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German Pages 276 Year 2019
Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
ERSTER TEIL: AUTORITARISMUS
ZWEITER TEIL: AUTORITARISMUS UND INSTITUTIONALISIERUNG
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Fur Lolita Aniyar de Castro und Alessandro Baratta
Editionen der Iberoamericana Reihe III Monographien und Aufsätze, 14
Emilio García Méndez
Recht und Autoritarismus in Lateînamerika
Argentinien, Uruguay und Chile 1970-1980
Verlag Klaus Dieter Vervuert
G e d r u c k t mit U n t e r s t ü t z u n g der Vereinigung der Freunde d e r U n i v e r s i t ä t d e s S a a r l a n d e s e. V.
CIP-Kurztitelaufnahme d e r Deutschen Bibliothek García Méndez, Emilio: Recht und Autoritarismus in Lateinamerika: Argentinien, Uruguay u. Chile 1 9 7 0 - 1 9 8 0 / Emilio García Méndez. - Frankfurt am Main: Vervuert, 1985. (Editionen der Iberoamericana: Reihe 3, Monographien und Aufsätze; 14) ISBN 3 - 9 2 1 6 0 0 - 3 2 - 4 N E : Editionen der Iberoamericana / 03
ISBN 3-921600-32-4 © V e r l a g K l a u s D i e t e r V e r v u e r t , Frankfurt 1 9 8 5 Alle Rechte vorbehalten. Printed in W e s t G e r m a n y .
In the trial of persons acussed for crimes against the state the method is much more short
and
commendable:
the
judge
first
sends to sound the disposition of those in power, after which he can easily hang or save the criminal, strictly preserving all the forms of law. Jonathan Swift, Gulliver's Travels 1 726 Articulo Iro.- Declárase disueltas la Cámara de Senadores y la Cámara de Representantes . Articulo 3ro.- Prohíbese la divulgación por la prensa oral, escrita y televisada de todo tipo de información, comentario o grabación que, directa o indirectamente, mencione o se refiera a lo dispuesto por el presente decreto atribuyendo propósitos dictatoriales al Poder Ejecutivo, o pueda perturbar la tranquilidad y el orden públicos . Firmado Bordaberry. Bolentini. Ravenna Decreto 464 de 1973 República Oriental del Uruguay
Inhaltsverzeichnis Vorwort
11
Einleitung
13
a) Der neue Autoritarisraus
15
b) Recht und neuer Autoritarismus
17
c) Staat, Regime und Besonderheit der Rechtsinstanz
19
d) Die Bedeutung des Terminus "lateinamerikanisch"
24
e) Themen und Arbeitshypothesen
26
ERSTER TEIL:
AUTORITARISMUS
Kapitel I:
Autoritarismus und neuer Autoritarismus in Lateinamerika
1.
29
Einige Überlegungen zum Begriff des Autoritarismus
.
1.1 Autoritarismus versus Totalitarismus
29 30
1.2 Die Studie Gino Germanis: Der Totalitarismus als Exponent des modernen Autoritarismus
32
1.3 Die Untersuchung von Juan Linz: ein Beitrag zur Erforschung des Autoritarismus in Lateinamerika 1.4 Auf dem Weg
zu einer neuen Definition des
38
Begriffs
von Autoritarismus in Lateinamerika Kapitel II: 2.
42
Zentraler Kapitalismus und Autoritarismus
Prämissen der Untersuchung
45 45
2.1 Die Krise
4S
2.2 Die Krise des Wohlfahrtsstaates 2.3 Verschiedene
47
Perspektiven in der kritischen
Staats-
theorie
50
2.4 Politik und Recht im liberalen Staat
56
2.5 New Deal und Faschismus. Bruch und Vereinheitlichung in der Rechtsinstanz
64
2.6 Der Interventionsstaat
68
2.7 Autoritarismus und gegenwärtiger Staat
71
Kapitel III:
Autoritarismus und Verhältnis
Zentrum-Peri-
pherie 3.
Theoretische
Perspektiven
76 für die Analyse
hältnisses von Zentrum und Peripherie
des Ver76 7
3.1
Interdependenz
von
Zentrum
und
Peripherie
einer-
3.2
Autoritarismus, Konservierung und Legitimation
seits und Autoritarismus andererseits
Kapitel IV:
77 ...
80
Die Doktrin der inneren Sicherheit (DIS) .
83
4.
Historisch-politische Vorläufer
4.1
Nationale der DIS
87
4.2
Stabilität
90
und
internationale
83 Politik
im
Kontext
4.3
Demokratie
92
4.4
Macht
93
4.5
Konsens
94
4.6
Politische Opposition
95
4.7
Rechtsstaat und/oder Ausnahmestaat
4.8
Unterordnung
ter Ausnahmestaat Kapitel V: 5.
Der
96
der judikativen Gewalt und
permanen-
(der Fall Uruguays)
100
Einige Aspekte der Theorie Niklas Luhmanns Ausnahmezustand
Konservierung
des
als
besondere
Systems
in
der
104
Strategie zur Theorie
Niklas
Luhmanns
104
5.1
Ein verdeckter Ausnahmezustand
107
5.2
Abschließende Bemerkung
113
ZWEITER
TEIL:
Kapitel
VI:
AUTORITARISMUS Die
UND
autoritäre
INSTITUTIONALISIERUNG
Institutionalisierung
im
cono sur 6.
Traditioneller
und
116 neuer Autoritarismus:
Das Pro-
blem der Einteilung des juristischen Wissens 6.1
Die
juristischen
Etappen des autoritären
116
Institu-
tionalisierungsprozesses 6.1.1 Der
Fall
Argentiniens:
120 1976.
Das
ideologische
Scheitern der autoritären Institutionalisierung
..
6.1.2 Der Zeitraum 1973 - 1976
125
6.1.3 Die institutionelle Struktur der Militärdiktatur 6.1.4 Inhalt der autoritären
8
.
Institutionalisierung
6.1.5 Die Veränderung der Ideologie des Liberalismus
122 130 134
...
140
6.1.6 Funktionen der autoritären Institutionalisierung 6.1.7 Einige
Beispiele
der
neuen
.
repressiven
Gesetzge-
politische
Zusammen-
bung 6.2
Der
142 149
Fall
Uruguay
1972:
Der
bruch der autoritären Institutionalisierung
154
6.2.1 Von der Hegemonie zur Herrschaft. Erste Etappe der autoritären Institutionalisierung 6.2.2 Die
154
zweite Etappe der autoritären
Institutionali-
sierung
159
6.2.3 Funktionen der autoritären Institutionalisierung 6.2.4 Politik
und
Recht
in
der
.
uruguayischen
Gesell-
der "Rechtsgewalt" in ein
"Rechts-
schaft
165
6.2.5 Die Umwandlung organ" 6.2.6 Die
166
dritte Etappe der autoritären
Institutionali-
sierung. Die neue Verfassung 6.3
160
168
Der Fall Chiles: Der militärische Sieg der autoritären Institutionalisierung
6.3.1 Die
Regierung
der
"Unidad
171 Populär"
als
erste Er-
fahrung des demokratischen Obergangs zum Sozialismus 6.3.2 Der
171 Militärputsch
vom
September
1973:
Gewalt und
Recht
174
6.3.3 Von der militärischen zur "juristischen" Legitimität 1976 - 1980 6.3.4 Die
176
dritte Etappe der autoritären
Institutionali-
sierung: Die neue Verfassung
179
6.3.5 Die Obergangsbestimmungen und die neue Verfassung
181
6.3.6 Zusammenfassung
185
Kapitel VII:
Staatstheorie und Rechtsinstanz in Lateinamerika
7.
Theoretische Voraussetzungen:
187 "Entwicklungsschule"
und Abhängigkeitstheorie
187
7.1
Die Staatstheorie in Lateinamerika
189
7.2
Die verschiedenen Forschungsrichtungen der Staatstheorie in Lateinamerika
189
9
7.3
Der Staat als eine spezifische Form des Faschismus betrachtet
191
7.4
Staatstheorie und neuer Autoritarismus
198
7.5
Abschließende Bemerkung
206
Kapitel
VIII: Politische Herrschaft und juristische Hegemonie
8.
Die verschiedenen Ebenen der Machtverhältnisse
8.1
Juristische Hegemonie
8.2
208 ...
208 210
Elemente und Entwicklung der juristischen Hegemonie des herrschenden Blocks
212
8.3
Ineffektivität und Bedeutung des Rechts
216
8.4
Schlußbetrachtung
218
Anmerkungen
221
Literaturverzeichnis
263
10
Vorwort Die Idee, die juristisch-institutionelle Struktur des Autoritarismus
im lateinamerikanischen
mir unter
"Cono Sur" zu untersuchen, kam
anderem auf Grund der Tatsache,
daß
ich direkt von
ihm betroffen war. So habe ich mich gewissermaßen für das Thema "auserwählt" gefühlt und nicht umgekehrt, wie das normalerweise der Fall ist. Dennoch fehlten mir zunächst die Zeit, die Mittel und die notwendige Ruhe, um diese Arbeit anzugehen. Anfang 1980 erhielt
ich ein Stipendium
für den Zeitraum von drei
Jahren,
ohne das die vorliegende Arbeit nie möglich geworden wäre. Daher möchte ich an dieser Stelle der Friedrich-Naumann-Stiftung, die
mir
das
oben
genannte
Stipendium
großzügigerweise
zur
Verfügung gestellt hat, herzlich danken, ebenso wie all denjenigen, die mir bei der Erstellung dieser Arbeit behiflich gewesen sind. Wenn es mir auch unmöglich ist, hier alle Namen zu nennen, so möchte gen und Freunde mein
Dank
für
Manuskripts.
ich es doch nicht unterlassen, einige Kolle-
namentlich seine
Realino
zu erwähnen. Marcel Wainstock
wertvolle Marra
Hilfe
und
bei
Paolo
gilt
der Obersetzung
Öecchi
danke
ich
des für
die Zeit, die sie mir zur Verfügung gestellt haben und für ihre Bereitschaft, jederzeit über die Arbeit zu diskutieren. Was die Diskussion
des
Manuskripts
angeht
liegt
mir
ganz
besonders
daran, meinen Freund und Lehrer Prof. Ernesto Garz&n Valdes zu nennen. für
Die
mich
Strenge
und
Unerbittlichkeit
Herausforderung
und
Hilfe
seiner
zugleich
Kritik
und
waren
dienen
mir
heute als Beispiel. Natürlich antwortung
liegt, bei
aller
erhaltenen Unterstützung, die Ver-
für Fehler und Unzulänglichkeiten, die in der vor-
liegenden Arbeit
zweifelsohne
zu finden sind, allein bei mir.
Um zwei weiteren Freunden und Lehrern meinen Dank für all ihre Hilfe
und
Unterstützung
aus. Ihnen, Lolita Aniyar
auszudrücken,
reichen
de
Alessandro
Castro
und
Worte
nicht
Baratta,
sei diese Arbeit gewiüiiiet.
11
Einleitung
Der Zeitraum von 1970 bis 1980 ist in den Ländern des sogenannten lateinamerikanischen "cono sur" (Argentinien, Uruguay und
Chile)
durch
die, obwohl
ihrem Wesen und kannt
tiefgreifende
Veränderungen
sind.
ten
ein
betreffen,
ihrer Struktur nach heute noch teilweise unbe-
Diese
Unkenntnis
ist zum Teil darauf
ren, daß im Bereich der lateinamerikanischen Korpus
weniger
gekennzeichnet,
sie das Leben der gesamten Gesellschaft
kritischer Studien^
zurückzufüh-
Sozialwissenschaf-
fehlt, der eine mehr
oder
präzise Diagnose der zentralen Charakteristiken dieser
Veränderungen
erlauben
würde.
Diese
Feststellung
bedeutet je-
doch keine Verkennung oder Unterbewertung der kritischen Unter2 suchungen,
auf
die
wir
uns
im
Verlauf
der
vorliegenden
Arbeit ständig stützen werden, sondern zielt auf eine Eröffnung der Diskussion über diesen Gegenstand ab; dies insoweit, als es unser Ziel ist, die Besonderheit und die Funktionen der Rechtsinstanz^
im Rahmen der politisch-rechtlichen
in einer Krise befindenden Herrschaftssysteme
Struktur der sich zu verdeutlichen
und zu analysieren. Auf
interdisziplinäre Anleihen angewiesen, kann eine Un-
tersuchung dieser Art nicht ohne eine Reflexion über den gegenwärtigen
Zustand
und
die
zukünftigen
hungen zwischen der Erforschung der
Möglichkeiten der
Bezie-
Rechtsinstanz und derjeni-
gen der Sozialwissenschaften gemacht werden. Ein
einfacher
bibliographischer
schon, in Lateinamerika die lierungen
mit
all
ihren
Oberblick
erlaubt es
Existenz solider kritischer Formu-
Nachteilen,
Fortschritten
und
Rück-
schritten in den Bereichen der Politologie, der Wirtschaftswissenschaften,
der
nachzuweisen.
Im
stellt
sich
Soziologie, Bereich
die Situation
der
der
Geschichtswissenschaft
sogenannten
im Gegensatz
usw.
"Rechtswissenschaft"
dazu
ganz
anders dar.
Hier kommt die kritische Reflexion lediglich am Rande und ver4 S streut vor, während das konservative Denken eine offenbar nicht in Frage gestellte Hegemonie^ genießt.
13
Obwohl wir uns im Verlauf dieser Arbeit insbesondere dem Problem der Hegemonie im Bereich des Rechts zuwenden werden, um zu versuchen, chen,
ihre Bedeutung und die Gründe, die sie ermögli-
zu erklären,
seien hier
schon kurz
die
unmittelbarsten
Folgen dieses Umstandes für die gesamte Sozialforschung in Lateinamerika angedeutet. Geht
man
davon
aus,
daß
ein Herrschaftssystem
samtheit von in gegenseitiger Beziehung stehenden
eine Ge-
spezifischen
Instanzen darstellt, deren Elemente nur theoretisch
"isoliert"
werden können und müssen, dann muß man zu dem Schluß gelangen, daß die adäquateste Forschungsmethode diejenige sein wird, der es gelingt, aufgrund der profunden Analyse einer oder mehrerer dieser
Instanzen,
die
Ergebnisse
in ein theoretisches
System
7
zu integrieren, das die Gesamtheit
umfaßt und vor allem in der
Lage ist, sie zu erklären. Ein solches
theoretisches
System
ist nichts
anderes als
eben der Korpus kritischer Studien, der hier gefordert wird und innerhalb dessen die Untersuchung des Rechtes, wenn schon nicht ein völlig
inexistentes,
so doch zumindest mit Sicherheit das
schwächste Glied darstellt. Unser Interesse für das Recht führt uns
notwendigerweise
dazu,
die
Analyse
der
institutionellen
Struktur der Herrschafts- und Legitimationssysteme
der
gegen-
wärtigen sozio-ökonomischen Gebilde in Argentinien, Uruguay und Chile aus einer spezifischen thematischen Perspektive heraus zu beleuchten, was eine Erweiterung der Kenntnis der Veränderungen und der
Krisen
fen.
sind
und
Es
Tiefe
auch
immer
erlaubt, welche dies
eine ihre
Umwälzungen
solches Ausmaß weitere
besagte Gesellschaften und
Krisen,
angenommen
Entwicklung
deren
betref-
Ausbreitung
haben, daß
sie, wie
verlaufen wird,
intensiv
das individuelle und kollektive Verhalten der betreffenden Gesellschaften kennzeichnen werden. Diese Veränderungen beziehen sich in erster Linie auf das Aufkommen
autoritärer und
Regierungsformen,
schen
dem
Staat
denen
das
Hauptinteresse
die neue Grenzen zwi-
der bürgerlichen Gesellschaft
setzen und
der kritischen Sozialwissenschaft in
dieser Region gilt. Hiervon
zeugen die Studien über den Staat von Guillermo
O'Donnell, Tilman Evers, Norbert Lechner, Fernando H. Cardoso, 14
Juan C. Portantiero
und Heinz Sonntag, um hier nicht mehr als
einige der wichtigsten zu nennen. In ihren Arbeiten finden sich p gemeinsame vorhandene und fehlende Elemente, die die wesentliche Grundlage dessen bilden, was hier ausgeführt werden soll. In bezug
auf die
ersteren Elemente existiert ein allge-
meiner
Konsens darüber,q daß das Aufkommen der brasilianischen Militärregierung (1964) einen Bruch gegenüber den vorhergehenden Modellen autoritärer Herrschaft kennzeichnet, die Armee
sich hier
zum ersten Mal
insofern als
die Macht auf unbestimmte
Zeit und zwar als Institution aneignete und so das traditionelle
Bild
des
Militärführers
verdrängte,
der
sich
zumeist
ohne ein alternatives sozio-ökonomisches Modell als Obergangslösung
hinsichtlich der "gesellschaftlichen Unordnung" präsen-
tierte.
Die
Militärregierung,
die
sich
1964
in Brasilien ins
Amt setzte, sowie die Militärdiktaturen Argentiniens, und Chiles
der
siebziger
alternatives
Modell
der
in welchem
Region,
Uruguays
Jahre, präsentieren im Gegenteil ein
zu denen der liberal-demokratischen Regime das jeweilige
Maß
an Verdrängungen in
den Bereichen der Wirtschaft, der institutionellen Struktur und der
Techniken
gesellschaftlicher
Kontrolle
das wichtigste und
neueste Element darstellt. Dessen ungeachtet zeigt eine Untersuchung der vorliegenden
kritischen
Literatur
das
Fehlen
spezifischer
Analysen zu
den beiden letzten Elementen (institutionelle Struktur, Probleme der Gesellschaftskontrolle)
auf; einen Mangel, den die hier
vorgelegte Untersuchung ansatzweise zu beheben versuchen will.
a. Der neue Autoritarismus Es
besteht
eine
relative
Übereinstimmung'®
darüber, mit
dem Begriff "neuer Autoritarismus" diejenigen Herrschaftsformen zu bezeichnen,
die die Streitkräfte
angenommen haben, als sie
sich die Macht qua Institution aneigneten. Wir akzeptieren unsererseits den Gebrauch des Terminus "neuer Autoritarismus" mit Vorsicht seines der
und
als
Ausgangspunkt
einer
detaillierteren
Analyse
Inhaltes und seiner Eigenart. Diese Position entspricht
teilweisen Akzeptierung
der Bemerkung,
daß die übermäßige 15
Ausweitung
seines
Gebrauchs
führen w ü r d e . E i n e
rung des zweideutigen mus"
kann
zu
einer
völligen
Sinnentleerung
erste Annäherung an die Aufgabe einer KläInhalts des Terminus "neuer Autoritaris-
durch den Versuch bewirkt werden, jene Elemente zu
bestimmen, die die Bezeichnung "neu" rechtfertigen, was zu weiteren Grundaspekten der Untersuchung
führt.
Wer auch nur flüchtig die Geschichte des gesellschaftspolitischen Prozesses der Gesellschaften des cono sur überflogen hat, könnte ernsthafte Einwände gegen den Gebrauch der Bezeichnung "neu" zur Beschreibung der gegenwärtigen Praxis der Militärregierungen erheben. In
Argentinien
in
expliziter
Weise
und
in Uruguay und
Chile in viel schwächerem Maße - was auf das Vorhandensein längerer
Perioden
demokratischer
Normalität
zurückzuführen ist -
prägen die autoritären Praktiken, und sei es unter der verdeckten Form des
Patriarchats,
die gesamte politisch-soziale Ent-
wicklung seit der Zeit der Unabhängigkeitskriege
gegen die eu-
12
ropäischen Schutzmächte, das Eigenschaftswort
und das so sehr, daß Einwände gegen
"neu" selbst von denjenigen Autoren kom-
men, die diese Bezeichnung häufig anwenden: "... der "neue Autoritarismus" ist kein neues Phänomen. Die Geschichte Lateinamerikas ist eine Geschichte, die sehr reich ist an Führern, aufgeklärten Despoten und Tyrannen, die eine Kultur des Autoritarismus bilden, der gegenüber die Demokratie in die sekundäre Rolle einer subversiven Ideologie zurückgedrängt wurde oder bestenfalls in diejenige einer Scheinlegitimation. Wenn auch der Autoritarismus keinen überraschenden Bruch darstellt, so ist es doch von Bedeutung, die Besonderheit des neuen Autoritarismus gegenüber vorhergehenden Formen zu verdeutlichen." (13) In diesem Sinne werden die Überlegungen des ersten Kapitels
dazu
gegenüber
dienen,
"die
vorhergehenden
Besonderheit Formen
des neuen
Autoritarismus
zu verdeutlichen".
Der
Bedeu-
tung wegen sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein mangelhaftes Vorgehen beim Erstellen einer Definition dessen,
was
werden
darstellt.
16
unter
soll,
dem
die
Begriff
erste
"neuer Autoritarismus"
Fehlerquelle
bei
seiner
verstanden
Untersuchung
b. Recht und neuer Autoritarismus Es gibt in der heutigen lateinamerikanischen Wirklichkeit Elemente, die ausreichend sind, um einen Bruch mit der Vorstellung von Autoritarismus, wie er traditionellerweise
geherrscht
hat, anzunehmen, und die den Anlaß
Definition
zu einer neuen
dieses Begriffs bilden. Dieser Bruch drückt sich in der Tatsache aus, daß, außer unter
außergewöhnlichen
Autoritarismus
bis
Umständen und nur Ubergangsweise, der
zum Beginn der
sechziger
Jahre
sich unter
einem formaljuristischen Mantel präsentierte, der die politischideologischen
Postulate
des
Liberalismus
nicht
in
bedeutsamer
Weise beeinträchtigte. Seit den siebziger Jahren hingegen versucht die autoritäre Ausübung der Macht, zwar unter nicht völliger Abdrängung der ideologischen Postulate des Liberalismus, doch durch Einführung der Grundsätze der sogenannten "Doktrin der inneren Sicherheit" 1 4
(DIS),
auf die Ebene der Praxis überzugehen. Dies äußert sich
in rechtlichen Normen, die für eine Lösung des gesellschaftlichen
Konflikts
(hervorgerufen
durch
das
instabile und
wider-
sprüchliche politisch-wirtschaftliche Modell des Bündnisses der zur Zeit herrschenden Gruppen) auch eine gewaltsame Lösung als legitim zulassen. Diese Praktiken
rechtlichen
Formulierungen,
als einen Versuch
ihrer
die
die
Legitimation
autoritären
mitbeinhalten,
stellen in concreto eine der tiefgreifenden Veränderungen dar, die
innerhalb
dieser
Gesellschaften
stattgefunden
haben
und auf die wir zu Beginn unserer Einleitung hingewiesen haben. Im tolgenden soll gezeigt werden, daß man die gewaltsame Lösung des gesellschaftlichen Konflikts und die Folgen, die sich daraus ergeben, nicht nur durch willkürliche Anwendung des liberalen Rechtes zu regeln versucht, sondern vielmehr: a) in einer ersten Etappe mittels isolierter repressiver Gesetze, die, wie im Falle Argentiniens und Uruguays, eine Zeitlang
mit
formal
demokratisch-parlamentarischen
Regierungen
koexistieren können; b) in einer
zweiten Etappe mittels
"Statuten",
"Verordnungen" 17
oder
"Verfassungsdekreten",
Verfassung
die
nur
jene
Verfügungen der
in Kraft lassen, die nicht in Widerspruch zu der
"neuen grundlegenden Gesetzgebung" stehen; c) in einer dritten Etappe mittels der Verkündigung von "Neuen Verfassungen", die die formale und inhaltliche Negierung der Prinzipien des Liberalismus darstellen. Die
Vollendung
Durchsetzung
(Chile)
wir autoritäre krete man
Realität
bestrebt
der
und
Versuch
Uruguay)
einer
etappenweisen
dieses
Prozesses, den
Institutionalisierung^ ** nennen, stellt die kondar,
ist,
Glaubwürdigkeit Bedeutung,
die
dem
Das
Prozeß
die
steigt. Wenn dies
dem
Eigenschaftswort
"neu",
Begriff des Autoritarismus
verleiht.
das dem genannten eine
oder
(Argentinien
bei
Recht
seinerseits
als
Element,
Form und Konsistenz verleiht, weitem
zutrifft,
seine
normale
erhält
Funktion
so wird allein eine
das
anzuhängen,
über-
Betrachtungs-
weise, der es gelingt, dessen Besonderheit und Funktionen innerhalb des gegenwärtigen Zustandes durch eine makro-soziologische Analyse Verständnis
zu ergänzen, in der Lage sein, einen Beitrag zum der
allgemeinen
gesellschaftlicher
Krisensituation,
Desintegration
deren
Ausmaß an
und Unbehagen die
hervorra-
gendsten Merkmale sind, zu leisten. Es geht also darum, die Funktionen besagter autoritärer Institutionalisierung
zu bestimmen, um
zu ihrer
inneren Logik
vordringen und zugleich Vorhersagen über ihre spätere Entwicklung
formulieren
zu
können.
Dies
in dem Maße,
als es
unsere
Oberzeugung
ist, daß die Analyse der institutionellen Struktur
des
Autoritarismus"
"neuen
zum
Verstehen
der
Wesensart
des
zur Zeit vorherrschenden Zustandes beitragen wird. Schließlich, da die mangelnde Aufmerksamkeit der lateinamerikanischen
kritischen
Rechtsinstanz offenkundig
Sozialwissenschaft
gegenüber
der
ist, und angesichts des hohen Bedeu-
tungsgrades derselben innerhalb des Prozesses, den wir hier beleuchten, drängt sich eine ausführliche Analyse der Gründe für diesen Mangel
18
auf.^
c. Staat, Regime und Besonderheit der Rechtsinstanz Was uns erlaubt, schen cono che,
daß
wenn
auch
die Veränderungen
im
lateinamerikani-
sur als tiefgreifend zu bezeichnen, ist die Tatsa-
diese
gleichzeitig
nicht
immer
auf
richtig
zwei
Ebenen vor
differenziert:
sich
der des
gehen, Staates
und der des Regimes. Diese Verwechslung, die im allgemeinen zu zahlreichen
Mißverständnissen
führt,
ist
insbesondere
bei der
Abgrenzung unseres spezifischen Untersuchungsgegenstandes - der Rechtsinstanz - hinderlich. Diesbezüglich Abschnitt
werden
behandelt
werden:
drei
Grundaspekte
a) Anhand
einiger
in
diesem
konkreter Bei-
spiele sollen die negativen Folgen der obengenannten Verwechslung aufgezeigt werden; b) es soll auf die Legitimität und die Notwendigkeit
einer
spezifischen Untersuchung
der
institutio-
nellen Struktur des Regimes hingewiesen werden; und c) es soll verdeutlicht werden, daß der "rechtlich-politische Oberbau" Einzeluntersuchungen
der
Instanzen,
aus denen
er besteht,
zuläßt
und sogar verlangt. Im Anschluß an die Überlegungen Poulantzas verstehen wir als Staatsformen die "Variationen der Verknüpfung des Ökonomischen und des Politischen innerhalb der von der Dominanz der KPW (Kapitalistische Produktions weise) in der Periodeneinteilung einer Gesellschaftsformation in Stadien gesetzten Grenzen. Sie bezieht sich auf eine ganze Reihe von Veränderungen der staatlichen Funktionen, die Verschiebung der Dominanz zwischen diesen Funktionen, die abweichenden Formen der Intervention des Politischen im ökonomischen und des ökonomischen im Politischen." (17) Was führungen Formen
Regimetypen Cardosos
beziehen,
Legislative
und
die der
anbelangt,
folgend,
auf
so werden wir uns, den Ausdiejenigen
zum einen die Organe Judikative
institutionellen
der Exekutive, der
untereinander
und
zum
anderen
die Gesamtheit der Bürger mit den politischen Machthabern verbinden . 1 ® Eine inadäquate Unterscheidung zwischen Staat und Regime führt im allgemeinen zu den folgenden beiden wichtigsten Fehl-
19
schlüsselt. Regime
Der
erste
gelingen
angenommen
besteht
kann,
hat,
darin,
zu behaupten,
daß
es dem
sich völlig von der Form, die der Staat
loszulösen.
Der
zweite besteht
darin,
zu be-
haupten, daß die Staatsform auf unerbittliche Art und Weise die einzelnen Charakteristiken des Regimes bestimmt. Ein die
typisches
Beispiel
des
ersten
Fehlschlusses
Einschätzungen der deutschen reformistischen
gung, die unter der
bilden
Arbeiterbewe-
Zeit des Nationalsozialismus die kapitaliiq
stische Natur ihres Staates aus den Augen verlor. Ein weiteres lichkeit Cordovas
mit
dem
Beispiel, das mutatis mutandis
ersten
gefunden
beibehält,
werden,
lateinamerikanische
die
Realität
kann
sich
beziehen.
in
auf
den die
Seine
einige ÄhnAusführungen gegenwärtige
Behauptung
(eine
zwar äußerst vorsichtig geäußerte, aber letztlich doch eine Behauptung), daß in wirtschaftlich unterentwickelten ten
der
"Oberbau"
die
"Basis" bestimme,^"
Gesellschaf-
erlaubt
zumindest,
das Vorhandensein besagter Verwechslung anzunehmen. Die Thesen 21 22 23 von Evers, Alavi und Sonntag können wir auf Grund ihrer Ähnlichkeit untereinander und der Ebene der Verallgemeinerung, auf
der
wir
augenblicklich
das
Problem
folgender Behauptung eines dieser Autoren
untersuchen,
mit
zusammenfassen:
"Der national-staatliche Rahmen besitzt für den politischen Bereich maßgebliche Bedeutung, die ihm auf der ökonomischen Ebene fehlt. Im Schutz des Souveränitätsprinzips gewinnt die politische Sphäre einen erheblichen Vorsprung an Autonomie gegenüber der ökonomischen." (24) Obwohl akzeptieren,
wir
die
Thesen
können
wir
dieser
dennoch
drei Autoren die
unsererseits
Behauptung
Cordovas
nur als übertrieben und folglich als irrig betrachten. Aber woher rührt dieser
Irrtum? Die Tatsache, daß die Arbeiten Cordo-
vas eine gewisse geistige Verwandtschaft mit den Arbeiten oben genannter
Autoren
Vermutung
aufkommen,
einer den
nicht
ganz
(Evers, daß
Alavi, seine
einwandfreien
Autonomievorsprung
der
Sonntag)
Behauptungen
besitzen, ihren
Interpretation
politischen
Sphäre
läßt die
Ursprung in
der
Gründe für
der
abhängigen
Gesellschaften haben könnten. Der Fehler wurzelt in diesem Falle, wie Evers sehr rich-
20
tig
bemerkt,
in der
Gleichsetzung des nationalen ökonomischen 25 "Basis". Unter den konkreten Bedingungen
Raumes mit besagter des
abhängigen
Kapitalismus
findet
sich
im Gegenteil die "Ba-
sis" außerhalb des nationalen Kontextes, was heißt, daß die Bestimmung des "Oberbaus" von der ökonomischen Instanz der Gebilund ? A sich im nationalen Raum mittels des Staates materialisiert. Dieses Beispiel er-
de
des
zentralen
Kapitalismus
ausgeht
weist sich überdies als geeignet, um die Komplexität wahrzunehmen, die das Phänomen der abhängigen wirtschaftlichen
Entwick-
lung in das Studium von Staat und Regime einbringt. Der zweite
Fehlschluß steht
in enger Verbindung mit den
Thesen von der absoluten Bestimmung der Formen des Regimes auf Grund der Staatsformen
(ein Staat, der hier in letzter
Instanz
lediglich eine Widerspiegelung der Produktionsverhältnisse
dar-
stellt) . Die Sakralisierung mierenden stischen
der Marxschen Texte sowie die defor-
Interpretationen Auffassungen
"Oberbau".
In diesem
des Falle
seines
Denkens
Verhältnisses annulliert
gipfeln
in
zwischen
mechani-
"Basis" und
die Bestimmung
des öko-
nomischen in "letzter Instanz" gleichzeitig die Problematik von Regime und Staat,
indem
duktionsverhältnisse Nehmen
wir
sie die 27 Analyse auf der Ebene der Prozurückhält.
ein weiteres
teinamerikanischen
Beispiel, wiederum
Raum, um besser verdeutlichen
welchem Maße diese mechanistischen
Interpretationen irrig sind.
Innerhalb des Kontextes des abhängigen der
Grad
der
Autonomie,
den
die
aus dem la-
zu können, in
Kapitalismus
ökonomische
Sphäre
ermöglicht erreicht,
die Existenz von klar differenzierten Regimen auch in Situationen,
in denen
(Staat)
nicht
sich in
die Verbindung
bedeutsamer
Weise
von
Politik
und
Wirtschaft
unterscheidet.
Mexiko und
Venezuela (parlamentarische Demokratien) sowie Argentinien 1983) und Brasilien
sere Behauptung zu illustrieren. In allen vier Ländern existieren auftretenden Elemente: 2 8
folgende
a ) ein an der Macht befindliches Klassenbündnis des
(bis
(Militärdiktaturen) ermöglichen es uns, un-
wirtschaftlich
am
stärksten
gleichzeitig
einschließlich
konzentrierten
Agrar- und
21
Industriesektors mit engsten Verbindungen zu den transnationalen Konzernen der herrschenden Mächte; b) eine
starke Abhängigkeit
von den
internationalen
tionen der Wirtschaft, insbesondere vom IWF
Organisa-
(Internationaler
Währungsfond) ; c) ein Inflationsprozeß, der sich in einer negativen Verteilung des Einkommens niederschlägt, die in erster Linie die lohnabhängigen Sektoren betrifft; d) eine
repressive
Politik
der
sozialen
Kontrolle,
die
gemäß
dem politisch-wirtschaftlichen Modell des sich an der Macht befindlichen Blocks durchgesetzt wird. Das Vorhandensein dieser Gemeinsamkeiten erlaubt es uns, Cardoso voll zuzustimmen, wenn er schreibt: "Die in Venezuela, Mexiko, Argentinien und Brasilien angesiedelten Wirtschaftspolitiken sind ziemlich ähnlich, obwohl ihre politischen Regime eindeutig verschieden sind. Ein weiteres Mal ... liegt die Verwechslung von politischen Regimen mit Staatstypen vor." (29) Wenn negativen
wir
auch
Folgen
bereits
dieser
im
allgemeineren
Verwechslung
Sinn
auf
hingewiesen
die
haben,
so ist es jetzt an der Zeit, auf ihre negativen Konsequenzen in dem speziellen Bereich, mit dem wir uns beschäftigen, hinzuweisen. Es sind dies: a) die Verhinderung einer adäquaten Charakterisierung des Staatstypus, der unter dem, was wir "neuer Autoritarismus" genannt haben, existiert und b) die Verharmlosung der Bedeutung, die der institutionellen Struktur dieses "neuen Autoritarismus"
zukommt,
indem
der
spezifische
Bereich
des
Rechtes verdeckt oder ignoriert wird. Das starke Maß an gegenseitiger Bedingtheit der beiden obengenannten den wir versuchen
Konsequenzen weist
auf einen circulus
im Laufe unserer Arbeit werden:
die
schwache
immer wieder Entwicklung
vitiosus hin,
zu
durchbrechen
eines
kritischen
Denkens im Bereich des Rechts, das die makro-soziologische Problematik
mitbeinhalten
stente Aufmerksamkeit
würde, und die geringe oder nicht exigegenüber der
Problematik
der
Rechtsin-
stanz seitens der Untersuchungen zur Theorie des Staates. Wenden wir uns wieder dem vorhergehenden Problem zu. Das er-
22
ste Symptom, das uns erlaubt, eine inadäquate des
autoritären
Staates
festzustellen,
Charakterisierung
liegt
in der Wucherung
von Adjektiven, die zu seiner Benennung gebraucht werden.^" In Lateinamerika wurden die Staaten, deren Regime die Legitimitätsformen der parlamentarischen Demokratien zerstören und in denen die
Armee,
nur
transitorisches
als
Institution Modell
handelnd, auf
ein alternatives,
politischer,
nicht
wirtschaftlicher
und gesellschaftlicher Ebene präsentiert, wie folgt benannt:^ 1 a) Militärische Staaten;"*^ mit
b) Staaten
dauerndem
Ausnahmezustand
(wobei
mit
dem
zweiten Terminus auf eine Unterbrechung der parlamentarischdemokratischen Legitimität hingewiesen wird und mit dem ersten auf seine verlängerte Dauer als Antwort auf eine allgemein gewordene politische Krise;'*'' c) abhängiger Faschismus, wegen Ähnlichkeiten mit den europäischen totalitären Erfahrungen und wegen seines untergeordneten
Eingeflochtenseins
in
34
den
kapitalistischen
Weltwirt-
schaftsmarkt; d) bürokratisch-autoritäre die
sich
Armee das
auf das
in ein Modell
von
(BAS),
und
geleitet
der
eine
Formulierung,
Miteingeschlossensein der
kapitalistischer
Technokraten
Großbürgertums
Staaten
institutionelle
Akkumulation
wird und die
transnationalen
bezieht,
Interessen des
Konzerne
bevorzugt.
Ein Modell, das eine Antwort auf die Bewegung breiter Bevölkerungsschichten Grad
(sectores
an Autoritarismus
populäres)
darstellt
in direktem Verhältnis
und
dessen
zum Grad der
Bedrohung steht, den diese d a r s t e l l e n . ^ Was
die
zweite
negative
Folge
betrifft
(Verharmlosung der
Bedeutung der institutionellen Struktur des "neuen Autoritarismus"), so führen uns die Ergebnisse, die bis zum Augenblick aus Studien
der
kritischen
Staatswissenschaft
hervorgegangen sind, dazu, folgendes
in
Lateinamerika
festzuhalten:
a) die konkreten Entwicklungsbedingungen des abhängigen Kapitalismus
im derzeitigen
bewirken
eine
Stadium
des kapitalistischen
Oberdimensionierung
der Autonomie,
Systems
der Trag-
weite und der Funktionen der politisch-rechtlichen Struktur: b) die
Rechtsinstanz
ist
innerhalb
besagter
Struktur
der im
23
Vergleich zu seinem Wert und seinen Funktionen am wenigsten untersuchte Teil; c) die
Untersuchung
Beitrag
der
Rechtsinstanz
kann
einen
erheblichen
zur Kenntnis des Wesens und der Struktur des heuti-
gen autoritären Staates
leisten.^
Es dürfte hiermit klar sein, daß die vorliegende Arbeit in
der
Hauptsache
politischen mit
einer
mit
"Oberbau" seiner
dem, des
was
man
Staates
Komponenten,
der
gemeinhin
versteht
und
als im
Rechtsinstanz,
sich
rechtlich besonderen
beschäftigen
wird. Hierbei werden wir ständig die im folgenden zitierte Bemerkung Poulantzas vor Augen haben: Es handelt sich um das, was man als rechtlich-politischen Oberbau Staat" bezeichnen könnte, wenn man dabei auf folgendes achtet: Dieser Terminus umfaßt viel zu vereinfachend zwei getrennte Realitäten, zwei relativ autonome Ebenen, nämlich die rechtlichen Strukturen (das Recht) und die politischen Strukturen (den Staat). (...) diese Verwendung darf uns jedoch nicht vergessen lassen, daß er sich auf zwei relativ unterschiedliche Ebenen bezieht, deren konkrete Verbindung jeweils von der ins Auge gefaßten Produktionsweise und Gesellschaftsformation abhängt." (37)
d. Bedeutung des Terminus
Die Tatsache,
"lateinamerikanisch"
daß wir
wiederholt
den Terminus
amerikanisch" gebraucht haben, führt zu folgenden
"latein-
Überlegungen:
Zum einen die Legitimität des Gebrauchs des Terminus zu betonen und
zwar in dem Maße, wie dieser Kontinent eine kulturelle und
potentiell Einheit
eine
bildet,
politische, zum
ökonomische
anderen,
nicht
und
gesellschaftliche
zu vergessen, daß dennoch,
obwohl es sich um eine Einheit handelt, bedeutende
Unterschie-
de bestehen. In Lateinamerika
koexistieren Regime eindeutig diktato38 rischer Art mit formal parlamentarischen Demokratien, was uns vor
die
Möglichkeit
Regimetypen Demokratie
24
zweier
hinsichtlich der gleichzusetzen
Fehlinterpretationen
stellt: beide
Instabilität und Anfälligkeit der
oder eine scharfe Trennung
vorzuneh-
inen, indem man
die
demokratischen Regime mit den Regimen des-
selben Typs im Kontext des zentralen Kapitalismus Die an
lateinamerikanische einem
Punkt
des
"Realität"
instabilen
befindet
gleichsetzt.
sich
Gleichgewichts
ohne
Zweifel
zwischen
beiden
Unterschiede
in den
Interpretationen. Auf
unserem
Kontinent
stellen
die
politischen Herrschaftsformen, in der Zusammenstellung und Verhaltensweise
der
Einflechtung
in
Zivilbevölkerung den
die für sich selbst werden,
daß
das
sowie
kapitalistischen
die
sprechen. Andererseits
Aufkommen
unterschiedliche
Weltmarkt
autoritärer
Tatsachen dar,
kann nicht verneint
Formen
politischer und
gesellschaftlicher Herrschaft eine wachsende Tendenz darstellt, der
sich
die
- in eindeutiger Minderheit
kratischen Regime ausgesetzt
befindlichen - demo-
sehen. Der unmittelbare Grund für
die Anfälligkeit der parlamentarischen Demokratie scheint darin zu
bestehen,
daß
deren
Funktionieren
einen
oder
mehrere der
folgenden Umstände voraussetzt: a) eine
im
internationalen
Kontext
stark
privilegierte
Stel-
lung; b) die Möglichkeit, daß eine einzige Partei wirklich - als ein von Widersprüchen nicht ganz freier Ausdruck
der
Interessen
der herrschenden Klassen - die Regierungsfunktionen c ) ein
hoher
Grad
an
Desorganisation
und/oder
zwischen den progressiven politischen quate Kanalisierung
der Forderungen
ausübt;
Konfrontation
Kräften, der die adä-
der unteren Klassen er-
schwert oder unmöglich macht; d ) Formen
der
quasi
diktatorischen
Herrschaftsausübung, die
formal die institutionellen Strukturen der parlamentarischen 39 Demokratie beibehält. Diese summarisch beschriebene lateinamerikanische lichkeit"
stellt
senschaftler
eine
nicht
Herausforderung
als
einfaches
dar,
passives
die der
"Wirk-
Sozialwis-
Subjekt
oder
als
"neutraler" Beobachter angehen kann. Das Verstehen-Wollen dieser komplexen Realität, die Weigerung,
schwarzweißmalerische
und
ideologische Schemata zu ak-
zeptieren, das Eintreten für Formen gemeinschaftlichen Zusammenlebens
stellen
die
Grundlage
für
eine
sozialen
Sozialwissen-
schaft dar, die unsere "Realität" vor eine unausweichliche Ent-
25
Scheidung stellt: kritisch zu sein oder zu einem mehr oder weniger
raffinierten
Instrument
der
Unterstützung
und
der
Legitimierung des Unrechts zu werden.
e. Themen und Arbeitshypothesen Die Hauptthemen der vorliegenden Arbeit sind im besonderen zwei: der Autoritarismus und seine Wenn
es
im
allgemeinen
Institutionalisierung.
immer
möglich
ist,
einige
Verbindungen zwischen diesen zwei Themenbereichen zu entdecken, so ist die Verbindung
im Kontext des heutigen cono sur so eng,
daß das Verstehen des einen eine conditio sine qua non für das Verständnis der übrigen darstellt. Dieser
besonderen
Charakteristik
Rechnung
tragend
kann
man sagen, daß alle hier behandelten Probleme um die genannten Hauptthemen kreisen. Kapitel
I versucht, die Mehrdeutigkeit des Begriffs Au-
toritarismus zu beseitigen und eine auf die untersuchte
latein-
amerikanische Realität anwendbare Definition vorzuschlagen. Die
Kapitel
II,
III, IV und V bilden in gewisser Weise
eine Einheit. In ihnen wird davon ausgegangen, daß das weltweite
kapitalistische
System
eine
konfliktvolle
Gesamtheit dar-
stellt, die aus einem zentralen und einem peripheren Kapitalismus besteht, wobei letzterer sich in einem untergeordneten Verhältnis
befindet.
Darüber
hinaus
ist das System in seiner Ge-
samtheit heute von einer Krise betroffen, die sich - insbesondere
durch
Veränderungen
im Staat
- im Aufkommen
autoritärer
Formen der Führung der Zivilbevölkerung ausdrückt. Die besagten autoritären hervor
cherheit den),
Formen
rufen
ihrerseits
theoretische
Überlegungen
(von denen wir als Beispiel die Doktrin der Inneren Sidie
(DIS) und die Theorie N. Luhmanns herausgreifen werihnen
in objektiver
und
subjektiver
Weise
Elemente
der Legitimation verschaffen. Folglich werden wir zunächst versuchen sicn
aufzuzeigen,
in Formen eines
wie
die
Krise des
zentralen
Kapitalismus
latenten Autoritarismus ausdrücken kann,
welchem theoretische Reflexionen derselben Art entsprechen. Danach werden wir versuchen, zu zeigen, daß die Krise im periphe-
26
ren
Kapitalismus
mus
ausdrückt,
rung
annehmen
seiner
sich
in Formen
eines manifesten
der verschiedene kann
und
Legitimation
vergleichenden
dem
Ebenen
werden
Zuletzt,
wir
die - effektiven und potentiellen zwischen den theoretischen
Institutionalisie-
theoretische Reflexionen
entsprechen.
Analyse,
der
Autoritaris-
und mit
aufzuzeigen
zum Ziele
Hilfe einer
versuchen, daß
- Ähnlichkeiten viel stärker
als zwischen den tatsächlichen Rea-
litäten des Autoritarismus selbst bestehen. Die praktischen Konsequenzen
aus diesem Umstand bleiben
fürs erste noch unbekannt. Zweifellos hindert uns nichts daran, anzunehmen, daß eine mögliche objektive Annäherung beider theoretischer zialer
Reflexionen
Kontrolle
autoritär wären und verfeinerter führung
im
führen
und
zentralen könnte,
Kapitalismus
zu Formen so-
auf viel
manifestere Art
im peripheren Kapitalismus
zu solchen, die
perfekter
die
wären.
der vorgeschlagenen
Von daher erhält die
vergleichenden Analyse
Durch-
ihre Bedeu-
tung. In Kapitel VI wird eine Analyse der autoritären tionalisierung und ihrer einzelnen Ausprägungen
Institu-
(in Argentinien
Uruguay und Chile) mit dem Ziel durchgeführt, am konkreten Fall sowohl
die
Wirklichkeit
Gründe
und
Umstände
des
genannten
zu verstehen,
die
Prozesses den
als
Obergang
auch die von
einer
seiner Etappen zur anderen erklären. In Kapitel
VII
werden
die
im
lateinamerikanischen
Kon-
text bedeutendsten staatstheoretischen Arbeiten daraufhin durchgesehen, welchen Wichtigkeitsgrad
sie der Rechtsinstanz beimes-
sen. Es wird in diesem Falle davon ausgegangen, daß besagte Instanz
ignoriert
beträchtlichem beeinflußt.
oder zu wenig untersucht wird und daß diese in Maße
Unter
die
den
Entwicklung
verschiedenen
der
Staatstheorie
Gründen
selbst
für diesen Mangel
kommt dem Fehlen einer kritischen Strömung im Bereich des Rechtes eine Vorrangstellung Das
Problem
zu.
stellt,
wie
schon
gesagt wurde, einen Teu-
felskreis dar, da das Fehlen eines kritischen juristischen Denkens auch zum Teil diesem Versäumnis der Staatstheorie zu verdanken ist. Die Möglichkeit, aus dieser Sackgasse den, hängt von einer gegenseitigen Annäherung nen
ab.
Die
Absicht
einer
solchen
herauszufin-
beider Diszipli-
gegenseitigen
Annäherung
27
stellt ein weiteres Globalziel dieser Arbeit dar. In
Kapitel
VIII
werden
theoretische
Überlegungen über
die Funktionen der Rechtsinstanz unter den Voraussetzungen des derzeitigen Autoritarismus dargelegt sowie über die wichtigsten Merkmale
der
politischen
Beziehungen
besagter
Instanz
sozialen Akteuren, die die autoritäre Wirklichkeit
28
zu den
ausmachen.
ERSTER TEIL:
AUTORITARISMUS
Kapitel I: Autoritarismus und neuer Autoritarismus in Lateinamerika
1. Einige Oberlegungen zum Begriff des Autoritarismus Wenige Politologie
Begriffe
aus dem Bereich der Soziologie und der
sind zugleich so oft benutzt und so vage definiert
worden wie der des Autoritarismus. Aus diesem Grunde ist es angebracht, für
den Bereich dieses
unsere
Untersuchung
Begriffes, soweit er das Problem
betrifft,
so genau wie möglich
abzu-
grenzen. Es geht darum, zu bestimmen, welche wesentlichen Merkmale vorhanden sein müssen, damit ein politisch-soziales Herrschaftssystem als autoritär angesehen werden kann. Nur so wird es danach möglich
sein, die Besonderheiten des Autoritarismus
im Kontext des lateinamerikanischen cono sur zu ermitteln. Wir
glauben,
behaupten Phasen
zu
können,
kennt,
die
daß der Begriff des
Autoritarismus
zwei
der Entwicklung
konkreter historisch-politischer
in
Verbindung
mit
Umstände ste-
hen. In Epochen, die vor dem Aufkommen der national-sozialistischen und faschistischen Regime liegen, scheint der Begriff auf die Konzentration und den illegitimen Gebrauch der Macht angewandt zu werden. Er wird in gewisser Weise als eine Abweichung oder eine Verzerrung des Begriffs "Autorität" betrachtet. 1
So
verweist der Begriff des Autoritarismus in diesen Fällen insbesondere
auf
die Analyse
des
absolutistischen Staates wie auch
all jener Regierungsformen, die auf die eine oder andere Weise ihre Praxis mit derjenigen dieses Staatstypus verbinden. Die hier darzulegenden Oberlegungen stehen aber mit der Verwendung des Begriffs seit den zwanziger Jahren unsere Jahrhunderts in Zusammenhang, was, nebenbei bemerkt, einen weiteren Schritt
bei
der Aufgabe
der Umschreibung seines
Anwendungsge-
bietes darstellt. In der zeitgenössischen Verwendung des Begriffs
Autori-
29
tarisraus stellt die Verschiedenheit der Kriterien in bezug auf seine Bedeutung, wie wir schon bemerkt haben, den herausragendsten Aspekt dar. Dennoch scheint es ein gemeinsames Element zu geben - sei es durch Gegenüberstellung oder Gleichsetzung - in bezug
auf
das
Phänomen
nämlich den Begriff
der
autoritären
des Totalitarismus,
politischen
Systeme,
der ohne Zweifel eine
viel kürzere Geschichte besitzt als der vorher genannte.
1.1 Autoritarismus versus Totalitarismus Als Beispiel dessen, was wir am Ende des vorhergehenden Abschnittes einen Fall von Gegenüberstellung genannt haben, definieren
einige
soziologische
Wörterbücher
den
Autoritarismus
(nach dem Hinweis, daß er oft irrtümlich mit dem Totalitarismus identisch gesetzt wird) als: "... eine Verteilung der politischen Herrschaft, bei der alle wesentlichen Entscheidungen von einer Person bzw. von kleinen herrschenden Gruppen getroffen werden können, weil entweder eindeutige Begrenzung der legislativen oder exekutiven Staatsgewalt durch liberale und demokratische Institutionen der Mitbestimmung und Kontrolle fehlt ..." (2) Von diesem Urteil
ausgehend konkretisiert
sich die Defini-
tion unter Zuhilfenahme einer scharfen Unterscheidung gegenüber dem Begriff des Totalitarismus: "Vom Totalitarismus unterscheidet den Autoritarismus, daß nicht versucht wird, ein die Gesellschaft generell bestimmendes ... Wertsystem etwa mit Terror oder Zwang durch ein neues zu ersetzen." (3) Aber wenden wir uns wieder dem Problem der Vagheit der Definition von Autoritarismus doxerweise
gleichzeitig
zu. Diese Definition kommt para-
der Vertiefung
des Verständnisses des
Begriffs von Totalitarismus zugute, über den ein gewisser Konsens
zu bestehen
scheint, den man so zusammenfassen kann: ei-
nerseits ein hoher Grad an Identifikation der bürgerlichen Gesellschaft
mit
einem
der Gewalt
die
individuellen Freiheiten der Bürger
30
Staat,
der mittels verschiedener
Ebenen
abschafft,
und
andererseits
die
effektive
Kontrolle
dieses
Staates über
jede Aktivität der bürgerlichen Gesellschaft. In diesem Sinne
scheint
sich zum Beispiel die Äußerung
Franz Neumanns zu orientieren, wenn er zu bedenken gibt, daß "die Zerstörung der Grenzlinie zwischen dem Staat und der bürgerlichen Gesellschaft und die daraus folgende Politisierung der gesamten Gesellschaft" (4) eine der wesentlichen Charakteristiken des Totalitarismus ist. Auch Alberto Aquarone teilt diesen grundsätzlichen wenn
er
in seinem
hervorragenden
Werk
über den
Konsens,
italienischen
Faschismus meint: "Unter dem Faschismus gelang es dem totalitären Staat, als Integration der Gesellschaft in den Staat, nie, sich wirklich in einen solchen zu verwandeln. Selbst zu Zeiten des größten Erfolges nach außen und der stärksten Durchsetzungskraft nach innen war das Regime immer weit davon entfernt, eine vollständige Identifikation der italienischen Gesellschaft zu erreichen." (5) Das
bisher
Gesagte
erlaubt
uns,
anzunehmen,
daß
es in
keinster Weise möglich ist, die Militärdiktaturen des cono sur mit den Systemen des totalitären Typs zu identifizieren, deren Ausdruck
im nationalsozialistischen
Regime,
in
einigen
soge-
nannten Volksdemokratien Osteuropas und - in schwächerem Maße im italienischen Faschismus gesehen werden kann. In Lateinamerika im allgemeinen und besonders unter den repressiven Regierungen sind zwischen dem Staat und der bürgerlichen
Gesellschaft
äußerliche
Beziehungen
vorherrschend. Das
heißt, daß nicht nur der Staat als ein Fremdkörper wahrgenommen wird, sondern auch der effektive Grad der Kontrolle der bürgerlichen Gesellschaft relativ niedrig bleibt. Dies
bedeutet nicht, daß die lateinamerikanischen Mili-
tärdiktaturen, was die Gewalt angeht, nicht mit den totalitären Regimen wetteifern könnten, da das Gegenteil nicht nachzuprüfen ist^
- eine Situation, die im übrigen in direktem Widerspruch
zu der
Definition
G. Hartfields
(vgl. Anmerkung
(2))
steht,
insofern, als sie Terror und Zwang ausschließlich als Züge totalitärer Staaten betrachtet. Es handelt sich hier im Gegenteil und aus politisch-strukturellen Gründen, über die wir uns noch
31
später auslassen werden, um das (zumindest derzeitige) Unvermögen des lateinamerikanischen repressiven Staates, die Techniken der sozialen Kontrolle
zu verfeinern, wofür mindestens folgen-
des nötig wäre: a) materielle Grundlagen, die es erlauben würden, ein Legitimationsprinzip zu errichten; b) ein bestimmter Grad der Unterstützung
durch die Bevölkerung
und c ) der Verlaß auf die adäquaten technologischen Hilfsmittel. Mit anderen Worten, "Wir müssen einsehen, daß wir keine Fälle untersuchen, die dem Nazi-Deutschland gleichen, einem System, das imstande war, viel vollständigere Formen der Kontrolle einzurichten und beizubehalten. Der lateinamerikanische Autoritarismus ist immer noch "unterentwickelt": er kann foltern und töten, aber keine vollständige Kontrolle über das Alltagsleben ausüben. Der Staat ist stark genug, um seine Aufmerksamkeit und seinen repressiven Apparat auf die sogenannten subversiven Gruppen zu richten, aber er zeigt sich nicht so effektiv, wenn er die Universitäten und selbst seine eigene Bürokratie kontrollieren soll. Es wäre unvorsichtig, die auf diesem Gebiet kürzlich errungenen Fortschritte zu verkennen, wenn auch das Fehlen einer Partei, um die Feinde des Regimes zu beobachten und zu denunzieren, die Aufgabe der Kontrolle erschwert. Die Repression war, bis jetzt, eher eine Aufgabe für die Polizei denn für die Politiker." (7)
1.2 Die Studie
Gino
Germanis:
Der
Totalitarismus
als Exponent
des modernen Autoritarismus Wir rekonstruieren nun kurz eine andere
Interpretation,
in der die Begriffe Totalitarismus und Autoritarismus als völlig identisch erscheinen. Es handelt sich um Gino Germanis Werk Q
"Autoritarismo, fascismo e classi sociali". Zuvor uns
zu einer
sei
bemerkt,
Beschäftigung
daß
die
konkreten
mit Germanis Werk
Gründe,
führen,
die
folgende
sind: a) der große Einfluß seines Denkens im Bereich der lateinameri-
32
kanischen Soziologie und Politologie besondere
in
Soziologen
Argentinien,
und
von
Politologen
(man könnte fast, ins-
einer
ganzen
sprechen,
die
Generation von
durch
die
Schule
Germanis gegangen sind) und b ) die Tatsache, daß man, wie wir hen
werden,
seinen
Aussagen
im weiteren Verlauf noch se-
zufolge
des cono sur die Charakterisierung müßte
- ein
den
Militärdiktaturen
als autoritär
absprechen
Punkt, hinsichtlich dem wir eine völlig
andere
Meinung vertreten. Dieser
Autor
beginnt
unter Autoritarismus
(ohne
explizit
darzulegen,
versteht) mit folgender Hypothese
was er zur Er;
klärung seines Auftretens: "Man kann die Hypothese formulieren, daß die der modernen Gesellschaft innewohnende strukturelle Spannung zwischen dem wachsenden Säkularisierungsprozeß und der Notwendigkeit kleinster Keime präskriptiver Art, die erforderlich sind, um die Integration aufrecht zu erhalten, einen grundlegenden Faktor für das Auftreten autoritärer Formen darstellt." (9) Als wichtig für ein Verständnis der vorhergehenden Definition erweist es sich, die Bedeutung des Begriffs
Säkularisie-
rung
bei
bei
gleich
Germani
grundlegend
zu verstehen, da für
die
dieser
Bestimmung
schaften der modernen Gesellschaft
Begriff
der distinktiven
ihm zuEigen-
ist:
"Die Definition der modernen Gesellschaft geht vom Begriff der "Säkularisierung" aus ... zusammenfassend handelt es sich um folgendes: die moderne Gesellschaft zeichnet sich gegenüber allen anderen Typen von Gesellschaft eher durch die Tatsache des Vorherrschens - oder zumindest des Umfangs - von Bereichen, die nach dem normativen Schema der "Wahl"-Handlung oder durch individuelle Wahl geregelt sind, aus, denn durch Handlungen des "präskriptiven" Typs, wie sie in der nicht-modernen Gesellschaft vorherrschend sind." (10) Betrachten mani erlaubt
wir
das
Problem
noch
etwas näher. Nach Ger-
es der Begriff der "Säkularisierung", die charak-
teristischen Züge der modernen Gesellschaft zu erkennen. Von da aus ist es seiner Meinung nach möglich, zwei Typen von Autoritarismus zu unterscheiden, den traditionellen und den modernen.
33
Ersterer
stünde
"Subsystemen",
im
Zusammenhang
diese
"Aktivitäts-Sphären" oder
die Handlungen
in denen
vorherrschen;
mit
des präskriptiven Typs
(präskriptiven) Verhaltensarten
laufen ge-
mäß verinnerlichter Muster ab, die alternative oder abweichende Antworten nicht zulassen. In diesen Fällen ist der Autoritarismus
impliziter
cher von den funden. und
Bestandteil
Dort, wo
folglich
Kultur und wird nicht als sol-
im Gegenteil, die Handlungen des
die
vorherrschen, Handlung
der
Individuen, die seine Adressaten darstellen, empHandlungsnorm
wird
oder
jedweder
Entscheidung
nach
Zwang, zu
der der
hindern,
"Wahl"-Typs
eigenen dahin als
Entscheidung
tendiert, ein
diese
Ausdruck von
"Autoritarismus" wahrgenommen. Im Hinblick auf die soziale Kontrolle findet in den präskriptiven Situationen (nach Germani) "natürlich" dasselbe mittels verinnerlichter Verhaltensweisen statt, insbesondere durch die
primäre
Sozialisation.
In
"Wahl"-Situationen
beschränkt
sich dagegen die Kontrolle auf die Kriterien der Wahl und nicht auf die Wahl selbst. Dies ist in dem Maße möglich, wie in diesen Fällen die Sozialisationsprozesse immer mehr letzteren
zu
einem
Fall
haben
Wiedereinführung tendieren,
nicht
Mechanismen
der
gung
Produkt die
oder oder
von
immer weniger spontan und
Erwägungen
autoritären
Neuschaffung nur
werden.
Lösungen,
von
zu
präskriptiven
in begrenzter Weise die
vorindustriellen
In diesem
die
Gesellschaft
zu
einer Keimen
"spontanen" ihrer
Verfü-
(laut Germani, verinner1ichte Muster, denen gegenüber al-
ternative oder abweichende Antworten undenkbar
sind).
Daher müssen äußere Kontrollen von zwei Arten angewandt werden: a) die gewaltsame
Repression, die aber normalerweise nicht auf
die Gesamtheit der Bevölkerung angewandt werden kann; und b ) Formen unter
"künstlicher" Nutzung
Sozialisierung
der Mittel,
die
oder
Resozialisierung
die moderne Wissenschaft und
Technologie bereit halten. Und Germani fährt fort: "was wesentlich ist am modernen Autoritarismus, insbesondere in seiner ""''reinen" Form, d.h. am Total 'i"tarfsr.ius im engeren Sinn, (11) ist die
34
Tatsache, daß das Ziel dieser geplanten Sozialisierung oder Resozialisierung die Umwandlung der gesamten Bevölkerung in militante Ideologen und aktive Mitwirkende ist. Dies folgt aus dem Umstand, daß die moderne industrielle Struktur in ihren unterschiedlichen Formen eine gewisse aktive Mitarbeit aller Bewohner des Landes verlangt." (12) (Unsere Unterstreichung) Nach hauptung,
der
daß
Autoritarismus Behauptung rung
in
seinem
der sei,
führt
zu erläutern,
aufkommen
Buch
noch
Totalitarismus
lassen,
oftmals
die
Germani
reine
neue
wiederholten BeForm
wir mit
modernen
Elemente ein, um seine
deren Widersprüche
die
des
aber eine Verwir-
unserer
Kritik
aufzulösen
versuchen werden. Diese neuen Elemente findet man in folgender
Behauptung:
"traditioneller Autoritarismus und moderner Autoritarismus sind offensichtlich Konstruktionen, Idealtypen, denen man nie in reiner Form begegnet: alle historischen Formen sind das Ergebnis der individuellen Verschmelzung zweier Elemente" (dem traditionellen und dem modernen). (13) Hier entspringt die von Germani oft gemachte Unterscheidung
zwischen
"Totalitarismus"
(näher
zum
modernen
Pol) und
"Autoritarismus" (näher zum traditionellen Pol). Die erste
Bemerkung,
die man zu der Hypothese
Germanis
vorbringen kann, bezieht sich auf seine besondere Betrachtungsweise der Geschichte. Schon
nach
bemerkt
man
einen
Bildung
seiner
kürzerer hohen
Beschäftigung
Grad
Typologien,
mit
seinen
Aussagen
historischer Abstraktion
worin,
unserer
Meinung
bei der
nach, die
Quelle der Mißverständnisse und Widersprüche liegt. Dies drückt sich grundsätzlich darin aus, daß die Kriterien für die Erstellung
eines
historischen
Oberblicks
in
vorherrschender
Weise
politischer und ideologischer Art sind. So kann man z.B. am Ende der Einleitung zu seinem Buch folgendes
lesen:
"... die neuen Formen des Faschismus (oder funktionale Ersatzformen desselben) und die autoritären Tendenzen der fortgeschrittenen Industriegesellschaft werden hier nicht berücksichtigt werden, aber es wird die Prämisse aufrecht erhalten, daß solche Tendenzen ein wesentlicher Ausdruck der modernen Struktur sind." (14)
35
Obwohl ein
man
Phänomen
vorher
ist,
gesehen
das
"dem
und daß der Autoritarismus
hat, daß der
modernen
Pol
Totalitarismus
sehr
nahe
ist",
ein Phänomen ist, das "sehr nah am
traditionellen Pol ist", finden wir am Ende der Einleitung, daß in
der
modernen
auf
die
die
sich
präsentierenden
auch eine ritär,
Industriegellschaft
fortgeschrittenen funktionale
jedoch
in
letzte Behauptung
(ein
westlichen Tendenzen
Länder)
faschistisch oder
derselben,
einzigen
ist besonders
Hinweis
entweder
Substitution
keinem
eindeutiger
kapitalistischen
Fall
oder aber
totalitär
sind.
autoDiese
irrig, da, wie wir schon Gele-
genheit hatten zu bemerken, die Elemente, die es erlauben, ein Regime als totalitär zu bezeichnen, sich ebenso innerhalb eines kapitalistischen
Systems
(Nationalsozialismus,
Faschismus) wie
innerhalb des sozialistischen Systems (einige politische Systeme der Länder Osteuropas) finden lassen. Das zweite Element der Kritik bezieht sich auf das Problem der "Internalisierung" oder "Externalisierung" der Repression im Bereich der sozialen Kontrolle als Elemente, die geeignet
wären,
die
moderne
und die traditionelle
Gesellschaft zu
definieren und voneinander abzugrenzen. Zuvor muß bemerkt werden, daß nach anderen Arbeiten Germanis 1 ^ die europäischen Gesellschaften
des
spiel moderner
fortgeschrittenen
Gesellschaften
lateinamerikanischen
als
Kapitalismus
angesehen
im Obergang
als
ein Bei-
werden können und die
befindliche
Gesellschaf-
ten, in welchen sich jedoch unzählige Elemente finden, die nach seiner
Typologie
die
traditionellen
Gesellschaften
kennzeich-
nen . Von Behauptung
daher
ist es nicht
schwer, den Widerspruch
zu erkennen, daß in Gesellschaften mit
in der
"präskripti-
ver" Handlungsweise (traditionelle Gesellschaften) "das Verhalten gemäß verinner1ichter ternative Antworten
Muster
undenkbar
abläuft, denen gegenüber al-
sind" und daß in Gesellschaften
mit vorherrschender "Wahlhandlung" (fortgeschrittene gesellschaften) als
ein
Zeichen
jeder von
Industrie-
Zwang, der diese Wahl zu hindern Autoritarismus
wahrgenommen werden
sucht, wird.
Beginnen wir mit der zweiten Behauptung: diesDezUglich sind die Arbeiten
36
H.
Marcuses 1 ^
über
die
Probleme
im Zusammenhang mit
der Internalisierung der Repression deutlich und profund genug, um dieses Argument zunichte zu machen. Der
gemessen
am
an Präskriptibi1itat tenen
Kapitalismus
peripheren
Kapitalismus
der sozialen Beziehungen
steht
vor
allem mit
zwei
niedrige
im
Grad
fortgeschrit-
Elementen
in
Zu-
sammenhang : a) die der bürgerlichen Gesellschaft im hohen Maß eigene Fähigkeit, sich
in
ihrer
eigenen
im peripheren
Mitte
Widersprüche
Kapitalismus
direkt
aufzulösen, die
und
unmittelbar auf
den Staat übertragen und b ) die
Verinnerlichung
mittels
vom
Staat
gewünschter
einer effizienten Anwendung
Verhaltensweisen
der technologischen Er-
rungenschaften auf dem Gebiet der sozialen Kontrolle. Hinsichtlich der ersten Behauptung, die sich auf die Gesellschaften
mit präskritpiver Handlungsweise
bezieht,
sere Hypothese der von Germani vorgetragenen gänzlich
ist un-
entgegen-
gesetzt. Unserer Meinung nach (und wir werden später versuchen, dies
ausführlich
zu
zeigen)
Präskriptivität
in
lieber
Ausdruck
mit
sozialen
dem
einer
Beziehungen"
"hoher
stattfindenden
Verinnerlichung oder
wenn
vom
will,
Kritik
an den
unseren
gerade
Staat
in
Grad
an
den wir
der
der
nicht
erwünschten Ver-
Situationen
stärksten
der gegenteiligen an-
Verhaltensweisen.
Ausführungen
speziellen
hohe
Umstand,
'Juridifizierung 1
an
Konfliktes, der Verinnerlichung
Die auf
der
(ein
würden)
der
man
statt der vom Staat erwünschten blick
Grad
benennen
haltensweisen, sozialen
entspricht
Gesellschaft
Germanis
zeigt, im Hin-
Untersuchungsgegenstand,
die Un-
möglichkeit, das Verständnis des Autoritärismus im lateinamerikanischen deren
cono
hoher
Ideologismus
sur
auf
Grund von Gedankengängen
Abstraktionsgrad die
Ergebnisse
ebenso für
eine
wie
ihr
zu vertiefen,
Ahistorismus und
Anwendung
auf einen kon-
kreten sozio-historischen Prozeß unbrauchbar machen.
37
1 .3 Die Untersuchung von Juan Linz: ein Beitrag zur Erforschung des Autoritarismus in Lateinamerika Im Rahmen unserer Aufgabe,
in der Präzisierung des Be-
griffs Autoritarismus voran zu kommen, erweist es sich als un17 ausweichlich, auf eine Arbeit von Juan Linz über autoritäre Regime hinzuweisen. Dieser 1975 veröffentlichte Aufsatz ist die überarbeitete Fassung eines 1964 unter dem Titel "An Authoritarian Regime: The Case of Spain" publizierten Artikels. Schon der Titel bietet uns'einen höchst wichtigen Hinweis, den es zu bedenken gilt: jede theoretische Arbeit über den Autoritarismus hat einen konkreten sozio-historischen Prozeß zur Grundlage, sei es implizit und konfus (wie im Falle Germanis) oder explizit (wie bei Linz). Wir halten diesen Aufsatz Treffsicherheit Beitrag
zur
und
Analyse
von Linz wegen seiner
Reichhaltigkeit des
Problems
für einen
des
sur, weswegen wir eine Zusammenfassung
theoretischen
ausgezeichneten
Autoritarismus
im
cono
seiner Argumente darle-
gen. In
erster
Linie
muß
man
in diesem
Fall
bemerken, daß
die Untersuchung des autoritären Systems sich von dem zu lösen beginnt, was man mit einem gewissen Konsens demokratisches oder totalitäres Regime nennt.
In diesem Sinne definiert Linz auto-
ritäre Systeme als: "Politische Systeme mit begrenztem politischen Pluralismus, die sich der Verantwortung entziehen und denen eine ausgearbeitete Ideologie als Leitlinie fehlt, aber mit charakteristischen Mentalitäten, ohne extensive und intensive politische Mobilisation, außer zu gewissen Zeitpunkten ihrer Entwicklung, in denen ein Führer oder bisweilen eine kleine Gruppe innerhalb formal schlecht definierter aber in Wirklichkeit vorhersagbarer Grenzen die Macht ausübt." (18) Wie wir
es
schon gesagt
haben und wie
es die oben zi-
tierte Autoritarismusdefinition bestätigt, ist es nicht schwer, hinter
dieser
Definition
gimes wiederzuerkennen.
die
Dieses
Regime, das
des
Franco-Re-
zu seiner Zeit ein
für
darüber
noch einige Elemente besaß, die auch die Mili-
38
Regime
Züge
Musterbeispiel hinaus
autoritäre
wichtigsten
abgeben
konnte
und das
tärdiktaturen des cono sur kennzeichnen, weist dennoch wesentliche Unterschiede gegenüber eben diesen auf, was eine völlige der beiden und folglich eine vorbehaltlose Aniq wendung der Linzschen Definition verbietet. Identifikation
Wir werden daher mit den Zügen beginnen, die dem Frankismus und den lateinamerikanischen Militärdiktaturen gemeinsam sind,
um
danach
sich
voneinander
neue
Definition
auf jene
Elemente
unterscheiden von
hinzuweisen,
und
auf
Autoritarismus
zu
Grund
durch die sie
derer
formulieren
wir
eine
versuchen
werden. (1) Linz meint: "Im Gegensatz zu einigen anderen, die sich mit dem Totalitarismus beschäftigen, ziehen wir es vor, von Regimen statt von Gesellschaften zu sprechen, da die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft (in autoritären Systemen) nicht gänzlich ausgeschaltet ist, selbst nicht in den Absichten der Regierenden." (20) Dieses
Oberdauern der Unterscheidung
zwischen Staat und
Gesellschaft (das andererseits, wie wir gesehen haben, grundlegend
ist
für
eine
Totalitarismus)
Unterscheidung
entspricht
zwischen
gleichzeitig
Autoritarismus und
und
in
widersprüchli-
cher Weise sowohl dem Wunsch (der Absicht) der Regierenden, wie es
Linz
bemerkt,
als
auch einer faktischen Unmöglichkeit, die
mit der Struktur der Gesellschaft und den angenommenen Legitimationsformen ren
zusammenhängt. So gesehen kann man die autoritä-
Herrschaftssysteme
gemeinsam
dem
(wahrscheinlich
nicht
einheitlichen)
Typus des abhängigen Kapitalismus zuordnen. Als
solche
sie
können
keine
Grundlagen
materieller
Legitimierung
entwickeln. Dies
ist der Fall der wirtschaftlichen Abhängigkeit des
frankistischen schen
Spanien
oder
Militärdiktaturen,
der
jeweils
derzeitigen gegenüber
lateinamerikaniden
Vereinigten
Staaten. Diese Untersuchung erlaubt es auch, die Bedeutung abzuschätzen, schismus merkung
die
diesem
zukommt 5)
Element
im
Falle
des
italienischen Fa-
für das Verständnis der von A. Aquarone (An-
erkannten
Schwierigkeiten
dieses
Staates,
sich in
einen autoritären zu verwandeln. Das gleiche gilt für den (ge-
39
messen an der Identifikation zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat) relativen Erfolg des stalinistischen Experiments in der UdSSR und des nazistischen
in Deutschland,
sich
in
einen
hochgradig totalitären Staat zu verwandeln. (2) Der zweite Aspekt bezieht sich auf den Gebrauch des Terminus Mentalität bezeichnen,
anstatt
Ideologie, um die Art und Weise zu
in der programmatisch
das Gesellschaftsmodell von
den an der Macht befindlichen Gruppen verwirklicht wird: "Bei der Definition autoritärer Regime ziehen wir den Gebrauch des Wortes Mentalität dem des Wortes Ideologie auf Grund der von dem deutschen Soziologen Theodor Geiger vorgenommenen Unterscheidung vor. Für ihn sind Ideologien ausgearbeitete und mehr oder weniger intellektuell geordnete Denksysteme, die oft schriftlich niedergelegt sind und von Intellektuellen oder Pseudo-Intellektuellen stammen oder mit ihrer Hilfe verfaßt wurden. Mentalitäten sind eher emotionale denn rationale Formen des Denkens und Fühlens, die nicht kodifizierte Formen der Reaktion auf bestimmte Situationen hervorbringen." (21)
Sowohl der Frankismus als auch die Militärdiktaturen des cono
sur
sind
durch
ein ungegliedertes
und
widersprüchliches
Ganzes von Äußerungen gekennzeichnet, die im ersten Fall besonders
die
nationale
Einheit,
die katholische
Religion und den
Respekt vor den hierarchischen Werten unterstützen und im zweiten ihre Synthese oder "Oberwindung" in den Postulaten der sogenannten "Doktrin der Inneren Sicherheit" (DIS) finden. In beiden Unfähigkeit Ideologie
Fällen
(zumindest
zu etablieren,
schaft zu mobilisieren,
erscheint auf
als gemeinsames
absehbare
Zeit),
eine
Element die umfassende
die nicht nur fähig wäre die Gesellsondern die minimal mit ihrer passiven
Zustimmung rechnen könnte - eine Haltung, die man nur teilweise und nur in außergewöhnlichen Lebensumständen des Regimes, meistens unter Zuhilfenahme von Zwangsmethoden, erreicht. Es passive
ist
zugleich
Zustimmung
als
merkwürdig eine
und bezeichnend,
Legitimierungsform
"sui
daß
diese
generis"
(negative Legitimierung (sie)) von denjenigen Autoren angesehen wird, die autoritäre Regime als Präventivreaktion gegenüber einem hypothetischen Totalitarismus rechtfertigen und gutheißen.
40
Die Konzentration der Macht im Staat beschränkt sich nicht bloß auf die totalitären Systeme. Man kann sie ebenso, wenn auch in schwächerem Maße, in jenen Militärdiktaturen wiederfinden, die an die Stelle von ineffizienten konstitutionellen Regierungen getreten sind, wie in Pakistan, Portugal oder Brasilien. Solche Diktaturen wurden meist eingesetzt, um vor der Drohung durch eine mögliche Machtergreifung seitens einer totalitären Bewegung zu schützen ... Spanien besaß (zu Beginn des Frankistischen Regimes) viele Eigenschaften eines totalitären Regimes. Das Regime wurde jedoch schrittweise in eine persönliche Militärdiktatur umgewandelt ... Dieses weist zahlreiche Parallelen zu den lateinamerikanischen Militärdiktaturen auf. Zum Beispiel stützen sich beide auf die militärische Macht, auf die Rechtfertigung durch die Kirche und auf einen Typus der negativen Legitimierung, die sich in der Apathie des Volkes ausdrückt." (22) (Unsere Unterstreichung) In den folgenden Kapiteln werden wir uns im Detail diesen
Problemen
zuwenden.
Fürs
erste
sei
hier
nur
bemerkt, daß
die angenommene Apathie des Volkes im Falle Lateinamerikas eine Folge
der Einschüchterung
und der Gewalt ist, die von den re23 pressiven Organen des Staates ausgeht. Gehen wir nun zur Behandlung eines
Unterscheidungsmerk-
mals von zentraler Bedeutung für die Spezifizierung des lateinamerikanischen "Autoritarismus" über. Linz meint: "In einigen dieser Regime ist eine einzige oder privilegierte offizielle Partei eine mehr oder weniger wichtige Komponente des begrenzten Pluralismus. Auf dem Papier beanspruchen diese Parteien oft die monopolistische Macht der totalitären Parteien und üben wahrscheinlich dieselben Funktionen aus, aber in Wirklichkeit muß man sie von diesen klar unterscheiden. Das Fehlen einer politischen Partei oder ihre Schwäche kann die Aktivität der weltlichen, unter der Schutzherrschaft der Kirche oder mit ihr in Verbindung stehender Organisationen, wie in Spanien die Acción Católica oder das Opus Dei, begünstigen." (24) Hinsichtlich des ersten Elementes fällt es leicht, festzustellen, daß das Fehlen einer politischen Partei in den Militärdiktaturen des cono sur diese von der Franco-Diktatur völlig unterscheidet, ebenso wie es unter ihnen ein Element der Homogenisierung darstellt. Ihrerseits hat die Kirche auf ihre Weise 41
Anteil an den Widersprüchen, die die Gesellschaft Sie konstituiert liche
Stätte
sich
des
als
Regimes.
durchziehen.
Institution, nicht als eine Im Gegenteil wandelt
gentlich sogar, in Ermangelung
öffent-
sie sich gele-
anderer Kanäle politischer Mit-
bestimmung, zum Bezugspunkt der Opposition. Es
zum
bleibt
sprüchlicherweise
Schluß
zum
eine
Surrogat
delt: die Streitkräfte.
Institution, die sich wider-
einer
Dieser Aspekt
politischen ist
Partei wan-
in mehreren Analysen
lateinamerikanischer Militärdiktaturen behandelt worden, insbesondere
in
der Arbeit
von
M.E.
Carranza,
dessen
Grundgedanke
im folgenden zitiert wird: "Der Hauptwiderspruch der Streitkräfte ist: repressiver Apparat des Staates und der Partei zu sein ... Als repressiver Apparat des Staates befinden sich die Streitkräfte im Zentrum der Macht, einem Kernpunkt, der es dem sich an der Macht befindlichen Klassenblock ermöglicht, die regierende Partei auf der politischen Szene zu kontrollieren. Als Partei handeln die Streitkräfte auf eben dieser Szene, von der Regierung aus oder zu ihr hin ... Der Widerspruch, repressiver Apparat der Partei und des Staates zu sein, erscheint als das wesentliche ungelöste Problem der Streitkräfte auf ideologischer Ebene." (25)
1 .4 Auf dem Weg
zu einer neuen Definition des Begriffs von Au-
tor i t ari smus in Lateinamerika Ober
die
historisch-politische
die Erfahrung des Frankismus schen
Definition)
von
den
Entfernung
hinaus, jie
(die konkrete Grundlage der Linzheutigen
Diktaturen
des
cono
sur
trennt, gibt es noch andere kennzeichnende Elemente dieser letzteren, die eine Neubildung der Definition des Autoritarismusbegriffs erforderlich machen. Dies korrekt
bedeutet
nicht,
daß
die
Linzsche
Beiträge der jüngsten Theorie und Wirklichkeit den
muß.
nicht
Einen
genau mit
untergräbt
auf
Begriff
zu
verwenden,
dessen
bereichert werDefinition
der Realität deckt, die man untersuchen direkte
Kenntnis derselben.
42
Definition nicht
sei, sondern vielmehr, daß sie aktualisiert und um die
") f\
Weise
die Möglichkeit
einer
sich will,
adäquaten
Wenn
auch
ausdrücklicher
rismusdefinition ses Element
die
Existenz
einer
politischen
Partei
Bestandteil der von Linz erarbeiteten
kein
Autorita-
ist, so läßt sich doch nicht leugnen, daß die-
im Gesamtzusammenhang
seiner Untersuchung
eine be-
herrschende Rolle einnimmt. Im derzeitigen lateinamerikanischen Kontext findet gerade das Gegenteil untersuchen oder
eine
statt. Keiner der Militärregierungen, die wir
werden, Partei
ist
es
gelungen,
eine politische
zu gründen, die selbst
das Vorhaben der Streitkräfte
Bewegung
in manipulierter Form 27
unterstützt.
Dieser besonderen Situation von größter Wichtigkeit Rechnung
tragend
Zusammenhang Rechts
und
unter
mit
der
stehen,
Berücksichtigung
schon
können
wir
der
Elemente,
vorausgeschickten
die im
Problematik des
eine neue Definition der
(traditio-
nellen und neuen) Formen des Autoritarismus, die in Lateinamerika existierten und existieren, versuchen. So verstehen wir als traditionellen Autoritarismus: die staatliche Anwendung von Gewalt
in ihren diversen Ausdrucksar-
ten gegenüber der Mehrheit einer bürgerlichen Gesellschaft, mit der Beziehungen keit
aufrecht
beibehalten besonders auf Gewalt
einer akuten Konfrontation und/oder
erhalten
wird.
im
Was
cono
werden, wobei seinerseits
sur
fußenden
den
kennzeichnet,
Beziehungen
neuen
ist:
sowie
das
Recht
(das
Zwang
vermittelnder
mit den beherrschten
diese
beiden
Mechanismus
zur
Autoritarismus -
die
Absicht,
die permanente
gung der Streitkräfte an der Regierung zu indem
Äußerlich-
aber ein liberales Recht diese
Beteili-
institutionalisieren,
Realitäten
ausdrückt) als
Austragung
der
Konflikte
Klassen und als Konsens vermittelnder Me-
chanismus innerhalb des Blocks der herrschenden Klassen benutzt wird. Abschließend
ist
noch
zu
sagen,
daß
die
autoritären
Herrschaftssysteme (objektiv betrachtet) Obergangsregime dar28 stellen (daher auch die Berechtigung, sie als Ausnahmeregime zu bezeichnen), die sich auf dem Weg zu stabileren Herrschaftsformen befinden; ein Obergang, der noch im Rahmen der konkreten Charakteristiken
der
tersucht werden muß.
Krise,
die
In diesem
an
seinem Ursprung
Zusammenhang
steht, un-
bestärkt eine Aus-
sage von Linz unsere Überlegung:
43
"Die Mobilisation und Beteiligung sind schwer aufrecht zu erhalten, es sei denn, das Regime bewege sich in eine mehr totalitäre oder mehr demokratische Richtung." (29)
44
Kapitel II: Zentraler Kapitalismus und Autoritarismus
2. Prämissen der Untersuchung Eine
kurze
Analyse
der
politisch-rechtlichen
Struktur
der Gesellschaften des zentralen Kapitalismus zwecks Bestimmung der Existenz,
der
Manifestation
Züge, als Vorstufe
und
der Tragweite
zur Behandlung dieses
autoritärer
letzteren Problems im
lateinamerikanischen cono sur, entspricht folgenden grundlegenden Gesichtspunkten: misch-sozialer rer
a) der Tatsache, daß beide Gruppen ökono-
Gebilde
(ÖSG) (zentraler Kapitalismus,
Kapitalismus) dem weltweiten kapitalistischen
periphe-
System ange-
hören, das in seiner gegenwärtigen Entwicklungsphase schaft
der
transnationalen
Produktionskapitals)
Konzerne,
einen
solchen
vorweist, daß die Untersuchung
(Vorherr-
Internationalisierung Grad
an
des
Interdependenzen
der einen Gruppe nicht ohne ei-
nen expliziten Bezug auf die andere möglich ist;' b ) der Annahme, daß man einige der Elemente, die den neuen schen
Autoritarismus
allen
Dingen
kennzeichnen,
versteckter
in
in
lateinamerikani-
geringerem
den Gesellschaften
Maß
des
und vor
zentralen
Kapitalismus vorfinden kann; c) der Oberzeugung, daß die spezifische
Situation
der
Krise
die
Weise
- beide Typen
höchst differenzierter Gebilde
durchleben,
sich
auf
der
gegenwärtig Ebene
-
wenn
auch
in
ökonomisch-sozialer
der
sozio-politischen
Analyse in ein "vereinheitlichendes" Element verwandelt.
2.1 Die Krise Die
Annahme
der
Existenz
einer
Krisensituation
in den
Gesellschaften des fortgeschrittenen Kapitalismus scheint nicht in Frage gestellt zu werden. Diese erste Obereinstimmung sich jedoch nicht
in einheitlichen Auffassungen
drückt
aus, hinsicht-
lich des Weges, der zu ihrer Untersuchung und Beschreibung eingeschlagen
werden
soll.
Im Gegenteil
ihr Ursprung,
ihre Mani-
festation und ihr Ausmaß stehen im Mittelpunkt der Kontroverse. Es empfiehlt sich daher, und auch um ein erstes Element für das
45
Verständnis der Unmöglichkeit eines gemeinsamen Standpunktes Uber diesen Gegenstand zu haben, zwei große Strömungen des Denkens hierüber zu unterscheiden, die sich die Erklärung der Krise "streitig" machen. In erster orientierten eine die
Linie
Denkens
wären
außergewöhnliche den
Gang
eines
da die Strömungen des
zu nennen, und
die
überwiegend
disfunktionale
harmonischen
Störung
Prozesses
bürgerlich
die Krise als betrachten,
behindert
oder er-
schwert, in welchem die autoregulativen und konservativen Elemente
gegenüber
denjenigen
der
Auflösung
und
Zersplitterung
vorherrschen. Es darf jedoch nicht vergessen werden,'daß innerhalb und
dieser der
Strömung
Antwort
simplizistischen
unterschiedliche
auf
diese
Negierung
Ebenen
Problematik des
der
Formulierung
koexistieren.
gesellschaftlichen
Von der
Konflikts
durch einen großen Teil der funktionalistischen Soziologie^ bis hin
zu
den
spitzfindigen
Interpretationen
der
Systemtheorie^
spannt sich ein weiter Bogen, den man nicht verkennen darf. Daher können wir
im weitesten Sinn folgende Aussage unterschrei-
ben: "Es ist offensichtlich, daß die bürgerlichen Sozialwissenschaften, die als Trägerinnen eines sozusagen falschen ideologischen Bewußtseins kein Interesse an der Frage nach dem Staat haben, ... behaupten, daß die Politikwissenschaft im wesentlichen die Doktrin der Verwaltung sei, und so das Problem des Staates als spezifischer Institution der Politik und als einer der Institutionen mit entscheidender Bedeutung für die widersprüchliche Dynamik der kapitalistischen Gesellschaft zersplittert und zum Verschwinden bringt." (4) Es gerlichen
darf
nicht
vergessen
Sozialwissenschaften
nicht umsonst
werden, die
zugunsten der Erstellung
nen, die der Erhaltung
daß innerhalb der bür-
Krise
reelle
Erfahrung
theoretischer
als
Reflexio-
des Systems förderlich sind, übergangen
wird. Das Werk von Keynes in den dreißiger Jahren und dasjenige Luhmanns^ in den siebziger Jahren bilden hierfür den fühlbaren Beweis. In
zweiter
Linie
beziehen
wir
uns
auf
die
kritischen
Strömungen, die innerhalb oder außerhalb des marxistischen Lagers
46
anzusiedeln
sind,
wenn
auch
in
diesen
ohne
Zweifel die
verschiedenen
Interpretationen
des
Marxismus
vorherrschend
sind. Wenn auch in diesem Umkreis die Polemik und die mangelnde Obereinkunft das dominierende Element zu sein scheinen, so gibt es doch einen gemeinsamen Nenner, dessen Behandlung, dere
unter
den
gegenwärtigen
Umständen,
für
insbeson-
eine Analyse der
Krise unumgänglich ist: den Staat. Die Aufgabe, die wir uns in diesem Kapitel stellen, verlangt
eine
kritische
konkreten Beitrag
Durchsicht
dieser
Auffassungen,
zu unserem Untersuchungsgegenstand
um ihren - den au-
toritären Tendenzen innerhalb des zentralen Kapitalismus - herauszustellen.
Zuvor
werden
wir
versuchen,
den
Begriff
der
derzeitigen Krise abzugrenzen, da seine unvermittelte und willkürliche Verwendung zu einer Entwertung seiner Bedeutung
führt,
was der erste Schritt auf dem Wege zu irrigen Auffassungen
ist.
Die Erwähnung des Terminus Krise ohne gleichzeitige Präzisierung ihrer Besonderheit, die im Kontext einer Gesellschaft erfolgt,
die
auf
strukturellen
Widersprüchen
aufgebaut
ist,
stellt eine Tautologie dar, die uns, anstatt uns dem Verständnis
der
gegenwärtigen
entfernt.
Probleme
näher
zu
bringen,
eher
davon
In gewissen populären Auffassungen des Marxismus ist
die Krise zu einem "permanenten Moment" geworden, insoweit als sie
als
das pure
wird. Auf Begriffs
Ergebnis
diese Weise
der
sinkenden
Profitrate
angesehen
gelangt man dahin, die Besonderheit des
'Krise' aufzulösen, da in diesem Sinn
Ökonomische Widersprüche) behauptet
(systeminhärente
werden könnte, daß der Ka-
pitalismus sich immer schon in einer Krise befand.®
2.2 Die Krise des Wohlfahrtstaates Die derzeitige
Krise ist auch eine wirtschaftliche. Das
heißt, daß in ihr, wenn auch in der durch den konkreten Zustand abgeänderten Ursachen sen doch
Form, in dem sich das System befindet, diejenigen
zusammenfließen, die schon
des kapitalistischen nicht
alles.
Die
Systems
zu den vorhergehenden Kri-
geführt
Gegenwärtige
zeigt
hatten. Dies ist jesich
als
eine
Krise
mit mehreren Gesichtern, die sich auf Grund der Modalität, die der
Prozeß
der
Akkumulation
angenommen
hat,
direkt
auf
den
47
Staat überträgt. Dies erlaubt es zu behaupten, daß "die Krise der Akkumulation des Kapitals und die Krise des kapitalistischen Staates immer mehr miteinander verknüpft sind." (7) Nun
bedeutet
aber
sellschaften
in
den
Kapitalismus,
sondern
die
Krise
der
siebziger
Jahren
die
einer
Krise
fortgeschrittenen Genicht
die
besonderen
die zusammen mit den Keynes'sehen Veränderungen ger
Jahren
entsteht
gesagt,
Krise von
daß
es
des
in den dreißi-
und die man den Wohlfahrtsstaat
pflegt. Dieser Hinweis hiermit
Krise
Staatsform, zu nennen
ist von größter Bedeutung, denn es wird nicht
ihrer Ausbreitung
möglich
ist, die
Intensität der
her abzuleiten. Es handelt sich um
eine strukturelle Krise, wenngleich nicht un eine generelle. Die
Tatsache,
strukturellen tration
von
die
es
erlaubt,
das Vorhandensein
Krise festzustellen, ergibt
Widersprüchen,
die
einer
sich aus der Konzen-
in den siebziger Jahren
in ei-
nem solchen Ausmaß
zunimmt, daß die wirtschaftliche Krise sich
in eine
umwandelt,
politische
die die Gesamtheit
der
sozialen
Beziehungen befällt, auf denen der Wohlfahrtsstaat beruht. Dieses besondere Zusammentreffen von Umständen ist es, was es möglich macht, daß sich die gegenwärtige Krise als Legitimationso krise projiziert. Dies ist auch der Grund, warum - wie N. Poulantzas treffend bemerkt "die politische Krise sich immer als Krise der Ideologie artikuliert, die ihrerseits ein konstitutives Element der politischen Krise ist." (9) Andere Autoren führen die Besonderheit der
strukturellen
Krise eher auf die Notwendigkeit zurück, tiefgreifende Veränderungen auf der Ebene der Formen der Akkumulation als
einziges
Macht
Mittel, um - aus der Perspektive
befindlichen
dest auf den Stand vor
sie
sich
Gruppen
her
gesehen
durchzuführen, der sich an der
- die Situation
auflöste. So definiert M. Castells die
Besonder-
heit der strukturellen Krise als diejenige, in der "der Akkumulationsprozeß nicht wiederaufgenommen werden kann, bevor nicht die Hindernisse ausgeräumt oder weggedrängt sind, die sie verursacht haben." (10)
48
zumin-
zurückzuführen, den sie erreicht hatte, be-
Andererseits tige Krise keine
ist schon gesagt worden, daß die gegenwär-
generelle
ist. Damit soll angedeutet
werden,
daß die ÖSG des zentralen Kapitalismus, die von ihr heimgesucht werden, Herr
immerhin
zu werden.
über Eine
ausreichende Beherrschung
Mittel
verfügen, um
ihrer
der Krise, die jedoch para
doxe und widersprüchliche Folgen hervorruft, denn die Maßnahmen die
zu ihrer
wird,
Linderung
ergriffen werden,
genau diejenigen,
stärken. 1 1
Schon
stärkung der
1973
Krise
die
sind, wie man
sehen
am geeignetsten sind, sie zu ver-
sah Habermas
die Möglichkeit, eine Ver-
abzufangen und betrachtete es
gleichzeitig
als durchführbar, sie innerhalb bestimmter Grenzen einzudämmen, die verhindern würden,
daß
sie sich zu einer generellen Krise
ausweitet: "Ich sehe im Augenblick keine Möglichkeit, die Frage nach den Chancen der Selbsttransformierung des Spätkapitalismus mit triftigen Argumenten zu entscheiden. Aber ich schließe die Möglichkeit nicht aus, daß die ökonomische Krise auf die Dauer abgefangen werden kann, obgleich nur in der Weise, daß die kontradiktorischen Steuerungsimperative, die sich im Zwang zur Kapitalverwertung durchsetzen, eine Reihe anderer Krisentendenzen erzeugen. Die fortbestehende Tendenz zur Störung des kapitalistischen Wachstums kann administrativ verarbeitet und stufenweise über das politische ins soziokulturelle System verschoben werden. Ich meine, daß dadurch der Widerspruch einer vergesellschafteten Produktion für partikulare Ziele wieder unmittelbar eine politische Form annimmt - freilich nicht die des politischen Klassenkampfes. Weil Politik im Spätkapitalismus auf der Grundlage der bearbeiteten und zurückgedrängten Systemkrise stattfindet, verstetigen sich bei fragmentiertem Klassenbewußtsein und in wechselnden Koalitionen Auseinandersetzungen, die die Terms des Klassenkompromisses verändern können. Dabei hängt es von den faktischen Machtkonstellationen ab, ob und in welchem Maße die Klassenstruktur aufgeweicht und der im kapitalistischen Organisationsprinzip selbst begründete Widerspruch affiziert wird." (12) Eine der wichtigsten Konsequenzen, die sich daraus ergeben, daß sich die Krise
nicht
zu einer generellen
ausweitet,
ist, daß die Veränderungen auf der Ebene der politisch-rechtlichen
Struktur
ohne
einen
Bruch
mit
den
bis
dahin
geltenden
Herrschafts- und Legitimationsformen vor sich gehen. Außer wenn 49
diese
Veränderungen
hauptet
wurde,
darauf
abzielen,
autoritäre
Staat und Gesellschaft
Formen
wie
es
hypothetisch be-
in die Beziehungen
einzuführen. Autoritäre
zwischen
Formen,
die es
zu bestimmen gilt. Dies kann auf folgende Art ausgedrückt werden: Wie drückt schaftsform zentrale Ziel
Rolle
dieses
darauf
sich der Autoritarismus
aus,
in
welcher
zukommt?
Kapitels.
hinzuweisen,
dem
Die Antwort
Wir
daß
begnügen
die
innerhalb einer Herr-
Konsens
eine
auf
unbezweifelbar
diese
uns
Frage
ist das
im Augenblick
Veränderungen
in der
damit,
politisch-
rechtlichen Struktur als Produkt der Krise einen Leitfaden darstellen, anhand dessen ihr Ausmaß und ihre Intensität abgelesen werden können. Wir
werden
die wichtigsten
zeitgenössischen
kritischen
Strömungen vorstellen, die sich mit der Staatstheorie befassen, um aufgrund der einen oder anderen, die wir als die relevanteste ansehen w e r d e n , 1 ' festzustellen,
in welchem Maße die Ein14 mischung des Staates in die Gesellschaft Ausdruck dessen ist, was wir als Autoritarismus definiert haben. Wie
in der Einleitung
tigsten Aspekte der
beider
angekündigt werden wir die wich-
Realitäten
politisch-rechtlichen
betrachten,
Struktur
umfaßt:
die der Begriff
den
Staat
und das
Recht.
2.3 Verschiedene Perspektiven in der kritischen Staatstheorie Der 'Jmfang der Bibliographie
zur Staatstheorie
im zen-
tralen Kapitalismus stellt seine Bedeutung klar h e r a u s . ^ Trotz
der
der Untersuchung problematischen feststellen,
umfangreichen Aspekt
was
theoretischen
Produktion, die
des Staates gewidmet ist, muß man als ersten die
die
mangelnde
Bedeutung
der
Obereinstimmung
Inhalte der
darüber
verschiedenen
Richtungen dieser Studien angeht. Dies zeigt sich insbesondere anläßlich
der
(seltenen)
der Systematisierung Typs
(Versuch
beit
von
50
expliziter
David
A.
expliziten
dieser
oder
Systematisierung)
Gold,
impliziten
Versuche
Theorien. Als Beispiel des ersten Clarence
Y.
H.
nennen wir die ArLo
und
Erik
Olin
W r i g h t , ^ für die die gegenwärtige (marxistische) Staatstheorie sich in drei große Richtungen einteilen läßt: a) die instrumentalistische, b ) die strukturalistisehe und c) die hegelianischmarxistische . Die instrumentalistische Theorie, deren Hauptver17 18 treter Paul A. Baran, Paul M. Swezzy und Ralph Miliband sind,
widmet
zwischen
sich
dem
der
Staat
strukturellen
Kontext, 19
Hintergrund treten. repräsentativster
systematischen
und
der
Analyse
herrschenden
in welchem
sie
der
Klasse
Beziehungen
und
läßt den
zustande kommen, in den
Für die strukturalistische Theorie, deren
Vertreter
Nicos
Poulantzas
ist,^"
liegt das
Hauptinteresse der Untersuchung in der Art, in der die staatliche Aktivität durch das Funktionieren des gesamten kapitalistischen Systems bestimmt wird, während das instrumenteile Problem dieser Bestimmungen einen Aspekt von sekundärer Bedeutung dar21 stellt.
Die
unter
deren
Offe,
James
hegelianisch-marxistische
klassischster O'Connor
und
Vertreter Alan
Theorie
Jürgen
Wolfe
zu
schließlich,
Habermas,
zählen
sind,
Clauss
legt den
Schwerpunkt Bewußtsein und die Ideologie und stellt die strukturelle auf und das instrumentelle Analyse an die zweite Stelle. 22 Als Beispiel des zweiten Typs (impliziter Versuch der 23 Systematisierung), betrachten wir die Arbeit Antonio Negris, der
ebenfalls
drei
große
Richtungen
seine Einteilung wesentlich
unterscheidet,
wenngleich
von der letztgenannten abweicht und
zwar sowohl was die Benennung der Theorien anbelangt, als auch in bezug
auf die Zuordnung
der Autoren. So gibt es für ihn: a)
die Theorie des monopolistischen
Kapitals, b) die neogramscia-
nische Theorie und c) die strukturalistische Theorie. In der 21 25 ersten, zu der Autoren wie Baren und Sweezy, Pierre Jalle, 26 27 P. Boccara und R. Gündel zu rechnen sind, wird der Staat als
ein
Bündnis
herrschenden
Elite
seltsamerweise
dem monopolistischen Kapital und der 28 betrachtet. In der zweiten, in der sich
die Werke N. Poulantzas^®
nebeneinander die
zwischen
finden, ^
Beziehungen
zwischen
besteht dem
Staat
Produktion
schließlich,
strukturalistischen
wie
J. Habermas,
C. Offe,
zu
und Ralph Milibands^" Hauptproblem
darin,
der 3 2 Organisation der bestimmen. In der dritten
kapitalistischen der
das
J. Agnoli,
und
Theorie, J.
zu
der
Autoren
O'Connor und E. Alt51
vater gezählt werden, wird ein Wandel kapitalistischen teresses
der
bei der Untersuchung des
Staates festgestellt. Von der Analyse des In-
herrschenden
Klasse
verlagert
auf die Analyse dreier fundamentaler
sich die
Forschung
Probleme:
"... das Ganze der wirtschaftlichen Stabilität, was die Probleme der garantierten Vollbeschäftigung und der ausgewogenen Entwicklung der Wirtschaft mitbeinhaltet; die Gesamtheit der außenpolitischen, der außenwirtschaftlichen und der politisch-militärischen Beziehungen; der Komplex der Loyalität der Massen, der sich auf die Probleme der inneren Integration der Bevölkerung bezieht." (33) Trotz den
der beträchtlichen Unterschiede
genannten
meinsame
Systematisierungsversuchen
Punkte
zu
existieren
wie:
zwischen den bei-
scheinen
a) eine
einige ge-
Kritik
an den in-
strumentalistischen Theorien sowie an den Theorien des Stamokap (und in geringerem Maße bei Gold, Lo und Wright an den strukturalistischen higkeit
Theorien,
dieser
eine
Kritik,
Untersuchungen
die
kurz gesagt die Unfä-
feststellt,
sich
in
Allgemeine
Staatstheorien zu verwandeln), und b ) die Tatsache, daß mehrere Autoren, Wright)
die die hegelianisch-marxistischen oder
die
strukturalistischen
(nach Gold, Lo und
Theorien
vertreten, die
relevantesten Beiträge für das Verständnis der wichtigsten Probleme des derzeitigen ten
von
J.
Habermas,
Staates Glaus
liefern. Es sind dies die ArbeiOffe,
I. Agnoli,
J. O'Connor und
34 e.
Altvater.
Die
starke
Beeinflussung
durch
die
sogenannte
"Frankfurter Schule"^"' und im besonderen durch einen ihrer letten Vertreter, J. Habermas, sind das verbindende Element in den Arbeiten
dieser
Autoren.
Wir
werden
in diesem Teil nicht aus-
führlich auf das Habermas'sehe
Denken eingehen, da dieses sich
in der einen oder
in den Arbeiten der übrigen ge-
anderen Form
nannten Autoren wiederfindet. Der wichtigste Beitrag von Habermas kann mit folgenden die Feststellung tiver
Mechanismus
zwei Aussagen
der
Gesellschaft,^
der Legitimationsfunktion sche Sphäre.'^
zusammengefaßt werden: a)
des Wertverlustes des Marktes und
als autoregula-
b ) die
von der ökonomischen
Verlagerung
auf die politi-
In der gleichen Forschungsrichtung
ist der Bei-
trag seines Schülers C. Offe anzusiedeln, für den die Problematik 52
des Staates sich
auf die Lösung des Dilemmas
zurückführen
läßt, die Mechanismen
der Vermittlung zwischen Wirtschaft und 38 Politik herauszufinden. Hierfür muß man vom Studium der Veränderungen innerhalb der Mechanismen der kapitalistischen Akkumulation ausgehen. Während in der Etappe des liberalen Kapitalismus
die
Voraussetzungen
für
die Akkumulation
des
Kapitals
durch eine Begrenzung der Funktionen des Staates erreicht werden,
so
kommt
in
der
gegenwärtigen
Etappe
im
Gegenteil
dem
Staate gerade die Funktion zu, die Voraussetzungen für die Ak39 kumulation zu schaffen und zu erhalten. Von dieser Akkumulation,
von
ihrer Existenz
und Kontinuität
hängt
die Macht des
Staates ab, das heißt seine effektive Fähigkeit, Entscheidungen zu fällen. Die konkreten Folgeerscheinungen dieser
Veränderun-
gen in den Funktionen des Staates bleiben von Offe nicht unbemerkt,
der
sich
auf
die Untersuchung
der Machtmechanismen im
System der politischen Willensbildung konzentriert. Aus seinen Bemerkungen in diesem Zusammenhang möchten wir einen Abschnitt, der das Parlament betrifft, hervorheben: "Die Parlamente stellen die dritte Hauptgruppe von Institutionen dar, die den politischen Willensprozeß tragen. Freilich ist heute strittig, ob die Funktion von Parlamenten, politischen Willen zu repräsentieren und durchzusetzen, noch real ist oder nur mehr ideologisches Postulat. Die Mehrzahl der Gesetzesintiativen und der politischen Grundsatzentscheidungen sind bekanntlich in den Zuständigkeitsbereich der Exekutive mit ihrem umfangreichen bürokratischen Informationsund Kontrollapparaten übergegangen; sie vermag zuverlässiger zu entscheiden, weil sie mit besseren Kenntnissen und Kooperationsmöglichkeiten ausgestattet ist, und sie kann reibungsloser operieren, weil ihre nichtöffentlichen Entscheidungsprozesse vom Legitimationsdruck entlastet sind." (40) 41 In ähnlicher Weise vertieft das Werk J. Agnolis,
Offes
Forschungsergebnisse anerkennend, die Analyse der Veränderungen in den Mechanismen
der politischen Vertretung und der Verant-
wortung gegenüber der Verfassung senden
Tendenz
des
Staates,
sich
im Zusammenhang mit der wachin
ein
direktes
Instrument
kapitalistischer Verwertung zu verwandeln. Es sind dies Veränderungen,
die
sich auf das Abnehmen der reelen
Entscheidungs-
funktion der Volksvertretung beziehen. 53
Es ist interessant
zu bemerken, daß man bei diesem
Forschungs-
ansatz dahin kommt, die Krise der Parlamentarischen
Institution
als
spezifisch
Kaptalismus
zu
Funktionen oder
die
wo
die
ist
fortgeschrittenen
festzustellen,
"korporativ"
Lösungen
"Verwaltungsweg"
Situation, die ein Beispiel
Krise des
Ebenso
Institution
werden, dem
politische
betrachten.
besagter
übertragen Weg"
für
auf
erreicht
dem
ist
"technischen
für eine der konkreten Formen darfortgeschrittenen
annimmt.
Unter theorie
daß die Instanzen
werden. Dies ist eine
stellt, die der Autoritarismus im Kontext des —— Kapitalismus
auf
den noch
bedeutendsten das
Werk
Beiträgen
James
der
O'Connors
neueren
zu
Staats43 nennen. Eine
Synthese seiner Ansicht besagt, daß "Der Staat in der fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaft gleichzeitig Akkumulationsund Legitimationsfunktionen genügen muß. Die Akkumulationsfunktionen tendieren dazu, die Kosten der Reproduzierung sowohl des festen Gesellschaftskapitals als auch des variablen Gesellschaftskapitals zu festigen. Die Legitimationsfunktionen sind ihrerseits auch unter der Marx'schen Kategorie des gesellschaftlichen Verbrauchs der öffentlichen Ausgaben quantifizierbar, d.h. entsprechend der Bestimmung einer linearen und adäquaten Relation zwischen der gesellschaftlichen Nachfrage und dem kapitalistischen Angebot. Hier ist das interessanteste Element der Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Akkumulationsinstanz und der Legitimationsinstanz. O'Connor drängt somit die unumgängliche, von der Frankfurter Schule aufgestellte Kompatibilität zwischen den integrierenden Mechanismen und den repressiven Apparaten an den Rand des Widerspruchs." (44) Was Offe anbelangt, so unternimmt er mit seiner Untersuchung zwar
explizit einer
die
Krise,
Ausarbeitung
einer
Theorie
der Krise. Und
die sich durch die Übertragung
rungsfunktionen des Marktes auf den Staat erklärt Kontinuität
zwischen
Habermas
und
Offe
zu
der
Regulie-
(hier ist die
erkennen).
Darüber
hinaus erscheint die Krise (bei Offe, der die Ergebnisse O'Connors
benutzt)
als
Akkumulationsprozeß
das und
Ergebnis dem
der
Widersprüche
Legitimationsprozeß.
zwischen dem Er
bezieht
sich in diesem Fall konkret auf die Form, in der sich der Pro-
54
zeß der Kapitalverwertung chen Ausgaben tion, eine
"einen Form
Teil
der
der
des
angehäuften
Erhöhung
Dieses Mittel, als
vollzieht. Die Politik der öffentli-
hat ebenso wie die Verstaatlichungen
Mechanismus,
Funk-
zu entwerten, als 45 durchschnittlichen Profitrate".
der
die Krise
die
Kapitals
abzuschwächen,
durch
den
sie
erweist sich
sich
zugleich
verstärkt.
Manuel
Castells drückt es folgendermaßen aus: "Das Endresultat ist ein Prozeß permanenter Entwertung des festen Kapitals, der tendenziell die Höhe des Mehrwertes begrenzt, den sich das Kapital aneignet. Dies ist einer der wichtigsten strukturellen Gründe für die Intervention des Staates, die darin besteht, die Kosten zu übernehmen, die durch die gesellschaftliche Entwertung des Kapitals verursacht werden." (46) Zusammenfassend aufzustellen, absichert, delt";
daß
insofern
diese
erlaubt
"der Staat er
in
letzte Aussage
dieser
Prozeß,
die
die kapitalistischen nicht-kapitalistischer ist der
Kernpunkt
Behauptung Beziehungen Weise
han-
eines
weiteren 47 Erklärungsversuchs der Krise, den wir E. Altvater verdanken. In dieser Untersuchung wird die kapitalistische Eigenschaft des Staates verneint, der als solcher nur in historischen Ausnahmefällen
handelt:
das
Nazi-Deutschland,
das
faschistische
Ita-
lien, Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg, usw. Wäre
-
nach
Altvater
-
der
Staat
kapitalistisch,
so würde er die Sphäre der Produktion ausweiten und alles ausdrücken,
außer
der
Desintegration
der
bürgerlichen
Gesell-
schaft". 4 8 Für die sen Autor hat der Wert der Krise beim Studium der
Funktionen
des Staates
die größte Bedeutung,
insofern sie
sich als eines seiner konstitutiven Elemente erweist. "... die historischen Funktionen des Staats sind diesem ursprünglich nicht inhärent, sondern müssen das Resultat der gesellschaftlichen Produktionskrise sein, die durch die Klassenkämpfe und die Konflikte zwischen den Fraktionen der herrschenden Klasse vermittelt werden." (49) Wir beenden hier diesen kurzen Oberblick über die gegenwärtige kritische Staatstheorie mit der Oberzeugung, daß a) die verschiedenen Beiträge, aus denen sie besteht, alles andere darstellen als eine Einheit;
55
b) ihre Ergebnisse folglich das Resultat sukzessiver Annäherungen als Produkt der Diskussion unter ihnen ist; c) über
ihren Unterschieden
die kritische
Absicht des Verste-
henwollens und der Suche nach Lösungen angesichts des gegenwärtigen gesellschaftlichen "Mißstandes" vorherrscht; d) eine
vorurteilslose
Verwendung
derselben
der
einzige Weg
ist, der ihre weitere positive Entwicklung garantiert. Aus
diesen
Gründen muß
sich das Studium des Staates -
verstanden als ein Beitrag auf der Suche nach Lösungen besagten Mißstandes
- von
allen
sektiererischen
Inhalten befreien, die
die Hervorbringung von nützlichen Kenntnissen auf sozialem Gebiet verzögern. Im Lichte dieser Prämissen möchten wir im folgenden die charakteristischen Eigenschaften des Autoritarismus in der Entwicklung des kapitalistischen Staates bestimmen. Der Gedanke, daß die Funktionen, die der Staat annimmt, ihm historisch nicht inhärent sind, sondern das Resultat spezifischer
nachfolgenden Sicht
darstellen, 5 0
Krisensituationen Überlegungen.
der Dinge
leitet
Insbesondere
uns
insofern,
bei als
den diese
die Möglichkeit bietet, zur Leitlinie zu wer-
den, um die nacheinander stischen Staates
folgenden Umwandlungen des
zu erfassen:
kapitali-
der liberale Staat, der
Keynes-
sche Staat und der gegenwärtige Staat. Diese Umwandlungen werden
hier
nur
teilweise
analysiert
werden,
da der
Schwerpunkt
auf die Untersuchung der politisch-rechtlichen Struktur gelegt wird,
die
den
drei
genannten
Momenten
des
kapitalistischen
Staates entsprechen.
2.4 Politik und Recht im liberalen Staat Aus
der
Krise,
die
das
feudalistische
System
zu
Fall
bringt, entsteht die kapitalistische Produktionsweise (KPW) und verbreitet
sich. 5 '
licht die Existenz Verstaatlichung chen Entwicklung
56
der
Ihre
spezifische
Organisationsform
ermög-
eines Staates, dessen Aufgabe sich auf die allgemeinen
konzentriert.
Bedingungen Dies
ist
der
wirtschaftli-
insofern möglich, als
dieser Produktionsmodus sich von allen vorhergehenden durch das relativ
autonome
Funktionieren
scheidet
und
keine
z.B.
das
feudalistische
für
der
ökonomischen
außerökonomischen System
Zwänge
Sphäre
unter-
benötigt, wie sie
kennzeichnend
sind. Dieser
Prozeß impliziert, wie man weiß, eine Trennung der Arbeitskraft von den Produktionsmitteln, was die Voraussetzung stenz
des
für die Exi-
des ökonomischen als zweier relativ S2 autonomer Bereiche darstellt. Mit anderen Worten: Es ist das
Mittel,
Politischen
das
die
und
Geburt
zivilen Gesellschaft Von diesem
des modernen
Staates
und
der
modernen
ermöglicht.
Zeitpunkt
an verbinden
der Eigentümer der Produktionsmittel
sich der Arbeiter und
über den Markt. Auf diese
Weise wird hier "der Tausch zum dominanten
Steuerungsmedium".
Doch die Tatsache, daß der Tausch das dominante Instrument der Mit-Regierung
(und
nicht
der
Regierung)
Existenz einer widersprüchlichen
darstellt,
Realität
zeigt die
auf, die der kapita-
listische Staat auszudrücken gezwungen sein wird. Dies bedeutet nicht,
daß
sich
der
Staat nicht um die wirtschaftlichen Funk-
tionen kümmert. Was geschieht, sozialen
die ihrerseits von daß
diese
wickeln.
ist vielmehr, daß die konkreten
Bedingungen, die das Erscheinen der KPW bestimmen und ihr erneut bestimmt werden, es ermöglichen,
Funktionen Pietro
sich
auf
Barcellona
eine
drückt
wenig
sichtbare
Weise ab-
dies sehr klar aus, wenn er
sagt: "Die Autonomie der Wirtschaft ist faktisch politisch hervorgebracht, obschon sie auch real ist, denn die Wirtschaft funktioniert nach anderen Kriterien als denjenigen, die das Funktionieren der Politik leiten." (54) (Unterstreichung v. uns) Es
wird
quantitativ ökonomischen
dann
die
Funktion
des
liberalen
Staates
sein,
gesehen
auf politischem Wege das Funktionieren der
Sphäre
zu erhalten, aber auch qualitativ dies auf
eine Art und Weise zu realisieren, daß dies nicht bemerkt wird. Das
System
einerseits
verlangt all
eine
dessen,
doppelte was
sich
Aufgabe der auf
die
Verheimlichung:
dominante
Rolle im
wirtschaftlichen Bereich bezieht und andererseits der Tatsache, daß
diese
ventionen,
dominante die
vom
Rolle Staat
eben gerade durch politische durchgeführt
werden, weiter
Inter-
bestehen
57
bleibt.
Dies
ist
die
Funktion,
die die bürgerliche
Ideologie
des Rechtes erfüllt. Nicht Element
umsonst
ersten
wird
Ranges
das
bei
schaft mit dem Staat. Wir
Recht
in Form
der Verbindung
von
der
Gesetzen zum
zivilen
Gesell-
stimmen mit Poulantzas überein, wenn
er sagt: "Diese rechtlich-politische Ideologie nimmt in der herrschenden Ideologie dieser Produktionsweise eine Vorrangstellung ein, die jener der religiösen Ideologie innerhalb der herrschenden Ideologie der feudalistischen Produktionsweise gleichkommt." (55) Das Recht verwandelt sich in positives Recht. Seine Gültigkeit und Legitimität Durchführung
der
hängen von da an grundsätzlich von der
Verfahren
setzt wurden. Dies
ab, die zu seiner Gründung
festge-
impliziert gleichzeitig, daß sich das Recht
zu einem System allgemeiner und abstrakter Normen konstituiert, die sich zum Teil von ihrer reellen Grundlage Fassen wir tive
Recht
dazu
rechtlichen
lösen.
zusammen: wenn auch feststeht, daß das positendiert,
Beziehung
und
eine Trennung zwischen der den
sozialen
Beziehungen
formalen herbeizu-
führen, so ist diese Trennung weder eine vollständige, noch ein rein
ideales
schen
dem
Produkt.
Staat
und
Die der
zwei wichtige Folgen mit muster
für
die
rechtliche zivilen
Beziehung, die sich zwi-
Gesellschaft
bildet,
bringt
sich: einen Wechsel der Legitimitäts-
Herrschaftsformen
und die Geburt der
zentralen
Institutionsidee des liberalen Staates: den Rechtsstaat. Wem Rechts einer die
oder
möglichen
in dieser
schaft
was
entspricht
jedoch
diese
Bedeutung
des
in der Theorie und Praxis des Rechtsstaates? Den Beginn Antwort Zeit
die
kann man in den Modalitäten Intervention
des Staates
erkennen,
in der Wirt-
annimmt. J. Habermas gibt vier Kerngebiete dieser Intervention an. "Nachdem die kapitalistische Produktionsweise durchgesetzt worden ist, kann sich die Ausübung hoheitlicher Gewalt im Innern des Gesellschaftssystems a) auf den Schutz des bürgerlichen Privatrechtsverkehrs (Polizei und Rechtsprechung), b) auf die Abschirmung des Marktmechanismus gegen selbst-destruktive Nebenfolgen (z.B. Arbeiterschutzgesetzgebung), c) auf die Erfüllung ge-
58
samtwirtschaftlicher ProduktionsvorausSetzungen (öffentliche Schulbildung, Transport und Verkehr), und d) auf die Anpassung des Privatrechtssystems an Bedürfnisse, die aus dem Akkumulationsprozeß entstehen (Steuerrecht, Bankenund Unternehmensrecht) beschränken." (56) Wie man der positiven
sieht, wird Rechtsnorm,
jede dieser jener
Interventionen mittels
"technischen" und
Hinrichtung mit ungeheurem Durchsetzungsvermögen, Diese Effizienz den Klasse sagtes
"neutralen"
durchgeführt.
leitet sich von der Möglichkeit der herrschen-
ab, der Abstraktion und der AIlgemeinheit,'die be-
positives
Recht
kennzeichnen,
eine
konkrete
Form zu
geben. Niemand hat so gut wie J. Habermas die Form, in der jene allgemeine
"Prinzipien" des
Rechts mit Bedeutung
ausgestattet
werden, dargestellt. Das Abstrakte am Gesetz eröffnet der bürgerlichen
Konkretisierung
meingültigkeit
die beste Möglichkeit,
seine
leistet dies für ihre Individualität.^
Allge-
In poli-
tische Kategorien übersetzt stellt diese Konkretisierung
fest,
daß das Bürgertum (bis zu einem gewissen Punkt) bereit ist, als "Prinzip" die zen,
in dem
Formalität Maße
beizubehalten.
als
der Verfahren zur Bildung von Geset-
ihre
Der Staat
Inhalte
hält
frei von Prinzipien
sich
sind,
immer die Möglichkeit vor,
seine eigenen Gesetze abzuändern und sogar, unter Berufung auf 58 die "Staatsräson", ausdrücklich gegen diese zu handeln. Diese Eigenschaften
des
Rechts
Durchsetzungsvermögen
reichen
dennoch
nicht
aus,
um
sein
völlig zu erklären, dessen Beweis histo-
risch zu erbringen nicht schwer ist. Es ist außerdem noch nötig, sich auf den Wechsel zu beziehen, der stems
hinsichtlich
stattfindet.
der
Legitimitätsmuster
In ihm beruht
des neuen Sy-
die Rechtfertigung der Macht
nicht mehr auf der göttlichen Absicht, noch auf dem Willen des Regenten, sondern im Gegenteil
auf der Legalität. Mit den Wor-
ten Max Webers stellt dies den Obergang von Formen traditioneller
und
charismatischer
Legitimität 59
zur
rational-legalen Form
der Rechtfertigung der Macht dar. Nun bedeutet aber die Tatsache, daß die Legitimität ihren
Bezugspunkt
dieser
letzteren
in der
Legalität
gleichgültig
sei.
hat, Die
nicht,
daß der
Rationalität,
Inhalt die das 59
dem
KPW
die
Rationalität
sondern des
entsprechende der
vielmehr
Bürgertums.
politische Gesamtheit
die
Rationalität
Die
möglichen
Fehlens wesentlicher
System
ausdrückt,
seiner
zivilen
seiner
herrschenden
negativen
müssen
Prinzipien für die Erstellung
an
dieser
Stelle
nicht
Klasse,
Konsequenzen
timitätsformen sind im Werk Carl Schmitts Es
ist
Gesellschaft, dieses
neuer Legi-
aufgezeigt.
seine
Bemerkungen
darüber,
daß die mittels Legalität erreichte Legitimität in der Tat eine destruktive
Antithese
der
Idee
der
Legitimität
darstellt, in
Erinnerung gerufen werden. 6 " Kehren des
wir
liberalen
politischen,
nun
zum
Staates
Problem
zurück,
sozialen
und
der
schwachen
Sichtbarkeit
oder mit anderen Worten, zu den
wirtschaftlichen
Bedingungen, die
diese Besonderheit ermöglichen. Zu allererst müssen wir uns von der
falschen und mystifizierenden Vorstellung
der
liberale
Staat
als mit
befreien, wonach
Grundsätzen und den Ideen der
den
Demokratie entstanden identifiziert wird. Ganz im Gegenteil
ist
die Festigung seiner Organisation das Produkt autoritärer Praktiken, die zur Bildung eines Konsenses der gesamten zivilen Gesellschaft schaft
hinsichtlich
führten.
Es
darf
des
Rechts,
nicht
der
Politik und der Wirt-
vergessen
werden,
daß
"bis zum
Neunzehnten Jahrhundert die liberale Theorie ebenso wie der liberale
Staat
nicht
demokratisch
waren,
sondern
im
Gegenteil
6
spezifisch undemokratisch" . ^ Was geschah, war, daß, nachdem die Grenzen des Systems gezeichnet
waren
(Rechtsstaat) und die KPW
endgültig Fuß gefaßt hatte, die Charakteristiken
des liberalen
Staates des 18. Jahrhunderts in bezug auf seinen Ursprung hypostasiert wurden. Sehen wir nun, welches die Umstände und die autoritären Praktiken waren, die die Gründung tes
erlaubten.
zusammengefaßt sich von
im
Praktiken
werden:
Bereich
seinen
Diese
eines anti-autoritären Staa-
können
Ausschließung.
der Wirtschaft
Produktionsmitteln.
mit einem
einzigen Wort
Ausschließung
auf die Trennung des Im Bereich
bezieht Arbeiters
der Politik
bezieht
sich die Ausschließung auf die Einschränkungen bei der Ausübung der
einzigen
nicht
der
Wahl.
darf
illegalen nicht
Form
vergessen
politischer werden,
daß
Mitbestimmung: bis zum
Beginn
des 19. Jahrhunderts die größten Teile der Gesellschaft,
insbe-
60
Es
sondere die
die
Nicht-Besitzenden,
materiellen
Grundlagen
gerade
der
jene,
neuen
die
potentiell
Legitimität
hätten
in Frage stellen können, keinerlei legale Rechte zur Mitbestimmung besaßen. Ein anderes Element, das in Betracht gezogen werden muß und das gleichzeitig bei der Erklärung der Festigung des liberalen Staates und der Ausweitung der politischen Mitbestimmung behilflich
ist,
ist
der
Prozeß
der kolonialen Ausbeutung der
peripheren Länder. Mittels desselben wird, absolut gesehen, der ökonomische Markt erweitert und, relativ gesehen, d.h. lediglich im Innern der kolonialen Metropole, auch noch der "politische" Markt".
Diese
Ausweitung
des
"politischen
Marktes"
wird
durch die Institution verkörpert, die die Verantwortung für die wichtigsten schaft ments
Entscheidungen
übernimmt: in
Zusammenhang
sentlichsten
im
Kontext
das Parlament.
der
der Exekutive
mit
liberalen
Gesell-
Die Überlegenheit des
Züge der politischen
stellt
Organisation
Parla-
einen der wedieser
Gesell-
schaft dar. Es
wird
die
Aufgabe
der
parlamentarischen
Institution
sein, die Widersprüche, die innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft
entstehen,
aufzulösen.
Daß das Parlament
in Verbindung
mit der Exekutive eine überlegene Funktion erhält, bedeutet außerdem, daß der Staat (viel mehr in seiner Realität als in seiner ideologischen Vorstellung) als der Gesellschaft untergeordnet und
als
ihr dienend verstanden wird.
das wichtigste
Ziel
der
In diesem Sinne wird
liberalen Theorie und Praxis die Bil-
dung von Institutionen sein, die die Autonomie der bürgerlichen Gesellschaft
gegenüber
dem Staat beschützen.
Es sind dies In-
stitutionen, die in allen liberalen Verfassungen des 19. Jahrhunderts
verankert
sind und die
im wesentlichen
bestehen: a) der Gewaltenteilung, b) der eines
öffentlichen
Diskussionsbereichs
in
Folgendem
Institutionalisierung
(das Parlament)
und c)
dem Rechtsstaat. Wir werden noch später dazu kommen, die Probleme zu behandeln, die sich im Zusammenhang mit der Gewaltenteilung len und werden uns noch
stel-
länger der Diskussion um den Rechts-
staat widmen. Fürs erste ziehen wir es vor, uns mit der Analyse der
Institutionalisierung
des öffentlichen
Diskussionsbereichs
61
zu befassen, was
in diesem
Falle
soviel
heißt
wie die Grenz-
ziehung für das Funktionieren des Parlaments. Das Parlament wird zum Hauptorgan und praktisch zum ausschließlichen
Organ
schließlichen
Charakter
vorherrschende
politischer (der
Repräsentation.
auf
andere
Weise
Diesen
nochmals
ausseine
Rolle hervorkehrt) erhält es auf Kosten der Or-
gane ständischer Vertretung. Es nen
gibt
in der
Gegenstand,
der
Gesellschaft dort
Diese Charakteristik
nicht
erklärt
des
18. Jahrhunderts
diskutiert
werden
kei-
könnte.
sich zum Teil daraus, daß, da nun
einmal das System auf der politischen und wirtschaftlichen Ausschließlichkeit
fußt,
das
Parlament
die
standesgebundenen
In-
teressen des Bürgertums so ausdrücken kann, als wären es diejenigen der gesamten Gesellschaft. Zur Ausführung dieser Funktionen
erweist
sich
die
Form
der
indirekten
Vertretung
als mehr
denn ein bloß formeller Umstand. Mit diesem Hinweis möchten wir vor
den
irrigen
Interpretationen
warnen,
die den
Unterschied
zwischen der direkten und der indirekten politischen Vertretung so
erklären,
als
quantitatives
handele
es
Problem. Der
sich um
ein
rein
technisches und
Inhalt solcher irrigen
Behauptungen
kann in zwei Grundaussagen zusammengefaßt werden: a) die potentielle
Existenz
Vertretung
von
Bedingungen
zur
Durchführung
stellt die unerläßliche Voraussetzung
der
direkten
zur Durchfüh-
rung der indirekten Vertretung dar, b ) dort wo die territoriale Ausdehnung tung
und
die
"technisch"
Quantität
unmöglich
der Bewohner die direkte Vertre-
werden
läßt, wird
die
Beteiligung
auf Entfernung notwendig, was nichts anderes ist, als das, was wir hier indirekte Vertretung die Absicht
nennen. 6 ^ Wir haben unsererseits
zu zeigen, daß die "Entfernung", die die indirekte
politische Vertretung
erklärt, vielmehr eine soziale denn eine
geographische ist. Die dem
Funktionen
Staat,
doppelte Staat
das
des
über
Schutzes
Parlament
Autonomiebewegung
Entscheidung den
die
ermöglicht.
grundlegende
entzogen
wird
der Gesellschaft
erfüllt,
in
gegenüber
durch
Einerseits,
Probleme
(zumindest
werden
eine
indem die
der Einmischung durch dem
Maße,
wie
die
Bedingungen des sozialen Friedens es ermöglichen). Dies stellt den Autonomieprozeß der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber dem
62
Staat
dar.
In seiner
Charakteristiken nomiebewegung
Entwicklung
begegnete
man
den
positiven
der liberalen Theorie und Praxis. Diese Auto-
ermöglichte das Aufblühen jenes
anti-autoritären
Geistes der Garantie der Grundrechte des Einzelnen und der Freiheitsideen,
die
in den Verfassungen
des
19. Jahrhunderts ver-
ewigt wurden und der noch heute (oder besser gesagt, heute mehr denn je) das politische Minimalprogramm sozialer
Organisation
darstellt,
zu erreichendes Grundziel Was zeitig
aber
mit
nicht
dieser
für jedweden Vorschlag
in welchem
Gerechtigkeit ein
ist.
vergessen werden darf, ist, daß
Autonomiebewegung
der
gleich-
bürgerlichen
Gesell-
schaft gegenüber dem Staat das Parlament in seiner Dynamik eine Autonomiebewegung Ausdruck
gegenüber
der
es ist, d u r c h f ü h r t , ^
nügt, um
die
Vertretung
Gesamtheit
der
zivilen
Gesellschaft,
deren
so daß, wenn sie auch nicht ge-
Logik
des
Systems
der
indirekten
zu erklären, dies dennoch ausreicht, um zu
zeigen,
daß diese nicht das Resultat rein "technischer" Probleme ist. Der
Nachdruck,
mit
dem
wir
in diesem
Zusammenhang auf
die indirekte politische Vertretung eingehen, kommt daher, daß diese des
Form
der
Parlaments
begünstigt,
Repräsentation
gegenüber
was
besagte
"seiner"
außerordentlich
Autonomiebewegung
bürgerlichen
wichtige
Gesellschaft
Folgen
hat.
Dies in
dem Maße, als der politische Preis für diese Autonomie im weiteren Sinn ein Verlust der Legitimität aller politischen Strukturen
und
im
engeren Sinn der Verlust
der Bedeutung der Funk-
tion des Parlamentes selbst ist. Die herrschende gegen
Ende
stellt,
des
das,
19.
wenn
Klasse - das Bürgertum Jahrhunderts
auch
nicht
einem
- sah sich schon
Problem
unmöglich,
so
gegenüberge-
doch
schwer
ohne
Rückgriff auf autoritäre Praktiken zu lösen war. Die Stabilität des Systems verlangt, daß die Widersprüche Gesellschaft Umkreises Ausweitung nung
des
innerhalb
der des
Diskussion politischen
Wahlrechts
Miteinbeziehung
des
gelöst
in der bürgerlichen
und
werden.
vor allem
Dies
führt
legalen zu
einer
Systems, was nur durch die Ausdeh-
erreicht
sozialer
Widersprüchlichkeit
öffentlichen
werden
Sektoren
gegenüber
dem
ins
kann.
Es
System,
Bürgertum
impliziert die deren
Grad an
erheblich
stärker
ist, als derjenige der innerbürgerlichen Widersprüche, für wel-
63
che
die Organisation
des
Parlaments gedacht war.
64
Das
Ender-
gebnis dieses Prozesses sozialer Spannungen ist ein Verfall der Funktionen die tung
des
exekutiven zu
Ende
Parlaments
und
Organe
Staates abzutreten. Um diese
zu
des
führen,
die
wird
es
wachsende Tendenz, diese an einer
Abtre-
Neuinterpretation der
Theorie der Gewaltenteilung bedürfen. Diese Aufgabe kommt einer Gruppe wird
spezialisierter
klar,
Formen
der
daß
Intellektueller
jenes
Fehlen
Legitimität
von
zu: den J u r i s t e n . ^ Nun
Prinzipien,
einschließt,
äußerst
die
legalen
nützlich
das
für die
Veränderung der Praxis und der Theorie der Gesellschaft und des liberalen Staates sein wird, wenn in den zwanziger Jahren unseres
Jahrhunderts
sich
die Widersprüche
dermaßen
anhäufen, daß
sie zum Ursprung einer neuen Krise werden.
2.5 New Deal und Faschismus. Bruch und Vereinheitlichung
in der
Rechtsinstanz Der Staat und die Formen der Akkumulation, die sich 1930 in der Krise befinden, sind das Resultat tiefgreifender Veränderungen in der KPW. Zwischen dem Ende des 19. J a h r h u n d e r t den
Jahren
Obergang
zwischen
des
den
beiden
wettbewerblichen
Weltkriegen vollzieht zum monopolistischen
und
sich aer
Kapitalis-
mus. Dieser Prozeß wirtschaftlicher Konzentration ist im allgemeinen
innerhalb
besser
als
der
kritischen
"Gegentendenz"^
Strömungen
angesichts
des
als
Antwort, oder
tendenziellen Sin-
kens der durchschnittlichen Profitrate erklärt worden. Und zwar deshalb, weil, wie ausführlich gezeigt w u r d e , ^
im monopolisti-
schen Stadium der Grad der Ausbeutung der Arbeitskraft eine erhebliche Steigerung erfährt. In seinem Werk "Klassen im Kapitalismus tion
- heute",
der
bietet
zentralen
Nicos Poulantzas eine präzise
Charakteristiken
diums der KPW: "Das Monopolkapital wird durch die Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals charakterisiert. Die Proportion des konstanten Kapitals (fixes Kapital: Anlagen und im Umschlag befindliches konstantes Kapital) in der organischen Zusammensetzung des Kapitals im Vergleich
64
Defini-
des monopolistischen Sta-
zum variablen Kapital (Lohnkosten) ist für das Monopolkapital spürbar höher, was eine relative Verminderung der lebendigen Arbeit im Vergleich zur vergangenen - oder toten - Arbeit anzeigt. Aber die Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals ist umgekehrt proportional zur Profitrate. Für das Monopolkapital impliziert das die Notwendigkeit, einerseits die Ausbeutungsrate anzuheben, und zwar nicht auf dem hauptsächlichen Umweg über das Lohnniveau, sondern über die intensive Ausbeutung der Arbeit, einschließlich der Steigerung der Arbeitsproduktivität , andererseits das Kapital zu verwerten, indem jeglicher Vorteil aus der Ungleichheit der Profitraten zwischen den Branchen und Sektoren der gesellschaftlichen Produktion gezogen wird. Damit korrespondieren im wesentlichen die Transformationen in den Produktionsverhältnissen und die neuen Formen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung." (68) Die Gesamtheit dieser Transformationen ist der Anlaß für eine Restrukturierung - in Theorie und Praxis - der Beziehungen zwischen Absicht
dem wird
Staat
und
der bürgerlichen
Gesellschaft.
Unsere
in diesem Zusammenhang sein, uns auf die Aus-
es
wirkungen dieser Veränderungen auf politischer und
rechtlicher
Ebene zu konzentrieren. Auf
der
rechtlichen
Ebene
ist
die
Trennung
zwischen
wirtschaftlichem und rechtlichem Eigentum, die die Aktiengesellschaft
einführt,
der
erste
Schritt
in diesem
Transformations-
prozeß. Der zweite Schritt besteht im Aufkommen einer neuen Modalität
rechtlicher
Regelung,
die wir in einer anderen Arbeit 69
"spezifische
Gesetzgebung"
genannt
haben
und
die, auf
eine
kurze Formel gebracht, als die Anpassung der Rechtsfunktion an den
Rhythmus
und
die
speziellen
Notwendigkeiten
der
lation des monopolistischen Sektors der Wirtschaft
Akkumu-
charakteri-
siert werden kann. Auf politischer Ebene beziehen sich besagte tionen Staates
auf eine in
die
"Konzentration"
Transforma-
stets wachsende und explizite Einmischung des bürgerliche betrifft
Gesellschaft.
ebenfalls
die
Der
politische
Prozeß
der
Ebene und
drückt sich in einer Einschränkung des Diskussionsbereichs aus, Entscheidungen
behandelt
getroffen werden, die die gesamte Gesellschaft
in
welchem
betreffen.
Aber
die
wichtigsten
greifen
wir
den
Dingen
nicht
und
vor, da wir uns ja 65
nicht mit der
in unseren Tagen zurückgedrängten
Krise beschäftigen, se, die
sondern mit der explosiven
Krise gibt es, was einen
Jahren
in den dreißiger
breiten
losbrach.
strukturellen
Wirtschaftskri-
In bezug auf diese
ihre wirtschaftliche Bestimmung
Konsens,
der
anbelangt,
zugleich die bürgerlichen und die
marxistischen Theorien einschließt. Die
Antwort
des
kapitalistischen
Systems
auf
diese
Krise kam einmal mehr mit den Vorstellungen der "Endkrise" (Zusammenbruch) und der "Zerstörung des Systems" zu Fall, mit denen ein Teil der marxistischen Theorie
(die mechanistisch-öko-
nomische Interpretation) versuchte, ihre weitere Entwicklung zu beschreiben
(oder
ihr
vorzuschreiben).^"
Das
kapitalistische
System bot dennoch Antworten auf die Krise, die zum Ziele hatten,
sein
Voraussagen
Fortbestehen zu
abzusichern
dementieren.
und
die
"katastrophalen"
Paradigmatische
Beispiele
Antworten sind der Faschismus und das "New Deal".^ 1
dieser
Der Abstand
zwischen beiden Antworten ist explizit genug, um die Komplexität der
Beziehungen
zwischen der politischen und der ökonomi-
schen Struktur klarzustellen und auf diese Weise die Wertlosigkeit
jeder
Theorie
zu
beweisen,
die
vorgibt,
mechanistische
Beziehungen zwischen beiden Strukturen festzustellen. Unabhängig
von
den
Unterschieden,
die
beide
Antworten
voneinander trennen, kann als ein sie verbindendes Element die aktive Intervention des Staates in die ökonomische Sphäre festgehalten werden. Aus
der
von uns verfolgten Absicht,
in den
Strukturen 72
der politischen Organisation kapitalistischer Demokratien Existenz
autoritärer
Züge
festzustellen,
diesen beiden Antworten unser men des
"New Deal" gilt.
ergibt
die
sich, daß von
Interesse vornehmlich dem Phäno-
Dies um
so mehr, als der Faschismus
gegenüber "normalen" Formen politischer Herrschaft des kapitalistischen Systems eine Ausnahmeantwort darstellte, wobei hinsichtlich seiner autoritären Züge, die zum Höhepunkt ihrer Entwicklung
die Bildung
eines
totalitären Staates zur Folge hat-
ten, keine Zweifel bestehen. Bevor wir in die Analyse der Antwort des "New Deal" auf die
Krise
der
ein mögliches 66
dreißiger Element
der
Jahre
eintreten,
Verwirrung
in
müssen
bezug
wir
noch
auf das
Recht
ausräumen. Die Veränderungen im Recht stellen gleichzeitig ein Moment der Vereinheitlichung und des Bruchs zwischen beiden Arten von Antwort dar. Vereinheitlichung insofern, als die Charakteristiken der Trennung zwischen rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum und das
Aufkommen
nannt Oder
dessen,
haben, mit
im
anderen
dem Gebiet
was
wir
allgemeinen Worten,
"spezifische
Gesetzgebung" ge-
beiden Antwortarten
es
sind
wichtige
gemein
sind.
Veränderungen auf
des privaten Rechts vorhanden, aber diese Verände-
rungen beziehen sich grundsätzlich auf den Obergang vom Stadium des Konkurrenzkapitalismus auf das des Monopolistischen Kapitalismus. Dies eine
ist es gerade, was erlaubt zu behaupten, es gäbe
starke
Identität
zwischen
dem Privatrecht
der einen und
der anderen "Antwort".^ 3 Von einem Bruch kann man insofern sprechen, als die Unterschiede
zwischen dem
faschistischen
und dem
interventioni-
stischen Staat sich oft auf der rechtlichen Ebene in bezug auf das Verhältnis
zwischen
Privatem und öffentlichem
ausdrücken;
Poulantzas drückt dies klar aus, wenn er schreibt: "Das soll nicht heißen, daß hier keine grundsätzlichen Unterschiede bestehen würden, die ja gerade die Form des Ausnahmestaats ausmachen. Sie drücken sich zuallermeist auf juristischer Ebene aus, d.h. auf der Ebene des Verhältnisses von "privat" und "öffentlich", da den ideologischen Apparaten des Ausnahmestaats der Charakter öffentlich, d.h. staatlicher bzw. 'verstaatlichter' Apparate verliehen wird." (74) Diesen hauptung
scheinbaren Widerspruch auszuräumen, der die Be-
impliziert,
daß
und der Vereinheitlichung terventionistischen Bedeutung öffentliche im
aus
der
Recht
und
das
Recht
Element
dem faschistischen)
Tatsache,
daß
im
sich als explizit
interventionistischen
ein
des
zwischen beiden Staatstypen
Staat
ist, erhält seine
faschistischen repressiv
hingegen
Bruchs (dem in-
diese
Staat das
äußert, während Charakteristik
alles andere als offensichtlich ist, was die Analyse erheblich erschwert. Schließlich wollen wir noch klarstellen, daß wir mit der Verwendung Analyse
der
Benennung
der Krise
"New
Deal"
in den dreißiger
nicht Jahren
beabsichtigen, die auf den
amerikani-
67
sehen
Fall
einzuschränken.
Diese
Benennung
ist
vielmehr ein
weiter Begriff, der, den Faschismus ausgeschlossen, die Antworten
aller
Es
ist
heißt,
Gebilde
daß
die
beiden
zentralen
Fall
ihnen
Kapitalismus mit
selbstverständlich,
Unterschiede
amerikanischen die
des
allerdings
daß
einschließt.
dies
ebensowenig
dem europäischen und dem 75 werden. Dennoch erweisen sich
zwischen
verkannt
gemeinsamen
Elemente
als bedeutend
genug, um
für das, was uns hier interessiert, zusammen abgehandelt werden zu können.
2.6 Der
Interventionsstaat Die Krise von
liche. Aus
ihr
1930 ist im wesentlichen eine wirtschaft-
entspringt
eine
Staatsform, deren
Hauptmerkmal
die aktive Intervention in den Produktions- und Verteilungsprozeß ist. Dies ist aber nicht alles. Der Staat, der aus der Krise von 1930 entspringt, ist auch ein Staat, der von in Konfrontation
stehenden
absolut
sozialen
unvereinbare
Kräften
Forderungen
umringt erheben.
ein Teil des die Produktionsmittel die
interventionistische
schalten,
die
faktisch
Politik die
ist, deren
besitzenden des
trachtet
Sektors danach,
Staates
spezielle
Extreme
Einerseits völlig
Konjunktur
Weltkrieges motiviert habe. Andererseits glauben
auszu-
des
Ersten
radikalisierte
Teile der Arbeiterklasse, durch die Dynamik der Krise angetrieben, des
daß
der
Moment
kapitalistischen
scheitern.
Der
gekommen Systems
sei, zu
die
definitive
"fordern".
Interventionsstaat
stellt
Beide im
Zerstörung Forderungen
Gegenteil
einen
Kompromiß zwischen Arbeiter und Kapital dar, dessen wichtigster theoretischer deutung
Urheber
scheint
außer
zweifellos Diskussion
J.M. zu
Keynes stehen,
ist^
(seine Be-
bedenkt
man, daß
der Ausdruck "Keynes'scher Staat" häufig gebraucht wird, um den Interventionsstaat interessante
zu
bezeichnen).
Beschreibung
der
P.
Merkmale
Barcellona und
gibt
Funktionen
Staates: "Vom politischen Staat wird gefordert, daß er soziale Einigungsfunktionen im Innern der Gesellschaft ausübt (die politische Sphäre dringt in die gesellschaftliche ein) ... Es ist
68
eine dieses
die Geburtsstunde des Wohlfahrtsstaates, des bürokratischen Staates, des Unternehmerstaates, des Staates mit getrennten Körperschaften (als Massenkörperschaften), der dem politisch-verfassungsmäßigen Staat mit seinen repräsentativen Institutionen und gewählten Versammlungen gegenbersteht. In diesem Kontext entwickeln sich neue Kanäle für die Beziehungen zwischen den Staatsapparaten und den sozialen Interessen." (77) Wir sagten, der Interventionsstaat sei das Produkt eines Kompromisses
zwischen
welches
Bedingungen
die
Kompromisses Die
sind,
daß
der
führen
kann,
durch
und die
Kapital. die
Sehen
wir
Verwirklichung
nun,
dieses
ermöglichen.
erste Bedingung
sache, wird
Arbeitern
Markt
die
den
Protagonisten
ist die allgemeine Annahme der Tat-
in dieser Etappe nicht die Funktion aus-
Gesellschaft Staat
des
zu
realisiert
Prozesses
der
integrieren. werden
Diese
müssen,
Bildung
Funktion
der
sich zum
von Angebot und Nach-
frage macht und zum aktiven Subjekt der Verteilung wird. Die neuen wirtschaftlichen Funktionen rufen gleichzeitig die Notwendigkeit hervor, auch im politischen Bereich neue Aufgaben
zu
weitung
lösen. der
Wie
es J.
Aktivität
mehr als proportionale 78 ge,
die
funktion
sich
Habermas
des
als
Notwendigkeit
in Anbetracht
ihrerseits
bemerkt
Staates
hat, hat die Aus-
sekundären
der Verschlechterung
in Richtung
Effekt eine
der Legitimation
zur Fol-
der
Markt-
auf das politische System ver-
schiebt. 7 9 Wir man
wie
nähern
folgt
uns
nun
formulieren
die Wirtschaftskrise,
langsam kann:
indem
er
dem
Der
Kern
des
Problems, den
Interventionsstaat
die Grundlagen
zu neuen
"löst" Formen
des Autoritarismus setzt. "Die Tendenz zur Ausweitung der Intervention des Staates stellt von Anfang an unbezweifelbar eine Form der Organisation der Massen und der Gesellschaft dar. Der Staat neigt dazu, die bürgerliche Gesellschaft zu organisieren, indem er sie aufhebt und sie innerhalb der Organisation des Staates absorbiert." (80) Diese
neuen
Formen
durch
das
politische
Grund
von
folgenden
von
System drei
Autoritarismus
legitimiert
Bedingungen,
die
sein, die
können und
dennoch zwar
auf
Vorbedingungen
69
des Kompromisses ergänzen: a) eine
effektive
Verbesserung
der
Lebensbedingungen
eines
Teils der Arbeiterklasse, als Ergebnis der Keynes'schen Rezepte
zur
Stimulierung
objektive
und minimale
weise, die Möglichkeit Herrschaftsformen
der
Nachfrage
Grundlage, der
(hier
findet
man die
die, wenn auch nur teil-
Legitimierung
neuer
politischer
erklärt);
b) das Vorherrschen - innerhalb derjenigen sozialen Kräfte, die die Arbeit kehr
zum
die
repräsentieren
liberalen
sich
Diese
System
unmöglich
ist, eine
Vorstellung,
in einer notwendigen Allianz mit den neuen
des Kaptals die
- der Vorstellung, daß eine RückFormen
ausdrückt.
Vorstellung
Entwicklung
scheint
der
in
dem
Glauben
"Planwirtschaft"
eher
legitimiert, daß in
Richtung auf
zugeht, als es ein schon überwundener Libe81 ralismus ermöglichen könnte;
den Sozialismus
c) ein
"Autonomisierungs"-Prozeß
(Kapital-Arbeiter)
der Subjekte des
hinsichtlich
ihrer
Kompromisses
jeweiligen
sozialen
Grundlagen. Der "Manager" neigt dazu, sich von den Aktionären ebenso unabhängig zu machen, wie der Gewerkschaftsführer 82 von den Arbeitern. Dieser
soeben
kann als ein Element vorgenommenen es,
die
genannte betrachtet
Veränderungen
Umkehrung
der
Glieder
Prozeß
der
Autonomisierung
werden, das die Gesamtheit der vereinheitlicht.
Er
in dem
zwischen dem
Verhältnis
erlaubt
Staat und der bürgerlichen Gesellschaft zu verstehen. Wenn Theorie
der
Staat
im
19. Jahrundert
(liberale Theorie) ein
sellschaft
ist, so tendiert
Gesellschaft
dazu,
sich
in der Praxis und der
Instrument der bürgerlichen Ge-
im 20. Jahrhundert die bürgerliche
in ein
Instrument des Staates
zu ver-
wandeln. Daß diese Veränderungen ohne wesentliche Störung des politischen Funktionierens der KPW vor sich gehen, erklärt, warum es
eines
der
ist, die Art herrschenden
zentralen des
Klasse
strumentalistischen
70
Probleme
Verhältnisses und
ihrem
Theorien).
der
modernen
zu bestimmen, das Staat besteht
(das
Staatstheorie zwischen der Ziel der in-
Der summarische Überblick über die gegenwärtige
Staats-
theorie und die kurze Beschreibung der wichtigsten Merkmale des liberalen
Staates
und
des
Interventionsstaates
müssen
als
eine Grundvoraussetzung zur Behandlung desjenigen Problems verstanden werden,
das uns hier im Kontext des zentralen
lismus interessiert
Kapita-
(Autoritarismus).
2.7 Autoritarismus und gegenwärtiger Staat Die Schwierigkeiten beim Versuch einer selbst schen
Charakterisierung
des
gegenwärtigen
schemati-
kapitalistischen
Staates in den zentralen Gebilden sind viel größer als diejenigen, die eine ähnliche Aufgabe im Zusammenhang mit dem liberalen Staat oder dem Interventionsstaat hervorrufen würde. Der erste
fühlbare
Beweis dessen
ist praktisch die Un-
möglichkeit, eine begriffliche Bezeichnung seine wesentlichsten daß
im
Unterschied
liberalen Staates
Züge Auskunft zur
zu finden, die über
gibt. Was wir wissen, ist,
Wirtschaftskrise,
abschloß, wir uns
die
den
heute einer
Zyklus des
strukturellen
Krise gegenübersehen, die alle Ebenen der Gesellschaft betrifft Dieser
strukturelle
Charakter
der
Krise
drückt
sich
jedoch
nicht, wie wir es schon bemerkt haben, in einer explosiven sozialen Antwort Kern
des
aus. Alles
Problems
in
zwischen dem Ausmaß
der
scheint
darauf hinzuweisen, daß der
Möglichkeit
liegt,
(strukturell) und der
die
Beziehungen
Intensität der Krise
zu erklären. Andererseits kann ersthaft als Hypothese angenommen werden, daß die gegenwärtige Krise in gewisser Weise das Ergebnis der
Entwicklung
zweier
Tendenzen
ist, die
schon
im
Interven-
tionsstaat vorhanden waren: a) eine quantitative und qualitative Zunahme der
Intervention des Staates
in der Wirtschaft, und
b) eine Zunahme der Autonomie des Staates gegenüber der Gesellschaft . Um den ersten Punkt werden wir uns hier nicht
kümmern,
Man kann, knapp ausgedrückt, sagen, daß der gegenwärtige kapitalistische
Staat,
Bedingungen
der
indem
er
Verteilung
die
"Keynes'sehen"
abzusichern
Funktionen die
überwand,
sich
in
71
direkter Weise mittels der Politik der öffentlichen Ausgabe der 83 Produktion angenommen hat. Die Folge davon ist, daß es dem Staat bei der Umwandlung zum direkten Protagonisten des Produktionsprozesses Legitimierung hin
privat
nicht
gelingt,
gleichzeitig
der Kapitalakkumulation
bleibt.
Dem Staat wird
die
Funktionen der
auszufüllen, die
weiter-
es immer schwerer, als Ver-
treter des allgemeinen Interesses aufzutreten. Aus diesem Grunde zeigt sich die gegenwärtige 84 Krise als eine politische als eine Krise des Staates. Jedoch ebenso wie auf der ökonomischen in der Praxis Gegentendenzen
Krise,
Ebene das System
setzt, die die schädlichen Folgen
seiner widersprüchlichen Entwicklung löschen oder umkehren sollen,
so
ist
es
möglich,
auf
der
Rechts eine ähnliche Bewegung Interesse
Ebene
der
Politik
und
des
zu beobachten. Unser vorrangiges
ist es, die Richtung, die diese Bewegung
einschlägt,
festzustellen. Ohne der
Grad
in die
besagter
herrschenden
Diskussion Autonomie
Klasse
und
ihrer und
dem
der
Staat)
wachsende Prozeß der Autonomisierung bürgerlichen
Gesellschaft
der
Details
einzutreten
Beziehungen kann
man
(d.h.
zwischen der
sagen,
daß
der
des Staates gegenüber der
größere
Rahmen
ist,
innerhalb
dessen der Prozeß der Veränderungen gesehen werden muß, von dem hier die Rede
ist. Die Tatsache, daß dieser Prozeß eine allge-
meine
des
Tendenz
gegenwärtigen
kapitalistischen
Systems dar-
stellt (sowohl zentral als auch peripher), verpflichtet
dennoch
dazu, seine spezifischen Merkmale innerhalb des zentralen Kapitalismus zu bezeichnen. Das besondere Merkmal, das den politischen prozeß
des
zentralen
che, daß die Gesellschaft
Kapitalismus
"Entfernung"
auszeichnet,
des Staates von seiner
ohne Verletzung der formalen
lamentarischen
Herrschafts-
ist die
Tatsa-
bürgerlichen
Instrumente der par-
Demokratie vor sich geht, und ohne daß der Kon-
sens (selbst der manipulierte) als Voraussetzung der Legitimierung dieser Instrumente verschwindet. Schon zu Beginn der siebziger Jahre behauptete J. Habermas: "Die Strukturen des Spätkapitalismus lassen sich nämlich als Reaktionsbildungen gegen die endemische Krise verstehen." (85)
72
Dies
kommt
dem
gleich
zu sagen, daß die Strukturen des
Systems die Möglichkeit besitzen, der Krise mit dem Ziele, verallgemeinerte soziale Explosionen zu vermeiden, Herr zu werden. Zu diesem
Ziel
in Subsysteme eines
kann
eine funktionale Unterteilung
festgestellt werden
Subsystems
kann
durch
(Das schlechte
die
Verstärkung
des
Systems
Funktionieren
der
Funktionen
eines anderen kompensiert werden)."*' Diese
Subsysteme
tendieren dazu, einen doppelten Prozeß
der Isolierung zu verwirklichen: a) unter ihnen und b ) in ihrer Gesamtheit
gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft. Aus diesem
Grund verbleiben die traditionellen Organe der politischen Organisation
des kapitalistischen
Staates
(Exekutive,
Legislati-
ve und Judikative) intakt in bezug auf ihre Struktur, aber werden
jedoch
tiefgreifend
den
dreien
wählt
das
in
ihren
System
als
Funktionen
verändert.
"Opfer" dasjenige
dessen Funktionieren, mit allen Einschränkungen, Kanalisierung
Unter
Organ aus,
am besten die
der Forderungen der gesamten Gesellschaft
ermög-
licht: die Legislative. äußert
Die Krise des fortgeschrittenen kapitalistischen
Staates
sich als eine politische
Diskus-
sionsbereiche. tisch
als
Die
Bestätigung
Konstante
in allen
Krise der öffentlichen dieser
Tendenz
kann man
neueren kritischen
prak-
Entwicklungen
der Staatstheorie finden. Poulantzas z.B. führt diese Verminderung
der
Funktionen
herrschenden mittels
der
der
Legislative
monopolistischen politischen
Blocks
auf
die
zurück,
Unfähigkeit des seine
Hegemonie
Parteien
zu organisieren, die ja Vor87 aussetzung der parlamentarischen Organisation sind. In ähnlicher Weise äußert sich C. Buci-Gluksman: "... als Gleichgewicht von Macht und Konsens, ist die parlamentarische Demokratie in eine nicht mehr umkehrbare Krise getreten. Dies stellen wir heutzutage mit der Abwertung der parlamentarischen Formen sowie im Rückgreifen auf andere politische Formen bürgerlicher Konsensbildung fest, wie die Bürokratie und die Technokratie, einschließlich autoritärer Staatsformen nach Präsidialmuster." (88) Zusammenfassend
Technifizierung Mittel
zur
der
kann man sagen: Die Zentralisierung und
Entscheidungen
Beherrschung
stellt
ein
unumgängliches
der Krise dar. Die Folgen, die
dieses 73
Mittel
hervorruft,
scheinen
andererseits
in dem Sinne klar zu
sein, daß die Veränderungen des politischen Systems im Kontext des fortgeschrittenen Kapitalismus in eine eindeutig
autoritäre
Richtung gehen. N. Hinweis)
Poulantzas folgende
stellt
z.B.
Elemente
(allgemein
fest,
die
den
und
lediglich als
Staat
hinsichtlich
seiner Antwort auf die gegenwärtige Krise kennzeichnen: a) Konzentration Organe
der
Macht
in
der Volksvertretung
der
Exekutive
zu Ungunsten der
und der parlamentarischen
Reprä-
sentation; b) organische
Vermischung
(Polizei und Justiz c) Einschränkung
der
bei
der
Ausübung
der
drei
Gewalten
Freiheiten
der
Bürger
z.B.);
politischen
gegen-
über dem Urteil des Staates; d ) Verminderung
der
Funktionen
der
bürgerlichen
politischen
Parteien und Tendenz zum Technokratismus innerhalb der herrschenden
Ideologie;
e) vermehrte
Ausübung
von
Gewalt
(sowohl
physischer
als
auch
symbolischer) seitens des Staates; f) Vermehrung der
der
Techniken
Betrachtungsweise,
sozialer
für
die
das
Kontrolle
und
Individuum
Ausweitung
im
Zusammen-
hang des Sozialkörpers als "gefährlich" und "anomal" gilt; g) Veränderungen schen
im
Rechtssystem
Ideologie,
die
dem
und
sprachen, um sie der neuen Realität h) Tendenzen
zur
geheimen
genheiten (Watergate Abschließend
im
System
traditionellen
Abwicklung
juristi-
anzupassen; der
89
der
"Rechtsstaat" ent-
öffentlichen
Angele-
z.B.).
ist noch darauf hinzuweisen, daß das Recht
als ein ko-konstitutives Element dieser Veränderungen diese begleitet
und
widerspiegelt.
geht, so wird
Was
die
Produktion der Gesetze an-
sie immer mehr zu einem Verwaltungsakt, der dazu
neigt, aus Institutionen zu kommen, die nicht für die Verfahren der parlamentarischen halt des Gesetzes
Demokratie
legitimiert
betrifft, so bietet
sind. Was den In-
er eine doppelte Charak-
teristik: Das Gesetz
ist gleichzeitig
spezifischer und unvoll-
ständiger.
der
dazu
Im
Falle
Gesetze, die
bestimmt
Funktionieren des Monopolsektors der Produktion
74
sind, das
zu regeln, be-
stimmt die "Eile", die dieser Sektor verlangt, die Bildung einer juristischen Norm, die auf das Maß des konkreten Falles zu90 geschnitten sich
aus
ist.
der
wendigerweise
Der Charakter der UnVollständigkeit
Tatsache, direkt
daß besagte Spezifität
aus
dem
Gesetzestext
erklärt
sich nicht not-
selber
ergibt, son-
dern vielmehr aus einer außerrechtlichen und zeitlich verzöger91 ten Interpretation desselben. Jetzt, des
zentralen
Betrachtung
wo
wir
die
Kapitalismus
Existenz
autoritärer
festgestellt
dieser Problematik
haben,
Züge
im
können
Staate wir zur
im Kontext des peripheren Kapi-
talismus übergehen.
75
Kapitel III: Autoritarismus und Verhältnis
Zentrum-Peripherie
3. Theoretische Perspektiven für die Analyse des Verhältnisses von Zentrum und Peripherie
Wir konnten feststellen, daß die Äußerungen des Autoritarismus
im
Kontext
des
fortgeschrittenen
mehr eine vorhandene Realität darstellen
Kapitalismus
viel
(wenn auch eine wenig
ins Auge fallende), als eine Gefahr für die Zukunft, der gegenüber man sich "eines Tages" wird schützen müssen. Man muß sich nun fragen, auf welche Weise man von der Kenntnis dieser Realität für ein besseres Verständnis der Probleme, die der Autoritarismus oder
im Kontext
anders
des
cono
ausgedrückt:
Wie
sur
stellt, Nutzen
ziehen
kann;
zeigt sich an der Peripherie die
Auswirkung der autoritären Tendenzen im Zentrum? Dieses Problem, das
im Grunde kein anderes
Zentrum
und
Peripherie,
ist, als das des Verhältnisses von
ist
bis
heute
auf
drei
verschiedene
Arten angegangen worden,' die jedoch alle mehr oder weniger dem ökonomischen Bereich angehören. Wir werden sie hier kurz skizzieren : a) Die Untersuchungen Lenins über den
Imperialismus.
Das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie erscheint in der Form von Unterteilungen der Welt, die das Ergebnis der Entwicklung der Monopole und ihrer Kämpfe zur Erschließung neuer Märkte sind; b) Die
Theorie
Rostows diese
2
ein
der
den Anspruch
dernen
Unterentwicklung,
paradigmatisches
Geschichte
wofür
Beispiel
die Arbeiten W.W.
sind, um
so mehr, als
erheben, gleichzeitig eine Theorie der mo4 zu sein. Bei Rostow wird das Problem des
Verhältnisses zwischen Zentrum und Peripherie auf eigentümliche Art
und
Weise
Unterschiede
gelöst:
zwischen
Es
wird
sozialen
überhaupt Gebilden
nicht
gestellt. Die
beschränken
sich auf
ein chronologisches Problem. Die Entwicklungsstufe des Zentrums ist das Ergebnis einer langen geschichtlichen Evolution und des 76
Durchlaufens notwendiger Etappen, deren Erreichung
für die pe-
ripheren
zukünftigen
Gebilde
Entwicklung
die
conditio
sine
qua
non
ihrer
darstellen;
c) Die Abhängigkeitstheorie.
Dies
ist
eine Strömung der sech-
ziger Jahre in Lateinamerika, eine kritische Neuformulierung der Imperialismustheorie aus der Sicht der Peripherie lichkeit der "Entwicklung der Unterentwicklung" F.s ist
an dieser
Stelle
nicht
unsere
(die in Wirk-
gleichkommt).
Absicht,
tersuchung dieser verschiedenen soeben beschriebenen te zu vertiefen. Indem wir sie erwähnten, wollten wir darauf zu
hinweisen,
erheben,
sie
daß
unsere
ersetzen
Untersuchung,
zu
wollen,
Standpunkt völliger Heterodoxie Auf die
den
nächsten
Problematik
Peripherie
des
ihnen
der
lediglich
den
Anspruch
gegenüber
möchten
Seiten
verbindet,
wir
im
einer
einen
Zentrum
einen
Berührungspunkte
und
der
Aspekt, der und
an
der
komparatistischen Un-
tersuchung unterziehen. Dieser Aspekt bezieht stimmung
Un-
bezieht.
Autoritarismus
miteinander
ohne
die
Standpunk-
sich auf die Be-
Abweichung
zweier theo-
retischer Formulierungen, die sich, wenigstens objektiv
betrach-
tet,
Konser-
als
vierung
praktisches und
und
Legitimierung
ideologisches von
in denen der Autoritarismus
Instrument
sozialen
Systemen
zur
präsentieren,
- obschon mit grundlegenden Unter-
schieden - ein gemeinsames Element darstellt.
3.1 Interdependenz Autoritarismus Als
wir
von
Zentrum
und
Peripherie
einerseits und
andererseits
zu Beginn
des zweiten
Kapitels sagten, daß die
Zugehörigkeit des zentralen und peripheren Kapitalismus zum weltweiten der
kapitalistischen
Interdependenz
genwärtigen
aufweist
Stadium,
ausdrückliche
daß
Bezugnahme
ließen wir einen
System - und
er auf
die den
einen
solch
hohen Grad
zwar noch stärker im geAnalyse anderen
des
einen
unmöglich
ohne macht,
zentralen Aspekt beiseite, der, wenn auch
nur in aller Kürze, jetzt betrachtet werden muß: die spezifische Eigentümlichkeit dieser
Interdependenz.
77
Der Begriff "Interdependenz" erweist sich in diesem Fall als zweideutig, da er als gegenseitige und symmetrische Abhängigkeit
verstanden
werden
kann.
Hierzu
läßt
sich
sagen,
daß die Existenz einer gegenseitigen Abhängigkeit eine Tatsache ist,
wobei
der
Austausch
von Technologien und Rohstoffen das
offensichtlichste Beispiel darstellt. Aus dieser Situation heraus
kann
man
aber
nicht
auf
die
Symmetrie
der
Abhängigkeit
schließen. Innerhalb des gegenwärtigen fortgeschrittenen Kapitalismus
entstand
der
Kapitalismus
unter
der
Leitung
der
lokal
herrschenden Klassen und ermöglichte eine breite Entfaltung der Produktionskräfte sowie der Akkumulation im Rahmen der nationalen Gesellschaft. An der Peripherie hingegen bedeutete der Kapitalismus eine von außen aufgezwungene Realität, die gemäß den Bedürfnissen der Kolonialmächte den Rhythmus und die Modalitäten des Akkumulationsprozesses bestimmte. Als Folge davon wurde ein
beträchtlicher
nationalen
Teil
Gesellschaft
des
Oberschusses
investiert.^
nicht
Zwischen
innerhalb der dem
peripheren
und dem zentralen Kapitalismus bestehen gradmäßige und wesensmäßige Unterschiede: "Um den Unterschied genauer benennen zu können, müssen wir uns noch einmal das Verhältnis von Theorie und Geschichte vergegenwärtigen: Graduell ist der Unterschied zwischen Zentren und Peripherien nur dann, wenn wir ihn beziehen auf die Ebene der allgemein logischen Gesetze des Kapitalismus; hier handelt es sich um den Unterschied zwischen zwei Formen der Durchsetzung dieser Gesetze, von denen die eine den reinen Begriffen mehr, die andere weniger entspricht. Aber auf der Ebene der historischen Analyse wird dieser Unterschied zum qualitativen Gegensatz weil es auf dieser Ebene gerade um diesen Unterschied der Ausprägung geht." (6) Die gradmäßigen und wesensmäßigen Unterschiede
zwischen
beiden sozialen Gebilden erleichtern die Erklärung einiger ihrer heutigen Eigenschaften,
die wir
schematisch mittels eines
Vergleichs darstellen. Die besonderen Bedingungen der kapitalistischen Entwicklung im Zentrum ließen eine bürgerliche Gesellschaft mit einem
78
hohen Grad an Homogenität und einer großen Fähigkeit zur autonomen Lösung sozialer Konflikte entstehen. Diese soziale Homogenität
drückt
sich
in
einer
politischen
Homogenität
aus,
die es erlaubt, das relativ stabile Funktionieren der Institutionen der parlamentarischen Demokratie zu verstehen. Der Staat hat
folglich,
selbst
unter
den
durch
die
gegenwärtige
Krise
verursachten Umständen, eine viel geringere Bedeutung. In Lateinamerika hingegen erlaubten die Bedingungen der Entwicklung
des
abhängigen
Kapitalismus
nicht
das
Aufkommen
einer bürgerlichen Gesellschaft, die in der Lage wäre, soziale Konflikte selbst zu lösen. Dort bildete sich die soziale Heterogenität
zum
in
politischen
einer
dominanten
Element
heraus, die,
Heterogenität
indem
ausdrückt,
den
sie sich Grund für
7
die permanente Wirtschaft
Instabilität hergibt.
zur
eigenen
Aufgabe,
Der Staat macht sich die
jedoch nicht
als Antwort auf
eine Krise, sondern als strukturelle Bedingung, die zur Abhängigkeit
zwingt.
der fortgeschrittene Kapitalismus für o Gramsci der "Westen" ist, wo die bürgerliche Gesellschaft der wirkliche
und
So
wie
effiziente
Wächter des Staates
ist, so
ist La-
teinamerika
sein "Osten", wo der Staat alles ist undq die bürgerliche Gesellschaft bloß ein primitives Verhältnis. Diese lismus
ist
Verständnis ritarismus stück sur
Unterscheidung von
großer
zwischen beiden Typen des
Wichtigkeit,
da
sie
der tiefgreifenden Unterschiede
die
zwischen dem Auto-
im fortgeschrittenen Kapitalismus und seinem Gegen-
im peripheren bildet.
Im
Kapitalismus
ersten
Fall
der
stellt
Gesellschaften der
bedarf,
Lateinamerika
will
hingegen
man
seine
würde
eine
des cono
Autoritarismus
Tendenz dar, d.h. daß es eines beträchtlichen aufwandes
Kapita-
Grundlage zum
eine
Interpretations-
Erscheinung
wahrnehmen. In
Untersuchung,
die
sich zum
Ziele setzte, die Existenz von Autoritarismus nachzuweisen, jeden Sinnes entbehren, denn er ist evident. Worum es allein gehen kann, ist, seine Besonderheit zu bestimmen. Die lismus
autoritären
müssen
als
Tendenzen
Ergebnis
verstanden werden, die
der
im fortgeschrittenen "politischen
Kapita-
Gegentendenzen"
zur Lösung der Krise angewandt
werden.
In Lateinamerika erweist es sich als unmöglich, diese Vermittlungsart zu etablieren. In diesem Kontext sind selbst die poli79
tischen Gegentendenzen ein unverhüllter Ausdruck von Autoritarismus.
Dies um
so mehr
als die
Intensität
des
sozialen Kon-
flikts die Möglichkeiten einer nicht gewalttätigen Lösung übersteigt. Die Strukturen der parlamentarischen Demokratie brechen auseinander
und machen Militärdiktaturen
von politischer
Herrschaft
ausüben,
Platz,
die eine Form
in der nicht nur die Pra-
xis, sondern auch (wie man noch sehen wird) selbst die Idee des Konsenses zu verschwinden droht. In
Lateinamerika
fortgeschrittenen
äußert
sich
Kapitalismus,
die Krise,
auch
als
ebenso wie im
eine
politische,^®
wenngleich sie hier nicht bloß die Institution des Parlaments, sondern
die
Gesamtheit
jenigen
der
Wirtschaft,
der
Institutionen,
umfaßt.
Die
einschließlich der-
politische
Krise
bringt
täglich die Grundlagen des kapitalistischen Systems in Gefahr. Die Habermas'sehe
Definition der Legitimationskrise pa-
raphrasierend^' kann man sagen, daß die Vorstellung, die Erwartungen der Beherrschten könnten nicht mit systemkonformen Entschädigungen
befriedigt werden, zum "politischen Common Sense"
der Mehrheit der Gesellschaft wird. Wir
sind
der Ansicht, daß man allen
Ernstes
behaupten
kann, die Grad- und Wesensunterschiede zwischen beiden Gebilden (dem zentralen und dem peripheren)
ließen sich ebenfalls hin-
sichtlich des Phänomens des Autoritarismus nachweisen. Der Autoritarismus verlangt jedoch, wie jede andere
Herrschaftsform,
nach seiner Legitimation. Wir werden folglich zwei theoretische Formulierungen in Betracht ziehen, die, über die sie trennenden Unterschiede hinaus, die Zielsetzung der Konservierung des Systems
(einschließlich
im peripheren und beziehen uns
im
seiner
autoritären
zentralen
Äußerungen)
jeweils
Kapitalismus gemein haben: Wir
auf die Doktrin der inneren Sicherheit
(DIS) und
auf die Theorie von Niklas Luhmann.
3.2 Autoritarismus, Konservierung und Legitimation Zu jeder
Zeit und
in jeder Gesellschaft
stellt der An-
spruch der sich an der Macht befindlichen Gruppe oder Gruppen, ihre
80
Herrschaftsmechanismen
zu
legitimieren,
eine
Konstante
dar.
Zugleich
bringt
jedes
Herrschaftssystem
soziale
Kräfte
hervor, die sein Programm stützen oder es ablehnen. In
diesem
Rahmen
tauchen
theoretische
Formulierungen
auf, die subjektiv und/oder objektiv die Perspektive einer der konfrontierten Beibehaltung
Kräfte des
annehmen,
bestehenden
um
der
Zustandes
Veränderung deskriptive
oder der oder prä-
skriptive Elemente zu liefern. Dies erlaubt es uns zu sagen, daß explizit oder implizit, 12
die minimalen Voraussetzungen
einer jeden theoretischen For-
mulierung dieser Art folgende sind: a) die allgemeinen Bedingungen der Epoche; b) die Betrachtung einer konkreten Gesellschaft oder eines konkreten Gesellschaftstyps als B e z u g s p u n k t ; " c) die Annahme des Standpunktes einer der sozialen Kräfte; d) das Vorherrschen der Tendenz zur Konservierung oder zur Veränderung des Systems. Andererseits konnte die Tendenz zu autoritären Zügen im fortgeschrittenen autoritärer
Kapitalismus
Herrschaftsformen
ebenso im
wie
cono
sur
die
Existenz
schon
offen
festgestellt
werden. Dies gibt zu der Vermutung Anlaß, daß in beiden Kontexten jede
Formulierung,
die auf die Stabilität des Systems ab-
zielt - ohne seine autoritären Züge in Frage zu stellen - eine in objektiver Weise konservative und positiven
gesellschaftli14 chen Veränderungen entgegengesetzte Funktion ausübt. Wir
werden
nun
eine
Analyse
zweier
theoretischer
Formulierungen versuchen, die sich in ihren jeweiligen Kontexten als Werkzeug der Stabilität und als solches der Konservierung
des
Systems
anbieten. Hierzu werden wir die
allgemeinen
Grundzüge beider Formulierungen mit dem Ziele vorstellen, ihre Berührungspunkte und ihre Unterschiede
festzustellen.
In diesem Zusammenhang möchten wir drei Bemerkungen vorausschicken,
die
unser
spezielles
Interesse
an diesem
Gegen-
stand herausstellen sollen: a) Es
existieren
große Unterschiede
zwischen der Theorie Luh-
manns und der Doktrin der inneren Sicherheit b) es bestehen
aber
andererseits
auch genügend
um die potentielle Möglichkeit einer
(DIS); Ähnlichkeiten,
(zumindest
objektiven) 81
Annäherung der beiden Standpunkte annehmen zu können; c) diese Annäherung Kontrolle
könnte
im cono
zu einer
sur und
zu
Verfeinerung der
einer
offeneren
pression im fortgeschrittenen Kapitalismus Vor ein Aspekt
der
Behandlung
geklärt
werden.
der
beiden
sozialen
Form
der Re-
führen.
Formulierungen
Wenn die Beschreibung
der
muß noch wichtig-
sten Züge des zentralen Kapitalismus eine Vorbedingung zum Verständnis der Ausführungen der Luhmannschen
Theorie
darstellen,
wie ist es dann möglich, eine Untersuchung der DIS zu unternehmen, ohne zuvor eine ausführliche Analyse des peripheren Kapitalismus durchgeführt zu haben? Die Antwort spaltet sich in einen theoretischen und einen konkret historischen
Gesichtspunkt
auf. In erster Verständnis
einer
Linie
erscheint
Gesellschaft
es uns auch legitim, uns dem
auf
Grund
ihrer
theoretischen
Formulierungen zu nähern. In zweiter Linie erlaubt uns die Tatsache, daß, wie wir noch sehen werden, die DIS eine importierte, dem
lateinamerikanischen
Kontext
fremde
Doktrin
ist, par-
tiell und für eine gewisse Zeit auf eine profundere Analyse der Realität des peripheren Kapitalismus zu verzichten. Die lateinamerikanische
Wirklichkeit
bewirkt
zwar wichtige
Modifizierun-
gen der DIS, aber ihren Ursprung findet sie darin nicht.
82
Kapitel IV: Die Doktrin der inneren Sicherheit (DIS)
4. Historisch-politische Vorläufer Den
Inhalt
dessen, was wir bisher DIS genannt haben, zu
präzisieren,bereitet eine doppelte Schwierigkeit. Die erste bezieht
sich auf die
Ursprünge,
die
relative
zweite
auf
vollständige Bedeutung Überlegungen anbelangt,
zu
Unbestimmtheit
historischen
ihre
reelle und
zu erfassen, indem man nur theoretische
diesem Thema anführt. 1
so stützt
ihrer
die Unmöglichkeit,
Was den ersten
Aspekt
sich J. Comblin,^ Autor eines der
inter-
essantesten kritischen Aufsätze, die speziell der Thematik der DIS gewidmet tanten der gel,' um
sind,
auf die Aussagen eines eminenten
lateinamerikanischen
seinerseits
Repräsen-
DIS, nämlich J.A. Amaral Gur-
zu vertreten, daß die moderne Geburt be-
sagter Doktrin im "National War College" der Vereinigten Staaten, das 1946 gegründet wurde, stattfand. Betrachten Inhalt
wir
nun noch vor
ihrer Rezeption und
die historischen Vorbedingungen,
ihrem
die das Aufkommen der
DIS im lateinamerikanischen Kontext bestimmen. Im wurde auf
europäischen
der die
Terminus
Kontext
des
Sicherheitspolitik
Außenpolitik
verwendet
und
neunzehnten
Jahrhunderts
hauptsächlich erhielt
seine
in
bezug
Erklärung
durch den Begriff der herrschenden nationalen Souveränität: "Sicherheit hatte hier im wesentlichen den Sinn des Schutzes der nationalen Souveränität, die ihrerseits als Garant der inneren, öffentlichen Sicherheit verstanden wird." (4) Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges beginnt eine Veränderung des Begriffs der Souveränität und folglich auch des Begriffs der Sicherheit, die sich in einer Relativierung des ersten
und
einer Ausweitung
der Bedeutung
des
zweiten
Begriffs
ausdrückt. Einige Autoren, wie z.B. E. Winkler 5 glauben in der berühmten Erklärung ten
Staaten,
W.
der
14 Punkte des Präsidenten der Vereinig-
Wilson,
am
Ende
des
Ersten
Weltkrieges, den
formalen Beginn des modernen Begriffs von Sicherheit zu sehen.
83
Was unbezweifelbar scheint, ist, daß dieser Begriff sich zusammen
mit
die
zwischen beiden Weltkriegen
der
nordamerikanischen
Expansionspolitik durchgesetzt
abzeichnet,
wird und sich in
dieser Zeit erweitert. Ein repräsentatives Beispiel der globalen Bedeutung dieser neuen Politik liefert E. 0. Czempiel, der schreibt: "Mit der Größe des Landes wächst der Bereich, in dem seine Sicherheit auch indirekt berührt werden kann." (6) Viele Jahre später, mit der Zunahme der
internationalen
Spannungen und dem Beginn der Aufteilung der Welt in zwei große Blöcke, fängt die Sicherheitspolitik
an, sich aufzuspalten und
eine doppelte Bedeutung anzunehmen. Im Rahmen der Vereinten Nationen bildet sich ein Modell der kollektiven
Sicherheit,
das die Gesamtheit aller Nationen
beinhaltet. Ihrerseits arbeiten die Vereinigten Staaten mit ihren Alliierten
ein
"System
der gegenseitigen Sicherheit" aus,
das die Form einer Opposition gegenüber der Politik der UdSSR annimmt.^ Wenn es auch gerade diese letzte Ausrichtung der Sicherheitspolitik als
ist, die uns
sich auf
interessiert,
insofern
ihrer Grundlage die lateinamerikanische
insbesondere
DIS ent-
wickelt, ist es dennoch aus zwei Gründen angebracht, ein letztes Mal auf das Modell der kollektiven Sicherheit
zurückzukom-
men. Etstens^ weil es unter keinen Umständen möglich ist, beide Systeme
als
selbständige
Teile
zu betrachten:
Wie
es die
Ge-
schichte zeigt, bedingen sich beide gegenseitig, und die Veränderungen am einen sind mittelbar oder unmittelbar auch am anderen abzulesen. Der zweite Grund steht unmittelbar im Zusammenhang mit der hier vorgelegten Untersuchung, denn das Denken Luhmanns erweist sich als indirekt an diese Problematik gebunden. werden
In der
von
einige
interessante
uns
kollektiven Sicherheit
schon
zitierten
Arbeit
Betrachtungen
im Zusammenhang
über
mit
F.X.
Kaufmanns
das Modell
der
den konkreten Cha-
rakteristiken des internationalen Systems angestellt. Kaufmann der
meint,
Schwierigkeiten,
zwingende und wirksame 84
daß
eine
angesichts Rechtsordnung
Weise
der
Unmöglichkeit
einzurichten,
das Verhalten der Staaten
oder
die auf regeln
würde, das Problem der Sicherheit verlässigkeitskontrolle"
sich
in ein Problem der "Zu-
und der Verringerung der
Unsicherheit
verwandelt. "Dieses System ist nicht notwendigerweise ein Schutzsystem. Seine primäre Funktion ist es vielmehr, politische Verhaltensorientierung zu ermöglichen und die Unsicherheit der Orientierung zu reduzieren." (8) Um
diese
"Reduzierung"
direkt auf Luhmanns Werk die eine Vorbedingung
zu
erklären, g
"Vertrauen",
der Sicherheit
verweist
Kaufmann
in welchem die Ordnung, zu sein scheint, nur mit-
tels der "Reduktion der Komplexität der Welt"^" möglich
ist.
Wenn wir die "Reduktion der Komplexität" bei Luhmann behandeln
werden,
werden
welche Beziehungen bilität
des
wir
noch
Gelegenheit
zwischen diesem
Systems
und
den
haben,
zu
sehen,
letzteren Problem, der Sta-
suggestiven
Ähnlichkeiten
dieses
Begriffs mit den in der DIS enthaltenen Forderungen besteht. Wenden
wir
uns jetzt dem
zu, was man System der
gegen-
seitigen Sicherheit genannt hat. Wie schon vorausgeschickt wurde,
setzt
begriffs
dieses
System
voraus.
Diese
Blocks", der uns hier
eine
Relativierung
bezieht
sich
im
des
Souveränitäts-
Falle des
"westlichen
interessiert, auf eine Ausweitung
seiner
Bedeutung im Kontext der vorherrschenden Macht (die Vereinigten Staaten) und auf eine Verringerung oder "Delegierung" derselben im Kontext
"untergeordneter Alliierter", wie es bei Lateiname-
rika der Fall Diese
ist. Auffassung
ist mit
einer
in diesem Kontext unge-
wöhnlichen
Klarheit vom brasilianischen Außenminister Cunha da
Leitao
Jahre
im
1965
formuliert
worden, weshalb
wir
sie hier
ganz zitieren möchten: "Die orthodoxe und strenge Auffassung der nationalen Souveränität wurde in einer Zeit formuliert, in der die Nationen es noch nicht als ihre Pflicht ansahen, zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu kooperieren... Die geographischen Grenzen zwischen den Ländern Amerikas sind antiquiert, der Augenblick verlangt die Opferung eines teils der nationalen Souveränität, die Interdependenz wird die Unabhängigkeit ablösen müssen." (11) Diese
Ausweitung
des
Souveränitätsbegriffs
im
Kontext
85
der Vereinigten Staaten stellt eine relative Expansion dar. Damit wird angedeutet, daß diese Politik äußerst wichtige Auswirkungen
im eigenen, nationalen
Kontext
hat, die
sich
in
einer
beträchtlichen Reduzierung der Volkssouveränität ausdrückt. Die äußere Sicherheit erscheint immer enger an die Annahme der Existenz eines inneren Feindes geknüpft, der eine Sicherheitspolitik verlangt,
die dahin
geht, diesen Feind zu vernichten oder
zu neutralisieren. Es entsteht auf diese Weise in den Vereinigten Staaten der vierziger Jahre ein juristisches Arsenal Act
von
Control
1940, Act
Internal
von
1954
Security
Act
von
1950,
(Smith
Communist
usw), dessen konkrete Anwendung
von der
willkürlichen Absicht gekennzeichnet war, die innere Sicherheit in ihrer wie angedeutet neu definierten Form zu bewahren. Wir sind nun bereits in der Lage, einige der wichtigsten Komponenten dieser neuen Sicherheitspolitik zu erkennen: a) die
Prämisse
der
Teilung
der
Welt
in
zwei
unversöhnliche
Blöcke (permanente Präsenz des äußeren Feindes); b) die Existenz
eines
inneren Feindes, der nie klar
definiert
wird, obwohl er von der abstrakten Gefahr des internationalen Kommunismus verkörpert wird; c) die
Unbestimmtheit
der
Inhalte,
in denen
sich die
obenge-
nannten Vorbedingungen äußern. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden die Kontakte zwischen der nordamerikanischen Armee
(dem wichtigsten Ver-
treter dieser Doktrin in den Vereinigten Staaten) und den verschiedenen Armeen in Lateinamerika enger und als Folgeerscheinung
institutionalisiert.
Auf diese Weise werden, mittels der
Truppenübungen und der politischen amerikanischen durch
das
Militärs
Medium
Indoktrinierung des
auf nordamerikanischen
bedingten
Abwandlungen,
die
latein-
Basen 1 ^ mit den Ideen
über die
oben genannte Sicherheitspolitik eingeführt. Brasilien ist ohne Zweifel
das
Intensität
erste dem
Land
Lateinamerikas, das sich mit
Studium
und
der
späteren
Entwicklung
größerer der DIS
widmet. Die 1949 (nur drei Jahre nach dem National War College) gegründete Brasilianische Militärakademie wird zum größten Zentrum sowohl dankenguts.'^
86
der Hervorbringung (Gerade
wie
in Brasilien
der Verbreitung dieses Gefand
1964 ein Putsch durch
das
Militär
statt,
Militärdiktaturen
der bestrebt
in
dem
Sinne
war,
sich von
vorhergehenden
zu unterscheiden,
als
er sich
wie ein Ausnahmezustand präsentierte, der Anlaß zu "neuen" Formen von Autoritarismus
war, die
wir
in den
nächsten
Kapiteln
untersuchen werden). J.
Comblin
gibt
in
seinem
oben
genannten
Aufsatz eine
Zusammenfassung der Postulate der DIS: "Die Doktrin der inneren Sicherheit präsentiert sich als eine Synthese aller Geisteswissenschaften, eine dynamische Synthese, die fähig ist, ein vollständiges Aktionsprogramm für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu liefern: eine Synthese von Politik, Wirtschaft, Sozialwissenschaften, Militärstrategie. Sie will die definitiven Kriterien jedes Handlungsbereiches bestimmen, von der wirtschaftlichen Entwicklung bis zur Erziehung oder der Religion. In neuerer Zeit hatte lediglich der Marxismus einen ähnlichen Anspruch, eine totale Wissenschaft zu sein, und die Gesellschaft total führen zu wollen." (14) Für eine Vertiefung der Analyse dieser Doktrin müssen in dieser
Synthese
insbesondere
die
folgenden
zwei
wichtigsten
Elemente betrachtet werden: der totalisierende Anspruch und die Unbestimmtheit
ihrer
und Neuinterpretation angedeutet
Inhalte.
Dies
setzt
eine
Rekonstruktion
ihrer Hauptprobleme voraus. Wie wir schon
haben, wird
diese
Rekonstruktion
außer
ihrer wich-
tigsten theoretischen Formulierungen auch die normativen tutionellen
Einrichtungen
deren praktischer Ausdruck
mit
in
Betracht
ziehen
insti-
müssen, die
sind.^
4.1 Nationale und internationale Politik im Kontext der DIS Trotz
der
hochgradigen
DIS ist es möglich,
Unbestimmtheit
der
Inhalte der
in ihr eine Unterteilung der Funktionen zu
erstellen: a) diejenigen, die sich auf die internationale Politik beziehen und b ) diejenigen, die sich auf die Innenpolitik oder die nationale Politik beziehen.
87
Unter den zahlreichen Widersprüchen, die die Grundsätze der DIS kennzeichnen, kommt denjenigen, die sich auf die internationale Politik beziehen, eine Vorrangstellung zu. Alle Autoren, die oder
sich mit der DIS beschäftigen
Kritiker
gierte
Rolle
derselben
- sind
hervorzuheben,
- gleich ob Verfechter
sich darin einig, die privile-
die
in ihr die Geopolitik und die
Geostrategie spielen. Die bloße Nennung dieser Disziplinen verweist
schon auf Ratzels Werk,1*' das als ideologische und poli-
tische Stütze der deutschen territorialen Expansion während des Nazi-Regimes diente. Es steht außer Zweifel, daß Spuren dieses theoretischen
Einflusses
formulierung
unterzogen,
sich, wenn auch einer dreifachen Neuin
den
heutigen
Formulierungen der
lateinamerikanischen DIS wiederfinden. Die
DIS
ist
in
Lateinamerika
das
Resultat
sprüchlichen Synthese dreier Elemente, welche die
der
wider-
traditionel-
len Vorstellungen von "Nationaler Sicherheit", die im 19. Jahrhundert
erarbeitet
wurden,
abwandeln.'^
Diese
drei
Elemente,
die nacheinander Gestalt annehmen, sind folgende: a) der
Gedanke
von
der
Notwendigkeit
Schutzes des nationalen
der
Expansion
und
des
Territoriums;
b) die Teilung der Welt in Blöcke als Ergebnis des kalten Krieges ; c) die
Interdependenz-
und
Delegationspolitik
nationalen Souveränität - als spezifisch
eines
Teils der
lateinamerikanische
Komponente. Wenn wir besonderen Wert auf die Analyse des Verhältnisses zwischen nationaler und
internationaler
Politik
in der DIS
legen, so deshalb, weil man hier den Schlüssel zur Entzifferung ihres
konkreten
Ideen, die
sich
politischen auf
die
Wertes
findet.
internationale
zugleich die Quelle und der
Die
Politik
Funktion der
beziehen, sind
ideologische Deckmantel der Anwen-
dung der Postulate der DIS, verstanden als globales politisches Programm
für die gesamte nationale Gesellschaft.
Zu einem bes-
seren Verständnis dieser Unterteilung von Funktionen ler
und
zwischen sie
88
oft
internationaler) zwei
Begriffen
beliebig
ist zu
verwandt
es
von
Nutzen,
berücksichtigen,
werden, zu Quellen
den die
(nationa-
Unterschied dadurch, daß
schwerer
Mißver-
ständnisse wurden: die Nationale Sicherheit und die DIS. M.
Garreton
meint
in
einem
interessanten
Aufsatz, in
welchem er versucht, die Rolle zu bestimmen, die der DIS in den neuen
institutionellen
Formen, welche
der
autoritäre
Staat im
cono sur annimmt, zukommt: "Die sein, punkt schen zip?
'innere Sicherheit' scheint das Prinzip zu auf das sich die Militärregime zum Zeitihres Bruchs mit dem herrschenden politiSystem berufen. Was bedeutet dieses Prin-
Der Begriff innere Sicherheit meint die Probleme der Aufrechterhaltung und des Fortbestandes der Souveränität, die sich jedem nationalen Staat stellen. Er kann nicht mit den Konzeptualisie rungen verwechselt werden, die sich um diese Probleme bilden. Nachdem diese Konzeptualisierungen sich in systematische Gebilde mit normativem Charakter verwandelt haben, mit einem Merkmal versehen wurden, das sie offiziell werden läßt und sie in einen Gegenstand der Sozialisierung umgewandelt wurden, befinden wir uns in Gegenwart von Doktrinen der inneren Sicherheit. Wenn auch die Doktrinen der inneren Sicherheit weder mit einer militärischen Denkungsart, noch mit irgend einem anderen, rein militärischen Gegenstand verwechselt werden dürfen, wird der Typus der Auffassung von innerer Sicherheit, auf den sich die Militärregime berufen, mit diesen beiden Aspekten verwechselt und auf eine besondere Konzeptualisierung bezogen, die bekannt ist als die "Doktrin der inneren Sicherheit" oder die "moderne" Auffassung der inneren Sicherheit." (18) Die
vorhergehende
Aussage
erlaubt
es
zu verstehen, in
welcher Weise die Grundsätze der DIS den traditionellen Begriff der Nationalen Sicherheit neu formulieren. Wie
schon
gesagt
stellen
die Bemerkungen
zur
interna-
tionalen Politik die Grundlage dieser Umwandlungen dar. Ausgehend vom Antagonismus zwischen den beiden Weltblökken und der im westlichen Teil
Lokalisierung Block
symbolische
hegemonischen
Funktion
Macht
der
nimmt die an:
lateinamerikanischen
Diktaturen
internationale Politik eine zum Indem man die Vorherrschaft der
(Vereinigte
Staaten)
anerkennt,
wird ihre
konkrete Ausübung auf das, was die grundsätzlicheren Fragen an19 geht, delegiert. Jedoch über diese symbolische Funktion hin-
89
aus ist die internationale Politik, als Produkt der Teilung der Welt
betrachtet,
schen ren.
dasjenige
Konsequenzen Unter
der
DIS
Nation und wird tation
verschmilzt
Auffassung
der
Staat
zu
legitimie-
zwangsweise
mit der
als aktives Subjekt dieser weltweiten Konfron-
angesehen,
in der Praxis
Element, das versucht, die praktibesonderen
dieser
in
(und
der
die
in der
Teilinteressen
Theorie) eine
der
Gesellschaft
untergeordnete
Rolle
spielen. Daher muß die DIS als ein systematischer Versuch angesehen werden, die Legitimität neuer Herrschaftsformen zu erarbei20 ten, die mit der Praxis und der Theorie der grundlegenden Forderungen des politischen Liberalismus brechen. Wir werden nun versuchen, schematisch und
im Hinblick
Luhmanns,
die
Stabilität,
auf
Neudefinition
Demokratie,
und Rechtsstaat
in einer Synthese
eine vergleichende Analyse der Theorie N. darzustellen,
Macht,
welche
Begriffe wie
Konsens, politische
Opposition
erfahren.
4.2 Stabilität Der
Begriff
Stabilität
stellt
im Kontext
der
DIS mehr
als ein zu verfolgendes Ziel, eher eine nicht diskutierte, aber vor
allem
nicht
zu
scheint wird,
eine
im Hinblick
diskutierende als
auf
das
ein Dogma, das von der
welche
zuvor
Funktionieren
Voraussetzung
jeden
dar.
Die
des
Idee der Nation
bevölkerungsmäßigen
wurde. Angesichts des Nichtvorhandenseins
Systems
Stabilität erverkörpert
Inhalts
beraubt
einer effektiven so-
zialen Homogenität, dem Grundrequisit der wirklichen
Stabilität
eines jeden politischen Programms, verwandelt sie sich in einen Wunsch oder Stabilität
in einen Befehl. Diese Unbestimmtheit des Begriffs wird
leichter
sein Gegenteil, die Die den
sehr
bezieht
man
sich auf
Instabilität.
Instabilität weiten
verständlich, bezieht
Begriff
der
sich
ihrerseits
inneren
wiederum auf
Sicherheit,
jeder Umstand, der sie berührt, zu einem Stör- und
für
den
Entstabili-
sierungsfaktor wird. Alles 90
läuft
wie
in einem
Wechselspiel
von
Spiegelungs-
effekten
ab,
wo
der aber
zugleich auch der Ankunftspunkt der eigenen Existenz
des Individuums
die
innere Sicherheit
der Ausgangspunkt ist,
ist, dessen elementarste Rechte dieser neufor-
mulierten Auffassung von Sicherheit untergeordnet werden. Die die Praxis
Situation,
die wir hier beschreiben,
transzendiert
(totale physische Unsicherheit der Individuen unter
DIS-Regimen) und die politische Theorie
(Überlegungen der Ver-
fechter der DIS, die solche Auffassungen stützen), um sich auch auf der Ebene der juristischen Diskussion auszubreiten. So zum Beispiel
in Uruguay, wo das Verfassungsdekret
Nr. 5 von 1976,
das die Menschenrechte behandelt, festlegt: "Daß diese Normen und Verfahren (über die Menschenrechte) im wesentlichen die innere Sicherheit zum Ziel haben, die als Voraussetzung eines Rechtsstaates angesehen wird, in dem die lebendigen Kräfte der Nation sich entfalten können, frei vom Druck anderer Individuen oder Vereinigungen, die mit der klaren Absicht gegründet wurden, die politische Organisation zu zerstören." (Art. 3). Jeder Bürger hat ein Anrecht auf die innere Sicherheit, worunter man im allgemeinen einen Gesamtschutz durch den Staat versteht, der ihm den Genuß seiner Menschenrechte und die freie Ausübung seiner individuellen Freiheiten erlaubt. Folglich muß die Verteidigung der Menschenrechte und der individuellen Rechte, die den Menschen als Einheit betrachten, nach der inneren Sicherheit geregelt werden, die ihn kollektiv innerhalb einer politischen Organisation und einer sozialen Ordnung betrachten." (21) Diese negative Juridifizierung der Grundrechte des Individuums ist eine Folge des Mangels an Elementen materieller Le22
gitimität, gen
die es erlaubten, irgendeinen Typus von Vorhersa-
in bezug
auf das Verhalten
der bürgerlichen
Gesellschaft
zu formulieren. Das
Problem
des
Systems
ist
in diesem Falle nicht die
Herrschaft über die Instabilität, wie es im Zentralkapitalismus der Fall ist, sondern die Negierung derselben, wobei nicht nur diejenigen bestraft werden, die sie hervorbringen, sondern auch noch diejenigen, die sich erdreisten, ihre Existenz anzudeuten. In Uruguay das
die
Auflösung
schreibt des
das
Senats
Dekret
464 vom
27. Juni
1973,
und der Abgeordnetenkammer ver-
kündet, folgendes vor: 91
"Es wird die Verbreitung jedweder Art von Information, Kommentar oder Aufnahme durch die mündliche wie auch durch die schriftliche Presse oder durch das Fernsehen untersagt, die sich direkt oder indirekt auf die Bestimmungen des vorliegenden Dekrets beziehen und in denen die Exekutive diktatorischer Absichten beschuldigt wird oder welche die Ruhe und die öffentliche Ordnung stören könnten."
4.3 Demokratie Der Begriff in
der
Weise,
daß
Demokratie sie
eine
existiert
in der DIS, wenn auch
Utopie darstellt.
Ihre
effektive
Ausübung ist für den Zeitpunkt der Beendigung der "zwei Kriege" vorgesehen:
gegen den
äußeren und gegen den inneren Feind. In
Wahrheit gelingt es der Demokratie nicht einmal, den Rang einer Utopie
zu erreichen.
Es
ist, wegen der besonderen
Charakteri-
stiken, die dieser "doppelte Krieg" annimmt, nicht klar zu sehen, wie die Opferung der Freiheit eines Tages zur Wiederherstellung der Freiheit führen kann, insbesondere dann, wenn der 23 Krieg als ein permanenter und ein totaler aufgefaßt wird. Die Tatsache, daß Termini wie Demokratie und Rechtsstaat nominell gesehen unter solchen Regimen weiterbestehen, es,
die
Behauptung
aufzustellen,
daß die DIS nicht
ihre Legitimität nur auf formal vom Liberalismus
erlaubt
versucht,
unterschiedene
Werte zu gründen. Die Aufgabe besteht für ihre Theoretiker dar in, ohne
anderen Ausgangspunkt
als die faktischen
Gegebenhei-
ten, jeden der Begriffe, auf denen die politischen Systeme der liberalen
Demokratie
begründet
sind,
neu
zu
definieren. G.
O'Donnell sieht in einem Aufsatz, in dem der mögliche zukünftige Verlauf
der Dinge
in den autoritären
Staaten des cono sur
analysiert wird, als einzige Möglichkeit, diese men zumindest teilweise zu legitimieren, die
Herrschaftsfor-
Wiederherstellung
einer neu definierten Demokratie: "Aber welche Art von Demokratie? Es müßte eine sein, der das Wunder gelänge, all dies zugleich zu sein und die darüber hinaus gleichzeitig den Ausschluß des volkstümlichen Sektors ("sector populär") beibehielte. Insbesondere müßte es eine sein, die den Verzicht auf Erörterungen mit Termini wie pueblo und Klasse unterstützte. Ein 92
solcher Verzicht setzt voraus, daß strikte Kontrollen der Organisationen und der politischen Bewegungen des volkstümlichen Sektors (sector populär) beibehalten werden, ebenso wie Kontrollen über die Formen erlaubter Rede und Rhetorik seitens derer, die die institutionellen Positionen besetzt halten, welche die Demokratie wieder öffnen würde. Die Suche nach diesem Stein der Weisen drückt sich in den verschiedenen schmükkenden Beiwörtern aus, die üblicherweise den Terminus 'Demokratie' begleiten." (24)
4.4 Macht Den Postulaten der DIS haftet eine instrumental istische Auffassung
der Macht
Sicherheit,
die
die
an. Auch
in diesem Fall ist es die innere
Umrisse
der
zu
erreichenden
"Nationalen
Ziele" bestimmt, die wie gewöhnlich einen Termin für ihre Verwirklichung vermissen tionale
Macht,
lassen. Hierfür verfügt man über die Na-
welche
die Synthese
cher verfügbarer Möglichkeiten
halb der bürgerlichen Gesellschaft Für "Mittel
J.A.
jeglicher
lichen, welche mischer,
Gurgel
"Unterordnung"
A. der
sämtli-
im Staat als auch inner-
ist.
beinhaltet
die
Nationale
Macht
Art, von den natürlichen bis zu den mensch-
fähig sind, jene anzuwenden:
alle Mittel ökono-
sozialer, politischer, psychologischer
scher A r t . " heit
Amaral
und
sowohl
oder
militäri-
25
Pinochet Mittel,
sieht die
die
die
Nationale Macht
Nation
besitzt,
"als die
Gesamt-
entwickelt
und zur "7 fi
Verwirklichung der nationalen Ziele mobilisieren kann". Es letzte
erweist
sich
Behauptung,
Theoretiker
der
mit
DIS
als
interessant
der
im
zu
übrigen
übereinstimmen,
zeigen,
zwei
als
wie
diese
"hervorragende"
Programm
oder
als
Wunsch übrig bleibt, ohne daß es ihr gelänge, sich in die Wirklichkeit umzusetzen. Ihre Verwirklichung würde die Existenz eines
Totalitarismus
gerlichen cono sur ten
voraussetzen
Gesellschaft
(reelle
Absorbierung
den
Staat),
herrschende Autoritarismus
zu einer
Trennung
zwischen
durch Staat
und
wogegen
der bürder
im
immer mehr beton-
bürgerlicher
Gesellschaft
93
Schließlich
und
als
ein
welches das komparatistische
Element,
im
Hinblick
auf
Ziel unserer Analyse ganz beson-
ders berücksichtigt werden soll, scheint der Begriff der Macht 28
von
den
kann
Begriffen
man
Macht,
sagen,
die
der
Herrschaft daß
DIS
die
und Klasse
anhaftet,
die
aber
Fähigkeit,
den
Macht
annähert, für die sich Macht
Entscheidungen
funktionalistischen
versteht,
als
"die
Daher
Auffassung der
sich der dezisionistischen Per29
spektive von Laswell und Kaplan auf
abstrahiert.
instrumentalistische
zu
treffen,
Vorstellungen
Fähigkeit,
reduziert oder
T.
gewisse
Parsons,
der
Funktionen
zum
auszuführen". 3 "
Nutzen des gesamten sozialen Systems
4. S Konsens Daß die Regime, in denen die Ansichten der DIS herrschen, des Konsenses ermangeln, ist nichts Neues. Gramscis Auffassung von
Hegemonie
als
dem
32
Resultat
sich nicht nachweisen,
von
Zwang und Konsens 3 1
läßt
da der Konsens seitens der unteren so-
zialen Gruppen fehlt. Der
Terminus
Konsens
erscheint
weder
in den
Theoreti-
schen Elaboraten der DIS noch in ihren juristischen Äußerungen. Das bedeutet jedoch nicht die einfache Abschaffung des Konsenses, sondern vielmehr seine radikale Neudefinition. Dies, weil der Staat nicht
als der
"Ort" erscheint,
wo die
Widersprüche
der bürgerlichen Gesellschaft diskutiert und gelöst werden können, sondern als das Instrument, das die Nation im Hinblick auf die Verwirklichung der Ziele, die die Aufrechterhaltung der Sicherheit fordert, verkörpert. Dagegen wird der Dissens wie ein Angriff des inneren oder äußeren Feindes auf die höchsten Ziele der Nation betrachtet. Diese besondere senses die
hat
Praxis
sich
anläßlich
umgesetzt,
bei
Typus von Volksbefragungen, zits,
zu
verwirklichen.
Streitkräfte
eine
Politik
der denen
Interpretation des Kon-
seltenen versucht
Gelegenheiten wurde,
in
irgendeinen
im allgemeinen mittels des Plebis-
Bei der
diesen
Gelegenheiten
systematischen
haben
die
Einschüchterung
entwickelt, um das gewünschte Resultat zu sichern. Darüber hinaus haben sie, als letztes Mittel, erklärt, daß eine Entschei94
dung dagegen in keinster Weise ihre ursprünglichen Pläne berühren w ü r d e . 3 3
In diesem
Fall
- und nur in diesem - scheint es
nicht den geringsten Unterschied zu jenen Situationen zu geben, die Autoren wie C.J. Friedrich und Z.K. Brzezinski als typisch für totalitäre Staaten definieren, welche sich die ausschließliche Befugnis vorbehalten, jedweden Ausdruck von Dissens anzunehmen oder zurückzuweisen. 3 ^ Nach Autoren wie G. O'Donnell gibt es unter den im gegenwärtigen
lateinamerikanischen
Bedingungen
zwei
Macht
Formen
befindlichen
des
Gruppen
Autoritarismus
Konsenses, erhoffen
die
herrschenden
sich
können.
die
an
Einerseits
"stillschweigender" Konsens, der sich in der
der ein
Entpolitisierung,
der Apathie und der Flucht ins Private äußert, und andererseits die Angst. Die Angst der Gruppen der Opposition, die sehr wohl die
Ebenen
fähig
physischer
ist; Angst die
auch
Bedrängung seitens
deren
die
Verfassung
auf
dieser die
Weise
stützt
haben und sich heute zwar nicht mehr mit ihm aber die Konsequenzen
dieses
Staat
eine
andere
zieren können,
ursprüngliche
kennen,
derer,
oder
Staates geidentifi-
einer möglichen
Reaktion
der Volksmassen fürchten.
4.6 Politische Opposition Der Begriff der politischen Opposition gehört nicht zum theoretischen Arsenal der DIS. Bestenfalls bleibt dieser reserviert,
um
auf
die
Widersprüche
innerhalb
des
herrschenden
Blocks hinzuweisen, insbesondere innerhalb der Streitkräfte und speziell
in der Etappe,
die der Institutionalisierung
solcher
Regime f o l g t . 3 6 Der Platz, den die politische Opposition in den parlamentarischen Demokratien besitzt, ist in diesen Formen des Autoritarismus
durch
den
Begriff
des
Feindes 3
Weise wie der Kampf gegen die Subversion ^ die
Grundforderung
der
nationalen
In der
(der innere Feind)
Sicherheit
die politische Opposition zum Subjekt eines
besetzt.
definiert, wird
Kriminalisierungs-
prozesses . Bezüglich des Feindbegriffs ist es angebracht, nicht nur seine
Unbestimmtheit
festzustellen,
sondern
auch
den
überdi-
95
mensionalen Grad Carl
38
tik
Schmitts
seiner Ausdehnung.
werden
in bezug
Selbst
auf die
die
Formulierungen
Freund-Feind-Problema-
noch durch die Auffassung der DIS übertroffen. Die
Unterscheidung
zwischen
öffentlichem
und
privatem
Feind wird ersetzt durch das Kriterium des totalen und 3ständi9 gen Feindes, das im Hintergrund der DIS vorhanden ist. Mehr noch,
obwohl
es
diesen
Regimen
zu
keinem
Zeitpunkt
gelungen
ist, den Grad an Stabilität zu erreichen, den einige totalitäre Regime erreichten, haben sie mit diesen die Tatsache gemeinsam, daß durch die Stützung der sich an der Macht befindlichen Gruppe die Aufgabe
des Kampfes gegen den inneren Feind nicht ver40
ringert, sondern eher intensiviert wird. Im nachdem
cono
die
sur
verwandeln
oppositionellen
sich
Kräfte
die
im Volk
Sicherheitsdienste, zerstört
sind, zu
Kontrollelementen der eigenen Streitkräfte. Abschließend griff
der
sei
noch
darauf
politischen Opposition
hingewiesen,
daß
der Be-
ja die Negation
des
Staates
implizierte, der als ein Werkzeug zur Beilegung des Antagonismus zwischen den zwei Weltblöcken konzipiert wurde.
4.7 Rechtsstaat und/oder Ausnahmestaat Die historische Problematik, die mit dem Terminus Rechtsstaat verbunden ist, ist zu weitläufig, als daß man hier eine Zusammenfassung derselben anbieten könnte. Zum Ausgleich für diese Unterlassung verweisen wir auf eines der vollständigsten und interessantesten Werke zu diesem Thema, das von E. 41 Diaz stammt. Auf
eine
Grundelemente,
kurze die
Formel
die
gebracht kann man sagen, daß die
Idee
des
Rechtsstaates
innerhalb des
liberalen Denkens bilden, im wesentlichen zwei sind: a) die Garantie der individuellen Freiheiten und b) das Prinzip der Gewaltenteilung. Nach
dem
was
wir
schon
festgestellt
haben,
würde
es naiv anmuten, wollte man im Zusammenhang mit der DIS und der politischen
Praxis,
die
von
beiden Komponenten untersuchen. 96
ihr
ausgeht,
Unser
die
Interesse
erstere gilt
der
hingegen
der zweiten. Wir werden versuchen, die Gründe hierfür darzulegen: Die
Regime des cono sur geben vor, sich 43 in Rechtsstaaten zu verwandeln, und sie sind es schon, wendet man
im
diktatorischen
konkreten
Poulantzas
Fall
an, der
die
sich
Interpretation
von
Autoren
wie N.
gewiß nicht durch seine Sympathie für
derlei Regime hervortut. Poulantzas schreibt hierzu: "Denn das Gesetz und die Regel waren immer anwesend bei der Konstituierung der Macht: Der asiatische oder despotische Staat, der Sklavenhalterstaat (Rom, Athen) und der feudale Staat waren immer auf Recht und Gesetz gegründet - vom babylonischen oder assyrischen Recht zum griechischen oder römischen Recht und zu den mittelalterlichen juristischen Formen. Jede Staatsform, selbst die blutrünstigste, hat sich immer als juristische Organisation herausgebildet, sich in Recht dargestellt und in juristischen Formen funktioniert. Wie man nur zu gut weiß, war das auch bei Stalin und seiner Verfassung von 1937 der Fall, die für 'die demokratitischste der Welt' gehalten wurde. Nichts ist also falscher, als einen Gegensatz zwischen der Willkür, den Mißbräuchen und dem Wohwollen des Fürsten und der Herrschaft des Gesetzes anzunehmen." (44) Da des
cono
sich
jedoch
sur
die
keiner Weise turen
andererseits
Garantie
der
in den autoritären individuellen
Regimen
Freiheiten
in
abzeichnet, muß man sich angesichts dieser Dikta-
fragen,
um
welche Art von Rechtsstaat
es sich wohl han-
delt. Zunächst schließt die faktische und normative der
Garantie
individueller
Freiheiten
könne sich um den Rechtsstaat Theorie
konzipiert
müßte
man
einen
Staatstypus
die
wurde.
die
Inexistenz
Möglichkeit
Verfolgte
man
diesen
Gedankengang,
zu dem Schluß gelangen, daß das Ziel darin
Terminologie
zu des
aus, es
handeln wie er von der liberalen
institutionalisieren, Liberalismus
bewußt
in
besteht,
welchem
selbst
ausgeschlossen
ist:
einen Totalitären Staat. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es bestehen in den lateinamerikanischen Diktaturen weder die
objektiven
sicht, das
einen
strukturellen so
gearteten
wir uns gestellt
sehen,
Faktoren
Staat
noch
die
aufzubauen.
subjektive Ab-
Das
Problem, vor
ist sehr komplex und wurde
in der
97
gegenwärtigen Politik- und Rechtswissenschaft relativ wenig untersucht.
Um
es
besser
einkreisen
zu
können,
müssen
wir
kurz auf die Charakteristiken der Krise und des Staates eingehen, der aus ihr im Kontext dessen, was wir den "neuen Autoritarismus"
lateinamerikanischer
Prägung
nennen
werden,
hervor-
geht . In
Lateinamerika
Hegemoniekrise.Die
ist
der
Unterordnung
Staat
der
Ausdruck
der regionalen
Klassen unter die internationalen Machtzentren macht pitalistischen
einen ka-
Akkumulationsprozeß unmöglich, der sich auf na-
tionalem Territorium higkeit,
einer
herrschenden
sich
auf
ergänzen würde. Von daher
die
minimalsten
rührt die Unfä-
materiellen
Grundlagen der
Legitimierung für die Organisation der Hegemonie der herrschenden Klassen
innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft
können. Diese Situation
stützen zu
ist das Ergebnis einer strukturell ab-
hängigen Entwicklung. "Der Obergangsstaat von der kolonialen Abhängigkeit zur politischen Unabhängigkeit muß ein Ausnahmestaat sein... Wenn sich auch die neuen Regierenden bemühen, so etwas wie einen normalen Staat aufzubauen, so endet ihr Unternehmen dennoch in folgendem Umstand: Die innere Instabilität der Struktur wegen dem äußeren wirtschaftlichen Druck zerstört bald den normalen Staat." (46) An
die Stelle
nahmestaat, einem dem
den
ständigen
amorphen
besagten
werden
und
Wir
Problematik
zwingt,
uns
Carl
lassen.
Wir
widersprüchlichen
Ausnahmestaates.
Aussagen
normalen
Staates tritt ein Aus-
die beschriebenen Abhängigkeitsverhältnisse zu
müssen
Schmitts
viel zum
schon
befinden
Begriff jetzt
weiter
uns
eines
einräumen,
so
vor
permanenten daß
diese
zu
gehen als selbst die 47 Ausnahmestaat. Es geht nämlich
nicht nur darum, mit der adäquaten Regelung zu rechnen, um einem außergewöhnlichen heit aus
des Staates zwei
Grund, und
Gründen
der
einem
das
Umstand, der die Sicherheit und die Ein-
bedroht,
standzuhalten.
Diese
Bedrohung wird
zu einer permanenten: wegen einem
Ergebnis
subjektiven,
der wirtschaftlichen dem
Ergebnis
der
objektiven
Abhängigkeit ist Anwesenheit
und
der Notwendigkeit des Feindes (des äußeren und des inneren) als Grundvoraussetzung DIS. 98
zur
Führung
der
Gesellschaft
seitens der
Die Aufgabe offen
autoritären
besteht
in der
Institutionalisierung
Herrschaftsverhältnisses,
das
sich
eines
trotzdem
mit der Terminologie und einigen Formalitäten der liberalen politischen Systeme schmücken muß, indem die beiden Programme, 48 Gruppe
die
sich
streitig
die
Hegemonie
innerhalb
machen, miteinander
ideologischen
der
kompatibel
herrschenden gemacht
wer-
den . zu k ö n n e n .
Wir glauben behaupten
daß innerhalb des Kon-
textes, den wir beschreiben, der Terminus Rechtsstaat einen Euphemismus zur
darstellt,
der
die
Institutionalisierung
Entwicklung
eines
möglicher
permanenten
Techniken
Ausnahmestaates
verdeckt. Es muß betont werden, daß es sich in diesem Falle um eine defensive Technik als Ergebnis der Schwäche des Staates 49 handelt. Der cono
sur
permanente
Ausnahmestaat
im
lateinamerikanischen
ist eine vollendete Tatsache, bei der es darum
geht,
ihr einen juristischen Status zu verschaffen. In diesem Sinne unterscheidet sich die Situation radikal von
dem, was
sich
im
fortgeschrittenen
Kapitalismus
ereignet.
Dort erreicht unserer Meinung nach die Krise nicht jene Stufe, die sie an der Peripherie nen permanenten
erreicht, weswegen die Versuche, ei-
Ausnahmestaat
aufzubauen,
wie
wir noch
anläß-
lich der Theorie N. Luhmanns sehen werden, eine offensive Technik darstellen, die die Beherrschung stattet, welche noch um etliches
einer Krisensituation ge-
intensiver
ist als die gegen-
wärtige . Wenn befassen,
wir
so
uns
hier
deswegen,
mit
weil
dem ihre
Problem
der
Zerstörung
Gewaltenteilung oder
Veränderung
ein Grundbestandteil dessen ist, was wir Techniken zur
Institu-
tionalisierung eines permanenten Ausnahmestaates genannt haben. Die konkrete Modalität, die diese Techniken annehmen, ist, wie wir
im
folgenden
theoretisches
zu
Gebilde
zeigen
versuchen
bestimmt,
werden,
sondern
hängt
durch
keinerlei
von
bestimmten
sozio-historischen Gegebenheiten ab. Im Falle Uruguays, den wir hier untersuchen, äußert sich die destruktive Veränderung des Prinzips der Gewaltenteilung der Absicht,
die
Judikative
in ein explizit politisches
umzuwandeln, das von der Exekutive digkeit
einer
direkten
und
abhängig
genauen
in
Organ
ist. Diese Notwen-
Kontrolle
dieses
Organs 99
erklärt keit
sich, nach unserer
der
herrschenden
Streitkräfte
(die
Interpretation,
Gruppen,
DIS)
die
innerhalb
durch die Unfähig-
offizielle
der
Gruppe
Ideologie der
der
"Männer des
Rechts" durchzusetzen. Während
des nationalsozialistischen Regimes nahm besagte
Technik z.B. eine völlig andere Modalität an. In diesem Regime ermöglichte
der
Umstand,
daß
lang,
der
"Männer
des
sich
es der offiziellen Rechts"
zu
Ideologie ge-
bemächtigen,
daß
die
Macht der Richter auf Kosten des Parlaments anwuchs. "Es ist unmöglich, die Schlußfolgerung zu umgehen, daß die politische Justiz das schwärzeste Kapitel im Leben der deutschen Republik darstellt. Die Reaktion machte mit stetig zunehmender Intensität von der Waffe der 'Rechtsprechung' Gebrauch. Darüber hinaus erstreckte sich diese Anklage auf die gesamte Tätigkeit der Justiz, und ganz besonders auf den Wandel im Rechtsdenken und der Position des Richters, der in dem neuen Grundsatz des richterlichen Prüfungsrechts der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen gipfelte, eines Mittels zur Sabotierung sozialer Reformen. Die Macht der Richter wuchs hierbei auf Kosten des Parlaments." (50)
4.8 Unterordnung
der
judikativen
Gewalt
und
permanenter Aus-
nahmestaat (der Fall Uruguays) Die Annullierung der Kontrollfunktion, die in den liberalen politischen Systemen traditionellerweise von der judikativen
über die exekutive
eine Voraussetzung
Gewalt
ausgeübt wird,
zur Institutionalisierung
stellt
des permanen-
ten Ausnahmestaates dar. Wir werden uns nun diesem Problem noch etwas näher zuwenden, indem wir Beispiele aus dem positiven Recht heranziehen. Die Verfassungsdekrete September
1976
Streitkräften wie
und
offenem
im
Nr. Juli
3 und Nr. 8, die jeweils im 1977
von
den
Uruguayischen
diktiert wurden, gestatten es,
weshalb Gegensatz
Prinzipien
100
und
des
diese zu
den
abzuschätzen,
Institutionalisierung politischen
Liberalismus
befindet.
und
sich
in
philosophischen
Darüber
hinaus er-
laubt es diese sich
auf
juristische
dieser
Ebene
Verordnung, klar zu beobachten, wie
die
Grundsätze
der
DIS
äußern,
die
wir auf den vorhergehenden Seiten besprochen haben. In den Paragraphen
2 bis 6 des oben genannten
Verfas-
sungsdekretes Nr. 3 heißt es wie folgt: "2) Daß, nachem die Grundfunktionen auf der Ebene der Führung und der Gesetzgebung sowie der höchsten Kontrolle durch den Verfassungsakt Nr. 2 reorganisiert wurden und bestimmt wurde, welche Bereiche Gegenstand einer Revision mittels Grundgesetze sein werden, es nun zunächst darauf ankommt, die Institution des Ministeriums und weitere integrierende Organe der Exekutive zu fundamentalen Instrumenten der Dynamik desselben umzustrukturieren ... 3) Daß diese Aufgabe einen verfassungsmäßigen und einen rechtlichen Aspekt hat und daß sie unerläßlich ist, um die neue Ordnung in Gang zu setzen ... 4) Daß in unserem traditionellen öffentlichen Recht von beiden Kardinalprinzipien, die die Machtverhältnisse stützen, das negative der Teilung vorgeherrscht hat und somit die natürliche Vorrangstellung, die der Exekutive als dem Führungsorgan zukommt, kompromittierte. 5) Daß diese Vorrangstellung ein Gebot der Umstände ist, die die Welt erlebt und daß diese in den Tendenzen des zeitgenössischen öffentlichen Rechts als Konsequenz der Einmischung anormaler politischer, sozialer und wirtschaftlicher Störfaktoren klar angezeigt ist. 6) Daß folglich die verfassungsmäßige Lösung vorangebracht werden muß, um ein Justizministerium zu gründen, durch das die Beziehungen zwischen der Exekutive, der Judikative und anderen Organen der Rechtsprechung, ausgenommen dem Militär-strafrechtlichen, im Einklang mit der neuen Ordnung miteinander verbunden werden, welches , dies sei gleich bemerkt, sich auf die Unantastbarkeit der rechtsprechenden Entscheidung als Ausdruck der Souveränität auf allen Ebenen stützen wird." Indem
mit
der
Institutionalisierung
offen
autoritärer
Herrschaftsbeziehungen fortgefahren wird (spezifische Charakteristik
des
"neuen" Autoritarismus),
Verkündigung ist, der
alle
des Verfassungsdekrets
Aspekte,
rechtsprechenden
die
kommt es im Juli Nr.
im Zusammenhang
Gewalt
stehen,
zu
8, dessen mit
dem
1977 zur
Funktion es
Funktionieren
"reorganisieren". Wir
101
zitieren im folgenden einige Auszüge aus den Grundlagen und den Bestimmungen dieser "Reorganisation", da sie für unsere Analyse höchst aufschlußreich
sind.
"Es ist notwendig, einige Teile des Grundgesetzes einer Revidierung zu unterziehen, die bei der Anwendung (...) ihre Unzulänglichkeit und Unwirksamkeit angesichts der heutigen Realität erwiesen haben (...) (Bezüglich der Gerichtsgewalt) . (...) Die Judikative wurde also während gleichzeitig die Exekutive wurde (...).
überschätzt, unterschätzt
Mit diesem "Acto Institucional" wurde in erster Linie versucht, dieses Problem zu lösen, indem man sich von der irrtümlich Montesquieu zugeschriebenen These der dreifachen Gewaltenteilung entfernt hat. (...) Nachdem dieser negative Mythos, der sich aus dem Dogma der Gewaltenteilung ergab, nicht mehr besteht, nimmt die Exekutive wieder die natürliche Vormachtstellung ein, die ihr als authentische Macht im eigentlichen Sinne zusteht. Dies heißt, daß die Exekutive über ausreichende Souveränität verfügt, um mit ihrem Herrschaftsanspruch den anderen Organen vorzustehen, ihnen ihre Entscheidungen aufzuerlegen. Par. 42: "Die Richter sind unabsetzbar und werden mit Ausnahme der Bestimmungen in Par. 41 solange im Amt bleiben, wie ihr Verhalten der guten Führung entspricht. Während der ersten vier Jahre hat ihre Ernennung nur provisorischen Charakter und während dieser Zeit kann die Exekutive sie jederzeit absetzen. Nach dieser Zeit ist ihre Ernennung rechtlich voll wirksam. Diese Vorschriften gelten für den Generalstaatsanwalt und für die Pflichtverteidiger." (Unsere Unterstreichung) Par. 43: "Das Justizministerium ist für den verwaltungstechnischen Ablauf zwischen der Exekutive und den übrigen juristischen Abteilungen, mit Ausnahme des Militärs, zuständig." Unserer Meinung nach öffnet die soeben zitierte Regelung den
Weg für das, was wir hier die dritte Etappe der
ren
Institutionalisierung
schiedung
(Chile) oder
nennen,
den Versuch
sich
einer
guay)
neuer
einem
Komplex von Faktoren überwiegend
102
Verfassungen
die
auszeichnet,
durch
autoritä-
die
Verabschiedung
und
deren
Verab(Uru-
Ausgang von
politisch-ideologischer
Art
abhängt, die wir
in dem
folgenden
Kapitel
zu
analysieren
versuchen werden. Abschließend kehren wir zum Problem des zurück
und
zitieren
die
entsprechenden
Ausnahmestaates
Paragraphen
der
neuen
Uruguayischen Verfassung (die in einer Volksbefragung im November 1980 abgelehnt wurde).
Ihr Wortlaut, der eine totale Will-
kür
uns,
offenbart,
erlaubt
es
auf
jeden
weiteren
Kommentar
zu verzichten. Par. 91: "Die Exekutive kann nach Obereinkunft mit dem nationalen Sicherheitsrat im Falle schwerwiegender und unvorhergesehener innerer Unruhen sofortige Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, wobei sie innerhalb von 24 Stunden die Generalversammlung über ihre Schritte und Motive unterrichten muß. (...) Die inneren Unruhen, die zu diesem sofortigen Sicherheitsmaßnahmen geführt haben, können aus beliebigen Tatbeständen herrühren, die auf irgendeine Art in der Breite ihrer Auswirkung das Leben der Bewohner Uruguays beeinträchtigt haben." Par. 92: "(...) die Exekutive kann in Obereinstimmung mit dem Nationalen Sicherheitsrat den "Zustand der Subversion" (51) ausrufen, und zwar angesichts einer schwerwiegenden Situation im Landesinnern, die mit oder ohne Hilfe von außen entstanden ist, und die bestimmt wird durch Gegebenheiten oder Handlungen, die die Institutionalität, das Leben, die Freiheit und die nationale Sicherheit beeinträchtigen, wovon die Generalversammlung in Kenntnis gesetzt sein muß." Par. 93: "Die Exekutive kann in Obereinstimmung mit dem nationalen Sicherheitsrat und einer vorausgegangenen Resolution der Generalversammlung, die mit Zustimmung von zwei Dritteln seiner gesamten Mitgliederzahl verfaßt wurde, den Kriegszustand im Falle von Auseinandersetzungen von außen oder Aggression erklären.
103
Kapitel V: Einige Aspekte der Theorie Niklas Luhmanns
5. Der Ausnahmezustand
als besondere
Strategie
zur
Konservie-
rung des Systems in der Theorie N. Luhmanns Die
Komplexität
der
Welt
ist
das
Ergebnis
des
Wider-
spruchs zwischen der praktisch unbegrenzten Quantität an Erfahrungen und Handlungen und der begrenzten Möglichkeit, sich bei der Auswahl derselben zu orientieren. Nach Luhmann ist es eine grundlegende
Funktion
des
sozialen Systems, mittels
einer Ge-
samtheit von Strategien diese Komplexität zu reduzieren.' Wir haben im vorausgegangenen bereits Gründe angedeutet, die unsere Beschäftigung mit der
funktional-strukturalistischen
Theorie Luhmanns motivieren. Dennoch zwingt uns unser durch die spezifische lateinamerikanische Problematik Interesse
dazu,
einige
einleitende
überdeterminiertes
Bemerkungen
vorauszuschik-
ken. Die Theorie N. Luhmanns nischen
Kontext
praktisch
ist bis heute im 1ateinamerika2
unbekannt
geblieben.
Dies
mag auf
den ersten Blick hin überraschen, wenn man bedenkt, daß Luhmann als Schüler und in gewisser Weise Fortsetzer des Parsons 1 sehen Werkes"*
eine
Theorie
entwickelt,
die
als
Ziel
(und
auch als
faktische reelle Voraussetzung) die Stabilität und die Konservierung des Systems hat.'' In Lateinamerika erreicht Parsons' Werk in den fünfziger Jahren und bis
gegen Ende der sechziger Jahre, ebenso wie der
nordamerikanische weite
Funktionalismus
Verbreitung
im
kulturellen
im
allgemeinen,
Milieu
und
eine
speziell
sehr in der
universitären Lehre.^ Nun siebziger sich
ist es ganz Jahre
wesentlich
scheiden,
und
klar, daß die politischen Umstände der
(Uruguay von
daß
1972, Chile
denen
die
1973, Argentinien
der vorangegangenen
Repression
Periode
auf kulturellem
1976) 6 unter-
Gebiet eine
nie dagewesene Verarmung der intellektuellen Entwicklung im Bereich der Gesellschaftswissenschaften hervorgerufen hat. Nichtsdestoweniger ist es angebracht, sich zu fragen, ob diese Gründe 104
zusammen mit
dem
rein technischen Charakter aus-
reichen,
um
das
Nichtbekanntsein
eines Autors
wie
Luhmann zu
erklären, von dem man gesagt hat, er sei "der Wissenschaftler, der am radikalsten in welcher
eine anti-humanistische
Wissenschaft
keiten wird".
zum
reinen
Perspektive
Kalkül
annahm,
abstrakter Mögli'ch-
Ein Autor, dessen Theorie potentiell in der Lage
ist, jedwedem System Legitimationselemente
zu verschaffen, des-
sen Ziel es ist, von allem anderen einmal abgesehen, ein "effig zientes" Funktionieren zu erreichen. Wenn wir das Problem in diesem Rahmen und aus hypothetischer Sicht her betrachten, so glauben wir, daß bei der Rezeption
von
Luhmanns
Werk
seitens
des
konservativen
Denkens im
lateinamerikanischen Kontext der allgemeine philosophische Rah9 men zurückgewiesen würde, während vermutlich das angenommen würde, was sich auf die Entwicklung von Techniken sozialer Kontrolle zwecks Beherrschung der Krise bezieht. Diese (hypothetische) ambivalente Stellung erklärt sich durch eine Besonderheit ßen
formulieren
insgesamt ponenten
in Luhmanns Werk, die wir
möchten:
konservativ,
Luhmanns
Theorie,
folgenderma-
subjektiv
stellt einen wesentlichen
in Frage, die eine kritische Sozialtheorie
oder, anders gesagt, Luhmanns Theorie ist, objektiv nicht konsequent
gesehen
Teil der Komausmachen, betrachtet,
konservativ.
Um diese Aussage zu begründen, gehen wir von zwei grundlegenden Annahmen aus: a) Die
konservative
Funktion
zialwissenschaften
kann
des Autors festgestellt b) Das
Element,
das
die
einer
Theorie
objektiv
und
im Bereich der So-
unabhängig
vom
Willen
werden; objektiv
als
konservativ
angesehenen
Theorien zu solchen macht, besteht darin, daß sie die soziale Realität verdecken und mystifizieren. Ein und
eindeutiges
mystifizierenden
Beispiel
Funktion
der
einer
objektiven Theorie,
konservativen
die
im Gegensatz
zur anscheinend progressistischen Rede ihres Autors steht, liefert das Werk Ralf Zu dessen, der
was
Beginn eine
Dahrendorfs. 1 0 unserer kritische
Entmystifizierung
der
Arbeit
haben
Untersuchung Wirklichkeit
wir
als
Parameter
ausweist, die Aufgabe zur
Herausstellung der
105
Gründe
für das gegenwärtige
gültigkeit
angenommen.
Dies
soziale Unbehagen und die Gleichstellt
Luhmanns Werk
teilweise in
Frage, insofern als es auf der deskriptiven Ebene eine erheblilich entmystifizierende Funktion hinsichtlich des sozialen Systems
ausübt,
aber
auf
der
präskriptiven
Ebene
für
sein
vereinfachende
Ein-
effizientes Funktionieren Indifferenz vorschreibt. 1 Wir schränkung
haben zu
bereits,
vermeiden,
um auf
eine die
allzu
tiefgreifenden
Unterschiede
zwischen der DIS und der Luhmann'sehen Theorie hingewiesen. Wir glauben die
aber dennoch,
ebenso
großen
schaftlichen
daß diese
Unterschiede
Wirklichkeiten
sich
in der Hauptsache
zwischen
erklären
den
lassen,
beiden die
den
durch
gesellbeiden
Theorien jeweils zugrund liegen (abhängiger Kapitalismus, zentraler Kapitalismus). Dies kommt der Behauptung gleich, es gäbe ein Prinzip der gegenseitigen Entsprechung zwischen der gesellschaftlichen Wirklichkeit und der Entwicklung solcher Theorien, das uns
im übrigen im Falle Luhmanns besonders strikt zu sein i2 scheint. Beide Theorien sind gesellschaftliche Produkte ihrer Zeit. Wir können nicht übersehen, daß diese unsere Aussage der
Meinung eines der wichtigsten Vermittler und Kritiker von Luh13 14 manns Werk in Italien, nämlich A. Febbrajo .widerspricht. Es ist hier nicht unsere Absicht, den Gedankengang nachzuzeichnen, der Febbrajo zu der Ansicht gelangen läßt, daß Luhmanns politisches Konzept gegenüber der Geschichte
indiffe-
rent i s t . 1 5 Uns scheint im Gegenteil, als ob Luhmanns Werk auf "obskure" Partei
Weise
für
die
ergreift,
was
als die der Indifferenz
Position gedeutet
Beibehaltung
der
geltenden
Ordnung
entgegenstehende
werden kann. Mit dem Wort "obskur" beziehen
wir uns auf die Komplexität der Luhmann'sehen Sprache (die, wie N. B o b b i o 1 6 bemerkt, oft eines Grundes entbehrt). Diese Komplexität
der
Sprache
ist die Folge
der besonderen
Abstraktions-
ebene, auf der er arbeitet und die gerade Febbrajo verständlich macht, wenn er sagt: "Während die Weber'schen Idealtypen, zumindest der Tendenz nach, das Ergebnis eines logischen Vorgangs waren, das vom Konkreten zum Abstrakten auf der Grundlage eines reichhaltigen historischen Materials gelangte, sind vielmehr die
106
Idealtypen, die Luhmann konstruiert, das Ergebnis sukzessiver logischer Abstraktionsprozesse, die auf der Grundlage von Theorien durchgeführt werden, welche von sich aus schon extrem allgemein gehalten sind. Die Verbindung zur "Welt der Dinge" wird von Luhmann regelmäßig auf künstliche Weise hergestellt, indem er Beispiele anführt, die ihrerseits Abstraktionen sind, insofern als sie sich auf typische Alltagssituationen beziehen, die jeden konkreten Bezugs beraubt sind..." (17) In
dieselbe
Richtung
wie
die
unsere
scheint
sich die
Interpretation A. Olleros zu bewegen (allerdings nur hinsichtlich
des
Spanien
hier ein
besprochenen
Werk
besonderen Aspektes),
veröffentlichte,
in
welchem
er
der am
1973 in Rande,
wenngleich auch früh, dem Werk Luhmanns Aufmerksamkeit beimaß: "Die Überlegungen Luhmanns, so scheint es uns, übertreffen die Ausarbeitung eines Erklärungsmodells für das Sein des Rechtes in der Gesellschaft, um sich STs Rechtfertigung eines Sein Sollens aufzuwerfen, die sich auf eine bestimmte Interpretat ion der Geschichte stützt, welche bestimmte Aspekte als Fortschritt wertet und diese in Schlüssel zur Gesaltung der Zukunft umwandelt. Die Geschichte, .die mit der Natur als juristische Orientierungsquell.e entfernt wurde, wirft sich erstaunlicherweise als Rechtfertigung der Souveränität der Reduktion der Komplexität als oberstem Ziel auf.'1 (Tm Original unterstr.) Zusammenfassend Subtilität mittels
und die
dessen
glauben
innere
Luhmann
wir
Kohärenz
sagen des
zu
können,
daß die
Abstraktionsprozesses,
sein Werk vorstellt, dasjenige
Element
ist. welches es ihm erlaubt, seine besondere Auffassung der Geschichte auf einer wenig augenscheinlichen Stufe zu halten. Bei Luhamnn wie in allen Theorien, die den Akzent auf die Stabilität in
des
Systems
setzen,
der
Identifizierung 19 auch immer sie sei".
"endet die Notwendigkeit mit
der
herrschenden
der
Ordnung,
Ordnung welche
S.1 Ein verdeckter Ausnahmezustand Wir
kommen
nun
zur
Behandlung
eines Aspektes,
der aus
Luhamnns Auffassungen abgeleitet werden kann und aus dem unser
107
besonderes Interesse für seine Theorie herrührt. Es
wurde
an
daß
Luhmanns
der
schwierigsten 20
tet.
Theorie
sich
Stelle
schon
darauf
hingewiesen,
als wirksame Einrichtung
Probleme
des
zentralen
zur
Kapitalismus
Lösung anbie-
Wir teilen diese Meinung und möchten mit unserer Unter-
suchung wir
anderer
diesen
versuchen,
Aspekt einige
vertiefen
und
konkretisieren,
indem
Mittel, die zu dieser "Lösung" ver-
der
wendet werden, aufzuzeigen. Es der
besteht
kein
gegenwärtigen
Rahmen
des
Zweifel
Krise
zentralen
das
darüber,
daß
schwierigste
Kapitalismus
gelöst
die
Beherrschung
Problem
ist,
werden
muß.
das im Hierbei
muß man bedenken, daß dies nicht notwendigerweise eine gewaltsame
Repression
ihrer
Äußerungen
bedeutet,
sondern
ihre Kanalisierung und Verminderung auf ein Maß, das
vielmehr (zumindest
zum gegenwärtigen Zeitpunkt) den Zusammenburch der Strukturen der parlamentarischen Demokratie vermeiden da
diese
wiederum
sich
als
die
wirksamsten
zur
formalen hilft, 21
Konservierung
22
und Legitimierung hatten
wir
des Systems erwiesen haben. Darüber hinaus
Gelegenheit
zu übersehende Tendenz Antwort
zu
beobachten,
zur Verstärkung
auf diese, die sich
daß
es
eine
nicht
der Krise gibt und eine
in eine autoritäre Richtung hinbe-
wegt . So
gesehen
kann
als
Reaktion
schärfung der Krise ernsthaft den, adäquate Mechanismen lisieren.
So
erhält
des
Systems
die Notwendigkeit
zu ihrer Bekämpfung
Luhmanns
Theorie
auf
die
Ver-
vertreten wer-
zu institutiona-
eine fundamentale
Bedeu-
tung, insofern als sie unter den zeitgenössischen Beiträgen den geeignetsten standes
für
die
Einführung
eines
permanenten
innerhalb des Rechtsstaates des zentralen
darstellt.
Dies
wird
möglich,
weil,
AusnahmezuKapitalismus
zuvor jeden konkreten In-
haltes entleert und in eine reine
bürokratisch-verwaltungsmäßi23 ge Funktion zur Durchführung der Staatsziele umgewandelt, der Rechtsstaat jene Techniken mit einschließen kann (und nach Luhmann auch muß), die die Ausführung seiner Funktion was
in
Krisenzeiten
nur
durch
die
Negierung
der
ermöglichen, für
normale
Zeiten gedachten Rechte und Garantien erreicht werden kann. Aber
das
Problem
ist
weit
aus der zwangsweisen Aufhebung 108
komplexer
als dasjenige, was
dieser Freiheiten und Garantien
entstehen
würde.
Das
Originelle
an Luhmanns
Theorie
ist, daß
sie Elemente liefert, die es ermöglichen, diese Aufhebungsfunktionen
mit
dem
niedrigsten
Kostenaufwand
(Opposition) und der
Beibehaltung der "legitimierenden" Strukturen des Systems durchzuführen . Nun in
ist
Luhmanns
es
Werk
allerdings die
nichts
Problematik
schnitten
ist. Was wir hingegen
Bedeutung
für
das
Neues
festzustellen, daß
des Ausnahmezustandes
ange-
zeigen möchten, ist, daß seine
Funktionieren
der
Theorie
weit
größer ist,
als gewöhnlich angenommen wird. Bevor wir das Problem direkt
angehen, schicken wir zwei
mögliche Gründe zur Erklärung dieser Diskrepanz voraus. a) Ein gar
Problem nicht
kann
auch
dadurch
stellt
oder
indem man
"gelöst" werden, nur
beiläufig
daß man es auf
es hin-
weist ; b ) die reellen Bedingungen relativer Stabilität der sozio-politischen Strukturen des Spätkapitalismus
erlauben es aus ei-
ner
heraus,
nicht
konsequent
heimlichen
oder
zu
kritischen
Sicht
bagatellisieren,
was
andere Weise mit der Krise in Zusammenhang Das
Thema
gegenwärtigen Rande
der
Krise,
kritischen
endemische dieses Wort
daß und
die
Krise
versteckte
steht, wird
das
die
zu ver-
eine oder
steht.
das im Zentrum des
Theorie
im Werk Luhmanns behandelt.
bestreitet,
auf
Interesses der
teilweise
und am
Indem er, wie gezeigt wurde,
des
zentralen Kapitalismus sich auf 24 Weise äußert, reserviert Luhmann
(Krise) zur Bezeichnung
von "außergewöhnlichen Um-
ständen" auf die das System mit außergewöhnlichen Mitteln antworten muß, wovon das wichtigste der Ausnahmezustand
ist.
In seinem Werk "Macht" findet man eine der wenigen, aber sehr
interessanten
Passagen,
die
dem Thema der Krise
gewidmet
sind und die, außer daß sie uns in unserem Vorhaben weiterbringen, auch geeignet
sind, einige Besonderheiten der von Luhmann
verwendeten "Abstraktionsebene" verständlich zu machen: "Am besten begreift man Krisen zunächst ganz formal unter dem Gesichtspunkt der Zeitdimension als Prozeßphase mit außergewöhnlichen Gefährdungen und, daraus resultierend, außergewöhnlichen Möglichkeiten. Die Komplexität des Möglichen wird dem System dann nicht simultan zugemutet, 109
sondern auf der Zeitachse abgebildet als ein Nacheinander von Verschiedenem: von Normalsituationen mit geringer Macht und mit fernliegenden Möglichkeiten, die zur Zeit nicht eigentlich möglich sind, und von Krisensituationen, in denen situations- und themenspezifische Macht aktiviert werden kann, für die zeitlich limitierte Sonderbedingungen struktureller Kompatibilität gelten. Auf diese Weise können durch Diskontinuieren der Verhaltensprämissen Vorteile zeitli-cher Differenzierung gewonnen werden. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß Krisen sich bei fehlender Macht und/oder fehlender Hinsicht entwickeln. Diese Anhaltspunkte beziehen sich zwar auf organisierte Sozialsysteme, sie sind nicht ohne weiteres auf gesamtgesellschaftliche Analysen übertragbar. Die beschriebenen Prozesse der Machtblockierung bzw. des Herausfilterns von nur negativ verwendbarer Macht sind aber organisatorische Phänomene, und es ist anzunehmen, daß auf dieser Ebene, sei es im Bereich der kognitiven Komplexität, sei es im Bereich der Macht, auch die Sperren zu suchen sind, die krisenhafte Entwicklungen auslösen. Weiterhin gibt es erste Untersuchungen darüber, daß Krisen die Machtlage in Organisationen verändern. Man wird daher primär organisationsspezifische Instrumente einer Krisentechnik ausbilden müssen, um im Kontext der gesellschaftlichen Funktionen der Macht den Anforderungen gewachsen zu sein. Krisentechnik heißt nicht Bemühen um Verhinderung oder Hinausschieben einer Krise des Gesellschaftssystems, die, wie die Marxisten zu wissen meinen, sowieso kommt. Gemeint ist vielmehr die zeitliche Differenzierung des Risikos der Macht, durch Einbeziehen von Krisen in eine Art Machtplanung. Dafür hat man in Notstandsgesetzgebungen ein formalisiertes Muster. Dieses Muster läßt sich im politischen Prozeß weniger schwerfällig, kleinformatiger reproduzieren. Daneben kennt die Organisation das "management by exception". Dieses Muster ließe sich ins Politische hinein vergrößern im Sinne exzeptioneller Aktivierung politischer Ressourcen der Macht." (25) Die kritischen Bemerkungen, die man auf Grund des soeben Zitierten
anführen
kann,
sind
zahlreich.
Nennen wir
zunächst
diejenigen, die sich auf die Methode beziehen und in engem Zu?A sammenhang mit der verwendeten "Abstraktionsebene" stehen. So wird z.B. die Krise der konkreten Realität gegenüber auf willkürliche Art definiert, und auf diese Art von Syllogismus stüt110
zen sich dann die späteren Überlegungen in Richtung einer Legitimierung der Einführung einer besonderen Form des Ausnahmezustandes . Man muß sich fragen, ob unter den spezifischen Gegebenheiten der gegenwäritgen Krise und der relativen Unwahrscheinlichkeit des Aufkommens "außergewöhnlicher Umstände" im Kontext der hochgradigen
Planwirtschaft der "spätkapitalistischen" Ge-
sellschaften
Äußerungen
Alibi
für
innerhalb
die
die des
Diesbezüglich
Einführung
Luhmanns
eines
Rechtsstaates existieren
dieser
schon
Frage positiv beantworten.
nicht
permanenten
ein
theoretisches
Ausnahmezustandes
Gesellschaften
Interpretationen,
darstellen. die
diese
In einem 1974 veröffentlichten Auf-
satz schreibt B. Heidtmann: "Der dezisionistische Begriff der souveränen Diktatur tendiert in seinen soziologischen und historischen Dimensionen zu der von Luhmann ausgearbeiteten Perspektive der Transformation des Ausnahmezustandes mittels juristisch-technischer Planungsprozesse in eine Konzeption des Ausnahmezustandes in Permanenz." (27) Wir
schließen
uns
dieser
Auffassung
Heidtmanns
völlig
an, jedoch nicht seiner Absicht, die im ganzen Aufsatz entwikkelt wird,
eine Ähnlichkeit
zwischen dem Denken Carl
und dem Luhmanns aufzuzeigen. Die tiefgreifenden
Schmitts
Unterschiede,
die diese beiden Autoren trennen, sind im Gegenteil sehr zahlreich;
um
nur
einen
der
den "prinzipistischen"
wichtigsten
zu nennen, denke man an
Inhalt von Carl Schmitts Werk im Gegen-
satz zum Pragmatismus und Opportunismus (beide vom Autor expli28
zit zugegeben) von Luhmanns Werk. Die Permanenz
wichtigste als einer
Eigenschaft
Technik
dieses
Ausnahmezustandes in
zur Beherrschung der Krise ist es
(und muß es nach Luhmann sein), nicht auffällig zu sein: "Andererseits ist die Drohung mit Zwang und erst recht die nackte Gewalt als Herrschaftsgrundlage unzureichend. Dies nicht nur, weil sie zu großen Aufwand erfordert, also wirtschaftlich unrationell und deshalb nicht expansionsfähig ist. Ebenso wesentlich ist: daß sie die Motive des Gehorsams faktisch und sozial sichtbar einengt auf ein Vermeiden der angedrohten nachteiligen Folgen . . . Das Zwangspotential muß auf die spe-
111
zifische Funktion einer Notfallskontrolle reduziert werden (die freilich unentbehrlich bleibt). Und damit müssen zugleich Hinrichtungen der Generalisierung von Kommunikationen institutionalisiert werden, die darauf spezialisiert sind, legitime politische Macht zu schaffen, die sich in verbindlichen Entscheidungen äußert, welche nicht allein mit Rücksicht drohenden Zwang, sondern primär wegen ihrer Verbindlichkeit ... akzeptiert werden." (29) In diesem Sinne kann man sagen, daß Luhmanns Werk hinsichtlich
der
"Krisentechnik"
den
gelungensten
Versuch
einer
Volkswirtschaft der Repression darstellt. Die niedrig gehaltene Sichtbarkeit
und
von
Vorschlägen
Luhmanns
Beibehaltung
die
"Rationalität"
der
repressiven
rühren daher, daß
der Strukturen des
Inhalte
diese die
formale
(liberalen) Rechtsstaates vor-
aussetzen . Um tiefer
in die Analyse
dieser Problematik
eindringen
zu können, ist es notwendig, den Wert des Begriffs Rechtsstaat in Luhmanns Auffassung näher zu betrachten. Wir
sahen
ralen Theorien
bereits, daß
im Rahmen der klassischen libe-
die Gewaltenteilung und die Garantie der indi-
viduellen Rechte die Grundvoraussetzungen
für die Existenz ei-
nes Rechtsstaates darstellen. Diese zwei Voraussetzungen werden bei Luhmann auf radikale Weise neu formuliert. Die Grundrechte haben die Funktion, die Einmischung des Staates in die Angelegenheiten dem
der Bürger
Falle,
Freiheit
sondern weil stems
daß
und
die
im einzelnen zu begrenzen, aber nicht in gegenteilige
Gleichheit somit
geschadet
Situation
derselben
einer
würde,
in
grundlegenden wie
es
die
aufträte
Gefahr
und
die
bringen
könnte,
Errungenschaft
des Sy-
soziale
Differenzierung
i s t . 3 0 In der Folge dieser Aussage wird der Rechtsstaat in konsequenter Weise
(von Luhmann) als die am weitesten entwickelte
Form der Autodifferenzierung, der Autonomie und der Selbstproaufgefaßt. 3 1
grammierung des politischen Systems Etwas Bezeichnung,
einfacher
112
umfaßt. 3 ^
Einschätzung
enthält,
ist
die die verschiedenen
waltungssystems solche
ausgedrückt
insofern
ein die
Es
muß
der
Zweige
eines
zugegeben
erhebliches ideologische
Maß
Rechtsstaat
an
eine
einzigen Ver-
werden,
daß
eine
Entmystifizierung
Auffassung
der
liberalen
Tradition negiert wird, die den klassischen Rechtsstaat als die Institution Garantie
ansieht, die
der
in der Lage ist, die Macht gemäß der
subjektiven
Rechte
zu verteilen
und
auszuglei-
chen.33 Demnach ist das Verhältnis, das sich zwischen der Politik und den drei Organen des Systems einstellt (oder sich ein34 stellen soll), nach Luhmann folgendes: "Der direkte politische Einfluß auf die Legislative ist voll legitimiert. Der direkte politische Einfluß auf die Exekutive ist teils legitimiert, er findet seine Grenze am Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Der politische Einfluß auf die Justiz ist rechtlich untersagt und faktisch mehr oder weniger wirksam unterbunden." (35) Diese
relative
es, denkt man
an
Asepsis
des
Rechtsorgans
versetzt
seine Aufgabe der Autolegitimierung,
in eine
kaum zu übertreffende Position, um der Deckung der von der Exekutive und der Legislative angenommenen Entscheidungen
zu die-
nen. Eine Situation, die, "wenn auch nur aus Gründen eines besseren Funktionierens
des Systems", das Vorhandensein
grundle-
gender Unterschiede gegenüber der Ansicht der DIS ausdrückt.
5.2 Abschließende Wenn dennoch
Bemerkung
trotz
allem, was wir bis
tiefgreifende
Unterschiede
jetzt
zwischen
besprochen Luhmanns
haben, Theorie
und der DIS bestehen, so sind sie größtenteils im unterschiedlichen Grad der sozialen Konfliktivität, der sich aus den Folgen
der
nicht
Krise
so sehr
im
Zentrum
in den
und
an
der
Peripherie
ergibt,
und
ideologischen Auffassungen, welche beide
ausdrücken, begründet. Sowohl Theorie
in der DIS (wie wir sahen) als auch in Luhmanns
verkörpert
die
Sicherheit
den
höchsten
Wert, 3 ^
dem
jedes andere Verhalten untergeordnet wird. Sowohl in der DIS als auch bei Luhmann ist der Konsens, im Prinzip,
eine Voraussetzung,
die bestenfalls nur denen ab-
verlangt werden muß, die innerhalb der Grenzen des Systems kei-
113
ne Fragen stellen, die von Bedeutung sind. Sowohl griff
in der DIS als auch bei Luhmann hat der Feindbe-
seinen Platz;
in der DIS explizit und zentral, bei Luh-
mann versteckt und am Rande, sowie im Einklang mit dem (relativ niedrigen) Grad an Konfliktualität des zentralen
Kapitalismus,
die in Anbetracht ihrer potentiellen Funktion, soziale Kohäsion zu produzieren, der internationalen Ebene vorbehalten bleibt. Sowohl in der DIS, wie auch bei Luhmann ist das wichtigste Problem, das ein System lösen muß, nicht das, die Konformität der Mehrheit
abzusichern,
sondern das der
Neutralisierung
von Verhalten, das für die soziale Kohäsion schädlich ist: das abweichende
Verhalten.
Dies
ist
eine
Verhaltensweise,
Lateinamerika von der Mehrheit verkörpert tralisierungsversuche,
wenn
auch nur
die in
wird und deren Neu-
teilweise,
das Ausmaß an
Gewalt erklärt, welches die Krise annimmt. Im Kontext
des
zentralen
Kapitalismus
besteht
anderer-
seits unbezweifelbar die Tendenz zum Anwachsen der "Marginalisierten Mehrheit". 3 ^ rie
unabhängig
sichts
einer
von
Die konkrete Funktion, die Luhmanns Theoihm
möglichen
kann,
ist eines
einer
späteren
oder
sogar
gegen
Verschärfung
der
seinen Willen Krise
noch
ange-
erhalten
der zahlreichen Themen, die es wert sind, bei Beschäftigung
mit
seinem Werk verfolgt zu wer-
den. Hierfür wird es allerdings nötig sein, auf intellektuelle Reverenzen zu verzichten. Oder anders ausgedrückt, die Stellen in
seinem
Werk,
bei
denen
man
zwar
nicht
sagen
kann,
"der
Kaiser steht nackt da", aber doch zumindest, daß er nur Unterwäsche an hat, sind nicht selten. Abschließend möchten wir am
Ende
dieses
Kapitels ein
38
längeres
naives
und
gleichzeitig
warnendes
Zitat
anführen,
das die Problematik, die wir hier erörtert haben, noch vertieft "Ich verstehe die innere Sicherheit als eine Art Systemanalyse, eine Konzeption, die sich auf das von selbst regulierte Gleichgewicht des sozialen Systems gründet, oder wenn man will, auf das überleben der Nation. Das Oberleben der Nation ist das höchste Ziel, daher ergibt es sich, daß die Perspektive auf das Funktionieren des Systems gerichtet ist. Diese theoretische Perspektive hat sich dank des Vietnam-Krieges in eine breit angelegte angewandte Technologie umgewandelt. Das Oberleben wird durch zwei Konflikte 114
gefährdet: einen politischer Art, zwischen der Nation und dem Ausland ("systemenvironment") und einen anderen instrumenteller Art, zwischen den Bedürfnissen und ihrer Befriedigung ("input-output"). Die innere Sicherheit ist eine integrale Analyse des Systems, die mittels der Reduzierung der Komplexität des sozialen Prozesses operiert" Es wird darauf hingewiesen, daß der soziale Konflikt nicht gemeint ist. Die innere Sicherheit setzt den Konsens voraus. Die Werte, die für das System von Belang sind, werden auf autoritäre und willkürliche Art festgesetzt. Mögliche Bezugnahmen auf ein "Gemeinwohl" sind ihrer Logik fremd. Die Politik ist die Ebene, die das Gleichgewicht des Systems bewirkt; anstatt einer kommunikativen Handlung sozialer Zustimmung zu den Normen ist sie eine technokratische berechnete Programmierung. Die bürgerliche Gesellschaft besitzt keinerlei Eigeninitiative. Wenn die Nationale Sicherheit als eine Funktion der Regierung aufgefaßt wird, die die Organisierung der Nation zur Ermöglichung ihrer Entwicklung in voller Ausübung ihrer Souveränität mit beinhaltet, so reduziert sich die politische Sphäre auf die Fähigkeit der Regierung, eine nationale Identität zu bilden, das System zu legitimieren und zugleich eine verwaltungsmäßige und rechtliche Durchdringung der Gesellschaft zu erreichen; es geht nicht um die Form, sondern um die Möglichkeit des Regierens. Die kollektive Identität wird durch die volle Ausübung der Souveränität geschützt. Aber die nationale Identität ist nicht die Souvernänität; sie verweist auf einen Kampf zwischen Leben und Tod. Die kollektive Identität wurzelt, faktisch, in der Furcht vor dem Tode und ihrer Negierung, der Sicherheit, die den Tod vernichtet. Der soziale Konflikt wurde durch den totalen Krieg (innere und äußere Front) ersetzt. Der Krieg ist die grundlegendste soziale Sache. Leben heißt Oberleben, was durch die innere Sicherheit, und folglich durch die Sicherheitskräfte abgesichert ist." (39)
ZWEITER TEIL:
AUTORITÄRISMUS UND
INSTITUTIONALISIERUNG
Kapitel VI: Die autoritäre Institutionalisierung im cono sur
6. Traditioneller
und
neuer
Autoritarismus:
Das
Problem der
Einteilung des juristischen Wissens Zur Kenntnis tragen, die ren,
ist
der autoritären Herrschaftsprozesse beizu-
sich in den siebziger Jahren im cono sur
eines der
besonderen Charakteristika
dieser Herrschaftsprozesse und spe-
ziell aus den Lücken bezüglich ihrer Untersuchung der spezifische
etablie-
zentralen Anliegen dieser Arbeit. Aus den ergibt sich
Inhalt unseres Beitrags: Die Analyse ihrer in-
stitutionellen Struktur. Hierzu ist die Darstellung von zwei Aspekten verschiedener Art notwendig: a) Eine
kurze
historische
Rekonstruktion
der
Ereignisse, die
die militärischen Putschs begleiteten, welche die demokratischen Institutionen schädigten
und somit den neuen Autori-
tarismus begründeten; und b) eine Reflexion
über
die
existierenden
theoretischen
Vorar-
beiten, auf die wir uns bei unserem Vorhaben stützen können. Der erste Aspekt bringt lediglich die Schwierigkeiten mit sich, die mit
einer
adäquaten Systematisierung der zur Verfü-
gung stehenden empirischen und theoretischen Information im Zusammenhang
stehen. Der zweite hingegen ist mit Schwierigkeiten
behaftet, denen gegenüber es absolut unverzichtbar dest
Lösungen
Gegenstandes Ohne
ist, zumin-
anzubieten, will man in der Erforschung unseres fortschreiten.
daß
es explizite
Regeln gäbe, die es
verlangten,
oder theoretische Analysen, die es rechtfertigen, beziehen sich im cono sur die Begriffe Autoritarismus und rung
auf
zwei
verschiedene
Institutionalisie-
Bereiche, die eine doppelte Trenn-
wand, eine thematische und eine ideologische, voneinander isoliert
116
hält. Der
Begriff Autoritarismus
ist Gegenstand von Un-
tersuchungen seitens der Soziologie und der Politikwissenschaft Der
Begriff
der
Institutionalisierung,
den Versuch
verstehen,
tisch
existierende
schon
mittels
die
juristischer
wir
zu festigen,
Situation
hier
Normen
als
eine fak-
ist
hingegen
ein Forschungsgegenstand der Jurisprudenz.^ Diese
Einteilung
schen Strömung den werden.
muß
als
auf dem Gebiet
Folge
der
mangelnden
der Rechtswissenschaft
kriti-
verstan-
Dies bedeutet, daß die Situation, vor der wir uns
befinden, viel weitreichendere Nachteile hat, als sie die Gliederung
einer
interdisziplinären Untersuchung gewöhnlich verur-
sacht.
Um es kurz zu sagen, es handelt
sich um ein
schwerwie-
gendes Problem politisch-ideologischer Art. Daß kreis
die
Untersuchung
der
diversen Aspekte,
des Begriffs Autoritarismus
der Politikwissenschaft
die
liegen, von der
im Um-
Soziologie,
und insbesondere der sich in den letz-
ten Jahren in Lateinamerika profilierenden "Staatstheorie" unternommen wurde, erklärt die zufriedenstellenden Resultate, die bis zur Stunde auf diesem Gebiet erreicht wurden. Hier ist das auf eine Entmystifizierung und
auf
die
änderung
orientierte
fangreichen
der gesellschaftlichen
Hervorrufung
positiver
Denken
theoretischen
dank
dem
Produktion
Wirklichkeit
gesellschaftlicher in
Vorliegen der
Ver-
einer
Lage,
den
umherr-
schenden Klassen die ideologische Hegemonie streitig zu machen. Es ist dies jedoch ein Streit, der wegen des im folgenden dargelegten
besonderen
Umstände
aus
einer Position
der
Unterle-
genheit heraus geführt wird. Da sind zunächst die Umstände, die sich aus der politischen Praxis
der
autoritären
in der Verdrängung Gelegenheiten
Regime
und Beseitigung
alles
andere
als
ergeben. Dies drückt sich (ein Wort,
eine Metapher
das bei
vielen
ist) derer aus,
die ein kritisches Denken den offiziellen und privaten Instanzen der Forschung und/oder der Lehre gegenüber vertreten. In kritischen
zweiter
Hinsicht,
Denkens
selbst
und
teilweise
zuzuschreiben,
den
Vertretern des
ist das Aufgeben der
Analyse der Spezifität und der Funktionen der Rechtsinstanz im Zusammenhang
mit
der Struktur
und der Dynamik der
autoritären
Herrschaftsprozesse. In eindeutigem Gegensatz zu dem, was wir über die Sozio-
117
logie, die Politikwissenschaft und die Staatstheorie gesagt haben,
stellt
sich hingegen die Situation
des Rechts
dar.
für die
Untersuchung
In diesem Falle sind die konkreten geschicht-
lichen Umstände, unter denen sich der Entstehungsprozeß und die Entwicklung hängige mend
der
lateinamerikanischen
Staaten
für die
fast
senschaftler
als
2
Klasse.
(oligarchische
ausnahmenslose organische
Gesellschaften
Republiken)
als unab-
entfalten,
bestim-
Herausbildung der Rechtswis-
Intellektuelle
der
herrschenden
Den rechtswissenschaftlichen Fakultäten entstammt, wie
empirische
Untersuchungen
gezeigt
haben,' das Gros der
Intel-
lektuellen, die der elitären und eingeschränkten Demokratie des neunzehnten tionellen
Jahrhunderts,
der Notstandsgesetzgebung der tradi-
Militärdiktaturen
und
der
Institutionalisierung des
neuen Autoritarismus eine juristische Form gaben. Auf
diese
Weise
erhält
das konservative
Denken
im Be-
reich der Rechtswissenschaften eine Hegemonie. Die vollständige Abstrahierung
von
den
Umständen
des
sozialen Lebens
(bis zum
Aufkommen des neuen Autoritarismus) ist seine Devise. Dies
ist die Art und Weise, eine Beschäftigung mit dem
Recht und eine
Oberlieferung
desselben
zu garantieren, die an
die soziale Realität einer engeren Schicht der Bevölkerung gebunden
ist.
Die
juristischen
Untersuchungen,
sowohl
die
öffentlich rechtlichen als auch die privatrechtlichen, die sich in den
lateinamerikanischen
Universitäten
im Umlauf
befinden,
abstrahieren von den Abhängigkeits- und Ausbeutungsbedingungen, indem sie bis zum heutigen Tag die seltenen Perioden "sozialen Friedens" extrapolieren, die auf die Niederlagen der Programme volkstümerlichen Ursprungs
folgen. 4
Dieses Zusammentreffen von Umständen, die wir soeben beschrieben
haben,
ermöglicht
und
erklärt
die
widersprüchliche
Koexistenz eines liberalen Rechtes und einer (autoritären) politischen
Praxis,
die
sich
als
seine
Negierung
erweist: Denn
so kann der traditionelle Autoritarismus definiert werden. In statt.
den
siebziger
Das Recht
neigt
Jahren dazu,
finden
wichtige
Veränderungen
im negativen Sinne die
Distanz,
die es von der Realität trennt, noch zu verkürzen, ohne die Eigenschaften zu verlieren, die wir ihm zugesprochen haben, sondern eher indem es sie verstärkt. Die autoritäre Praxis beginnt 118
sich ebenfalls in Form von juristischen Normen auszudrücken. So kann eines der zentralen Elemente des neuen Autoritarismus definiert werden."' Wenn
aber
der
Ausdruck
der
autoritären
Praxis
mittels
rechtlicher Normen ein zentrales Element des neuen Autoritarismus darstellt, erlaubt dies, als Prämisse aufzustellen, daß die Analyse
seiner
institutionellen
Struktur
einen
wesentlichen
Beitrag zum Verständnis des autoritären Staates leistet. Wie
man
sieht
erfordert
die Aufgabe
der
Untersuchung
der autoritären Institutionalisierung die Zerstörung der thematisch-ideologischen Einerseits
die
nachlässigung
Trennwand,
Kritik
am
auf die wir hingewiesen
progressiven
haben.
Denken, wegen der Ver-
der Untersuchung der Rechtsinstanz.
Andererseits
eine doppelte Erkenntnis: a) daß das
Recht
die Bildung
und die Juristen eine kapitale Bedeutung für
und Legitimation
der gegenwärtigen
autoritären
Herrschaftsprozesse haben; und b) daß
es, von wenigen Ausnahmen abgesehen
stätigen),
keine
Rechtsproblematik
kritischen gibt,
auf
(die die Regel be-
theoretischen die
sich
unsere
Arbeiten
zur
Untersuchung
stützen könnte.^ Letztlich geht es in diesem zweiten Teil der Arbeit darum, den in der-Einleitung angedeuteten Teufelskreis (Fehlen einer kritischen Strömung im Bereich des Rechts, Fehlen von theoretischen und begrifflichen Elementen, die eine tiefere Kenntnis der Besonderheit des neuen Autoritarismus
ermöglichen wür-
den) zu durchbrechen. Anders ausgedrückt: Da das Recht eine so bedeutende Rolle bei der Institutionalisierung des gegenwärtigen Autoritarismus spielt, verwandelt
sich seine Analyse aus kritischer Sicht
in ein unverzichtbares
Requisit zum Verständnis dieser Art po-
litischer
Im
Herrschaft.
Gegensatz
dazu hat die
konservative
Hegemonie, die im Bereich des Rechts herrscht, die Entwicklung einer
Begrifflichkeit
die Kenntnis daß
Soziologen,
schaftler
das
verhindert,
unserer Wirklichkeit Politologen
Rechtsproblem
und
die
heute mehr denn je für
vonnöten kritische
ignorieren
ist. Die
Tatsache,
Wirtschaftswissen-
oder unterschätzen und
119
damit die globale Effizienz seiner Analyse mindern, stellt faktisch den Beweis für das hier Gesagte dar. Bevor wir diesen Abschnitt beenden, müssen wir noch auf zwei
Dinge
hinweisen.
In der kurzen historischen
Rekonstruk-
tion, die wir im folgenden geben, werden alle diejenigen Aspekte
besonders
bevorzugt,
die
im Zusammenhang
mit
den
Verände-
rungen im Bereich des öffentlichen Rechts stehen. Die Tatsache, daß die historische Chronologie bei der Vorstellung der einzelnen
Fälle
nicht
1972, Chile
eingehalten
wird
(Argentinien
1976,
Uruguay
1973), ergibt sich aus der Betrachtung dessen, was
wir hier die juristischen Etappen des autoritären lisierungsprozesses
Institutiona-
nennen.
6 .1 Die juristischen Etappen des autoritären
Institutionalisie-
rungsprozesses Vom
juristischen
Standpunkt
aus betrachtet
können als
allgemeine Tendenz drei klar zu differenzierende Etappen im autoritären Institutionalisierungsprozeß des cono sur unterschieden werden. Die erste Etappe repressiver prinzipien
Gesetze der
DIS
ist durch die Verabschiedung
gekennzeichnet, verkörpern
die, obwohl
einzelner
sie die Grund-
und auf unterschiedliche
Weise
im Widerspruch zu den geltenden liberalen Verfassungen stehen, dennoch mit ihnen koexistieren. Dies war z.B. der Fall für das Gesetz
über
"subversive
Aktivitäten" Nr.
20 840
(Argentinien,
1974) und für das Gesetz über "Die Sicherheit des Staates und die innere Ordnung" Nr. 14 068 (Uruguay,
1972).
Die zweite Etappe zeichnet sich durch die Verabschiedung von Actas, Erlassen
oder
institutionellen
Statuten aus, denen
gegenüber die vorhergehende Verfassung sich bezüglich all jener Verfügungen der zeß"
Fall in
unterordnen
bei der
muß,
die
ihr
widersprechen.
"Acta für den Nationalen
Argentinien*
(im
Jahre
1976),
Dies war
Reorganisationsprodie
im
Artikel
des dritten Abschnitts folgendes ausführt: "Die Nationale Regierung und die Provinzregierungen werden ihre Handlungen nach den Grundzielen
120
14
orientieren, die die Militärjunta dem vorliegenden Statut sowie den nationalen und provinziellen Verfassungen auferlegte, sofern diese jenen nicht widersprechen. (Die Unterstreichungen stammen von uns.) Es ist des weiteren der Fall für die uruguayischen "Actas Institucionales" (aus den Jahren 1976 bis 1979), wo z.B. im Artikel 12 des "Verfassungsdekret" Nr. 2 steht: "Hiermit werden diejenigen verfassungsmäßigen Bestimmungen aufgehoben, die in direkter oder indirekter Weise dem im vorliegenden Erlaß Verfüg-ten widersprechen." Schließlich dekrets
Nr.
gilt dies
auch für Artikel
1, das am 11. September
Militärjunta
verabschiedet
wurde,
3 des Gesetzes-
1973 von der und
in
dem
Chilenischen es
wie
folgt
heißt: "... in Erfüllung ihres Auftrags wird die Junta die volle Wirksamkeit der Zuständigkeiten der Judikative garantieren und die Verfassung sowie die Gesetze der Republik zur besseren Durchführung der von ihr vorgeschlagenen Forderungen in dem Maße respektieren, wie es die gegenwärtige Situation des Landes erlauben wird." (Die Unterstreichungen stammen von uns.) Die dritte eines
neuen
Versuch,
Etappe
zeichnet
sich durch die Ausarbeitung
autoritären Verfassungstextes
seine
Approbation
mittels
eines
aus
sowie
durch den
Plebiszits
(das in
der Praxis mehr oder minder betrügerische Züge aufweist) zu erreichen . Diese
Klassifizierung
men, die jetzt Behandlung
kennt
selbstverständlich
Ausnah-
lediglich aufgezählt werden und die wir bei der
jedes
einzelnen
Falles
spezifizieren
und
erklären
werden. Es sind dies folgende: a) im Falle Chiles wird die erste Etappe "übersprungen", indem sofort nach dem Militärputsch eine "Acta de Constitución de la Junta de Gobierno" diktiert wird, in welcher die spätere repressive Gesetzgebung ihr Fundament hat; b) in
Uruguay
wird
der Versuch,
sie
zwar
eine
neue Verfassung
redigiert, aber
in Kraft zu setzen, scheitert auf politi-
schem Wege;
121
c) in Argentinien kam es nicht einmal bis zur Ausarbeitung einer neuen autoritären Verfassung. Die Gründe zweiten
zur
Institution und
Etappe
des Obergangs von der
(Argentinien),
der dritten Etappe
ihrem Abschluß tischen
für die Unmöglichkeit
dritten
das
Scheitern der
(Uruguay) oder der Ausgang mit
(Chile) hängen mit komplexen kulturellen, poli-
wirtschaftlichen
Faktoren
eines
jeden
dieser ge-
nannten sozialen Gebilde zusammen, deren Erklärung wir im Verlauf der historischen Rekonstruktion versuchen werden.
6.1.1 Der Fall Argentiniens: der autoritären Am
24. März
1976. Das
ideologische
Scheitern
Institutionalisierung
1976 beschlossen
die Kommandanten der drei
Streitkräfte (Heer, Marine und Luftwaffe) den Sturz der verfassungsmäßigen Regierung und damit die Beendigung des Demokrati1973 begonnen hatte. 7 Hier-
sierungsprozesses, der am 11. März mit werden, wenn Widersprüche
auch nur
unterbrochen,
für kurze
Zeit, die
die die gegenwärtige
wesentlichsten argentinische
Gesellschaft durchziehen und die sich mit ungewöhnlicher politischer
Klarheit
Es sind dies
in der Zeit zwischen
1973 und 1976
äußerten.
insbesondere:
a) die Widersprüche
im Innern der herrschenden Klasse, die die
Armee, die Oligarchie der Grundbesitzer und den am stärksten konzentrierten
Industriesektor
als einen integrierenden Be-
standteil des transnationalen monopolistischen Kapitals oder D als einen an dieses gebundenen Teil betreffen. b) die Widersprüche innerhalb der mehrheitlichen Volksbewegung, die auf widersprüchliche q Weise durch die peronistische Bewegung ausgedrückt wird. c) die Widersprüche zwischen den beiden oben genannten sozialen Gruppen. Die von der Armee angeführten Gründe für den Sturz der
verfassungsmäßigen
Regierung
unterscheiden
sich
nicht
sonderlich von denjenigen, die zur Begründung früherer Militärputschs, sei es in Argentinien oder in anderen lateinamerikanischen
Ländern,
vorgebracht
wurden:
wirtschaftliches
Chaos, Machtvakuum und Kampf gegen die Subversion. 122
Betrachten wir nun jedes dieser Argumente etwas näher. Das wirtschaftliche
Chaos wurde
zum Teil durch die Krise her-
beigeführt, die die Gesamtheit der kapitalistischen Gebilde ab 1973 durchzog;
zum andern war
es das Ergebnis des
systemati-
schen Boykotts all jener Maßnahmen von kapitalistischer Seite, die
den
mehrheitlichen
Sektoren
hätten
können. 1 ® Ein
nutzen
Beispiel hierfür ist die heftige Reaktion der grundbesitzenden Oligarchie gegenüber einem Projekt, dem es nicht einmal gelang, einen offiziellen Rang zu erhalten und das eine Steuer auf die potentielle
Rendite
des
Grundbesitzes
vorsah.
Das
heißt also
eine progressive Belastung der Ländereien, die, obwohl sie zur Produktion werden.
nutzbar
Die
gemacht
heftige
werden
Antwort,
könnten,
die
sich
unbebaut darin
gelassen
ausdrückte,
daß die Regierung beschuldigt wurde, kollektivistische zen zu fördern, 1 1
Tenden-
kann angesichts einer so eindeutig kapitali-
stischen Maßnahme, wie der eben genannten, nur verstanden werden, wenn einige
Besonderheiten
des
argentinischen
Agrarkapi-
talismus erläutert werden. Die Gruppen, die sich in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der fruchtbarsten Gebiete, d.h. der sogenannten "pampa
húmeda"
die wir
bemächtigten,
verwandeln
die grundbesitzende
sich bald
Oligarchie
in
diejenigen, 12 haben. Diese
genannt
Gruppe behält bis 1930 eine totale Hegemonie, sowohl des
innerhalb
sich an der Macht befindlichen Blocks, als auch gegenüber
der Gesamtheit
der
Gesellschaft. 1 ^
argentinischen
Nach
diesem
Datum wird sie durch den Verlust an Zusammenhalt und Konsens zu einer dominierenden Gruppe, außer im Bereich des Rechts, in dem sie
weiterhin Diese
Anfängen
und
noch
bis
Oligarchie
an sehr
vorherrschenden
der
heute
ihre
führende
Grundbesitzer,
die
imperialistischen
von
ihren
Macht Großbritannien
den war, "* betrieb eine extensive Landwirtschaft durch
beibe-
eng mit der auf internationaler Ebene damals
1
biet, das
Rolle
seine
spezifischen
verbun-
auf einem Ge-
Eigenschaften nur eine ex-
trem kleine Anzahl
an Arbeitskräften benötigt, und das dennoch
im
Vergleich
internationalen
eine
sehr
hohe
Rentabilität er-
reicht. Diese Rentabilität ist es, deren Aneignung auf diversen Wegen
(Steuern,
Kontrolle
über den Handel, Agrarreform, usw.)
123
den einzigen Weg Entwicklung
zur Finanzierung der nationalen
industriellen
darstellt.
In eben
diese
Richtung
war die genannte Steuer auf die
potentielle Rendite orientiert, die der Druck seitens der Grundbesitzer schon
im Stadium des Entwurfs
scheitern ließ. Von den
zahlreichen Schlußfolgerungen, die aus dem bisher Gesagten gezogen
werden
liert:
Noch
einer eine
können, im
autonomen soziale
ist, die
sei
hier
heutigen
lediglich die wichtigste
Argentinien
werden
die
politisch-wirtschaftlichen
Gruppe
jedoch
gehemmt,
ein
die
fundamentaler
formu-
Möglichkeiten
Entwicklung
zwar quantitativ Bestandteil
durch
unbedeutend
des
sich an der
Macht befindlichen Blocks ist, nämlich die Oligarchie der Großgrundbesitzer .' ® Was
das
Argument
des
Machtvakuums
betrifft,
dies zur Technik des modernen Staatsstreichs In der
konkreten
Situation,
sich das Machtvakuum
so
gehört
in Lateinamerika.
die wir hier beschreiben,
im letzten Drittel des Zeitraums
spitzte zwischen
1973 und 1976 zu, insbesondere nach Perons Tod im Juli 1974. In diesem
Zeitraum hatten sich die Streitkräfte bereits als Kore-
gierung
konstituiert,
rechtmäßigen
was
Regierung
Verantwortung
für
ihnen
die
die
nach
Macht
politischen
und
nach
erlaubte, der
abzugewinnen,
ohne
Entscheidungen
tragen zu
die
müssen. Der auf extensivste und willkürlichste Kampf
gegen
die
Subversion
TT~
Weise
definierte
löste die intensivste und
systema-
tischste Repression aus,
die jemals in der argentinischen Ge-
schichte
Der
vorgekommen
ist.
Staat
nimmt
terroristische
Züge
an,und das Verschwinden von Personen, "was ein 1 8 Euphemismus ist, der das Wort Völkermord verheimlichen soll", erhält den Rang einer politischen Strategie
zur Ausschaltung
eines
unmittelbar
den
erheblichen
Teils der Opposition. In folgten,
den wird
Jahren, die
es verschwindet mit
die
bewaffnete
auf
Subversion
Militärputsch
zerschlagen,
und
ihr eines der wichtigsten Elemente zur Le-
gitimation
der
Militärdiktatur.
ebenfalls,
wenn
auch
nur
formal,
Das
Machtvakuum
da die Macht
verschwindet
des
Staates im
Laufe der Zeit nicht nur die Erwartungen der Mehrheit der bürgerlichen 124
Gesellschaft
nicht
repräsentiert,
sondern
es
auch
nicht fertig bringt, die Gesamtheit der Interessen selbst der herrschenden Gruppe zu repräsentieren. Das wirtschaftliche Chaos seinerseits erreicht, gemessen an der Arbeitslosigkeit, der Inflation, der nationalen Verschuldung, usf., ein in früheren Zeiten nicht einmal vorstellbares Ausmaß. Der Vergleich der heutigen Resultate der militärischen Führung mit den zur Machtergreifung vorgegebenen Argumenten erlaubt es, der Behauptung zuzustimmen, daß "der Entschluß zum Putsch vom Moment des Volkssieges an zu keimen begann. ,.19
6.1.2 Der Zeitraum 1973 - 1976 Innerhalb dieses Zeitraums kann man drei sich klar voneinander mit
abhebende
Perioden
den Wahlen des
unterscheiden.
11. März
Die
erste
beginnt
1973, bei denen Hector J. Cämpo-
ra als Sieger hervortritt, der am 25. Mai
1973 die
Präsident-
schaft übernimmt und sich am 13. Juli 1973 genötigt sieht, auf dieselbe zu verzichten. Die zweite (nach einer kurzen Obergangsregierung im
unter
September
Peron
die
im Juli
dem
1973
Präsidenten
beginnt,
Präsidentschaft
als
der durch
übernimmt,
Abgeordnetenkammer), die erneute endet
Wahlen
mit
Juan C.
seinem
Tode
1974. Die dritte, die mit der Übernahme der Präsident-
schaft durch Isabel Peron beginnt, endet mit dem Militärputsch des 24. März 1976. Eine sorgfältige Untersuchung jeder einzelnen dieser Perioden zeigt die Fortschritte und Rückschritte in den einzelnen Bereichen, die die Widersprüche verursachen, von denen die argentinische
Gesellschaft
unter
der Militärdiktatur
durchzogen
war. Die Beschreibung der zentralen Elemente der ersten Periode ist gleichzeitig ein Grund dafür, daß wir einen viel diskutierten^" und wichtigen Sektor, nämlich den des national ge21 sinnten Bürgertums, Abschnittes 6.1.1
ausgelassen haben, als wir zu Beginn des
die sozialen Gruppen aufzählten, die den wi-
dersprüchlichen Gesellschaftsprozeß
ausmachen.
Allein die besonderen Umstände von 1973 und die peroni125
stische Bewegung ermöglichen es, das anscheinende Fehlen dieses Sektors zu verstehen. In
Argentinien
konkurrieren
1973
drei
verschiedene
Konzeptionen der Gesellschaft: "a) diejenige, die sich auf eine nicht nach Parteien repräsentative Verbindung der wirtschaftlich vorherrschenden Sektoren mit dem Staat in Richtung auf eine dem internationalen Großkapital gegenüber untergeordnete kapitalistische Entwicklung gründet; b) diejenige, die eine Neuverhandlung der Bedingungen für die Verbindung und die Beziehungen zwischen dem nationalen Kapital und dem internationalen Kapital sowie dem grundbesitzenden Bürgertum der Pampa im Rahmen eines nationalistischen Planes vorschlug, der Teilen des argentinischen Bürgertums eine Hegemoniestellung einräumen würde, und c) diejenige, die eine breitgefächerte Skala von Tendenzen repräsentierte, die ebenso sozialistische Pläne umfaßte wie staatskapitalistische, die aber im Rahmen der argentinischen wirtschaftlichen und politischen Dynamik damals eben deswegen auch in bezug auf die wirtschaftlich vorherrschenden Sektoren hochgradig konfliktgeladen waren." (22) Es ist die zweite dieser Konzeptionen, die das nationale Industriebürgertum unterstützt, da es sich in dieser, dank der klassenpluralistischen
und
widersprüchlichen
Charakteristiken
der peronistischen Bewegung, verwirklichen kann. "Die Wahloption vereinheitlichte in zwei große Blöcke einen Prozeß, der seit dem Aufkommen der neuen Regierung immer deutlicher als das Ergebnis der konfliktuellen Verquickung dreier großer politisch-historischer Strömungen erschien: (23) Die erste Periode des Zeitraumes kennzeichnet
zwischen 1973 und 1976
am besten die Tatsache, daß, obwohl das Bündnis,
das Cämpora an die Regierung brachte, sich aus nationalem Bürgertum und volkstümlichen Kreisen ("sectores populäres") zusammensetzt, die am meisten radikalisierten politischen
Organisa-
tionen dieser Jahre die Initiative ergreifen und Schlüsselpositionen
in der Verwaltung
innehaben. Diese Periode ist
gekenn-
zeichnet durch die Mobilisierung der Volksmassen, die Aufhebung
126
der von
den vorhergehenden
Regierungen
diktierten
repressiven
Gesetze und die Anhäufung von allen möglichen Forderungen, die sich seit langem angestaut haben. Angesichts des
nationalen
dieser
Kapitals
werkschaftsbewegung, stischen Peróns,
Bewegung damit
Tatsache und
appellierten
sahen,
Bündnis
die
Vertreter
Spitze der einflußreichen Ge-
die ihre Positionen
bedroht
das
die
an
dadurch
innerhalb der peroni-
die
Führerpersönlichkeit
wieder
ausgeglichen 24 daß sie die Initiative des Prozesses wiedergewinnen.
werde,
Unter diesen Umständen und mit der Absicht, das Programm des
nationalen
Kapitalismus,
zweiten Präsidentschaft den
war,
wieder
das
während
seiner
ersten
und
zwischen 1946 und 1955 praktiziert wor-
aufzunehmen,
Ubernahm
Perón
im September die
Regierung mit einem viel höheren Stimmenanteil als Cámpora. Das
wichtigste
Instrument
dieser
Etappe,
mit
dessen
Hilfe Perón die Hauptlinien seiner Politik zu verwirklichen gedachte, war ein "Soziales Bündnis" zwischen den Vertretern des Kapitals
und
Económica), CGT
der Arbeitnehmer, die
das
(Confederación
der
nationale
General
CGE (Condederación
Unternehmertum
del
Trabajo),
General
vertrat
und der
dem höchsten
gewerk-
schaftlichen Organ. Die der
Realisierung
Arbeitnehmer
die
dieses
völlige
Bündnisses
Verdrängung
politischen und gewerkschaftlichen Führungsspitzen
die Macht
tals repräsentierten
streitig
erforderte der
Kreise, die den machten.
seitens
radikalisierten offiziellen
Seitens des
Kapi-
die führenden Kreise der CGE in Wirklich-
keit das am stärksten konzentrierte nationale Kapital, mir sehr engen Verbindungen matisch
die
zum ausländischen Monopolkapital, was
Verdrängung
des
kleinen
und mittleren
auto-
nationalen
Kapitals bedeutete. Um
ihr Vorhaben
in Gang
zu bringen,
setzte
die
Regie-
rung eine Reihe von juristisch-wirtschaftlichen Maßnahmen 2 5 in die Praxis um, unter denen wir die folgenden hervorheben: 1)
Einschränkungen gegenüber 26
das Gesetz 20 557, a) ein Verbot
dem
ausländischen
Kapital
durch
das unter anderem folgendes vorsah:
ausländischer
Investitionen
in Gebieten, die an
die nationale Sicherheit gebunden s i n d ; ^ b ) Einschränkungen in
127
bezug auf den Prozentsatz am Gewinn, der wieder ins Ausland zurückfließen
durfte;
öffentliche
Diskussion
c)
Kontrolle
über
derselben
neue
Investitionen und
innerhalb des
gesetzgebenden
Organs. 2) Maßnahmen, um der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft Impulse zu geben. Sie beziehen sich im wesentlichen auf die
schon erwähnte
dens,
was
als
Steuer
einzig
auf die potentielle Rendite des Bo-
und allein weitere
Beeinträchtigung
der
Stabilität der Regierung zur Folge hatte. 3)
Verstaatlichung
der
auf
Banken
hinterlegten
Vermögen zu
staatlichen Finanzierungs- und Kreditzwecken. 43
Eine Politik
der
Neuverteilung des Einkommens mit dem Ver-
such, den Bereich der Lohnempfänger zu begünstigen. 5) Eröffnung
des Außenhandels
(der einzige
Punkt
Militärregierung
unter
von
mit
den sozialistischen
Ländern
den fünf aufgezählten, der durch die
1976 nicht
nur nicht aufgehoben,
sondern
sogar noch intensiviert worden ist). Zusammenfassend kann man sagen, daß das durch Peron eingeleitete
Programm
die
Grenzen
der
kapitalistischen
Struktur
ebenso wie diejenigen der Minimalforderungen seitens der Volksmassen (sectores populäres) auf die Probe stellte. Selbstverständlich unterschieden sich die nationalen und internationalen
Voraussetzungen
1973 erheblich
von denen, die
1945 herrschten. Das soziale Bündnis zerbrach, weil diejenigen, die ihn unterzeichneten, nicht repräsentativ
für seine gesell-
schaftlichen Grundlagen waren und weil die argentinische Wirtschaftsstruktur gleichzeitig
die
keine
bedeutenden
wirtschaftlichen
Veränderungen Grundstützen
erlaubt, wenn des
herrschen-
den Blocks intakt bleiben. Wenige Peron,
bei
Scheiterns
Tage
vor
seinem
gleichzeitiger des
Programms,
Tode
(am
1. Juli
stillschweigender mit
zwei
1 974)
drohte
Anerkennung des
drastischen
Mitteln: dem
Rücktritt und der Mobilmachung. Sein Tod und die repressive Demobilisierungspolitik,
die paradoxerweise
die eigene
Regierung
angeregt hatte, um ihre Ziele durchzusetzen, begruben schließlich jede Möglichkeit, dieselben wieder aufzugreifen. Die dritte Periode des Zeitraums 1973-1976 kann als eine
128
Summe
von Rückschritten
bis
den.
An
stehen
ihrem
Anfang
zum Militärputsch zwei
betrachtet wer-
bedeutende
Fakten:
Entfernung der CGE von der Führungsspitze der Wirtschaft
28
Die und
die offen ausgesprochene Bitte seitens einiger Gruppen des herrschenden Weise
Blocks
an die Adresse
der Streitkräfte,
auf
direkte
die Führung des Prozesses in die Hand zu nehmen. Diese
behielten, obwohl
sie den Kampf gegen die Subversion aufgenom-
men hatten, was faktisch die militärische Kontrolle des Landes 29 bedeutete, fast während dieser ganzen Periode eine "Spielerhaltung" bei und hofften
auf die Abnutzung
und den
Zusammen-
bruch der Regierung. Während der Perón
ersten Monate
einige Maßnahmen,
ihres Mandats ergriff
Isabel
die vermuten ließen, daß sie die Füh-
rung der Wirtschaft so beibehalten wollte, wie sie in der vorangegangenen Etappe gewesen war. Im Einvernehmen mit dieser wurde versucht, die Politik der Neuverteilung der Einnahmen zu stützen; und
es
wurden
für das
die
Tankstellen
Land nachteilige
für
Brennstoff
Verträge über
verstaatlicht
Telefonverkabelung,
die mit den Firmen Siemens und ITT abgeschlossen worden waren, wurden annuliert. In
der
Praxis
haben
diese
Maßnahmen
dennoch
bloß
einen symbolischen Charakter. Die Leitung der Gewerkschaft, die in der vorhergehenden Periode die wichtigste Stütze der Regierung gewesen war, beginnt kommnisse zieren.
sich allmählich angesichts der Vor-
innerhalb der Exekutive von der Regierung zu distanIn diesem
und unheilvolle
Zusammenhang
müssen
Person hinweisen,
gentiniens
in diesem
Zeitraum
José
Rega.
Unbekannter
Lopez
Ein
wir
auf
eine
seltsame
ohne die die Geschichte Ar-
ohnehin nicht
zu erklären ist:
innerhalb und außerhalb der
peronistischen Bewegung mit der Vergangenheit eines Polizisten, Astrologen und Mitglieds einer Geheimsekte, der zum wichtigsten Berater
Isabel
Peròns,
zum
Minister
für
die
Sozialwohlfahrt
(ein Amt, das er seit dem 25.3.1973 innehatte) und zum starken Mann des Regimes wurde. Es fällt schwer anzunehmen, daß man von einer derartigen Person, außer reiner Machtgier und der Plünderung der öffentlichen Mittel, programm
einen Nutzen
erwarten
kann.
für ein ganz bestimmtes
Dennoch
erwies
Regierungs-
sich objektiv
gesehen 129
und den Umständen entsprechend klar, daß seine Wirtschaftspolitik^" und die R e p r e s s i o n " dem herrschenden Block zugute kam. Die kurz
in dieser
gesagt,
die
Zeit
in Gang gesetzte Politik
Negierung
des
Wahlprogramms
Schon gegen die Mitte des Jahres
bedeutete,
vom
März
1973.
1975 wurde deutlich, daß der
einzige Weg, die Regierung zu erhalten, darin bestand, die Präsidialgruppe
zum Repräsentanten der Interessen der
zenden Oligarchie
und des
transnationalen
grundbesit-
Kapitals zu machen.
Dies nahm in einem Vorschlag Gestalt an, der von der Gruppe um Isabel Peron ausging, und der den Streitkräften die "Bordaberisierung"
der
Präsidentin
Konkretisierung Zu
riet, 32
was
aber
natürlich
nicht
zur
gelangte.
Beginn
des
Jahres
1976
erlebten
die
durch
die
Regierung, die sie selbst gewählt hatten, unterdrückten sozial schwachen
Bevölkerungsschichten
sungsmäßigen gendeinen
Regierung,
Zug
zu
bei
erkennen,
den
Untergang
einer
verfas-
der es bereits unmöglich war, irder
die
Verteidigung
ihrer
Sache
hätte in Gang bringen können.
6.1.3 Die institutionelle Struktur der Militärdiktatur Das 1976
Programm,
durchzuführen
sellschaft
nicht
das die Streitkräfte
beabsichtigten,
im März
war der
gänzlich unbekannt.
des
Jahres
argentinischen Ge-
Im Juni
1968 stürzte der
General J.C. Ongania die verfassungsmäßige Regierung der Radikalen Partei
unter
der Leitung
von Arturo
Illia und
richtete
eine Diktatur e i n , " die man aus heutiger Sicht als einen Versuch für die jetzige betrachten kann. Dennoch
hat
der
Abstand
zwischen
den
politischen und
wirtschaftlichen Situationen im Hintergrund der beiden Diktaturen mindestens zwei bedeutende Unterschiede zur Folge. Der Umsturz von 1966 fand in einem wirtschaftlichen Kontext statt, in welchem für das Land eine Etappe relativ beständigen Wachstums ohne ernsthafte äußere Krisen begann, die gerade bis 1976 anhielt. Zu diesem letzteren Zeitpunkt hingegen befand sich Argentinien internationalen Verpflichtungen gegenüber am Rande der Zahlungsunfähgikeit. Als Folge dieser unterschied-
130
liehen
Situation
war
der
soziale
Konfliktgrad
zwischen
dem
herrschenden Block und den sozial schwachen Bevölkerungsschichten (sectores populäres) in der ersten Periode um etliches niedriger.
Dies hat
stulate wird.
der Bei
seine Wirkung auf die Interpretation der Po-
DIS, dem
welche
von
Verhältnis
beiden
Diktaturen
Entwicklung/innere
vertreten Sicherheit,
wurde 1966 der Akzent auf das erste Element gesetzt. Unter den 1976 herrschenden Umständen hingegen drängte die innere Sicherheit
für den Kampf gegen die Subver34 sion alles, was die Entwicklung betraf, in den Hintergrund.
Es
als
ist
Legitimationsversuch
gerade
die
spezifische
Form,
die der
Kampf
gegen die
S u b v e r s i o n ^ annahm, die zu einem großen Teil die Erklärung des Umsturzes von 1976 ermöglicht. Dies insbesondere, weil man sich die Frage stellen kann, worin denn eigentlich die Notwendigkeit einer
direkten
militärischen
Wirtschaftspolitik
und
Intervention
überhaupt
die
letzten peronistischen Regierungsperiode sen des herrschenden ja
schon
alles,
was
Blocks die
der
und die
wenn die
Politik der
objektiv die
begünstigte, Bekämpfung
bestand,
repressive
Interes-
Streitkräfte
Subversion
anging,
selbst übernommen hatten. In seinem Werk "Faschismus und Diktatur" bietet N. Poulantzas hinreichende Elemente für eine Beantwortung dieser Frage, wenn er schreibt: "Die anderen Formen des kapitalistischen Staats erlauben die Ausübung der physischen Repression in kritischen Situationen des Klassenkampfes in breitem Maße durch ein ganzes Arsenal "verfassungsmäßiger" juristischer Gewaltmaßnahmen. Die sogenannten "freiheitlichen Demokratien" wissen sich in dieser Hinsicht sehr wohl zu helfen. Diese Staatsformen erlauben jedoch aufgrund der relativen Autonomie der ideologischen Staatsapparate häufig nicht den gezielten und konzentrierten Einsatz der Ideologie zur Rechtfertigung dieser Repression. Der Rückgriff auf die Form des Ausnahmestaats wird also nicht so sehr dann notwendig, wenn aufgestellte juristische Regeln diese Repression verbieten, sondern vor allem dann, wenn der gezielte und konzentrierte Einsatz der Ideologie, der die Repressionen begleiten muß, sich im institutionellen Rahmen der anderen kapitalistischen Staatsformen nicht mehr vollziehen kann." (36)
131
Wie wir gesehen haben, gelingt es den demokratisch-parlamentarischen Regierungen
in
akuten
gesellschaftlichen Kon-
fliktsituationen nicht, den Grad an Repression zu legitimieren, den
die
Konservierung
erfordern des
würde.
abhängigen
mentarischen
der
Dieses
Interessen
Problem
Kapitalismus.
Demokratie
des herrschenden
intensiviert
sich
In diesem gelingt
nicht
einmal,
einige
im
Blocks Kontext
es der
parla-
Grundfunktionen
auszuüben, die sie in den Ländern mit fortgeschrittenem
Kapita-
lismus ausübt. Wir meinen die Funktion, "Änderungen im Kräfteverhältnis
innerhalb des sich an der Macht befindlichen Blocks
zu erlauben, ohne schwerwiegende Umwälzungen in den Staatsapparaten herbeizuführen: dies ist grundsätzlich die Rolle der Verfassung und des R e c h t s " . ^ Unter den wirtschaftlich-politischen Voraussetzungen des abhängigen
Kapitalismus
bringt,
von
Ausnahmen
abgesehen, die
Öffnung der legalen Kanäle der Mitbestimmung (allgemeines Wahlrecht, politische Parteien, usf.) zur Bildung parlamentarischer Demokratien
automatisch
wirtschaftlich quantitative (wenn
die
werden),
die
dominierenden
Gewicht
der
minimalsten ein
für
fundamentalsten Blocks
niedrigeren
dazu
Spielregeln
Interessen
des
Dies, weil das
Schichten
demokratischen
ihre
Interessen
in Gefahr.
günstiges
tendiert
eingehalten Wahlergebnis
zu sichern, die andererseits durchaus nicht mit den
Interessen
des herrschenden Blocks vereinbar sind. Aber Problems. die
diese
Situation
Das würde
Militärdiktatur
erklärt
bedeuten, daß im
lediglich
einen
(in kritischen
Zusammenhang
mit
den
Teil des
Situationen)
Interessen
des
herrschenden Blocks funktionaler wäre als eine parlamentarische Demokrat ie. Die Tatsache aber, daß wir uns im cono sur nicht in Gegenwart der traditionellen Militärdiktatur befinden, sondern in Gegenwart strebt
eines
ist, sich
neuartigen
Autoritarismus,
der be-
in ein permanentes Herrschaftsmodell
Typs
von
zu ver-
wandeln, zwingt uns, die Analyse unter Miteinbeziehung der Elemente, die eine
befriedigende
Antwort möglich machen, zu ver-
tiefen . Es
ist
nicht
allein
die Schwierigkeit
oder
Unmöglich-
keit, die Interessen des herrschenden Blocks mit denjenigen der
132
sozial schwachen Schichten zu vereinen, die die allgemeine politische
Krise
Ausdruck
der
in Lateinamerika verursacht
autoritäre
neuen Autoritarismus
Staat
(eine Krise, deren
ist). Um die Besonderheiten des
zu verstehen, muß
ebenfalls all dem Auf-
merksamkeit geschenkt werden, was sich auf die Widersprüche im Innern
des
herrschenden
durch den hohen Grad er sich zusammensetzt, Schichten
und
bezieht,
welcher
sich
der Gruppen,
gerade
aus
denen
auszeichnet.
Zusammenfassend: teren
Blocks
an Heterogenität
Wenn die Widersprüche
dem
herrschenden
Block
zwischen den unentscheidend sind
für die Erklärung des Aufkommens der traditionellen Militärdiktatur,
so
sind
die
Widersprüche
innerhalb
des
herrschenden
Blocks für die Erklärung des Aufkommens der Militärdiktatur des neuen Typs, des neuen Autoritarismus,
entscheidend.
Es muß hinzugefügt werden, daß das oben gebrauchte Wort "entscheidend" nicht im ausschließlichen Sinn verstanden werden darf. Man darf im Gegenteil nicht vergessen, daß die Widersprüche
im
Innern des
Militärdiktatur zwischen
herrschenden
ebenso
Blocks
vorhanden
bei
sind
der
wie
traditionellen
die
Widersprüche
diesem und den niederen Schichten im Falle des neuen
Autoritarismus. Wir haben
im Verlauf
dieser Arbeit mehrmals
behauptet,
daß ein zentrales Element des neuen Autoritarismus der Versuch sei,
auch
juristisch und
in
relativ
sind. Als Beweis hierfür werden wir im fol-
gentinische
institutionelle Militärregierung
Grundnorm 1976
Praxis
Herr-
explizit autoritär die
in der
Form
auszudrücken,
genden
die
vermittelter
schaftsbeziehungen
vorstellen,
ausgearbeitet
offen und
die hat.
die arZunächst
aber, und als Hypothese, deren Gültigkeit wir auch auf die Fälle
in Uruguay
und Chile ausweiten möchten, weisen wir auf die
fünf Grundfunktionen dieser
Institutionalisierung
hin. Es sind
dies: a) die Legitimierung der gewaltsamen Lösung des konflikts
durch
die
Kriminalisierung
des
Gesel1schafts-
politischen Pro-
tests der sozial schwachen Schichten (sectores populäres); b) die
Absicht
der
Streitkräfte,
zu
verbleiben,
erkennen zu
lassen;
133
c) ein
Mindestmaß
an
"Demokratie"
im
Innern des
herrschenden
Blocks zu gewährleisten; d) die Abhängigkeit der Judikative von der Exekutive zu verankern und e) die Vorherrschaft der Streitkräfte
innerhalb des
herrschen-
den Blocks abzusichern.
6.1.4 Inhalt der autoritären Der
Begriff
Institutionalisierung
Institutionalisierung
darf
nicht
im
ein-
schränkenden Sinn verstanden werden, der sich lediglich auf das Grundgesetz (Verfassung) bezieht, sondern im weiteren Sinn, der sie
als
"Konsolidierungsprozeß
durch die Herausbildung
einer
einer
politischen
Bürokratie
Herrschaft
und eines
kompletten
38
Organisationssystems" diese
Organisierung
ausweist. Im modernen Staat drückt sich grundsätzlich
durch positive
Rechtsnormen
sowohl öffentlicher wie auch privater Art aus. Nun steht fest, daß die Verfassung die oberste Rechtsnorm ist oder sein sollte, von der sich die Gültigkeit der untergeordneten
Rechtsordnungen,
die die institutionelle Struktur vervollständigen, ableitet. Mit dem Ausdruck
"sein sollte" möchten wir auf zwei problematische
Aspekte dieser Thematik hinweisen, die wir im folgenden behandeln. Selbst kann
man
eine
in
den
modernen
steigende
parlamentarischen
Tendenz
zu Gesetzen
Demokratien
feststellen, die
zwar wesentliche Bedeutung für das Leben der Nation haben, aber entweder im Grundgesetz keine Rechtfertigung haben oder diesem klar entgegengesetzt
sind, was man im Verfassungsrecht Verfas-
sungswidrigkeit von Gesetzen nennt. Außerdem
kommt
die
in
Lateinamerika
weit
Praxis der neuen autoritären Regime hinzu, "Actas
verbreitete Instituciona-
les", "Estatutos Revolucionarios", usf. zu diktieren, denen die Verfassung untergeordnet wird. Im ersten Teil haben wir es mit einer faktischen Tendenz zur Unterordnung der Verfassung zu tun, die sich im Kontext des fortgeschrittenen ments haben. 134
äußert,
was
Kapitalismus wir
als
im Bedeutungsverlust
des Parla-
latenten Autoritarismus
bezeichnet
Im zweiten Fall stellt der Autoritarismus
eine Realität
von Rechts wegen dar. Oder anders ausgedrückt, der Grad an offen autoritären gesellschaftlichen Verhältnissen, die innerhalb der Gesellschaft vorherrschen, ermöglicht und verlangt zeitig ihren juristischen Ausdruck. Diese juristische
gleichVeranke-
rung des Autoritarismus ist einer der wichtigsten und am wenigsten untersuchten
spezifischen
sur, der
dem Begriff des neuen Autoritarismus
seinen
nun
die im
außerdem
Züge der Militärregime
im cono
Sinn verleiht. Wir oben
wollen
genannten
die
Veränderungen
untersuchen,
Sinn
im Recht vorkommen. Sie beziehen sich im 39 besonderen auf drei Bereiche: a) das Verfassungsrecht, b) das Strafrecht, c) das Arbeitsrecht. Das Verfassungsrecht Die am 24. März 1976 eingerichtete Militärregierung diktierte als ihre erste Rechtsmaßnahme die "Acta für den Nationa40 len Reorganisationsprozeß", durch welche folgendes bewirkt 41 werden sollte: 1.
"Die
Militärjunta
mit
den
Oberbefehlshabern
der
Streitkräfte der Nation einzusetzen, welche die politische Gewalt der Republik übernimmt." 2. "Die Mandate
des
Präsidenten
der
argentinischen Na-
tion sowie diejenigen der Gouverneure und Vizegouverneure der Provinzen
aufzuheben."
4. "Den Nationalen Kongress aufzulösen ..." 5. "Die Mitglieder des obersten Gerichtshofs abzusetzen ii 7. "Die politische Aktivität, insbesondere diejenige der politischen
Parteien
auf
nationaler,
provinzieller und
städtischer Ebene, zu unterbinden." 8. "Die organisierte Aktivität der Arbeiter, der Unternehmer und der freien Berufe zu verbieten." 10. "Nachdem die soeben aufgezählten Maßnahmen führt wurden, den Staatsbürger
durchge-
zu benennen, der das Amt
des Präsidenten der Nation bekleiden wird." Der
zweite
Abschnitt
der Acta
setzt den
Zweck und die
Grundziele des nationalen Reorganisierungsprozesses
fest:
135
1 . Zweck : "Die Grundwerte
wieder
einzuführen,
die der
Gesamtfüh-
rung des Staates als Fundament dienen, indem die Bedeutung von Moralität, Tauglichkeit und Wirksamkeit hervorgehoben wird, welche unerläßlich sind, um den Gehalt und das
Bild der Nation wiederherzustellen,
auszurotten tionalen
die
Subversion
und die wirtschaftliche Entwicklung des na-
Leben
zu
fördern,
auf
der
Grundlage
Gleichgewichts
und der verantwortungsvollen
der
Sektoren und mit
einzelnen
Einrichtung
einer
publikanischen
förderativen
dem und
Zweck,
des
Beteiligung die
spätere
repräsentativen re-
Demokratie zu sichern, welche der Reali-
tät und den Erfordernissen
für den Fortschritt des ar-
gentinischen Volkes angemessen sein wird." (Die Unterstreichungen stammen von uns.) 2. Grundziele: "Den Werten der christlichen Moral, der nationalen Tradition
und
der
Würde,
Argentinier
zu sein, Geltung zu
verschaffen." 2.3 "Die nationale Sicherheit herauszustellen, indem die Subversion und die Ursachen, die sie begünstigen, ausgerottet werden." (Unsere Unterstreichung). 2.4 "Die vollständige Geltung der Rechtsordnung und der gesellschaftlichen
Ordnung
zu sichern."
(Unsere
Unter-
streichung) . 2.5 "Die Konkretisierung einer sozio-ökonomischen Situation,
die
völlige
die nationale
Entscheidungsgewalt
sowie die
Entfaltung des argentinischen Menschen
sichert,
wobei der Staat die Kontrolle über die vitalen Bereiche beibehält, die der Sicherheit und der Entwicklung dienen und
der
privaten
Initiative
und
dem
privaten
Kapital
ebenso wie dem nationalen und dem ausländischen die notwendigen
Bedingungen bietet, um eine reibungslose Teil-
nahme am Prozeß der rationellen Ausnutzung der Mittel zu gewährleisten,
indem jede Möglichkeit
ihrer
Einmischung
in die Machtausübung neutralisiert wird." (Unsere Unterstreichung) . 136
2.9 "Internationale Präsenz in der westlichen Welt, unter
Beibehaltung
verstärkter
der
Präsenz
Selbstentscheidungsgewalt
Argentiniens
und mit
im Konzert der
Natio-
nen ." 42 Der
dritte
Abschnitt
der
Acta
setzt die
Grundnormen
fest, nach denen die Nationale Regierung vorgehen wird. Artikel 1: "Die
Mi 1itärjunta, bestehend
aus
den Oberbefehlshabern
der Ar-
mee, der Flotte und der Luftwaffe, wird als oberstes Organ der Nation
über das normale Funktionieren der übrigen Staatsgewal-
ten wachen ..." (Unsere Unterstreichung). Artikel 2: "Die Militärjunta kann, wenn sie es aus Gründen der Staatsräson für angebracht hält, den Staatsbürger absetzen, der als Präsident der Nation fungierte und mittels eines noch zu bestimmenden Verfahrens einen Vertreter designieren. Gleichfalls wird sie anfänglich die Mitglieder des obersten Gerichtshofs der Nation absetzen und designieren, ebenso wie die Leitung der Staatsanwaltschaft und des Rechnungshofs." Artikel 3: "Die Militärjunta wird nur bei vollzähliger
Anwesenheit
Mitglieder
einfache
tagen
mehrheit annehmen
und
ihre
Beschlüsse
durch
ihrer
Stimmen-
..."
Artikel 5: Die
gesetzgebenden
dem
Kongress
Befugnisse,
verleiht,
sich ausschließlich
werden
auf die
die
die
nationale
einschließlich
Verfassung
derjenigen, die
eine oder andere Kammer
beziehen,
durch den Präsidenten der Nation wahrgenommen werden, mit Ausnahme derjenigen,
die in den Artikeln 45, 51 und 52, sowie in
den Absätzen 21, 22, 23, 24, 25, 26 des Artikels 67 vorgesehen sind. Eine
beratende
Gesetzeskommission
wird
an der Bildung und der
Beurteilung der Gesetze gemäß dem für sie festgesetzten Verfahren beteiligt sein. (Unsere Unterstreichung). Artikel 8: "Die beratende Gesetzeskommission wird aus neun oberen Offizie-
137
ren zusammengesetzt
sein, wobei aus jeder Teilstreitkraft drei
designiert werden. (Unsere Unterstreichung). Artikel 9: "Zur Besetzung offener Stellen am Obersten Gerichtshof, bei der Staatsanwaltschaft
und
beim
Rechnungshof
wird
der
Präsident
der Nation die von der Militärjunta vorgenommenen Nominierungen bestätigen.
Die Ernennung
der Richter
aus den
untergeordneten
Gerichtshöfen erfolgt durch den Präsidenten der Nation." Artikel 14: "Die
Nationale
sowie
die
Provinzialregierungen
werden
ihre
Handlungsweise den Grundzielen, die die Militärjunta festgelegt hat,
dem
vorliegenden
Statut
sowie der Nationalen
Verfassung
und den Verfassungen der Provinzen angleichen, soweit sie diesen nicht entgegengesetzt sind." (Unsere Unterstreichung). 43 ments
Der
autoritäre
Charakter
des
soeben
zitierten
ist offensichtlich genug, so daß allgemeine
Doku-
Bemerkungen
diesbezüglich überflüssig werden. Es gibt lenen
jedoch noch einen Aspekt, der in der
Phraseologie
des
eine zentrale Bedeutung Diese stellt
"Acta
Textes
beinahe
versteckt
geschwol-
ist, und dem
zukommt.
für
den
Nationalen
Reorganisationsprozeß"
eine provisorische Kompromißlösung
zwischen zwei Haupt-
gruppen des herrschenden Blocks dar: den Streitkräften und der 44 Oligarchie der Großgrundbesitzer. Die des
Heterogenität
herrschenden
wirtschaftlicher
Blocks Art.
und
die
beziehen
Widersprüche
sich
Diese Aspekte
nicht
nur
im
Innern
auf
Aspekte
sind vielleicht
geeignet,
um die Widersprüche zwischen der Oligarchie der Großgrundbesitzer und dem industriellen Großbürgertum die Widersprüche
zu erklären. Um jedoch
zwischen den Streitkräften und den Großgrund-
besitzern zu erklären, sind die unterschiedlichen
Auffassungen
im Bereich des Rechts und der Politik von größerer Bedeutung. Eine Untersuchung wie die unsere geht von der Zurückweisung der vereinfachenden Auffassungen aus, die die Streitkräfte als eine Institution ohne eigenes Programm betrachten, die durch die Oligarchie und den Imperialismus völlig manipulierbar ist. 45 Im Gegenteil besteht in den letzten Jahren sogar die zu-
138
nehmende Tendenz zu einer gewissen Autonomie der Streitkräfte, die sich
in der
chen Konzepts
Formulierung
ausdrückt.
eines eigenen
L.H. Schiffrin
politisch-rechtli-
erkennt dies z.B. und
formuliert es folgendermaßen: "Außerdem, wenn auch die Militärdiktatur dazu bestimmt ist, das Verbleiben der traditionellerweise herrschenden Klasse zu unterstützen, so identifizieren sich die Streitkräfte, wie manipuliert sie sonst auch sein mögen, nicht völlig mit dieser Klasse, sondern werden von anderen Bereichen her beeinflußt und lassen nicht davon, ab, nach der autonomen Ausübung~der unbegrenzten Macht zu streben, die sie sich selbst zusprechen ." (46) (Unsere Unterstreichung). In
ähnlicher
Weise
läßt
sich
diese
Autonomie
aus
den Texten herauslesen, die zum eigenen "internen" Gebrauch der Militärgewalt verfaßt waren: "Dieser ganze Prozeß (der Nationalen Reorganisierung) geht von einer einzigen Legitimitätsquelle aus: den Dokumenten des 24. März 1976. Zu keinem Zeitpunkt darf daher eine offene oder indirekte Übertragung der Legitimität auf andere Quellen stattfinden. Dieser Plan darf weder den führenden Persönlichkeiten zur Begutachtung unterbreitet werden, was hieße, ihnen im voraus Repräsentativität zu verleihen, noch darf er Gegenstand von Plebisziten werden, die, auch wenn sie günstig ausgehen, die Wiedereinführung des demagogischen Begriffs des "pueblo" als Voraussetzung haben und diesem letztendlich einen politischen Mythos zuschreiben: Die Souveränität." (47) Diese Autonomie der Streitkräfte erreichte ein beträchtlisches Ausmaß im Bereich des Rechts und der Politik.
Innerhalb
der Streitkräfte herrschten als ideologisches Programm die Formulierungen der DIS vor. Innerhalb der grundbesitzenden Oligarchie war
(und ist auch heute noch) die Ideologie des
"Libera-
lismus" vorherrschend. Es handelt sich natürlich um einen Liberalismus, der
"angepaßt"
ist an die Voraussetzungen einer ab-
hängigen Wirtschaft, deren Berührungspunkte mit der Demokratie nach und nach auf den formalen Bereich reduziert wurden.^®
139
6.1.5 Die Veränderungen der Ideologie des Liberalismus Die wichtigsten Institutionen, in denen besagte
"angepaß-
te" Ideologie des Liberalismus Gestalt annimmt, sind drei: a) die argentinische Verfassung von 1853; b) der Oberste Gerichtshof und c) die juristischen Fakultäten Die
argentinische
Verfassung
von
1853
ist Ausdruck des
extremsten
Einflusses des politischen und wirtschaftlichen Li49 beralismus zu ihrer Zeit. Sie hatte die Funktion, einen zentral istischen Staat zu organisieren und zu stärken, welcher die Staatsform
ist, die
sich
am besten an die Notwendigkeiten so-
wohl einer grundbesitzenden Oligarchie wie auch des englischen monopolistischen Kapitals anpaßt. 5 0 Es sind dies ten,
die
eine
besondere
der
"Lesart"
Notwendigkei-
Verfassung
seitens
der
Oligarchie bestimmen, welche mittels ihrer Rechtsberater die extensivste und weiteste Auslegung der Bestimmungen bezüglich der Garantien
der wirtschaftlichen Freiheiten und gleichzeitig die
restriktivste Interpretation hinsichtlich der Bestimmungen, die die politischen Freiheiten betreffen, durchsetzen wird.''1 Der
oberste
schließlich heraus
aus den Reihen der
besetzt
Verfassung einzelnen
Gerichtshof,
wurde,
eine
hat
der
seit
seiner
Gründung aus-
Intellektuellen der
sowohl
Schlüsselposition
bei
Oligarchie
der
Interpretation der 52 innegehabt wie auch den
Militärregierungen nach 1930 als legitimierende Dek-
kung gedient. 5 3 Die
juristischen
Fakultäten
schließlich
haben
sich als
die adäquatesten Institutionen zur Vermittlung und Beibehaltung dieser vismus,
"angepaßten als
liberalen
Ideologie" erwiesen.
"wissenschaftlicher"
von der Wirklichkeit
Mechanismus,- der
zu abstrahieren,
Der es
Positierlaubt,
ist ihre bevorzugte Phi-
losophie. Dies macht der Oligarchie wichtigen
"doppelte" Verhaltensweise Als Minister
oder
der
Juristen
Funktionäre in
Positionen der diversen Militärregierungen haben sie
systematisch mitgewirkt, 140
die
verständlich.
an die
der immer
Erarbeitung
der
repressiven
Gesetzgebung
als eine Ausnahmegesetzgebung
interpre-
tiert
wird,
obgleich
in
Zeiten der Normalität elle
und
ebenso
der
Anwendungsdauer die 54 bei weitem übertrifft. Als Intellektu-
Lehrstuhlinhaber
systematisch
das
nellen Ausnahmegesetze
Praxis
haben
Studium
ihre
sie
nichtsdestoweniger
und die Lehre der
und
institutio-
ignoriert.^
Dies bedeutet, daß die Juristen der Oligarchie, wenn sie auch
bereit
sind, bis
zu einem
gewissen
Punkt
die
politische
Herrschaft der Streitkräfte hinzunehmen, indem sie aktiv an der Hervorbringung nicht bereit
megesetzgebung sollte,
der
repressiven
wie man
in eine
dauernde
Prinzipien
teilhaben,
doch
der institutionellen Ausnahhinzunehmen.
Diese
Umwandlung
der DIS entnehmen kann, durch eine Reform der
Verfassung vervollständigt die
Gesetzgebung
sind, die Umwandlung
dieser
werden, welche auf definitive
Doktrin
beinhalten
wird. Dieser
Weise
Politik
widersetzt sich die Oligarchie frontal. Dies
heißt
Streitkräfte bung,
die
mit
anderen
Worten
seitens der Oligarchie
das
Funktionieren
der
schränkt, welche die Verfassung gesehen
von
ihren
totale
Unterstützung der
für jede
Ausnahmegesetzge-
politischen
Freiheiten
garantiert. Und
Widersprüchen,
beide
Gruppen
ein-
zwar weil, abunfähig
sind,
ihre qualitative Macht (wirtschaftliche, militärische Macht) in quantiative Begriffe (Stimmen) zu übersetzen. Jedoch gleichzeitig bedeutet len
es die totale Ablehnung
Rechtsideologie
durch
die
DIS.
der Ersetzung der liberaDieses
Letztere
aus
zwei
Gründen. Erstens weil die Gegensätze hinsichtlich der volkstümlichen Sektoren herrschenden
("sectores populäres") den Kampf
Blocks
nicht
behindern.
im Innern des
In diesem Sinne
verleiht
die Beibehaltung der "liberalen" Rechtsideologie der oligarchischen Klasse Zusammenhalt und erlaubt ihr, mit besseren Aussichten den Kampf um die Hegemonie im Innern des herrschenden Blocks zu führen.
Zweitens, weil
die
"liberale"
Rechtsideologie, wie
wir noch sehen werden, auch gegenüber den volkstümlichen Sektoren ("sectores populäres") hegemonisch ist und somit das wirksamste
Instrument der Legitimation
zweifellos
als Ersatz für feh-
lende politische Hegemonie darstellt. Aus
diesen
der Militärdiktatur ren
Gründen
kann man
die autoritäre
offensichtlichster
Ausdruck
sagen,
daß
im
Argentinien
Institutionalisierung
die
Ausarbeitung
einer
- deneuen 141
explizit
autoritären
Ideologie
ist
- sich nicht gegenüber der
oligarchischen durchsetzen konnte.
6.1.6 Funktionen der autoritären Als konkrete
Institutionalisierung
Exemplifizierung
dessen, was
im Vorausge-
gangenen gesagt wurde, sei nun aufgezeigt, wie sich die Gegensätze zwischen der grundbesitzenden Oligarchie und den Streitkräften in der "Acta" ausdrückt. Der erste
Teil
derselben,
durch welchen sich die Mili-
tärjunta konstituiert (Artikel 1), der verfassungsmäßige dent abgesetzt wird (Artikel Parteien hoben
(Artikel
wird
7) sowie diejenige
(Artikel
8),
Präsi-
2), die Aktivität der politischen
stellt das
jedweder Verbände "gemeinsame
aufge-
Programm" des
herrschenden Blocks dar, in welchem keine wesentlichen auseinandergehenden
Punkte
ausgemacht
werden
können.
Die
Absetzung
der Mitglieder des Obersten Gerichtshofs stellt auch keine für die Interessen der Oligarchie hinderliche Tatsache dar, da die Mehrheit seiner Mitglieder während der peronistischen Regierung ausgewechselt wurde und ausnahmsweise nicht auf homogene Weise aus dem herrschenden Block hervorgeht. Die
Aufhebung
der
politischen
Parteien
ist von
ebenso
geringer Bedeutung für die Interessen der herrschenden Gruppe, da diese sich fast ausschließlich mittels ihrer ständischen Organisationen ausdrücken. Und wenn auch die Aktivität durch Artikel
letzterer
8 untersagt scheint, betraf dieses Verbot in der
Praxis doch lediglich die Verbände der Gehaltsempfänger. Hauptsächlich
im zweiten Teil
der
"Acta",
insbesondere
nach dem Punkt 2 (Grundziele), beginnen die Gegensätze
zwischen
beiden Gruppen Gestalt anzunehmen. Unter dem Punkt 2.3 wird die "Herrschaft der Inneren Sicherheit" festgelegt, "indem die Subversion und die Ursachen, die sie begünstigen, ausgerottet werden", was nach dem in Kap. IV Gesagten keiner weiteren Erklärung mehr bedarf. Diese Bestimmung, die ganz klar im Hinblick auf die Interessen der Streitkräfte ein Gegengewicht 142
erstellt wurde,
erhält
andererseits
in den Punkten 2.1 und 2.4, welche die "Kon-
kretisierung vierung
einer politischen Souveränität, die auf der Akti-
der
beruht
erneuerten
verfassungsmäßigen
Institutionen
..." und die "volle Gültigkeit der Rechts- und Sozial-
ordnung" bestimmen.
Dieses
bedeutet,
daß, wenn auch die Macht
im Namen derjenigen Ideologie ausgeübt wird, welche die Streitkräfte
stützt,
bietet,
und
die
die
schwache
konkreten
Legitimation, materiellen
die diese
Ideologie
Interessen, die
beide
Gruppen trennen dazu zwingen, auf die traditionellen
Instrumen-
te
auf die
"'liberale"
Dieser
Liberalis-
der
Legitimation
Rechtsideologie, mus,
das
zurückzugreifen,
die die Oligarchie
wurde
schon
gesagt,
d.h. stützt.
bezieht
sich
lediglich
auf
die wirtschaftliche Ebene. Des weiteren verankert Artikel 14 des dritten Teils diesen Gegensatz in einem System, das man "doppelte
Legitimierung"
nennen könnte. Die Nationale Argentinische Verfassung gilt, soweit
ihre
Bestimmungen
nicht
der durch die Streitkräfte dik-
tierten institutionellen Ausnahmegesetzgebung widerspricht
(Ar-
tikel 14, dritter Teil). Was wir
zuletzt
beschrieben haben, muß als der Versuch
angesehen werden, die Vorherrschaft der Streitkräfte 57! des herrschenden Blocks abzusichern. Im
dritten
Teil
der
"Acta"
legen
innerhalb
die Artikel
2 und 9
folgendes fest: "Auch wird sie (die Militärjunta) die Mitglieder des Obersten Nationalen Gerichtshofes absetzen und benennen ..." und
"Die Nominierung
richtshöfe
der
erfolgen".
Dies
Abhängigkeit
Nation muß
der Richter der untergeordneten Ge-
wird als
durch
der
der Rechtsgewalt
den
Versuch
Präsidenten betrachtet
gegenüber
der
der
Nation
werden,
Exekutive
die
zu ver-
ankern. Im die
folgenden
wenden
zu den exponiertesten
stitutionalisierung
wir
uns
nun
Grundfunktionen
zwei der
Punkten
zu,
autoritären In-
gehören, und die hier ihrer engen Verknüp-
fung wegen zusammen analysiert werden müssen: Die Garantie eines Minimums an "Demokratie" innerhalb des herrschenden Blocks und
das
Erkennenlassen
der
Absicht
der
Streitkräfte,
zu ver-
bleiben . Aus
dem,
was
wir
bis
jetzt
gesehen
haben,
läßt
sich
schließen, daß die Notwendigkeit, ein Mindestmaß an "Demokratie" 143
zu
garantieren,
folgenden
zwei
Imperativen
gehorcht:
a) den
Zusammenhalt des herrschenden Blocks zu stützen und b) die Möglichkeit zu bieten, daß Diskrepanzen eine Lösung finden können, ohne
ernstere
(Putsch
institutionelle Beeinträchtigungen
innerhalb
des
Putsches),
welche
hervorzurufen
die
Position
des
"Blocks" gegenüber den "sectores populares" schwächen würden. Für die Erfüllung dieser Funktion sieht die "Acta" ("Estatuto para el Proceso de Reorganización N a c i o n a l " ) ^ ten Teil, Artikel der chen
Geschichte
der
argentinischen
Militärdiktaturen
ist, "Beratende Legislativkommission"
ohneglei-
("Comisión de ases-
oramiento
legislativo") genannt, die gemäß Artikel
ten Teils
besagter
mengesetzt
im drit-
5, die Bildung einer Institution vor, die in
8 des drit-
"Acta" "aus neun höheren Offizieren
zusam-
sein wird, wovon drei jeweils aus jeder Streitkraft
designiert werden". Der "Regelung
vierte für
Teil
das
der
"Acta", der
Funktionieren
der
überschrieben
Militärjunta,
Exekutivgewalt und Beratende Legislativkommission"
ist mit
Nationale
("Reglamento
para el funcionamiento de la Junta Militar, Poder Ejecutivo Nacional
(PEN) y Comisión
de Asesoramiento
alles,
was
und
ihre
Bildung
Legislativo"), setzt
ihr Funktionieren
erlaubt,
Wir zitieren den gesamten Wortlaut: 3. Beratende 3.1
Legislativkommission
Zusammensetzung "Sie wird sich aus neun höheren Offizieren zusammensetzen, wovon drei jeweils aus jeder Streitkraft designiert werden.
3.2 Funktionen 3.2.1 Beratung bei der Gesetzgebung als Repräsentantin der Streitkräfte. 3.2.2 Die Nationale Exekutivgewalt (PEN) unterstützen, indem sie ihr die Interpretation des gesamten militärischen Denkens und insbesondere dessen, was in der "Acta" vorgesehen war, bereitstellt, unter Berücksichtigung der nötigen Priorität derjenigen Ziele, die im Dokument "Grundlagen" oder in den von der Militärjunta eingeführten Aktualisierungen desselben festgesetzt sind. 3.3 Zuständigkeit der Kommission 3.3.1 Teilnahme an der Bildung und Sanktion von Gesetzen der Nation im Einklang mit dem 144
fest.
unter Ziffer 4 festgelegten Verfahren. 3.3.2 Sie kann die Hinzuziehung von Ministern und Staatssekretären oder ihrer Vertreter zur Information, Beratung oder zu anderen Zwecken beantragen. 3 .4 Organi sat ion 3.4.1
Präsidentschaft: Sie wird im Rotationsverfahren für ein Jahr und mit den Modalitäten, die die Militärjunta festlegt, ausgeübt. Im Falle einer vorübergehenden Abwesenheit wird sie durch dasjenige Mitglied derselben Streitmacht vertreten, das sie zuvor innegehabt hat. 3.4.2 Sekretariat: Wird von einem durch die Streitkraft, die die Präsidentschaft ausübt, designierten Offizier wahrgenommen. 3.4.3 Unterkommissionen: Die Entwürfe werden in acht (8) Arbeitsunterkommissionen verhandelt, die jeweils unter dem Vorsitz eines der unter Ziffer 3.1 genannten höheren Offiziere stehen und um eine jeweils zu bestimmende Anzahl von Beratern erweitert sind. 3.5 Geschäftsordnung Die Amtsdauer ihrer Mitglieder ist von der jeweiligen Streitkraft festzusetzen. 3.5.2 Arbeitsweise 3.5.2.1 Für die Sitzungen der Kommission ist die Anwesenheit aller drei Streitkräfte notwendig, wobei das älteste Mitglied seine Streitkraft vertritt; in den Fällen, in denen es nötig ist, wird die Entscheidung durch Wahl herbeigeführt. Die Beschlüsse müssen mit absoluter Mehrheit gefaßt werden. 3.5.2.2 Die Bildung und die Sanktion der Gesetze wird gemäß Ziffer 4 erfolgen. 4. Bildung und Sanktion von Gesetzen 4.1
die Beratende Legislativkommission erhält von: 4.1.1 Der Präsidentschaft der Nation eine Kopie der Entwürfe, die bei ihrem Generalsekretariat eingehen. 4.1.2 Den Oberbefehlshabern der Streitkräfte eine Kopie der Entwürfe, die sich auf Aspekte beziehen, die nicht spezifisch für ihre Funktionen sind. 4.2 Die im Sekretariat der Beratenden Legislativkommission registrierten Entwürfe werden in einer Plenarsitzung derselben innerhalb von 72 Stunden nach ihrem Eingang behandelt
145
und auf ihre herausragende Bedeutsamkeit hin untersucht. Zugleich teilt die Beratende Legislativkommission der Exekutive die Liste derjenigen Entwürfe mit, die als von herausragender Bedeutsamkeit erklärt wurden, und diese kann dann jene Entwürfe sanktionieren und verkünden, die diese Qualifikation nicht erhalten haben. 4.3 Die Beratende Legislativkommission und die kompetenten Organe der Präsidentschaft der Nation werden permanent den Gang der Untersuchungen koordinieren, die die als von herausragender Bedeutsamkeit qualifizierten Entwürfe betreffen. 4.4 Die durch die Beratende Legislativkommission als von herausragender Bedeutsamkeit qualifizierten Entwürfe werden der entsprechenden Arbeitsunterkommission weitergeleitet, die innerhalb von 20 Tagen nach Erhalt, außer in den Fällen, wo es sich um den Haushaltsentwurf oder einen anderen von Natur aus oder vom Umfang bedingten komplexeren Gegenstand handelt, wobei die Frist auf 30 Tage verlängert wird, ein provisorisches Gutachten erstellen soll, das, nach vorhergehender Konsultation mit der Exekutive, der Beratenden Legislativkommission zur Beschlußfassung unterbreitet wird. 4.5 Die provisorischen Gutachten werden in einer Plenarsitzung der Beratenden Legislativkommission verhandelt, welche ein definitives Gutachten innerhalb von dreißig bis vierzig Tagen nach ihrem Eingang im Sekretariat der Beratenden Legislativkommission gemäß Ziffer 4.4 abgeben muß. 4.6 Die definierten Gutachten werden der Exekutive innerhalb der darauf folgenden 72 Stunden zugeleitet. 4.7 Die Nationale Exekutivgewalt wird die von der Beratenden Legislativkommission als von herausragender Bedeutsamkeit qualifizierten Entwürfe sanktionieren und verkünden, wenn sie dem definitiven Gutachten derselben zustimmt. 4.8 Für den Fall, daß die Nationale Exekutivgewalt dem Gutachten der Beratenden Legislativkommission nicht zustimmt, muß sie den betreffenden Entwurf zusammen mit dem definitiven Gutachten der Beratenden Legislativkommission der Militärjunta zur Lösung unterbreiten und die Gründe für ihr abweichendes Urteil darlegen. 4.9 In den Fällen von
146
Meinungsverschiedenheiten
zwischen der Nationalen Exekutivgewalt und der Beratenden Legislativkommission wird jene den als von herausragender Bedeutsamkeit qualifizierten Entwurf gemäß dem Ergebnis, zu dem die Militärjunta gelangt ist, sanktionieren und verkünden." Dieses Organ, das Funktionen erfüllt, die in Zeiten demokratischer Normalität dem Nationalen Kongress zukommen, brach mit der bisherigen Tradition, nach welcher der "caudillo militar", der die
Funktion
des "Präsidenten" ausübt, die Gesetze,
die die Gesellschaft reglementieren sollen, zumindest scheinbar als Produkt seiner eigenen Entscheidung diktiert. Diese "Beratende
Legislativkommission"
stellt
ein
typisches
Kennzeichen
der neuen Formen von Autoritarismus dar, mit denen die Streitkräfte die Macht als Institution wahrnehmen. Die Art von Demokratie sui generis, welche die Geschäftsordnung dieser besagten "Legislativkommission" ausdrückt, hatte die Funktion, "die Absicht der Streitkräfte, zu verbleiben, erkennen zu lassen". Man muß diese Absicht
sich jedoch fragen, wem bzw. welchen der
Streitkräfte
entsprach.
Zunächst
Problemen einmal den
normalen Diskrepanzen, sowohl konjunktureller wie auch struktureller
Art,
die
sich
aus
dem
relativ
autonomen
Programm
der
Streitkräfte (Geltung der inneren Sicherheit) ergeben. Ein zweiter Grund
lag
in der Tatsache,
daß
sich die Streitkräfte, in
Ermangelung politischer Parteien, über ihre eigenen
Funktionen
hinaus zu Resonanzböden der diversen Organisationsprogramme
ei-
ner Gesellschaft entwickelten. Carranza stellt dies klar fest: "Der grundlegendste Widerspruch der Streitkräfte ist es, repressiver Apparat des Partei-Staates zu sein. Er ermöglicht eine Periodisierung der Etappen des Politisierungsprozesses und dient als Matrix für das Studium der Beziehungen der Streitkräfte zu den einzelnen Klassen und Teilen der gesamten Gesellschaft, insbesondere derjenigen, die den an der Macht befindlichen Block bilden." (SIT) (Im Original unterstrichen). Fassen
wir
zusammen:
Die
autoritäre
Institutionalisie-
rung muß in diesem Falle die doppelte Funktion ausüben, die eigenen Widersprüche, die durch die militärische
Institution be-
dingt sind, zusammen mit denjenigen zu lösen, die sich aus der
147
Gesamtheit der Gesellschaft und insbesondere auch aus dem herrschenden Block selbst ergeben. Die
Legitimation
schaftskonf1ikts
der
durch
die
gewaltsamen
Lösung
Kriminalisierung
des
des
—sv—
Gesell-
politischen
Protests der sozial schwachen Schichten.
"Ich möchte auf einige Tendenzen des neuen Autoritarismus hinweisen, die die gegenwärtige Entwicklung des Rechts aufzeigt: eine zunehmende Juridifizierung der gesellschaftlichen Beziehungen ... die dazu neigt, den Gesellschaftskonflikt zu ersticken." (60) Die wirtschaftliche Abhängigkeit und die chronische politische Instabilität, zwei charakteristische Merkmale der Diktaturen
des
Grad
Unvorhersehbarkeit
an
cono
sur,
Diese Unvorhersehbarkeit zur
Zeit gegebenen
schende
Block
mit
ergeben des
unter
anderem
Verhaltens
ist dennoch
der
nicht
gewissen
hohen
absolut. Unter den
politischen Voraussetzungen einer
einen
Gesellschaft.
Sicherheit
das Verhalten der sozial schwachen Schichten
kann der herr-
voraussagen, daß (Mehrheit der Ge-
sellschaft) sich in entgegengesetzter Richtung zu seinen Interessen bewegt. All dies bedeutet, daß in Ermangelung materieller und ideologischer Elemente, die imstande wären, das - zum Funktionieren einer Gesellschaft notwendige - Mindestmaß an Zusammenhalt
herzustellen,
das
Recht
der
autoritären
Regime
dazu
tendiert, diese Funktion zu übernehmen. Die
willkürliche
Anwendung
des
Rechts
ist ein
Merkmal
von Autoritarismus im allgemeinen. Der neue Autoritarismus, der sich gerade von geht
nicht
Gerechtigkeit
durch die Beibehaltung auszeichnet,
integriert
rationaler diese
Kriterien
Praktiken und
sogar noch viel weiter: Selbst der Wortlaut der juristi-
schen Norm trägt markante autoritäre Züge. Ein
gutes
Beispiel
Arbeitsgesetzgebung
der
hierfür
ergibt
argentinischen
die
Straf-
und
Militärdiktatur. Bevor
wir jedoch auf diese Gesetzgebung näher eingehen, muß auf zwei verschiedene
Aspekte
hingewiesen
werden,
die
ihre
kritische
Analyse erheblich erschweren. Der erste, auf den schon mehrfach in dieser Arbeit aufmerksam gemacht wurde, bezieht sich auf das Fehlen eines kritischen Denkens 148
im Bereich des Rechts, nicht nur in Argentinien,
sondern
im allgemeinen innerhalb des lateinamerikanischen Kon-
textes. Dies drückt sich in den zwei völlig isolierten Richtungen aus, die die Analyse der Gesetzgebung
einschlägt.
Die kritische Analyse wird lediglich unter Berücksichtigung der politischen Intentionalität des Gesetzes durchgeführt. Auf diese Weise wird alles beiseite geschoben, was sich auf die Spezifität des Rechts und seiner konkreten Funktionen bezieht. Die
"technisch-juristische"
durch
Analyse
als
zweite
ihre ausschließlich positivistische
Variante übt,
Perspektive, eine im
wesentlichen konservierende und legitimierende Funktion im Hinblick auf ebendiese Gesetzgebung aus. Für diese Forschungsrichtung, die alles beiseite läßt, was sich auf die materiellen Inhalte
des
Suche
nach
Rechts
bezieht,
formalen
reduziert
sich die Aufgabe
auf die
Lücken und Unzulänglichkeiten. Der
zweite
Aspekt besteht darin, daß die auf der Basis der "technisch-juristisch"
orientierten
setzgebung
sich
als
Forschung
extrem
geführte
kompliziert
Analyse
erweist.
dieser Ge-
Denn die Un-
übersichtlichkeit, das Sich-Clberschneiden von Bestimmungen, die Widersprüche
und
die
fast
täglichen
Reformen
am
Gesetzestext
bilden ein weiteres, wenn auch nicht exklusives, Merkmal sondere
des
neuen
Autoritarismus.
Paradox
und
insbe-
erwähnenswert
ist, daß diese Merkmale gerade nicht Problemen "technisch-juristischer" Art entsprechen, sondern ganz im Gegenteil: Sie sind das Ergebnis der konkreten politischen Funktion, die das Recht annimmt.
Unter
den
Voraussetzungen
des
neuen
Autoritarismus
verliert das Gesetz seinen abstrakten und allgemeinen Charakter, um sich in eine Notstandsantwort
auf den Gesellschaftskonflikt
zu verwandeln.
6.1.7 Einige Beispiele der neuen repressiven Gesetzgebung Im oben
folgenden
Gesagten
werden
auszugsweise
nun einige
zur
Exemplifizierung
Straf-
und
des
Arbeitsgesetze
angeführt. Die verfassungsmäßige Regierung von 1973 annullierte mit dem
Gesetz
20.509^"
die
repressive
Gesetzgebung,
die von den
vorangegangenen de facto Regierungen erlassen worden war. Mona-
149
te
später,
schon
wurde das Gesetz
in der Etappe der peronistischen Regierung, £1 20.642 diktiert, das "Änderungen zum Straf-
recht" benannt ist und generell das Strafmaß für all diejenigen Delikte erhöhte, die im Zusammenhang mit dem Stören der öffentlichen Ordnung stehen. Es muß trotz alledem darauf hingewiesen werden, daß der Geist der Änderungen innerhalb dessen blieb, war wir die "traditionelle
Auffassung
der
inneren
Sicherheit"
genannt
haben.
Erst in jüngerer Zeit, in der dritten Etappe der peronistischen Regierung, begannen,
mit
der
Verkündigung
("Subversive A k t i v i t ä t e n " ) , ^
des Gesetzes
20.840
die Prinzipien der DIS sich auch
systematisch im Wortlaut der juristischen Normen selbst auszudrücken . Aber sich
eine
erst
nach
dem
ganze
Flut
von
Militärputsch repressiver
vom
Gesetzgebung
argentinische Gesellschaft zu ergießen. 64 So sieht das Gesetz 21.264 über Sabotage" vor, daß mit Gefängnis
bis
24.3.1976
die
begann
über
die
"Repression der
zu zehn Jahren
bestraft
wird, wer "öffentlich, gleich durch welche Mittel, zur kollektiven Anwendung
von Gewalt
und/oder zur Störung der
öffentli-
chen Ordnung anstiftet" (Artikel 1). Dieses Gesetz wurde Monate später durch das Gesetz
21.463^
außer Kraft gesetzt, das be-
stimmt, daß solche Arten von Delikten vor Militärgerichten verhandelt werden sollen, die gemäß dem Gesetz 2 1 . 4 6 1 ^
besondere
Gerichtshöfe bilden werden. Zwei weitere Gesetze, die in diesem Zusammenhang iinn Betracht
gezogen
21.325,^"
durch
werden
müssen,
sind
die verschiedene
die
Gesetze
Organisationen
21.322 als
erklärt werden. Artikel 6 beider Gesetze lautet wie folgt: "Mit Gefängnis von zwei bis vier Jahren wird bestraft, wer, wie auch immer, Aktivitäten initiiert oder an ihnen teilnimmt, die mit den in diesem Gesetz angegebenen Organisationen oder Gruppierungen in irgendeiner Verbindung stehen. Damit sind insbesondere gemeint: a) Die ideologische Organisation tung ihres Gedankenguts.
oder
Verbrei-
b) Die wie auch immer geartete Eintreibung von Mitteln zu Gunsten (direkt oder indirekt) der Aktivitäten dieser Organisationen oder Gruppierungen . 150
und
aufgelöst
c) Der Gebrauch oder das Vorzeigen von Symbolen oder Emblemen mit dem Ziel der Indoktrination, der Propaganda, der Verbreitung oder der Proselytenmacherei." Die
in
diesem
Gesetz
genannten
Strafen
erscheinen be-
trächtlich hoch, wenn man bedenkt, daß unter den Organisationen
betreffenden
einige sich ausschließlich der Verteidigung der
Menschenrechte widmen. Was die politische so wurde
sie untersagt
Aktivität
ganz
durch das Gesetz
allgemein anbelangt, 69 21.323, das wir im
vollen Wortlaut wiedergeben: "Artikel 1. Mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren wird bestraft, wer während der Geltungsdauer des Dekrets 6 der Militärjunta, das am 24. März 1976 diktiert wurde, politische Aktivitäten betreibt, worunter zu verstehen ist: a) Die Arbeit ideologisch-parteipolitischer ganisierung oder Verbreitung;
Or-
b) die Organisation oder Teilnahme an parteipolitischen Versammlungen, die als solche ausgegeben werden. c) die wie auch immer geartete Eintreibung von Mitteln zu Gunsten (direkt oder indirekt) der Aktivitäten von politischen Parteien, wie sie in den vorhergehenden Abschnitten enthalten sind; d) der Gebrauch oder das Vorzeigen von Parteisymbolen oder Emblemen mit dem Ziel der Indoktrination, der Propaganda, der Verbreitung oder der Proselytenmacherei. Artikel 2. Mit Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren wird bestraft, wer gedrucktes oder geprägtes Material, durch das Fakten, Nachrichten oder Bilder, die im Zusammenhang mit dem in Artikel 1 inkriminierten Verhalten stehen, besitzt, ausstellt, druckt, verlegt, reproduziert, verteilt oder beschafft. Artikel 3. Mit Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahr wird bestraft, wer als Verantwortlicher irgendeines öffentlichen Kommunikationsoder Informationsmediums Fakten, Mitteilungen oder Bilder sendet oder verbreitet, die im Zusammenhang mit dem in Artikel 1 inkriminierten Verhalten stehen; das gleiche gilt für diejenigen, die diese Verbreitung oder Sendung durchführen . Artikel 4. Den für die in diesem Gesetz vorgesehenen Delikte Verurteilten werden die Materia-
151
lien und Gegenstände beschlagnahmt, die sie hierfür verwendet haben. Desgleichen kann von den zuständigen Verwaltungsbehörden die Schließung für einen Zeitraum, der drei Monate nicht übersteigen darf, derjenigen örtlichkeiten angeordnet werden, wo das Material ausgestellt, gedruckt, verlegt, verteilt oder beschafft wird oder woher die Fakten, Mitteilungen oder Bilder verbreitet oder gesendet werden, die sich auf die Artikel 2 und 3 dieses Gesetzes beziehen. Artikel 5. Für die Kenntnisnahme der vorgesehenen Tatbestände ist die Bundesjustiz zuständig. Eine erneute Änderung des "Strafgesetzbuches" wurde mittels
des
Gesetzes
21.338^" erreicht, das
das Strafmaß
um ein
weiteres erhöht und in Artikel 5 die Todesstrafe einführt. Was
wir
Zusammenfassung die
bisher der
Militärdiktatur
Untersuchung
gesehen
haben,
repressiven erarbeitet
ist
nur
eine
Strafgesetzgebung, wurde.
Wir
der zusätzlichen Gesetze des
verkürzte die
verzichten
durch
auf die
Strafgesetzbuches,^ 1
um
zu sehen, wie es sich mit der Arbeitsgesetzgebung verhält. 72 Das Gesetz 21.400, genannt "Innere Sicherheit und eventuelle
Aufhebung von Zwangsmaßnahmen beiter", vor:
sah
in
seiner
seitens der Angestellten und Ar-
wichtigsten
Bestimmung
folgendes
"Artikel 1. Im Falle einer Störung der öffentlichen Ordnung oder wirtschaftlichen oder sozialen Notstands oder aber nachdem der Belagerungszustand ausgerufen wurde, kann die nationale Exekutivgewalt auf dem gesamten nationalen Territorium oder auf dem Teil desselben, wo die Störung existiert, die Durchführung von direkten Aktionsmitteln seitens der Angestellten und Arbeiter aufheben. Dies impliziert: aj Für die Arbeitgeber das Verbot der totalen oder teilweisen Aussperrung und jedes anderen direkten Aktionsmittels, das eine Unterbrechung oder Verminderung des Arbeitsrhythmuses in der Absicht, kollektive Arbeitskonflikte auszulösen, bedeuten würde. b) Für die Arbeiter das Verbot jedes Mittels einer direkten konzertierten Aktion, der Arbeitsniederlegung, der Unterbrechung oder Verminderung des Arbeitsrhythmuses, das in irgendeiner Weise die Produktion beeinträchtigen kann.
152
Aus der Lektüre des eben genannten Gesetzes ergeben sich unmittelbar
zwei
nahmen
der
Lohnempfänger
diesem
Gesetz
der
nicht
Geltung
Bemerkungen.
gibt
unter
angeht,
es
seine so
Zunächst,
verbietet
daß
und
es alle Kampfmaß-
kriminalisiert.
Gemäß
theoretisch keinen Streik oder Protest, Bestimmungen
fällt. Zweitens, was seine
ist sie de facto permanent, denn die Mili-
tärregierung, die sich am 24.3.1976
ins Amt einsetzte, hat bis 73 zum Ende ununterbrochen unter dem Belagerungszustand regiert (vgl. Artikel 1 des betreffenden Gesetzes). Et- hat nicht viel Sinn, die Arbeitsgesetzgebung weiter-
hin
zu untersuchen,
norm"
angesehen
da das genannte Gesetz
werden
kann,
die
21.400 als
"Grund-
die
Arbeitsbeziehungen zwi74 sehen dem Staat und den Lohnempfängern beherrschte. Die gesamten übrigen arbeitsrechtlichen Normen waren auf
die eine oder andere Weise von den Grundsätzen dieses Gesetzes beeinflußt. Als Konsequenz verkündete am 15. November 1979 die Militärregierung das Gesetz 22.105 über die
"Arbeiterverbände",
das durch das Dekret Nr. 640 vom 23.3.1980 reglementiert wurde. Der repressive und den Interessen der Arbeiter Charakter
ist
im ganzen Text
peinlich genaue nisterium)
des Gesetzes
Intervention des Staates
entgegengesetzte
manifest,
das eine
(durch das Arbeitsmi-
in die Aktivität der Gewerkschaften garantierte. In
diesem Sinne sind seine wichtigsten Artikel: a) Artikel 16 verlangt die "Nicht-Registrierung von Vorstrafen, die mit einer gewerkschaftlichen Funktion unvereinbar
sind."
Diese scheinbar normale und sogar empfehlenswerte Bestimmung verwandelt sich in der Praxis in eine gefährliche Quelle der Willkür
seitens
des Staates, denn das
reglementierende De-
kret Nr. 640 ermächtigt den Arbeitsminister zur Entscheidung in jedem
einzelnen
Ausfüllung
einer
tien"
(Artikel
Diese
ethischen
stimmung
konkreten
Fall. Hierfür müssen "die zur
Verbandsfunktion
nötigen ethischen
Garan-
12 des Dekrets) in Betracht gezogen werden. Garantien
sind
aber
in keiner
anderen Be-
aufgezählt.^
b) Mittels des Artikels 22 (Gesetz 22.105) wird das Verbot
von
Versammlungen oder Kongressen verfügt, "wenn nicht ihr Ablauf und die Tagesordnung der entsprechenden Behörde
(Arbeitsmi-
153
nisterium) bei Einhaltung der dafür vorgesehenen Frist mitgeteilt wurde". c) Artikel 69 des Gesetzes ermächtigt die Behörde, die gesamten Statuten jedes einzelnen Verbandes zu begutachten. Nach der Kenntnisnahme der Verband
der
Bemerkungen
innerhalb
des
Arbeitsministeriums muß
von 30 Tagen einen Text der Statuten
zurücksenden, der "wortgetreu" (sie) die Bemerkungen des Ministeriums aufnimmt. Von daher scheint man nicht mehr weit davon entfernt zu sein, daß
sich der Staat dazu ermächtigte, die Statuten jedes
einzelnen Verbandes direkt selbst zu redigieren und sich somit eine absolute Kontrolle derselben zu sichern.
6.2 Der
Fall
Uruguay
autoritären
1 972:
6.2.1 Von der Hegemonie ritären
Der
politische
Zusammenbruch der
Institutionalisierung
zur Herrschaft. Erste Etappe der auto-
Institutionalisierung
In keinem der drei Fälle, die wir hier untersuchen, erweist es sich als so schwierig, den genauen historischen Moment zu bestimmen, von dem an es möglich ist, neue Formen des Autoritarismus
zu
entdecken,
sich daraus,
daß
zur Existenz
eines
wie
spezifische
im
Falle
Uruguays.
Charakteristika
Dies
dieses
ergibt
Prozesses
Staatsstreichs in Etappen oder "in Zeitlu76 pe", wie es einmal genannt wurde .führt, was eine bisher unbekannte Situation in der "reichhaltigen" Geschichte der lateinamerikanischen Staatsstreiche Ohne
den
Eindruck
darstellt.
einer
gewissen
Willkür,
den
die
Wahl eines präzisen Datums hervorrufen mag, zu vergessen, beharren wir Jahr die
aus
1972 die
154
Synthese
uruguayische
ungeachtet der
zwei Gründen auf diesem Datum. Zunächst, weil das
eine
einiger
Verkündung
des
der gesamten Widersprüche
Gesellschaft
Präzedenzfälle Gesetzes
durchziehen. in dieser
14.068
"Ober
darstellt,
Zweitens, und
R i c h t u n g , ^ wegen die
Sicherheit des
Staates und die
Innere Ordnung"
(am 10.7. 1972 verkündet), wel-
ches den offensichtlichsten und größten Bruch mit der geltenden Verfassung bedeutet. Es
ist
Geschichte
an
dieser
Uruguays
Stelle
zu
nicht
möglich,
berichten.
Wir
viel
über die
möchten
lediglich
kurz darauf hinweisen, daß es entgegen der wirtschaftlichen Bedeutung
des Agrarsektors
pitalansammlung tinien)
einem
mit
(extensive Wirtschaft, bedeutende Ka-
ähnlichen
städtischen
Charakteristiken
Handelsbürgertum,
kapitalistischen
Modernisierung
des
Jahrhunderts
Zwanzigsten
garchie
in untergeordneter
integrieren,
indem
Agrarwirtschaft
sie
des
Landes
gelang,
die
Form
sich
sicherten,
wie
das
in
Argen-
sich mit der
befaßte,
zu
Beginn
grundbesitzende Oli-
in den hegemonischen Block zu
den
notwendigen
um die
Ertrag
industrielle
aus
der
Entwicklung zu
finanzieren. Dieses Bürgertum richtete ein weites Modell politischer Bündnisse und effektiver Verteilung der Einkünfte durch den Staat
ein, das den Sektor der Lohnempfänger erheblich be-
günstigte. Die Führung des an der Macht befindlichen Blocks von Seiten des Bürgertums ermöglicht eine kapitalistische lität,
mit
der
sich
ziert.
Auf
politischer
durch die Existenz
die
Mehrheit Ebene
zweier
der
drückt
Parteien
Rationa-
Gesellschaft sich
diese
identifi-
Rationalität
(Blanco und Colorado) aus,
denen es gelingt, mehr als 80 % der gesamten Wählerschaft aufzufangen,
da
sie
die
grundlegendsten
Macht befindlichen Blocks
Interessen 78 repräsentieren.
Hieraus ergeben sich drei wichtige
des
an
der
Folgerungen:
a) Der sich an der Macht befindende Block, dessen Grundkonzept der Gesellschaft
durch
Konsens
akzeptiert
wird,
verwandelt
sich in einen hegemonischen Block; b) Die politische und ideologische Vorrangstellung des Bürgertums
vermindert
die
internen
Widersprüche
des
sich an der
Macht befindenden Blocks auf ein Minimum; und c) die demokratische institutionelle Normalität und die politische
Stabilität
sind
im
zwanzigsten
Jahrhundert
die
Regel
bis zum Ende der sechziger Jahre. Um
die
Mitte
der
fünfziger
Jahre und
aus Gründen, die
offensichtlich nicht nur nationalen Ursprungs waren, tritt das
155
zu Beginn des Jahrhunderts eingerichtete wirtschaftliche Modell in
eine
Krise,
die definitiv gegen Ende der sechziger Jahre 79 ausbrechen wird. Außer den auf der Hand liegenden wirtschaftlichen Folgen hat diese Krise vor allem tiefgreifende Folgen in den
Bereichen
der
Politik
und
der
Ideologie.
Erhebliche
Teile der Arbeiterklasse und des Mittelstands beginnen sich von den traditionellen Parteien (Blanco und Colorado) zu distanzieren und wechseln zu den Linksparteien über, die sich immer mehr in Opposition nicht nur zur Regierung, sondern auch zum Gesell80 schaftssystem selber stellen. Die Hegemonie
des
sich an der Macht befindenden Blocks
beginnt rissig zu werden, und die verschiedenen Formen der Repression
ersetzen
allmählich
die
auf
Konsens
beruhende
Herr-
schaft . Zwei Umstände von höchster Bedeutung erklären die Besonderheit
des
Aufkommens
eines
neuen Autoritarismus
in
Uruguay
("Putsch in Zeitlupe"): a) Die große Tradition effektiver politischer Freiheit; b) die große Unerfahrenheit der Streitkräfte in der Politik und 81 in der Staatsführung. Betrachten wir nun die wichtigsten Erfolge, die der Mi82
litärputsch erzielte. Im
Dezember
1968
wurden
Sicherheitsmaßnahmen" ergriffen.
die
schon
Im Jahre
erwähnten
"raschen
1970 erhielt
Uruguay
(ein Land mit ca. 2.000.000 Einwohnern) von den Vereinigten Staaten die zweitgrößte militärische Hilfe in ganz Lateinameri83 ka. Gegen Ende des Jahres 1971 nehmen die Streitkräfte den Kampf gegen die Subversion auf®'' und es wird gleichzeitig eine Junta
von
fehlshaber
Oberbefehlshabern des
wird.
1 972
schon
zitierte
1973
Heeres,
wird
wird
der
der
der
"innere
Gesetz "Rat
der
der
Streitkräfte,
Verteidigung
sowie
dieses
stellt
156
Rates
drei
die
und
der
durch
Nationalen
gebildet,
Oberbeergänzt
erklärt
und
Zu Beginn des Sicherheit"
der sich aus vier
dem Minister Zivilisten
die
Luftwaffe
Kriegszustand"
14.068 verkündet.
de Seguridad Nacional") tanten
gebildet, Marine
des
das
Jahres
("Consejo Repräsen-
Innern und dem der
zusammensetzt.
Die
einen der ersten und wichtigsten
Bildung Schritte
der Institutionalisierung der politischen Aktivität der Streitkräfte
dar. Von da an beginnt sich die Existenz eines
Programms
zu profilieren,
das mehr und mehr
eigenen
an Autonomie und
Vorrangstellung innerhalb des herrschenden Blocks gewinnt. Gerade
zwischen
dem
Ende
von
1972
und
dem
Beginn von
1973 versuchte die bisher im hegemonischen Block untergeordnete 85 Gruppe (die grundbesitzende Oligarchie ), die die aktivste Stütze des Programms der Militärs waren, die politische
Initia-
tive wieder in die Hand zu bekommen und die Militärs zurück in die Kasernen zu schicken. Doch es war zu spät. Die Militärs,
die während des Kampfs gegen die Subver-
sion gleichsam die Totalität der Staatsapparate besetzt hatten, waren
nicht
geneigt,
schen
Macht
zu
freiwillig
verzichten.
auf die Ausübung
Dieser
Widerspruch
der
im
politi-
Innern des
herrschenden Blocks löste sich zu Gunsten der Streitkräfte. Am 27. Juni 1973 wurde das Parlament aufgelöst, die Universität militärisch besetzt und eine neue Welle der Repression gegen die "sectores populäres" ausgelöst. Dessen
ungeachtet
1976 den Präsidenten
beschlossen
Bordaberry
die
Militärs
bis
als dekorative Figur
Juni
beizube-
halten, um dem Regime einen zivilen Anschein zu verleihen.®*' Wie schon gesagt beherrschen die Militärs fast den ganzen
Staatsapparat;
und verbleibt
die
Wirtschaft
bildete
eine
Ausnahme
in den Händen von zivilen Technokraten, die die
Repräsentanten derjenigen
Interessen sind, 8die aufs engste mit 7
dem transnationalen Kapital verknüpft sind. Nach der Absetzung von Bordaberry
1976 ernennen die Mi-
litärs einen neuen Präsidenten (A. Demichelli) und richten eine Nationalrat
("Consejo
Nacional")
ein,
der
die
Parlaments erfüllen soll. Dieser Nationalrat Generälen
und
Generälen
25
Zivilisten
ernannt
Demichellis
zusammen
werden).
ernannte
der
Nach
Rat
der
(wobei
letztere
kurzen
im September
Funktionen des
setzt sich aus 21 von den
Regierungszeit
1976 als neuen Prä-
sidenten A. Mendez, der bis Ende 1981 in seinem Amt "verblieb", worauf
ihm
der
General
die Präsidentschaft Verbleiben Untersuchung
es
G. Alvarez
folgte, der
zur Zeit
noch
innehat.
wir
noch
verlangt,
etwas, bei
den
wie die Spezifität juristischen
unserer
Aspekten des 157
Prozesses
seit
Juni
zu diesem Zeitpunkt schon
erwähnten,
1973.
Die herausragendsten
Maßnahmen, die
ergriffen wurden, und von denen wir einige
begründen
sich
auf die Dekrete 464 und
der Exekutive, wobei das erste eine institutionelle ordnung
errichtet.
In
ihren
Grundsätzen
und
1.073
Obergangs-
Erwägungen
nimmt
sie die Grundpositionen der DIS auf (Zerstörung der Demokratie, um die Demokratie zu "retten"). Auch hier, ähnlich wie außerordentlichen
Maßnahmen
im Falle Argentiniens, haben die
zum
Zweck,
"den
großen
Zielen der
Verfassung wieder ihre volle Geltung zu verschaffen, um die Nation
und
Hinblick
ihre
demokratisch-republikanischen
Anbetracht
seiner
der
Institutionen im
Souveränität und 88 der höchsten kollektiven Interessen zu erneuern." In
auf die Verteidigung
nationalen
Wichtigkeit
zitieren
wir
im
folgenden den vollständigen Wortlaut des betreffenden Dekrets: Artikel 1. Die Senatorenkammer und die Repräsentantenkammer (Abgeordnete) werden als aufgelöst erklärt. Artikel 2. Es wird ein Staatsrat gebildet, der sich aus Mitgliedern zusammensetzt, die zu gegebener Zeit designiert werden und der mit folgenden Zuständigkeiten betraut wird. a) Unabhängig die spezifischen Funktionen der Generalversammlung (Parlament) zu erfüllen. b) Die Tätigkeit der Exekutive im Zusammenhang mit dem Respekt vor den individuellen Rechten der menschlichen Person und der Unterordnung dieser Gewalt unter die verfassungsmäßigen und gesetzlichen Normen zu kontrollieren. c) Die Ausarbeitung eines Vorentwurfs der Verfassungsreform, der die demokratischen und repräsentativen Grundprinzipien erneut bekräftigt und zu gegebener Zeit Gegenstand einer Volksabstimmung sein wird. Artikel 3. Es wird die Verbreitung jedweder Art von Information, Kommentar oder Prägung durch die orale oder die gedruckte Presse sowie das Fernsehen untersagt, die in direkter oder indirekter Weise das hier verfügte Dekret erwähnt oder sich auf es bezieht, indem die Exekutive diktatorischer Absichten beschuldigt wird, oder die geeignet wäre, die Ruhe und die öffentliche Ordnung zu stören. Artikel 4. Die Streitkräfte und die Polizei sind dazu befugt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die ununterbrochene Bereitstel158
lung der wesentlichen leistet ist." Das die
zweite
Dekret
Zusammensetzung
und
Dienstleistungen
Nr.
1073
vom
Arbeitsweise
des
gewähr-
18.12.1973
regelt
Staatsrates.
Wenige
Tage nach seiner Bildung, am 2.1.1974, diktiert dieser Rat eine Resolution
(die
ihre Grundlage
in den Dekreten
464 und
1.073
hat), mittels der festgelegt wird, daß zukünftig die Verfügungen des besagten Rates den Rang von Gesetzen haben werden. Kurz zusammengefaßt,
eine einfache juristische Manipulation mit dem
Ziel, die Autolegitimation zu erreichen. Die
Einzigartigkeit
des
uruguayischen
Staatsstreichs
äußert sich auch in der Tatsache, daß all seine hier beschriebenen Ergebnisse bis 1976 mit der scheinbar noch geltenden Verfassung koexistieren und unter der Amtsführung einer Exekutive in Form eines Präsidenten stattfanden, der gemäß den traditionellen Verfahren der repräsentativen Demokratie gewählt wurde. Für das Ende von 1976 war die Ausschreibung
allgemeiner
Wahlen vorgesehen. Nichtsdestoweniger wird am 12. Juni 1976 der "verfassungsmäßige"
Präsident Bordaberry abgesetzt und mittels
des "Verfassungsdekrets" Nr. 1 ("Decreto Constitucional" Nr. 1), 89 wie man es seitdem nennt, die Ausschreibung der Wahlen annuliert.
Am
selben
12.
Juni
1976
wird
das
"Verfassungsdekret"
Nr. 2 diktiert, das den Obergang zur zweiten Etappe der autoritären Institutionalisierung
darstellt.
6.2.2 Die zweite Etappe der autoritären Wir
werden
im
folgenden
das
Institutionalisierung
"Verfassungsdekret"
Nr. 2
sowie die übrigen Dekrete dieses Typs, die danach verkündet wurden, untersuchen. Zuvor möchten wir trotzdem erneut unterstrei90 chen, daß es der Artikel 12 des betreffenden Dekrets ist, der klar
den Obergang
tionalisierung
zur
zweiten Etappe der autoritären
kennzeichnet,
indem
er
alle
Institu-
Bestimmungen der
Verfassung, die sich ihm widersetzen, aufhebt. Als der Fall Argentiniens behandelt wurde, stellten wir als Hypothese fünf Grundfunktionen der autoritären nalisierung
Institutio-
auf, deren Gültigkeit auch auf die Fälle "Uruguay" 159
und "Chile" ausgeweitet werden sollte. Im Einklang hiermit len wir diese fünf Grundfunktionen besagter
zäh-
Institutionalisie-
rung nochmals auf, die als Leitfaden bei der Analyse. a) der verstreuten repressiven Gesetzgebung; b) der "Verfassungsdekrete" und c) des
neuen
Verfassungstextes
am 30.11.1980
(anläßlich
der
Volksbefragung
zurückgewiesen)
dienen sollen.
6.2.3 Funktionen der autoritären a) Die Legitimierung konflikts
durch
Institutionalisierung
der gewaltsamen Lösung des die
Kriminalisierung
des
Gesellschafts-
politischen Pro-
tests der "sectores populäres"; b) die
Absicht
der
Streitkräfte,
ihr
Verbleiben
erkennen zu
im
Innern des
herrschenden
lassen; c) ein
Mindestmaß
an
"Demokratie"
Blocks zu gewährleisten; d) die Abhängigkeit der Judikative von der Exekutive zu verankern ; e) die Vorherrschaft der Streikräfte innerhalb des herrschenden Blocks abzusichern.
a) Die Legitimierung der gewaltsamen Lösung des konflikts
durch
die
Kriminalisierung
Gesellschafts-
des
politischen
enthält
verschiedene
Protests der "sectores populäres". Das
schon
Bestimmungen, Mit
Hilfe
die
dieses
erwähnte
Gesetz
im Sinne von Gesetzes
wird
14.068
a) verstanden werden
könnten.
das Strafgesetzbuch
teilweise
geändert, indem das Strafmaß all jener Delikte erhöht wird, die im Zusammenhang mit der Störung der inneren Ordnung stehen. Die Exekutive wird ermächtigt, Versammlungen politischer Art
aufzulösen,
Ordnung
160
die
verursachen
"eine oder
Beeinträchtigung
ermöglichen"
der
(Artikel
öffentlichen 5). Es
werden
schwere Strafen und Einschränkungen verhängt, die die Redefreiheit beeinträchtigen (Artikel 21). Die
wichtigste
Bestimmung
dieses
Gesetzes
findet sich
jedoch in seinem ersten Artikel. Durch diesen werden die Delikte
gegen
die
innere
Ordnung
des
Staates
("delictos
contra
el orden político interno del Estado"), die man von nun an "die Nation beleidigend" ("Lesa Nación") nennt, aus dem Kompetenzbereich
der
schen
Gerichtsbarkeit
Justiz
Rechtsprechung
herausgenommen
und demjenigen
zugeordnet,
womit
den
schen Verfassung Nachdem der
Notwendigkeit
Opposition
rechtlichen
Institutionalisierung fassungsdekret"
253 der uruguayi-
steht.
die
politischen
Etappe
militäri-
über Zivilpersonen erlaubt wird, was in offenem
Widerspruch zu den Bestimmungen des Artikels
der
der
Militärrichtern
Nr.
sich
der militärischen verringert
Absicherung,
der
hat,
Repression beginnt die
Verankerung
und
der "neuen Ordnung", so wie es das "Ver2 in seiner
zweiten
Ausführungsbestimmung
vorsah: "Diese auf nationaler wie internationaler Ebene friedlich angenommene neue Ordnung wird institutionalisiert werden müssen ..." Es ist bezeichnend, daß,weit davon entfernt, die friedliche Annahme der "neuen Ordnung" zu erwähnen, die dritte Ausführungsbestimmung
desselben Dekrets, in völligem Widerspruch zum 91
vorausgehenden, wie folgt lautet:
"Daß diese Institutionalisierung, sowohl wegen der speziellen Situation, die das Land durchlebt, als auch wegen des internationalen politischen Klimas, weiches durch das systematische und unverhüllte Werk einer permanenten marxistischen Aggresion gestört wird, nicht durch die verfassungsmäßigen Mechanismen, die für ein normales Leben vorgesehen sind, in welchem das reguläre Zusammenspiel der politischen Parteien legitim und ohne Risiko für den sozialen Frieden ist, in die Praxis umgesetzt werden kann." Später, am 1.9.1976 und immer noch mit der Tendenz, das politische Verhalten der sozial schwachen Schichten populares")
zu
kriminalisierer.,
wird
das
("sectores
"Verfassungsdekret"
Nr. 4 diktiert, das die Grenzen der zukünftigen
Institutionali-
161
sierung zum Gegenstand hat. Mittels dieses Dekrets wird für einen
Zeitraum
von
15 Jahren die Ausübung
jedweder
politischen
Aktivität einschließlich des Wahlrechts verboten für: "Alle Kandidaten, die sich anläßlich der Wahlen von 1966 und 1971 auf den Listen der marxistischen oder pro-marxistischen politischen Parteien oder Gruppen aufstellen ließen, welche durch die Beschlüsse der Exekutive Nr. 1.788/67 vom 12. Dezember 1967 und Nr. 1.026/73 vom 26. November 1973 als illegal erklärt worden sind." (Artikel 1) In
den
Artikeln
2
und
3
wird
ebenfalls
für
einen
Zeitraum von 15 Jahren die Ausübung jeder politischen Aktivität ausgenommen des Wahlrechts, verboten für: "Alle Kandidaten, die sich anläßlich der Wahlen von 1966 und 1971 auf den Listen derjenigen politischen Organisationen aufstellen ließen, die wahltechnisch den im vorhergehenden Artikel unter a) erwähnten Organisationen angeschlossen waren ..." (Artikel 2) "a) Alle Kandidaten auf die Präsidentschaft und die Vizepräsidentschaft der Wahlen von 1966 und 1971; (Artikel 3); b) (alle) "Abgeordneten und ihre Stellvertreter der 1966 und 1971 gewählten Kammern, soweit sie das Amt bekleidet haben, mit Ausnahme derjenigen, die bei der Verkündung der jetzigen Verfassung ein Amt bekleiden." (92) (Artikel 3) (Die Unterstreichung stammt von uns) c) (alle) "Mitglieder der gegenwärtigen Direktorien der politischen Parteien." (Artikel 3) Wieder
einmal
enthebt
uns
der
autoritäre
Inhalt
sowie
die ausdrückliche Willkür der zitierten Verfügungen eines weiteren Kommentars.
b) Die
Absicht
der
Streitkräfte,
zu
verbleiben,
erkennen zu
lassen c) Ein Minimum an "Demokratie" im Innern des herrschenden Blocks zu gewährleisten In keinem der drei hier untersuchten Fälle war die Bemü-
162
hung um Institutionalisierung so groß wie bei den uruguayischen Militärs. In den letzten Jahren haben sich zwar die kollegialen Organismen politischer Entscheidung vermehrt, jedoch setzen sie sich
entweder
ausschließlich
aus
Militärs
zusammen oder
aber
sie schließen nur Zivilisten mit ein, die von den Militärs de93 signiert und kontrolliert werden. So wird dem "Staatsrat" ("Consejo de Estado"), der durch das Dekret
1.073 eingeführt wurde
(aus
Institutionalisierungs-
besessenheit), jetzt noch der "Rat der Nation" ("Consejo de la Nacion")
hinzugefügt,
geschaffen
wurde.
der
Die
durch das
"Verfassungsdekret" Nr. 2
Hauptfunktionen
des
"Rates
der
Nation"
sind: "a) Den Präsidenten der Republik, den Präsidenten und die Mitglieder des Staatsrates, die Mitglieder des Obersten Gerichtshofes, des Verwaltungsgerichts und der Instanz für Wahlrechtsklagen ("Corte electoral") zu ernennen" (Artikel 1) Wie der "Rat der Nation" gebildet wird und wie er funktionieren soll, wird im Artikel 2 festgelegt, der besagt: "Der Rat der Nation wird sich aus den Mitgliedern des Staatsrates und der Junta der Generäle ... zusammensetzen." "Seine Beschlüsse, ausgenommen diejenigen interner Art, werden mit einer Mehrheit von zwei Dritteln aller seiner Mitglieder ... gefaßt." Aus der Art der Bildung und der Beschlußfassung des "Rates "ein
der Nation" kann man ableiten, daß ihm daran gelegen ist, Mindestmaß
an
'Demokratie'
im
Innern
des
herrschenden
Blocks" zu garantieren. Dennoch erweist sich auch diese Art von Demokratie
in der Praxis als sehr beschränkt. Obwohl die zivi-
len Mitglieder höchste
des
Vertrauen
"Rates der
der Nation" Personen
Streitkräfte
genießen,
sind, die legt
das
Artikel 7
(des "Verfassungsdekrets" Nr. 2) fest: "Das Bewahren der inneren Sicherheit gehört zum direkten Kompetenz- und Verantwortungsbereich der Streitkräfte mittels der dafür im Gesetz vorgesehenen Organe." Da es nicht notwendig ist, hier noch einmal zu wiederholen, welche Ausdehnung
der
Begriff
der inneren Sicherheit an-
163
nehmen kann, ist es klar ersichtlich, daß mittels des genannten Dekrets die Streitkräfte ihre Vormacht innerhalb des herrschenden Blocks rechtlich verankern. Was "die Absicht der Streitkräfte,
zu verbleiben" anbe-
langt, so läßt sie sich daran erkennen, daß die ausschließlich aus
Mitgliedern der Streitkräfte gebildeten Organe zahlreich • j 94 genug sind. Im Falle Uruguays ist das Ausmaß der Isolierung der Streitkräfte
gegenüber
den
verschiedenen
anderen
politischen
Programmen, die innerhalb der Gesellschaft existieren, lich die
stärker
als
Absicht",
Streitkräfte digkeit, die
im Falle Argentiniens
die
ihre denn
Rückgriff litär,
einer
Führerschaft
wesentDies und
innerhalb
der
zu verhindern, führt zu einer verstärkten NotwenEinheit
"Spielregeln"
schaft,
Bildung
oder Chiles.
in
zu bewahren.
einzuhalten. diesem
auf Gewalt
innerhalb
Falle
gelöst
dessen
Dafür
Nicht können
werden,
die
ist es
gegenüber
unabdingbar, der
Widersprüche
Gesell-
durch
den
sondern gegenüber dem Mi-
"Demokratie"
respektiert
werden
muß.
d) Die Verankerung der Abhängigkeit der Judikative von der Exekutive (juristisch-ideologische Aspekte des Problems) Wir
hatten
schon
unter
dem Punkt
4.8 Gelegenheit, die
Mechanismen und Bestimmungen zu untersuchen, die besagte Abhängigkeit
festigen.
Die
theoretischen
Fundierungen
sind
ebenso
wie die rechtlichen Normen, die die Judikative in ein den Diktaten genug,
der
Exekutive
um
eine
unterworfenes
weitere
Organ
Interpretation
verwandeln, zu
explizit
erübrigen.
Dennoch
werden wir die Grundlinien dieses Prozesses rekonstruieren, um die Analyse
der juristisch-ideologischen
Aspekte
des
Problems
zu verdeutlichen. Die gegenüber
politische den
Isolierung
"sectores
der
populäres"
-
Streitkräfte, die
nicht nur
offensichtlich und
natürlich ist - sondern auch gegenüber dem herrschenden Block, spiegelt wider
164
und
sich
im allgemeinen
insbesondere
im Text der
"Verfassungsdekrete"
in den Bestimmungen,
die
sich auf die
Organisation
der
Justiz
an den historischen
beziehen.
Dies
Bildungsprozeß
ist
in direkter
der juristischen
Weise
Ideologie
in der uruguayischen Gesellschaft gebunden.
6.2.4 Politik und Recht in der uruguayischen Gesellschaft Die große Tradition der institutionellen Stabilität und des effektiven Funktionierens des demokratischen Systems ermöglicht gleichzeitig: a) Die Entwicklung und Festigung einer liberalen
Rechtsideolo-
gie, die - im Unterschied etwa zu derjenigen, die die argentinische Oligarchie keit
stützte - gemäß der sozialen Gerechtig-
die wirtschaftlichen Freiheiten restriktiv und die po-
litischen Freiheiten weit und konsequent
interpretierte;
b) die Entwicklung einer linksgerichteten Rechtsideologie, die die Entwicklungen der sozialistischen und der kommunistischen Partei begleitete, welche zwar bis zum Ende der Beehrt 5 ziger Jahre nur ein geringes Wählerpotential hatten, aber einen starken Einfluß im kulturellen Bereich besaßen; c) eine
starke,
aber
harmonisch
verlaufende
Diskussion
zwi-
schen beiden Rechtsideologien, mit Vorherrschaft der liberalen Ideologie und einer breiten Basis gemeinsamen Einvernehmens, das sich in der vereinten Verteidigung der Grundprinzipien
der
gesellschaftlichen
und demokratischen
Organisa-
tionen äußerte. Aus diesen Gründen
fehlte
es den Streitkräften,
bei der Etappe der autoritären Institutionalisierung an entsprechenden
Intellektuellen
einmal
angelangt,
im Bereich des Rechts.
Beim
Rest des herrschenden Blocks ist die Situation nicht wesentlich anders. Die Mehrheit der Rechtsgelehrten, die diesem Block angehören,
ist
nicht
in Argentinien
der
prozeß mitzuarbeiten
bereit, Fall
auch nur übergangsweise
ist) an einem
(wie dies
Institutionalisierungs-
(der die Absicht hat, sich in einen per-
manenten zu verwandeln), der die völlige Negierung der elementarsten Prinzipien des Liberalismus bedeutet. So muß der Prozeß der
autoritären Verrecht 1ichung, insbesondere
seine zweite und
165
dritte
Etappe, von
den
wenigen
eindeutig
antidemokratischen
Rechtsgelehrten durchgeführt werden, die eine kleine Randgruppe innerhalb des herrschenden Blocks darstellen. 96
Der typischste Vertreter dieser Gruppe ist Aparicio Mender außerdem das Amt des Präsidenten der Militärrepublik
dez,
zwischen
1976 und 1981
innehatte. Dieser Mangel an eigenen In-
tellektuellen im Bereich des Rechts erklärt drei weitere Eigenheiten des uruguayischen Prozesses: a) die Schwerfälligkeit der autoritären juristischen Texte; b) die Notwendigkeit, die ganze Verwaltung der Justiz explizit dem Militär unterzuordnen; und c) die Notwendigkeit,
normativ
bis
ins
letzte Detail das Ver-
halten des Rechtsorgans vorzusehen. Schließlich indirekt
und
erlaubt
teilweise
die
das
soeben
Scheitern
beschriebene
Situation,
der
Etappe der
dritten
autoritären Institutionalisierung zu erklären. Mit anderen Worten:
Dies
bedeutet,
daß
die
uruguayischen
Militärs
genügend
Macht besitzen, um einen Verfassungsentwurf zu redigieren, welcher
der
innerhalb
der
herrschenden
Klasse
geltenden
Rechts-
ideologie entgegengesetzt ist. Andererseits verursacht die Tatsache, daß diese Macht selbst innerhalb des herrschenden Blocks eines
Konsenses
dessen, was
entbehrt,
zum
die definitive
Teil
den politischen
Verankerung
Mißerfolg
der autoritären
Insti-
tutionalisierung sein sollte: eine neue Verfassung.
6.2.5 Die Umwandlung der "Rechtsgewalt" in ein "Rechtsorgan" Die wichtigsten Veränderungen, die das Funktionieren der Rechtsgewalt betreffen,
(gemäß finden
den neuen sich
in
den
Postulaten
jetzt
"Rechtsorgan")
Verfassungsdekreten
Nr.
3 und
Nr. 8. In der Ausführung
4 des Verfassungsdekrets Nr. 3 heißt
es : "Daß in unserem traditionellen öffentlichen Recht von den beiden Kardinalprinzipien, die das Machtverhältnis stützen, das negative der Teilung vorgeherrscht hat, was den natürlichen
166
Vorrang, der der Exekutive als dem Führungsorgan entspricht, kompromittierte." Diese den
Ausführung
Beschluß
der
Exekutivgewalt)
stellt
Bildung
dar,
dem
das
eines jede
militärischen, untergeordnet
theoretische
Fundament für
Justizministeriums
(Organ der
Rechtsprechung, ausgenommen der
ist.
"Es wird das Justizministerium gebildet, dem in Einklang mit den permanenten Verfassungsund Rechtsnormen die Pflege der Beziehungen zwischen der Exekutivgewalt, der Rechtsgewalt und den übrigen Einheiten der Rechtsprechung, außer der militärischen, zugeordnet wird." (Artikel 2 Verf.dekr. Nr. 3). Weniger als ein Jahr nach der Verkündung des soeben genannten Dekrets wird durch das "Verfassungsdekret" Nr. 8 im Detail
alles
der
Justiz be-
der
Begründung
dieses Dekrets, denn sie bestätigt einige der bisher
formulier-
trifft.
Wir
geregelt, zitieren
was im
die
neue
folgenden
Konzeption einen
Teil
ten Wertungen. Unter Berücksichtigung, "daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Revision der institutionellen Formen vorangetrieben werden muß, deren Anwendung unabhängig von menschlichem Versagen ihre Unzulänglichkeit und Ineffektivität angesichts der gegenwärtigen Realität gezeigt haben, ..." "Es gab eine Oberbewertung des Machtbegriffs in bezug auf die Justiz und eine Unterbewertung desselben in bezug auf die Exekutivgewalt ..." "Nach dem Verschwinden dessen, was man heute als den negativen Mythos betrachten kann, der sich aus dem Dogma der Gewaltenteilung ergab, erhält die Exekutive heute ihre natürliche Vormacht zurück, die ihr als authentischer Macht im technischen Sinne zukommt, d.h. einem Organ mit souveräner Kompetenz und der Eigenschaft der Vollstreckungsgewalt, die es bevollmächtigt, sie zwangsweise durchzusetzen, ebenso wie andere souveräne Beschlüsse, die von Organen diktiert wurden, welche nicht mit Vollstreckungsgewalt ausgerüstet wurden." "... die vorliegende Acta verankert unseres Wissens zum ersten Mal im öffentlichen Recht die Trennung des hierarchischen Verwaltungsbereichs von dem technischen mit rechtlichem und institutionellem Vorrang, der die Aktivität der Rechtsprechung charakterisiert. Deswegen ist der Gerichtshof das Organ mit dem höchsten rechtlichen
167
und institutionellen Vorrang, das aber jeden hierarchischen Vorrangs beraubt ist, was sonst, wie es bis heute geschah, die Vereinigung zweier Funktionen bedeuten würde, deren Ausübung, wenn sie nicht entsprechend dosiert sind, die korrekte Dynamik stören kann..." "Es wird die Unabsetzbarkeit der Richter festgesetzt, um ihre völlige Unabhängigkeit zu sichern, wie dies allgemein üblich ist, jedoch unter Beibehaltung der Lösung, die unsere gegenwärtige Verfassung anbietet, wird eine Probezeit festgelegt, eine interimistische Amtszeit von vier Jahren für alle Nominierungen zum Richteramt in erster Instanz, als Probezeit, die es erlauben soll, die Fähigkeit und Tauglichkeit des Richters zu beurteilen."
6.2.6 Die dritte Etappe der autoritären
Institutionalisierung.
Die neue Verfassung Gegen des Artikels beschließt fragung der
Ende
des Jahres
1980 und wie es im Abschnitt e) 97 Verfassungsdekrets Nr. 2 vorgesehen war,
4 des
die
Regierung,
vorzulegen.
"sectores
eine neue Verfassung einer Volksbe-
Das Resultat
populäres",
und
war ein klares
zwar
zum Teil
Nein
seitens
aus Gründen, die
hier schon dargelegt wurden, aber auch seitens erheblicher Teile des herrschenden Blocks. Wie
es
ein
uruguayischer
Politiker
richtig
sieht, ist
das, "was sie (die Streitkräfte) verlieren ließ, ein Kalkülfehler. Sie glaubten, daß das Schweigen eines Volkes während sie98 ben Jahren einer Zustimmung gleichkäme". Dieser Mißerfolg war jedoch für die Streitkräfte keine völlige Überraschung. Monate vor der Durchführung Ausgangs
der Volksbefragung
und ihres ungünstigen
vermehrten sich die Aussagen führender Militärs, die
voraussagten,
daß
ein
negatives
Resultat
überhaupt
nichts an
ihrem Vorhaben ändern würde. Die globale
Erfahrung
zu zeigen, daß der Übergang Institutionalisierung
des Neuen Autoritarismus
scheint
zur dritten Etappe der autoritären
entweder unter der Bedingung einer rela-
tiven Stärke und Einheit des herrschenden Blocks versucht wird (wie es
in Chile
Isolierung 168
der
Fall
und Schwäche
ist), oder
aber in Situationen von
als verzweifelter
Versuch, das
Kräfte-
Verhältnis
innerhalb
dieses 99
Blocks
zu
verbessern,
wie
es in
Uruguay der Fall war. Die
neue uruguayische
n i s c h e ) bedeutet zum
heutigen
Sie
setzt
Tag
sich
einen in
aus
Verfassung
(ebenso wie die chile-
Bruch mit
der Gesamtheit der bis
tiefen
Lateinamerika 239 Artikeln
existierenden
zusammen und
Verfassungen.
ist
in
14 Abtei-
lungen unterteilt. Bevor wir auf die Bestimmungen eingehen, die am
offensichtlichsten
zwei
der
zehn
autoritär
Abschnitte
Obergangsbestimmungen" Text der Verfassung Diese sten
Grad
sind,
ist
befassen,
bilden
und
die
es
die
nötig,
ihre
zusammen
Obergangsbestimmungen",
sich mit
"Sonder- und
mit
zur Volksabstimmung präsentiert
"Sonder- und
kontrovers
zu
dem
ganzen
wurden. die
im höch-
zu einem guten Teil die Ursache
waren und
der Niederlage des Militärprogramms waren, lauten: "II) 1. Für die nationalen Wahlen von 1981 und als entsprechende Einleitung einer Obergangszeit werden die Streitkräfte eine konzertierte patriotische Obereinstimmung mit den politischen Parteien auf der Basis von einzig nominierten Kandidaten der nationalen Einheit suchen, die es erlauben, das Werk der Nationalen Wiederherstellung fortzuführen..." III) "Alle gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Verfügungen sowie die Regierungsmaßnahmen und die seit dem 27. Juni 1973 bis zum Einsetzen der neuen Legislatur diktierten Verfügungen bleiben rechtskräftig und gültig bis sie ausdrücklich aufgehoben werden." Wie man
sehen kann
strebten
die
an, den Institutionalisierungsprozeß
"Obergangsbestimmungen"
bis zu seinen letzten
Kon-
sequenzen durchzuführen und versuchten gleichzeitig, durch Konsens
eine
rückwirkende
Legitimierung
aller
durch
die
Militär-
diktatur zustandegekommenen Maßnahmen zu erhalten. Einige Bestimmungen der "neuen Die
"neue"
(bei
der
Volksbefragung
Verfassung": zurückgewiesene)
uruguayi-
sche Verfassung besteht aus 239 Artikeln, die in 14 Abteilungen unterteilt
sind.
Zusätzlich
zu
Bestimmungen
zum Ausnahmezustand
ben,
wir
werden
menfassen,
die
im
folgenden
was
wir
bereits
über die
(Artikel 90 und 94) gesagt
einige
in eklatantestem
litischen Liberalismus
dem,
ihrer
Widerspruch
Bestimmungen
ha-
zusam-
zum Geiste des po-
stehen.
169
a) Verbot, politische Parteien zu gründen, die Verbindungen nit ausländischen Parteien
politischen
(Art.
62)
Institutionen,
aufweisen.
Man muß
Organisationen oder
sich vor Augen
führen,
daß eine solche Bestimmung im europäischen Kontext zum Beispiel u.a. das Verbot der Christdemokraten, der Sozialdemokraten und der liberalen Parteien bedeuten würde. b) Bildung eines Nationalen Sicherheitsrates, der, außer daß er praktisch unbegrenzte Befugnisse hat (innere Sicherheit, Außenpolitik, Bemerkungen zu den Gesetzesentwürfen der
Legislative,
usf.), die
als
Institutionalisierung
der Streitkräfte
politi-
sches Führungsorgan der Nation bedeutet (Artikel 77 und 88). c)
Beschränkung
der
Möglichkeit
des
Parlaments,
Amnestien zu
erlassen (Absatz 13 des ARt. 97). d) Was die Organisation
der Justiz
tisch alle Verfügungen verankert,
betrifft,
so werden
prak-
von denen wir sprachen, als
wir die Verfassungsdekrete untersuchten. Letztendlich eine explizite
Unterordnung
des
Justiz-"Organs"
unter
die
Exekutive
und eine unverhältnismäßige Ausweitung der Kompetenzen der Militärjustiz (Artikel 143 bis 155). e)
Bildung
eines
"Politischen
Kontrollgerichts"
("Tribunal
de Control Politico"), dessen Ähnlichkeit mit gleichnamigen Institutionen
in
europäischen
Demokratien
lediglich
in der Be-
zeichnung besteht. Die Mitglieder dieses Organs sollen vom "Nationalrat" nominiert werden, einem Organ, in dem die Streitkräfte vorherrschend sind (Artikel 156 und 168). Auch wenn die Unterschiede und Widersprüche dieses Verfassungstextes lich
im Vergleich mit denjenigen, die in einer wirk-
repräsentativen
Demokratie
Geltung
haben,
mit
der
kurz
dargelegten Obersicht nicht ausgeschöpft werden können, glauben wir doch, daß dies genügt, um die Existenz einer politisch gescheiterten
Absicht
zur
autoritären
gesellschaftlichen Lebens zu beweisen.
170
Institutionalisierung des
6.3 Der
Fall
Chiles:
Der
militärische
Sieg
der
autoritären
Institutionalisierung
6.3.1 Die
Regierung
der
"Unidad
Populär" als
erste
Erfahrung
des demokratischen Übergangs zum Sozialismus Wenig
lateinamerikanische
Gesellschaftsprozesse
haben
sowohl in Lateinamerika selbst wie auch in der übrigen Welt ein so intensives gen
Ende
nes Jahres den
Interesse hervorgerufen
1970
in
siegte die
Präsidentenwahlen
wie diejenigen, die ge-
stattfanden.' 0 0
Chile
Linkskoalition mit
einem
Am
4.
September
je-
der "Unidad Populär" bei
Anteil
von
36,3
I der
Stim-
men.101 Es
scheint
natürlich
paradox,
daß
in einer Gegend, die
von meist konservativen oder reaktionären Militärdiktaturen gepeinigt ist, sich auf völlig neuartige Weise und gemäß den Verfahren der
repräsentativen
liert,
ganz
die
klar
den
Demokratie Obergang
eine
Regierung
zum Sozialismus
instal-
auf
ihrem
Programm hat. Zahlreiche
Gründe
ermöglichen
das
Verständnis
der
Originalität dieses beginnenden Prozesses, wenn auch eine vorsichtige Interpretation derselben ein naives Staunen angesicht des
blutigen
Militärputschs,
der
diesem
Experiment
ein
Ende
setzte, vermeiden hilft. Am
11. September
1973 stürzten die chilenischen Streit-
kräfte, als Institution handelnd, gewaltsam den Präsidenten Salvador Allende, und damit begann ein zeß,
der
im
lateinamerikanischen
Institutionalisierungspro-
cono
sur die
autoritäre Um-
wandlung der Gesellschaft am weitesten trieb. Im und
mit
schichte
Gegensatz der
Chiles
anderen
Ausnahme
lateinamerikanischen Uruguays
die
Zeit
zwischen
1938
Ländern
kennzeichnen
lange Perioden demokratischer
Normalität, wofür Beispiel
zu
einzigen
die Ge-
institutioneller
und
1 973 das
beste
ist.
Von
den
Gründen,
teinamerikanischen
die
Kontext)
angeführt
wurden, um das
außergewöhnliche
Faktum
(im la-
der demo-
kratischen Stabilität in Chile zu erklären, stehen zwei im Vor-
171
dergrund. Der erste bezieht sich auf den apolitischen und professionellen
Charakter
der
Streitkräfte.
Daß
diese
These, die
im übrigen mehr oder weniger stark von allen Parteien der "UniPopulär" 1 "^
dad nach und
dem
vertreten
Militärputsch
war
schon
vorher
wurde,
auf von
falsch
ist, wurde
niederschmetternde einem
europäischen
spätestens
Weise
bewiesen
Wissenschaftler,
der den chilenischen Gesellschaftsprozeß beobachtete, klar for• J 103 t muliert worden. Der zweite Grund, der ohne bedeutende Veränderungen vor^"^
und
nach^"*
dem
Militärputsch
angegeben wurde,
erklärt
auf viel adäquatere Weise die Ursache der demokratischen lität
in Chile. Er bezieht
sich auf die
Hegemonie der wirtschaftlich vorherrschenden schaft.
Diese
sechziger
Hegemonie
Jahre
von
wurde
der
Teile der
Gesell-
im großen und ganzen bis
konservativen
Stabi-
ideologisch-politische
Rechten
in die
eingenommen und
von da an von den Christdemokraten.^^ Diese reele Möglichkeit, eine auf Konsens beruhende Macht über die "sectores populäres" genießen
zu können,
ist ein Grund, der sich für die
der ausgedehnten demokratischen Stabilität
Erklärung
in Chile viel besser
eignet. Daß diese These stimmt, hat die unmittelbare und explizite
Unterstützung
Partei Dieses
wie
auch
Verhalten
absolut und gen,
daß
des
Putsches
der
sowohl
seitens der
Christdemokraten
erlaubt
zur
Nationalen
Genüge
gezeigt.
den Schluß, für die Nationale
Partei
für die Christdemokraten mit kleinen Einschränkun-
die
herrschenden
Klassen
Chiles
vornehmlich
auf in-
strumenteile Art Anhänger der Formen und Inhalte der Demokratie waren. Anders gesagt, die Verteidigung der Demokratie hatte die Beibehaltung
der sozialen Organisationsformen
des
Kapitalismus
als Grenze.' Einmal "sectores
in Gang
populäres"
gesetzt
und wachsende Unterstützung der 108 genießend, mußte der Prozeß des Ober-
gangs zum Sozialismus aufgehalten werden, und sei es auf Kosten der
Beseitigung
der
Hauptlosung
Verfahren der repräsentativen
der
herrschenden
Klassen: Der
Demokratie.
Von den zahlreichen erwähnenswerten Ereignissen der Jahre
1970 bis
1973 werden wir hier nur eines herausgreifen, das
in direktem Zusammenhang mit unserer Untersuchung Als 172
wir
von
den
verschiedenen
Etappen
steht.
der
autoritären
Institutionalisierung
sprachen,
Falle Chiles nicht zutrifft stenz
einer
sagten
wir,
daß
die
erste im
(wir meinen die Periode der Koexi-
verfassungsmäßigen
demokratischen
Regierung mit
verstreuten repressiven Gesetzen, die sich direkt oder indirekt an der DIS orientieren). Diese erste Etappe läßt sich hier nicht nachweisen, weil in der Geschichte Lateinamerikas keine institutionelle Demokratie jemals
so genau
geachtet hat
auf die Wahrung
der Rechte des
Einzelnen
wie die sozialistische Regierung des Präsidenten
Allende. Das extremste Beispiel für diesen Respekt vor den individuellen eignissen
Freiheiten um
den
findet man
gescheiterten
im Zusammenhang mit den ErPutschversuch
von
Ende
Juni
1973. In einer Zeit, in der: a) die Rechte eine systematische gen die Regierung
terroristische Opposition ge-
aufstellte,
b) die Christdemokraten sich in der Opposition befanden und mit ihrem Schweigen die terroristischen Aktivitäten der Rechten schützten, c) die
Spitze
der Judikative
fast wie
eine politische
Partei
der Opposition zuzurechnen war, und d) die Streitkräfte
in
ihren
institutionellen
gungen über die Möglichkeit,
die Regierung
Gremien
Überle-
zu stürzen, an-
stellten, fand ein isolierter Putschversuch
statt. Am 29. Juni 1973 ver-
suchte der Oberst Roberto Souper einen Militärputsch, der völlig
scheiterte
Kontrolle
und sofort von den Streitkräften selber unter 1 09 gebracht wurde. Unter diesen Voraussetzungen wei-
gerte sich die verfassungsmäßige stand auszurufen. Putsch
wurde
ein
Regierung, den
Belagerungszu-
Im Gegenteil, einen Tag nach dem mißglückten "Waffen-Kontroll-Gesetz"
diktiert,
dessen
Durchführung durch die Streitkräfte gegen die "Unidad Populär" durchgesetzt wurde.''"
173
6.3.2 Der Militärputsch vom September 1973: Gewalt und Recht Am
11.
September
1973,
gleichzeitig
mit
dem Sturz der
verfassungsmäßigen Regierung und der Ermordung Präsident Allendes, verkünden
die Oberbefehlshaber
der drei
Streitkräfte und
der Kommandant der "carabineros" das Gesetzesdekret Nr. 1, mittels dessen sie sich als Regierungsjunta konstituieren 1, Ges.dekr.
und
ernennen
General
(Artikel
Pinochet,
den
Kom-
mandanten des Heeres, zum Präsidenten der Junta (Artikel 2). Trotz
des offensichtlichen anti-marxistischen und reak-
tionären Charakters des Dekrets Nr. 1 sche Haltung Umstände
"die
Respektierung
erlauben"
(Art.
3),
wird zunächst als takti-
der Verfassung, soweit es die eingenommen.
An
ebendiesem 11.
September beruft sich die Regierungsjunta auf den Absatz 17 des Artikels
72 der Verfassung und das 1. Buch, Abschnitt
III des
Militärgesetzbuches, um mit der Repression fortfahrend den Belagerungszustand für das gesamte nationale Territorium auszurufen (Gesetzesdekret Nr. 3). Die systematische und allgemeine Repression, die die Gesamtheit der "sectores populares" trifft,und die Isolierung der Militärjunta
auf
die gleichzeitig und
eine
internationaler die
Erklärung
Politik für
die
In keinem
sind die zwei
Besonderheiten
Institutionalisierungsprozesses Uruguay) wurde
Ebene
der neuen Regierung
so
ihres
autoritären
bieten.
der beiden untersuchten
eine
Fakten,
kennzeichnen
Fälle
strikt militärische
(Argentinien -
Legitimierung ver-
sucht wie in Chile. Der Umstand, daß die Errichtung des Sozialismus
eine wirkliche
Gefahr
für alle wirtschaftlich
vorherr-
schenden Sektoren darstellt, wird von der Militärjunta angeführt,
um
"die
gewaltsame
Lösung
des
ständig
gesellschaftlichen
Konflikts mit den 'sectores populares'" zu legitimieren. Eines der ersten Symptome, das schon 1973 die Behauptung zuläßt, daß wir es im Falle Chiles ganz eindeutig mit dem, was wir hier "neuer Autoritarismus" nennen, zu tun haben, ist folgendes:
Nachdem
in
des Volkswiderstandes
den
Monaten
militärisch
nach
dem
besiegt
Putsch
das
worden war,
Gros
tat die
neue Regierung alles andere, als eine baldige Rückkehr zur verfassungsmäßigen 174
Normalität
vorzubereiten,
wie
dies
von
den
Christdemokraten angekündigt und, wenn auch unter Ausschließung der marxistischen Parteien, gewünscht war, sie verstärkte vielmehr sogar noch die rechtliche Zerstörung dieser Normalität. So
beschloß
am
12. November
1973 die Militärjunta mit-
tels des Gesetzesdekrets Nr. 128, daß jedes von ihr verkündete in Konflikt mit der Verfassung gerät, die Än-
Dekret, welches
derung Letzterer zur Folge haben wird. Damit Verfassung
ist das Dekret
Nr. 1, welches festlegte, daß die
in dem Maße respektiert würde, wie es die Umstände
erlaubten, praktisch aufgehoben. Das bisher Gesagte genügt, um behaupten
zu
können,
autoritären wichtiger
Meilenstein
pienerklärung" Regierung der
dieses
folgte
Dekret
diesem
("Declaración
vom
März
Philosophie
zugleich
daß
Nr.
Institutionalisierungsprozeß
1974. des
Dekret
der
Hiermit
die
werden
"Prinzi-
Grundlinien Es
sind dies
marxistischer
und das Modell der westlichen Konsumgesellschaft.
den Als
Chilenischen
bekanntgegeben.
Sozialismus
formal
noch die
de Principios")
der Militärjunta
die Ausrottung
128
einleitet.
Prägung
In Chile - so
die Erklärung - hat der Marxismus die Grundlagen der Wirtschaft zerstört, indem die gesamte Gesellschaft politisiert wurde, und er hat die Fundamente über die
individuellen
der Demokratie dadurch untergraben, daß Beziehungen
ein mittelmäßiger
Stil zum
Vorherrschen
kam, der zusammenfassend gesagt systematisch alle 11 ? Aspekte des nationalen Lebens zerstört hat. Ende
197S
und
nach
einer Wirtschaftskrise,
durch die orthodoxe Anwendung ralismus
hervorgerufen
neues Dokument
heraus,
worden
die
des wirtschaftlichen war,
gab
die
gerade
Ultralibe-
Militärjunta ein
das den Titel "Nationale Ziele
Chiles"
("Objetivos Nacionales de Chile") trug. Mit diesen "Nationalen Zielen" unterstreicht die Regierung, daß dieselben von den Prinzipien der DIS inspiriert . Wie man sieht ritären
unmittelbar
sind.^'
herrscht unter den "Funktionen der auto-
Institutionalisierung"
in der
Zeit von
1 973 bis 1975
diejenige der "Legitimierung der gewaltsamen Lösung des Gesellschaftskonflikts vor, indem der politische Protest der
'secto-
res populares' kriminalisiert wird". Dennoch begannen sich mit dem Abnehmen res"
schon
der 1976
reellen Gefahr seitens der "sectores gewisse
innere Widersprüche
des
popula-
herrschenden 175
Blocks
zu
äußern,
denen
ein
institutionelles
Ventil
geöffnet
werden mußte.
6.3.3 Von
der
militärischen
zur
"juristischen"
Legitimität
als körperschaftliche
Ausdruck der
1976-1980 Der
eher
Gegensätze
im
politische Innern
des
herrschenden
Chiles
Blocks
scheint
sein typischstes Merkmal zu sein. Sie beziehen sich auf: a) die Widersprüche innerhalb der Christdemokraten, deren "linke" und "rechte" Seitenflügel jeweils implizit oder explizit eine Annäherung an die Parteien der "Unidad Populär" und die "gemäßigten" Kreise der Regierung vorschlagen; b) die Gegensätze zwischen Verfechtern eines "harten" und eines "gemäßigten" Kurses aus
den
innerhalb der Gruppe der Regierung, die
Streitkräften,
einflußreichen
der
Grüppchen
Nationalen
Partei
der Ultrarechten
wie
und zum
kleinen Beispiel
der Organisation "Vaterland und Freiheit" ("Patria y Libertad")114
besteht;
c) die Gegensätze zwischen Regierung und Christdemokraten. Von diesen drei Arten von Gegensätzen ist die zweite zumindest
bis
heute
die
sichtbarste
dieser letztere Gegensatz
und
wichtigste.
Wenn
auch
erst ab 1978 im Zusammenhang mit der
Diskussion um die Abfassung einer neuen Verfassung beginnt, ein bestimmtes
Profil
anzunehmen,
so
üben die drei
genannten Ge-
gensätze schon ab 1976 ihren Einfluß auf den autoritären tutionalisierungsprozeß Am 31. Dezember 1
1975 wird die "Acta Constitucional" Nr.
("Verfassungsakte") 1 1 ®
("Consejo
de
Estado")
Insti-
aus. erlassen, gegründet
mit
der
der
"Staatsrat"
wird.
Er
ist
ein
Organ,
das sich aus zivilen Bürgern zusammensetzt, die in einer Kammer organisiert stützen.
sind, und hat die Aufgabe, die Exekutive zu unter-
116
In der Praxis sind die rein symbolischen Funktionen dieses
"Rats" größer und gehen selbst noch weiter als
diejenigen
des gleichnamigen uruguayischen Organs, und zwar aus zwei Grün-
176
den.
In erster
Linie weil die Weigerung der
Christdemokraten,
ihm beizutreten, die repressive Politik gegen den "linken" Flügel dieser Partei verstärkt hat und gleichzeitig informelle und nicht
institutionelle
Kontakte
zu ihrem "rechten" Flügel not-
wendig werden ließ. In zweiter Linie weil die Streitkräfte, die in ihm nicht
vertreten
nern der militärischen
sind,
ihre Auseinandersetzungen
Institutionen,
insbesondere
im In-
in der Re-
gierungsjunta, austragen müssen. Das Thema der Gegensätze im Innern der Streitkräfte verdient eine besondere Aufmerksamkeit,
insbesondere weil bis zum
heutigen Tag Voraussagen über bedeutende Abspaltungen
in ihrem
Innern, wie diejenige, die wir im folgenden zitieren, sich als falsch erwiesen haben: "Letztlich haben die Politisierung und die darauffolgenden Interventionen noch zu keiner Spaltung der chilenischen Streitkräfte geführt, die, wie man weiß, eine Konstante der argentinischen Streitkräfte ist, und die sich auch schon bei den uruguayischen Streitkräften gezeigt hat. Es ist auf jeden Fall nicht verwegen, die Voraussage aufzustellen, daß, je länger der Widerstand des chilenischen Volkes dauern wird und je länger die Militärs die Macht innehaben werden, umso wahrscheinlicher die Äußerung abweichender und sogar gegensätzlicher politischer Tendenzen in ihrem Innern werden wird. Auch wenn die institutionelle Einheit, die eines der kostbarsten und von den Streitkräften in allen Ländern am meisten angestrebten Güter ist, erstaunlicherweise auf einer Position der äußersten Rechten wiederaufgebaut wurde, wie die erste offizielle Verlautbarung der Junta zeigt, so sind doch die• pro-Allende eingestellten Offiziere sicherlich nicht von der Szene verschwunden. Selbst die' voraussichtliche wirtschaftliche Hilfe von außen (die schon in den ersten Tagen nach dem Staatsstreich einsetzte) wird nicht die unausweichlichen zentrifugalen Tendenzen im Innern der militärischen Institution aufhalten können."(117) Die Militärs,
die
zu der "Unidad Populär"
hatten oder mit ihr sympatisierten dend kleine trieben
oder
Minderheit), in
den
wurden
Monaten
Verbindungen
(eine im übrigen verschwin-
eingesperrt,
unmittelbar
außer
nach
dem
Landes gePutsch von
1973 kurzerhand ermordet. Seit dieser Zeit und bis heute (1982) kam die einzige abweichende Meinung zwischen den Streitkräften
177
und
der
Regierung,
die
von
Bedeutung
war, von General
(Befehlshaber der Luftwaffe und Mitglied der
Leigh
Regierungsjunta).
1978 vertrat dieser General die Meinung, es sei notwendig, eine von der Exekutive
unabhängige
Legislative
zu haben. Diese Er-
klärung ist die erste einer Reihe von Auseinandersetzungen mit Pinochet, die zur Ausschließung Leighs aus der Regierungsjunta und
zu
einer
Erweiterung
der
persönlichen
Macht
Pinochets
führte. Man kann sich fragen, woher diese anscheinend monolithische und
Einheit stellt
der Streitkräfte
kommt.
nur den Versuch einer
Die Antwort
teilweisen
ist
komplex
Erklärung
dieser
Situation dar. Zunächst
ist
der
ausgedehnte
Einfluß
der
Prinzipien
der DIS innerhalb der Streitkräfte zu nennen, die die permanente Gefahr des "inneren Feindes" predigt, angesichts welcher die eigenen Gegensätze in den Hintergrund treten müssen. Als zweites
ist seitens der wirtschaftlich
ten Kreise die bedingungslose Wirtschaftspolitik
Unterstützung
in Betracht
zu ziehen,
privilegier-
einer
repressiven
die die
Entwicklung
eines "wilden Kapitalismus" ermöglicht, in welchem die "Kosten" für die Reproduzierung der Arbeitskraft auf ihr unterstes Ni118 veau reduziert sind. Als drittes kraten
zu
ist die schwankende Politik der Christdemo-
berücksichtigen,
die
sich
der
Regierung
stark entgegensetzten, um ihren inneren Zusammenhalt
genügend zu festi-
gen, die aber zugleich keine genügend starke oppositionelle Politik materiell verwirklichten, um eine Alternative angesichts
derer
ergreifen
müßten,
die
Streitkräfte
um
die
zu bilden,
gegen die Regierung
Integrität
der
Institution
Partei zu
er-
halten. Diese besonderen Merkmale der Einheit, die die chilenischen Streitkräfte kennzeichnen, dienen auch dem besseren Verständnis
des
autoritären
Institutionalisierungsprozesses,
zu
dessen Entwicklung wir nun zurückkehren. Am 11. September
1976 sanktioniert die Militärjunta die
"Verfassungsakte" Nr. 2, 3 und 4. Mit der "Akte" Nr. 2 verleiht sich
die
späteren
Junta
konstituierende
Verfassung
vorbereitet.
Macht, Daran
was
den
Weg
erinnernd,
zu
einer
daß
Chile
aufgehört hat, ein ideologisch neutraler Staat zu sein, werden 178
in der "Acta" Nr. 3, um sie aufzuheben, oder sie ken,
alle
Freiheiten
Meinungsfreiheit
aufgezählt,
stehen
die
einzuschrän-
im Zusammenhang
(Information,
Lehre
mit der
gewerkschaftliche
und politische Aktivität, usf.)- Die "Acta" Nr. 4 verleiht dem Präsidenten alle
der
in der
Republik
(General
vorhergehenden
"Acta"
Pinochet)
die
aufgezählten
Möglichkeit, Rechte
zu än-
dern. Der Präsident kann verschiedene Arten von Ausnahmezuständen dekretieren gung
gegen
die
- vom
"Belagerungszustand"
latente
Subversion",
was
bis zur "Verteididie
Einengung
oder
Aufhebung aller Freiheiten bedeutet - und die alle sechs Monate verlängert
werden können 1 19
(was
seit
1973 bis heute
tatsächlich
geschehen ist). Die
letzte institutionalisierende Maßnahme von 1976 ist
die Bildung von vier legislativen Hifiskommissionen, die unter dem
Vorsitz
sicht
der
der
Mitglieder
Streitkräfte,
mit Ausnahme
zu
der Militärjunta verbleiben,
stehen
erkennen
("die Ab-
zu
lassen"),
des Präsidenten, der, wie könnte es anders
sein,
sich das Vetorecht über die Beschlüsse der Kommissionen vorbehält. 6.3.4 Die dritte Etappe der autoritären
Institutionalisierung:
Die neue Verfassung Die dritte Etappe der autoritären
Institutionalisierung
umfaßt die Zeit zwischen 1977 und 1980. Sie stellt die Antwort auf
die
Zuspitzung
der
Gegensätze
Gruppe dar. Diese Gruppe fechter
eines
zerfällt
im
Innern
der
regierenden
in zwei Tendenzen: Die Ver-
"harten" Kurses und die "gemäßigten", denen ge-
genüber Pinochet eine schwankende Politik praktiziert, die ihm objektiv dazu verhalf, seine persönliche Macht noch zu vergrößern . Die
Verfechter
von Pablo Rodriguez ten
"Patria
y
des
"harten"
Kurses,
die unter
anderen
(Führer der Ex-Organisation der Ultrarech-
Libertad")
und
General
Contreras,
dem
ehema-
ligen Chef der DINA (politische Polizei des Regimes) verkörpert werden,
begünstigen
die
Bildung
eines
korporativen
Projekts,
aber vor allem den pesönlichen Machtzuwachs Pinochets. Folglich
zeigen
sie
sich jeder
Institutionalisierungs-
179
maßnahme gegenüber abgeneigt oder widerspenstig. Die
"Gemäßigten",
die
unter anderem
von
Jaime
Guzman
(dem Verfasser der Reden Pinochets) und Sergio Fernandez
(ehe-
maliger
Innenminister) verkörpert werden, hoffen auf eine Wie-
derkehr
der politischen
Parteien, mit Ausnahme derer, die po-
tentiell den Prinzipien der DIS schaden könnten. Die
letzten Vorkommnisse
in Chile,
die Verstärkung der
Repression durch die Regierung und insbesondere die Verkündung der neuen Verfassung, die Gegensätze
haben klar herausgestellt, wie
sekundär
zwischen den beiden Gruppen angesichts der per-
sönlichen Macht Pinochets sind. Am 9. Juli 1977 legte Pinochet in seiner Rede, die unter dem Namen
"Chacarillas" bekannt
kunftspläne werden
ist, die
institutionellen Zu-
für das Land dar, die in drei Etappen durchgeführt
sollen
(eines
der
charakteristischsten
Merkmale
dieser
Rede ist es, daß die Militärregierung hier zum ersten Mal konkrete Termine nennt): Am 31. Dezember stellungsetappe
beendet
sein
und
am
1980 soll die Wiederher1. Januar
1981
soll die
Obergangsetappe beginnen. Im ersten Teil dieser zweiten Etappe, die ohne mit
bis
1 985
dauern
Volksvertretung qualifizierter
soll,
wird
geben.
Im
Mehrheit
es eine gesetzgebende zweiten
gewählt
Teil
wird
Kammer
die
Kammer
werden, wobei ein Drittel
der Mitglieder durch den Präsidenten ernannt werden wird. Diese Kammer (bis
wird
einen
1991)
Staatschef
ernennen.
1991
für
wird
die
Dauer
ein
von
Präsident
sechs durch
Jahren direkte
Volkswahlen gewählt werden. So wird die Etappe der Normalisierung
oder
Festigung
beschützt,
einer Demokratie
technifiziert,
begonnen, die
partnerschaftlich
autoritär,
und auf
authenti1 20
scher gesellschaftlicher Mitbestimmung begründet sein wird. In
seiner
Rede nach dem
11. September
1978
bestätigte
Pinochet den Inhalt seiner Rede und eröffnete die "Diskussion" über eine zukünftige Verfassung, die dem vorgesehenen
Institu-
tionalisierungsplan Rechnung tragen soll. Die Diskussion über die Verfassung konzentriert den
"Studienverbänden"
Organen
der
ausüben und
("Corporaciones
ideologischen sich
Verbreitung,
de Estudios"), die
sich in d.h. in
politischen
in der Mehrzahl aus Juristen
Druck
zusammensetzen.
Es sind: a) die "Corporaciones de Estudios Nacionales" ("Vereinigung 180
für
Nationale
Studien"),
mit
korporativer
Tendenz,
die
einem
permanenten "Militärstaat" geneigt wäre und von Lucia Pinochet (der Tochter des Präsidenten) geleitet wird; b) der "Circulo de Estudios Constitucionales" ("Zirkel der Verfassungsstudien") Projekt
einer
der Anwälte
alternativen
Dieser Verband arbeitete ein
Verfassung
aus, das
genügend von der offiziellen Version abwich nell konstitutionalistischer
aber
nicht
(von traditio-
Tendenz).
c) die "Comision de Estudios Constitucionales" ("Kommission für Verfassungsstudien") 24"), die
oder
"Grupo
christdemokratische
de
los
24"
("Gruppe der
Konstitutionalisten und einige
ehemalige Mitglieder der "Volkseinheit" versammelt; d) die "Nueva Democracia", und e) die
"Corporación
de Estudios
Contemporáneos"
zeitgenössische
die
alle
Bei
wie
in
für
Studien"), 1 21 rat" sehr nahe stehen. diesen
Vereinigungen
("Vereinigung
beide dem mehr
"Staats-
oder
minder
starkem Maße bei allen Institutionen, die sich aus zivilen Bürgern zusammensetzen, läßt sich der sehr geringe oder inexistente Wert jeglicher kritischer Bemerkung gegenüber dem Willen der Exekutive nachweisen. Im Juli 1980 übergab der "Staatsrat", der das offizielle Verfassungsprojekt Zwei
Monate
selben
ausgearbeitet
später,
Ausmaß
hatte, dieses
am 11. September
an Repression
der
Exekutive.
1980, immer noch mit dem
und dem absoluten
Fehlen von Ga-
rantien, ruft die Exekutive zur Volksbefragung auf, um der neuen
Verfassung
zuzustimmen
(67.07 I der S t i m m e n ) .
und
erhält
natürlich
die
Mehrheit
122
6.3.5 Die Obergangsbestimmungen und die neue Verfassung^ Ebenso
wie
im Falle
Uruguays
findet
sichtlichsten autoritären und willkürlichen sung
in
ihren
"Übergangsbestimmungen",
mehr
man den
am
offen-
Inhalt der Verfasnoch, "es
handelt
sich um ein System von Normen, die ein unabhängiges und materielles Konzept der Staatsgewalt begründen, das in seinem Wesen
181
dem für das Ende postulierten Bild widerspricht ("Chile ist eine und
demokratische somit
kann
Republik",
Artikel
nur
irrational 1 24 jenem hervorgehen wird. Es gibt insbesondere
"Obergangsbestimmungen":
4 der neuen
erhofft
werden,
Verfassung),
daß diese
aus
zwei wichtige Charakteristiken der
a) die Konzentrierung und das Anwach-
sen der persönlichen Macht des Präsidenten und b) die Betonung des
militärisch-autoritären
und
repressiven
Charakters
des
Regimes. Die "Bestimmung Nr. 13" sieht folgendes vor: "Die Dauer der Präsidentschaft, die mit dem Inkrafttreten dieser Verfassung beginnen wird, beträgt den in Artikel 25 angegebenen Zeitraum" (Der Präsident der Republik bleibt acht Jahre im Amt und kann für die darauf folgende Periode nicht wiedergewählt werden, Art. 25 der Verfassung) . Und die Bestimmung 14: "Für den in der vorausgehenden Bestimmung angegebenen Zeitraum wird als Präsident der Republik der gegenwärtige Präsident, General des Heeres Don Augusto Pinochet Ugarte, fungieren, der bis zum Ende dieses Zeitraumes im Amt bleiben wird." "Ebenso wird die Regierungsjunta weiterbestehen, die sich aus den Oberbefehlshabern des Heeres, der Marine und der Luftwaffe sowie dem Leitenden General der "Carabineros" zusammensetzt. Sie wird ihr Amt gemäß den Bestimmungen führen, die ihr internes Funktionieren regeln und wird den Zuständigkeitsbereich wahrnehmen, der in den entsprechenden Obergangsbestimmungen angegeben ist. Da aber der Oberbefehlshaber des Heeres gemäß Absatz eins dieser Bestimmung der Präsident der Republik ist, wird er nicht Mitglied der Regierungsjunta sein, sondern an seiner Stelle wird ihn als ordentliches Mitglied der nach ihm älteste General des Heeres vertreten. Der Präsident der Republik kann dieses Mitglied zu jeder Zeit durch einen anderen General seiner Streitmacht in der Reihenfolge des Alters ersetzen." In der
Praxis
bedeutet
dies:
a)
daß
Pinochet
bis zum
11. März 1981 weiter Präsident bleibt, d.h. bis zum Inkrafttreten der neuen Verfassung gemäß ihrem "abschließenden" Artikel; b) daß von diesem Zeitpunkt an Pinochet weiterhin für acht Jahre, nämlich bis c) daß
182
zum 11. März
nach Ablauf
1989 Präsident bleiben wird; und
dieser Zeit, laut der
"Obergangsbestimmung
27",
die
Streitkräfte
Periode von
den neuen Präsidenten
acht Jahren benennen werden,
der nicht möglichen Wiederwahl
nicht
sident wird durch Volksbefragung den
müssen,
für
den
wobei
Fall
in
kurioserweise Betracht
für eine
weitere
für den die
Klausel
gelten wird. Dieser Prä-
in seinem Amt bestätigt werkeinerlei
gezogen wird,
alternative
in dem diese
Lösung negativ
ausfallen sollte. Die
"Bestimmung
IS" setzt die Rechte und Pflichten des
Präsidenten fest, wobei letztere praktisch inexistent sind. Was die Regierungsjunta anbelangt in
der
"Bestimmung
18"
Legislative aufgelistet
werden die Rechte und Pflichten
vervollständigt,
wo
alle Aufgaben der
sind. Zu diesen Funktionen müssen noch
jene hinzugezählt werden, die in der "Bestimmung 27" aufgeführt sind
und
sich
auf die Nominierung
des
Präsidenten
beziehen,
der Nachfolger von Pinochet sein wird. Die neue Verfassung kann und muß als Paradigma der autoritären Institutionalisierung betrachtet werden. Sie enthält in expliziter Form Bestimmungen ideologischer Art (Artikel 8). Was so
den militärischen
ist er durch die Bildung
heit" gewährleistet,
dem
Charakter eines
des
"Rates
Regimes
anbelangt,
der
Inneren Sicher-
(was völlig neuartig
ist) der Präsi-
dent des obersten Gerichtshofes und die Minister für Wirtschaft und
Finanzen
angehören.
sellschaftslebens
Die
Militarisierung
und die extreme
des
und orthodoxe
gesamten GeAnwendung der
Postúlate der DIS äußern sich in expliziter Weise in der Zusammensetzung und den Funktionen des besagten "Rates". R a t
d e r
i n n e r e n
S i c h e r h e i t
Artikel 95. Es wird einen Rat der Inneren Sicherheit geben, der unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik stehen wird und sich aus den Präsidenten des Senats und des Obersten Gerichtshofs, den Oberbefehlshabern der Streitkräfte und dem leitenden General der "Carabineros" zusammensetzen wird. Des weiteren werden wahlberechtigte Mitglieder des Rates sein: Die im Amt befindlichen Minister des Innern, des Äußern, der Verteidigung, der Wirtschaft und der Finanzen. Als Sekretär wird der Generalstabsführer des Verteidigungsministeriums fungieren. Der Rat der Inneren Sicherheit kann vom Präsidenten der Republik oder auf Verlangen zweier seiner Mitglieder einberufen 183
werden und absoluten fung und Mitglieder
benötigt für seine Sitzungen ein Quorum der Mehrheit seiner Mitglieder. Für die Einberudas Quorum kommen nur die Stimmberechtigten in Betracht.
Artikel 96. Die Funktionen des Rates der Inneren Sicherheit sind folgende: a) Den Präsidenten der Republik in jedweder Angelegenheit, die im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit steht, zu unterstützen, wenn dieser es verlangt; b) jedweder Institution, die von der Verfassung vorgesehen ist, seine Meinung über irgend einen Umstand, eine Handlung oder einen Sachverhalt darzulegen, der seinem Urteil nach stark die Grundlagen der Institutionalität verletzt oder die innere Sicherheit in Gefahr bringen kann; c) zu informieren, insbesondere über die Gegenstände, auf die sich Absatz 13 des Artikels 60 bezieht; d) von den Autoritäten und den Beamten der Verwaltung alle Umstände zu erfahren, die im Zusammenhang mit der äußeren und inneren Sicherheit des Staates stehen. In diesem Fall muß das in Erfahrung Gebrachte obligatorisch weitergeleitet werden, die Unterlassung wird mit den Strafen geahndet werden, die das Gesetz vorsieht, und e) die übrigen Funktionen auszuüben, die ihm die Verfassung zuschreibt. Die Beschlüsse oder Beurteilungen, auf die sich b) bezeiht, werden veröffentlicht oder eeheim eehalten. ie nachdem wie der Rat im Einzelfall beschließt. Ein vom Rat selbst erlassenes Reglement wird die weiteren Bestimmungen bezüglich seiner Organisation und Amtsverrichtung festsetzen. Im Zuge dieser Militarisierung der Gesellschaft delt
sich
das
Parlament
in eine
rein
symbolische
verwan-
Institution
und mehr noch in die Negation seines demokratischen Wesens. Es setzt sich aus einer Abgeordnetenkammer zusammen, der nur angehören
darf,
wer
mindestens
die
mittlere
Schulreife
oder
ein
Äquivalent dafür besitzt (Art. 44 d. Verfassung). Der Senat hat seinerseits einen noch begrenzteren Charakter als die Abgeordnetenkammer.
Er
besteht
aus
gewählten
Mitgliedern
und
aus
solchen, die vom Präsidenten ernannt werden (Art. 45). Schließlich überschreitet, was den/die Ausnahmezuständ(e) betrifft,
die
Kasuistik,
das
Ausmaß
und
die
Willkür
bei
weitem selbst den uruguayischen Entwurf. Die Artikel 40 und 41 behandeln
184
alles,
was
seine
Ausrufung
anbelangt.
Ein
Aspekt,
der wert ist beachtet zu werden, ist der "innere Kriegszustand" (der in der Praxis gemäß den Richtlinien der DIS bestimmt werden wird), während dem alle Bestimmungen zum habeas corpus außer Kraft sind (Artikel 41, Absatz 3). Hinzu
kommt,
daß
diese
Ausnahmezustände
akkumulativ
sind. Außerdem wird, wenn das Parlament nicht innerhalb von 10 Tagen nach
seiner Ausrufung
entscheidet,
dieses
Schweigen als
Bestätigung aller Verfügungen der Exekutive gewertet. Die völlige Trennung von politischer und gewerkschaftlicher
Tätigkeit
ist schon im Art. 23 verankert, mittels dessen ausdrücklich die Unvereinbarkeit eines leitenden Amtes in einer Gewerkschaft mit der Tätigkeit in einer politischen Partei verkündet wird. Schließlich, und in ähnlicher Weise, wie es im uruguayischen Entwurf geplant ist, sieht die chilenische Verfassung die Bildung
eines
"Verfassungsgerichtes"
vor, das
sich aus
sieben
Mitgliedern zusammensetzt, die auf folgende Art gewählt werden (Art. 81): a) Drei Richter wählt der Oberste Gerichtshof aus seiner Mitte. b) Ein vom Präsidenten der Republik designierter Anwalt. c)
Zwei
Anwälte,
die
vom
Rat
der
Inneren Sicherheit
gewählt
werden. d) Ein Anwalt, der vom Senat mit absoluter Mehrheit der im Amt befindlichen Senatoren gewählt wird. Es muß hinzugefügt werden, daß, wie es Art. 83 festlegt, die Beschlüsse dieses "Gerichts" keinerlei Berufung
6.3.6
zulassen.
Zusammenfassung Was
zu
Beginn
als
Institutionalisierung"
"militärischer
Sieg
der
bezeichnet wurde, bedeutet
keit eine vollständige politische Niederlage. Alle nen, die das
Regime
hervorgebracht
autoritären in WirklichInstitutio-
hat, selbst diejenigen mit
militärischem Charakter, wenn auch in schwächerem Maße, entbehren eines konkreten Inhalts. Trotz ihrer anscheinenden Stabilität und effektiven
Funktionsfähigkeit
weist
alles darauf hin,
daß die grundsätzlichen Entscheidungen eher das Ergebnis
infor-
185
melier Verfahren
sind, die
außerhalb
dieser Gremien
stattfin-
den, als dasjenige der Spielregeln dieser "Demokratie" von und für einige wenige haupt
von
einem
Mitglieder wirklichen
der Gesellschaft. Wenn man überInhalt
sprechen kann, verweist er
deswegen auf die Aufhebung der individuellen und sozialen Rechte und auf die Stützung des Monopolkapitals. Trotz
dieser
"Bemühung"
um
eine
Institutionalisierung
konzentriert sich die effektive Macht auf die diktatorische Figur des Präsidenten und auf die gewichtigen privaten wirtschaftlichen Gruppen. Zum Beispiel kontrollieren fünf dieser Gruppen (Stand von 1978) mehr als 50 % des Vermögens der 250 wichtig1 25 sten privaten Unternehmen. Das
Fehlen
einer
wirklichen
Institutionalisierung
bekräftigt den autoritären und nicht faschistischen oder totalitären Charakter des Regimes, trotz der verbalen Exzesse Pinochets. der
Die Distanz
Bevölkerung
ken, ein Prozeß, noch
mehr
und das sich Widersetzen des größten Teils
gegenüber der
dem Staat werden sich noch verstär-
seine
Isolierung und politische
akzentuieren wird, und der
führen wird, daß sich das Regime nition von J.
früher
oder
(um eine Autoritarismus-Defi-
Linz zu paraphrasieren)
in eine mehr
sche oder mehr totalitäre Richtung bewegen wird.
186
Schwäche
später dazu demokrati-
Kapitel VII: Staatstheorie
7. Theoretische
und Rechtsinstanz in Lateinamerika
Voraussetzungen:
"Entwicklungsschule"
und Ab-
häng igkeitstheorie Die
Behandlung
dieses
Themas
ergibt
sich
aus
unserer
Zielsetzung, zur Entwicklung der Staatstheorie in Lateinamerika einen Beitrag zu leisten, und die Kenntnis der autoritären Institutionalisierungsprozesse zu vertiefen. Die
gegenwärtige
Sozialwissenschaften nur
schwer
ignorieren
diesem Gebiet Entwicklung
das
Entwicklung
hat
der
Ergebnisse
kann. Trotz
Studium
lateinamerikanischen
hervorgebracht,
die man
diverser Vorbehalte hat auf
des Staates eine besonders
positive
gezeitigt.
Was sich seit Mitte der siebziger Jahre als "Theorie des lateinamerikanischen einer
intensiven
Jahrzehnte
mit
Staates"
profiliert,
Diskussion, umfaßt.
die
die
die
Um
Mitte
ist
beiden der
das
Produkt
vorhergehenden fünfziger
Jahre
und mit der CEPAL (Comision Economica para America Latina)^ als Bezugspunkt le", die
entwickelte
sich die sogenannte
ihre Bemühungen
"Entwicklungsschu-
auf die Untersuchung der äußeren Me-
chanismen konzentriert, die die wirtschaftlich-soziale
Entwick-
lung bestimmen und hindern. Die systematische und wissenschaftlich fundierte Darstellung zahlreicher Äußerungen der "Entwicklungsschule"^ hat gleichzeitig zwei Funktionen: a) Es wird eine wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas vorgeschlagen, die sich auf die Industrialisierung sultat
einer
gleichberechtigten
4
industrialisierten Ländern gründet, b) sie soll als theoretische Grundlage mechanistischen thropologie
Gerüsts
dienen,
schrittlichkeit"
der
die
durch
die
mit
den
und für die Widerlegung des
klassischen
die
als dem Re-
Austauschpolitik
Soziologie
und An-
lateinamerikanische
"Rück-
Dichotomien
"Stadt-Land"
und
"traditionell-modern" erklären.^ Die
theoretischen
Grenzen
des
Entwicklungsansatzes und
vor allem das Fehlschlagen der konkreten politischen Programme,
187
in
denen
er
verwirklicht
wurde,^
führten
Ende
der
sechziger
Jahre zur politischen und theoretischen Erschöpfung dieses An7 satzes. g
Aus der Kritik und der Selbstkritik Etappe" entsprang
der "Entwicklungs-
die sogenannte "Abhängigkeitstheorie".
Diese
Theorie, die das Denken in den Bereichen Wirtschaft, Soziologie und
Politologie
umfaßt,
bedeutete
einen
der
entscheidendsten
Schritte voran in bezug auf die g Kenntnis der gegenwärtigen lateinamerikanischen Wirklichkeit. Sie führte zu einer Neuinterpretation
der
leninistischen
Studien über den
und selbst der klassischen marxistischen Spätere
Formulierungen
der
halten Abweichungen, insbesondere Art, die
ihre Weiterentwicklung
besonders
auf
die
Imperialismus'"
Vorstellungen.^
"Abhängigkeitstheorie" entwirtschaftswissenschaftlicher
erschwerten.
nordamerikanische
Wir
Rezeption
beziehen uns
der
"Theorie",
die, indem sie die äußeren Gründe für die Abhängigkeit in ihrer Analyse
bevorzugen,
die
Untersuchung
der
innereni ?Dynamik der
lateinamerikanischen Gesellschaften unterbewerten. Zusammengefaßt: "Den Untersuchungen über die Abhängigkeit . . . ist es nicht gelungen, das zu bestimmen, was gerade das Ziel ihrer Analyse war: Die wirtschaftlichen und politisch-sozialen Bedingungen, die im Lande bestehen. Dies bedeutet,, liaß es ihnen nicht gelang, die Beziehung zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat in Lateinamerika zu bestimmen. Sie stellen zwar das zentrale politische Problem des Kontinents dar, aber sie lösen es nicht." (13) Auf
der
Grundlage
dieser
Vorläufer
und
einer
erneuten
Kritik und Selbstkritik der vorhergehenden theoretischen Formulierungen in
setzte
ständiger
eine
Forschungsrichtung
Entwicklung
äußeren Abhängigkeit
befindet.
Ohne
zu vernachlässigen,
ein,
die
die
sich heute
Problematik der
stellen
chungen der Dynamik und der inneren Struktur der
die
Untersu-
lateinamerika-
nischen Gesellschaft vom Beginn der siebziger Jahre den Anfang dessen dar, was man eindeutig den Weg zu einer schen Staatstheorie nennen kann.
188
lateinamerikani-
7.1 Die Staatstheorie in Lateinamerika Die
Entwicklung
der
Staatstheorie
dar, die neuen Herrschaftsformen,
die
im
stellt
den
Versuch
lateinamerikanischen
Kontext auftauchen, zu erklären. Aus diesem Grund lokalisieren einige Autoren ihren Ursprung in der Mitte der sechziger Jahre, als Antwort auf den brasilianischen Militärputsch von 1964, der 14 den Prozeß des neuen Autoritarismus einleitet. Jedoch weit über die Diskussion um den chronologischen Ursprung dieser Forschungsrichtung hinaus
beeinflußten diese politischen Herr-
schaftsformen
und konkret
unmittelbar
ihre Entwicklung. Diese
Situation hat niemand besser beschrieben als N. Lechner: "Schließlich sah sich die Oberwindung der Unzulänglichkeiten durch Vereinsamung und Schweigen gehindert. Die intellektuelle Reifung hängt nicht vom Verstreichen der Zeit ab, sondern erfordert den Dialog. In diesem Sinne ist die Erforschung des Staates dem Staate, den sie erforscht, unterworfen." (15) (Unsere Unterstreichung) Wie wir
sehen werden
ist es unvermeidbar, daß die di-
rekten politischen Bedingungen der Erforschung des Staates sich in ihren theoretischen Formulierungen ausdrücken, was in einigen Fällen eine negative Wirkung auf die Produktion von Wissen hat. In diesem Kapitel ist es unsere Absicht, a) einige der relevantesten Arbeiten zum Thema vorzustellen; b) die Diskussion zu rekonstruieren, wie sie zwischen den einzelnen Strömungen verläuft; c) das herauszustellen, was, über die Unterschiede hinaus, die gemeinsame Basis darstellt; d) den "Ort" zu bestimmen, der darin jeweils der Rechtsinstanz zukommt.
7.2 Die
verschiedenen
Forschungsrichtungen
der
Staatstheorie
in Lateinamerika Die Forschungsrichtung, die wir hier "Staatstheorie" genannt
haben,
stellt
sich
keineswegs
als etwas Homogenes dar.
189
Abgesehen besitzt,
von
der Hegemonie,
findet
man
so
viele
die das Kritische
Denken
unterschiedliche
Ausrichtungen
darin vor, daß man ein Klassifizierungsprinzip Die
in
diesem
Sinne
unternommenen
in ihr
festlegen muß.
Systematisierungsarbeiten
sind dennoch selten. So unterscheidet z.B. Liliana de Riz, ohne daß dies das zentrale Anliegen ihres Aufsatzes wäre, drei Konzeptualisierungen der neuen Staatsformen innerhalb der "Staatstheorie" : a) die Konzeptualisierungen, die sie als eine spezifische Form des
Ausnahmestaates
bezeichnet:
abhängig
faschistisch, fa-
schistisch sui generis; die
b) diejenigen,
die
Veränderungen
bürokratisch-autoritären c) eine dritte, weniger
mit
dem
Notstand
eines
Staates kennzeichnen;
systematisierte,
form als Militärstaat b e z e i c h n e t . ^
die die neue Staats-
Fünf Jahre nach dem Er-
scheinen der zitierten Arbeit von de Riz
gibt es zahlreiche
Publikationen (auf die wir eingehen werden), die, gleichzeitig mit der Ausweitung und Vertiefung der Untersuchung dieser Problematik, die inneren Strömungen der
"Staatstheorie"
im wesentlichen auf zwei reduziert haben. Einerseits diejenige, die den Staat als faschistisch bezeichnet und diejenigen Adjektive hinzufügt, die die lateinamerikanische Spezifität
erforderlich macht, und die andere, die implizit oder
explizit die Charakteristik "faschistisch" verneint und nach neuen Begriffen
sucht, um eine
Realität zu bezeichnen, die,
wie der neue Autoritarismus, keine Präzedenzfälle hat. Es muß klar sein, daß die Aufteilung, die wir vorschlagen, weder
den Anspruch hat, eine neue, mehr oder weniger sy-
stematische Klassifizierung zu sein, noch daß dadurch die wichtigen
Unterschiede
schätzt werden.
innerhalb
Es geht
jeder
einzelnen
Strömung
unter-
lediglich darum, auf diese Weise her-
auszustellen, welches der wichtigste theoretisch-politische Gegenstand
der
Diskussion
Staatstheorie" ist.
190
innerhalb
der
"lateinamerikanischen
7.3 Der
Staat
als
eine
spezifische
Form
des
Faschismus
be-
trachtet 18 von Theotonio Dos Santos, James 20 21 Petras, Marcos Kaplan und Agustin Cueva sind repräsentative Beispiele für diese Position. Die 19
Arbeiten
17
Für Dos Santos, dem Autor der vermutlich am besten ausgearbeiteten
These
in dieser
Richtung,
sind die
autoritären Regime die erste Phase eines zesses auf breiterer Ebene. Für
den 23
von Gruppen
Obergang
22
zum Faschismus
gegenwärtigen
Faschistisierungsprowird mit der
Existenz
gerechnet, die innerhalb des autoritären Staates
die Bildung eines korporativen Staates befürworten, ein Vorhaben, das, wie es Dos Santos selbst behauptet, wenig oder keine Aussicht auf Realisierung hat, und zwar "wegen dem höchst unpopulären Charakter der wirtschaftlichen Maßnahmen, die ergriffen werden, um das Großkapital zu bevorzugen und die politischen Reaktionsmöglichkeiten der großen demokratischen Mehrheit zu zerstören, einschließlich des Kleinbürgertums, das den Putsch unterstützte, das aber mit dem Prozeß der wirtschaftlichen Konzentration und der Zentralisierung des Kapitals, der die Regierung, die aus dem Putsch hervorgekommen ist, begünstigt, nicht einverstanden ist." (24) Auf
der politisch-ideologischen
tos die Existenz
Ebene vertritt Dos San-
eines "wirklichen und immer stärker
ideologi-
schen" Kompromisses "zwischen den konservativen und den faschistischen Kreisen auf der Suche nach einer autoritären politischen Formel, die den Zustand der Ausnahme tilgt und die Konzeption eines neuen Staates akzeptiert, der dem faschistischen Staat viel näher ist als dem liberal-autoritären." (25) Wir Probleme
hatten der
Gelegenheit,
schon,
als
autoritären darauf
wir
die
ideologisch-politischen
Institutionalisierung
hinzuweisen,
daß
der
behandelten,
Kompromiß
innerhalb
der konservativen Kreise, die Dos Santos im übrigen nicht näher beschreibt, - womit gemeint
ist
aber mit
(Streitkräfte,
Sicherheit großes
der herrschende
Industriekapital,
Block
grundbe-
191
sitzende
Oligarchie)
- sich
auf
der
Ebene
nicht auf ideologischer Ebene nachweisen Im
autoritären
Staat
und
als
der
Realität, aber
läßt.
generelle
Tendenz
nehmen
die Streitkräfte die DIS als Ideologie an, während die grundbesitzende Oligarchie verbissen den "jeweils den Umständen angepaßten"
Auffassungen
anhängen. doppelte
Was
immer
Verhalten
des in
der
effektive Unterstützung
rechtlich-politischen
Betracht
gezogen
oligarchischen
Liberalismus
werden
Gruppen.
muß,
ist das
Einerseits die
der repressiven, von den
Streitkräften
durchgeführten Politik, was natürlich das explizite oder implizite Einverständnis mit der de facto Gesetzgebung ohne die Frage die zu
nach
dem
Inhalt
Ablehnung, verändern,
der
Dauer
mitbeinhaltet.
traditionellen
insbesondere
ausgearbeiteten norm erhält
und
die
die
Muster
während
Verfassungsorgane.
des
Andererseits
der
Legitimität
19.
Jahrhunderts
Diese rechtliche
Grundsatz-
in dieser Konzeption einen abstrakten und symboli-
schen Wert, der von seiner wirklichen Anwendung völlig unabhängig
ist.
Es
ist
an die Umstände
dies
die
Haltung,
die
wir
angepaßt", und,um genauer
"1 iberal-recht 1 ich zu sein, an die Um-
stände des neuen Autoritarismus angepaßt, nennen. In
seiner
Betrachtung
Analyse
fortfahrend
der Bedingungen
des historischen
kommt
sich
Santos
zu der
26
Faschismus.
In Italien 1922 und in Deutschland breitete
Dos
des Aufkommens und der Entwicklung
das
Phänomen
Faschismus
1933 eingeführt, ver-
derart,
daß es
möglich
wurde, den Faschismus als politische Bewegung und die Bildung alliierter und kollaborierender faschistischer Staaten zu un27 terscheiden. Indem
er
die
historischen
Fakten
etwas
überinterpre-
tiert, zieht Dos Santos die Möglichkeit in Betracht, "theoretisch die Existenz eines faschistischen Zustandes anzunehmen, der nicht aus einer faschistischen Bewegung entsprungen ist, sondern aus einer Besetzung oder aus einem Militärputsch, wie es zwischen 1939 und 1945 der Fall war."
(28)
Bezüglich der sozioökonomischen bestandteile aus 192
dem
Inhalte und der Klassen-
des Faschismus behauptet Dos Santos, daß sie sich
Kleinbürgertum,
dem
Lumpenproletariat
und
dekadenten
Kreisen
der
grundbesitzenden
diesem Augenblick
Oligarchie
zusammensetzen. Bis zu
ist der ideologische Schwerpunkt des Faschis-
mus gleichzeitig antikommunistisch und antikapitalistisch. Dennoch
mit der 29 Ist Unterstützung des Großkapitals, an die Macht zu gelangen. er
gelingt
erst
es
einmal
der
faschistischen
Bewegung
erst
an der Macht, dann versucht der Faschismus die
Grenzen zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft zu zerstören
(Totalitarismus), beseitigt die übrigen Parteien und mili-
tarisiert
die Gesellschaft.'®
Außer den übrigen
Unterschieden,
die die eben gegebene Beschreibung
im Vergleich mit einem libe-
ralen
Dos
Regime
kennzeichnet, möchte
Santos eine
besonders hervorheben, die zwischen diesen beiden lichen
Organisationsformen
existiert:
Die
Ähnlichkeit
gesellschaft-
Beibehaltung
des
Privateigentums. Von setzungen
den oben genannten ausgehend
geht
theoretisch-historischen
Dos
Santos dann
abhängigen Kapitalismus ein. Außer Deutschland sich
auch
Abenteuer
Länder des
wie
Spanien,
Faschismus
Italien
und
eingelassen.
Voraus-
auf die Analyse des und Japan haben
Portugal
Dies
auf
das
impliziert,
daß
rückschrittliche Länder ähnliche Aufgaben übernehmen können wie das Bürgertum, das nach politischer und wirtschaftlicher Macht strebt.32 Die
Bedingungen
der
gegenwärtigen
lateinamerikanischen
Situation mit einem abhängigen Kapitalismus und einem
abhängi-
gen Bürgertum ist wesentlich verschieden von der nationalen Kapitalakkumulation und den expansionistischen Plänen des "historischen Faschismus". Dies zwingt Dos Santos zu einer noch stärkeren "Verkleidung" seiner Analyse. Abgesehen Bündnis
von
von
Staat
den
einer Massenmobilisierung "Faschismus"
-
rein
formalen
und Großkapital
die
Dos
Ähnlichkeiten,
bietet, macht
zur Stützung des Santos
selber
die das
es das
Fehlen
lateinamerikanischen
zugibt"
- schwer, wenn
nicht gar unmöglich, die Glaubwürdigkeit dieser These aufrechtzuerhalten. Die Stelle des nationalen Großkapitals nimmt im lateinamerikanischen
"Faschismus"
das
internationale
Kapital
34 ein,
und
anstelle
Doktrin, "deren
der
Massenbewegung
faschistischer
steht
die
DIS.
Inhalt dem klassischen
Diese
Faschis-
mus wenig gleicht," 3 ^- weswegen man sich fragen kann, warum man 193
ihn dann als
solchen betrachten soll - "ersetzt die Figur des
(charismatischen)
Führers durch eine technokratische Elite von
Militärs und zivilen Bürgern" und "die Partei
durch den natio-
nal-militärischen bürokratischen A p p a r a t " . ^ Abschließend kann man sagen, daß wenig oder nichts über die
institutionelle
und
die
wenigen
Struktur
dieses
Betrachtungen,
Prozesses
zu erfahren ist,
die das Recht
betreffen, sind
Randbemerkungen, die sich auf den "historischen Faschismus" beziehen. Bei der nun folgenden Besprechung der anderen drei Autoren, die dieser Strömung zuzurechnen sind, werden wir die Argumente,
die
sich
auf
den
"historischen
Faschismus"
beziehen,
nicht mehr referieren. James Petras meint: "Der Begriff, der am besten den Charakter dieses neuen Staates, seine Beziehung zur Klassenstruktur und zum Wirtschaftssystem ausdrückt, ist "neofaschistisch". (37) In diesem Falle kommt der "Neofaschismus" als Folge der 38 Akkumulation des Kapitals auf Weltebene auf. Der Staat erscheint in dieser Untersuchung als konspirative Allianz zwischen reaktionären Militärs, lokalen Kaufleuten und konservativen Kleinbürgern, um den populistischen Staat (Estado Populis39 ta)
zu ruinieren.
Folgendes sind - immer noch nach Petras -
die bedeutendsten Kennzeichen des "neofaschistischen" Staates: a) sein fremdstämmiger Charakter, der bewirkt, daß der nationale Staat von seinem jeweiligen "Mutterstaat" stark abhängig ist. Diese Situation macht gleichzeitig seine mäßige
Macht
unverhältnis-
und den hohen Grad an Autonomie
in bezug auf
die bürgerliche Gesellschaft verständlich; b) eine ständig repressive Politik, und c) die
völlige
Willkür
Rechtsnormen. Punkt
bei
der
Schaffung
und
Anwendung
von
Es muß daran erinnert werden, daß mit diesem
- für Petras - alles beginnt und endet, was sich auf
Institutionalität und Recht bezieht. Was
das
schistischen" 194
ideologische Staat
eine
Element
betrifft,
grundlegende
das
Bedeutung
im
"neofa-
h a t , 4 0 die
ihn von der traditionellen Militärdiktatur unterscheidet, ist
es
im wesentlichen
repräsentiert, 42 als das Legitimierungselement schlechthin erweist. In Marcos
durch die DIS
Kaplans
Untersuchung
41
so
die sich
ist die autoritäre Not-
standssituation
auf die Investitions-, Akkumulations- und Ren43 tabilitätserfordernisse der Großunternehmen zurückzuführen.
Die oligarchische Elite entwickelt als Antwort auf ihre Hegemoniekrise sich
"autoritäre
an
ein
sich mit Fällen
totalitäre" Modell
Herrschaftsformen, "die
sui
generis
ihm decken. Diese Alternative
realisiert
tinien)
und
faschistisches
und
annähern oder
ist bereits in einigen
(Brasilien, Chile, Uruguay, Bolivien, Argen-
zeichnet
sich als eine weder
fatale noch
zu ver-
meidende
Bedrohung anderer unterentwickelter 44 und teilweise unterentwickelter Länder dieser Region ab". Angesichts einer solchen
Behauptung
Begriffs
muß
"Faschismus"
man
sagen,
lateinamerikanische
Realität
von
so
Begriffen,
die
daß, über
in seiner Anwendung hinaus,
verschiedene
die
die
Kritiken des
auf die
historische
wahllose
Verwendung
Realitäten
bezeichnen wie
Autoritarismus und Totalitarismus, es unmöglich macht, die Spezifität
der undemokratischen Herrschaftsprozesse und Mechanis-
men im gegenwärtigen Lateinamerika zu fassen. So
ist
einer der
am meisten ausgearbeiteten Aspekte in
Kaplans Untersuchung derjenige, der sich auf seine Überlegungen zum hohen Grad
an relativer Autonomie der politischen
Instanz
bezieht. "Die Bestimmungen und Bedingungen der sozioökonomischen Basis und der Klassenkonflikte wirken nicht auf automatische, mechanische und einseitige Weise auf die politische Sphäre und den Staat, sondern bilden im Gegenteil die Möglichkeit und die Notwendigkeit ihrer relativen Autonomisierung. Der Staat muß einen solchen Platz einnehmen, um durch eine direkte Intervention, die seinen Wirkungskreis, seine Funktionen und seine Befugnisse erweitert, auf die Produktionsweise des abhängigen Neokapitalismus einzuwirken." (45) Was die Analyse der Rechtsinstanz merkt
werden,
daß,
obwohl
in
Kaplans
anbelangt, so muß be-
Arbeit
die
Problematik
ausführlicher als bei allen anderen zitierten Autoren behandelt
195
wird, er dennoch
in hohem Maße im Allgemeinen verharrt. Unter
diesen Herrschaftsformen kommen dem Recht - nach Kaplan - folgende Aufgaben zu: a) die Autoinstitutionalisierung einer immer mehr
interventio-
nistischen und autoritären Staatsmacht; b) die Erweiterung des Kreises der Verhaltensweisen der Strafgesetze), das
System
der
Legitimierung
die
betrachtet
zur Abschwächung
als Abweichung werden;
die Bildung
für die Ausnahmezustände der
Grenzen
(mit Hilfe
vom oder sogar gegen von
Mechanismen
und die Tendenz
zwischen dem öffentlichen und
dem privaten Recht; c) die zwangsweise Durchsetzung einer minimalen Kohärenz in die wirkliche gesellschaftliche und politische Heterogenität; d) die Regelung und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen zwischen Klassen, Gruppen und Individuen; und e) die materielle und ideologische Hilfeleistung bei der Beibe46 haltung des geltenden Wertesystems. Im Unterschied zu Kaplan, bei dem unseres Erachtens der Absicht, schen
den
Staates
"faschistischen" zu
beweisen,
Charakter
sekundäre
des
lateinamerikani-
Bedeutung
zukommt, ist
diese Absicht in Agustin Cuevas Untersuchung das zentrale Element der Analyse. Cueva versucht seine These zu vertreten, indem er von der klassischen Definition des Faschismus von Dimitrov ausgeht, nach der jener gekennzeichnet ist als "die terroristische Diktatur, die die reaktionären Kreise des Monopolkapitals insbesondere über die Arbeiterklasse ausübt, wenn sie sich in Krisensituationen befinden oder aus irgendeinem anderen Grund ihr Herrschaftssystem bedroht glauben", (47) und
indem
ebenso wie
er
sich
auf
Interpretationen
von
Dimitrov
stützt,
auf die von Rodney Arismendi,^® welche gerade jene
Aspekte als nicht wesentlich oder sekundär ansehen, die sich in 49 Lateinamerika nicht nachweisen lassen: Die Massenpartei, die Unterstützung durch das Kleinbürgertum oder die chauvinistische Ideologie. So (das 196
genügen
zwar nützlich
für
diesen
ist, das
Autor
ein
aber, weil
ideologisches es so stark
Element
emotional
belastet kann,
ist,
und
lediglich
nicht
ein
strukturelles
und
dem
einer politischen
Denunzierung
besseren Verständnis
Element,
das
"lateinamerikanischen"
sätzliche munismus
einem
dem
der
"historischen
gemeinsam
dienen
Realität) und Faschismus"
ist, um eine
grund-
Identität beider herzustellen: Den extremen Antikomund die
tiefe Verflechtung
des
transnationalen Kapi-
tals in der Wirtschaft. "Definiert man den Faschismus auf diese Weise, so kann man sich fragen, ob er in Ländern wie denen des cono sur Lateinamerikas existiert oder nicht. Wir weisen zunächst darauf hin, daß die Tatsache, daß Chile, Uruguay, Argentinien oder Brasilien keine imperialistischen Länder sind, sondern im Gegenteil Länder, die der imperialistischen Herrschaft unterworfen sind, kein Hindernis dafür darstellt, daß dort Prozesse der Faschistisierung ablaufen. Im Gegenteil: Die tiefe Verflechtung des transnationalen Kapitals in diesen Wirtschaftssystemen ist der wesentliche Bezugspunkt für das Verständnis dieser Prozesse. Wenn wir heute hier wirklich von Faschismus sprechen können - sicher zum ersten Mal in der Geschichte des Subkontinents - so gerade deshalb, weil durch diese Verflechtung die wirtschaftlichen Bedingungen reiften, damit dieses Phänomen stattfinden kann." (51) Abschließend er
die
inhaltliche
und paradoxerweise Beschreibung
des
beinahe
so, als
wollte
"lateinamerikanischen Fa-
schismus" negieren, bemerkt Cueva: "Mangels eines "Konsenses" stützt sich dieser Faschismus in der Hauptsache auf einen militärischen Apparat, der von außen her in einem "inneren Kriegszustand" alle strategischen Punkte der Gesellschaft besetzen muß, angefangen bei den sogenannten "ideologischen Apparaten des Staates". Seine Macht ist daher eine militärische, seine Schwäche eine gesellschaftliche." (52) Was die Analyse der Rechtsinstanz mehr-als
anbelangt, so ist sie
in der Analyse des politischen Bereichs in derjenigen
der Wirtschaft verstreut. Abgesehen
von
den
Schwächen
und
Schwierigkeiten,
sowohl bei den hier zitierten Autoren wie auch bei allen übrigen Sozialwissenschaftlern, die die These von der Anwendbarkeit des Faschismusbegriffs auf die lateinamerikanische Wirklichkeit
197
vertreten, kann man diesen Untersuchungen einen effektiv geleisteten
kritischen
Beitrag
zur
Kenntnis
dieser
Wirklichkeit
nicht gänzlich absprechen.
7.4 Staatstheorie und neuer Autoritärismus Ober
ihre
Weigerung
hinaus,
den
lateinamerikanischen
Staat als faschistisch zu bezeichnen, - was immerhin schon etwas ist
- erweist
es
sich
als
schwierig,
unter den zu betrachtenden Arbeiten
eine völlige
Identität
festzustellen.
In einem kurzen Oberblick werden wir in jedem einzelnen Fall die wesentlichen Aspekte herausstellen. Es scheint nunmehr außer Zweifel, daß die systematischste
und
am
besten
strukturierte
Guillermo O'Donnell zu verdanken
Untersuchung
dieser
Richtung
ist.^
Um die autoritären Herrschaftsformen zu bezeichnen, die gegenwärtig in der kapitalistischen Peripherie herrschen, prägt er den Begriff er definiert führt
'bürokratisch-autoritärer
Staat'
(BAS). Nachdem
hat, was er unter Staat im allgemeinen
O'Donnell
Herrschaftsformen
jene
spezifischen
ein, die
Elemente
der
zur Charakterisierung
versteht,
autoritären des
"Die definitorisehen Charakteristiken des BATyps (bürokratisch-autoritär) sind: a) daß leitende Regierungsposten gewöhnlich von Personen besetzt sind, die sie nach erfolgreichen Karrieren in komplexen und höchst unbürokratisierten Organisationen wie den Streitkräften, dem Staat selber oder großen Privatunternehmen erlangen; b) es sind Systeme politischer Ausschließung in dem Sinne, daß sie danach trachten, die Zugangskanäle zum Staat dem 'sector popular' und seinen Verbündeten zu verschließen, sowie ihn politisch zu entaktivieren, nicht bloß durch Repression, sondern mittels vertikaler (körperschaftlicher) Kontrollen des Staates über die Gewerkschaften; c) es sind Systeme der wirtschaftlichen Ausschließung, in dem Sinne, als sie den Wunsch nach wirtschaftlicher Beteiligung des 'sector popular' einschränken und auf eine unbestimmte Zukunft hinausschieben; d) es sind entpolitisierende Systeme, in dem Sinne als sie soziale und politische Probleme auf "technische" Probleme reduzieren wollen, die durch die Inter198
BAS füh-
aktion der Spitzen der oben genannten großen Organisationen gelöst werden sollen; e) sie entsprechen einer Etappe wichtiger Veränderungen in den Akkumulationsprozessen ihrer jeweiligen Gesellschaften, die ihrerseits Teil eines "Vertiefungsprozesses" eines peripheren und abhängigen Kapitalismus sind, der dessen ungeachtet bereits eine ausgedehnte Industrialisierung hat." (55) An auf
dieser
zwei Dinge
instanz
nicht
Stelle
angelangt
scheint
es uns
angebracht,
aufmerksam zu machen. Erstens, daß die Rechtsin der Definition
des BAS erscheint.
Zweitens,
daß in einem späteren "Versuch", Anmerkungen zu einer "Staatstheorie"^
zu
Rechtsinstanz
formulieren, die vage und
die
Betrachtungen
allgemeine
bezüglich
Ebene ihrer
der
charakteri-
stischen Funktionen im kapitalistischen System nicht überschreiten
und
nicht
einzudringen,
versucht
wird,
in die Spezifität
der
Aspekte
die der Rechtsinstanz von der autoritären Reali-
tät verliehen wird. Nach "engen"
O'Donnell
und
muß
das
"systematischen"
Erscheinen
Verhältnis
des
zu
BAS
den
in
seinem
Veränderungen
im internationalen Kapitalismus verstanden werden, der in enger Verbindung mittelbaren Einführung und
als
mit dem Staat sich von den Erwartungen und den unInteressen
derjenigen
Kreise
entfernt,
in der Anfangsetappe unterstützen.^ 7
zusätzliches
Element
von
großer
die
seine
Des weiteren -
Bedeutung
-
ist der
BAS die Folge einer politisch-wirtschaftlichen Krise, deren Intensität
die spezifischen Charakteristiken desselben
bestimmt.
Hinsichtlich der Krise könnte man O'Donnells Hypothese folgendermaßen ausdrücken: Je größer die Bedrohung ist, die die Bewegung der 'sectores populäres' für die Interessen des herrschenden
Blocks
darstellt,
desto
größer
werden
die
und die Ausdehnung, mit der sich der BAS ausbreitet. Eine
andere
Arbeit,
die
in
gewisser
Intensität 58
Weise
in
die
Nähe
der vorhergehenden zu rücken ist, stammt von Atilio Bo59 ron. Es werden in ihr interessante Thesen über den lateinamerikanischen
Staat
lichste und
systematischste
den
gegenwärtigen
entwickelt,
und man kann sie als die
Kritik
der Thesen
lateinamerikanischen
Staat
gründ-
betrachten, die als
einen
Typus
sui generis von Faschismus ansehen.^" 199
Für
Boron
Diktaturen günstige
das
die
Resultat
Lösung
Hegemonie
sind -
- und
einer
die
Krise,
im herrschenden
Block
für
die
lateinamerikanischen
den
eine zu
herrschenden
Block
Neuorganisierung
notwendig
Pattsituation" 6 1
"gesellschaftliche Gesellschaften
gegenwärtigen
werden
beenden,
der
läßt, um die welche
in der Zeit vor der Einführung dieser
diese
autoritä-
ren Formen kennzeichnete. Diese Neuorganisierung kretisieren, Kapitals
das
Teile
unter
des
der
würde sich Vorherrschaft
nationalen
Bürgertums
in einem Bündnis kondes
transnationalen
und
einige
Bereiche
der Mittelschicht, die von den neuen Formen der Kapitalakkumulation profitieren, mit e i n s c h l i e ß t . ^ tersuchung
stellt
amerikanischen
Boron
Zum Abschluß
seiner Un-
fest, daß wir es im Falle der
Diktaturen
mit
einer
neuartigen
latein-
Modalität der
bürgerlichen Herrschaftsformen
zu tun haben, die man nicht mit
den
kapitalistischen
traditionellen
Formen
des
Ausnahmestaats
identifizieren kann, wie den Bonapartismus, die Militärdiktatur oder den Faschismus "Die gegenwärtige Wirklichkeit verlangt, daß man diesen Regimen analytische Aufmerksamkeit schenkt, ihrer Klassenzusammensetzung und ihrem Funktionieren sowie dem Charakter der kapitalistischen Entwicklung an der Peripherie, (was) dazu führen würde, daß man zu dem Schluß gelangt, daß die kapitalistischen Staatsformen, die von den Klassikern des Marxismus als Ausnahmenformen betrachtet werden, zu 'normalen' Modalitäten der bürgerlichen Herrschaft im abhängigen und peripheren Kapitalismus wurden."
(64)
Die abschließenden Betrachtungen Borons scheinen eindeutig in Richtung der Nowendigkeit einer Untersuchung der polititisch-rechtlichen orientiert zu
Struktur
des
lateinamerikanischen
sein.^
"Deshalb ist es ein Gebot der Stunde, die gegenwärtige lateinamerikanische Situation zu studieren, insbesondere die politischen Obergangsformeln, durch die die herrschenden Klassen mit einem minimalen Kostenaufwand den geordneten Rückgang antreten werden, sobald die Volksoffensive die Beibehaltung der Diktaturen unhaltbar machen wird." (66)
200
"Falles"
Eine
weitere
interessante
Studie
über
die
Problematik
des Staates bietet Heinz S o n n t a g . ^ Für ihn bestimmt die besondere Form, die die wirtschaftliche Organisation annimmt giger Kapitalismus), die permanente Herrschaft Sphäre.^®
Diese
dominierende
Rolle
der
der
(abhän-
politischen
Politik kann dazu ver-
leiten, eine Parallele mit der Wirklichkeit des zentralen Kapitalismus
zu
ziehen,
wo, wie wir bereits
sahen, die politische
Sphäre eine bemerkenswerte Vorherrschaft erreicht. Wir zitieren im folgenden
eine sehr zutreffende Bemerkung
Sonntags, die vor
der Möglichkeit dieser falschen Interpretation warnt: "Ohne auf die Diskussion über den monopolistischen Charakter des unterentwickelten Kapitalismus einzugehen, kann man sagen, daß die führende Rolle, die ihm in der politischen Sphäre durch die Wirtschaft zugesprochen wird, eine Konsequenz des äußeren Zwanges ist. Das heißt, daß es eine Konsequenz seiner strukturellen Schwächen ist. Der entsprechende Prozeß in der Phase des monopolistischen Kapitalismus (zentraler Kapitalismus) ergibt sich hingegen direkt aus der Stärkung der Wirtschaftssphäre, die eine Intervention der Politik notwendig macht. Die Analogie ist rein formaler Natur, die Grundlagen für einen scheinbar gleichen Prozeß sind völlig verschieden." (69) (Unsere Im
weiteren
die Vorherrschaft
Unterstreichung)
Verlauf
der
Untersuchung
der
grundsätzlich aus dem Unvermögen der bürgerlichen die sozialen Konflikte zurückwirken;
Gründe, die
der Politik bestimmen, erklärt Sonntag diese
einem
weise die Ausnahme
Gesellschaft,
zu lösen, die unmittelbar auf den Staat
Staat,
dessen
"normale"
Form
notwendiger-
sein muß, was wiederum die permanente Krise
seiner Institutionen verständlicher macht. Verbleiben
wir
noch
einen
Augenblick
beim
Problem der
Vorherrschaft der Politik. Für Sonntag verwandelt sich die "Politik in das Ordnungsprinzip der Struktur, in das einzige Kohä71 sionselement des unterentwickelten Kapitalismus". Diese Bemerkung,
die
zutreffend
"rechtlich-politische"
ist,
Struktur
wenn
wir
unter
verstehen,
hat
"Politik" den
die
Fehler, zu
allgemein zu sein. Wir werden noch Gelegenheit haben, zu sehen, daß
das
Element
der
"politisch-rechtlichen"
Struktur
mit den
meisten Möglichkeiten, Kohäsion und Ordnung zu produzieren, ge201
rade das Recht ist und nicht die Politik, was auf die besondere Art der Beziehungen Herrschenden reich
und
zurückzuführen
den
ist, die sich zwischen den
Beherrschten
in diesem
spezifischen Be-
entwickeln.
Was das Problem der Legitimierung dieses nicht faschi72 stischen Ausnahmestaates angeht, so ist es der permanente Charakter der Krise, der die Haltung, die Lösung derselben mittels des Ausnahmestaates zu akzeptieren, hervorbringt, rechtfertigt und verinnerlichen läßt. 73 74 zeichnet sich durch Die Arbeit von Tilman Evers einen bemerkenswerten Versuch der Systematisierung der wesentlichsten Kennzeichen aus. Unter ihren zahlreichen Vorzügen verdient vor allem die Untersuchung und insbesondere die Formulierung der Probleme, die sich auf die Autonomie und das Vorherrschen der politischen Sphäre beziehen, hervorgehoben zu werden: "Der national-staatliche Rahmen besitzt für den politischen Bereich maßgebliche Bedeutung, die ihm auf der ökonomischen Ebene fehlt. Im Schutz des Souveränitätsprinzips gewinnt die politische Sphäre einen erheblichen Vorsprung an Autonomie gegenüber der ökonomischen." (75) Von
dieser
Feststellung
ausgehend
dringt
Evers
viel
weiter und tiefer als alle bisher besprochenen Arbeiten zu diesem Thema in die Analyse der institutionellen Formen der autoritären
Regime
Heterogenität
vor und hält der
Hauptproblem,^ 6
Interessen
diesbezüglich des
den hohen Grad der
herrschenden
Blocks
für das
das er als Frage folgendermaßen formuliert:
"Welche institutionellen Formen sind einem Staat adäquat, der sein abstraktes Gestaltungsprinzip als Ausdruck allgemeiner, abstrakter und unpersönlicher Herrschaft in jeder seiner konkreten Beziehungen zur Gesellschaft teilweise wieder dementieren muß?" (77)
den
Obwohl Evers explizit die Möglichkeit einer befriedigen78 Antwort auf seine Frage verneint, schlägt er doch ei-
nige Lösungsansätze vor, die (in Einklang mit unserer Position) darauf hinweisen, daß, wenn auch der Verlust der Rechte derjenigen
Bürger,
schwächeren
die
zur
beherrschten
Klasse
gehören,
sowie der
Teile der herrschenden Klassen festgestellt werden
kann, dennoch sehr weite Teile dieser letzteren Gruppe im Genuß 202
eines
genügend
sind,
um
großen
Spielraums
ihre
Standpunkte 79 schiedenheiten zu lösen.
"politischen
vorzubringen
und
Pluralismuses"
ihre
Meinungsver-
Es darf nicht vergessen werden, daß ein erheblicher Teil unserer Untersuchung gestellte
Frage
zu
das Ziel hat, Antworten auf die von Evers finden,
und
daß wir
bei
der
konkreten Be-
trachtung der "Fälle" (Argentinien, Uruguay, Chile) Gelegenheit hatten die
zu
sehen,
die
doppelte
daß die spezifische
autoritäre
Form und die
Institutionalisierung
Notwendigkeit
bestimmt
sind,
Funktionen,
annehmen,
die
durch die
Forderungen
der be-
herrschten Sektoren zu unterdrücken und den "politischen Pluralismus" der Herrschenden zu erhalten. Anläßlich der Behandlung der Problematik der Legitimität dieser Regime hatte Evers
auf den prekären Charakter derselben
hingewiesen,
Widerspruch
der
aus
dem
zwischen
ihrer
de
facto
Perpetuierung und ihrer Selbstdarstellung als Ausnahmestaaten on erwächst. Auch in diesem Zusammenhang muß an den "Fall Chile" erinnert
werden,
dessen autoritärer
Institutionalisierungspro-
zeß letztendlich dahin tendiert, diesen Widerspruch zu beseitigen, indem er sich als "neue Ordnung" präsentiert. Hit
der
Untersuchung
tur fortfahrend Überlegungen tiert
als
der "politisch-rechtlichen" Struk-
widmet Evers einige kurze, jedoch
Folge
der
strukturellen
schaft, die bewirkt, daß das Gesetz ter in den gesellschaftlichen strakten
interessante
dem Problem des Rechts. Dieses erscheint
Inhalt
ablegt
und
Heterogenität seinen
der
fragmenGesell-
Vermittlungscharak-
Beziehungen verliert, seinen ab-
sich
"in
eine
Sonderanordnung und 81
schließlich in einen Verwaltungsakt" verwandelt. Ohne den Anspruch erheben zu wollen, die Liste der Autoren, die in diese Richtung einzuordnen sind, erschöpft zu ha82 83 ben, wenden wir uns zuletzt noch der Arbeit N. Lechners zu. Obwohl sie wenig systematisiert ist, gehört sie zu den wertvollsten
theoretischen Annäherungen
an das Problem des latein-
amerikanischen Staates, die bis zum heutigen Tag vorliegen. Sie hat
zwei
und
Staatsapparat
zentrale
Anliegen: und,
als
Die
Unterscheidung
zwischen Staat
Präzisierung
dieser Unterscheidung 84 verstanden, das Problem der Natur des Staates. Davon ausgehend, daß es unmöglich
ist, den
lateinameri-
203
kanischen Staat aus einer allgemeinen Theorie des bürgerlichen 85 Staates "abzuleiten",
geht es darum, diesen
lateinamerikani-
schen Staat als ein "Moment" der Gesamtentwicklung des kapitalistischen Systems heiten tige
zu konzeptualisieren,
spezifiziert
autoritäre
gerade
werden.
Staat
Ausdruck
in der Trennung
indem seine
In diesem Sinne einer
ist der
Besondergegenwär-
Hegemoniekrise,
die sich
zwischen Herrschaft und Hegemonie mani-
festiert : "Wir haben es mit einem Zirkel zu tun: Die Krise des Staates wurzelt in einer Hegemoniekrise und die Hegemoniekrise wird durch die Krise des Staates reproduziert." (86) Die Folge davon 87
ist das Erscheinen eines dauernden Not-
standsstaates. Auch in dieser Untersuchung wird die Folge der Unterordnung
wirtschaftlichen
des
eindeutig
im
hohen
Grad
Bereichs der
(abhängiger
Kapitalismus)
gesellschaftlichen
Heterogenität
erkannt, der die lateinamerikanischen Gesellschaften kennzeichnet. Darum liegt das zentrale Problem des (autoritären) Staates darin, die gesellschaftliche kreten
Bedingungen
der
Integration, jedoch unter den kon-
strukturellen
Heterogenität,
zu
errei-
chen. Es gibt drei mögliche Integrationsmechanismen: Die Reli88 89 gion, und die soziale Revo90die neue Militärdoktrin (DIS) lution. Mythos
In und
gigkeit
ihnen
zeigt
sozialer
und
ihr
sich als Konstante
Diagnose,
Korrelat
-
denn die
eine Mischung aus
die wirtschaftliche
strukturelle
Abhän-
Heterogenität -
"erlauben es nicht, eine kollektive Identität zu entwickeln, es sei denn mit Bezug auf etwas, das die existierenden Struktu91 ren transzendiert". Es daß
unter
ergibt den
sich
aus
schaftlichen
Integration
Daher
in hohem Maße
ist
es
Teil dieser Arbeit rika" gewidmet
Untersuchung
Umständen
einen
speziell
jede
Art
Zwangscharakter
interessant, daß der
ganz der
klar, gesell-
annehmen muß. abschließende
dem "Staat und Recht in Lateiname-
ist.
Die Hypothese Ranges
dieser
gegenwärtigen
innerhalb
des
ist, daß das Recht eine Rolle allerersten autoritären
Herrschaftsprozesses
spielt,
die wie folgt formuliert wird: Es ist die Hauptfunktion des mo204
dernen
Rechtes, "die Komplexität
reduzieren"
(sie),
um
den
des Gesellschaftsprozesses
Wirtschaftsprozeß
und
den
zu
Gesell-
schaftsprozeß voraussehbar und kalkulierbar werden zu lassen. Die Politik ist, obwohl sie Normen festlegt, der Kontingenz
des Gesellschaftskonflikts
neuen
Autoritarismus
besonders
unterworfen
(welcher unter dem
stark
Außerdem
ist).
wirtschaftlich-soziale Prozeß durch die genannten Bedingungen tion,
wachsende kerem tion
Prozeß
Bedeutung
Maße
unvorhersehbar.
praktisch
diesen
voraussehbar
in
der
ist
gerade
zu
und
Arbeit
die Funk-
lassen,
des Rechts erklärt, welches
kasuistisch
wird
Es
werden
wird der
strukturellen was
in immer stär-
autoritär werden muß. Diese Lechners
die
ausgezeichnet
Situa-
konzeptuali-
siert, indem er sie als Prozeß der "Juridifizierung der gesell92 schaftlichen Beziehungen" beschreibt. Mehr noch: "Die durch durch hungen Ein
autoritäre Tendenz zeichnet sich aus eine 'Juridifizierung' der Politik oder die Umwandlung gesellschaftlicher Beziein rechtliche Beziehungen." (93)
typisches
Beispiel
für
diese
Situation
bietet das
argentinische Gesetz 21.400 über die innere Sicherheit, das für Streiks
und
vorsieht
Aussperrung
der
(vgl. unter Punkt
Direktion
strenge
Strafmaßnahmen
6.1.7). Das bedeutet, daß die Juri-
difizierung der gesellschaftlichen Beziehungen - immer im negativen
und
prohibitiven
menschliche
Interaktion
Leitung unter
Sinne
-
versucht,
voraussehbar
durch
werden
zu
Zwang
jene
lassen,
deren
den konkreten Bedingungen des neuen Autoritaris-
mus in hohem Maße unsicher ist. Diese Situation entwickelt parallel
zur Zunahme der Unsicherheit
bezüglich
der
Unmöglichkeit,
eine
sich
der Bürger, insbesondere
genaue
Kenntnis
der
Grenze
dessen zu haben, was wirklich verboten und was erlaubt ist. Daher darf dieser Typus von kasuistischer, prohibitiver und technisch mangelhafter "Juridifizierung" nicht mit dem Juridifizierungsprozessen verwechselt werden, die in den westlichen Demokratien
herrschen
und
das
Ziel haben, den effektiven Grad der
Gewißheit des menschlichen Verhaltens zu erhöhen. Wir und
Lechner
werden
später
kennenlernen,
noch die
weitere
Gründe
es noch
warum der herrschende Block gezwungen
die
von uns
verständlicher
als
machen,
ist, auf juristische und
nicht auf politische Weise zu "herrschen". 205
7.S Abschließende Bemerkung Die
besprochenen
theoretischen
Untersuchungen
erlauben
in der Hauptsache drei Schlüsse zu ziehen: Erstens, daß die unterschiedlichen
Ansichten
bezüglich
des
Problems
des
Staates
"innerhalb" eines homogen kritischen Bereichs des Denkens ausgetragen N.
werden;
Lechner
und
zweitens, in
daß
schwächerem
mit Ausnahme Maße
der Arbeiten von 94
von T. Evers
bestätigt
wird, daß die Analyse der "Rechtsinstanz" ignoriert oder unzulänglich behandelt wird, und zwar gleichermaßen qualitativ wie quantitativ; drittens, daß neben den gewichtigen Unterschieden, die die beiden behandelten Strömungen voneinander trennen, einige
gemeinsame
Elemente
zwischen
ihnen
bestehen,
auf
die
wir zum Zwecke unserer Untersuchung unbedingt hinweisen müssen. In beiden Strömungen stehen die Hegemoniekrise des herrschenden Blocks
und
die
autoritäre noch
ein
Existenz
Praktiken Aspekt,
eines
Staates,
zurückgreift,
dessen
der
außer
einheitliche
systematisch auf
Zweifel.
Bleibt dann
Betrachtungsweise
mehr
oder weniger intensiv und offensichtlich ist: Das Vorherrschen und der hohe Grad an Autonomie der politischen Sphäre. wird,
Es
ist
die
rechtlich-politische
klar,
daß
das,
was
politische
Struktur
Sphäre
genannt
der Gesellschaft ist.
Wenn wir nun unsere eingangs gemachten Bemerkungen darüber, daß die "politisch-rechtliche" Struktur zwei unterschiedliche Wirklichkeiten der
umfaßt,
Einleitung),
Nicht-Betrachtung unmittelbar
nämlich den Staat
wieder oder
aufgreifen, die
ihre negative
und das so
ungenügende Nachwirkung
wird
Recht klar,
Behandlung
(Punkt c. warum des
auf die Entwicklung der
"Staatstheorie" unter den spezifischen Bedingungen des amerikanischen
Falles
die
Rechts
haben muß. Mehr noch: Wenn
latein-
sicher
ist,
daß das Recht und die öffentlichen Institutionen die wichtigste Objektivierung als
absolut
des Staates
sind,55
und mechanistisch
müssen wir jede Behauptung
zurückweisen,
die
in der
einen
oder anderen Form etwas Ähnliches vertritt wie das, was im nachfolgenden Zitat ausgedrückt ist: "Man gelangt auch nicht zum kapitalistischen geht,
sondern
Staat,
indem man von seinen Institutionen, aus-
von den kapitalistischen
Produktionsverhältnis-
sen".96 Im Gegenteil, im Kontext des peripheren Kapitalismus muß 206
man zum Staat gelangen, indem man - auch - von seinen Institutionen ausgeht, und insbesondere von denen, die speziell rechtlicher Natur sind. Außer
den
schon
erwähnten
strukturellen
Gründen, die
(teilweise) die Notwendigkeit für den herrschenden Block erklären,
die
Gesellschaft
auf
juristische
Art
zu
kontrollieren,
bleiben bis jetzt die Gründe ideologisch-politischer Art unerforscht, die wir im nächsten Kapitel behandeln werden.
207
Kapitel VIII:
Politische Herrschaft und juristische Hegemonie
8. Die verschiedenen Ebenen der Machtverhältnisse Von den stitutionellen
zahlreichen
Fragen,
Untersuchung
der
die nach der autoritären
rechtlich-in-
Wirklichkeit im
cono sur noch offen bleiben, gibt es eine, die eine gesonderte Stellung einnimmt: Die Legitimität und das Oberleben von Regimen,
die
in konstanter
und systematischer Weise auf Zwang zu-
rückgreifen, um sich an der Macht zu halten. Um
dieses
Problem
anzugehen,
ist
es
angebracht,
zwei
deutlich unterschiedene Momente im Leben dieser Regime auseinanderzuhalten,
die das Verhalten
sowohl
der
regierenden Grup-
pen wie der Regierten kennzeichnen. In einer ersten Etappe entwickeln die Parteien und Gruppen, die mit unterschiedlicher Organisation und unterschiedlich starkem Bewußtsein die sen der "sectores populäres" vertreten
Interes-
oder zu vertreten vor-
geben, eine frontale Opposition angesichts der Einrichtung des Autoritarismus. Darauf antwortet das Regime mit einer "Kriegspolitik", in welcher der Sieg über die Subversion^ die gesamte Szene beherrscht
und
nicht
bloß
alles explizit verdrängt, was
die demokratischen Verfahrensweisen betrifft, sondern auch noch 2
die Idee des Konsenses selbst. In der zweiten Etappe, wenn die frontale Opposition gegen das Regime
zerschlagen
ist,
läßt die
Zeit des
Schweigens
und der Passivität, welche das Verhalten der "sectores populäres" kennzeichnen, das Problem der Legitimität und des Verbleibens der
autoritären
Herrschaftssysteme
zu einer
theoretisch-
politischen Frage allerersten Ranges werden. Es steht fest, daß in dieser
zweiten Etappe die Repres-
sion weit davon entfernt ist, innezuhalten, sich viel mehr noch in
selektiver
Weise,
nicht massiv, wie
in den
vorausgehenden
Perioden, intensiviert. Dies sichert den Fortbestand der Angst und
der
nicht
Gewalt,
die
so
für die Festigung,
weiterhin
eine
entscheidende
jedoch für das Weiterbestehen
Rolle dieser
autoritären Herrschaftsformen spielen. Nun heißt aber eine entscheidende Rolle nicht eine exklusive. Und, wie es schon andere 208
festgestellt für
sich
haben:
allein
"Die
Effektivität
genommen
des
physischen
erklärt noch nicht auf
Zwanges
befriedigende
Weise das Schweigen der Bevölkerung". 3 Das Problem besteht also darin, in die Spezifität der unter einem autoritären Staat bestehenden Machtverhältnisse Einblick zu gewinnen. Die Beziehungen
zwischen dem herrschenden Block und den
"sectores populäres" entwickeln sich gleichzeitig verschiedenen
auf mehreren
Ebenen, die, ohne die relative Willkür der Gren-
zen zwischen diesen zu vergessen, in drei Gruppen klassifiziert werden können: a) die wirtschaftliche, b ) die politisch-ideologische und c) die kulturelle Gruppe. Was
die
wirtschaftliche
Ebene
anbelangt,
so
läßt die
Bündnispolitik zwischen dem Staat mit der größten Konzentration nationalen Kapitals und den transnationalen Konzernen nicht den geringsten die
es
Raum,
um
ermöglichte,
Minimum
an
eine dem
Verteilungspolitik
Programm
materieller
des
Legitimität
zu
erproben,
herrschenden
Blocks ein
zu
gewähren.
Es
erübrigt
sich zu sagen, daß auf dieser Ebene die Lohnpolitik und im allgemeinen die Beschäftigungspolitik von den "sectores populäres" 4 als ihren Interessen entgegengesetzt empfunden wird. Die Charakteristiken der Beziehungen auf der wirtschaftlichen
Ebene
hinterlassen,
mechanistische
Bestimmung
politisch-ideologischen der
Tendenz
talismus
nach
Klassen
zu verursachen,
Ebene.
leben ihren
Im
eine
ihre
Gegensatz
im
peripheren
Protest
der herrschenden
Ideologie
tische
der
Bewegung
ohne
absolute und
Spuren
zu
dem,
auf der was sich
in den sozialen Gebilden des zentralen Kapi-
abspielt,^
herrschten
natürlich
aus.
Kapitalismus
nicht
innerhalb
Im Gegenteil
Opposition
die
die be-
der
Grenzen
bringt jede poli-
eigenen
politischen
und
wirtschaftlichen Grundlagen des autoritären Staates in Gefahr. Die
vorausgegangene
Durchsicht
der
Arbeiten
über die
Staatstheorie in Lateinamerika bestätigt, daß die Verhältnisse, die sich auf wirtschaftlicher und politisch-ideologischer zwischen
dem
entwickeln,
herrschenden
keine
und
den
Herrschaftsverhältnisse
daß die Herrschaft da
Block
sich
sind.
als des Konsenses
Hegemoniebeziehungen
auf
den
"sectores Das
ermangelnd
zwei
Ebene
populäres" bedeutet, erweist,
genannten
Ebenen
bestehen. 209
N. Lechner^ verdanken wir eine der wenigen Untersuchungen über die Spezifität der Machtverhältnisse im Kontext des neuen Autoritarismus.
Seine
zentrale
Hypothese
ist, daß
der
Zwang, die
Drohung und die Angst nicht ausreichen, um den Fortbestand und eine
gewisse
"Legitimität"
ren. Die Antwort gesamte
Problem
dieser Herrschaftsformen
Lechners, erklärt,
zu
erklä-
die, obwohl überzeugend, nicht das
ist,
daß Macht
Realität
erzeugt und
diese ihrerseits ihre eigene Legitimität: "die soziale Wirklichkeit weist auf die Legitimität voraus. Die Wirklichkeit besteht aus einem Machtverhältnis, mittels dessen das dominierende Interesse sich in Ordnung objektiviert. Die Macht der regierenden Gruppe liegt daher nicht so sehr im physischen Zwang als vielmehr in seiner Obersetzung in die "Macht der Umstände". Indem die Macht Wirklichkeit hervorbringt, bringt sie gleichzeitig ihre Legitimität hervor. Die Anerkennung der politischen Ordnung verweist so auf die Anerkennung der duch die Macht "verordneten" Wirklichkeit." (7) Der wesentliche Beitrag dieser Arbeit, den wir hier darstellen, nimmt die von Lechner formulierte Hypothese an, jedoch zwingt ihr die Tatsache, daß sie sich konkret auf einen anderen Bereich
der
Machtverhältnisse
richtet,
einige
Veränderungen
auf.
8.1 Juristische Hegemonie Aus
unserer
gesamten
schließen, daß der sich kanischen nicht
cono
in der
Untersuchung
ist,
sich
leicht
in den Gesellschaften des lateinameri-
sur gegenwärtig Lage
läßt
an der Macht
seinen
"Standpunkt"
befindende auf
Block
wirtschaftli-
cher und politisch-ideologischer Ebene in einen "Standpunkt" zu verwandeln, geteilt
der
von
und/oder
da die autoritären stes,
weil
der
Gesamtheit
konsensmäßig
Angst,
der
"sectores
akzeptiert
wird.
Regime weiterbestehen, Zwang und Drohung
populäres"
Folglich, und,
kann man allen Ern-
nicht
ausreichen,
um den
Fortbestand dieser Regime zu erklären, folgende These aufstellen:
Der politische
Schaden und die Illegitimität, die
Herrschaftsverhältnisse 210
einigen
Ebenen
der
offene
Machtverhältnisse
aufzwingen,
können,
was
ihre
negativen
Folgen
herrschenden Block durch die Existenz von
anbelangt, vom
Hegemonieverhältnis-
sen in anderen Bereichen teilweise abgeschwächt werden. Genauer gesagt:
Die
Inexistenz
von Hegemonie
politisch-ideologischer
Ebene
auf wirtschaftlicher und
in den Beziehungen
herrschenden Block und den "sectores populäres" negativen
Folgen
angeht,
zwischen dem wird, was die
durch die Existenz von Hegemoniever-
hältnissen auf der Ebene des Rechts teilweise abgeschwächt. Im Bereich des
Rechts
gibt es nämlich im Gegenteil einen
"Stand-
punkt", der vom herrschenden Block und den "sectores populäres" geteilt
wird,
wenngleich
er
zweifelsohne
die
Interessen des
herrschenden Blocks ausdrückt. Bevor
wir
dazu
Bereich des Rechts einmal
die
Herrschafts-
Bedeutung und
übergehen,
konkret
die
Hegemoniebeziehungen im
zu untersuchen, ist es nötig, noch
dieser
Instanz
für
Legitimationsprozesse
die
der
Gesamtheit
autoritären
der
Regime
des cono sur herauszustellen. Schauen Struktur zurück, Rechts
an
wir
den
auf
unsere
Beispielen
Analyse
der
Argentiniens,
institutionellen
Uruguays und
Chiles
so können wir die außerordentlich große Bedeutung des für
die
autoritären
Herrschaftsprozesse
feststellen.
Diese Bedeutung wird von der zitierten Untersuchung N. Lechners völlig
bestätigt,
insbesondere
was die Tendenz
zur Umwandlung
der politischen und sozialen Beziehungen in rechtliche angeht, oder, was dasselbe ist, in bezug auf die Juridifizierung der sott zialen Beziehungen. q
So gesehen herrschenden
scheint
Gruppen
die
versuchen,
auf einen der wenigen Bereiche
Behauptung
plausibel,
daß die
ihre Machtverhältnisse
gerade
zu zentrieren, wo sie Hegemonie
bes itzen. Wir haben hen, welches monie
in den vorhergehenden
im Bereich des Rechts
welches
Kapiteln
bereits gese-
im allgemeinen die Funktionen sind, die die Hege-
die Elemente
entwickelt. Sehen wir nun
sind, die es ermöglichen, sie
weiter,
aufzubauen
und auszudecken.
211
8.2 Elemente
und
Entwicklung
der
juristischen
Hegemonie des
herrschenden Blocks Die
extreme
Seltenheit
kritischer
Arbeiten
im
Bereich
des Rechts innerhalb des lateinamerikanischen Kontextes ist der erste
und
klarste
Ausdruck
der
Hegemonie
des
herrschenden
Blocks. Im Gegensatz
zu dem, was
im Bereich der
Staatstheorie
festgestellt werden kann, wo die Diskussion innerhalb eines homogenen kritischen Kontextes abläuft, ist die Diskussion im Bereich
des
Rechts
vornehmlich
einem Rahmen geführt,
der
abstrakt und
formal
und wird in
homogen zur Beibehaltung des
status
quo tendiert. Selbst in Disziplinen wie der Soziologie, 1 " der Psychologie
und
schaft 1 1
heute
ist
das
in
geringerem
kritische
Maße
Denken
der
Wirtschaftswissen-
entweder
hegemonisch
oder
verfügt zumindest über eine theoretische Produktion, die bedeutend genug ist, um auf einem Fuße relativer Gleichheit mit dem konservativen
Denken
zu stehen.
Da drängt sich die Frage auf,
welchen Umständen diese besondere Situation des Rechts zu verdanken
ist. Wenn
es auch unmöglich
ist, eine
einzige
Antwort
auf diese Frage zu geben, so kann zumindest der Hinweis auf drei (verschiedene) Aspekte das Problem teilweise erhellen. Es sind: a) Die Bedeutung des Rechts für die politische Herrschafts- und Legit imations struktur ; b) die
Zusammenstellung
und
die
Funktion
der
Rechtswissen-
schaftlichen Fakultäten; c) die Reduzierung schen
der Spezifität
Produktion
der
des Rechts in der
Geistesströmungen,
die
theoreti-
links
oder
rechts von der liberalen Ideologie angesiedelt sind. Zu a): Die Bedeutung des Rechts in einer Herrschafts- und Legitimationsstruktur Es
ist
in sehr
großem Maße das Verdienst
A.
Gramscis,
die Bedeutung der Kultur für die großen Veränderungen der Orga12 nisationsformen einer Gesellschaft aufgezeigt zu haben. Andererseits 212
haben
Autoren
wie
Wilhelm Arnold und Gustav Rad-
bruch
das
Recht als ein Element ersten Ranges für die kultu-
relle Bildung einer Gesellschaft betrachtet. 1 ^
In dieser Rich-
tung noch weiter
gehend, verstand H. Heller das Recht als die i4 fortschrittlichste Art der Herrschaft. Wenn dieses im allgemeinen, das heißt für die sozialen Gebilde des zentralen Kapitalismus sowohl der Vergangenheit wie auch der Gegenwart, sicher zutrifft, pheren
so
in noch viel stärkerem Maße im Kontext des peri-
Kapitalismus.
und
die
als
genügend
In
diesem der
Oberdeterminierung bewiesen;
eine
Fall
wurde
politischen
politische
die
Bedeutung
Sphäre
Sphäre,
schon mehr
wir
sagen es
noch einmal, die sich aus zwei klar unterscheidbaren Ebenen zusammensetzt: Die rein politische (der Staat) und die rein juristische (das Recht). Von diesen beiden Ebenen, so konnten wir im Verlauf unserer Untersuchung aus der Besprechung der Werke zur lateinamerikanischen Staatstheorie und speziell aus der Arbeit N. Lechners
ersehen,
durch
ist die politische
ihren kontingenten
sonders
durch
schenden
die Tatsache
absolut
keine
viel weniger entwickelt, was
und konf1iktuellen bedingt
Hegemonie
Recht "als die fortschrittlichste die Ebene,
wo die Herrschenden
den Beherrschten tigsten
Charakter
ist, daß ausüben.
und be-
in ihr die Herr-
Dennoch
bleibt das
Form der Herrschaft" und als
in bezug auf ihr Verhältnis zu
im Besitz der Hegemonie sind, eines der wich-
Elemente
der
lateinamerikanischen
politisch-rechtlichen
cono
sur. Es muß
Struktur
dabei immer
des
berücksich-
tigt werden, daß diese Bedeutung des Rechts nicht notwendigerweise mit seiner Wirksamkeit weniger der
mit
seinem
Charakter
gesellschaftlichen
stellende
größere
in Beziehung steht, und noch viel eines
Beziehungen. 1 **
abstrakten Die
Selbstlegitimierungskraft
nicht einer
Vermittlers in Abrede zu rechtlichen
Norm (unabhängig von ihrem Inhalt oder dem Verfahren ihrer Hervorbringung), ausdruck, -
vergleicht
trägt
insbesondere
man
sie
mit einem einfachen
des
repressiv-prohibitiven
Typs - als
des gesellschaftlichen Lebens unter den spezifischen gen
des
neuen
Willens-
dazu bei, den verstärkten Gebrauch des Rechts
Autoritarismus
verständlich
"Ordner" Bedingun-
zu machen.
Hieraus
wird die Bedeutung klar ersichtlich, die eine Untersuchung der spezifischen Funktionen des Rechts unter Bedingungen einer Un213
terdetermination
der
politisch-rechtlichen
Struktur
im
Rahmen
eines autoritären Herrschaftsprozesses hat.
zu b): Zusammenstellung
und Funktionen der
Rechtswissenschaft-
lichen Fakultäten Abgesehen davon, daß die rechtswissenschaftlichen täten
zweifelsohne
tion,
die
Theorien
die wichtigste
Diskussion und
Ideen
und
über
die das
Institution
Vermittlung Recht
für die
alles
dessen,
anbelangt, waren und
sind, sind kritische Untersuchungen über ihre und ihre Funktionen praktisch
FakulProdukwas noch
Zusammenstellung
inexistent.
Diese Institution erscheint natürlich nicht erst mit dem Aufkommen Folge des
der
der
wurden.
In
vitiosus:
diejenigen
Individuen,
die
sie
Zeit nährte
vornehmlich
den
sondern die
ist noch die
zwischen
20. Jahrhunderts
dieser
Aus
nachdem
Regime,
Republiken",
des
Regierungsmitglieder
circulus die,
autoritären
19. und dem Beginn
eingerichtet die
neuen
"oligarchischen
Lateinamerika
die
Tatsache, daß
Juristen
waren,
Reihen der Oligarchie ein
Rechtsstudium
ihr Studium beendet
dem Ende
in
hatten,
einen
entsprangen
aufnahmen, und ein
Regierungs-
und Richteramt mit einer Dozentur verbanden. Die 1918
als
in Cordoba
kontinental
geplante
(Argentinien)
Universitätsreform,
durchgeführt
wurde,
die
hatte eher
eine politische als eine akademische B e d e u t u n g . ^ Wenn sie auch den Zugang
zum Universitätsstudium
für die neue
Mittelschicht
-relativ- ermöglichte und Veränderungen in den Verwaltungsstrukturen herbeiführte, so blieben doch die konkreten Lerninhalte, d.h.
im wesentlichen
Es erübrigt
sich
die Studienpläne, praktisch
zu betonen, daß die
Fakultäten keine Ausnahmen bildeten.
In diesem
unverändert.
rechtswissenschaftlichen
innerhalb dieser generellen Tendenz
Bereich wurden die Mitglieder anderer so-
zialer Schichten als der Oligarchie, die das Feld der Lehre und Forschung betraten, von letzterer selektiert, weswegen sie sich völlig der herrschenden juristischen Ideologie anschlössen, die da lautete: "Den Umständen angepaßter" Liberalismus. In bezug auf die Inhalte des Rechts genügt es, einen Be-
214
griff von der Entwicklung des Rechts in Europa zu haben, um das lateinamerikanische Recht zu kennen. Der Mangel an Originalität und an Ideen, die mehr oder weniger der Wirklichkeit des Kontinents entsprechen, scheint dessen charakteristisches Kennzeichen zu sein. So hat sich die Aufgabe der Mehrheit der lateinamerikanischen Juristen auf die unreflektierte und mechanische Übernahme der europäischen und in schwächerem Maße der nordamerika17
nischen theoretischen Arbeiten beschränkt. Dies
erlaubt
es, zu behaupten, daß das Recht
in Latein-
amerika das Resultat eines doppelten Abstraktionsvorgangs Die
relative Abstraktion
der Umstände,
die
des europäischen
es hervorbringen
Rechts
(allgemeiner
ist:
hinsichtlich Charakter und
universelle Gültigkeit des kapitalistischen Rechts) und die absolute
Abstraktion
europäischen
Rechts
im
mechanischen
in der
Der offensichtlichste
Rezeptionsprozeß
lateinamerikanischen
des
Wirklichkeit.
Beweis hierfür ist, wie E. Garzon Valdez
scharfsinnig bemerkt, daß die Gemeinsamkeit der Interessen zwischen den europäischen und den lateinamerikanischen Juristen in direktem Verhältnis 1 ozum Abstraktionsgrad Gegenstands wächst. Nicht
zuletzt
wegen
des
hohen
des
zu
betrachtenden
Abstraktionsgrades des
Rechts kann man sagen, daß die Rechtswissenschaftlichen
Fakul-
täten eine besondere Rolle gespielt haben; das Studium des positiven Rechts, insbesondere des kodifizierten, i9 lig von der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Ober schen dazu
die
Normen
selbstlegitimierende
hinaus
beigetragen,
hat
seinen
die
löst sich völ-
Eigenschaft
abstrakte
von
Behandlung
"technischen"
juristi-
des
Charakter
Rechts
und
somit
seine Unerreichbarkeit für den größten Teil der "sectores populäres"
zu
verstärken.
Eigenschaften
Daher
kann
(Selbstlegitimierung,
man
sagen,
daß
Technizismus,
diese
drei
Abstraktion)
ein weiteres entscheidendes Element für die Erklärung des Vorhandenseins zwischen
dem
von
Hegemonieverhältnissen
herrschenden
Block
im
und den
Bereich "sectores
des
Rechts
populäres"
darstellen.
215
zu c): Radikales Denken und Verlust der Spezifität des Rechts Wir
werden
diesem
Problem
keinen
breiten
Raum
widmen,
Seine Behandlung soll lediglich darauf hinweisen, daß es zumindest einen Aspekt gibt, der zwar zur Erklärung der juristischen Hegemonie
des
herrschenden
Blocks
beiträgt,
jedoch
wendigerweise auf dessen Aktivität zurückzuführen Mit
dem Begriff
"radikales
Denken"
nicht not-
ist.
bezeichnen
wir jene
theoretischen Richtungen, die nicht nur von der liberalen
Ideo-
logie entfernt sind, sondern sich in scharfer Opposition zu ihr befinden.
Innerhalb
dieser
der
liberalen
Strömungen 2 "
kritisch eingestellten
Ideologie
kann man
gegenüber
zwei Gruppen un-
terscheiden, die, abgesehen von den enormen Unterschieden sichtlich
des
uns
hier
interessierenden
Gegenstandes,
hin-
ein ge-
meinsames Element besitzen. Es ist nichts anderes als die Auflösung
der
juristischen
Problematik
in
Kritik der Politik und des Staates. 2 1
der
breit
angelegten
22
Wie es Umberto Cerroni formuliert,
hat sich sowohl bei
Carl Schmitt wie auch bei den sowjetischen marxistischen Theoretikern (insbesondere Stucka und Vysinskij) 2 3 den
'Schutz' der Politik Beispiele,
die
"das Recht unter
geflüchtet".
einer
Auflösung
des
Juristischen
in der
Politik gleichkommen, findet man auch im lateinamerikanischen 24 25 Kontext, sowohl im rechten antiliberalen Nationalismus wie 26 auch im orthodoxen Marxismus. Außerdem muß hinzugefügt werden, daß außerhalb des Bereichs der liberalen äußerst
selten
sind,
Ideologie die Autoren
die sich selbst mit den genannten
schieden, mit der Problematik des Rechts Dies bedeutet, generell
Unter-
auseinandersetzen.
gesehen und besonders
innerhalb
Lateinamerikas, daß das Feld des Rechts von den Verfechtern eines
fortschrittlichen
Denkens
aufgegeben
wurde
- ein weiterer
Grund, der die Hegemonie der "den Umständen entsprechend
ange-
paßten" liberalen Ideologie verständlich macht.
8.3 Ineffektivität und Bedeutung des Rechts Dieser zweite Teil unserer Arbeit kann nicht sen 216
werden,
ohne
daß
wir
auf
einen
potentiellen
abgeschlosWiderspruch
hinweisen, der sich aus dem Ergebnis unserer gesamten Untersuchung abzeichnet. Einerseits haben wir die Diskrepanz zwischen dem
Recht
und
der
lichen eine
Effektivität
Konstante
gen.
der
juristischen
kritischen
Andererseits
Normen
Lateinamerika ist, die sich
haben wir im Verlaufe unserer Arbeit
und
Legitimationsstruktur
des
cono
derspruch
in
Untersuchungen
indirekter Weise mit diesen Themen beschäfti-
wieder versucht, die Bedeutung sur
hervorgeho-
ist, daß der niedrige Grad der tatsäch-
in den
in direkter oder 28
Wirklichkeit
gesellschaftlichen
ben, oder, was dasselbe
der
herauszustellen.
zwischen
der
des Rechts
gegenwärtigen Wie erklärt
Bedeutung
und
immer
für die HerrschaftsMilitärdiktaturen
sich nun dieser Wi-
der
Ineffektivität des
Rechts? Unserer Meinung nach neigt dieser Widerspruch
zwischen
dem Recht und der gesellschaftlichen Wirklichkeit dazu, im Kontext des neuen Autoritarismus zu verschwinden. Die Position der Mehrheit der kritischen Autoren erklärt sich
nur
druck
durch
eine
gewisse
Abstraktionsebene, die ihren Aus-
darin findet, daß bei der Analyse die konkrete Wirklich-
keit
der
gegenwärtigen
lich
die
autoritäre
politischen
Prozesse
Institutionalisierung,
im cono sur, nämnicht
genügend be-
rücksichtigt wird. Dieser Widerspruch kam unter dem traditionellen tarismus
voll
zum
Tragen,
Autori-
in dem Maße als ein liberales Recht
und eine autoritäre
Praxis seine dominierendsten
Eigenschaften
waren.
seit
immer
Heute
aber,
dem Vorhandensein
eines
stärker
von der DIS inspirierten 29 Rechts, neigt dieser Widerspruch dazu, sich zu verflüchtigen. Unter sich
nicht
zestext
dem
nur
selber
neuen
Autoritarismus
die autoritäre verwandelt
vertieft
und
verfeinert
Praxis, sondern auch der Geset-
sich
in einen
druck dieser Praxis. Wie wir sahen
immer getreueren Aus-
verkörpern die Streitkräfte
am klarsten diese Tendenz. Das mehr
in
ein.
Daher
Recht
einen kann
wird
immer
Gleichklang man
repressiver
und ordnet
sich immer
mit
der
autoritären
Wirklichkeit
sagen, daß
das
Recht
stärker
immer
oder
immer weniger ideologisch ist, je nachdem, welche Bedeutung dem Wort "Ideologie" gegeben w i r d . 3 " Als
politisches
Aktionsprogramm
ist
das
Recht
mehr und 217
mehr ideologisch, in dem Maße wie die Gesetzgebung, die vom neuen
Autoritarismus
ist, abstrakt
und
erlassen
wird,
allgemein
und
die
weit
davon
entfernt
zu sein, die Tendenz zeigt, in un-
mittelbarer Weise die konkreten Vorhaben der herrschenden Gruppe darzulegen
(wofür
"Pinochets Verfassung" ein gutes
Beispiel
Bewußtsein
weniger
ist). Als
falsches
ideologisch. verbergen,
Anstatt
drückt
durchsichtiger der
die
die
Weise
uruguayischen
ist
autoritäre aus
das
Brutalität
verordnete und gleichzeitig
das
immer
Regierungspraxis
Gesetzgebung
diese
die Auflösung
des
zu
in völlig
sich nur an das
(man erinnere
Diktatur,
Recht
der
Dekret
Parlaments
aus diesem Grunde verbot, der Exe-
kutive einen diktatorischen Charakter zu unterstellen).
8.4 Schlußbetrachtung Der
sich
zur
Zeit
der Macht
befindende
gemeinhin
unter
im
Block
homogen
lateinamerikanischen
ist
und
alles
stabil
andere
als
cono
versteht. Der Zeitraum, in
welchem er noch an der Regierung verbleiben wird, und dere
die
konkreten
Mechanismen,
trieben werden kann, erweisen sagbar.
Dessen
ungeachtet
politisch-sozialen
Zukunft
sur an
das, was man
durch
die
er
aus
insbeson-
dieser ver-
sich als praktisch nicht voraus-
scheint des
konkrete
Form der
lateinamerikanischen
sich
die
cono sur
um zwei zentrale Alternativen zu drehen. Unter
Berücksichtigung
dessen, was wir bis hierhin dargelegt haben, wagen wir folgende Prognosen: a) Davon,
wie
Blocks wir
in
uns
die der
im
Widersprüche
Zukunft
gelöst
innerhalb werden,
lateinamerikanischen
des Autoritarismus
cono
des
wird sur
es
herrschenden abhängen, ob
in der
Gegenwart
(Vorherrschaft der traditionellen Oligar-
chie) oder aber des neuen Autoritarismus
(Vorherrschaft der
Streitkräfte) befinden werden; b) Davon, wie
die Widersprüche
innerhalb
der gesamten
Gesell-
schaft gelöst werden, wird es abhängen, ob die Zukunft ritär
(Vorherrschaft
demokratisch wird. 218
des zur Zeit herrschenden
(Vorherrschaft
der
"sectores
auto-
Blocks) oder
populäres") sein
In diese Art von Widersprüchen eingebettet Arbeit
den
Anspruch,
der Widersprüche
einen
Beitrag
erhebt diese
zur demokratischen
Lösung
zu leisten, die den lateinamerikanischen Kon-
tinent durchziehen.
219
Nachwort Die Veränderungen der politischen Landschaft
Lateiname-
rikas vollziehen sich mit einer derartigen Geschwindigkeit, daß bei jeder Untersuchung, die in direktem oder indirektem Zusammenhang mit dem politisch-sozialen wort
für
die
Aktualisierung
Geschehen
der Arbeit
steht, ein Nachunerläßlich
praktisch
ist. Die vorliegende Arbeit stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Bei ihrer Fertigstellung, Mitte des Jahres 1983, herrschten in Argentinien, Uruguay und Chile Militärdiktaturen. Heute hat
Argentinien
hingegen
eine
demokratische
Regierung
und
die Zukunft der Diktaturen Uruguays und Chiles scheint instabil und ungewiß.
Dennoch kann man auf Grund des Fortbestehens ge-
wisser struktureller Faktoren, die entscheidend zu einer ständigen
Instabilität
beitragen,
zumindest
der
Möglichkeit
nach
annehmen, daß ein neues Nachwort, das den "jüngsten" Ereignissen Rechnung trägt, notwendig wird. Durch diese Situation wird eines
der
Hauptziele
der
vorliegenden
Arbeit
ganz
besonders
deutlich: die Unterscheidung nach vorübergehendem und
struktu-
rellem Charakter der zur Untersuchung stehenden Probleme. Letztendlich die
vorliegende
schließt, für
erscheint es mir wichtig hinzuzufügen, daß
Arbeit,
- zumindest
Untersuchungen
die
das
Thema
bei
für mich persönlich
eröffnet,
deren
Ausmaß
weitem
nicht
- ein breites und
Folgen
abFeld
mir
im
Augenblick praktisch unbekannt sind. Das Ende der demokratischen Regierungsformen im Cono Sur waren
Anlaß
Niedergang
für des
die
Erstellung
Autoritarismus
der
und
vorliegenden
die
Frage
der
Arbeit.
Der
sozialen
Ge-
rechtigkeit unter immer demokratischer werdenden Formen des Zusammenlebens
stellen
die
Herausforderung
und das Gebiet
dar,
auf dem die Untersuchung und Diskussion weitergeführt werden. Saarbrücken Im Juli 1984
220
Anmerkungen Einleitung 1) Dies bezieht sich im besonderen auf das Nicht-Vorhandensein einer Theorie, der es, indem sie die Gesamtheit der Ebenen sozialer Analyse umfaßt, gelänge, in adäquater Form das Wesen des derzeitigen politischen Prozesses im cono sur zu erklären. 2) Der Begriff der "kritischen Untersuchung" wird hier wie bei C. Wright Mills verstanden ("jene Untersuchungen, die die realen Ursachen des sozialen Mißstandes und der gegenwärtigen Gleichgültigkeit entmystifizierend und klarstellend, eine tiefere Kenntnis der Realität ermöglichen"); vgl. C. Wright, "The Sociological Imagination", S. 20. 3) Unter "Rechtsinstanz" verstehen wir die Gesamtheit der Normen, deren mögliche zwangsweise und öffentliche Anwendung dazu bestimmt sind, das Verhalten des sozialen Gebildes zu regeln. Der Begriff dehnt sich darüber hinaus auch auf die Institutionen aus, die mit ihrer Hervorbringung, Weitergabe und Anwendung betraut sind, und im besonderen auf die theoretischen Reflexionen, die sich mit seinen Auswirkungen in der politisch-sozialen Realität befassen. Schließlich weisen wir noch darauf hin, daß der Terminus "Recht" oft als Synonym von "Rechtsinstanz" gebraucht wird. 4) Eine wichtige Ausnahme - die deshalb trotzdem nicht den Charakter einer Randerscheinung verliert - ist die weite Verbreitung, die in letzter Zeit die Formulierungen der sogenannten Kritischen oder Neuen Kriminologie erfahren haben. 5) Der Terminus "konservativ" besitzt im lateinamerikanischen Kontext eine doppelte Konnotation, sowohl was seinen Ursprung angeht, als auch in der Gegenwart: es ist dies eine antinationale und vor allem eine zutiefst antidemokratische Nebenbedeutung. Für eine detailliertere Analyse vgl. R» Soler, "Clase y nacion", insbesondere S. 19-37. 6) Unter juristischer Hegemonie des konservativen Denkens verstehen wir die übereinstimmende Annahme dieses Standpunktes durch die gesamte Gesellschaft. 7) Es handelt sich, wie wir gesagt haben, um eine interdisziplinär angelegte Arbeit, da es unmöglich ist, daß jede einzelne Untersuchung die Gesamtheit umfaßt. In der vorliegenden Arbeit wird zum Beispiel die Untersuchung des ökonomischen Bereichs am wenigsten vertieft. 8) Das fehlende Element auf das hingewiesen wird, ist gerade die Untersuchung der Rechtsinstanz. In dem Zusammenhang muß betont werden, daß N. Lechners Arbeit "La crisis del Estado en America Latina" eine Ausnahme darstellt. 9) Ihre
Behandlung
ist
im einzelnen
in dieser Arbeit
nicht 221
vorgesehen, dennoch ist ohne Zweifel mehr als nur eines der Ergebnisse, zu denen wir hier gelangen, in der selben Weise auf sie anwendbar. 10) Es handelt sich um einen relativen Konsens, da eine erhebliche Anzahl kritischer Sozialwissenschaftler im Gegenteil darauf bestehen, die derzeitigen Militärdiktaturen des cono sur mit den Termini "Faschismus" oder "Neofaschismus" zu bezeichnen. Diese Kontroverse, die bei weitem eine Problematik semantischer Art übersteigt, wird auf Grund ihrer Bedeutung für die spezifischen Zielsetzungen dieser Arbeit in Kapitel VII behandelt werden. 11) Wir greifen hier eine Kritik des übermäßigen Gebrauchs des Begriffs "Autoritarismus" auf, die wir als vernünftig, wenn auch nicht als korrekt ansehen: "Es ist wichtig, hier erneut einige Überlegungen zu betonen, die wir schon bei anderer Gelegenheit über die faschistischen Charakteristiken der brasilianischen Militärdiktatur angestellt haben, denn es hat immer wieder Ansätze zur Hinterfragung dieser Charakterisierung gegeben und zwar seitens bürgerlicher Ideologen, die bestrebt sind, den ganz allgemeinen Begriff des Autoritarismus zu gebrauchen ebenso wie seitens respektabler Sozialwissenschaftler der Linken" (vgl. V. Bambirra und T. Dos Santos, "Dictadura militar y fascismo en Brasil", S. 170-171). Diese Kritik erscheint uns vernünftig, denn das Fehlen von genaueren Bestimmungen und Systematisierungen beim Gebrauch des Begriffs Autoritarismus läßt sich nachweisen. Sie ist aber inkorrekt (wie man später sehen wird), denn es ist ein schwerwiegender Fehler, einen Begriff wie den des "Faschismus", der geprägt wurde, um eine historische Realität zu bezeichnen, auf die heutige lateinamerikanische Wirklichkeit anzuwenden, die mit jener lediglich formale Ähnlichkeiten aufweist. 12) Es besteht kein Zweifel darüber, daß in Lateinamerika das Phänomen des Autoritarismus direkt mit dem des Militarismus verbunden ist. Für eine historische Rekonstruktion dieser Problematik als Erklärungsversuch der Ursprünge des heutigen lateinamerikanischen Militarismus, vgl. I. Sotelo, "Modelos de explicación del militarismo latinoamericano: una interpretación histórica". 13) N. Lechner, S. 33.
"La
crisis
del
Estado
en America
Latina",
14) In Kapitel IV werden wir uns ziemlich ausführlich mit der Doktrin der inneren Sicherheit beschäftigen, die wir im folgenden mit der Abkürzung DIS bezeichnen. 15) Diese drei Etappen der autoritären Institutionalisierung stellen ein Modell der Tendenz dar, das sich, wie man sehen wird, in der Wirklichkeit nur teilweise nachweisen läßt. 16) Es muß darauf hingewiesen werden, daß diese mangelnde Beschäftigung der Sozialwissenschaften mit dem Recht zwar-im lateinamerikanischen Kontext besonders akut ist, aber nicht ausschließlich dort vorkommt. Bemerkungen in diesem Sinne, den europäischen Raum betreffend, finden sich in
222
J. Raz, "Oxford Essay in Jurisprudence", s. 278-304 (im besonderen auf S. 299). 17) N. Poulantzas, "Politische Macht und gesellschaftliche Klassen", S. 309 (Angesichts des kapitalistischen Charakters der lateinamerikanischen sozialen Gebilde scheint es ratsam, Poulantzas' Definition anzuwenden). 18) F.H. Cardoso, "On the Characterization Regimes in Latin America", S. 38.
of
19) Interessante Bemerkungen zu diesem Thema E. Fraenkel, "Der Doppelstaat", S. 22 ff. 20) R. Cordova, "Strukturelle Heterogenität ches Wachstum", S. 60.
Authoritarian finden
und
sich in
wirtschaftli-
21) T. Evers, "Bürgerliche Herrschaft in der Dritten Welt". 22) H. Alavi, "The State and Bangladesh". 23) H. Sonntag, periférico".
"Hacia
in Post-colonial una
teoria
Societies: Pakistan
politica
del
capitalismo
24) T. Evers, a.a.O., S. 86. 25) ebenda, S. 90. 26) Der Verwandtschaft mit dieser Thematik wegen vgl. S. Amin, "Class and Nation, Historically and in the Current Crisis" (insbesondere Kap. 6, "Center and Periphery in the Capitalist System: The Nation Question Today", S. 131 ff.) 27) Eine repräsentative Untersuchung dieses Standpunktes bietet P.I. Stucka, "Die revolutionäre Rolle von Recht und Staat". 28) Es handelt sich natürlich um eine schematische Charakterisierung. Die Punkte a) und d) werden im Laufe der Arbeit mit einiger Ausführlichkeit behandelt werden. Für die Punkte b ) und c) vgl. R. Frenkel und G. O'Donnell, "The Stabilization Programs" of the International Monetary Fund and their Internal Impacts". 29) F.H. Cardoso, a.a.O., S. 51. 30) ebenda, S. 34. 31) Die bibliographischen Angaben, die im folgenden gegeben werden, sind selbstverständlich nicht erschöpfend und haben lediglich den Anspruch, einen Gesamtüberblick zu bieten (weitere Informationen wird man in Kapitel VII finden, das der Untersuchung der Staatstheorie in Lateinamerika gewidmet ist) . 32) N. Minello, "Uruguay: la consolidación del Estado Militar" S. 575 ff. 33) H. Sonntag, a.a.O., S. 180 ff. 34) A. Briones, "Economia y politica del fascismo dependiente" 35) G. O'Donnell, "Reflexiones sobre las tendencias generales de cambio en el Estado burocratico-autoritario".
223
36) Für die Ausführung der oben genannten Punkte a), b ) und c) verweisen wir auf die Kapitel I und II, wo sie im Zusammenhang mit der Behandlung zweier Probleme von höchster Bedeutung stehen, die schon in der Einleitung angekündigt wurden, nämlich: 1) im Rahmen des Möglichen den Begriff "Autoritarismus" zu präzisieren und 2) die wesentlichen Charakteristiken des spätkapitalistischen Staates darzustellen. Letzteres in dem Maße, als die Veränderungen sowohl des (fortgeschrittenen) zentralen wie des peripheren (abhängigen) kapitalistischen Staates auf unlösliche Weise mit einem hochgradig internationalisierten ökonomischen Prozeß verknüpft sind. 37) N. Poulantzas, a.a.O., S. 40. 38) Für eine die jüngsten Entwicklungen berücksichtigende Untersuchung des Problems der Demokratie in Lateinamerika vgl. G. Therborn, "The Travail of Latin American Democracy", S. 71 ff. und A. Brown, "Latin America: Between Hobbes and Friedman", S. 45 ff. 39) Diese nicht endgültige Aufzählung der Bedingungen für das Funktionieren der Demokratie in Lateinamerika darf auf keinen Fall als eine Mißachtung der demokratischen Ideale und Praktiken verstanden werden, sondern im Gegenteil als einen Versuch, konkrete Probleme ihres Funktionierens im Hinblick auf eine Korrektur derselben ausfindig zu machen. Zu einem besseren Verständnis des derzeitigen Standes der Diskussion über die Demokratie in Lateinamerika, vgl. Universidad Internacional Menendez Pelayo (Hg.). "La lucha por la democracia en América Latina".
Kapitel
I: Autoritarismus amerika
und
neuer
Autoritarismus
in Latein-
1. Einige Oberlegungen zum Begriff des Autoritarismus 1) Ein Beweis dafür ist, daß zahlreiche politisch-soziologische Wörterbücher und Enzyklopädien den Terminus Autoritarismus entweder gar nicht aufführen oder direkt auf den Terminus Autorität verweisen. Als Beispiel des ersten Typs sei die "Encyclopedia Britannica" genannt, als Beispiel für den zweiten Typ vgl. L. Gallino, "Dizionario di sociologia", S. 65. 2) G. Hartfield, "Wörterbuch der Soziologie", S. 54 f. 3) ebenda, S. 55. 4) F. Neumann, "The Democratic S. 24S.
and The Authoritarian State",
5) A. Aquarone, "L'organizzazione dello Stato S. 290. 6) Vgl. "Amnesty 224
International Jahresbericht
totalitario", 1980"
7) F.H. Cardoso, "On the Charaterization of Authoritarian Regimes in Latin Amerika", S. 48. 8) G. Germani, "Autoritarismo, fascismo e classi
sociali".
9) ebenda, S. 17. 10) ebenda, S. 15. 11) Bezeichnend an dieser Position Germanis, lediglich die totalitären Regime als autoritär zu kennzeichnen, ist die Ähnlichkeit mit einem der Leitgedanken aus C.J. Friedrichs und Z. Brzezinskis Buch, "Totalitarian Dictatorship and Autocracy". 12) G. Germani, a.a.O., S. 19. 13) ebenda, S. 21 . 14) ebenda 15) Vgl. G. Germani, "Politica y sociedad en una época de transición". 16) Vgl. H. Marcuse, "Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. 17) J.J. Linz, "Una interpretación de los regimenes autoritarios". 18) ebenda, S. 13. 19) Es muß bemerkt werden, daß (unserer Kenntnis nach) Linz in seiner späteren theoretischen Produktion seine Definition von Autoritarismus aufrecht erhalten hat. Vgl. z.B. J.J. Linz, "Crisis, Breakdown and Reequi1ibration" in: "The Breakdown of Democratic Regimes" (hg. v. J.C. Linz und A. Stepan (Bd. 1). 20) J.J. Linz, "Una interpretación de los regimenes autoritarios", S. 15. 21) ebenda, S. 16 f. 22) C.J. Friedrick und Z. Brzezinski, a.a.O., S. 8 f. 23) "Unter diesen Umständen (autoritäre Staaten) ist das Beste, was man sich erhoffen kann, ein 'stillschweigender Konsens', d.h. Entpolitisierung, Apathie und Rückzug in den völlig privaten Alltag; und Furcht. Furcht seitens der Verlierer und seitens der Gegner des BAS (Bürokratisch-Autoritären Staates), welche aus der bemerkenswerten Fähigkeit der Bürokratisch-Autoritären Staaten zur Ausübung von Zwang resultiert." Vgl. G. O'Donnell, "Tensions in the Bureaucratic-Authoritarian State and the Question of Democracy", S. 296. 24) J.J. Linz, a.a.O., S. 16. 25) M.E. Carranza, "Fuerzas America Latina", S. 19.
armadas y estado de excepción en
26) Diese Bemerkung muß verstanden werden als eine Kritik an die Adresse aller Autoren des gemeinschaftlichen Werks "The New Authoritarianism in Latin America", der vielleicht wertvollsten und aktuellsten Arbeit, die diesem 225
spezifischen Thema gewidmet ist. Es ist unverständlich, wieso in keinem der einzelnen Beiträge der Versuch einer neuen Definition des Begriffs Autoritarismus unternommen und die von Linz 1964 erarbeitete Definition wörtlich übernommen wird. Vgl. a.a.O., S. 399. 27) Wir beziehen uns natürlich auf politische Parteien mit einem Minimum an wirklicher Einbettung in der Gesellschaft. Die Existenz von zwei Parteien in Brasilien, seit dem Militärputsch von 1964, einer "oppositionellen" und einer "offizialistischen", widerspricht nicht unserer Aussage, da diese Parteien in Wirklichkeit (zumindest bis zum Zeitpunkt der "demokratischen Öffnung" 1980) bloß administrative Verlängerungen des Staates mit sehr geringer oder inexistenter Initiative und Entscheidungsbefugnis waren. 28) Es muß hier der scheinbare Widerspruch zwischen "Permanenz" und "Obergang" geklärt werden, da wir beide Begriffe zur Bezeichnung der Realität des Neuen Autoritarismus gebraucht haben. Diese Regime sind Obergangsregime insoweit, als die historische Erfahrung zeigt, daß diese Herrschaftsformen höchst instabil sind und daß zumindest für die unmittelbare Zukunft ihre Führer nach Alternativen gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen suchen müssen. Es sind dies Alternativen, die fast immer den Terminus "Demokratie" enthalten, denen der Situation angepaßte Beiwörter angehängt werden wie "effizient", "stark", "verantwortungsbewußt", usw. Andererseits sind diese Regime permanent in dem Maße, wie ihre Gründer sich bei ihrer Bildung ZTele setzen (die immer vage definiert sind), aber keinerlei Fristen, innerhalb derer diese Ziele verwirklicht werden sollen. "Was erlaubt also unter solchen Umständen eine Militärregierung als dauerhaft zu bezeichnen? Der unbestimmte Charakter ihrer Führung, da allein die Streitkräfte entscheiden, wann die "Ziele" erreicht sind. Was also von Bedeutung ist, ist, wie sich die Militärs diesen "neuartigen" Putschs vostellen, unabhängig davon, wie lange sie in Wirklichkeit an der Regierung bleiben und unabhängig von den ideologischen Inhalten ihres Programmes". M.E. Carranza, a.a.O., S. 67. 29) J.J. Linz, a.a.O., S. 21 .
Kapitel II: Zentraler Kapitalismus und Autoritarismus 1) Vgl. S. Amin, "La acumulación a escala mundial. de la teoría del subdesarrollo".
Crítica
2) Eine der besten kritischen Analysen zu diesem Problemkreis findet sich in A. Gouldner, "Die westliche Soziologie in der Krise". 3) Wir beziehen uns auf die Theorie Niklas Luhmanns, wir einige Aspekte in Kapitel V behandeln werden. 4 ) H.R. Sonntag, "Hacia una periférico", S. 134 f. 226
teoria política del
wovon
capitalismo
5) Wie wir zu zeigen versuchen werden, kommt dem Thema der Krise, obwohl es in Luhmanns Werk selten explizit behandelt wird, dennoch eine beträchtliche Bedeutung zu. 6) N. Poulantzas, "Le tranformazioni attuali dello Stato, la crisi politica e la crisi dello Stato", S. 6. 7) M. Castells, "La teoria marxista de las crisis económicas y las transformaciones del capitalismo", S. 105. 8) J. Habermas, "Legitimationsprobleme
im Spätkapitalismus".
9) N. Poulantzas, a.a.O., S. 12. 10) M. Castells, a.a.O., S. 85. 11) Wir sprechen von "Linderung" anstatt von Lösung, da unserer Oberzeugung nach die immer wieder aufs neue formulierte Erkenntnis der Unmöglichkeit, sie gänzlich auszurotten, selbst schon zu den Äußerungen der Krise der herrschenden Ideologie gehört. 12) J. Habermas, a.a.O., S. 60. 13) "Eine Theorie ist ein Instrument, um die Realität zu verstehen. Und eine relevante Theorie der Gesellschaft ist eine solche, die in der Lage ist, über die geschichtliche Entwicklung in ausführlicherer und adäquaterer Weise Auskunft zu geben als jede andere Erklärung. Natürlich erklärt eine Theorie die beobachteten Prozesse mit Hilfe eines Komplexes intellektueller Vermittlungen und nicht mittels der einfachen und direkten Beobachtung einer Realität, die mechanisch an die formellen Beziehungen angepaßt wird, die die Theorie definiert". Vgl. M. Castells, a.a.O., S. 68. 14) "Alle Diskussion über die logische "Ableitung" des bürgerlichen Staates aus der kapitalistischen Ökonomie muß sich letztlich bewähren an der praktischen Aufgabe, Instrumente an die Hand zu geben, mit denen die Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Rückwirkung auf die Gesellschaft schärfer bestimmt sowie aus Veränderungen der Akkumulationsbedingungen bestimmte Veränderungen der Interventionsmechanismen und der politischen Formen erklärt und prognostiziert werden können." T. Evers, "Bürgerliche Herrschaft in der Dritten Welt", S. 65. 15) Vgl. R. Ruffili contemporánea".
(Hg.),
"Crisi dello STato e
storiografia
16) D.A. Gold, C.Y.H. Lo, E. Wright, "Recent Developments in Marxist Theories of The Capitalist State", S. 29-43 (erster Teil) und S. 36-51 (zweiter Teil). Es muß bemerkt werden, daß diese Autoren als Rechtfertigung ihrer Systematisierung folgenden Hinweis geben: "Die Logik, die hinter der Identifizierung einer theoretischen Einstellung als einer strukturalistischen, instrumentalistischen oder hegelianisch-marxistischen steht, ist nicht die, zu implizieren, daß jede Aussage, die sie enthält, eindeutig einzelnen Kategorien zugeordnet werden kann. Wichtig ist, daß in jeder Theorie einige Teile systematisch organisiert und in ein kohärentes System von Sätzen integriert sind, während andere Teile eher den Status von ad hoc Zusätzen haben" (Erster Teil, S. 31). 227
1',') P.A. Baran, P.M. Sweezzy, "Monopoly Capital". 18) R. Miliband, "The State in Capitalist Society". 19) D.A. Gold, S. 32-35.
C.Y.H.
Lo, E.O. Wright,
20) N. Poulantzas, "Politische Macht Klassen", sein wichtigstes Werk.
a.a.O., erster und
Teil,
gesellschaftliche
21) Gold, Lo, Wright, a.a.O., erster Teil, S. 35-40. 22) ebenda, S. 40 f. 23) A. Negri, "Su alcune tendenze délia più recente teoria comunista dello Stato: rassegna critica". In diesem Fall dient die Durchsicht der gegenwärtigen Staatstheorie dazu, ihre Erfolge und Irrtümer aufzuzeigen, und auf Grund dieser das Problem auf eine neue Weise anzugehen. 24) P.A. Baran, P.M. Sweezzy, a.a.O. 25) P. Jalee, vgl. z.B. "L'impérialisme en 1970". 26) P. Boccara u.a., "Der staatsmonopolistische 27) R. Gündel u.a., Kapitalismus".
"Zur
Theorie
des
Kapitalismus".
staatsmonopolistischen
28) A. Negri, a.a.O., S. 200. 29) N. Poulantzas, a.a.O. 30) R. Miliband, a.a.O. 31) Ohne von der beschreibenden Ebene, auf der wir diese Durchsicht der Staatstheorien unternahmen, wesentlich abzuweichen, glauben wir auf drei Irrtümer im Zusammenhang mit Negris Kritik der sogenannten neogramscianischen Strömung hinweisen zu müssen. In erster Linie wäre da die erzwungene Identifikation der Ansichten R. Milibands und N. Poulantzas, deren Unterschiede, unabhängig von der Richtigkeit ihrer Aussagen, in der Absicht von Gold, Lo und Wright, wie wir schon sahen, deutlich herausgestellt wurden. Als zweites, eine übertrieben starke Gegenüberstellung zwischen der gramscianischen Inspiration beider Arbeiten im Namen der Marx'schen Orthodoxie: "So wie die zivile Gesellschaft gesehen wird, auf die sich Miliband bezieht, so ist sie nicht bloß die von Marx; d.h. die "Gesamtheit der materiellen Produktionszusammenhänge", sondern diejenige, auf die sich Gramsci bezieht". Vgl. A. Negri, a.a.O., S. 205. Drittens eine unüberlegte Assimilierung (vor allem auf Grund der negativen politischen Folgen dieser Einstellung) dieser Theorien mit der des Stamokap. "In diesem Sinn führen die neogramscianischen Staatstheorien zu einer Wiederholung der Theorie des monopolistischen Staatskapitals, ohne jedoch die düstere Würde und die Größe des proletarischen Sektierertums zu besitzen". A. Negri, a.a.O., S. 207. Dieser Irrtum ist ohne Zweifel die Folge der nicht gesehenen wesentlichen Unterschiede zwischen Milibands und Poulantzas Werk. So gesehen hält kein Versuch, beide Theoriet} zu "verwechseln", der elementarsten Kritik stand. Vgl. z.B. die Polemik zwi^ sehen R. Miliband und N. Poulantzas, "Kontroverse über den 228
kapitalistischen Staat", und der interessanteste Beitrag zu dieser Diskussion: E. Laclau, "La especifidad de lo político", S. 53-88. 32) A. Negri, a.a.O., S. 200. 33) Ebenda, S. 212. 34) Hierzu zwei Bemerkungen: a) die genannten Autoren sind nur einige von den wichtigsten, die sich mit der Problematik des gegenwärtigen Staates beschäftigen; b) von diesen werden wir lediglich die repräsentativsten Werke zitieren. 35) Für ein besseres Verständnis der Bedeutung der "Frankfurter Schule", vgl. M. Jay, "Dialektische Phantasie. Die Geschichte der Frankfurter Schule und des Instituts für Sozialforschung, 1923-1950". 36) Vgl. J. Habermas, "Strukturwandel der Öffentlichkeit". 37) J. Habermas, "Legitimationsprobleme S. 76.
im Spätkapitalismus",
38) C. Offe, "Politische Herrschaft und Klassenstruktur. Zur Analyse spätkapitalistischer Gesellschaftssysteme", S. 140. 39) Ebenda, S. 140 f. 40) Ebenda, S. 149. 41) I. Agnoli, vgl. z.B. "Überlegungen zum bürgerlichen Staat it 42) Einen interessanten Beitrag zur Analyse der möglichen Richtung autoritärer Tendenzen im zentralen Kapitalismus bietet A. Wolfe, "The Limits of Legitimacy, Political Contradictions of Contemporary Capitalism" (insbesondere der Abschnitt, der den Titel "Autoritarian Proclivities" trägt), S. 330-347. 43) J. O'Connor, "The Financial Crisis of the State". 44) A. Negri, a.a.O., S. 216. 45) N. Poulantzas, "Le trasformazioni attuali dello Stato, la crisi politica e la crisi dello Stato", S. 18. 46) M. Castells, a.a.O., S. 101. 47) E. Altvater, "Notas sobre algunos problemas del intervencionismo de Estado". 48) Ebenda, S. 115. 49) Ebenda, S. 103. 50) Ebenda 51) Für eine detaillierte Untersuchung des Entwicklungsprozesses des Kapitalismus, vgl. M. Dobb, "Entwicklung des Kapitalismus, vom Spätfeudalismus bis zur Gegenwart" und D. Ribeiro, "Der Zivilisatorische Prozeß". 52) N. Poulantzas, "Politische Klassen", S. 26-31.
Macht
und
gesellschaftliche
53) J. Habermas, a.a.O., S. 36. 54) P. Barcellona, "Oltre lo stato sociale" "Economia e politica nella crisi dello stato keynesiano", S. 99. 229
55) N. Poulantzas, "Politische Klassen", S. 126.
Macht
und
gesellschaftliche
J. Habermas, a.a.O., S. 36 f. J. Habermas, "Strukturwandel der Öffentlichkeit", S. 74. N. Poulantzas, "Staatstheorie. Politischer Oberbau, Ideologie, Sozialistische Demokratie", insbesondere S. 68-85. M. Weber, "Wirtschaft und Gesellschaft", S. 661 ff. C. Schmitt, "Starker Staat und gesunde Wirtschaft". Vgl. C.W. Macpherson, "Post-liberal Democracy", S. 172. Ein typisches Beispiel der irrigen Position, die hier kritisiert wird, findet sich bei G. Sartori, "Democrazia e definizioni", S. 162 ff. G. Poggi, "La vicenda dello Stato moderno", S. 166 ff. Ebenda, S. 133 ff. Max Weber, "Rechtssoziologie", S. 238 ff. M. Castells, a.a.O., S. 105 und 108. P.A. Baran, P.M. Sweezzy, "Monopoly Capital". N. Poulantzas, "Klassen im Kapitalismus heute", S. 97. E. Garcia Mendez und L. Gómez, "Aproximaciones para el análisis de la problemática del delito de 'cuello blanco' en la etapa actual del desarrollo capitalista", insbesondere S. S9 ff. Für die verschiedenen Ansichten über den "katastrophalen Zusammenbruch" des kapitalistischen Systems, v g l . G . Marramao, "Il politico e le trasformazioni", S. 71 ff. P. Barcellona, a.a.O., S. 81. Zum Begriff der "kapitalistischen Demokratie" vgl. "La lucha por la democracia en America Latina". N. Poulantzas, "Faschismus und Diktatur. Die Kommunistische Interrnationale und der Faschismus", S. 346. N. Poulantzas, a.a.O., S. 337 f. P. Barcellona, a.a.O., S. 80. Ebenda, S. 67 ff. Ebenda, S. 149. J. Habermas, S. 100.
"Legitimationsprobleme
im Spätkapitalismus",
Ebenda, S. 76. P. Barcellona, a.a.O., S. 154. M. Horkheimer, "Autoritärer Staat", S. 77 f. Ebenda, S. 57. A. Negri, "Stato spesa pubblica e fatiscenza del messo storico", S. 24.
compro-
84) Ober die Anzeichen der gegenwärtigen Krise als einer poli230
tischen, vgl. u.a. J Habermas, a.a.O., und J. O'Connor, a.a.O. 85) J. Habermas, a.a.O., S. 56. 86) A. Wolfe, a.a.O., S. 335. 87) N. Poulantzas, "Polistische Klassen", S. 308 ff.
Macht
und
gesellschaftliche
88) C. Buci-Gluksmann, "Del consentimiento como hegemonía: la estrategia gramsciana", S. 387. 89) N. Poulantzas, "Le trasformazioni attuali dello Stato, la crisi politica e la crisi dello Stato", S. 36 f. 90) E. Garcia Mendez, L. Gomez, a.a.O., S. 82 ff. 91) A. Pedrieri, "Introduzione a II parlamento nel sistema politico Italiano, quadro politico, realtà sociale: verifiche per una politica delle istituzioni", S. 11 ff, zitiert in P. Barcellona, a.a.O., S. 148.
Kapitel III: Autoritarismus und Verhältnis
Zentrum-Peripherie
1) Nur drei Perspektiven anzuführen stellt natürlich eine Vereinfachung dar. Dennoch können die verschiedenen Untersuchungen jeder Ansatzart unter eine der drei angeführten Kaategorien subsumiert werden. 2) V.l. Lenin, "Der Kapitalismus".
Imperialismus
als
höchstes
Stadium des
3) W.W. Rostow, "Stadien wirtschaftlichen Wachstums". 4) A. Filippi, "Teoria e storia del sottosviluppo ricano", Bd. I, S. 20.
latinoame-
5) Vgl. 0. Braun, "Wirtschaftliche Abhängigkeit und listische Ausbeutung, S. 137 ff. 6) T. Evers, S. 48.
"Bürgerliche
Herrschaft
imperia-
in der Dritten
Welt",
7) Vgl. H.R. Sonntag, "Hacia una teoría política del capitalismo periférico", S. 134 ff. 8) A. Gramsci, "Quaderni del Carcere", Bd. 2, S. 866 f. 9) J.C. Portantiero, "Los usos de Gramsci", S. 19. 10) Wir werden noch Gelegenheit haben, zu sehen, daß das sich Äußern beider Krisen als politische Krisen auf Grund ihrer unterschiedlichen Ursachen viel eher eine bloß scheinbare Analogie ist dénn eine wirkliche.. 11) "Legitimationskrise entsteht, sobald die Ansprüche auf systemkonforme Entschädigungen schneller steigen als die disponible Wertmasse, oder wenn Erwartungen entstehen, die mit systemkonformen Entschädigungen nicht befriedigt werden können". Vgl. J. Habermas, "Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus", S. 104. 231
12) Voraussetzungen, welche, wie sich zeigt, ihrerseits unerläßliche Faktoren sind, die bei der Analyse der genannten theoretischen Formulierungen berücksichtigt werden müssen. 13) Diese Voraussetzung ist ebenfalls für jene theoretischen Formulierungen mit universalistischem Anspruch gültig, die meist mit einem hohen Abstraktionsgrad behaftet sind. Wir denken dabei z.B. an die nordamerikanischen funktionalistischen Theorien der fünfziger Jahre. In diesen erscheint die nordamerikanische Mittelschicht extrapoliert, als handelte es sich um eine Gesellschaftsschicht, die in allen Kontexten vorkommt. 14) Als positive gesellschaftliche Veränderungen verstehen wir alle Bewegungen, die dahin gehen, die Entscheidungsfreiheit und die Selbstbestimmung des Individuums, d.h. seine Freiheit, auf ökonomischem, politischem, sozialem und kulturellem Gebiet, zu erweitern.
Kapitel IV: Die Doktrin der inneren Sicherheit
(DIS)
1) Damit möchten wir darauf hinweisen, daß die Kenntnis der DIS durch die Analyse jener normativen Gebilde vervollständigt werden muß, die den praktischen Ausdruck ihrer Einstellung darstellen, wie z.B. die "Institutionellen Akten" Brasiliens aus dem Jahre 1964, die "Institutionellen Akten" Uruguays von 1976 bis 1979, die chilenischen "Verfassungsakten" von 1976, der "Akt für den Prozeß der Nationalen Reorganisation" (Argentinien) von 1976, die chilenische "Verfassung" von 1980, die "Verfassung" Uruguays von 1980 (durch Plebiszit zurückgewiesen), usf. 2) J. Comblin, "La Doctrina de la seguridad nacional",S. 96 ff. 3) J.A. Amaral Gurgel, "Seguranza in J. Comblin, a.a.O., S. 96.
e
4) F.X. Kaufmann, "Sicherheit, als sozialpolitisches Problem", S. 72.
democracia",
zitiert
soziologisches
und
5) E. Winkler, "Sécurité", S. 16, zitiert in F.X. Kaufmann, a.a.O., S. 72. 6) E.O. Czempiel, "Das Amerikanische Sicherheitssystem 19451949, S. 11, zitiert in F.X. Kaufmann, a.a.O., S. 73. 7) E.O. Czempiel, a.a.O., S. 73.
a.a.O.,
S.
200, zitiert
in F.X.
Kaufmann,
8) F.X. Kaufmann, a.a.O., S. 74. 9) N. Luhmann, "Vertrauen". Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität". 10) 1971, ein Jahr nach dem Erscheinen der hier zitierten Arbeit F.X. Kaufmanns unternahm Luhmann eine - unserer Meinung nach des hohen Abstraktionsgrades wegen nur teilweise - Untersuchung dieser Problematik in seinem Aufsatz "Die Weltwirtschaft". 232
11) Erklärungen des brasilianischen Außenministers, zitiert in S. Senesse, "Le trasformazioni delle strutture guiridiche in America Latina", S. 538. 12) Vgl. V. Beitran, "El papel politico y social de las Fuerzas Armadas en America Latina". 13) Ein brasilianischer Militär, der General Gobery de Couto e Silva, seit 1964 und bis zu seiner Pensionierung graue Eminenz der Regierung, ist einer der hervorragendsten Theoretiker der DIS. Vgl. sein Werk "Geopolitica do Brasil". 14) J. Combi in, a.a.O., S. 96. 15) In diesem Teil werden wir insbesondere die uruguayischen Verfassungsdekrete berücksichtigen, da die jedem Dekret vorangestellte Erläuterung über die Motive sich als "reichhaltig" an doktrinären Überlegungen für die angestrebte Rekonstruktionsaufgabe erweist. 16) F. Ratzel, "Der Lebensraum". Eine biogeographische Studie. 17) "Das Thema der äußeren Sicherheit ist ein traditionelles. Die große Neuerung der letzten Zeit war hingegen die Entwicklung des Begriffs der inneren Sicherheit. Alle Formen von Antagonismus oder Druck innerhalb der Nation stellen ein Problem der inneren Sicherheit dar: Gewalt, Subversion, Korruption, Bestechung, ideologische Infiltration, wirtschaftliche Macht, gesellschaftlicher Zerfall oder Machtverlust." J.A. Amaral Gurgel, a.a.O., S. 142, zitiert in J. Comblin, a.a.O., S. 103. 18) M. Garreton, "De la seguridad nacional a la nueva institucionalidad. Notas sobre la trayectoria ideologica del nuevo Estado autoritario", S. 1260. 19) Diese Delegierung beinhaltet dennoch nicht die regionale internationale Politik. In diesem Bereich spiegelt der hohe Grad an Autonomie der politischen Sphäre, welcher diese abhängigen Diktaturen kennzeichnet, das Vorhandensein reeller internationaler Konflikte zwischen diesen Diktaturen wider (z.B. der Grenzkonflikt im Süden zwischen Argentinien und Chile oder der britisch-argentinische "Krieg" um die Malwinen Inseln, usf.), die, weit hinaus über ihre ideologische Funktion eines Bindemittels für eine bürgerliche Gesellschaft, welche einem Atomisierungsprozeß unterworfen ist, auch tatsächliche Konsequenzen haben, die nicht von den Vereinigten Staaten kontrolliert werden können. Für eine detailliertere Untersuchung dieses Aspektes vgl. E. Garcia Mendez, "Conflictos Interestatales". 20) Mit dem Wort Theorie möchten wir auf die Veränderungen hinweisen, die in der Rechtsnorm vorgenommen werden (insbesondere im Bereich des öffentlichen Rechts) und die in direkter Weise die Verfassungsorgane eindeutig liberalen Ursprungs betreffen, die vor dem Aufkommen dieser neuen Formen von Autoritarismus Geltung hatten. 21) Alle Verfassungsdekrete Uruguays sowie die Dekrete 464, 465 und 1073 sind einer Sammlung entnommen, die alle Texte vereinigt, die im uruguayischen "Boletin Oficial" veröffentlicht wurden. Vgl. "Actos Constitucionales". 233
22) T. Evers, "Bürgerliche S. 163 ff.
Herrschaft
in der
Dritten
Welt",
23) J. Comblin, a.a.O., S. 104. 24) G. O'Donnell, "Tensions in the Bureaucratic-Authoritarian State and the Question of Democracy", S. 314. 25) J.A. Amaral Gurgel, a.a.O., S. 83, zitiert in J. Comblin, a.a.O., S. 101 . 26) A. Pinochet, "Geopolitica", tiert auf S. 1263.
von
M.
Garreton,
a.a.O., zi-
27) S. Senese, a.a.O., S. 549. 28) M. Garreton, a.a.O., S. 1263. 29) H.l). Laswell, A. Kaplan, "Power for Social Enquiry", S. 70 ff.
and
Society
a
Framework
30) T. Parsons, "Structure and Process in Modern Societies", S. 199 und "On the Concept of Power" in "Proceedings of the American Philosophical Society". 31) A. Gramsci, a.a.O., Bd. 3, S. 1638. 32) Es gibt dennoch einen Teilbereich der Herrschaftsverhältnisse, in dem, wie wir zu zeigen versuchen werden, sich zwischen den herrschenden und den beherrschten Sektoren Hegemonie-Verhältnisse etablieren, und zwar ist dies der Bereich des Rechts. 33) Ein repräsentatives Beispiel dieser Situation wird vom "Diskussions"-Prozeß geliefert, der dem Plebiszit voranging, das in Uruguay am 30. November 1980 durchgeführt wurde, um die neue, von den Militärs erarbeitete Verfassung anzunehmen oder zurückzuweisen. Am 13. November erklärte der Chef der Luftwaffe, Generaloberst R.J. Bendahan: "Terroristen, Marxisten und diejenigen, die Uruguay nicht lieben, werden mit nein stimmen" (Zeitung "El Dia", Montevideo, 13.11.80, S. 13). Einige Tage später erklärte der Chef der Uruguayischen Armee im Namen der Militärjunta, "Wie auch immer das Votum ausfallen wird, es wird den Prozeß nicht beeinträchtigen" (Zeitung "El Dia", Montevideo, 25.11.80, S. 1). 34) C.J. Friedrich und Z. Brzezinski, ship and Autocracy", S. 13.
"Totalitarian
Dictator-
35) G. O'Donnell, a.a.O., S. 296 f. 36) Nach einer Anfangsperiode offener Repression versuchen diese Regime, sich ein vollständiges (quasi verfassungsartiges) normatives Organ zu geben, um die de facto geschaffene Situation zu institutionalisieren. Es geht darum, eine begrenzte politische Veränderung zu erreichen, die es erlaubt, ohne den traditionellen Militärputsch die herrschende Spitze zu erneuern. 37) "Subversion heißt nicht bloß die Waffen ergreifen oder eine gewalttätige Aktion gegen den Staat vorzubereiten, noch bestimmte politische Ideen zu verbreiten, sondern darüber hinaus schon allein die Kritik an der Handlungsweise der 234
Regierung oder an ihren Methoden; so sieht das Gesetz über die Nationale Sicherheit Brasiliens ein Delikt in der Tatsache der "moralischen Beleidigung einer Autoritätsperson durch politisch-sozialen Antikonformismus (Art. 33 und 34)", vgl. Senese, a.a.O., S. 534. 38) C. Schmitt, "Der Begriff des Politischen", S. 26-28. 39) Der neue Autoritärismus bedeutet - der Tendenz nach - die militärische Besetzung des ganzen Raumes und der ganzen Zeit... Das Private wird abgeschafft. Das Privatleben und das öffentliche Leben verschmelzen unter ein und derselben Verwaltung. Vgl. N. Lechner, "La crisis del Estado en America Latina", S. 150. 40) Friedrich und Brzezinski, a.a.O., Kap. XIV. 41) E. Diaz, "Estado de derecho y sociedad democrática". 42) A. Baratta, "Estado de derecho. Historia problemática actual", S. 12 ff.
del
concepto y
43) Es genügt, einen flüchtigen Blick auf die argentinische, die chilenische und die uruguayische Presse der letzten Jahre zu werfen, um zu sehen, daß diese Behauptung eine Konstante in den politischen Erklärungen der Militärs darstellt. 44) N. Poulantzas, "Staatstheorie", S. 68. 45) N. Lechner, a.a.O., S. 37. 46) H. Sonntag, "Hacia una teoría politica del capitalismo periférico", S. 171 und 172. 4 7 ) C. Schmitt, "Diktatur und Belagerungszustand", S. 156. 48) Dieses Problem wird ausführlicher im nächsten Kapitel behandelt werden. Es sei hier nur unsere Ansicht vorausgeschickt, daß die DIS als Ideologie praktisch ausschließliches Erbgut der Streitkräfte ist. Die traditionelle Oligarchie akzeptiert im Gegenteil den von den Militärs aufgezwungenen Ausnahmezustand, garantiert jedoch nicht für eine juristische Bestätigung desselben. Betrachten wir zwei Beispiele: 1. Die Weigerung des Präsidenten des Uruguayischen Landwirtebundes (Federación Rural Uruguaya), die autoritäre Reform der Verfassung zu unterstützen, die im November 1980 durchgeführt werden sollte: "Ich bin ein radikaler Verfechter der NEIN-Stimme, beteuert Dr. Chiarino Milans .. . Meine Meinung weicht in zahlreichen transzendentalen Aspekten von diesem Projekt ab... Ich bin nicht einverstanden mit der Aufnahme des Rates der Nationalen Sicherheit in den Text, was diesem Rat ermöglicht zu bestimmen, was die Angelegenheiten der nationalen Sicherheit sind. ... Ich glaube, daß die Judikative nicht die völlige Unabhängigkeit wiedererhält, die sie in einer Demokratie haben sollte". (Zeitung "El Dia", Montevideo, 17.11 80). 2) In einer Reihe von Interviews mit dem Innenminister drückten die fünf Mitglieder der argentinischen "Akademie der Rechts- und Sozialwissenschaften", die Institution, die am meisten das oligarchische juristische Denken vertritt, folgendes aus: a) Unterstützung und Einvernehmen 235
mit der Führung der Streitkräfte ab März 1976; b) Ablehnung einer Reform der Verfassung, die von Rechts wegen eine permanente Militärregierung institutionalisieren würde. (Zeitung "La Naciön de Buenos Aires" (Internationale Ausgabe), 28. April 1980, S. 5). Dieser Widerspruch innerhalb des herrschenden Blocks ist der wichtigste Grund für das Scheitern jedes autoritärkorporativen Vorhabens (selbst auf der Ebene des bloßen Entwurfs) und für die Militärs ist es der Grund für die Notwendigkeit, sich der Form und der Sprache der liberalen Ideologie zu bedienen. 49) "Bei seinen Überlegungen zum Wesen des Staates bemerkte er 1931 (Carl Schmitt, Begriff des Politischen), daß allein starke Staaten in der Lage sind, liberale Demokratien zu werden. Solche Staaten, so unterstellte er, können sich den Luxus leisten, oppositionelle Parteien zu dulden. Dies impliziert daher, daß schwache Staaten autoritär sein müssen, um in der Lage zu sein, Freunde von Feinden zu unterscheiden, und die innere Ordnung zu gewährleisten" (Die Unterstreichungen sind von uns). Vgl. C. Schmitt, "Begriff des Politischen", von Georg Schwab, a.a.O., zitiert, S. 57 50) F. Neumann, "Behemoth, Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944". 51) Man denke an die Ausweitung des Begriffs Subversion im Rahmen der DIS, auf die wir in der Fußnote 37) dieses Kapitels hingewiesen haben.
Kapitel V: Einige Aspekte der Theorie Niklas Luhmanns
1) So könnte man in stark verkürzter Form den Kern der Luhmann'schen Theorie ausdrücken. Dieses Argument erscheint in der einen oder anderen Form immer wieder in seinem gesamten umfassenden Werk. Dennoch kann man sagen, daß es sich in zwei Hauptwerken besonders konkretisiert: N. Luhmann, "Soziologische Aufklärung. Aufsätze zur Theorie sozialer Systeme" und N. Luhmann, "Rechtssoziologie". 2) Nach unserer Kenntnis ist das einzige in Lateinamerika veröffentlichte Werk Luhmanns eine (Teil-)Obersetzung von "Soziologische Aufklärung", unter dem Titel "Ilustración sociologica y otros ensayos". 3) Vgl. R. De Giorgi, "Wahrheit und Legitimation im Ein Beitrag zur Neubegründung der Rechtstheorie".
Recht.
4) Wir beziehen uns darauf, daß der "Rohstoff, aus dem Luhmann seine Theorie konstruiert, der fortgeschrittene Kapitalismus, im besonderen der Fall der Bundesrepublik Deutschland, ein gesellschaftliches System ist, das sich in der Krise befindet, das aber weder in einem Zustand der Auflösung begriffen ist, noch einem solchen Druck unterworfen ist, daß seine Stabilität ernsthaft gefährdet wäre. 236
5) Der Einflußverlust der funktionalistischen Konzeption in den sechziger Jahren fällt mit einem doppelten Prozeß zusammen: a) die Mobilisierung der Bevölkerung im Zusammenhang mit politisch-ideologischen Ansichten, die die Interessen der herrschenden Klasse in Frage stellen; b ) die Entwicklung der "Dependenztheorie" in ihren verschiedenen Varianten, die sich als theoretisches Werkzeug zur Herausstellung der konservierenden und mystifizierenden Funktion der funktionalistischen Auffassungen anbot. 6) Im Falle Chiles und Argentiniens beziehen wir uns auf die Militärputschs der "neuen Art", die zu den angegebenen Zeitpunkten von den Streitkräften durchgeführt wurden. Im Falle Uruguays beziehen wir uns auf das Gesetz 14068 "Ober die Sicherheit des Staates und die innere Ordnung", das am 10.7.1972 verkündet wurde und nach dem die demokratischen Institutionen nur noch formal weiter bestehen blieben. 7) P. Barcellona, "Oltre lo stato sociale. Economia e politica nella crisi dello stato keynesiano", S. 8. 8) Der fast völlige Verlust jeden konkreten Inhalts in den Legitimationsvorschlägen Luhmanns wurde in der Arbeit von J. Heidorn, "Legitimität und Regierbarkeit" besonders herausgestellt: "Die Zersetzung des Bezuges von Legitimität auf die Vorstellung einer richtigen und gerechten Organisation der Gesellschaft, die Auflösung inhaltlicher Ansprüche, die das "Gelten-Sollen" einer Gesellschaftsordnung betreffen, bewertet Luhmann als einen Stabilisierungsfaktor der modernen Gesellschaftsordnung. Für Luhmann stellt die Auflösung inhaltlich bestimmter Legitimitätserwartungen und -ansprüche der Bevölkerung eine ideale Operationsbedingung des politischen Systems dar - ein Punkt, den wohl Hennis im Auge hat, wenn er Luhmanns Legitimationsbuch polemisch als Anweisung versteht, das Legitimationsproblem durch eifriges Kehren unter den Teppich verschwinden zu lassen. Insofern ist auch der Titel, unter den Luhmann seine Ausführungen stellt, irreführend: nicht "Legitimation durch Verfahren", sondern "Verfahren statt Legitimation" würde die Absichten Luhmanns präziser kennzeichnen" (S. 109 f.). 9) Die Tatsache, daß Luhmanns Theorie (und ihr Positivismus) ein der Konservierung des Systems dienliches Werkzeug darstellt, genügt dem "repressiven juristischen Opportunismus" im lateinamerikanischen Kontext nicht. Die repressiven Bedürfnisse führen zur Unmöglichkeit, eine einzige philosophische Position in ihrer Gesamtheit anzunehmen. Das ofensichtlichste Beispiel hierfür findet sich in folgendem Zitat: "Die positivistische Dogmatik wird dann von Nutzen sein, wenn Fragen einer Grenzmauer, ein Mietvertrag, die Befugnisse eines Vorsitzenden einer Aktiengesellschaft oder ein Diebstahl zur Diskussion stehen. In solchen Fällen sind auch wir Positivisten im genannten Sinne. Aber wir können bei der Interpretation des Art. 23 der Nationalen Verfassung über den Belagerungszustand keine Dogmatiker sein, wenn das Schicksal des Vaterlandes auf ideologischer Ebene, die jede juristische Dogmatik übertrifft, auf dem Spiel steht". C.H. Dominguez, "La nue-
237
va guerra y el nuevo derecho. Hnsayo para una estrategia juridica contrasubversiva", S. 659. 10) Anläßlich einer Durchsicht der soziologischen Theorien, die den Theorien der Kriminalität als Grundlage dienen, entwickelt A. Baratta eine Kritik des Dahrendorf'sehen Werkes, die genau das exemplifiziert, was wir hier meinen. Vgl. Baratta A. , "Criminologia critica e critica del diritto penale: Introduzione alla sociologia guiridico-penale", S. 119 ff. 11) "Ignoranz und Apathie sind jedoch die wichtigsten Vorbedingungen für einen weithin unbemerkten Austausch der Paragraphen, für die Variabilität des Rechts und insofern funktional für das System". Vgl. Luhmann, "Legitimation durch Verfahren", S. 191. 12) In bezug auf die Verbindung zwischen gesellschaftlicher Realität und theoretischer Formulierung ist der Bruch oder die "Indifferenz" zwischen beiden im Falle der DIS viel größer. Letztere geht von der Annahme des Konsenses und der sozialen Homogenität aus, Elemente, die im gegenwärtigen lateinamerikanischen Kontext auch nicht der unschuldigsten empirischen Nachprüfung standhalten würden. 13) S. Andrini, "Luhmann in Italia, rassegna bibliografica dei principali interventi italiani". In keinem anderen Land außer in der Bundesrepublik Deutschland hat Luhmann insbesondere innerhalb des kritischen Denkens eine solche Verbreitung und Resonanz erreicht wie in Italien. 14) A. Febbrajo, "Funzionalismo strutturale diritto nell'opera di Niklas Luhmann".
e sociologia del
15) Febbrajo bezieht diese angenommene Indifferenz Luhmanns ebenfalls auf die Werte und Bedürfnisse des Individuums. A. Febbrajo, a.a.O., S. 186. 16) N. Bobbio, "L'analisis funzionale del diritto: tendenze e problemi", S. 120. 17) A. Febbrajo, a.a.O., S. 215. 18) A. Ollero, "Derecho y Sociedad, dos reflexiones en torno a la filosofia juridica alemana actual", S. 98. 19) "Das systemorientierte Forschungsinteresse in Verbindung mit dem Verständnis von Legitimation als einem motivlosen Akzeptieren, das aus Geltungserfahrung folge, führt letztlich zu der Konsequenz, daß auch allein auf Repression und Gewalt gestützte totalitäre Machthaber faktisch "legitim" sein können. Sowie das Motiv für den Gehorsam der Herrschaftsunterworfenen vollkommen ausgeblendet wird, muß auch Konformität aus Angst vor Polizei- und Strafgewalt als (konkludente) Legitimation erscheinen". Vgl. H.J. Menzel, "Legitimation staatlicher Herrschaft durch Partizipation Privater", S. 32. 20) P. Barcellona, a.a.O., S. 168. 21) Obwohl das Problem noch andere Interpretationen zuläßt, meinen einige Autoren, daß der von Luhmann erarbeitete Legitimationsbegriff dazu neigt, sich von den Entstehungs238
Prozessen der Demokratie zu entfernen. So z.B. H.J. Menzel a.a.O., S. 31: "Gemessen an der in dieser Arbeit verwendeten Definition als einem dialektischen Vorgang zwischen Herrschaftsunterworfenen und Hoheitsgewalt stellt sich der systemtheoretische Ansatz Luhmanns als eine Verkürzung bzw. als ein bloßer Teilaspekt der gesamten Legitimationsproblematik dar. "Legitimation" wird in "Legitimität" umfunktioniert und vom demokratischen Entstehungsprozeß abgetrennt. Die Behauptung Luhmanns, Legitimität beruhe letztlich auf der Anerkennung verbindlicher Entscheidungen als Folge von deren Geltung, sowie seine Formel von der Fraglosigkeit legitimer Geltung bindender Entscheidungen sind mit dem hier gebrauchten Legitimationsbegriff nicht nachvollziehbar." 22) Es muß bedacht werden, daß es mindestens zwei verschiedene Auffassungen von Legitimität gibt. Die eine bezieht sich auf das Denken Max Webers - diese ist es auch, die Luhmann meint - wobei die Legitimität vornehmlich als etwas Formales und Neutrales erscheint. Eine andere Auffassung von Legitimität wird von denjenigen Autoren vertreten, die an das Problem bestimmte ethische und/oder politische Werte knüpfen. Es besteht kein Zweifel darüber, daß die erste Auffassung es viel leichter ermöglicht, jedwedes politisches System unabhängig von seinen Inhalten zu legitimieren. Vgl. zu diesem Punkt die interessante Arbeit von F. von Kutschera, "Grundlagen der Ethik", insbesondere S. 338. 23) "In der Trennung von Politik und Verwaltung finden wir die spezifisch politischen Bedingungen des Rechtsstaates, das heißt die interne Ordnung eines politischen Systems, die eine Positivierung des Rechts, eine weitgehend juristische Programmierung des Staatshandels und eine verläßliche Durchführung dieser Programme ermöglicht". Vgl. N. Luhmann, "Gesellschaftliche und politische Bedingungen des Rechtsstaates", S. 62. 24) J. Habermas, "Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus". 25) N. Luhmann, "Macht", S. 87 f. 26) Wir verwenden den Begriff Abstraktion in Anführungszeichen, weil wir der Meinung sind, daß diese Abstraktion ein Teil der Luhmann'sehen Methode ist, nach der eine Realität ideologisch definiert wird, hinsichtlich der dann präskriptiv operiert wird. Ein Indiz - wenn auch kein Beweis - für diese Technik ergibt sich aus der Tatsache, daß, wie man in seinen letzten Arbeiten erkennen kann, unter den zitierten Autoren Luhmann sich selbst am häufigsten zitiert. 27) B. Heidtmann, "Traditionelle und ideologische Determinanten einer Theorie sozialer Systeme und ihrer Kritik", S. 176. 28) "Tatsächlich überzeugt mich die Theorie Carl Schmitts nicht. Ich denke, daß eine gute Politik eine solche ist, die in der Lage ist, ein Maximum an Realisierungsmöglichkeiten mit einem Minimum an Feindschaftsbildung zu vereinen. Sie muß versuchen, die Gegner und die Unterlegenen davon zu überzeugen, daß sie dies nicht auf alle Ewigkeit 239
sein werden. Im Freund-Feind Schema ist man gezwungen anzunehmen, daß die Feinde immer die selben bleiben. Dies mag für einige Fälle in den internationalen Beziehungen zutreffen. In bezug auf den Ausnahmezustand, glaube ich, gilt, daß derjenige der richtige Herrscher ist, der in der Lage ist, zu verhindern, daß es so weit kommt: Wenn man nämlich gezwungen ist, in Notstandssituationen zu regieren, ist man, zumindest als Politiker, schon verloren". Vgl. A. Bolaffi, "La democrazia in discussione" (Interview mit Niklas Luhmann, S. 112 f.). Es ist offensichtlich, daß Luhmann auf den "traditionellen" Ausnahmezustand Bezug nimmt. 29) N. Luhmann, "Grundrechte als Institution", S. 142 und "Rechtssoziologie", Bd. II, S. 262, zitiert in Hans J. Giegel, "System und Krise", S. 72. 30) Vgl. A. Febbrajo, a.a.O., S. XXV. 31) D. Zolo, "Complessità, potere e democrazia", S. XIX. Einleitung zu: N. Luhmann, "Potere", Milano, 1979. 32) N. Luhmann, "Theorie der Verwaltungswissenschaft. standsaufnahme und Entwurf".
Be-
33) D. Zolo, Einleitung, a.a.O., S. XIX. 34) Es scheint uns zumindest die Frage berechtigt, ob die Schwierigkeit, das Deskriptive vom Präskriptiven in Luhmanns Werk zu unterscheiden, nicht auch auf eine Technik zurückzuführen ist, deren Funktion in die Nähe derjenigen der "Abstraktionsebene" zu lokalisieren wäre und auf die wir schon hingewiesen haben. 35) N. Luhmann, "Funktion System", S. 49.
der
Rechtsprechung
im
politischen
36) A. Febbrajo, a.a.O., S. 215. 37) Zum Begriff der "marignalisierten Mehrheit" vgl. F. Basaglia Ongaro, "Die abweichende Mehrheit. Die Ideologie der totalen sozialen Kontrolle". 38) Naiv, weil Luhmann nicht zitiert wird und wir daher annehmen müssen, daß der Autor die "funktional-strukturalistische" Theorie nicht kennt. 39) N. Lechner, S. 133.
"La
crisis
del
Estado
en America
Latina",
Kapitel VI: Die autoritäre Institutionalisierung im cono sur
1) Es scheint uns, daß die Notwendigkeit einer rechtssoziologischen Untersuchung wie der vorliegenden, offensichtlich ist und ein unverzichtbares Instrument darstellt, um das Phänomen der autoritären Institutionalisierung zu begreifen. 240
2) Ober den Begriff des organischen Intellektuellen vgl. A. Gramsci, "Quaderni del carcere", S. 1513-1524, 1550-1551. 3) J.L. de Imaz, "Los que mandan". 4) Für einen allgemeinen Oberblick über die geschichtliche Entwicklung Lateinamerikas vgl. u.a. T. Halperin Donghi, "Historia contemporánea de América Latina" und C.M. Rama, "Historia de America Latina". 5) Nicht nur eine repressive Realität und ein repressives Recht sind die Charakteristiken des neuen Autoritarísimas, sondern außerdem die Existenz theoretischer Überlegungen, die darum kämpfen, das Abstraktionsniveau der liberalen Rechtsideologie zu zerstören, Überlegungen, für die wir im folgenden ein beredtes Beispiel bringen: "Wie ist es also dann möglich, das Studium des Rechts in den klassischen Grenzen der friedlichen Evolution zu belassen, wenn es einer integralen, totalen und permanenten revolutionären Aggression unterworfen ist? Es war nötig, eine angemessene Rechtsmethode ausfindig zu machen, um Lösungen zu finden. Und wir fanden sie im juristischen Trialismus, auf den wir im nächsten Kapitel eingehen werden." (S. 491) ... "Wenn wir verstehen, daß den Feind zu kennen unsere fundamentalste Aufgabe ist, wofür es notwendig ist, die Tatsachen so zu sehen, wie sie sind und als Beginn des Verständnisses des Problems, dann ist es uns gelungen, viele Schwierigkeiten im Zusammenhang mit juristischen Aspekten des konterrevolutionären Kampfes zu beheben" (S. 601). . . . "Auf dem Gebiet der Subversion und wie wir bei der Analyse der Interessengebiete im ersten Teil herausgestellt haben, brauchen wir die kriminologische Enzyklopädie in ihrer Gesamtheit. Die Position, die der Rechtstechnizismus einnimmt, ist für uns ein Luxus, den wir uns in Gegenwart eines konterrevolutionären Rechts in voller Entwicklung nicht leisten können. Es gibt in bezug darauf noch keine ausgeprägte strafrechtliche Konzeption, aber hier besteht die Notwendigkeit, diese zu begründen" (S. 628). ... "Der gegenwärtige Grad des Kompromisses zwingt uns daher, auf adäquate und systematische Weise das Recht auf dem Gebiet der Politik zu integrieren, wo der entscheidende Punkt für den endgültigen Ausgang liegt und wo, wenn der Krieg verloren wird, es niemals mehr irgend ein Recht geben wird." (S. 652). C.H. Dominguez, "La nueva guerra y el nuevo derecho. Ensayo para una estrategia jurídica contrasubversiva". 6) Es muß bemerkt werden, daß wir uns auf Arbeiten genereller Kritik des Rechts beziehen. Im spezifischen Bereich der Kriminologie z.B. hat das kritische Denken einen beträchtlich größeren Umfang. Als Beispiele der Ausnahmen, auf die wir hinwiesen, vgl. E. Novoa Monreal, "El derecho como obstáculo al cambio social", C.M. Vilas, "Derecho y Estado en una economía dependiente". E. Garzón Valdés, "Acerca de las funciones del derecho en América Latina". L.H. Schiffrin, "Dictadura y Constitución, aspectos de la crisis del Estado de derecho en la Argentina". N. Lechner, "La crisis del Estado en América Latina" (insbesondere Kap. III, "Derecho y Estado en América Latina"). 241
7) Am 11. März 1973 wurden nach sechs Jahren Diktatur demokratische Wahlen durchgeführt, bei denen der von J.D. Perón designierte Kandidat Héctor Cämpora mit 49,59t der Stimmen siegte. Dieses Ergebnis wurde durch ein Bündnis der Partido Justicialista (Name des Peronismus für die Wahl) mit acht anderen politischen Parteien (Popular Cristiano, Conservador Popular, Movimiento de Integración y Desarrollo und einem kleinen Teil der Partido Socialista), das den Namen Frente Justicialista de Liberación (FREJULI) annahm, erreicht. Dieses Bündnis stellte sich mit einem anti-imperialistischen und auf eine autonome kapitalistische Entwicklung hinzielenden Programm vor, das einen sozialen Pakt zwischen der Arbeiterklasse und dem nationalen Kapital voraussetzte. Ein typischer Vertreter des konzentrierten Teils dieses Sektors, José Gelbard, übte das Amt des Wirtschaftsministers bis Mitte des Jahres 1974 aus. 8) Eine ausgezeichnete Analyse des politischen und wirtschaftlichen Inhalts dieser Widersprüche findet sich bei G. O'Donnell, "Estado y alianzas en la Argentina, 1956-1976". 9) Es erweist sich wegen der Breite und der Komplexität des Themas als unmöglich, daß wir uns hier über den Peronismus auslassen. Um ihn kurz zu beschreiben kann man sagen, daß es sich um eine politisch-soziale Bewegung handelt, in welcher sich,mit starken Gegensätzen, ein sehr weiter Teil der in Argentinien existierenden sozialen Kräfte (der mehr als 90 % der Arbeiterklasse einschließt) ausdrückt. Für eine Einarbeitung in das Thema verweisen wir auf das beste existierende Werk in spanischer Sprache: M. Murmis und J. C. Portantiero, "Estudios sobre los origenes del Peronismo", und auf das einzige Werk (mit Ausnahme einiger kurzer Aufsätze) in deutscher Sprache: P. Waldmann, "Der Peronismus 1943-1955". Das Werk Waldmanns erschien 1981 auch in spanischer Obersetzung. 10) Die Begriffe "sectores populares" und "mehrheitliche Sektoren" verwenden wir synonym. In bezug auf ihren Inhalt übernehmen wir die Definition von G. O'Donnell, "Wenn wir von 'sector popular' sprechen, beziehen wir uns auf die Arbeiterklasse und die weiten Teile der Angestellten und gewerkschaftlich organisierten Mittelschichten". (a.a.O., S. 3). 11) Durch ihr sehr wichtiges Körperschaftsorgan CARBAP, in welchem die Besitzer von Latifundien in der besten Produktionsgegend des Landes organisiert sind. 12) Das Programm der grundbesitzenden Oligarchie kann man in kurzer Form mit der Absicht umschreiben, das industrielle Wachstum ebenso wie die massenhafte politische Beteiligung einzuschränken. Die untergeordnete und komplementäre Einfügung in die Wirtschaft Großbritanniens bot die Möglichkeit, dieses Programm zu verwirklichen. 13) 1930 setzten die Streitkräfte den verfassungsmäßigen Präsidenten Hipolito Yrigoyen ab, den Führer der Radikalen Mehrheitspartei, der mit seiner reformistischen und demokratischen Politik die Interessen der grundbesitzenden Oligarchie in Gefahr brachte. Dieser Putsch gelang 242
durch die Hegemonie, die diese Gruppe seit dem 19. Jahrhundert besaß. Von da an und bis heute gelang es den herrschenden Klassen (die deswegen herrschend sind) nicht einen einzigen Tag, mit dem Konsens der Volkssektoren zu regieren. Mit anderen Worten: Sie sind völlig unfähig, ihre wirtschaftliche Macht in politische Macht umzuwandeln. 14) Wir benutzen die Begriffe"dominierend" und "hegemonisch" im Sinne von A. Gramsci, a.a.O., S. 2010 und 2011. 15) Zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und 1945 war Großbritannien der wichtigste Käufermarkt argentinischer landwirtschaftlicher Produkte und zugleich auch auf argentinischem Gebiet Besitzer der Transport- und Kommerzialisierungssysteme dieser Produkte. Nach 1945 ereigneten sich tiefgreifende Veränderungen im internationalen System, was in der Gegenwart und auf den Fall Argentiniens bezogen dazu führt, daß die UdSSR zum wichtigsten Käufer landwirtschaftlicher Erzeugnisse wurde. Diese Situation löste jedoch keine wichtigeren Veränderungen im politischen Verhalten der herrschenden Gruppe aus. Was die britische Strategie anbelangt, vgl. M. Peralta Ramos, "Accumulaciôn de capital y crisis politica en Argentina, 1930-1974", S. 41 ff. Was die gegenwärtigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Argentinien und der UdSSR betrifft, vgl. den Aufsatz von F. Gezé, "URSS-América Latina, business first" S. 19 und denjenigen von H. Bischof, "Lateinamerika. Herrschaft, Gewalt und internationale Abhängigkeit", S. 293 ff grands propriétaires et les 16) Vgl. R. Sidicaro, "Les problèmes agraires en Argentine (1973-1978)", S. 44 ff. 17) Es muß erwähnt werden, daß die argentinischen Militärs, die die chilenischen Erfahrungen und die gegen die Militärjunta wegen ihrer massiven Repressionspolitik international ausgelöste Kampagne beobachten konnten, eine viel selektivere Repression ausübten. Diese Politik und die durch die wirtschaftlichen Beziehungen bedingte Unterstützung durch die UdSSR und andere sozialistische Länder in internationalen Gremien trug dazu bei, daß die Kampagne gegen die argentinische Diktatur viel weniger Aufsehen erregte als im Falle Chiles. 18) J.J. Urtasun, "Desaparecidos, un eufemismo que encubre el genocidio", in der Zeitschrift "El viejo topo" Nr. 51, Barcelona 1980. 19) Partido Justicialista, cial", S. 3-4.
"Primeras jornadas de
economia so-
20) Mit dem Wort "diskutiert" meinen wir die Analysen, die von den extremen - und falschen - Vorstellungen der "Abhängigkeitstheorie" ausgehend angefertigt wurden und die einen starken Einfluß auf das Denken innerhalb der Sozialwissenschaften und der Politik in Argentinien vom Ende der sechziger Jahre bis zum Beginn der siebziger Jahre ausübten. In diesen Darstellungen wurden in so starkem Maße die äußeren Bestimmungen der Abhängigkeit betont, daß die Untersuchung der Dynamik der Gesellschaft und des Staates beiseite gelassen wurden. Eine der schwerwiegendsten Folgen die-
243
ser falschen Interpretation bestand darin, das nationale industrielle Bürgertum "theoretisch" verschwinden zu lassen. Dieses sah sich durch die Auswirkungen des Imperialismus gezwungen, die Produktionsmittel an das ausländische Kapital zu verkaufen und konnte sich bestenfalls in den Verwalter desselben verwandeln. Es verwandelte sich mit anderen Worten in ein "Geschäftsbürgertum". Ein eindeutiges Beispiel dieser Interpretation kann man bei P. Franco und J. Alvarez, "Peronismo, antecedentes y gobierno" finden. 21) Die beste Analyse des politischen und ideologischen Verhaltens des Industriebürgertums in abhängigen Gesellschaften bietet F.H. Cardoso, "Ideologias de la burguesía industrial en sociedades dependientes". 22) 0. Landi, "Argentina 1973-1976: crisis política", S. 98.
la genesis
de
una
nueva
23) Ebenda, S. 97. 24) Durch systematischen Druck im Innern der Peronistischen Bewegung, dessen Einzelheiten heutzutage verkannt werden, sah sich Cámpora gezwungen, auf das Amt des Präsidenten am 13. Juli 1973 zu verzichten. 25) Wir übernehmen in diesem Teil die Reihenfolge, die 0. Landi in seinem Aufsatz gewählt hat, a.a.O., S. 103 ff. 26) Die monopolistischen Unternehmen mit transnationalem Kapital reagierten ebenso wie das nationale Kapital, das an diese gebunden ist, sehr bald dagegen, und zwar in der schärfsten Weise. Während der Geltungszeit dieses Gesetzes gab es im Lande praktisch keine neuen ausländischen Investitionen. Die Kritik (seitens des transnationalen Kapitals) basierte auf dem restriktiven Charakter des Gesetzes . Jedoch waren, wie eine Untersuchung herausstellt, die wirklichen Gründe der allgemeinen Unzufriedenheit der herrschenden wirtschaftlich-politischen Situation zu verdanken. Vgl. G. Cabanellas, "Derecho de las inversiones extranjeras, legislación argentina y pacto andino", S. 18. 27) Es muß präzisiert werden, daß mit dem Aufkommen der demokratischen Regierung versucht wurde, den Begriff der inneren Sicherheit wieder im Sinne seiner traditionellen Bedeutung zu interpretieren. 28) Kurze Zeit nach dem Tode Peróns sah sich José Gelbard, der Wirtschaftsminister und höchste Vertreter der CGE, zum Rücktritt gezwungen. 29) Mit Ausnahme der Zeit, in der General Numa Laplane Oberbefehlshaber des Heeres war und versuchte, dieses in eine Politik der Verteidigung der Regierung zu verwickeln. Dieser General war jedoch in keiner Weise repräsentativ für das politische Denken, das innerhalb der Streitkräfte vorherrschte. 30) "Und dann kam der Gipfel: am 2. Juni (1975) ernannte sich der Ingenieur Celestino Rodrigo, der der gleichen spiritischen Loge angehörte wie Lopez Rega, zum Wirtschaftsminister und am 5. desselben Monats wurde der gesamten argen244
tinischen Gesellschaft ein Schock ohnegleichen versetzt: Ohne Vorankündigung wurde beschlossen, den Peso gegenüber dem Dollar um 100 i abzuwerten, den Preis für Benzin um 175 i, den für Elektrizität um 75 t zu erhöhen und die Preisbindung aufzuheben. Im Ministerialprogramm waren diese Maßnahmen als ein erster Schritt konzipiert, der mit Hilfe verschiedener Abkommen mit den schon am Ort befindlichen transnationalen Unternehmen bis zum Ende durchgeführt werden sollte, um zu einer dritten Etappe zu gelangen, die das Hinzukommen neuen ausländischen Kapitals und die Zusicherung bedeutender Kredite seitens der nationalen Finanzzentren vorsah." 0. Landi, a.a.O., S. 122-123. 3 1 ) Der Erlaß repressiver Gesetze, der schon unter der Regierung Perons eingesetzt hatte (Gesetz 20 643 der Änderung am Strafgesetzbuch), verstärkte sich während der Regierungszeit Isabel Perons. Unter den zahlreichen repressiven Gesetzen ist das Gesetz 20.840 vom 28.11.1974 über "subversive Aktivitäten" besonders hervorzuheben. Dieses Gesetz ahndete die Meinungsund Propagandadelikte mit schweren Strafen (Art. 2), unterwarf die Pressefreiheit strenger Restriktionen (Art. 3) und sah eine erhebliche Straferhöhung für die Fälle vor, in denen "die Sicherheit des Staates in Gefahr gebracht wird" (Art 6) - oder "der nationalen Wirtschaft Schaden zugefügt wird" (Art. 6). Wie man sieht, ist die inhaltliche Unbestimmtheit repressiver Gesetzgebung - eine typische Charakteristik der DIS - schon zur Zeit der verfassungsmäßigen Regierung anzutreffen . 32) Der Begriff "Bordaberisierung" verweist auf Geschehnisse in Uruguay aus dem Jahre 1973. Damals löste der gewählte Präsident Juan M. Bordaberry auf Drängen der Streitkräfte das Parlament auf, behielt aber sein Amt, um der Militärdiktatur einen Zivilcharakter zu belassen. Vgl. 0. Landi, a.a.O., S. 126. 33) Ihre beste kritische Analyse bietet bis heute J.W. Cooke, "Peronismo y revolucion". 34) Vgl. J.C. Portantiero, "Comentario", zum Beitrag von E. Righi in "El control politico en el cono sur", S. 208. 35) Paramilitärische und para-polizeiliche Gruppen mit einem hohen Grad an operativer Autonomie führten den wichtigsten Teil des Kampfes gegen die Subversion aus. 36) N. Poulantzas, "Faschismus und Diktatur. Die Kommunistische Internationale und der Faschismus", S. 339. 37) N. Poulantzas, "La crisis Grecia, Espana", S. 102.
de
las
dictaduras,
Portugal,
38) G. Hartfiel, "Wörterbuch der Soziologie", S. 309. 39) Die Veränderungen, die im Privatrecht unter den Bedingungen des neuen Autoritarismus vorgenommen wurden, sind entweder unbedeutend oder das Ergebnis des kapitalistischen Entwicklungsstadiums. Letzteres bedeutet, daß es Veränderungen sind, die sich auch unter einem demokratisch-parlamentarischen Regime ergeben hätten.
245
40) Im argentinischen Amtsblatt "Boletín Oficial Argentino" (im folgenden mit B.O. angegeben) am 29.3.1976 veröffentlicht und aus drei Teilen bestehend. 41) Wir werden im allgemeinen in verkürzter Form ihre wichtigsten Bestimmungen darlegen, was wir durch Auslassungszeichen kennzeichnen werden. Dort, wo diese fehlen, bedeutet dies die vollständige Wiedergabe der Bestimmung. 42) Im B.O. am 31.3.1976 veröffentlicht. 43) Auf dieses und seine zusätzlichen Bestimmungen bezugnehmend behauptet ein "geheimes" Arbeitspapier, das vom Sekretariat des Präsidialamtes ausgearbeitet wurde: "Zum ersten Mal in der Geschichte der argentinischen militärischen Bewegung kann von Anfang an mit institutionellen Mechanismen gerechnet werden, die eine adäquate Kontinuität ermöglichen, ohne daß man in Personalismen oder in die Diktatur (sie) verfallen muß", Argentina, Presidencia de la Nación Argentina, Secretaria General, "Documento de trabajo sobre las bases políticas para la reorganización nacional". 44) Dem dritten Mitglied des herrschenden Blocks, dem industriellen Großbürgertum, gelang es, besonders nach dem Militärputsch von 1976 mit noch größerem Erfolg, innerhalb der Streitkräfte eine "ultraliberale" Ideologie im Bereich der Wirtschaft zu artikulieren und durchzusetzen, die nichts anderes war als diejenige, die Milton Friedman und seine Gruppe der Schule von Chicago vertrat. Ihr Hauptvertreter in Argentinien (natürlich abgesehen vom Wirtschaftsminister der Diktatur J. Martinez de Hoz) war der Ingenieur Alvaro Alsogaray, der oft von den militärischen Präsidenten nach 1976 um Rat gefragt wurde. Um noch ein Beispiel anzuführen, das zeigt, wie wenig die herrschenden Kreise in der Lage waren, die Macht einstimmig auszuüben, erinnern wir daran, daß der erwähnte Alsogaray 1973 eine politische Partei gründete, die 1,96 % der Stimmen erhielt. In den Bereichen der Politik und des Rechts fehlte hingegen dem industriellen Großbürgertum ein eigenes Programm . 45) Ein Beispiel für die konkreten Gegensätze zwischen den Streitkräften und der Oligarchie kann auf den folgenden Seiten gesehen werden. Was die Widersprüche hinsichtlich des Imperialismus betrifft, so sind die Auseinandersetzungen zwischen den lateinamerikanischen Diktaturen und der Regierung James Carters um die Menschenrechte das beste Beispiel. 46) L.H. Schiffrin, "Dictadura y constitución, aspectos de la crisis del Estado de derecho en la Argentina" (unveröffentglichte Dissertation), S. 160-161. 47) Vgl. Argentina, Presidencia de la Nación Argentina, a.a.O. S. 38. 48) Eine Formalisierung, die trotzdem unter bestimmten Umständen eine eminente Bedeutung enthält, die sich in der Zuspitzung der Gegensätze im Innern des herrschenden Blocks ausdrückt. 246
49) C.M. Vilas, "Derecho y Estado en una economia S. 121 ff.
dependiente"
50) E. Laclau, "Hacia una teoria del populismo", in "Politica e ideologia en la teoria marxista", S. 206 ff. 51) Die Garantien für den wirtschaftlichen Bereich, die in der argentinischen Verfassung festgelegt sind, welche in diesem Sinne als eine der liberalsten der Welt gilt, sind im allgemeinen durch die späteren Gesetze, die ihr Funktionieren regeln, nicht eingeschränkt worden. Die politischen Garantien hingegen verwandeln das Dickicht von Strafgesetzen, Arbeitsgesetzen und Verwaltungsgesetzen, die ihr Funktionieren regeln, praktisch in ihr Gegenteil. Eine selbst oberflächliche Durchsicht des argentinischen Gesetzessystems genügt schon, um dies zu bestätigen. 52) C.M. Vilas, a.a.O., S. 142. 53) Für eine detailliertere Analyse der legitimierenden Funktion des Obersten Gerichtshofs in Verbindung mit den argentinischen Militärdiktaturen, vgl. L.H. Schiffrin, a.a.O., Kap. III. 54) Von 1955 bis 1980 gab es in Argentinien 16 Jahre lang Militärdiktaturen und nur 11 Jahre lang demokratische Regierungen. Dies ungeachtet der Tatsache, daß die Jahre der Demokratie in der Mehrzahl unter den Richtlinien der Mehrheitspartei (Partido Justicialista) und unter unzähligen militärischen Programmen abliefen. 55) Sowohl während der Militärdiktatur, die Argentinien zwischen 1966 und 1973 regierte, als auch von 1976 an, befindet sich das Studium der institutionellen Ausnahmegesetzgebung, mit der diese Diktaturen regieren, entweder überhaupt nicht auf dem Unterrichtsprogramm der Rechtswissenschaftlichen Fakultäten oder nur am Rande und wird in der Praxis völlig ignoriert. 56) Die politische Reaktion der Oligarchie angesichts dieses Versuchs war in den letzten Jahren der Militärdiktatur ziemlich heftig geworden. Die Zeitung "La Prensa", die gewöhnlich als die stärkste Bastion der Interessen der Oligarchie angesehen wird, hatte in dieser Frage eine radikale Haltung eingenommen. Wir geben im folgenden die Wiedergabe eines Abschnitts eines Artikels, den ein Redakteur dieser Zeitung, Manfred Schönfeld, veröffentlichte: "Sagen wir es doch ganz einfach und ganz klar: im heutigen Argentinien gibt es den Rechtsstaat nicht. Und es gibt ihn nicht, weil die Rechtsgewalt, die ihre Existenz schützen muß, sich mehr und mehr in ein Schreckgespenst, in eine Karikatur ihrer selbst verwandelt hat. Die Rechtsgewalt hat nicht nur aufgehört unabhängig zu sein, sondern sie hat freiwillig auf ihre Unabhängigkeit verdientet, indem sie sich als Statist dem Spiel zur Verfügung stellte, dessen Protagonist die Exekutive ist. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob diese Exekutivgewalt, wie es jetzt der Fall ist, ihren Ursprung in den Kasernen hat, oder in den Urnen (wie es in den Zei-
247
ten der Peronistischen Diktatur der Fall war). Diese Situation hätte eine wenn schon nicht legale, so doch menschliche Erklärung am Anfang des "Prozesses", in den ungestümen Zeiten der Kämpfe gegen den Terrorismus, die Subversion und die Guerilla finden können. Das Bedenkliche aber ist, daß es jetzt Jahr um Jahr so weitergeht, beinahe wie aus Trägheit und ohne daß sich jemand betroffen fühlt." (Tageszeitung "La Prensa", Buenos Aires, 22. Februar 1982). 57) Am 26.3.1976 im B.O. als Gesetz Nr. 21 256 veröffentlicht und 1978 teilweise reformiert, jedoch nicht hinsichtlich der hier behandelten Themen. 58) Vgl. M.E. Carranza, a.a.O., S. 19. 59) Die theoretische Rechtfertigung derer, die sich mit dieser Problematik befassen,und die aus den Vorstellungen der DIS herrührt, geht weit über das hinaus, was man rational verstehen könnte: "Carl Schmitt sagt, daß in bezug auf diese rechtliche Problematik die Notwendigkeit besteht, zweierlei grundlegende Unterscheidungen zu treffen: Zunächst Kriegs- und Friedenszeiten zu unterscheiden, wobei der Zwischenbereich des kalten Krieges übergangen wird, und zweitens die Begriffe Feind und Krimineller auseinanderzuhalten, um die "Kriminalisierung" des Opponenten als typischer Zug des revolutionären Krieges zu vermeiden. Dieses zu erreichen ist aber offensichtlich in der Realität, die wir im Laufe dieser Arbeit bereits beschrieben haben, unmöglich, weswegen die erwähnte Bemerkung rein akademischer Natur bleibt." C.H. Dominguez, "La nueva guerra y el nuevo derecho. Ensayo para una estrategia juridica contrasubversiva", S. 765. 60) Vgl. N. Lechner, a.a.O., S. 145. 61) Am 28.5.1976 im B.O. veröffentlicht. 62) Am 29.1.1974 im B.O. veröffentlicht. 63) Am 2.10.1974 im B.O. veröffentlicht. 64) Am 26.3.1976 im B.O. veröffentlicht. 65) Am 1.12.1976 im B.O. veröffentlicht. 66) Am 9.6.1976 im B.O. veröffentlicht. 67) Am 9.6.1976 im B.O. veröffentlicht. 68) Am 9.6.1976 im B.O. veröffentlicht. 69) Am 9.6.1976 im B.O. veröffentlicht. 70) Am 1.7.1976 im B.O. veröffentlicht. 71) Alle in diesem Abschnitt zitierten mentär zum Strafgesetzbuch.
Gesetze
sind
komple-
72) Am 8.9.1976 im B.O. veröffentlicht. 73) Der Belagerungszustand wurde in Argentinien zuletzt am 6. November 1974 mittels des Dekrets 1368 ausgerufen. Er wurde danach am 1. Oktober 1975 mit dem Dekret 2717 verlän248
gert. Die gesetzliche Regelung, die von der Militärjunta nach dem Staatsstreich von 1976 diktiert wurde, bestätigte in vollem Umfang die Geltung des Belagerungszustands. 74) Nach Durchsicht der existierenden Rechtsprechung zum Gesetz 21.400 kann man sagen, daß es ausschließlich gegen Lohnempfänger angewandt wurde. Hinzu kommt, daß die juristische Interpretation des Gesetzes nicht weniger rigoros war als sein Text und dazu führte, daß "Die alleinige Teilnahme des Arbeiters an einer direkten Aktion schon eine spezifische Beleidigung impliziert, die, vom Gesetzgeber a priori bewertet, die Auflösung des Vertrages aus berechtigten Gründen ermöglicht, wobei das Fehlen von Schuld in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist." (Causa.: Regalbuto, Julio César contra Fiat Concord S.A. Cámara Nacional de Apelaciones del Trabajo, Sala I 31.12.1980). Für ein besseres Verständnis der "weiten" und autoritären Interpretationsweise, die dieses Gesetz erfahren hat, vgl. N. Rodriguez Brunengo, "La ley 21.400 y algunos fallos recientes", S. 299 ff. 75) Für eine detailliertere Analyse dieses Punktes sowie im allgemeinen über das Gesetz 22.105 und das Dekret 640 vgl. J.C. D'Abate, "El antipoder sindical". 76) "So scheint der uruguayische Prozeß der letzten Jahre eine neue Erfahrung zur Typologie des Staatsstreichs in Lateinamerika beigesteuert zu haben: Wenn nicht nur die Arbeiter, sondern bedeutende Teile der Mittelschicht und selbst der Bourgeoisie den militärischen Autoritarismus ablehnen, und wenn es den Streitkräften an politischer Erfahrung und Technik im Umgang mit den Staatsapparaten mangelt, so ist es angebracht und möglich, den Staatsstreich in "Zeitlupe" zu versuchen". G. De Sierra, "Introducción al estudio de las condiciones de ascenso de las dictaduras: el caso uruguayo", S. 567 ff. 77) Durch ein Dekret vom 13.6.1968, jedoch in Einklang mit dem in Artikel 168 der Verfassung Vorgesehenen, wurden die sogenannten "schnellen Sicherheitsmaßnahmen" ("medidas prontas de seguridad") diktiert, durch welche verschiedene verfassungsmäßige Garantien eingeschränkt werden. 78) Die prozentualen Stimmenanteile der beiden traditionellen Parteien (Blanco und Colorado) zwischen 1950 und 1971 sind folgende: 1950 83,5 i (des gesamten Stimmenanteils), 1954 85,7 t, 1958 87,3 i, 1962 91 Î, 1966 89,6 i, 1971 (das Jahr, in welchem sich die Koalition "Frente Amplio" zur Wahl stellte) 81,15 I. Vgl. a. Rouquie, "L'Uruguay de M. Pacheco Areco à M. Bordaberry. Les élections de novembre 1971 et les débuts de la présidence Bordaberry", S. 24. 79) Für eine detailliertere Analyse der wirtschaftlichen Aspekte des uruguayischen Prozesses, ein Thema, das den Rahmen unserer Untersuchung überschreitet, vgl. W. Cancela Vilanova, "El Uruguay actual: un enfoque económico". 80) Gegen Ende des sechziger Jahre bildeten alle Linksparteien einschließlich der Christdemokraten eine Wahlkoalition, die sie "Frente Amplio" nannten, und die bei den Wahlen von 1971 18,30 % der Stimmen erhielt. 249
81) Vgl. G. De Sierra, a.a.O. 82) Eine kurze, aber hervorragende kritische Information über den Militärputsch findet man bei N. Minello, "Uruguay: la consolidación del Estado militar", S. 575 ff. 83) C. Real de Azua, "Política, poder y partidos en el Uruguay de hoy", in "Uruguay hoy" (von N. Minello a.a.O., S. 576 zitiert). 84) Seit Anfang der sechziger Jahre operiert in Uruguay die bewaffnete Organisation Movimiento de Liberación Nacional Tupamaros (MLNT). Der Kampf gegen diese Organisation ist das am meisten benutzte Element, um die Militarisierung des Staates und der Gesellschaft zu legitimieren. Es muß aber auch bemerkt werden, daß nach 1973, dem Jahr in welchem die Regierung die effektive Niederlage der Subversion proklamierte, sich der Militärstaat noch erheblich verstärkte anstatt zu verschwinden. Für eine detailliertere Information über die Bewegung der Tupamaros sowie die repressive Politik im allgemeinen, vgl. jeweils A. Labrcusse "Les Tupamaros" und Comitato per la Liberazione dei Prigioneri Politici Uruguayani (hg.), "Uruguay: La fir.e di un 1 illusione", insbesondere Kapitel III-VI. 85) Der damals amtierende Präsident Juan M. Bordaterry ist ein typischer Vertreter der Interessen der grundbesitzenden Oligarchie. Er selbst ist einer der größten latifundienbesitzer Uruguays. 86) Für eine detaillierte Darstellung der Zeit J.M. Bcrdaberrys, vgl. F. Lerio und C. Torres, "La politique économique du gouvernement uruguayen (1973-1977)". Wir nennen im folgenden einige konkrete Indizien dieser Wirtschaftspolitik, die dazu neigt, fast ausschließlich das transnationale Monopolkapital zu Ungunsten des nationalen Kapitals und insbesondere des lohnabhängigen Sektors zu begünstigen: a) Möglichkeit für die ausländischen Unternehmen, 20 Î ihres Gewinns ins Ursprungsland zurückfließen zu lassen (Gesetz 14.179 und 14.244). Dabei muß man bedenken, daß in Argentinien und Brasilien, wo ebenfalls Regime herrschen, die eine Politik des wirtschaftlichen Ultraliberalismus praktizieren, die Grenzen diesbezüglich bei 12,5 i und 12 4 liegen. b ) Verringerung des Effektivlohns von einem Index vor 100 im Jahre 1971 auf 62 im Jahre 1977 (nach den Daten der uruguayischen Zentralbank). 87) "In diesen Momenten zeichnet sich der Staatsapparat durch eine Hypertrophie seiner repressiven Elemente (Streitkräfte, Polizei) aus. Ein wesentlicher Teil des Staatshaushaltes wird für die Bezahlung dieser Dienste auf Kosten anderer, wie z.B. des Unterrichts- oder des Gesundheitswesens, aufgewandt. Die Militärs überwachen aufmerksam alle s:aatlichen Organe, seien es wirtschaftliche, finanzielle, industrielle oder mit dem Unterricht befaßte. Die Namen der Offiziere der Streitkräfte erscheinen in der Leitung von Staats- und Provinzbehörden, in der Direktion autonomer oder halbautonomer Organe, im Bankwesen, in den Institu-
250
tionen des Unterrichtswesens usw. Im Einklang mit ihren ursprünglichen Plan möchten sie ebenfalls den wirtschaftlich-finanziellen Apparat des Landes beherrschen. Jedoch zwingt sie das Bündnis Imperialismus-Streitkräfte-Interessen des transnationalen Bürgertums dazu, diesen Apparat zivilen Bürgern zu überlassen, wie es auch unter anderen Regimen in Lateinamerika der Fall ist. Auf den übrigen Gebieten Kultur, Politik, Ideologie haben die Militärs ihre Präsenz fortgesetzt und die Militarisierung des Landes verstärkt." N. Minello, a.a.O., S. 591. 88) Aus den Ausführungsbestimmungen zum Dekret 4.7.1973 im offiziellen Amtsblatt Uruguays cial" veröffentlicht wurden.
464, die am "Diario Ofi-
89) Vom 12.6.1976 bis zum 23.10.1979 diktierten die Streitkräfte Uruguays 9 "Decretos" oder "Actas Institucionales", die die "Grundgesetze" des Staates geworden sind. 90) Artikel 12. "Die Bestimmungen der Verfassung, welche in direktem oder indirektem Gegensatz zu den Verfügungen des vorliegenden Dekrets stehen, sind außer Kraft gesetzt." 91) Die politischen und die technischen Widersprüche und Ungeschicktheiten des autoritären Verrechtlichungsprozesses in Uruguay (wovon Artikel 3 des Dekrets 463 das beste Beispiel bietet) verdienen eine gesonderte Betrachtung, auf die wir am Ende dieses Teils eingehen werden. 92) Man kann in dieser Bestimmung ein konkretes Beispiel für den Verlust an Abstraktheit und Allgemeinheit des Gesetzes unter den Bedingungen des "neuen Autoritarismus" sehen. Die erwähnte Bestimmung hat insbesondere das Ziel, die zivilen Mitglieder des "Nationalrates" von dem Verbot auszunehmen . 93) Vgl. R. Faraone, "Uruguay: une autre république militaire" 94) Unter den Wichtigsten: COSENA (Consejo de Seguridad Nacional) ("Nationaler Sicherheitsrat"), COMASPO (Politische Kommission des COSENA), ESMACO (Estado Mayor Conjunto) ("Vereinigter Generalstab"). 95) Der prozentuale Stimmenanteil der sozialistischen und der kommunistischen Parteien insgesamt belief sich auf: 1942 4,2 i (der gesamten Stimmen), 1946 7,4 i, 1950 4,4 t, 1954 5,4 1958 6,2 I, 1962 5,7%, 1966 6,5 i. Vgl. C. Real de Azua, "Polîtica, poder y partidos en el Uruguay de hoy", S. 286. 96) "Aparicio Méndez, glühender Verteidiger Hitlers während des Zweiten Weltkrieges, Professor für Verwaltungsrecht an der Universität, mußte seinen Lehrstuhl auf das Drängen von Studenten und Kollegen hin aufgeben". Tageszeitung "El Pais", Madrid, 7. Dezember 1980. 97) (Dem Staatsrat obliegt es), "Den Vorentwurf der Verfassung zu erarbeiten, welche gemäß den Prinzipien, die den formell verankerten Richtlinien, den Grundsätzen der "Actas Institucionales" und den zu billigenden Grundlagen folgend, dem Volk zur Ratifizierung unterbreitet werden soll." 251
98) Erklärungen Enrique Tarrigos in der Tageszeitung "El Pais", Madrid, vom 7.12.1980. 99) Der fall Argentinien ist in einer Zwischenposition zwischen Uruguay und Chile einzuordnen. In Argentinien rechnet die zweite Etappe der Institutionalisierung, wie man sah, mit einem relativen Konsens seitens des herrschenden Blocks, aber gleichzeitig auch mit einer Weigerung, zur dritten Etappe überzugehen. 100) Aus der ausgedehnten Bibliographie zum Thema zitieren wir hier nur einige der wichtigsten Titel, die entweder in deutscher Sprache geschrieben wurden oder ins Deutsche übersetzt wurden. S. Allende, "Chiles Weg zum Sozialismus", H.R. Sonntag, "Revolution in Chile. Der schwierige Weg zum Sozialismus", P. Ruiz Tagle, "Chile: politische Macht und Obergang zum Sozialismus", A. Münster, "Chile, friedlicher Weg? Historischer Bericht und politische Analyse", D. Nohlen, "Chile. Das Sozialistische Experiment", F. Mires, "Die Militärs und die Macht. Thesen zum Fall Chile". 101) Der Kandidat der Partido Nacional (konservative Rechte) Allesandri erhielt 34,9 % der Stimmen und der Kandidat der Christdemokraten Tomic, 27,8 I. 102) Vgl. M.E. Carranza, a.a.O., S. 151 ff. 103) Vgl. A. Joxe, "Las fuerzas armadas en el proceso político de Chile". 104) "Was wir ab 1920 als Demokratie in Chile gelobt haben, war nichts anderes als ein System, in dem eine begrenzte und privilegierte Klasse sich als großmütig erwies, indem sie durch sehr beschränkte Wahlprozeduren beschloß, wer unter ihren Mitgliedern das Land regieren sollte", vgl. F.B. Pike, "Chile and the United States, 1860-1962", S. XXV, zitiert in G. Pasquino, "Militari e potere in America Latina", S. 156. 105) Vgl. M.A. Garreton und T. Moulian, "Proceso y bloques políticos en la crisis chilena 1970-1973", S. 164. 106) Für eine Analyse des Wahlverhaltens der chilenischen Gesellschaft, vgl. G. Pasquino, a.a.O., insbesondere Kap. III "Ceti medi e transizione al socialismo in Chile", S. 109 ff. 107) M.A. Garreton und T. Moulian, a.a.O., S. 164. 108) Bei den Gemeindewahlen vom April 1971 erweiterte die "Unidad Popular" ihr Wählerpotential erheblich und erhielt' fast 50 t der Stimmen. 109) Von heute aus beurteilt kann man mit Sicherheit sagen, daß das Scheitern dieses Putsches nicht die Folge von demokratischen oder verfassungstreuen Anwandlungen der Streitkräfte war, sondern lediglich von ihrem Respekt vor der internen Hierarchie der Institution. Ein erfolgreicher, von einem Oberst durchgeführter Putsch hätte die vorzeitige Pensionierung aller noch tätigen Generäle bedeutet .
252
110) M.E. Carranza, a.a.O., s. 144. 111) Am 18.9.1973 im Diario Oficial 28.653 veröffentlicht. 112) P. Grenier, S. 10. 113) C. Hurtado S. 85.
"Le Beca,
Chili "Les
du
général
nouvelles
Pinochet
institutions
1973-1980", du Chili",
114) Rechtsextreme terroristische Organisation, die von der Regierung S. Allendes als illegal deklariert wurde. Sie war maßgeblich und aktiv am Militärputsch von 1973 beteiligt und löste sich danach auf. 115) Die chilenische Militärregierung dekretierte vier "Actas Constitucionales". Die Nr. 1 am 31. Dezember 1975 und die Nr. 2, 3 und 4 am 11. September 1976 mit jeweils folgendem Inhalt: a) Bildung des Staatsrats; b ) wesentliche Grundlagen der chilenischen Verfassungsmäßigkeit; c) über die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten; d ) Notstandsregime. Alle von uns hier wiedergegebenen wörtlichen oder nur teilweise wörtlichen Zitate derselben sind einer offiziellen Veröffentlichung der chilenischen Regierung (ohne Jahres- und Verlagsangabe) entnommen, die den Titel "Actas constitucionales promulgadas por el gobierno de Chile" trägt. 116) Die 16 Mitglieder des "Staatsrats" sind vom General Pinochet nominiert (Artikel 2). Die Ex-Präsidenten sind es de jure. Der christdemokratische Ex-Präsident Eduardo Frei, der als Mitglied dieses "Rates" nominiert wurde, weigerte sich, das Amt anzunehmen. Als ob er seiner Oppositionshaltung ein Gegengewicht geben wollte, dementierte der ExPräsident E. Frei im September desselben Jahres die Möglichkeit, eine breite Oppositionsfront der Regierung entgegensetzen zu können. 117) Vgl. G. Pasquino, S. 153-154.
"Militari
e potere
in America
Latina",
118) Für eine Analyse der Wirtschaftspolitik der Regierung Pinochet, insbesondere im Zusammenhang mit dem ausländischen Kapital und der Politik der Gewerkschaft, vgl. jeweils C. Ominami, "Un nouveau type de financement extérieur pour un nouveau modèle de croissance" und G. Falabella, "Les syndicats sous un régime autoritaire: le cas du Chili". Eine detaillierte Information über das chilenische Wirtschaftspotential und seine Dynamik bietet D. Nohlen, "Chile" (Länderanalysen) insbesondere "Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsentwicklung", S. 189 ff. 119) Für eine kritische Analyse der hier zitierten "Actas Constitutionales", vgl. P. Grenier, a.a.O., S. 11. Kaum fünf Monate nach ihrer Verkündung werden die genannten "Actas" schon abgewandelt. Die politischen Parteien, die durch die "Acta" Nr. 3 vorübergehend aufgehoben worden waren, sind jetzt aufgelöst. Das Recht auf Berufung ist jetzt während des "Ausnahmezustandes" abgeschafft. Vgl. C. Hurtado Beca, "Les nouvelles institutions du Chili", S. 86.
253
120) Vgl. den Artikel "De Chacarrillas a la caída de Cubillos" in der Zeitschrift "Hoy", Santiago de Chile, 22. Mai 1980, S. 9. 121) Vgl. C. Hurtado Beca, "Le processus au Chili", S. 80.
d'institutionalisation
122) Tageszeitung "El Mercurio" Santiago de Chile,
12.9.1980.
123) Alle folgenden Zitate, sowohl von Obergangsbestimmungen wie aus der Verfassung selbst, sind dem offiziellen, von der chilenischen Regierung (ohne Angaben über Erscheinungsort und -jähr) veröffentlichten "Constitución política de la República de Chile" entnommen. 124) H. Montealegre, "Una constitución encerrada en el pasado", S. 64 ff. 125) F. Dahsen, "El mapa de la extrema riqueza".
Kapitel VII: Staatstheorie und Rechtsinstanz in Lateinamerika
1) Es muß hinzugefügt werden, daß es eher um eine "Theorie" von Versuchen, Anmerkungen für eine solche handelt.
sich ausnahmslos Annäherungen oder
2) CEPAL (Comisión Económica para America Latina), ein Organ der Vereinten Nationen. 3) Escuela desarrollista. 4) Vgl. N. Lechner, "La crisis del Estado en América Latina", S. 87. 5) Vgl. 0. Fals Borda, "Dilemas del monismo en la teoría de la dependencia", S. 171. 6) Deren bestes nien war.
Beispiel
die
Regierung
Frondizi
in Argenti-
7) Für eine Analyse der Geschichte der "Entwicklungsschule", die mit einer umfassenden Bibliographie versehen ist, vgl. A. Filippi, "Teoria e storia del 1 sottosviluppo' latinoamericano", S. 171-190. 8) Der Begriff "Selbstkritik" ist hier in seinem engeren Sinne gemeint, da etliche unter den Autoren der "Entwicklungsschule" Anhänger und Verfechter der "Abhängigkeitsforschung" wurden. 9) Es steht außer Zweifel, daß das wichtigste Werk, das der "Abhängigkeitsansatz" hervorgebracht hat, die Arbeit von F.H. Cardoso und E. Faletto, "Dependencia y desarrollo en América Latina" ist. 10) Vgl. T. Dos Santos, "La crisis de la teoría del desarrollo y las relaciones de dependencia en América Latina", S. 175 ff. 11) Vgl. 0. Fals Borda, a.a.O., S. 172. 254
12) Die beste Kritik dieser falschen Interpretationen, die übrigens ihrerseits wieder in Lateinamerika rezipiert wurden, was ihre negative Wirkung verdoppelte und dazu beitrug, die Krise der "Abhängigkeitstheorie" zu beschleunigen, hat F.H. Cardoso, "El consumo de la teoría de la dependencia en los EEUU", S. 31 formuliert. 13) N. Lechner, a.a.O., S. 91. 14) Vgl. L. de Riz, "Formas de Estado y desarrollo del capitalismo en América Latina", S. 427. 15) N. Lechner, a.a.O., S. 28. 16) L. de Riz, a.a.O., S. 430. 17) Unter der reichhaltigen Produktion der vier zitierten Autoren haben wir diejenigen Werke ausgesucht, die, wenn sie auch wenig umfangreich sind, dennoch am besten die hier betrachtete Problematik repräsentieren. Für eine weitere Information über diese Strömung vgl. "El fascismo en America" in der Zeitschrift: "Nueva Política", Nr. 1, México, Januar-März 1976, worin fast alle Autoren, die zu dieser Strömung zählen, mit Aufsätzen vertreten sind. 18) T. Dos Santos, "Socialismo hoy", S. 173 ff.
y fascismo
en América
Latina
19) J. Petras, "Neofascismo: muerte y resurgimiento de la oposición política", S. 401 ff. 20) M. Kaplan, "El leviatln criollo: estatismo y sociedad en la América Latina contemporánea", S. 795 ff. 21) A. Cueva, "La cuestión del fascismo", S. 469 ff. 22) T. Dos Santos, a.a.O., S. 180. 23) Bezüglich der Charakterisierung eines Staates als faschistisch auf Grund der Existenz von Gruppen dieser Art sind die Kritiken interessant, die Atilio Borón formuliert hat: "Wenn diese Fragen auch für sich gesehen wichtig sind, so ist dies trotzdem nicht der Punkt, auf den man das Hauptinteresse bei der Untersuchung des Faschismus lenken muß: Parteien, Gruppen und Programme mit faschistischem Charakter findet man praktisch in allen kapitalistischen Ländern, ihre Existenz allein genügt jedoch nicht, um darauf hinzudeuten, daß wir es mit einem faschistischen Staat zu tun haben", vgl. A. Borón, "El fascismo como categoría histórica: en torno al problema de las dictaduras en América Latina", S. 483. 24) T. Dos Santos, a.a.O., S. 178. 25) Ebenda, S. 179. 26) Es muß an einen Aspekt erinnert werden, der nicht immer von den Strömungen berücksichtigt wird, die die Existenz eines Faschismus "sui generis" im lateinamerikanischen Kontext behaupten. Wir beziehen uns auf die Formulierungen R. De Felices, einem der größten Kenner des Faschismus. "Der Faschismus, den ich "historischer Faschismus" nenne, wie er sich zwischen 1919 und 1945 darstellte, ist definitiv tot. Er ist ein abgeschlossenes Kapitel, und das ist 255
gerade der Grund, warum man ihn historisch, mit geschichtswissenschaftlicher Methode und Mentalität untersuchen kann", vgl. M. Leden, "Intervista sul fascismo" (Interview mit R. De Feiice), S. 6. 27
T. Dos Santos, a.a.O., S. 180.
28
Ebenda, S. 180. (Dos Santos bezieht sich mit Sicherheit auf die Länder, die von Nazi-Deutschland militärisch besetzt waren. Es ist klar, daß eine so weite Interpretation nicht der geringsten Kritik widerstehen kann).
29
Ebenda. (Es ist zumindest bezeichnend, daß Dos Santos die anti-liberalen Inhalte des Faschismus nicht nennt).
30) Ebenda, S. 182. 31 ) Ebenda. 32) Ebenda, S. 184. 33) Ebenda, S. 187. 34) Ebenda. 35) Ebenda. 36) Ebenda. 37) J. Petras, a.a.O., 38) Ebenda, S. 411 . 39) Ebenda. 40) Ebenda, S. 406. 41 ) Ebenda, S. 402. 42) Ebenda, S. 405. 43) M. Kaplan, a.a.O., 44) Ebenda, S. 801 . 45) Ebenda, S. 819. 46) Ebenda, S. 807. 47) A. Cueva, a.a.O., S
470.
48) R. Arismendi, "Refi tiones sobre el momento actual de America Latina", Tageszeitung "El Dia", Mexico vom 7. und 8. Januar 1977. 49) "Es ist auch unnötig, an die Möglichkeit einer faschistischen Mobilisierung einiger Teile der Arbeiter und Bauern zu denken, wo doch diese beiden Klassen unter einem Verarmungsprozeß zu leiden haben, wie man ihn bisher selten gekannt hat; ferner ist es abenteuerlich, von einer Mobilisierung der kleinbürgerlichen Massen in diesem Sinne zu sprechen, wo sie doch unter den Folgen eines plötzlichen Prozesses der Zentralisierung des Kapitals zugunsten der ausländischen Monopole zu leiden haben", vgl. A. Cueva, a.a.O., S. 476. 50) "Ein weiteres Kennzeichen des lateinamerikanischen Faschismus ist sein Unvermögen, eine nationalistische Politik durchzusetzen", a.a.O., S. 476. 256
5 1 ) Ebenda, s. 471 . 52) Ebenda, S. 478. 53) Innerhalb des umfangreichen Werks Guillermo O'Donnells, einem der bedeutendsten Sozialforscher Lateinamerikas, beziehen wir uns insbesondere auf G. O'Donnell, "Reflexiones sobre las tendencias de cambio del Estado burocrático-autoritario", S. 9 ff (Die Originalfassung dieses Werkes erschien in Brasilien 1975). 54) Für eine Kritik der Charakterisierung des BAS durch O'Donnell vgl. J. Petras, "Neofascismo: muerte y resurgimiento de la oposición política", zit., insbesondere S. 402, und L. de Riz, "Formas de Estado y desarrollo del capitalismo en América Latina", zit. insbesondere S. 430 ff. 55) G. O'Donnell, "Reflexiones
...", zit., S. 13-14.
56) G. O'Donnell, "Apuntes para una teoría del Estado". 57) G. O'Donnell, "Reflexiones
...", zit., S. 16.
58) Ebenda, S. 14 ff. 59) A. Borón, a.a.O. 60) Wir rekonstruieren hier nicht die Kritik Boróns am (auf Lateinamerika r-gewandten) Begriff des Faschismus. Hierzu verweisen wir auf die Lektüre von Boróns Aufsatz. 61) Die Begriffe "gesellschaftliche Pattsituation" oder "hegemonisches Unentschieden" (beide eindeutig Gramscianischer Inspiration) verweisen auf eine noch ungelöste Krisensituation, in welcher die 'sectores populares' stark genug sind, um die Festigung und Legitimierung von Herrschaf tsformen zu verhindern, die dem herrschenden Block zugute kommen, aber nicht stark genug, um ein Machtprogramm mit reeller Durchsetzungsmöglichkeit zu artikulieren. Zu diesem Begriff in der Anwendung auf die Wirklichkeit Argentiniens, vgl. insbesondere J.C. Portantiero, "Economía y política en la crisis argentina: 1958-1973", S. 531 ff., und vom gleichen Autor, "Clases dominantes y crisis políticas en la Argentina actual", S. 73 ff. 62) A. Borón, a.a.O., S. 513. 63) Ebenda, S. 519. 64) Ebenda, S. 519 ff. 65) Wir setzen den Begriff "rechtlich" in Klammern, weil dieser Themenbereich in A. Boróns Analyse praktisch fehlt. 66) A. Borón, a.a.O., S. 522. 67) H. Sonntag, periférico".
"Hacia
una
teoría
política
del
capitalismo
68) Ebenda, S. 170. 69) Ebenda, S. 164-165. 70) Ebenda, S. 180. 71) Ebenda, S. 177.
257
72) "Wenn wir den tatsächlichen Gehalt des Begriffs Faschismus nicht völlig entkräften wollen, so dürfen wir ihn auf keinerlei politische Regime des unterentwickelten Kapitaiismus anwenden und auch nicht auf irgendeine seiner Staatsformen", ebenda, S. 180-181. 73) Ebenda, S. 181. 74) T. Evers, "Bürgerliche Herrschaft in der Dritten Welt". 75) Ebenda, S. 86. 76) Ebenda, S. 190-192. 77) Ebenda, S. 190. 78) Ebenda. 79) Ebneda, S. 196. 80) Ebenda, S. 168. 81) Ebenda, S. 159. 82) Als weitere neuere Arbeiten, die dieser Richtung zuzuschreiben sind, nennen wir H. Zemelman, "Los regímenes militares en America Latina, problema coyuntural?", S. 831 ff.; M.E. Carranza, "Fuerzas armadas y Estado de excepción en América Latina"; J. Barreiro, "Los molinos de la ira, pronóstico sobre la situación en América Latina". 83) N. Lechner, "La crisis del Estado en América Latina". 84) Ebenda, S. 13. 85) Ebenda, S. 18. 86) Ebenda, S. 37. 87) Ebenda, 88) Ebenda, 89) Ebenda, 90) Ebenda, 91) Ebenda, 92) Ebenda, 93) Ebenda,
s. s. s. s. s. s. s.
120 131 132 135 136 145 149
94) Die große Ähnlichkeit der Arbeit T. Evers mit der N. Lechners ist nicht zufällig: "Wir müssen einen hohen Grad an Verwandtschaft mit den Grundhypothesen der Arbeiten Norbert Lechners zugeben, insbesondere mit denjenigen aus seinem Buch "La Crisis del Estado en America Latina"; es ist jedoch offenkundig, daß Lechner keine globalere Systematisierung vorhat". Vgl. T. Evers, "El Estado en la periferia capitalista", S. 11 (Dieser Hinweis fehlt in der deutschen Obersetzung von Evers Werk). 95) G. O'Donnell, S. 1185.
"Apuntes
96) Ebenda, S. 1172-1173.
258
para
una
teoria
del
Estado",
Kapitel VIII: Politische Herrschaft und juristische Hegemonie
1) Man muß sich immer vor Augen halten, wie weit die tatsächliche Tragweite des Begriffs "Subversion" für diese Regime reicht; vgl. hierzu unsere Erläuterungen im Kapitel über die DIS. 2 ) Ein gutes Beispiel hierfür bietet folgende Aussage: "... worauf es ankommt ist die Gerechtigkeit, nicht der Konsens ... Gerechtigkeit und Ethik sind rational. Der Konsens enthält einen hohen Anteil an Emotion, was ihn unbeständig und unzuverlässig macht. Da wir keine Demagogen sind, lassen wir uns nicht durch den Konsens bestimmen." Admiral Emilio Massera (Mitglied der Militärjunta der argentinischen Regierung nach dem Putsch von 1976). Tageszeitung "La Nacion", Buenos Aires, 6. April 1977, zit. in "Economia y politica del fascismo dependiente", S. 235. 3 ) N. Lechner, "Poder y orden. consistente", S. 1201.
La estrategia
de
la
minoria
4) Der beste Beweis zur Bestätigung dieser Behauptungen bildet der Anteil der Lohnempfänger am Volkseinkommen. Nach Daten der Argentinischen Nationalbank erhielten die Lohnempfänger 1975 49,3 I des gesamten Volkseinkommens, 1976 nur noch 32,3 t, 1977 30,8 I, 1978 31 ,8 %, 1979 32,8 t und 1980 34,0 t. 5) N. Poulantzas, "Politische Klassen, S. 222-223.
Macht
und
gesellschaftliche
6 ) N. Lechner, a.a.O. 7) Ebenda, s. 1206. 8) N. Lechner, S. 145.
"La
crisis
del
Estado
en
America
Latina",
9) Das Wort "plausibel" weist hier auf die Wahrscheinlichkeit und nicht auf die Gewißheit der dargelegten Überlegungen hin, was insbesondere auf die praktische Inexistenz von theoretischen Vorläufern auf diesem Gebiet innerhalb des lateinamerikanischen Kontextes zurückzuführen ist. 10) Einen Hinweis auf die Hegemonie des kritischen Denkens im Bereich der Soziologie bildet die Politik der Militärdiktaturen des cono sur gegenüber den Soziologischen Instituten. Diese wurden nämlich entweder gleich geschlossen oder weit über die Mindestgrenze einer prekären Existenz hin abgebaut und eingeschränkt. 11) Es scheint uns nützlich und interessant, an dieser Stelle einige Auszüge aus einer Rede des chilenischen Wirtschaftswissenschaftlers und Politikers Pedro Vuscovic zu zitieren, da in ihr die Problematik der Konfrontation zwischen den Strömungen des kritischen und des konservativen Denkens im lateinamerikanischen Kontext angesprochen wird: "... man muß zugeben, daß, trotz dieser Fortschritte und trotz zahlreicher Teilerfolge, insgesamt gesehen der Kampf weiterhin verloren wird. Es gelingt uns nicht, der 259
Wirtschaftsideologie der Beherrschung einen mit den entsprechenden entgegengesetzten Vorzeichen versehenen äquivalenten Korpus wirtschaftspolitischer Formulierungen der Befreiung entgegenzusetzen..." "Aus der internationalen Institutionalität trat eine regionale Kommission hervor, die CEPAL, die sich die Aufgabe stellte, Empfehlungen auszusprechen, welche ein großes Echo bei den lateinamerikanischen Völkern hervorriefen und die Kraft neuer technischer Konzeptionen symbolisierten. Die große Diskussion aber wurde nicht zwischen Fortschritt und Reaktion geführt, sondern zwischen verschiedenen Auffassungen des Fortschritts und der bevorzugten Unterscheidung zwischen einem Fortschritt mittels der Instrumente des Reformismus oder mit revolutionären Veränderungen." P. Vuscovic, "La responsabilidad y el reto de los intelectuales", S. 26. 12) Unter den unzähligen Äußerungen Gramscis zu diesem Thema vgl. insbesondere A. Gramsci, "Quaderni del carcere", S. 2192. 13) Eine ausgezeichnete Untersuchung, die diese Problematik zusammenfaßt und systematisiert, indem sie unter anderem die Äußerungen W. Arnolds und G. Radbruchs zu diesem Gegenstand analysiert, ist R. Treves, "Il diritto come componente della cultura", S. 23 ff. 14) H. Heller, "Staatslehre", insbesondere die S. 194-198. 15) Mit Bezug auf die Charaktistiken des Rechts im Kontext des peripheren Kapitalismus weist T. Evers auf folgendes hin: "Als Mittler sozialer Beziehungen kann allgemeines Recht nur soweit wirken, wie gesellschaftliche Beziehungen bereits die Form äquivalenter Tauschbeziehungen angenommen haben ... Um wirksam zu werden, muß das Recht den Schein der Allgemeinheit verlassen und sich konkret auf jeweils bestimmte Situationen beziehen". Vgl. T. Evers, "Bürgerliche Herrschaft in der Dritten Welt", S. 158-159. 16) Vgl. E. Garzón Valdés, "Die Universitätsreform von (1918) Cordoba/Argentinien", S. 163-218. 17) Vgl. F. Garzón Valdés, "Ober die Funktionen des Rechts in Lateinamerika". 18) Ebenda, s. 18. 19) E. Novoa Monreal, "El derecho como obstáculo cial", S. 29.
al cambio so-
20) Wir weisen darauf hin, daß diese Strömungen, die der liberalen Ideologie gegenüber kritisch eingestellt sind, nichts gemeinsam haben mit dem, was wir hier sonst als "Kritisches Denken" bezeichnet haben. 21) über das Problem der Auflösung der Problematik des Rechts in der Politik vgl. unseren Aufsatz E. García Méndez, "Política, derecho y crítica específica", S. 53 ff. 22) U. Cerroni, "Formalità rale", S. 76.
e socialità nel diritto
postlibe-
23) Cerroni schließt unserer Meinung nach zu Unrecht das Werk von E. Pasukanis in diese Kritik mit ein. 260
24) Das extremste Beispiel dieses Aufgehens des Juristischen in der Politik findet sich gerade in den Werken die "insbesondere dem Recht gewidmet sind" und sich an der DIS inspirieren, wie folgendes Beispiel zeigt: "Nein, die Grundlagen des Rechts können ewig sein, wie die Philosophie, von der es sich nährt; aber das positive Gesetz hat etwas zufälliges, programmatisches, ist reine Politik in Aktion. Denn das Recht ist ein spezieller Zweig der Politik ••." C.H. Domínguez, "La nueva guerra y el nuevo derecho . Ensayo para una estrategia jurídica contrasubversiva" S. 29. 25) Vgl. z.B. das Werk E. Palacios, "Teoría del Estado" (insbesondere Kap. X, "La Ley"), S. 119-126. 26) Vgl. A. Kohen, "Marxismo, Estado y derecho". 27) Obwohl wir es schon erwähnt haben, unterstreichen wir noch einmal, daß man sich immer die erheblichen Unterschiede zwischen dem europäischen Liberalismus und demjenigen der peripheren Länder vor Augen halten muß. In diesem letzteren Kontext ist der Liberalismus als konkretes politisches Aktiosprogramm vornehmlich den Interessen zahlenmäßig beschränkter oligarchischer Gruppen zugutegekommen. Vgl. hierzu den ausgezeichneten Aufsatz von E. Laclau, "Hacia una teoría del populismo" (insbesondere S. 208-209). 28) Vgl. E. Garzón Lateinamerika", obstáculo al "La democracia en una economía
Valdés, "Ober die Funktionen des Rechts in E. Novoa Monreal, "El derecho como cambio social", P. Gonzalez Casanova, en México", C.M. Vilas, "Derecho y Estado dependiente" (insbesondere S. 38 ff).
29) Der in diesem Abschnitt des öfteren gebrauchte Ausdruck "neigt zu ...", bedeutet, daß die Existenz eines Aspektes anerkannt wird, der der völligen Entwicklung dieser Problematik entgegensteht. Es ist dies ein Aspekt, wo sich die Realität erheblich brutaler zeigt als das repressive Recht selber: Wir meinen die systematische Politik des Verschwindenlassens von Personen. Wenn wir Argentinien als Beispiel nehmen (hier hat das Phänomen der "desaparecidos" quantitativ und qualitativ das höchste Ausmaß angenommen), wo, obwohl die Todesstrafe vorgesehen ist, diese Maßnahme bis zum heutigen Tag keine Anwendung fand, bleibt der Gegensatz zwischen der sozialen Wirklichkeit und dem Recht weiter bestehen. Dessen ungeachtet muß man zwei Dinge bemerken: Zunächst, daß diese neuen Autoritarismen, dadurch daß sie sich nicht völlig von der liberalen Ideologie frei machen können, eine Art von "verschämten Totalitarismus" darstellen, wo die Praxis der Eliminierung von Gegnern juristisch keinesfalls legitimiert werden kann. Zweitens: Die gleichzeitige Verwendung extra-legaler Mittel, die die Ineffektivität des Rechts (selbst des repressiven) bestätigt, schmälert nicht seine Bedeutung in bezug auf den symbolischen Wert. Obwohl in der Praxis die legale Todesstrafe nicht angewandt wird, hat ihre Existenz in der positiven Gesetzgebung die Funktion, die Möglichkeiten der Macht und der Ausübung von Zwang, über die der Staat verfügt, im Gedächtnis der Bürger wach zu halten. 261
In seiner positiven Bedeutung (im Einklang mit Karl Mannheim) bezieht sich der Begriff "Ideologie" auf Aktionsprogramme - oder Ideale. Mit negativer Bedeutung versehen (nach der Marxschen Verwendung) bezieht er sich auf das falsche Bewußtsein, das gesellschaftliche Institutionen legitimiert, indem ihnen ideale Funktionen zugeschrieben werden, die verschieden sind von denen, die sie in Wirklichkeit ausüben. Vgl. A. Baratta, "Criminologia critica e critica del diritto penale", S. 37.
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