsatz mitgliedstaatfreundlichen Verhaltens,213 daß die Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten bei Anbahnung eines gemischten internationalen Übereinkommens, das neben der Erhaltung und dem Schutz der Meeresressourcen weitere, den Bereich der gemeinsamen Fischereipolitik eindeutig verlassende Zielsetzungen beinhaltet, zur Kooperation verpflichtet ist, sofern sie überhaupt tätig werden darf.Z 14

208 EuGH, S1g. 1976, 1279 (1310 f.)- Biologische Schätze des Meeres; Slg. 1981, 1045 (1073) m. w. N. 209 EuGH, S1g. 1976, 1279 (1310 f.)- Biologische Schätze des Meeres. 21o ABI. 1978 L 378, S. 1. 211 ABI. 1983 L 237, S. 4; weitere Aufzählung bei Fischer, in: Grabitz/Hilf, nach Art. 47 Rn. 75 ff. 212 Siehe zu Abkommen, die eine Grundlage nicht in der gemeinsamen Fischereipolitik, sondern etwa im Rahmen der Umweltpolitik nach Art. 130 r /174 n. F. EGV finden, Fischer, in: Grabitz/Hilf, nach Art. 47 Rn. 76, in Bezug auf das Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR), ABI. 1981 L 252, S. 26. Näher zu einem dies in jedem Fall sicherstellenden Ansatz unten III.2.b).cc). 2 13 Zuleeg, in: Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 5 Rn. 1, m. w. N. 214 Dazu und zur aus Art. 5/10 n. F. EGV abzuleitenden Kooperationspflicht der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft etwa zur Sicherung eines effektiven Umweltschutzes Grabitz/ Nettesheim, in: Grabitz I Hilf, Art. 130 r Rn. 86.

A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

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6. Verkehr

Von erheblicher Bedeutung für den Integrationsprozeß der Gemeinschaft ist das in Art. 75171 n. F. ff. EGV geregelte Verkehrswesen, das zugleich Instrument und Gegenstand der europäischen Integration ist. 215 Weiter bestehen zwischen dem Verkehr und anderen Politikbereichen der Gemeinschaft, insbesondere auch der Umweltpolitik, vielfältige Wechselbeziehungen.Z 16 So bedingt das Ausmaß des innergemeinschaftlichen Verkehrs auch Art und Umfang der mit den jeweiligen Verkehrsmitteln verbundenen Umweltbelastungen wie etwa den klimarelevanten COzEmissionen.217 Mit der durch Globalisierungstendenzen geprägten Zunahme der internationalen Handelsbeziehungen und dem damit verbundenen Anwachsen des internationalen Warenverkehrs sowohl innerhalb der Gemeinschaft als auch zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten erweist sich der Abschluß neuer völkerrechtlicher Abkommen der Gemeinschaft mit Drittländern oder internationalen Organisationen zunehmend als erforderlich. 218 Mit der Funktion der Förderung des Handelsaustausches und der Kommunikation weist das Transportwesen per se einen ausgeprägten grenzüberschreitenden internationalen Bezug auf.219 Eine ausdrückliche Ermächtigung für ein internationales Tatigwerden der Gemeinschaft im Verkehrsbereich sieht der EGV gleichwohl nicht vor.Z20 Wie bereits aufgezeigt, 221 hat der Europäische Gerichtshof in seiner AETR-Entscheidung eine Kompetenz der Gemeinschaft im Außenbereich auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Außenermächtigung im EGV dann bejaht, wenn das einem internationalen Übereinkommen zugrundeliegende Regelungsgebiet bereits Gegenstand sekundärrechtlicher Regelungen der Gemeinschaft ist. 222 Grundlage der Rechtsprechung des Europäi215

Frohnmeyer; in: Grabitz/ Hilf, vor Art. 74 Rn. 2.

216

Horstig, Die Europäische Gemeinschaft als Partei internationaler Umweltabkommen,

s. 113.

217 V gl. zu den verkehrsbedingten Folgen des innergemeinschaftlichen Verkehrsaufkommens für die Luftqualität allgemein Ronellenfitsch/ Delbanco, in: Rengeling, EUDUR, § 52 Rn. 4 ff. 21s Erdmenger; in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Vorbemerkung zu den Artikeln 74 bis 84Rn. 29. 219 Vgl. Ronellenfitsch/Delbanco, in: Rengeling, EUDUR, § 52 Rn. 14, zu den möglichen Beeinträchtigen des freien Warenverkehrs in der Gerneinschaft durch die Vorgabe von Ernissionsvorschriften. Zur handelsfördernden Funktion des Transportwesens siehe Epiney, JZ 1992, 564 ff.; dies./Möllers, Freier Warenverkehr und nationaler Umweltschutz, S. 8 ff. 22o Erdmenger; in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Vorbemerkung zu den Artikeln 74 bis 84Rn. 31. 221 Siehe oben II. I.

222 EuGH, Slg. 1971, 263 (274 f.)- AETR; dazu im Kontext der gemeinsamen Verkehrspolitik der Gerneinschaft Frohnmeyer; in: Grabitz/Hilf, vor Art. 74 Rn. 32 ff. ; Horstig, Die Europäische Gerneinschaft als Partei internationaler Umweltabkommen, S. 113; Lenaerts, in: Dernaret, Relations exterieures de Ia Communaute europeenne et marche interieur: aspects juridiques et fonctionnels, S. 37 (58).

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

73

sehen Gerichtshofs war gerade die gemeinsame Verkehrspolitik. Damit bestehen im Hinblick auf die Vielzahl der von der Gemeinschaft in diesem Bereich erfolgten sekundärrechtlichen Regelungen 223 zahlreiche Anknüpfungspunkte ftir eine weitreichende Ermächtigung der Gemeinschaft im Außenbereich. 224 7. Rechtsangleichung

a) Einbeziehung des Umweltschutzes

Art. 100 a/95 n. F. Abs. 1 EGV ermächtigt die Gemeinschaft, Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu ergreifen, die die Schaffung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Abs. 3 der Norm sieht dabei insbesondere vor, daß die Kommission bei ihren Vorschlägen im Bereich des Umweltschutzes zu Maßnahmen nach Absatz I von einem hohen Schutzniveau auszugehen hat. Aus dieser Inbezugnahme des Umweltschutzes ergibt sich, daß Harmonisierungsmaßnahmen sich auch auf Umweltbelange beziehen können.225 Das folgt auch aus der sogenannten "opting out-Klausel" nach Art. IOO a/95 n. F. Abs. 4226 und nunmehr auch Abs. 5 EGV. Art. 100 a/95 n. F. Abs. I EGV ist gegenständlich gleichwohl nicht auf den Umweltschutz festgelegt, sondern auf die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften bezogen, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Nach Art. 7/I4 n. F. Abs. 2 EGV umfaßt der Binnenmarkt "einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist." Daraus wurde sogar eine Beschränkung auf die genannten Grundfreiheiten entnommen. 227 Grundlagen für deren Ausübung ist indes die Wettbewerbsfreiheit, so daß diese als vom Binnenmarkt urnfaßt anzusehen ist. 228 Insbesondere hier ergibt sich eine Brücke zum Umweltschutz. So führen vielfach Maßnahmen gegenüber Umweltbelastungen hervorrufenden Unternehmen zu Wettbewerbsnachteilen, sofern nicht alle Mitwettbewerber im Gemeinsamen Markt erfaßt werden. Bei solchen Maßnahmen ist daher grundsätzlich eine Abstützung in Art. IOO a/95 n. F. EGV möglich.Z29 Darüber hinaus sieht der Europäische Ge-

223 Siehe zur bisherigen Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik die ausführliche Darstellung bei Frohnmeyer, in: Grabitz/Hilf, Art. 74 Rn. 17 ff. 224 Henke, EuGH und Umweltschutz, S. 78. 225 Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 175 Rn. 18; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 37. 226 Müller-Graff, EuR 1989, 107 (133). 227 Epiney, JZ 1992, 564 ff.; dies./ Möllers, Freier Warenverkehr und nationaler Umweltschutz, S. 8 ff.; Palme, Nationale Umweltpolitik in der EG, S. 34 ff.; Vorwerk, Die umweltpolitischen Kompetenzen, S. 67 ff. 228 EuGH, Slg. 1991,1-2867 (2899)- Titandioxid unter Verweis auf Art. 2, 3 EGV.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

richtshof den Anwendungsbereich des Art. 100 a/95 n. F. EGV bei sämtlichen anlagen- und produktionsbezogenen Regelungen gegeben, sofern diese das Ziel der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt beinhalten. 230 Damit sind gegebenenfalls auch Immissionsstandards erfaßt, die Höchstwerte für die Belastung der verschiedenen Umweltmedien Luft, Boden und Wasser festlegen. Unabhängig von auftretenden Wettbewerbsverzerrungen ist der Umweltschutz gerade in dem durch Art. 100 a/95 n. F. Abs. 3 EGVangestrebten hohen Schutzniveau231 nicht ohne gemeinschaftsweite Maßnahmen zu verwirklichen. Werden Umweltanforderungen an Produkte gestellt, so wird dadurch notwendigerweise auch der grenzüberschreitende Warenverkehr und damit dieses in Art. 7 a I 10 n. F. Abs. 2 EGV explizit genannte Element des Binnenmarktes berührt. Daher müssen Umweltanforderungen an Produkte wie Beschränkungen des Inverkehrbringens oder der Verwendung von Produkten eine spezifische Abstützung in Art. 100 a/95 n. F. EGV finden? 32 Art. 100 a/95 n. F. Abs. I EGV ist somit die Kompetenzgrundlage bei produktbezogenen Normen, auch wenn diese ökologische Zielsetzungen einbinden. 233 Das soll auch dann gelten, wenn der Erlaß dieser Normen in erster Linie auf umweltpolitischen Überlegungen und Zielsetzungen fußt. 234 Bei einer solch weiten Konzeption stellt sich aber die Frage, ob sich diese in die generelle Abgrenzung verschiedener Kompetenzgrundlagen nach dem objektiv ersichtlichen Hauptzweck einer Maßnahme einfügt, die gerade anhand der Scheidung von Art. 130 s und I 00 a EGV entwickelt wurde. 235

b) Internationaler Bezug Einen unmittelbaren internationalen Bezug weist Art. 100 a/95 n. F. EGV nicht auf, der von seiner Zielsetzung her gerade nicht auf das Außenverhältnis der Gemeinschaft, sondern auf den Binnenmarkt und damit den innergemeinschaftlichen Rahmen der Gemeinschaft gerichtet ist. 236 Gleichwohl ergeben sich insoweit An229 Langeheine, in: GrabitziHilf, Art. 100 a Rn. 94; ein Spezialitätsverhältnis annehmend Bardenhewer I Pipkom, in: Groeben I Thiesing I Ehlermann, Art. I 00 a Rn. 51. 230 EuGH, Slg. 1991, 1-2867 (2898 ff.)- Titandioxid; Slg. 1980, 1099 (1106)- Detergentien; Slg. 1980, 1115 (1120)- Gasöl. 231 Bardenhewer/Pipkom, in: GroebeniThiesingiEhlermann, Art. 100 a Rn. 73; Langeheine, in: GrabitziHilf, Art. 100 a Rn. 55; Schröer; Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, S. 245 f.; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 95, m. w. N. 232 Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 175 Rn. 9. 233 Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 37; Soell, NuR 1990, 155 (158). 234 Langeheine, in: Grabitz I Hilf, Art. 100 a Rn. 94. 235 Dazu näher III.l. 236 Unter starker Betonung der ökologischen Relevanz von Art. 100 a/95 n. F. Abs. 4 Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 37.

II. Außenkompetenzen ausgehend von den Binnenkompetenzen

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knüpfungspunkte zu Rechtsetzungsakten der Gemeinschaft auch im Außenbereich, als sich den Binnenmarkt betreffende Harmonisierungsmaßnahmen nach Art. 100 a/95 n. F. Abs. 1 EGVetwa auf die bestehenden Handelsströme oder die mit Drittländern bestehenden Handelsabkommen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten auswirken können. Dies gilt auch für Koordinierungs- bzw. Harmonisierungsvorgaben der Gemeinschaft mit umweltpolitischer Zielsetzung, die Produktion, Inverkehrbringen und Verwendung bestimmter Produkte betreffen, deren maßgebliche Absatzmärkte nicht die Mitgliedstaaten selbst bzw. der gemeinsame Binnenmarkt, sondern Drittstaaten darstellen. 237 Der Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft bzw. ihren Mitgliedern und Drittstaaten wächst mit der durch Globalisierungstendenzen geprägten Zunahme der internationalen Handelsbeziehungen. Erforderlich wird so der Abschluß neuer völkerrechtlicher Abkommen mit Drittländern oder internationalen Organisationen, die diesen gesteigerten Anforderungen gerecht werden. Um zu vermeiden, daß jeder Mitgliedstaat seinerseits individuelle völkerrechtliche Vereinbarungen trifft und dadurch unterschiedliche Marktbedingungen entstehen, ist es gerade im Bereich der Rechtsangleichung besonders wichtig, daß die Gemeinschaft für alle Mitgliedstaaten einheitlich Abkommen mit Drittstaaten bzw. internationalen Organisationen in innergemeinschaftlich bereits harmonisierten Gebieten schließt. Andernfalls ist gerade auch im Umweltbereich das in Art. 100 a/95 n. F. Abs. 3 EGV geforderte hohe Schutzniveau238 schwerlich zu erreichen, sofern es sich um auch die Grenzen der EU überschreitende Phänomene wie etwa das Verbot von die Ozonschicht schädigenden Produkten handelt. c) Keine gänzliche Ausschaltung mitgliedstaatlicher Handlungsmöglichkeiten

Diese Handlungsmöglichkeiten der Gemeinschaft im internationalen Umweltschutz auch auf der Grundlage von Art. 100 a/95 n. F. Abs. 1 EGV lassen indes auch den Mitgliedstaaten Aktionsfelder. Bereits vorhandene Maßnahmen werden von Art. 100 a/95 n. F. Abs. 4 EGV erlaßt. Danach kann ein Mitgliedstaat, wenn der Rat oder die Kommission eine Harmonisierungsmaßnahme erlassen hat, einzelstaatliche Bestimmungen beibehalten, wenn er dies für erforderlich hält und dies durch wichtige Erfordernisse unter anderem des Umweltschutzes gerechtfertigt ist. Damit berücksichtigt Absatz 4 das Schutzanliegen der Mitgliedstaaten, daß die Gemeinschaftsmaßnahmen bestehende eigene höhere Standards der Mitgliedstaaten etwa im Bereich der verschiedenen Umweltbelastungen nicht unterlau237 Beispiele für Produkte mit starker ökologischer Relevanz, die in der EU hergestellt, aber nahezu ausschließlich in Drittstaaten exportiert werden, sind beispielsweise Pflanzenschutzmittel oder Holzschutzmittel für Anwendungsbereiche außerhalb Europas oder speziell für den Bereich der Tropen produzierte pharmazeutische Erzeugnisse. 238 Bardenhewer/Pipkom, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 100 Rn. 73: kein höchstes Schutzniveau.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

fen. 239 Solche höheren Standards können auch in Abkommen der Mitgliedstaaten mit dritten Staaten bzw. internationalen Organisationen festgelegt sein. Daher entspricht es dem Anliegen der Norm, sie auch auf die internationale Ebene zu beziehen. Daß eine einzelstaatliche Bestimmung verlangt wird, ist insoweit unschädlich, als auch völkerrechtliche Abkommen regelmäßig in einzelstaatliche Bestimmungen umgegossen werden, um zu greifen. Der neue Art. 95 Abs. 5 EGV ermöglicht den Erlaß neuer einzelstaatlicher Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten nach Erlaß einer Harmonisierungsmaßnahme für erforderlich gehalten werden und auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt sowie durch ein spezifisches Problem für den entsprechenden Mitgliedstaat bedingt sind. 240 Überträgt man diese Vorschrift auf die internationale Ebene, so können die Mitgliedstaaten auch bei gemeinschaftlichen Abkommen im Harmonisierungsbereich bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Schutze der Umwelt die Gemeinschaftsanforderungen übersteigende Vereinbarungen abschließen. Dies entspricht der generellen Spiegelbildlichkeil von Innen- und Außenkompetenzen. 241 Gleichwohl gilt wegen des am besten geschlossenen Auftretens nach außen eine Pflicht zur Rücksichtnahme aus dem Gebot der Gemeinschaftstreue nach Art. 5 I 10 n. F. EGV. Zudem unterliegt das opting out im Binnenbereich spezifisch darauf bezogenen Wertungen, 242 die auf internationaler Ebene nur eingeschränkt gelten. 243 Art. 95 Abs. 5 n. F. EGV setzt voraus, daß eine innergemeinschaftliche Regelung durch Erlaß einer Harmonisierungsmaßnahme bereits erfolgt ist. Verfahrensmäßig sieht das in Art. 100 a/95 Abs. 6 n. F. EGV zur Umsetzung etwaiger einzelstaatlicher Bestimmungen im Sinne des Absatzes 5 vorgesehene Verfahren eine Priifung und Billigung oder Ablehung der geplanten Bestimmung durch die Kommission vor. Lehnt die Kommission die Maßnahme ab, verbleibt dem Mitgliedstaat der Weg zum Europäischen Gerichtshof. Billigt die Kommission die Maßnahme, ist sie verpflichtet, unverzüglich zu priifen, ob sie eine Anpassung der Harmonisierungsmaßnahme vorschlägt. 244

Bardenhewer/Pipkom, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 100 a Rn. 85. Zu diesen Voraussetzungen und denen des Art. 100 a/95 n. F. Abs. 4 EGV näher Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 213 ff. 241 Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten weiterführend Grabitzl Nettesheim, in: Grabitz I Hilf, Art. 130 s, Rn. 36 ff. 242 Für einen auf den Binnenbereich bezogenen Anwendungsbereich etwa Röttinger, in: Lenz, Art. 95 Rn. 2. 243 Zu den nationalen und internationalen Aspekten der mit dem Verfahren nach Art. 100 a/95 n. F. EGV verbundenen Schutzverstärkungsmaßnahmen vgl. Langeheine, in: Grabitz/ Hilf, Art. 100 a, Rn. 56 ff. 244 Vgl. Röttinger, in: Lenz, Art. 95 Rn. 12 ff. 239

240

III. Verhältnis der verschiedenen Einzelkompetenzen

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111. Verhältnis der verschiedenen Einzelkompetenzen 1. Übertragbarkeit der Grundsätze für die Abgrenzung verschiedener Binnenkompetenzen

Der Gemeinschaft stehen verschiedene Kompetenzen zur Verfügung, um völkerrechtliche Abkommen im Umweltbereich zu schließen. Greifen mehrere ein, so stellt sich die Frage, auf welche eine einzelne Maßnahme gestützt werden muß bzw. kann. Die Kompetenz der Gemeinschaft zum Abschluß von völkerrechtlichen Abkommen im Umweltbereich wurde vorstehend weitgehend aus entsprechenden Binnenkompetenzen gewonnen. Indem so von bestehenden Binnenkompetenzen auf Außenkompetenzen geschlossen wurde, gelten auch für letztere die für die Sinnenkompetenzen und ihre Unterscheidung entwickelten Regeln. Laufen die Kornpelenzbereiche parallel, ist auch der Maßstab zur Unterscheidung einzelner Kompetenzen parallel. Daher sind die Grundsätze auch im Außenbereich heranzuziehen, die für die Scheidung verschiedener Binnenkompetenzen entwickelt wurden. Anhand der Abgrenzung von Art. 130 s EGV zu Art. 100 a EGV und damit im Hinblick auf eine Scheidung der spezifisch umweltpolitischen Kompetenzen entwickelte der Europäische Gerichtshof als Maßstab den nach Ziel und Inhalt objektiv ersichtlichen Hauptzweck einer Maßnahme?45 Der Rückgriff auf eine andere Kompetenzgrundlage als der umweltpolitischen scheidet demnach aus, wenn ein Rechtsakt nur nebenbei eine andere Wirkung als eine umweltbezogene hat. 246 Mit der solchermaßen ermittelten hauptsächlichen Wirkung einer Maßnahme muß sich allerdings der Hauptzweck decken. Bestehen insoweit Widerspruche, ist die objektive Wirkung als allein maßgeblich anzusehen, damit Umgehungen vermieden werden. 247 Angesichts dieser Maßstäbe kann jede Kompetenzgrundlage gleichermaßen einschlägig sein. Es ist von einer grundsätzlichen Gleichrangigkeit der verschiedenen Kompetenzgrundlagen auszugehen. 248 Im Einzelfall einschlägig sein kann jedoch nur eine Kompetenzgrundlage, jedenfalls sofern unterschiedliche Ver245 EuGH, NVwZ 1999, 1212 (1212); Slg. 1991, 1-4529 (4564 f.)- "Post-Tschemobyl"Verordnung; Slg. 1992, 1-4193 (4234); Slg. 1993, 1-939 (966); Slg. 1994, 1-2857 (2880, 2882); siehe bereits Slg. 1987, 1493 (1520)- Allg. Zollpräferenzen für Waren aus Entwicklungsländern; Slg. 1991, 1-2867 (2898)- Titandioxid, wo aber Verfahrensgesichtspunkte den Ausschlag gaben (2900 f.); auch Calliess, KJ 1994, 284 (288); Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 72; Klein!Haratsch, DÖV 1994, 133 (136); siehe auch Krämer, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Vorbemerkung zu Art. 130 r bis t Rn. 85; Montag, RIW 1987, 935 (942); Müller-Graff, EuR 1989, 107 (132); krit. Breier, EuR 1995, 46 (52 f.); Tettingerl Mann, in: Breuer /Kloepfer /Marburger/ Schröder, UTR 31, S. 113 (115). 246 Bezogen auf eine Harrnonisierung der Marktbedingungen innerhalb der Gerneinschaft EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung; Slg. 1993, 1- 939 (968); nach S1g. 1994, 1-2857 (2882) st. Rspr. 247 Siehe auch Epiney, JZ 1992, 564 (568). Vgl. zu den verschiedenen Abgrenzungsansätzen Heselhaus, NVwZ 1999, 1190 (1192), rn. w. N. 248 Siehe nur EuGH, Slg. 1994, 1-2857 (2880 ff.); aus der Lit. z. B. Beyer, JuS 1997, 294 (296).

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

fahrensvorschriften bestehen. Dann würde eine Abstützung einer Maßnahme auf verschiedene Vorschriften das ausgeklügelte Kompetenzsystem des EGV aufgrund eines in diesem Falle notwendigen Austausches bzw. einer Mischung von Verfahren durcheinander bringen.Z49 Korrespondierend dazu verneinte der Europäische Gerichtshof eine Doppelabstützung für einen Rechtsakt 250 Auch bei der Wahrnehmung von Außenkompetenzen geht es um die Festlegung eines bestimmten Verfahrens. Daher ist auch insoweit vonnöten, sich auf eine Kompetenzgrundlage festzulegen, um einen Austausch und eine Mischung von Verfahren zu verhindern. Auch Außenmaßnahmen verfolgen in der Regel einen bestimmten Hauptzweck.251 Schwieriger feststellbar ist allerdings eine bestimmte Wirkung. Vielfach greifen internationale Maßnahmen erst langsam. Dann wird erst mit der Zeit ersichtlich, welche Hauptwirkung sie haben. Wesentlich stärkere Bedeutung hat daher die aus dem Vertragstext ersichtliche Zielsetzung und inhaltliche Schwerpunktsetzung. Auf dieser Basis ist dann wie auch bei innergemeinschaftlichen Maßnahmen eine Prognose für die Wirkungen zu stellen.· Unabhängig muß die Festlegung dagegen von völkerrechtlichen Nebenabreden sein, die die Zwecksetzung betreffen. Ansonsten wäre Umgehungen Tür und Tor geöffnet. Welche Gemeinschaftsorgane bei der innergemeinschaftlichen Abstimmung und Entscheidung über den Abschluß eines völkerrechtlichen Abkommens beteiligt sind, ist hingegen ausschließlich eine Frage des inneren Gemeinschaftsrechts, nicht des Völkerrechts.252 Daher finden auch die innerhalb des Gemeinschaftsbereiches geltenden Regeln ohne weiteres Anwendung. Da auf internationaler Ebene andere Rahmenbedingungen greifen als im gemeinschaftlichen Binnenbereich, sehen der EGV und der EAGV mit den Art. 228/300 n. F. (i.V.m. Art. 113/133 n. F.) EGV bzw. den Art. 101 ff. EAGV Sonderregelungen vor, die darauf in besonderer Weise abgestimmt sind. 2. Anwendungen in einzelnen Bereichen

Aufgrund der vorstehend dargelegten möglichen Kompetenzgrundlagen für ein Agieren der Europäischen Gemeinschaften auf völkerrechtlicher Ebene können Etwa Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 64. Jedenfalls bei unterschiedlichen Verfahrensregelungen, EuGH, Slg. 1988, 855 (894 ff.); Slg. 1988, 905 (929 ff.) - Legehennen; Slg. 1989, 3743 (3767); Slg. 1991, 1-2867 (2901)Titandioxid; siehe auch EuGH, Slg. 1993,1-939 (969); Slg. 1994, 1-2857 (2882); zustimmend etwa Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 302 f. ; Middeke, DVBI. 1993, 769 (770 f.); anders insbes. Everling, EuR 1991, 179 (181); Lietzmann, in: Rengeling, Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik, S. 163 (178 f.); bei parallelen Verfahren Breier, EuR 1995, 46 (51); Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 257 f. ; aus Rechtssicherheitsgründen bedarf es aber eines allgemein gültigen Kriteriums. 251 Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 73. 252 Vedde r; in: Grabitz/Hilf, Art. 228 Rn. 28 ff., m. w. N. 249 250

III. Verhältnis der verschiedenen Einzelkompetenzen

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Konflikte zwischen verschiedenen Kompetenzgrundlagen auftreten. Näher untersucht seien Konflikte zwischen den Umwelt- und Gesundheitskompetenzen des EGV und den atombezogenen Kompetenzen des EAGV sowie innerhalb des EGV Konflikte zwischen Umweltpolitik einerseits und Landwirtschaft bzw. Handelspolitik andererseits. Bei der Abgrenzung von Umweltkompetenzgrundlagen zu anderen Spezialpolitiken sieht man teilweise den Hauptzweck dann in der Spezialpolitik liegen, wenn eine Maßnahme deren integraler Bestandteil ist, also die Konzeption der entsprechenden Politik prägt und bestimmt. 253

a) Abgrenzung von umwelt- bzw. gesundheitsund atompolitischen Kompetenzen

Die Abgrenzung von Rechtsgrundlagen nach objektiven, gerichtlich nachprüfbaren Umständen und damit insbesondere nach dem Inhalt eines Rechtsaktes und dem dabei deutlich werdenden Ziel bezog der Europäische Gerichtshof ausdrücklich auf den Atombereich. 254 Dabei legte der Gerichtshof eine extensive Auslegung zugrunde. Aus Art. 30 ff. EAGV leitete er das Ziel ab, einen lückenlosen und wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlen sicherzustellen. Auf die Strahlungsquelle und die den Strahlen ausgesetzte Personengruppe kam es dem Gerichtshof nicht an. Auch Sekundärstrahlungen, also die von kontaminierten Erzeugnissen ausgehenden Strahlungen, sah er als erlaßt an. 255 Werden zur Sicherstellung eines solchen lückenlosen und wirksamen Gesundheitsschutzes der Bevölkerung Höchstwerte für die radioaktive Kontamination festgesetzt, wird der Atomsektor auch dann nicht verlassen, wenn daran ein Verbot des Inverkehrbringens geknüpft wird; dieses bildet nur eine Voraussetzung für die wirksame Anwendung der zulässigen Höchstwerte. 256 Werden damit auf internationaler Ebene entsprechende Werte festgelegt, die kontaminierte Erzeugnisse enthalten dürfen, und daran dann Handelsbeschränkungen geknüpft, ist nach der Konzeption der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Kompetenz für die Atompolitik einschlägig. Bezogen auf den Binnenbereich der Gemeinschaft erging als Folge der Tschernobyl-Reaktorkatastrophe neben der den Gegenstand des herangezogenen EuGH-Urteils bildenden Verordnung zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmittel und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation257 die Verordnung über die Einfuhrbedingungen für landwirtschaftliche Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 73. EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4564 f.)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 255 EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 256 EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566 f.)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 257 VO 3954/87 (Euratom) vom 22. 12. 1987, ABI. 1987 L 371, S. II. Als Teil eines effektiven Strahlenschutzes wurde diese Verordnung trotz der sich aus ihr ergebenden Beschränkungen des Warenverkehrs zu Recht auf Art. 31 EAGV und nicht auf Art. 100 a 253 254

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

Erzeugnisse mit Ursprung in Drittländern nach dem Unfall im Kraftwerk Tschernobyl.258 Von daher wurde auch der Agrarsektor mit erfaßt. Der Schutz der menschlichen Gesundheit ist auch Ziel der Umweltpolitik nach Art. 130 r/ 174 n. F. Abs. 1 2. Spiegelstrich EGV und bezieht sich auf die umweltbezogenen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. 259 Umweltbeeinträchtigungen stellen grundsätzlich auch Gefahren und schädigende Einflüsse für die menschliche Gesundheit dar. 260 Entsprechend sind mit der Nutzung der Kernenergie verbundende Umweltbeeinträchtigungen als die menschliche Gesundheit potentiell gefährdende Faktoren in den Anwendungsbereich der Art. 30 ff. EAGV einzubeziehen. 261 Die Gemeinschaft muß bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie die umweltbedingten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit mit in Betracht ziehen, wenn sie den ihr durch die Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung262 näher konkretisierten Rahmen des EAGV nicht verlassen will. Für den internationalen Bereich ist daher auch der Abschluß von Umweltschutzabkommen gedeckt, die sich zugleich auf den mit der Nutzung der Kernenergie verbundenen Schutz der menschlichen Gesundheit beziehen. Insoweit können sich Überschneidungen mit der aus Art. 30 ff. EAGV abgeleiteten Zielsetzung ergeben, einen lükkenlosen und wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlen sicherzustellen. Für einen die anderen Politiken der Gemeinschaft ausschließenden Charakter der Art. 30 ff. EAGV finden sich weder im EAGV noch im EGV Anhaltspunkte.263 Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof ein Abstützen auf die außenhandelspolitische Kompetenz264 bei Verordnungen für zulässig erachtet, die die Ein- und Ausfuhr kontaminierter Lebensmittel beschränken. 265 Die Art. 30 ff. EAGV enthielten keine Bestimmungen, die den Handel mit Drittländern beträfen. Eine Abstützung der der EuGH-Entscheidung zugrunde liegenden Verordnung auf Art. 113 I 133 n. F. EGV und damit eine Zuordnung der Maßnahme zur gemeinsaEWGV gestützt, EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4565 f.) - "Post-Tschemobyl"-Verordnung; Schröder, DVBI. 1995, 322 (325). 258 V03954/87(Euratom)vom22.12.1987,AB1.1987L371,S.11. 259 Siehe oben 11.3.b). 260 Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 Rn. 22; allgemein Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 3. 26 1 Siehe dazu oben 11.4.c). 262 EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 263 So letztlich auch der EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4564 f.)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung, der bei festgestellter Anwendbarkeit der Art. 30 ff. EAGV die Abstützung der VO (Euratom) Nr. 3954 I 87 des Rates vom 22. 12. 1987 in Art. 31 EGV sieht. 264 EuGH, Slg. 1990, 1-1527 ( 1559)- Tschernobyl; krit. Schroeder, DVBI. 1995, 322 (325). 265 VO 1388/86 (EWG) vom 12. 5. 1986, ABI. 1986 L 127, S. 1; VO 686/95 (EG) vom 28. 3. 1995, ABI. 1995 L 71, S. 15, betreffend der Einfuhr verstrahlter landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus den Nachbarstaaten der Ukraine; VO 2219/89 (EWG) vom 18. 7. 1989, ABI. 1989 L 211, S. 1.

Ill. Verhältnis der verschiedenen Einzelkompetenzen

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men Handelspolitik sei damit auch zulässig, wenn die Maßnahme primär der Verwirklichung einer anderen Politik der Gemeinschaft diene?66 Ausgehend davon könnte im internationalen Bereich auch der Abschluß von Nuklearabkommen, die sich zugleich auf den Schutz der menschlichen Gesundheit beziehen und in diesem Rahmen auch umweltbereichsspezifische Vorgaben einschließen, auf die Umweltkompetenzen der Gemeinschaft gestützt werden. Dem steht jedoch entgegen, daß der EAGV, anders als für handelspolitische Maßnahmen, im Bereich des Gesundheitsschutzes gerade keine Lücke aufweist, sondern mit den Art. 30 ff. EAGV für letzteren eine Regelung ausdrucklieh vorsieht. Generelle Leitlinie des Europäischen Gerichtshofs bei Befugnisüberschneidungen ist zudem die Abgrenzung nach dem objektiv ersichtlichen Hauptzweck einer Maßnahme. 267 Dem widerspricht eine Zuordnung entgegen der primär verfolgten Zielsetzung, eine andere Gemeinschaftspolitik zu verwirklichen. Erweist sich eine Ausrichtung auf umweltschützende und damit auch gesundheitsschützende Aspekte lediglich als Reflex des dem Atombereich zuzuordnenden Hauptzwecks, tritt eine mögliche umweltpolitische Grundlage hinter der materiellen Inbezugnahme der Vorgaben nach Art. 30 ff. EGV zuruck. Zu berucksichtigen ist bei dieser Abgrenzung weiter, daß der Einbindung den Umwelt- und den Gesundheitsschutz betreffender Gesichtspunkte in Abkommen auf der Grundlage von Art. 130 s/ 175 n. F. EGV insoweit Grenzen gesteckt sind, als nach dem Europäischen Gerichtshof268 der Anwendungsbereich der Art 30 ff. EAGV extensiv auszulegen ist. Diese Auffassung findet eine Bestätigung in der grundsätzlichen Trennung des EAGV von den Vorschriften des EGV. Mit dem EAGV sehen die Gemeinschaftsnormen ausdrucklieh einen eigenen Regelungskomplex für den Atombereich vor, für den in Art. 101 ff. EAGVein eigenständigen Verfahren zum Abschluß internationaler Übereinkommen vorgesehen ist. b) Abgrenzung der umwelt-und landwirtschaftpolitischen Kompetenzen

aa) Folgen des Vorrangs der Agrarpolitik in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Einen Vorrang hat der Europäische Gerichtshof den landwirtschaftlichen Bestimmungen zuerkannt. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung war Art. 38 I 32 n. F. Abs. 2 EGV, aus dem sich ergebe, daß die Bestimmungen des Vertrages über die gemeinsame Agrarpolitik den sonstigen Vorschriften für die Errichtung des Ge266 So bereits EuGH, Slg. 1987, 1493 (1521 f.)- Allg. Zollpräferenzen für Waren aus Entwicklungsländern. 267 Siehe oben 1. 268 EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4566 f .) - "Post-Tschemobyl"-Verordnung, der auch den Handel mit kontaminierten Erzeugnissen als erfaßt ansieht. Näher oben A.II.4.b).

6 Frenz

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

meinsamen Marktes im Falle eines Widerspruchs vorgehen. 269 Dies betrifft aber den Binnenvorgang der Errichtung des Gemeinsamen Marktes. 270 Dementsprechend wurde die Agrarkompetenz für vorrangig gegenüber den Rechtsgrundlagen zur Rechtsharmonisierung angesehen, ebenfalls im Verhältnis zu der gemeinsamen Handelspolitik. 271 Bereits die Hinzunahme der gemeinsamen Handelspolitik weist über den engen Rahmen der Errichtung des Gemeinsamen Marktes hinaus. Des weiteren wurde der Vorrang der Agrarpolitik auch auf seine umfassende Zielsetzung gestützt. Art. 39 I 33 n. F. EGV nennt nicht nur spezifisch landwirtschaftsbezogene Zielsetzungen, sondern verlangt auch eine Berücksichtigung der Tatsache, daß die Landwirtschaft in den Mitgliedstaaten einen mit der gesamten Volkswirtschaft eng verflochtenen Wirtschaftsbereich darstellt. Daher sind die Ziele der Agrarpolitik so zu verstehen, daß die Gemeinschaftsorgane ihre Aufgaben unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Landwirtschaft und in der gesamten Volkswirtschaft erfüllen können. 272 Deshalb ist es nur konsequent, daß bei der Verfolgung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik auch die Erfordernisse des Allgemeininteresses wie etwa des Verbraucherschutzes oder des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren einzubeziehen sind?73 Ein solches Erfordernis des Allgemeininteresses bildet mittlerweile anerkanntermaßen auch der Umweltschutz. 274 Der Europäische Gerichtshof sieht Art. 43 I 37 n. F. EGV als geeignete Rechtsgrundlage für jede Regelung über die Produktion und die Vermarktung der im Anhang 2 des Vertrages aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse an, die zur Verwirklichung zumindest eines der vorgenannten Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik beiträgt. 275 Da im Rahmen dieser Ziele eben auch die Einbettung der Landwirtschaft in die aus vielen Bestandteilen zusammengesetzte Wirtschaft des europäischen Raumes zu beachten ist, ergibt sich daraus eine sehr weites, andere Vertragsbestimmungen verdrängendes Anwendungsfeld. bb) Gleichrang der Agrarpolitik Bezogen auf den Umweltschutz stellt sich damit das Problem, daß die Landwirtschaft einseitig bevorzugt wird, ohne in Art. 2 EGV als grundlegende Aufgabenbestimmung der Gemeinschaft ausdrücklich genannt zu sein. Demgegenüber ist in dieser Vorschrift mit der Amsterdamer Vertragsänderung ein hohes Maß an UmEuGH, Slg. 1978, 2347 (2370)- Pigs Marketing Board. Siehe auch EuGH, Slg. 1979, 2161 (2191)- Pigs and Bacon Commission; Slg. 1988, 855 (896); Slg. 1988,905 (930)- Legehennen; Slg. 1989,3743 (3768). 271 EuGH, Slg. 1989, 3743 (3767, 3771). m EuGH, Slg. 1988, 855 (896). 273 EuGH, Slg. 1988, 855 (896). 274 Allgemein bereits EuGH, Slg. 1985, 531 (549)- ADBHU; Slg. 1988, 4607 (4630)Dänische Pfandflaschen; Slg. 1992, 1-4431 (4480)- Wallonische Abfälle. 275 EuGH, Slg. 1988, 855 (896). 269

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III. Verhältnis der verschiedenen Einzelkompetenzen

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weltschutz und Verbesserung der Umweltqualität gefordert. Dieses Element ist also explizit benannt. Es wird zusätzlich verstärkt durch das Postulat einer nachhaltigen Entwicklung des Wirtschaftslebens. Eine nachhaltige Entwicklung bedingt einen Ausgleich von Ökonomie, Sozialem und eben der Ökologie. Damit ist der Umweltschutz mit einer Entwicklung des Wirtschaftslebens notwendig verbunden und damit auch über diese Komponente in der Grundlagenbestimmung des Art. 2 n. F. EGV abgesichert. 276 Der Verwirklichung der unter anderem solchermaßen determinierten Aufgabenstellung der Gemeinschaft dient auch die Tätigkeit der Gemeinschaft durch eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Fischerei nach Art. 3/3 Abs. 1 n. F. lit. e) EGV. Jedoch könnte dem bereits dadurch genügt sein, daß die Vorgaben des Art. 2 EGV im Rahmen der Landwirtschafts- und Fischereipolitik Eingang finden. Das legt auch die Querschnittsklausel nach Art. 130 r Abs. 2 S. 3 I 6 n. F. EGV nahe, wonach die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der anderen Gemeinschaftspolitiken und nunmehr auch -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden. 277 Dies betrifft allerdings das Eingehen von materiellen Umweltbelangen in die Gestaltung anderer Gemeinschaftspolitiken. 278 Hier steht dagegen in Frage, ob bei der Entscheidung, welche Politik einschlägig ist, der Agrarpolitik eine andere Politiken verdrängende Funktion zukommt. Dagegen spricht bereits die in Art. 3 I 3 Abs. 1 n. F. EGV erfolgende gleichrangige Aufzählung ganz unterschiedlicher Bereiche. Durch den Bezug von Art. 3 Abs. 1 n. F. EGV auf Art. 2 n. F. EGV könnten höchstens die Politiken besonders hervorgehoben sein, die in ihren Elementen auch in dieser grundlegenden Aufgabenbestimmung der Gemeinschaft genannt sind. Dazu gehört aber eher die Umwelt- als die Agrarpolitik. Grundsätzlich spricht gegen einen solchen Ansatz, daß sämtliche Politiken auf die Aufgabennorm der Gemeinschaft bezogen sind. Darin zeigt sich, daß auch in scheinbar eher sachfremden Politiken in Art. 2 n. F. EGV genannte Elemente, die eine Aufgabe der Gemeinschaft bilden, verwirklicht werden. Die nachhaltige Entwicklung279 etwa ist nur dann wirksam umsetzbar, wenn sie in nahezu sämtlichen Politiken Eingang findet und entsprechend verwirklicht wird. Somit kann schwerlich ein Kompetenzvorrang einer Politik ausgemacht werden. Es muß von den Umständen des Einzelfalles abhängen, welche Kompetenzgrundlagen in Frage kommen und welche letztlich dann gewählt wird. Daher kann auch der Landwirtschaft kein kompetentieller Vorrang vor anderen Politiken eingeräumt werden. Das betrifft nicht nur die Umweltpolitik, sondern die ebenfalls für Außenmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft im Umweltbereich einschlägige gemeinsame Handelspolitik. Aus der Nennung verschiedener Ziele in Art. 39 I 33 n. F. 276 277 278 279

6*

Näher Frenz l Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 175 ff. Grabitzl Nettesheim, in: Grabitz I Hilf, Art. 130 r Rn. 58. Dazu Breier!Vygen, in: Lenz, Art. 175 Rn. 20. Zum Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung siehe die Hinweise oben II.3.c).

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

EGV und der Einbeziehung der Verflechtung der Landwirtschaft mit der gesamten Volkswirtschaft folgt nur ein potentiell weiter Anwendungsbereich der Agrarpolitik, ohne daß damit notwendig ein Vorrang gegenüber anderen Politiken begründet wäre. Auch die Umweltpolitik ergreift ein weites Feld. 280 Daher bedarf es der Abgrenzung nach dem aus dem verfolgten Ziel und dem aufgenommenen Inhalt objektiv ersichtlichen Hauptzweck einer Maßnahme, wie es den allgemeinen Grundsätzen entspricht. Nach der Querschnittsklausel des Art. 13016 n. F. EGV müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Konkretisierung und Durchführung der anderen Gemeinschaftspolitiken einbezogen werden. Demnach darf die Umweltpolitik nicht nur isoliert neben den anderen Politiken verfolgt werden. Viemehr sollen ihre Belange im Rahmen anderer Politiken Berücksichtigung finden.Z 81 Dies gilt auch und gerade für die Gemeinsame Fischereipolitik. Aus der Querschnittsklausel kann gleichwohl nicht auf einen Vorrang der umweltpolitischen Zielsetzungen geschlossen werden. Grundsätzlich sind die unterschiedlichen Politiken nebeneinander zu verfolgen und ihre jeweiligen Vorgaben und Zielsetzungen mit denjenigen des Umweltschutzes abzuwägen und in Einklang zu bringen. 282 Eine Sonderstellung der Agrarpolitik ergibt sich jedoch hinsichtlich des Kompetenzrahmens auch nicht aus Art. 38132 n. F. Abs. 2 EGV. 283 Daß danach die Vorschriften für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse nur insoweit Anwendung finden, als in der Agrarpolitik nichts anderes geregelt ist, hat nicht notwendig kompetentielle Bedeutung, sondern zeigt das besondere materielle Rechtsregime für die Landwirtschaft auf und verdrängt damit sonstige materielle Vorgaben des Gemeinschaftsrechts. 284 Art. 38 I 32 n. F. Abs. 2 EGV enthält keinen allgemeinen Vorbehalt, der die gesamte Landwirtschaft einem Sonderrecht unterstellt und das gesamte übrige Gemeinschaftsrecht umfaßt. 285 Vielmehr ist der Gemeinschaftsgesetzgeber in diesem Bereich verpflichtet, bei Erlaß von sekundärrechtlichen Bestimmungen auch die übrigen Vertragsbestimmungen zu beachten. Dies entspricht dem Grundsatz, daß die Landwirtschaft trotz ihrer besonderen Erfordernisse Teil der gesamten Volkswirtschaft und des Gemeinsamen Marktes ist. 286 Insbesondere kann nach dieser Vorschrift nicht der Grundlagenteil in Gestalt vor allem von Art. 2 I 2 n. F. EGV verdrängt sein. Ob man sich im Bereich der Landwirtschaft befindet, ist also notwendige Bedingung Siehe oben 11.2. und 3. Grabitz /Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 r Rn. 59. 282 Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 130 r Rn. 58. 283 Korte/van Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 38 Rn. 12. 284 I. E. auch Gilsdorf/ Priebe, in: Grabitz I Hilf, Art. 38 Rn. 33 unter Annahme eines Spezialitätsverhältnisses zwischen der Landwirtschaft und den allgemeinen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, ohne von einem Prioritätsverhältnis der landwirtschaftlichen Bestimmungen auszugehen. 285 Korte /van Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 38 Rn. 12. 286 EuGH, S1g. 1981, 735 (742 f .) - Irish Creamery Milk Suppliers. 280

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III. Verhältnis der verschiedenen Einzelkompetenzen

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für das Eingreifen von Art. 38/32 n. F. Abs. 2 EGV, mithin Vorfrage, und wird nicht durch diese Bestimmung entschieden. 287

cc) Folgen insbesondere am Beispiel der Fischereipolitik In der Fischerei drängt die damit gleichrangig und solchermaßen in großem Umfang eingreifende umweltpolitische Kompetenzgrundlage die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft spezifisch für die Fischereipolitik288 weitgehend zurück. Sind Gegenstand und Zweck eines Fischereiabkommens neben Erhaltung und Schutz der Fischereiressourcen vor allem umweltpolitische Zielsetzungen, die eine Grundlage nicht in der gemeinsamen Fischereipolitik, sondern im Rahmen der Umweltpolitik nach Art. 130 r /174 n. F. EGV finden, sind sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten zum Tätigwerden im Außenbereich befugt. 289 dd) Spezifische Auswirkungen auf den Meeresschutz Bei Maßnahmen, die einen direkten Bezug zur Fischerei haben und spezifische fischereiwirtschaftliche Umweltprobleme regeln, besteht für die die Fischereiwirtschaft betreffenden Aspekte eine vorrangige Gemeinschaftskompetenz aus Art. 38/32 n. F. ff. EGV. 290 Gleichwohl sind Regelungen, die dem rein ökologischen Schutz der Meere dienen und deren fischereiwirtschaftlicher Bezug schwach ist, auf Art. 130 s/175 n. F. EGV zu stützen. Dies bedeutet für die internationale Aushandlung von Meeresschutzabkommen, daß die Tätigkeit der Gemeinschaft in diesem Bereich nicht isoliert stehen darf. Entsprechend ist die Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten bei Anbahnung eines internationalen Übereinkommens, das neben der Erhaltung und dem Schutz der Meeresressourcen weitere umweltschützende und den Bereich der gemeinsamen Fischereipolitik eindeutig verlassende Zielsetzungen beinhaltet, zur Kooperation verpflichtet. Dies bedeutet, daß die Mitgliedstaaten nicht von der Gemeinschaft bei der Aushandlung und dem Abschluß internationaler Übereinkommen ausgeschlossen werden dürfen. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten aus eigener Kompetenz zur Aushandlung der dem ökologischen Schutz des Meeres zuzuordnenden Abkommen befugt und damit aktiv in die Ausgestaltung der jeweiligen Sachfragen einzubeziehen. 291 Kortelvon Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 38 Rn. 10. Siehe oben 11.5.e). 289 Siehe dazu Fischer, in: Grabitz/Hilf, nach Art. 47 Rn. 76, in Bezug auf das Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR), ABI. 1981 L 252, S. 26. 290 So ausdrücklich der EuGH, Slg. 1979, 2923 (2940), nach dem die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Fischereipolitik alles umfaßt, " . . . was im internen Bereich der Gemeinschaft, wie auch in den Beziehungen zu Drittländern den Schutz der Fischbestände und die Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres betrifft." 287 288

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

Die Kompetenz der Gemeinschaft zum Abschluß von völkerrechtlichen Abkommen im Umweltbereich ist weitgehend aus entsprechenden Binnenkompetenzen abzuleiten. 292 Damit gelten auch für die Befugnisse der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten im Außenbereich die für die Binnenkompetenzen und ihre Unterscheidung entwickelten Regeln. 293 (1) Kernbereich der Fischereipolitik

Unter den Kernbereich der Gemeinsamen Fischereipolitik fallt die Erhaltung des Fischereibestandes zu Fischereizwecken. Diese erfolgt durch die Schaffung von Zonen, in denen der Fischfang untersagt oder beschränkt ist, die Festsetzung von Normen für die Fanggeräte, die artspezifische Festsetzung von Mindestgröße und -gewicht und die Einschränkung des Fischereiaufwandes etwa durch Fangbeschränkungen.294 Die wichtigsten umweltschützenden Aspekte in den von der Gemeinschaft abgeschlossenen Fischereiabkommen sind Erhaltungsmaßnahmen der Fischereibestände wie Gesamtfangmengen, Bestandsschutzmaßnahmen und Verteilung. 295 Damit werden sowohl zur Erhaltung des Fischereibestandes zu Fischereizwecken als auch zur Berücksichtigung von Zielen des Schutzes der Meeresumwelt ähnliche bzw. gleiche Maßnahmen instrumentalisiert. Dadurch wird eine eindeutige Zuordnung der von einem internationalen Übereinkommen zum Schutz des Meeres vorgesehenen Maßnahmen entweder zur Gemeinsamen Fischerei- oder zur Umweltschutzpolitik erschwert. Dies darf gleichwohl nicht dazu führen, daß die Mitgliedstaaten bei der Aushandlung und dem Abschluß eindeutig den Meeresschutz betreffender internationaler Abkommen außen vor bleiben. Vielmehr ist dann die nähere Zielsetzung der jeweiligen einzelnen Maßnahme zu bestimmen. (2) Gleichrangigkeif von Umweltschutz- und Fischereipolitk im Meeresschutz

Die Agrar- bzw. Fischereipolitik steht den anderen Politiken und damit auch der Umweltpolitik in dem aufgezeigten Rahmen gleichrangig gegenüber.296 Im Bereich des Meeresschutzes ergibt sich eine kompetentielle Abstützung damit in der jeweiligen Spezialpolitik, wenn eine Maßnahme integraler Bestandteil des jeweiligen Regelungsbereichs ist und dessen Konzeption prägt und bestimmt.297 Liegt im Vgl. dazu Breier/Vygen, in: Lenz, Art. 174 Rn. 26. Dazu oben 11.1. 293 Vgl. dazu oben A.III.; im Hinblick auf den von der Rechtsprechung zur Abgrenzung der spezifisch umweltpolitischen Kompetenzen entwickelten Maßstabsbegriff vgl. insbesondere EuGH, Slg. 1991, 1-4529 (4564 f.)- "Post-Tschernobyl"-Verordnung. 294 Borchardt, in: Lenz, Art. 34 Rn. 122 ff. 295 Horstig, Die Europäische Gemeinschaft als Partei internationaler Umweltabkomrnen, s. 112. 296 Siehe oben 111.2.b)cc). 297 Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 73. 291 292

III. Verhältnis der verschiedenen Einzelkompetenzen

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Einzelfall die schwerpunktmäßige Zielsetzung einer Regelung erkennbar allein im ökologischen Schutz der Meere, hat eine Abstützung auf Art. 130 s/ 174 n. F. EGV mit der Maßgabe zu erfolgen, daß die Mitgliedstaaten gleichberechtigt neben der Gemeinschaft in die Verhandlungen einzubeziehen sind. (3) Das OSPAR-Übereinkommen und begleitende Konferenzen als Beispiele

Ein anschauliches Beispiel ist das OSPAR-Übereinkommen. Dieses Übereinkommen zum Schutze der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks vom 22. 9. 1992298 hat zum Ziel, die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten zum Schutze des NordostAtlantiks zu verstärken. Die Vertragsparteien verpflichten sich, alles zu unternehmen, "um die Meeresverschmutzung ab Schiffen und vom Lande aus" als Folge menschlicher Aktivitäten zu verhüten und zu beseitigen. Das Übereinkommen wurde am 22. September 1992 in Paris von den Anrainerstaaten des Nordost-Atlantiks, der EG-Kommission sowie Luxemburg und der Schweiz als Oberlieger im Einzugsgebiet der Nordsee unterzeichnet. Das sogenannte OSPAR-Übereinkommen ersetzt im Verhältnis zwischen den Unterzeichnerstaaten das Übereinkommen vom 15. 2. 1972 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge (Osloer-Übereinkommen)299 und das Übereinkommen vom 4. 6. 1974 zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus (Paris-Übereinkommen) 300• Das OSPAR-Übereinkommen bindet das Vorsorgeprinzip und das Verursacherprinzip in das Völkerrecht ein und definiert beide Prinzipien (Art. 2 Abs. 2 OSPAR-Übereinkommen). Weiter enthält es ein Verbot der Verbrennung von Abfällen und ein Verbot des Einbringens von Abfällen auf See. Formal stellt das OSPAR-Übereinkommen ein Rahmenabkommen mit Anlagen und Anhängen dar. Ansatzpunkte bilden die Verhütung und Beseitigung der Versehrnutzung vom Lande aus, durch Einbringen und Verbrennung, durch Offshore-Anlagen und die Beurteilung der Qualität der Meeresumwelt (Art. 3 - 7 OSPAR-Übereinkommen). Vorgesehen ist, daß die als Organ des OSPAR-Übereinkommens eingesetzte OSPAR-Kommission (Art. 10 OSPAR-Übereinkommen) die Durchführung des Übereinkommens zu überwachen (Art. 10 Abs. 2 lit. a) OSPAR-Übereinkommen) und Überpriifungs- und Regelungsmaßnahmen zu ergreifen hat (Art. 10 Abs. 2 lit. b)-g) OSPAR-Übereinkommen). Auf der Konferenz von Sintra vom 20. bis 24. Juli 1998 verabschiedeten die Minister einen neuen Anhang zum OSPAR-Übereinkommen, mit dem es um eine Anlage für die Erarbeitung von Naturschutzmaßnahmen erweitert wird. Es wurden Strategien für die Ableitung radioaktiver Stoffe und eine "decision" zur Entsorgung 298

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BGBI. II 1994, S. 1360. BGBI. II 1977, S. 165. BGBI. II 1981, S. 870.

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A. Abgrenzung der Außenkompetenzen

von stillgelegten Off-shore-Anlagen verabschiedet. Weiterhin wurde vereinbart, umgehend ein Konzept zur Prioritätensetzung und Auswahl besonders gefährlicher Stoffe fertigzustellen. Diese danach selektierten prioritären Stoffe sollen unmittelbar weiteren Maßnahmen, z. B. Beschränkungsregelungen, unterworfen werden. Im Bereich der Nährstoffe hat die Kommission eine Strategie zur Reduzierung der Einleitungen verabschiedet, nach der es bis zum Jahre 2010 keine sogenannten Eu. trophierungsgebiete mehr geben soll. 301 Weiter beschlossen die Minister die sogenannte Erklärung von Sintra, welche in einem Aktionsplan Ziele und Strategien für die künftige Arbeit der Kommission beinhaltet. 302 Bis zum Jahr 2020 sollen Ableitungen, Emissionen und Verluste natürlicher und synthetischer gef