"Steuerpflichtiger" und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht: Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie und das deutsche Recht 9783504382551

Der „Unternehmer“ ist der Zentralbegriff im Recht der deutschen Umsatzsteuer, der, gemessen am Aufkommen, zweitwichtigst

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"Steuerpflichtiger" und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht: Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie und das deutsche Recht
 9783504382551

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Blankenheim "Steuerpflichtiger" und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht

Schriften zum Umsatzsteuerrecht Band 20

Herausgegeben vom UmsatzsteuerForum -Vereinigung zur wissenschaftlichen Pflege des Umsatzsteuerrechts e.V.-

"Steuerpflichtiger" und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie und das deutsche Recht

von

Dr. Marcus M. Blankenheim Rechtsanwalt Frankfurt am Main

2005

Verlag Dr.OftoSchmidt Köln

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet die Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Postfach 51 10 26, 50946 Köln Tel.: 0221/9 37 38-01, Fax: 0221/9 37 38-943 e-mail: [email protected] www .otto-schmidt.de ISBN 3-504-62220-2

© 2005 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere fiir Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holzund säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Umschlaggestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Druck und Verarbeitung: Druck Partner RUbelmann GmbH, Hemsbach Printed in Germany

Geleitwort Das Merkmal des "steuerpflichtigen" Unternehmers gehört zu den Grundtatbeständen des deutschen und europäischen Umsatzsteuerrechts. Als Ausgangspunkt jeder umsatzsteuerliehen Betrachtung wirft es eine Fülle praktischer Streitfragen auf, die von klassischen gewerblichen Tätigkeiten über die Vermögensverwaltung bis hin in den öffentlichen Sektor reichen. Dabei kann heute als geklärt gelten, dass die Auslegung des deutschen Umsatzsteuergesetzes den strengen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts folgen muss. Dennoch ist die tägliche steuerliche Praxis weitgehend an den Traditionen des UStG orientiert; die europäischen USt-Richtlinien werden überwiegend nur zum Zwecke der Korrektur von Umsetzungsfehlern der deutschen Gesetzgebung herangezogen. Die Arbeit von Marcus Blankenheim unternimmt es, auf der Grundlage der 6. USt-Richtlinie und der sehr umfangreichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein autonomes gemeinschaftsrechtliches Verständnis des umsatzsteuerlichen Tatbestandes der entgeltlichen Leistung zu entwickeln. Auf der Grundlage dieses europarechtlichen Verständnisses gelingt es anschließend, die nationalen Steuernormen systematisch neu zu erschließen. Die Arbeit ist nicht nur fiir die wissenschaftliche Durchdringung des Umsatzsteuerrechts, sondern auch fiir einen sachgerechten Umgang der Praxis mit den Grundtatbeständen der Mehrwertsteuer bedeutsam; sie erschließt dem Anwender die wesentlichen gemeinschaftsrechtlichen Subsumtionsquellen, vor allem die zentralen Urteile des Europäischen Gerichtshofs. München, im April 2005

Prof. Dr. Wolfgang Schön

V

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2003/04 von der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität in Bonn als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie aktualisiert. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Wolfgang Schön, der das Thema anregte und die Arbeit betreute. Herrn Professor Dr. Franz Wassermeyer danke ich fiir zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch der Konrad-Adenauer-Stiftung fiir die finanzielle und ideelle Unterstützung im Rahmen der Deutschen Graduiertenförderung. Erst diese ermöglichte mir eine ausschließliche Befassung mit dem Thema der Dissertation in den eineinhalb Jahren ihrer Erstellung. Ferner möchte ich Herrn Professor Dr. Hans Nieskens ebenso wie Herrn Dr. Friedrich Klenk vom UmsatzsteuerForum e.V. fiir die Aufnahme der Dissertation in diese Schriftenreihe danken. Ein herzlicher Dank gebührt auch dem Max-Planck-lnsitut fiir Geistiges Eigentum, Wettbewerbsrecht und Steuerrecht in München fiir die finanzielle Förderung beim Druck dieser Arbeit. Ganz besonders danke ich jedoch meinen Eltern, die mich während meiner Ausbildung stets unterstützt und gefördert haben. Meiner Mutter und meinem Bruder Dr. Johannes Blankenheim sei fiir die kritische Durchsicht der Arbeit gedankt. Frankfurt am Main, im April 2005

Marcus Blankenheim

VII

Inhaltsübersicht Seite Geleitwort ...................................................................................................... V Vorwort ........................................................................................................ VII Inhaltsverzeichnis ......................................................................................... XI Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XXIII Literaturverzeichnis ................................................................................ XXIX

Ziel der Arbeit ....................................................................................... 1 Kapitell- Umsatzsteuer und Unternehmer ......................................... 3 A.

Wesen und System der Umsatzsteuer ................................................... 3

B.

Der Begriff des Unternehmers ........................................................... 12

Kapitel 2- Einheitlichkeit des Unternehmerbegriffs ........................ 29 A.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie .................................................... 29

B.

Die deutsche Umsetzung .................................................................... 31

C.

Zwischenergebnis ............................................................................... 32

Kapitel3- Unternehmerfähigkeit.. ....................................................... 33 A.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie .................................................... 33

B.

Die deutsche Umsetzung .................................................................... 41

C.

Zwischenergebnis ............................................................................... 45

Kapitel4- Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen ............................ 47 A.

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit.. .................. .4 7

B.

Wirtschaftliche Tätigkeit .................................................................... 93

C.

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit .............................................. 188

IX

Inhaltsübersicht

Kapitel 5- Selbständigkeit. ................................................................... 225 A.

Selbständigkeit natürlicher Personen ............................................... 225

B.

Umsatzsteuerliche Organschaft ........................................................ 246

Kapitel 6- Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand ......... 277 A.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie .................................................. 277

B.

Die deutsche Umsetzung .................................................................. 321

C.

Zwischenergebnis ............................................................................. 356

Zusammenfassung .................................................................................. 363 Fazit ........................................................................................................... 367 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 371

X

Inhaltsverzeichnis Seite Geleitwort .................................................................................................. V Vorwort .................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ......................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ........................................................................ XXIII Literaturverzeichnis .............................................................................. XXIX

Ziel der Arbeit .......................................................................................... 1 Kapitell - Umsatzsteuer und Unternehmer ....................................... 3 A. I.

II.

111.

B. I.

Wesen und System der Umsatzsteuer ................................................. 3 Steuersystematische Einordnung ....................................................... 3 1. Indirekte Steuer .......................................................................... 3 2. Objektsteuer ............................................................................... 3 3. Periodensteuer-Fälligkeitssteuer- Veranlagungssteuer .............. 3 4. Gemeinschaftsteuer .................................................................... 4 5. Verkehrsteuer- Verbrauchsteuer? ................................................ 4 Funktionsweise der Umsatzsteuer ...................................................... 6 1. Allphasen-Steuer ........................................................................ 6 2. Netto-Umsatzsteuer .................................................................... 7 3. Vorsteuerabzug ........................................................................... 7 Steuerliche Prinzipien ........................................................................ 8 1. Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.. .................................. 8 2. Wettbewerbsneutralität ............................................................... 9 a) Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer im Inland ........... 10 b) Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer im Außenhandel ...................................................................... 10 c) Wettbewerbsneutralität der Besteuerung der öffentlichen Hand .............................................................. 11 3. Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer .............................. 12 Der Begriff des Unternehmers ......................................................... Entwicklung des Untemehmerbegriffs ............................................. 1. Nationale Entwicklung ............................................................. a) Entstehung des § 2 Abs. 1 UStG ........................................ aa) WUStG 1916 ............................................................. bb) UStG 1918 ................................................................

12 12 13 13 13 13

XI

Inhaltsverzeichnis

II.

cc) UStG 1919 ................................................................ 14 dd) UStG 1934 ................................................................ 14 b) Entstehung des § 2 Abs. 2 UStG ........................................ 15 aa) UStG 1934 ................................................................ 15 bb) Kontrollratsgesetz Nr. 15 ........................................... 15 cc) UStG 1961 ................................................................ 15 dd) UStG 1967 ................................................................ 16 ee) UStG 1987 ................................................................ 16 c) Entstehung des § 2 Abs. 3 UStG ........................................ 16 aa) Entwicklung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand ...................................................... 16 (1) WUStG 1916 ...................................................... 16 (2) UStG 1918 .......................................................... 17 (3) UStG 1919 .......................................................... 17 (4) UStG 1926 .......................................................... 17 (5) UStG 1934 .......................................................... 18 (6) UStG 1951 .......................................................... 19 (7) UStG 1967 .......................................................... 19 (8) UStG 1980 .......................................................... 19 bb) Entstehung des § 4 KStG ........................................... 20 2. Europäische Entwicklung ......................................................... 20 a) 1. EG-Richtlinie ................................................................. 20 b) 2. EG-Richtlinie ................................................................. 21 c) 3., 4. und 5. EG-Richtlinie ................................................. 22 d) 6. EG-Richtlinie ................................................................. 22 Relevanz des Unternehmerbegriffs für das Umsatzsteuerrecht ......... 23 1. Bedeutung des Unternehmerbegriffs ......................................... 23 a) Funktion des Unternehmers im Umsatzsteuerrecht. ............ 23 b) Unternehmereigenschaft des Vertragspartners .................... 24 c) Exkurs: Umsatzsteuerpflicht von Nichtunternehmern ........ 25 2. Änderung der Interessenlage auf Grund der Systemumstellung..................................................................... 26

Kapitel 2 • Einheitlichkeit des Unternehmerbegriffs ...................... 29

II. 111.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie .................................................. 29 Rechtsprechung ............................................................................... 29 Literatur .......................................................................................... 30 Stellungnahme ................................................................................. 30

B.

Die deutsche Umsetzung ................................................................. 31

A. I.

XII

Inhaltsverzeichnis

I. II.

Auslegung ....................................................................................... 31 Stellungnahme ................................................................................. 32

C.

Zwischenergebnis ............................................................................ 32

Kapitel 3 - Unternehmerfähigkeit ...................................................... 33 A. I. II.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie .................................................. 33 Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie .......................................... 33 Auslegung ....................................................................................... 33 1. Rechtsprechung ........................................................................ 33 2. Stellungnahme .......................................................................... 34 a) Grammatikalische Auslegung ............................................ 35 b) Teleologische Auslegung ................................................... 36 c) Historische Auslegung ....................................................... 37 d) Systematische Auslegung ................................................... 38 3. Zusammenfassung .................................................................... 40

B. I. II.

Die deutsche Umsetzung ................................................................. 41 § 2 Abs. 1 UStG .............................................................................. 41 Auslegung ....................................................................................... 41 1. Natürliche undjuristische Personen .......................................... 41 2. Personengesellschaften ............................................................. 41 3. Bruchteilsgemeinschaften ......................................................... 42

C.

Zwischenergebnis ............................................................................ 45

Kapitel4- Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen ........................... 47 A. I.

Rahmenbedingungen der unternehmefischen Tätigkeit .................... 47 Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie .................................................. 47 1. Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ............................................. 47 2. Auslegung ................................................................................ 47 a) Tätigkeit "unabhängig von ihrem Ort"? ............................. 47 aa) Auslegung ................................................................. 48 bb) Stellungnahme ........................................................... 48 b) Umsatzsteuerbarkeit rechtswidriger Umsätze ..................... 49 aa) Rechtsprechung ......................................................... 49 (1) EuGH, Urt. v. 5.2.1981 - Rs. 50/80"Horvath" ........................................................... 49

XIII

Inhaltsverzeichnis

(2) EuGH, Urt. v. 26.10.1982- Rs. 221181 "Wolf'; Urt. v. 26.10.1982- Rs. 240/81 ,,Einberger I" ...................................................... 50 (3) EuGH, Urt. v. 28.2.1984- Rs. 294/82,,Einberger II" ..................................................... 50 (4) EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 269/86"Mol"; Urt. v. 5.7.1988- Rs. 289/86"Happy Family" .................................................. 51 (5) EuGH, Urt. v. 6.12.1990- Rs. C-343/89"Witzemann" ...................................................... 53 (6) EuGH, Urt. v. 2.8.1993- Rs. 111192"Lange" .............................................................. 54 (7) Neuere Rechtsprechung ...................................... 54 (8) Zusammenfassung .............................................. 56 bb) Literatur .................................................................... 56 cc) Stellungnahme ........................................................... 59 dd) Zusammenfassung ..................................................... 61 c) Erforderlichkeil einer Gewinnerzielungsabsicht.. ............... 61 aa) Rechtsprechung ......................................................... 61 bb) Literatur .................................................................... 62 cc) Stellungnahme ........................................................... 62 dd) Zusammenfassung ..................................................... 64 d) Erforderlichkeil einer entgeltlichen Tätigkeit ..................... 64 aa) Rechtsprechung ......................................................... 64 (1) EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 154/80"Aardappelenbewaarplaats" ................................ 65 (2) EuGH, Urt. v. 1.4.1982- Rs. 89/81 "Hong-Kong Trade" ........................................... 66 (3) EuGH, Urt. v. 8.10.1987- Rs. 102/86"Apple and Pear Development" .......................... 70 (4) Zusammenfassung .............................................. 71 bb) Literatur .................................................................... 72 (1) "Aardappelenbewaarplaats"-Entscheidung ......... 72 (2) "Hong-Kong Trade"-Entscheidung ..................... 72 (3) "Apple and Pear Development"Entscheidung ...................................................... 73 cc) Stellungnahme ........................................................... 74 (1) "Aardappelenbewaarplaats"-Entscheidung ......... 74 (2) "Hong-Kong Trade"-Entscheidung ..................... 74 (3) "Apple and Pear Development"Entscheidung ...................................................... 80

XIV

Inhaltsverzeichnis

II.

111. B. I.

dd) Zusammenfassung ..................................................... 80 Die deutsche Umsetzung ................................................................. 81 1. § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 1 Abs. 2 Satz 3 UStG, § 40 A0 ............................................................................................ 81 2. Auslegung ................................................................................ 82 a) Ortsunabhängigkeit des Unternehmerbegriffs .................... 82 b) Zweck der Tätigkeit ........................................................... 82 c) Ergebnis der Tätigkeit.. ...................................................... 83 d) Erforderlichkeit eines Entgelts ........................................... 86 Zwischenergebnis ............................................................................ 92 Wirtschaftliche Tätigkeit ................................................................. 93 Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie .................................................. 93 1. Art. 4 Absätze 1 bis 3 der 6. EG-Richtlinie ............................... 93 2. Auslegung ................................................................................ 94 a) Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EGRichtlinie zueinander ......................................................... 94 aa) Rechtsprechung ......................................................... 94 (1) EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83"Rompelman" ..................................................... 95 (2) EuGH, Urt. v. 20.6.1991 - Rs. C-60190"Polysar" ............................................................ 95 (3) EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94"Enkler" ............................................................. 95 (4) Auslegung der Rechtsprechung ........................... 96 bb) Literatnr .................................................................... 97 cc) Stellungnahme ........................................................... 99 dd) Zusammenfassung ................................................... 104 b) Berufliche Tätigkeiten (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie) ................................................................. 104 aa) Rechtsprechung ....................................................... 105 (1) EuGH, Urt. v. 26.3.1987- Rs. 235/85"K/Niederlande" ............................................... 105 (2) EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94"Wellcome Trust" ............................................. 107 (3) EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94"Enkler" ........................................................... 109 (4) Zusammenfassung ............................................ 109 bb) Literatur .................................................................. 110 (1) Beruflich ausgeübte Tätigkeit ........................... 110

XV

Inhaltsverzeichnis

c)

XVI

(2) Weite Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie .......................................... (3) Gelegentliche Tätigkeit? ................................... (4) Relevanz beruflicher Tätigkeit.. ........................ cc) Stellungnahme ......................................................... (1) Beruflich ausgeübte Tätigkeit ........................... (2) Weite Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie .......................................... (3) Regelmäßige Erbringung von Leistungen ......... (4) Weitere Merkmale beruflicher Tätigkeit.. .......... dd) Zusammenfassung ................................................... Gegenstandsnutzungen (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie) ................................................................. aa) Rechtsprechung ....................................................... (1) EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89, "Van Tiem" ....................................................... (2) EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90, "Polysar" .......................................................... (3) EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94, "Wellcome Trust" ............................................. (4) EuGH, Urt. v. 11.7.1996- Rs. C-306/94, "Regie dauphinoise" ......................................... (5) EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94, "Enkler" ........................................................... (6) EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95, "Harnas & Helm" ............................................. (7) EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99, "Floridienne" .................................................... (8) Neuere Rechtsprechung .................................... (9) Zusammenfassung ............................................ bb) Literatur .................................................................. (1) "Van Tiem"-Entscheidung ................................ (2) ,,Polysar"-Entscheidung .................................... (3) "Wellcome Trust"-Entscheidung ....................... (4) "Regie daupbinoise"-Entscheidung ................... (5) ,,Enkler"-Entscheidung ..................................... (6) "Harnas & Helm"-Entscheidung ....................... (7) "Floridienne"-Entscheidung .............................. (8) Neuere Rechtsprechung .................................... cc) Stellungnahme ......................................................... (1) Grundaussagen des EuGH ................................

110 112 112 113 113 114 115 116 118 118 119 119 120 122 122 123 126 128 130 130 132 132 132 134 134 135 136 136 137 137 137

Inhaltsverzeichnis

II.

(2) Dauerschuldverhältnisse ("Van Tiem", "Enkler") .......................................................... 138 (3) Beteiligungen, Aktien ("Polysar", "Wellcome Trust", "Floridienne") ..................... 139 (4) Kreditgewähtung, Spareinlage ("Regie dauphinoise", "Floridienne") ............................ 141 (5) Schuldverschreibungen, Wertpapiere ("Harnas & Helm") ........................................... 142 (6) Tätigkeiten "zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" ("Enkler") .............................. 144 (7) Teleologische Reduktion des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie? ............................. 146 dd) Zusammenfassung ................................................... I49 d) Gelegentliche Leistungserbringung (Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie) ............................................................. 150 aa) Rechtsprechung ....................................................... 150 (I) EuGH, Urt. v. 8.7.1986- Rs. 73/85"Kerrut" ............................................................ 151 (2) EuGH, Urt. v. 28.3.1996- Rs. C-368/93"Gemeente Emmen" ......................................... 151 (3) Zusammenfassung ............................................ 151 bb) Literatur .................................................................. 152 cc) Stellungnahme und Zusammenfassung .................... 152 e) Typusbegriff der wirtschaftlichen Tätigkeit? .................... 153 aa) Charakteristika des abstrakten Begriffs und des Typusbegriffs ........................................................... I53 bb) Rechtsprechung ....................................................... I 54 cc) Literatur .................................................................. I55 dd) Stellungnahme ......................................................... I55 ee) Zusammenfassung ................................................... I57 Die deutsche Umsetzung ............................................................... I 58 I. § 2Abs. I Sätze I und 3 UStG ................................................ I58 2. Auslegung .............................................................................. I 58 a) Verhältnis von § 2 Abs. I Satz I zu § 2 Abs. I Satz 3 UStG ................................................................................ I58 aa) Rechtsprechung und Literatur .................................. I 58 bb) Stellungnahme ......................................................... I59 cc) Zusammenfassung ................................................... I6I b) Unternehmerische Tätigkeit ............................................. I62 aa) "Tätigkeit" .............................................................. I62

XVII

Inhaltsverzeichnis

111. C. I.

XVIII

bb) Bedeutung der Differenzierung zwischen "gewerblicher" und "beruflicher" Tätigkeit ............. cc) Bestimmung der unternehmefischen Tätigkeit.. ....... (1) Rechtsprechung ................................................ (2) Literatur ............................................................ (3) Stellungnahme .................................................. (a) Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit .............. (b) Nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ........................................................ dd) Tätigkeit von Personenvereinigungen gegenüber ihren Mitgliedern .................................... c) Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie? .......... aa) § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ............................................ bb) § 2a Satz 1 UStG ..................................................... cc) Abschn. 16 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStR 2000 ........... d) Zusammenfassung ........................................................... Zwischenergebnis ..........................................................................

162 163 163 166 169 170 180 182 184 184 184 184 186 187

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit.. .......................................... 188 Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie ................................................ 188 1. Art. 4 Abs. I und 2 der 6. EG-Richtlinie ................................. 188 2. Auslegung .............................................................................. 189 a) Rechtsprechung ............................................................... 189 aa) EuGH, Urt. v. 4.2.1985 - Rs. 268/83 "Rompelman" .......................................................... 189 bb) EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94"INZO" ................................................................... 191 cc) EuGH, Urt. v. 21.3.2000- Rs. C-110/98 bis C147/98- "Gabalfrisa" .............................................. 194 dd) EuGH, Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-400/98 "Breitsohl" .............................................................. 195 ee) Zusammenfassung ................................................... 197 b) Literatur ........................................................................... 198 aa) "Rompelman"-Entscheidung ................................... 198 bb) "INZO"-Entscheidung ............................................. 199 cc) "Gabalfrisa"-Entscheidung ...................................... 201 dd) "Breitsohl"-Entscheidung ........................................ 202 c) Stellungnahme ................................................................. 202 aa) Beginn der Tätigkeit "erfolgreicher Unternehmer" ("Rompelman") ................................ 203

Inhaltsverzeichnis

II.

111.

bb) Beginn der Tätigkeit "erfolgloser Unternehmer" ("INZO", "Breitsohl") ...................... 204 cc) Verfahrensrechtliche Fragen .................................... 211 d) Zusammenfassung ........................................................... 213 Die deutsche Umsetzung ............................................................... 214 1. § 2Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG ................................................ 214 2. Auslegung .............................................................................. 214 a) Rechtsprechung ............................................................... 214 b) Literatur ........................................................................... 217 c) Stellungnahme ................................................................. 218 d) Zusammenfassung ........................................................... 223 Zwischenergebnis .......................................................................... 223

Kapitel 5 - Selbständigkeit.. ............................................................... 225 A. I.

II.

111.

Selbständigkeit natürlicher Personen ............................................. 225 Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie ................................................ 225 1. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie ...... 225 2. Auslegung .............................................................................. 225 a) Rechtsprechung ............................................................... 226 aa) EuGH, Urt. v. 26.3.1987- Rs. 235/85"K/Niederlande" ...................................................... 226 bb) EuGH, Urt. v. 25.7.1991- Rs. C-202/90"Ayuntamiento de Sevilla" ...................................... 226 cc) EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98"Heerma" ................................................................ 228 dd) Zusammenfassung ................................................... 230 b) Literatur ........................................................................... 231 c) Stellungnahme ................................................................. 232 d) Zusammenfassung ........................................................... 236 Die deutsche Umsetzung ............................................................... 237 1. § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG ................................. 237 2. Auslegung .............................................................................. 238 a) Allgemeines ..................................................................... 238 b) Abgrenzung des Unternehmers vom Arbeitnehmer .......... 238 aa) Maßgeblichkeit des Innenverhältnisses .................... 238 bb) Abgrenzungsmerkmale ............................................ 242 c) Organschaftsälmliches Verhältnis ..................................... 243 d) Zusammenfassung ........................................................... 245 Zwischenergebnis .......................................................................... 245

XIX

Inhaltsverzeichnis

B. I.

II.

111.

XX

Umsatzsteuerliche Organschaft ..................................................... 246 Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie ................................................ 247 1. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ........................ 247 2. Auslegung .............................................................................. 247 a) Rechtsprechung ............................................................... 247 aa) EuGH, Urt. v. 12.6.1979- Rs. 181 und 229178"Van Paassen/Denkavit Dienstbetoon" .................... 247 bb) EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90,,Polysar" ................................................................. 248 cc) EuGH, Urt. v. 20.2.1997- Rs. C-260/95"DFDS" ................................................................... 249 dd) EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98"Heerma" ................................................................ 250 ee) Auslegung der Rechtsprechung ............................... 250 b) Literatur ........................................................................... 251 aa) "Van Paassen"/"Denkavit Dienstbetoon"Entscheidung ........................................................... 251 bb) ,,Polysar"-Entscheidung ........................................... 252 cc) "DFDS"-Entscheidung ............................................ 254 dd) "Heerma"-Entscheidung .......................................... 255 c) Stellungnahme ................................................................. 255 aa) Rechtlich unabhängige Personen ("Polysar", "Heerma") ............................................................... 256 bb) Ansässigkeil im Inland (,,Polysar", "DFDS") .......... 257 cc) Art der Verbindung ("Van Paassen/Denkavit Dienstbetoon") ........................................................ 260 dd) Erforderlichkeil der Steuerpflichtigeneigenschaft der Beteiligten? (,,Polysar") .............................................................. 262 d) Zusammenfassung ........................................................... 263 Die deutsche Umsetzung ............................................................... 264 1. § 2Abs. 2 Nr. 2 UStG ............................................................. 264 2. Auslegung .............................................................................. 264 a) Eingliederung einer juristischen Person ........................... 265 b) Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers ....... 266 c) Eingliederungsmerkmale ................................................. 269 d) Beschränkung der Organschaft aufs Inland ...................... 271 e) Zusammenfassung ........................................................... 273 Zwischenergebnis .......................................................................... 274

Inhaltsverzeichnis

Kapitel6- Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand ......... 277 A. I. li.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie .................................................. 277 Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie .................................................... 277 Auslegung ......................................................................................... 278 1. Rechtsprechung ......................................................................... 278 a) EuGH, Urt. v. 26.3.1987- Rs. 235/85"K/Niederlande" ................................................................. 278 b) EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88"Ufficio distrettuale" .......................................................... 279 c) EuGH, Urt. v. 15.5.1990- Rs. C-4/89- "Comune di Carpaneto Piacentino" ........................................................ 284 d) EuGH, Urt. v. 6.2.1997 - Rs. C-24 7/95 "Marktgemeinde Weiden" .................................................. 285 e) EuGH, Urt. v. 12.9.2000- Rs. C-276/97"K/Frankreich" ................................................................... 287 f) EuGH, Urt. v. 14.12.2000- Rs. C-446/98- "Fazenda Publica" .............................................................................. 289 g) Zusamrnenfassung .............................................................. 293 2. Literatur ..................................................................................... 295 a) Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt... .................... 295 b) Größere Wettbewerbsverzerrungen .................................... 298 c) Ausübung von Tätigkeiten i.S. des Anhangs D der 6. EG-Richtlinie ...................................................................... 301 d) Steuerbefreite Tätigkeiten als Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt ........................................ 302 e) Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie? ....................... 304 3. Stellungnahme ........................................................................... 305 a) Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt... .................... 306 b) Größere Wettbewerbsverzerrungen .................................... 309 c) Ausübung von Tätigkeiten i.S. des Anhangs D der 6. EG-Richtlinie ...................................................................... 312 d) Steuerbefreite Tätigkeiten als Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt ........................................ 312 e) Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 5 der 6.EG-Richtlinie? ................................................................. 316 4. Zusammenfassung ..................................................................... 319

XXI

Inhaltsverzeichnis

B. I. li.

Die deutsche Umsetzung .................................................................. 321 § 2 Abs. 3 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG .................................... 321 Auslegung ......................................................................................... 323 1. Verhältnis von§ 2 Abs. 3 zu§ 2 Abs. 1 UStG .......................... 323 2. Juristische Personen des öffentlichen Rechts ............................ 325 3. Maßgeblichkeit des Körperschaftsteuerrechts .......................... 327 4. "Betrieb gewerblicher Art" ........................................................ 330 a) Allgemeines ........................................................................ 330 b) Einrichtung ......................................................................... 331 c) Wirtschaftliche Tätigkeiten ................................................ 334 aa) Berufliche Tätigkeiten ............................................... 334 bb) Vermögensverwaltung ............................................... 335 cc) Beteiligung an einer Personengesellschaft als Unternehmerische Tätigkeit? ...................................... 33 7 d) Wirtschaftliches Herausheben innerhalb der Gesamtbetätigung ............................................................... 33 8 e) Versorgungsbetriebe ........................................................... 343 f) Verpachtungsbetriebe ......................................................... 343 g) Hoheitsbetriebe ................................................................... 344 aa) Ausübung öffentlicher Gewalt ................................... 344 (1) Rechtsprechung .................................................. 345 (2) Literatur .............................................................. 346 (3) Stellungnahme .................................................... 349 bb) Überwiegen ................................................................ 352 5. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe .................................... 353 6. Die Sondertätigkeiten des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 UStG .......................................................................................... 354 7. Zusammenfassung ..................................................................... 354

C.

Zwischenergebnis ............................................................................. 356

Zusammenfassung .................................................................................. 363

Fazit ........................................................................................................... 367 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 371

XXII

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABI. EG Abs. Abschn. Anm. AO Art.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Abschnitt Anmerkung Abgabenordnung Artikel

BB ber. Beschl.

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) belichtigt Beschluss Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Entscheidungssammlung des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundes gerichtshof Bundesminister(ium) der Finanzen Bundesratsdrucksachen Bundesteuerblatt Bundestagsdrucksachen Buchstabe Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (niederländische Gesellschaftsform vergleichbar der deutschen GmbH) Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgelichts beziehungsweise

BFH BFH/NV BFHE BGB BGBI. BGH BMF BR-Drucks. BStBl. BT-Drucks. Buchst. BV

BVerfG BVerfGE bzw. CGI

Code General des Impöts (französische Abgabenordnung und Sammlung der Steuergesetze)

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

ders. d.h. dies. Diss. DM DÖV DStJG DStR DStZ

derselbe das heißt dieselben Dissertation Deutsche Mark Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift)

ECU

European Currency Unit (Europäische Währungseinheit) Entscheidungen der Finanzgerichte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der konsolidierten Fassung des Vertrags von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. vom 7. Februar 1992 Einführung (portugiesischer) Escudo Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

EFG EG

EG-RL EGV Einf. ESC EStG EU EuGH EuGHE EuZW EWG EWGV EWS

f. ff. FG FGO FN FS

und folgende und fortfolgende Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Fußnote Festschrift

gern.

gemäß

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

GG ggf. grds. GrS

Grundgesetz gegebenenfalls grundsätzlich Großer Senat

HFL HFR

(niederländischer) Gulden Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber

hL hM Hrsg. i.d.F. i.d.R. INF i.S. IStR i.S.v. iur. i.V.m.

in der Fassung in der Regel Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) im Sinne Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) im Sinne von iuris in Verbindung mit

JbFfSt JZ

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristenzeitung (Zeitschrift)

K

Europäische Kommission Kommentierte Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien

KFR KStDV KStG KStR Lfg. LStDV Ltd.

Lieferung Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Limited liability company (anglo-amerikanische Gesellschaftsform, vergleichbar der deutschen GmbH)

m.E. Mio. m.w.N.

meines Erachtens Millionen mit weiteren Nachweisen XXV

Abkürzungsverzeichnis

Nr. NY-Drucks. NWB

Nummer Verhandlungen der verfassunggebenden Nationalversammlung Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift)

o.V.

oben angeführt Organization for Economic Cooperation an Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens österreichisches ohne Verfasserangabe

Rdnr. rer. pol. RFH RFHE RGBL RIW rkr. Rs. RStBl.

Randnummer rerum politicarum Reichsfmanzhof Entscheidungssammlung des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) rechtskräftig Rechtssache Reichssteuerblatt

s. sog. StbJb StBp StGB StuW StVj SWI

Seite Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sogenannt(e) Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Strafgesetzbuch Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift)

TH TU

Technische Hochschule Technische Universität

u.a.

unter anderem

o.a. OECD

OECD-MA

österr.

Slg.

XXVI

Abklirzungsverzeichnis

u.a.m. UKL Univ. Unterabs. UR URL Urt. USD USt UStDB UStDV UStG UStKongrBer UStR usw. UVR

und anderes mehr Pfund Sterling Universität Unterabsatz Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Uniform Resource Locator Urteil US-Dollar Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuerkongreß-Bericht Umsatzsteuer-Richtlinien und so weiter Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift)

v. VG vgl. v.H.

vom Verwaltungsgericht vergleiche vomHundert

WUStG

Warenumsatzstempelgesetz

z.B.

zum Beispiel Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (Zeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Ziffer zum Teil zugleich

Ztz

ZGR Ziff. z.T. zugl.

XXVII

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XLIV

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XLV

Ziel der Arbeit Die Umsatzsteuer ist in der Bundesrepublik Deutschland hinter der Einkommensteuer die wichtigste Quelle des Steueraufkommens. So betrug der Anteil der Umsatzsteuer im Jahre 2003 mit € 136.996 Mio. ca. 30,98 % der gesamten Steuereinnahmen. 1 Gezahlt wird die Umsatzsteuer- unabhängig von der Frage, wer Träger der Umsatzsteuer ist - regelmäßig vom "Unternehmer". Dieser ist gern. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG "Steuerschuldner" der Umsatzsteuer. Insofern kommt dem "Unternehmer" im deutschen Umsatzsteuerrecht ein sehr zentrale Rolle zu. Wie in vielen anderen Rechtsbereichen auch ist der deutsche Gesetzgeber seit 1967 in der Ausgestaltung des Umsatzsteuerrechts (nach europarechtlicher Terminologie Mehrwertsteuerrecht) nicht mehr frei, sondern muss die Vorgaben der EG-Umsatzsteuer-Richtlinien umsetzen. Somit ist der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, auch den Begriff des "Unternehmers" richtlinienkonform zu bestimmen. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Frage, ob der deutsche Zentralbegriff des "Unternehmers" eine richtlinienkonforme Umsetzung des zu Grunde liegenden Steuerpflichtigenbegriffs der 6. EG-Richtlinie2 ist. Ferner soll durch den Rückgriff auf Art. 4 der 6. EG-Richtlinie versucht werden, dem von Einzelfallentscheidungen und einer Vielzahl unterschiedlicher Literaturmeinungen geprägten "Unternehmer" des UStG Konturen zu verleihen und die Rechtsanwendung zu erleichtern. Bei der nachfolgenden Untersuchung bleibt die Frage, ob die 6. EGRichtlinie rnit primärem Europarecht vereinbar ist, unbehandelt. Auch werden keine Vorschläge de lege ferenda zu Art. 4 der 6. EG-Richtlinie gemacht. Nicht vertieft werden der Begriff der umsatzsteuerliehen Leistung und Spezialfragen zum Vorsteuerabzug. Diese Fragen werden nur am Rande angesprochen, soweit dies zur Auslegung und zum Verständnis des Unternehmerbegriffs erforderlich ist. Gleiches gilt für verfassungsrechtliche Fra-

2

Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Kassenmäßige Steuereinnahmen 1999-2003, in: URL: http://www.bundestinanzministerium.de/Anlage25601/Steuereinnahmennach-Steuergruppen-1999 _2003. pdf (27 .12.2004). Sechste Richtlinie des Rates vom 17.5.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77 /388 EWG), ABI. EG 1977, L 145, S. I.

Ziel der Arbeit

gen zum Unternehmerbegriff. Zur vertiefenden Klärung dieser Fragen sei auf die zitierte Kommentarliteratur verwiesen. Im Laufe der Untersuchung werden nacheinander die Tatbestandsmerkmale des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie herausgearbeitet und anschließend mit Hilfe der in der Rechtsprechung und dem Schrifttum vertretenen Ansichten ausgelegt. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt somit in der Interpretation des Begriffs des "Steuerpflichtigen" der 6. EG-Richtlinie. Nach der Klärung der einzelnen Merkmale des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie wird kurz auf die zum deutschen Unternehmerbegriff vertretenen Ansichten eingegangen und zu ihnen Stellung bezogen, um im Anschluss daran die Frage zu beantworten, ob die deutsche Vorschrift die Richtlinienvorgabe zutreffend umsetzt. Nachdem im ersten Kapitel eine Einführung in die deutsche Umsatzsteuer und den zu untersuchenden Begriff des Unternehmers erfolgt, werden anschießend die Vorfragen geklärt, ob der Unternehmerbegriff bzw. der zu Grunde liegende Steuerpflichtigenbegriff im UStG bzw. der 6. EGRichtlinie einheitlich verwendet wird und wer die abstrakte Fähigkeit besitzt, Steuerpflichtiger/Unternehmer zu sein. Als erster inhaltlicher Schwerpunkt wird in Kapitel 4 der Frage nachgegangen, wie die die Unternehmereigenschaft begründende Tätigkeit von der 6. EG-Richtlinie und dem deutschen UStG geregelt wird und ob die Bestimmungen inhaltlich übereinstimmen. Anband des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie wird versucht, dem deutschen Unternehmerbegriff Konturen zu verleihen. Die Frage, ob die Selbständigkeit im deutschen UStG ebenso geregelt wird wie in der 6. EG-Richtlinie, steht im Mittelpunkt des fünften Kapitels. Hier wird zwischen der Selbständigkeit natürlicher Personen und der umsatzsteuerliehen Organschaft differenziert. Danach wird in Kapitel 6 die Frage untersucht, ob die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand im deutschen Recht nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist wie nach der 6. EG-Richtlinie. Schließlich werden die Ergebnisse zusammengefasst und als Fazit Forderungen an den deutschen Gesetzgeber formuliert.

2

Kapitell- Umsatzsteuer und Unternehmer A.

Wesen und System der Umsatzsteuer

Zur Auslegung des § 2 UStG und des zu Grunde liegenden Art. 4 der 6. EGRichtlinie ist es hilfreich, die Umsatzsteuer in das Steuersystem einzuordnen sowie deren Funktionsweise und die grundlegenden Prinzipien darzustellen.

I.

Steuersystematische Einordnung

Die Steuerrechtswissenschaft kennt verschiedene Möglichkeiten, die Steuerarten zu charakterisieren. Folgende Merkmale kennzeichnen im Wesentlichen die Umsatzsteuer:

1.

Indirekte Steuer

Als indirekte Steuer wird eine Steuer bezeichnet, bei der der formale Steuerschuldner und der wirtschaftlich Belastete nicht identisch sind. 1 Das Umsatzsteuergesetz geht davon aus, dass der Unternehmer als Steuerschuldner (§ 13 Abs. 2 UStG) die Steuer auf den Leistungsempfanger als Steuerträger abwälzt. 2 Es handelt sich somit bei der Umsatzsteuer, von der Belastungswirkung her, um eine indirekte Steuer. 3

2.

Objektsteuer

Die Umsatzsteuer knüpft lediglich an den Umsatz als Objekt der Besteuerung an, ohne dass auf persönliche Verhältnisse des Steuersubjekts Rücksicht genommen wird. 4 Sie ist daher eine Objektsteuer. 5

3.

Periodensteuer - Fälligkeitssteuer - Veranlagungssteuer

Verfahrensmäßig ist die Umsatzsteuer eine Periodensteuer, die in zeitlichen Abfolgen mit Ablauf eines Voranmeldungszeitraums entsteht. 6

1 2 3

4 5

Vgl. Lang, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 8, Rdnr. 20. Vgl. BVerfG, Beseht. v. 13.6.1997 -1 BvR 201/97, UR 1997,387. Vgl. Völkel!Karg, Umsatzsteuer, 2001, S. 5; Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 41; Ja/wb, Umsatzsteuer, 1998, § 1, Rdnr. 11; Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 1; Hojfrichter-Dahl!Moecker, Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 8; Forster!Ertl, Umsatzsteuerrecht, 1995, S. 2. Vgl. BFH, Beseht. vom 28.9.1993- VB 90/93, UR 1994, 279 (280). Vgl. Hahn!Kortschak, Lehrbuch der Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 14; Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 41; Hojfrichter-Dahl!Moecker, Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 7; Forster!Ertl, Umsatzsteuerrecht, 1995, S. 1.

3

Umsatzsteuer und Unternehmer

Bezüglich der Vorauszahlungen ist sie eine Fälligkeitssteuer: Die vom Unternehmer zu leistenden Vorauszahlungen werden gern. § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG auch ohne vorherige Festsetzung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig. 7 Schließlich ist die Umsatzsteuer, die eine Jahressteuer ist, als Veranlagungssteuer zu bezeichnen. Jedoch hat der Unternehmer die Steuer gern. § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG selbst zu berechnen. Durch die Steueranmeldung wird die Veranlagung durch das Finanzamt entbehrlich, soweit es die Steuer nicht nach § 167 Abs. 1 Satz 1 AO abweichend festsetzen will. 8

4.

Gemeinschaftsteuer

Gern. Art. 106 Abs. 3 und 5a GG steht das Aufkommen der Umsatzsteuer dem Bund, den Ländern und seit dem 1.1.1998 auch 1nit einem eigenen Anteil den Gemeinden gemeinsam zu. Sie ist daher eine Gemeinschaftsteuer. 9

5.

Verkehrsteuer - Verbraucbsteuer?

Seit jeher ist die Frage umstritten, ob die Umsatzsteuer als Verkehrsteuer oder als Verbrauchsteuer zu klassifizieren ist. 10 Verbrauchsteuern belasten die Einkommens- und Vermögensverwendung, indem der Erwerb von Gütern und Dienstleistungen, die der privaten Bedürfnisbefriedigung dienen, besteuert wird. Verkehrsteuern knüpfen an Vorgänge des Rechtsverkehrs an und wollen den wirtschaftlichen Leistungsaustausch belasten. 11 Für die Amiahme einer Verkehrsteuer spricht, dass die Umsatzsteuer - mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer - unbestritten nicht zu den Verbrauchsteuern i.S. der AO gehört. 12 Zudem spricht die Steuertechnik für eine solche Einordnung: Das UStG knüpft in dem Haupttatbestand, dem Leistungsaus-

6 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 41; Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 2, Rdnr. 11. 7 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 41. 8 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 41; Hojfrichter-Dahl!Moecker, Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 10; Dziadkowski!Walden, Umsatzsteuer, 1996, S. 7. 9 Vgl. Hahn!Kortschak, Lehrbuch der Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 16; Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 30; Hoffrichter-Dahl!Moecker, Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 9. Die Verwaltung der Umsatzsteuer obliegt den Landesfinanzbehörden gem Art. 108 Abs. 2 GG Hinsichtlich des Anteils der Umsatzsteuer, der dem Bund zut1ießt, wird die Landesfinanzverwaltung gem. Art. 108 Abs. 3 GG im Auftrag des Bundes tätig. Die Verwaltung der Einfuhrumsatzsteuer liegt gem Art. 108 Abs. 1 GG beim Bund. 10 Vgl. Popitz/Kloß!Grabower, UStG, 1928, Einleitung, S. 4 ff. 11 Vgl. Birk, Steuerrecht, 2001, Rdnr. 1260. 12 Vgl. statt aller: Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 1.

4

Wesen und System der Umsatzsteuer

tausch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, mit den Basisbegriffen "Lieferung" und "Leistung" an Akte des Rechtsverkehrs an. 13 Dem kann man jedoch entgegenhalten, dass diese Anknüpfung rein technischer Natur ist und lediglich dazu dient, die Steuerbelastung indirekt an den Endverbraucher weiterzugeben. Gerade bei der Besteuerung des Eigenverbrauchs (nach § 3 Abs. 1b UStG einer Lieferung gleichgestellt) wird nicht an Akte des Rechtsverkehrs angeknüpft. Es wird die tatsächliche Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen des Unternehmers für private Zwecke, also der Verbrauch, besteuert. 14 Insgesamt spricht die gesamte Struktur des UStG für den VerbrauchsteuercharakterY Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer errechnet sich gern. § 10 Abs. 1 UStG nach den Aufwendungen des Leistungsemprangers (Verbrauchers) für den Erhalt der Leistung. Die Befreiungsvorschriften (§§ 4 ff. UStG) zielen auf die Entlastung der jeweiligen Leistungsempfanger. Durch den Vorsteuerabzug gern. § 15 UStG wird der Unternehmer (als Nicht-Verbraucher) von der auf der Vorstufe angefallenen Umsatzsteuer befreit. Durch die Gleichstellung des Eigenverbrauchs und anderer unentgeltlicher Wertabgaben aus dem Unternehmen mit entgeltlichen Leistungen soll die Besteuerung des Endverbrauchs sichergestellt werden. Auch die Erstreckung der Einfuhrumsatzsteuer auf Nichtunternehmer dient dem Ziel der Belastung des Endverbrauchers. 16 Ferner spricht für den Verbrauchsteuercharakter, dass die finanzpolitischen Belastungswirkungen der Umsatzsteuer den privaten Konsum, d.h. den privaten Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen, treffen. Die Umsatzsteuer deckt sich insofern mit den speziellen Verbrauchsteuern (wie z.B. der Mineralölsteuer), sie ist jedoch umfassend und knüpft nicht an Spezialtatbestände an. 17

13 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 41 f.; Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 1, Rdnr. 13; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 31; Crezelius, Steuerrecht II, 1994, § 24, Rdnr. 2. 14 Vgl. Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 1; Crezelius, Steuerrecht II, 1994, § 24, Rdnr. 2. 15 So auch Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 42. 16 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 42. 17 Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 1, Rdnr. 7.

5

Umsatzsteuer und Unternehmer

Schließlich spricht Art. 2 Abs. 1 der 1. EG-Richtlinie 18 ausdrücklich von einer Verbrauchsteuer. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Verbrauchsteuer. 19 Deshalb wird die Umsatzsteuer zu Recht von der ganz herrschenden Meinung als allgemeine Verbrauchsteuer charakterisiert. 20

II.

Funktionsweise der Umsatzsteuer

Durch den Systemwechsel 1967 wurde die bisherige ,,Allphasen-BruttoUmsatzsteuer" zu einer ,,Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug" umgestaltet. Wegen ihrer Wirkungsweise wird, insbesondere vom Gemeinschaftsrecht, der Begriff "Mehrwertsteuer" verwandt. 1.

Allphasen-Steuer

Bei der Umsatzsteuer wird nicht, wie etwa bei einer Einzelhandelssteuer, nur die letzte Handelsstufe besteuert, es fmdet vielmehr für jeden Umsatz, den ein Produkt von der Herstellung bis zum Endverbraucher durchläuft, ei-

18 Erste Richtlinie des Rates vom 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (671227 EWG), ABLEG 1967, S. 1301. 19 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.5.1982- Rs. 15/81 (Schul), EuGHE 1982,1409 (1426, Rdnr. 10); Urt. v. 27.6.1989 - Rs. 50/88 (Kühne), EuGHE 1989, 1925 (1952, Rdnr. 8); Urt. v. 29.2.1996 - Rs. C-215/94 (Mohr), EuGHE 1996 1-959 (979, Rdnr. 19); Urt. v. 24.10.1996- Rs. C-317/94 (Elida Gibbs), EuGHE 19961-5339 (5365, Rdnr. 19); Urt. v. 26.6.1997- Rs. C-370/95, C-371/95 und C-372/95 (Careda), EuGHE 1997, 1-3721 (3742 f., Rdnr. 14); Urt. v. 18.12 1997- Rs. C-384/95 (Landboden Agrardienste), EuGHE 1997, 1-7387 (7404, Rdnr. 13). 20 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 41 f.; Birk, Steuerrecht, 2001, Rdnr. 1261; Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 1, Rdnr. 13 ff.; Reiß in Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 1.; Dziadkowski/Walden, Umsatzsteuer, 1996, S. 7; Söhn, StuW 1996, 165 ff.; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 27 ff; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf., Rdnr. 85 ff.; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1, Rdnr. 20; Reiß, FS Tipke, 1995, S. 433 ff.; Crezelius, Steuerrecht li, 1994, § 24, Rdnr. 2; Tipke, Steuerrechtsordnung li, 1993, S. 894 ff.; Tipke, StuW 1992, 105 ff.; Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, S. 1 ff.; Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, 1988, S. 215 ff.; Tehler, Die Umsatzsteuer als augewandte Verkehr- und/oder Verbrauchsteuer, 1986, S. 193 ff.; Tehler, DStR 1983, 215 (216 f.); Tipke, DStR 1983, 595 ff.; Söhn, StuW 1975, 1 ff.; Tipke, UR 1972, 2 ff. Auch der BFH, der sich "nur mühsam [vom Verkehrsteuergedanken] trennen [kann]" (Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 1), erkennt zumindest an, dass die Umsatzsteuer im Verhältnis zu den Sonderverbrauchsteuern eine allgemeine Verbrauchsteuer ist; vgl. Weiß, UR 1981, 149.

6

Wesen und System der Umsatzsteuer

ne Besteuerung statt; d.h. alle Phasen der unternehmerischen Leistungskette werden besteuert: Man spricht daher von einer Allphasen-SteuerY

2.

Netto-Umsatzsteuer

Im Gegensatz zu der bis zum Systemwechsel geltenden Umsatzsteuer ist die heutige Umsatzsteuer als Netto-Umsatzsteuer ausgestaltet. Anders als bei einer Brutto-Umsatzsteuer dient nicht die gezahlte Gegenleistung (Endpreis) als Bemessungsgrundlage für die Steuer. Vielmehr muss gern. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage die Steuer aus dem Endpreis herausgerechnet werden. Somit differieren umsatzsteuerliches und zivilrechtliches Entgelt. 22

3.

Vorsteuerabzug

Kernstück der Umsatzsteuer ist der durch den Systemwechsel eingeführte Vorsteuerabzug nach§ 15 UStG. Nach dem Prinzip des Vorsteuerabzugs hat der Unternehmer einen Anspruch auf Erstattung der von ihm bezahlten und vom Vorlieferanten in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (Vorsteuer) gegen das Finanzamt. Somit ist die Umsatzsteuer für den Unternehmer kostenneutral. Die Umsatzsteuerverbindlichkeit des Unternehmers aus dem Ausgangsumsatz wird mit seiner Vorsteuerforderung zu einer Zahllast verrechnet. So schuldet er per Saldo nur die Steuern für die bei ihm eingetretene Wertschöpfung, d.h. er muss wirtschaftlich lediglich den auf seiner Stufe erwirtschafteten Mehrwert versteuernY Für den Fiskus neutralisieren sich die Einnahmen aus der wirtschaftlichen Belastung der Unternehmen und Ausgaben aus der Entlastung durch die Vorsteuererstattung. Nur der Endverbraucher wird steuerlich belastet. Materiell entspricht dies einer Einzelhandelssteuer. 24 Jedoch wird die Steuer fraktioniert erhoben. Dadurch wird das Risiko von Steuerausfällen für den Fiskus vermindert. 25 21 Vgl. Völkel/Karg, Umsatzsteuer, 2001, S. 6; Hahn/Kortschak, Lehrbuch der Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 10; Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 42; Forster/Ertl, Umsatzsteuerrecht, 1995, S. 3. 22 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 42 f.; Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 2, Rdnr. 1 ff. 23 Vg1. Völkel!Karg, Umsatzsteuer, 2001, S. 7; Birk, Steuerrecht, 2001, Rdnr. 1275 ff.; Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 3; Forster!Ertl, Umsatzsteuerrecht, 1995, S. 3. 24 Vgl. Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 3. 25 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 43.

7

Umsatzsteuer und Unternehmer

Der Verbraucher schließlich ist nicht berechtigt, die Vorsteuer abzuziehen. Obwohl er selbst keine Umsatzsteuer schuldet, zahlt er den Umsatzsteueranteil z.B. im Kaufpreis mit und ist so wirtschaftlich belastet. Dies entspricht dem System einer indirekten Verbrauchsteuer. Im Unterschied zu dem System ohne Vorsteuerabzug wird eine Kumulation von Umsatzsteuern vermieden. So ist die Umsatzsteuerbelastung des Endverbrauchers unabhängig von der Anzahl der Produktions- oder Vertriebsstufen.

111.

Steuerliche Prinzipien

Gern. § 3 Abs. 1 AO dienen Steuern der Erzielung von Einnahmen für öffentlich-rechtliche Gemeinwesen. In diesem Sinne folgerte der BFH, dass die Umsatzsteuer "keinen tieferen Sinn [hat] als den, dem Staat Geld zu bringen" 26 • Dies erklärt jedoch nicht, warum gerade eine Umsatzsteuer zu diesem Zweck erhoben wird. Auch erleichtert diese Erkenntnis nicht die Rechtsanwendung und die Auslegung umsatzsteuerlicher Vorschriften. 27 Um diese Fragen zu beantworten, sind die der Umsatzsteuer zu Gmnde liegenden Prinzipien darzustellen. 1.

Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG fordert der Gmndsatz der Steuergerechtigkeit, welcher im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verankert ise 8 , dass die Steuerlasten auf die Steuerpflichtigen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verteilt werden. 29 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein fundamentales Prinzip der Steuergerechtigkeie0 und so oberster Vergleichsmaßstab steuerlicher Lastengleichheit. 31 Anders als bei der Einkommensteuer wird bei der Umsatzsteuer nicht die Einkommenserzielung sondern die Einkommensverwendung besteuert.

26 BFH, Beschl. v. 8.11.1972- II B 24/72, BStBJ. 1973 II, 94 (96). 27 So auch Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 1. 28 Zur Ableitung dieses Prinzips vgl. vertiefend Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 20 f. mw.N. 29 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.2.1984- 1 BvL 10/80, BStBl. 1984 II, 357 (359); Beschl. v. 4.10.1984 - 1 BvR 789179, BStBJ. 1985 II, 22 (25); Beschl. v. 26.1.1994 - 1 BvL 12/86, BStBJ. 1994 II, 307 (309); Beschl. v. 22.6.1995-2 BvR 552/91, BStBJ. 1995 II, 671 (674). 30 Vgl. BFH, Urt. v. 8.6.1990- III R 14-16/90, BStBJ. 1990 II, 969 (970 f.); Kirchhof, StuW 1985, 319 ff. 31 Vgl. Lang, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 4, Rdnr. 81.

8

Wesen und System der Umsatzsteuer

Auch in der Einkommensverwendung wird ein Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen gesehen. 32 Durch die Besteuerung der Einkommensverwendung ergeben sich hinsichtlich des Leistungsfli.higkeitsprinzips die folgenden zwei Wirkungen: Auf der einen Seite wird der Umsatzsteuer eine Nachholwirkung beigemessen: Die Leistungsfähigkeit des Steuerbürgers wird zunächst durch die Einkommensteuer erfasst. Diese nimmt als Subjektsteuer Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Einzelnen. So bleibt z.B. das Existenzminimum unbelastet. Jedoch wird das Einkommen so nur lückenhaft besteuert, teilweise gewollt (z.B. durch Steuerbefreiungen) aber auch ungewollt (z.B. durch Steuerhinterziehung). Die unterbliebene Besteuerung kann durch die Umsatzsteuer, die den Konsum belastet, z.T. nachgeholt werden. 33 Auf der anderen Seite hat die Umsatzsteuer eine Regressionswirkung: Als Objektsteuer ist die Erfassung der konkret-individuellen Leistungsfähigkeit begrenzt. 34 So kann ein hoher Verbrauch auch aus hohen Unterhaltsaufwendungen resultieren. Hierauf kann eine Objektsteuer keine Rücksicht nehmen. Je höher der Sparanteil des Verbrauchers und somit seine Leistungsfähigkeit ist, desto geringer ist die relative Belastung mit Umsatzsteuer. Niedrigere Einkommen, die zu einem hohen Teil für die Deckung des Lebensunterhaltes verbraucht werden müssen, sind deshalb mit einer höheren Gesamtsteuerbelastung belegt. Somit hat die Umsatzsteuer im Unterschied zur Einkommensteuer einen Regressionseffekt, der im Hinblick auf das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nur wegen der progressiven Einkommensteuer hingenommen werden kann. 35

2.

Wettbewerbsneutralität

Neben dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wird dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität entnommen. 36 Dieser Grundsatz prägt das Wesen der Umsatzsteuer in unterschiedlicher Hinsicht.

32 33 34 35 36

Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung II, 1993, S. 903 ff. Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 1, Rdnr. 9. Vgl. Lang, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 4, Rdnr. 111. Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 1, Rdnr. 10. Vgl. BVerfG, Urt. v. 20.12.1966-1 BvR 320157, 1 BvR 70/63, BVerfGE 21, 12 (27 f.). Zur Frage, welchem Grundrecht die Wettbewerbsneutralität zu entnehmen ist, vgl. vertiefend Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 18 ff.

9

Umsatzsteuer und Unternehmer

a)

Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer im Inland

Die Systemumstellung im Jahre 1967 hatte neben der Harmonisierung der Umsatzsteuer in der EU37 vor allem die Beseitigung der vom BVerfG38 gerügten Wettbewerbsverzerrungen zum Ziel. 39 Die bis zum Systemwechsel geltende Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer begünstigte die Unternehmenskonzentration, da die Ausschaltung von Handelsstufen Kostenvorteile durch die Minderung der Umsatzsteuerbelastung schaffte. Da viele Zwischenumsätze zu einer höheren Umsatzsteuer führten, hatten Konzerne, die von der Regelung der Organschaft profitierten, Wettbewerbsvorteile, da die Umsätze innerhalb eines Organkreises nicht besteuert werden. Durch die Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug liegt auf der Endstufe immer die gleiche Steuerlast; die Umsatzsteuer ist in der Unternehmerkette kein Kostenfaktor, die genannten Wettbewerbsvorteile wurden ausgeräumt. 40 Die Kostenneutralität innerhalb der Unternehmerkette ist nach der Rechtsprechung des EuGH auch ein grundlegendes Prinzip der 6. EG-Richtlinie. 41

b)

Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer im Außenhandel

Auch im Außenhandel ist die Umsatzsteuer so ausgestaltet, dass sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Dem "Bestimmungslandprinzip"42 entsprechend werden Exporte vom Ursprungsland von der Umsatzsteuer freigestellt, während der Vorsteuerabzug erhalten bleibt. So gelangt die Ware, unbelastet von inländischer Umsatzsteuer, auf den ausländischen Markt. Der importierende Staat, das Bestimmungsland, erhebt Einfuhrumsatzsteuer. So sind die innerhalb eines Staates angebotenen Waren und Dienstleistungen in gleicher Höhe mit Umsatzsteuer belastet, es liegen gleiche Wettbewerbsbedingungen vor. Das System der Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vor-

37 Später kam das Ziel der Vorbereitung eines europäischen Binnenmarktes hinzu, vgl. Reiß, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 10. 38 Vgl. BVerfG, Urt. v. 20.12.1966- 1 BvR 320157, 1 BvR 70/63, BVerfGE 21, 12 ff. 39 Vgl. Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 3. 40 Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 2, Rdnr. 13; Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 11. 41 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompelman), EuGHE 1985, 655 (664, Rdnr. 19); Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (lnzo), EuGHE 1996, 1-857 (877, Rdnr. 22). Nach der Präambel der 1. EG-Richtlinie sollte durch den Übergang auf das Allphasen-Netto-System mit Vorsteuerabzug eine Form der Umsatzbesteuerung gefunden werden, "durch welche die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht" werden. V gl. dazu auch Dziadkowski, DStZ 1999, 625 ff. 42 Zur Abgrenzung zum "Ursprungslandprinzip": vgl. Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 11 ff.

10

Wesen und System der Umsatzsteuer

Steuerabzug ermöglicht einen exakten Grenzausgleich, während eine genaue Entlastung im Allphasen-Brutto-System nur annähernd ermittelt werden konnte, da die Anzahl der Umsatzstufen bis zum Export (und so die Umsatzsteuerbelastung) häufig unbekannt war. 43 Die Schaffung von gleichen Wettbewerbsbedingungen und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen waren auch das Ziel der europäischen Harmonisierung der Umsatzsteuer. 44

c)

Wettbewerbsneutralität der Besteuerung der öffentlichen Hand

Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand knüpft gesetzestechnisch in § 2 Abs. 3 UStG an die Regelung des § 4 Abs. 1 KStG an. Der historische Gesetzgeber bezweckte mit der Regelung des § 4 Abs. 1 KStG, zwischen privatrechtliehen und öffentlichen Unternehmungen steuerlich Wettbewerbsgleichheit herzustellen. 45 Das Hauptziel46 der Besteuerung der öffentlichen Hand liegt in der Gewährleistung einer wettbewerbsneutralen Besteuerung, wodurch schließlich Wettbewerbsgleichheit zwischen öffentlichen und privatrechtliehen Betrieben hergestellt werden soll. 47 Das Ziel der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung hat auch eine Ausprägung in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie erhalten48 : Nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie sind Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht steuerpflichtig, wenn sie Tätigkeiten der öffentlichen Gewalt ausüben. Dies gilt jedoch gern. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG43 Vgl. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 12. 44 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2000, S. 32 f. 45 Vgl. die Begründung zum Entwurf des KStG, Verhandlungen des Reichstags, 3. Wahlperiode 1924/25, Bd. 400, Drs. Nr. 796 unter A. I., S. 8 f. 46 Anders als im Fall der Körperschaftsteuer, bei der es flir die Besteuerung der öffentlichen Hand keine fiskalische Motivation gibt, da die Besteuerung der öffentlichen Hand das Geld in den öffentlichen Kassen nicht vermehrt, sondern nur um die Steuererhebungskosten vermindert [vgl. Laufe, DStZ 1988, 183 (184)], ist bei der Umsatzsteuer ein Fiskalzweck zu bejahen: Da Steuerträger der Verbraucher und nicht der Unternehmer ist, wird durch die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand letztlich der Konsument und nicht die öffentliche Hand belastet; vgl. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 136. 47 Vgl. BFH, Urt. v. 17.2.1972- V R 55/69, BStBl. 1972 li, 555 (556); Urt. v. 9.5.1974IV R 160171, BStBl. 1974 II, 631 (632 f.); Urt. v. 26.5.1977- V R 15/74, BStBl. 1977 II, 813 (815); Urt. V. 30.6. 1988 - V R 79/84, BStBl. 1988 li, 910 (911); Urt. V. 14.3.1990- IR 156/87, BStBI. 1990 II, 866 (867); Ramme, Betriebe gewerblicher Art und Ausübung öffentlicher Gewalt, 1970, S. 7; Selmer!Schufze-Osterfoh, DÖV 1978, 381 (382); Forster, UR 1996, 73; Laufe, DStZ 1988, 183 (184 f.). 48 Vgl. Seer, DStR 1992, 1751 (1752); Sefmer/Schufze-Osterfoh, DÖV 1978, 381 (382 f.); Laufe, DStZ 1988, 183 (185); Wagner, DStJG 13 (1990), 59 (63).

11

Umsatzsteuer und Unternehmer

Richtlinie nicht für den Fall, dass dies zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" führt. Der EuGH sieht den Zweck der Regelung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie in der Gewährleistung der Steuerneutralität. 49

3.

Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer

Schließlich wird auch der erwähnte Verbrauchsteuergedanke als systemtragendes Prinzip des Umsatzsteuerrechts angesehen. Dieser wird nicht nur bei der Klärung von Grundsatzfragen, sondern allgemein bei der Auslegung umsatzsteuerlicher Vorschriften herangezogen. 50 Auch dies stimmt mit der Rechtsprechung des EuGH zur 6. EG-Richtlinie überein. 51 Somit lässt sich zusammenfassend sagen, dass - neben dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, das für alle Steuerarten gilt - das Ziel wettbewerbsneutraler Besteuerung und der Verbrauchsteuergedanke wichtige Auslegungsleitlinien für das Umsatzsteuerrecht bilden.52

B.

Der Begriff des Unternehmers

Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, ob der Steuerpflichtige der 6. EGRichtlinie im deutschen Umsatzsteuerrecht richtlinienkonform umgesetzt wurde. Zur Klärung dieser Frage ist es sinnvoll, die Entwicklung beider Begriffe darzustellen. Im Anschluss daran ist die Bedeutsamkeit des Unternehmers für das nationale Recht aufzuzeigen.

I.

Entwicklung des Unternehmerbegriffs

Der Unternehmer des deutschen Umsatzsteuerrechts wird in § 2 UStG definiert, der Steuerpflichtige des europäischen Rechts in Art. 4 der 6. EGRichtlinie. Beide Vorschriften sind unabhängig voneinander entstanden und haben sich im Laufe der Zeit entwickelt. Im Folgenden sind nacheinander zunächst die deutsche und dann die europäische Entstehung der Regelungen darzustellen.

49 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88 (Uffizio distrettuale), EuGHE 1989,3233, (3277, Rdnr. 22). 50 Vgl. BVerfG, Urt. v. 29.10.1999-2 BvR 1264/90, BStBl. 2000 II, 155 (157 f.); Urt. v. 10.11.1999- 2 BvR 2861/93, BStBl. 2000 II, 160 (161 f.); Lippross, Umsatzsteuer, 2000, s. 42. 51 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.10.1996- Rs. C-317/94 (Elida Gibbs), EuGHE, 1-5339 (5365, Rdnr. 19). 52 So auch Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 2, Rdnr. 15.

12

Umsatzsteuer und Unternehmer

Richtlinie nicht für den Fall, dass dies zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" führt. Der EuGH sieht den Zweck der Regelung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie in der Gewährleistung der Steuerneutralität. 49

3.

Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer

Schließlich wird auch der erwähnte Verbrauchsteuergedanke als systemtragendes Prinzip des Umsatzsteuerrechts angesehen. Dieser wird nicht nur bei der Klärung von Grundsatzfragen, sondern allgemein bei der Auslegung umsatzsteuerlicher Vorschriften herangezogen. 50 Auch dies stimmt mit der Rechtsprechung des EuGH zur 6. EG-Richtlinie überein. 51 Somit lässt sich zusammenfassend sagen, dass - neben dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, das für alle Steuerarten gilt - das Ziel wettbewerbsneutraler Besteuerung und der Verbrauchsteuergedanke wichtige Auslegungsleitlinien für das Umsatzsteuerrecht bilden.52

B.

Der Begriff des Unternehmers

Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, ob der Steuerpflichtige der 6. EGRichtlinie im deutschen Umsatzsteuerrecht richtlinienkonform umgesetzt wurde. Zur Klärung dieser Frage ist es sinnvoll, die Entwicklung beider Begriffe darzustellen. Im Anschluss daran ist die Bedeutsamkeit des Unternehmers für das nationale Recht aufzuzeigen.

I.

Entwicklung des Unternehmerbegriffs

Der Unternehmer des deutschen Umsatzsteuerrechts wird in § 2 UStG definiert, der Steuerpflichtige des europäischen Rechts in Art. 4 der 6. EGRichtlinie. Beide Vorschriften sind unabhängig voneinander entstanden und haben sich im Laufe der Zeit entwickelt. Im Folgenden sind nacheinander zunächst die deutsche und dann die europäische Entstehung der Regelungen darzustellen.

49 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88 (Uffizio distrettuale), EuGHE 1989,3233, (3277, Rdnr. 22). 50 Vgl. BVerfG, Urt. v. 29.10.1999-2 BvR 1264/90, BStBl. 2000 II, 155 (157 f.); Urt. v. 10.11.1999- 2 BvR 2861/93, BStBl. 2000 II, 160 (161 f.); Lippross, Umsatzsteuer, 2000, s. 42. 51 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.10.1996- Rs. C-317/94 (Elida Gibbs), EuGHE, 1-5339 (5365, Rdnr. 19). 52 So auch Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 2, Rdnr. 15.

12

Der Begriff des Unternehmers

1.

Nationale Entwicklung

Die Vorschrift des § 2 UStG besteht aus drei Absätzen, deren Entstehung und Entwicklung nicht parallel verlief.

a)

Entstehung des § 2 Abs. 1 UStG

§ 2 Abs. 1 UStG ist in der sprachlichen Fassung auf das UStG 193453 zurückzuführen, durch das der "Unternehmer" in das deutsche Umsatzsteuerrecht eingeführt wurde.

aa)

WUStG 191654

Die erste reichseinheitliche Bestimmung zur Umsatzsteuer geht auf das Jahr 1916 zurück. Im Warenumsatzstempelgesetz wurden im Abschnitt IX. "Warenumsätze" (§§ 76-83d WUStG) Umsätze besteuert. Besteuerungssubjekt war nach § 76 Abs. 1 Satz 1 WUStG, wer "im Inland ein stehendes Gewerbe betreibt". Nach§ 76 Abs. 2 Satz 1 WUStG gehörten dazu "auch der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, der Viehzucht, der Fischerei und des Gartenbaues sowie der Bergwerkbetrieb".

bb)

UStG 191855

Auch das Umsatzsteuergesetz von 1918 enthielt noch nicht den Begriff des Unternehmers. Steuerbar waren gern. § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG 1918 Lieferungen und Leistungen "solcher Personen, die eine selbständige gewerbliche Tätigkeit mit Einschluß der Urerzeugung und des Handels ausüben, soweit Lieferungen und Leistungen innerhalb dieser gewerblichen Tätigkeit liegen". Im Entwurf zu§ 1 UStG 1918 war noch die Wendung "geschäftliche oder berufliche Tätigkeit" enthalten. Dadurch sollten alle Tätigkeitsarten des Wirtschaftslebens mit Ausnahme der nichtselbständigen Tätigkeit, der Tätigkeit im Privatleben und der öffentlichen Gewalt erfasst werden. Durch die Ersetzung der Begriffe "geschäftlich oder beruflich" durch "gewerblich" sollten die freien Berufe von der Besteuerung ausgenommen werden. 56

53 Vom 16.10.1934, RGBI. 1934 I, 942. 54 Vom26.6.1916, RGBI. 1916,639. 55 Vom26.7.1918, RGBI. 1918,779. 56 Vgl. Popitz, UStG, 1921, § 1, S. 139 f.

13

Umsatzsteuer und Unternehmer

UStG 1919 57

cc)

Im Umsatzsteuergesetz von 1919 wurde der "gewerblichen Tätigkeit" die "berufliche" hinzugefügt. Die Umsatzsteuerpflicht sollte sich fortan auch auf die freien Berufe erstrecken. 58 Gern. § 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1919 war steuerpflichtig, wer Lieferung und sonstige Leistungen "innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausfuhrt". Der im Entwurf zum UStG enthaltene und von POPITZ59 favorisierte Begriff des "Unternehmers" wurde in der Endfassung nicht übernommen. 60 Dennoch wurde auf den "Unternehmer" in§§ 4, 5 und 7 UStG 1919 bezug genommen. 61 dd)

UStG 1934

Nachdem die Umsatzsteuergesetze von 1926 62 und 193263 die Umschreibung des Steuersubjektes nicht änderten 64 , wurde 1934 der Unternehmerbegriff in das UStG eingeführt. Man trennte die sachliche Steuerpflicht von der persönlichen: In § 1 UStG 1934 wurden die Voraussetzungen steuerbarer Umsätze dargelegt, § 2 UStG 1934 enthielt die Definition des "Unternehmers" und somit die des Steuerpflichtigen.§ 2 Abs. 1 UStG 1934 erhielt die heute noch geltende Fassung. Nach der Gesetzesbegründung wurde der Unterscheidung zwischen gewerblicher und beruflicher Tätigkeit keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Die gewerbliche Tätigkeit bildete den hauptsächlichen Gegenstand der Besteuerung. Die Wendung "berufliche Tätigkeit" sollte zeigen, dass die unternehmerische Tätigkeit über die gewerbliche hinausgeht. Der dritte Satz sollte klarstellen, dass "jede Art von Tätigkeit Unternehmertätigkeit sein kann"6s. Diese Definition des Unternehmers wurde bis zum UStG 1999 66 unverändert übernommen.

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

14

Vom24.12.1919, RGBI. 1919,2157. Vgl. Popitz, UStG, 1921, § 1, S. 140. Vgl. Popitz, UStG, 1921, Einleitung, S. 68 und§ 1, S. 140. Vgl. Popitz, UStG, 1921, § 1, S. 140 f. Auch der RFH verwendet im Urt. v. 14.12.1925- VA 185/25, RFHE 18,75 (76) den Begriff "Unternehmer". Vom 8.5.1926, RGBL 1926 I, 218. Vom30.1.1932, RGBI. 1932 I, 39. Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 3. Vgl. Amtliche Begrundung zu§ 2 UStG 1934, RStBl. 1934, 1550. Vom 9.6.1999, BGBI. 1999 I, S. 2601.

Der Begriff des Unternehmers

b)

Entstehung des § 2 Abs. 2 UStG

Die heutige Fassung des § 2 Abs. 2 UStG geht - ebenso wie die des ersten Absatzes- maßgeblich auf das UStG 1934 zurtick

aa)

UStG 1934

In § 2 Abs. 2 UStG 1934 wurde die Rechtsprechung des RFH zur Unselb-

ständigkeit natürlicher und juristischer Personen erstmals kodifiziert. 67 Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1934, welche die Unselbständigkeit natürlicher Personen betrifft, gilt bis heute fort. Durch§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1934 wurde die Rechtsfigur der umsatzsteuerliehen Organschaft im UStG verankert. Danach war die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig, "wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, daß sie keinen eigenen Willen hat". Dies war nach§ 2 UStDB 1934 68 bzw. § 17 UStDB 1938 69 dann der Fall, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse fmanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des beherrschenden Unternehmers eingegliedert war.

bb)

Kontrollratsgesetz Nr. 15

Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 15 vom 11.2.194670 wurden die Organschaftsregelungen zeitweilig71 außer Kraft gesetzt. Diese Außerkraftsetzungen wurden durch die Rechtsprechung, insbesondere durch die Rechtsfigur der Unternehmereinheit, kompensiert. 72 Mit Wirkung vom 1.4.1958 waren die Organschaftsregelungen wieder in vollem Umfang anwendbar. 73

cc)

UStG 1961 74

Zum 1.10.1961 wurde in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ein zweiter Satz angefügt, der inhaltlich § 17 UStDB 1938 entsprach. Ferner fügte der Gesetzgeber der Vorschrift einen dritten Satz an. Darin wurde die Einschränkung festgelegt, 67 68 69 70 71 72 73 74

Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 5. Vom 17.10.1934, RGBI. 1934 I, 947. Vom 23.12.1938, RGBI. 1938 I, 1935. Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission 1946, 75 (zitiert nach Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/ Geist, UStG, Einf., Rdnr. 18). Vom 1.1.1946 bis 31.3.1958. Vgl. Stadie, in: Rau!Dlirrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 7. Art. 2 des Neunten Gesetzes zur Änderung des UStG v. 18.10.1957, BOB!. 1957 I, 1743. Elftes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 16.8.1961, BOB!. 1961 I, 1330.

15

Umsatzsteuer und Unternehmer

dass eine umsatzsteuerliche Organschaft nur dann in Betracht kommt, wenn der beherrschende Unternehmer über mehr als 75% der Anteile oder Stimmen verfügt.

dd)

UStG 196775

Durch das UStG 1967 erhielt§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG seine heute geltende Fassung. Die 75%-Grenze wurde nicht übernommen.

ee)

UStG 198776

Zum 1.1.1987 wurde die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Organschaft beseitigt. Dem § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wurden die Sätze 2-4 angefügt. Diese Änderung war wegen der Unvereinbarkeit der Regelung mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie erforderlich: Die EG-Kommission hatte bereits ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 169 EWGV77 eingeleitet.78 Diese Fassung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gilt bis heute unverändert fort.

c)

Entstehung des § 2 Abs. 3 UStG

Hinsichtlich der Unternehmereigenschaft öffentlicher Einrichtungen verweist § 2 Abs. 3 UStG auf das Körperschaftsteuerrecht Insofern ist neben der Entwicklung des Umsatzsteuergesetzes auch die Entstehung des § 4 KStG zu skizzieren.

aa)

Entwicklung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand

(1)

WUStG 1916

Erstmals erwähnt wurde die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Warenumsatzstempelgesetz von 1916. Nach § 76 Abs. 2 Satz 3 WUStG wurde die Gewerbsmäßigkeit einer Unternehmung nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie von einer öffentlichen Körperschaft betrieben wurde. Es gab lediglich nach Nr. 4 des Befreiungszusatzes zu Tarifnummer 10 Steuerbefreiungen für die "Lieferungen von Gas, elektrischem Strom und Leitungswasser durch Reich, Staaten, Gemeinden und Gemeindeverbände".

75 76 77 78

16

Vom29.5.1967, BGBI. 1967 I, 545. Art. 14 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19.12.1985, BGBl. 1985 I, 2436. Dem entspricht heute Art. 226 EG Vgl. Klage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Bundesrepublik Deutschland, eingereicht am 4.10.1985 (Rs. 298/85), ABl. EG 1985, C 285, S. 6; Schlienkamp, UR 1984, 6 (7).

Der Begriff des Unternehmers

(2)

UStG 1918

Im UStG 1918 fand die Besteuerung der öffentlichen Hand keine gesonderte Erwähnung. Öffentliche Einrichtungen wurden prinzipiell nach den gleichen Grundsätzen wie Private besteuert. Nach§ 3 Nr. 1 UStG 1918 warenjedoch das Reich und die Bundesstaaten hinsichtlich des Post-, Telegrafen- und Fernsprechverkehrs von der Umsatzsteuer befreit. Das UStG 1918 hielt ohne ausdrückliche Regelung an der Auffassung des Warenumsatzstempelgesetzes fest. 79 Die in den Beratungen diskutierte Befreiung der Versorgungsbetriebe wurde mit dem Argument abgelehnt, dass die Gemeinden nicht das Steueraufkommen des Staates mindern dürften, indem sie das Unternehmen in eigener Regie führten. 80 (3)

UStG 1919

In den Beratungen zum UStG 1919 wurde darauf hingewiesen, dass öffentliche Körperschaften grundsätzlich nicht anders zu behandeln seien als andere Rechtssubjekte. Dem Charakter der Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer entspreche die möglichst ausnahmslose Erfassung aller Lieferungen und Leistungen. Eine Befreiung sei nur bei Gemeinnützigkeit geboten.81

So wurden nach§ 3 Nr. 2 UStG 1919 die Gebietskörperschaften hinsichtlich der Schlachthöfe, Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke von der Umsatzsteuer befreit. Es war jedoch allgemeine Ansicht, dass die Tätigkeit der öffentlichrechtlichen Verbände, die sich als Ausfluss der öffentlich-rechtlichen Gewalt darstellte, nicht umsatzsteuerpflichtig war. Dies wurde mit der "Wesensverschiedenheit" von gewerblicher und beruflicher Tätigkeit einerseits und öffentlicher Gewalt andererseits begründet. 82

(4)

UStG 1926

Durch das UStG 1926 wurden die erwähnten Steuerbefreiungen fortgeführt und durch die§§ 24-28 UStDB 192683 erheblich ausgeweitet. 84 79 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (4). 80 Vgl. Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, li. Session, Band 313, Stenographische Berichte, 189. Sitzung, S. 6051, Rdnr. (C). 81 Vgl. Verhandlungen der verfassunggebenden Nationalversammlung (NV-Dmcks.), Band 340, Nr. 1753, S. 1810. 82 Vgl. Popitz!Kloß!Grabower, UStG, 1928, § 1, S. 343 f.; kritisch dazu: Wagner, DSUG 13 (1990), 59 (60 ff.). 83 Vom25.6.1926, RGBI. 1926 I, 323.

17

Umsatzsteuer und Untemehmer

In § 24 UStDB 1926 wurde die Ausübung der öffentlichen Gewalt erstmals von der Umsatzbesteuerung ausgenommen. Der Ausübung öffentlicher Gewalt dienten gem. § 24 UStDB 1926 die Hoheitsverwaltung des Reiches und der Länder sowie die Verwaltung der Gemeinden, die öffentliche Aufgaben erfüllten. Die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben war insbesondere dann anzunehmen, wenn die Aufgaben auf Leistungen gerichtet waren, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet war.

Die UStDB 1926 standen im Zusammenhang mit dem "Gesetz über die gegenseitigen Besteuerungsrechte des Reichs, der Länder und der Gemeinden"85:86 Danach konnte eine Körperschaft nicht von einer anderen Körperschaft zur Steuer herangezogen werden, soweit eine Körperschaft Handlungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübte. Außerhalb des hoheitlichen Bereichs war die Besteuerung jedoch nicht ausgeschlossen. 87 (5)

UStG 1934

Im Kern hat die heutige Fassung des § 2 Abs. 3 UStG (ebenso wie § 2 Abs. 1 und 2 UStG) ihren Ursprung in§ 2 Abs. 3 UStG 1934. Im Anschluss an die Absätze 1 und 2 bestimmte § 2 Abs. 3 UStG 1934: "Die Ausübung der öffentlichen Gewalt ist keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit." Es wurde zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Tätigkeit unterschieden: Soweit die öffentliche Hand wie andere Unternehmer am privatrechtliehen Wirtschaftsverkehr teilnahm, war sie gem. § 2 Abs. 1 UStG 1934 umsatzsteuerpflichtig, nicht jedoch, soweit die öffentlich-rechtliche Tätigkeit reichte. 88 Dies entsprach der bis dahin allgemeinen Ansicht. 89 § 2 Abs. 3 UStG 1934 war folglich als Ausnahmevorschrift zu Absatz 1 konzipiert und schränkte diesen ein. 90 § 3 UStDB 1934, welcher weitgehend mit den §§ 24 ff. UStDB 1926 übereinstimmte, enthielt Abgrenzungsvorschriften zur öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftliehen Tätigkeit. 91 84 85 86 87 88 89 90 91

18

Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 786. Vom 10.8.1925, RGBI. 1925 I, 252. V gl. Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 60 f. Vgl. Lange, UR 2000, 1 (5). Vgl. RFH Gutachten v. 9.7.1937- V D 1/37, RStBI. 1937, 1306 f. Vgl. Amtliche Begründung zu§ 2 UStG 1934, RStBI. 1934, 1550. Vgl. Lange, UR 2000, 1 (5). Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 787.

Der Begriff des Unternehmers

(6)

UStG 1951 92

Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 UStG 1934 wurde im UStG 1951 übernommen. Die Abgrenzungsvorschrift des § 3 UStDB 1934 fand weitgehend seine Entsprechung in§ 19 UStDB 1951 93 •

(7)

UStG 1967

Dem Wortlaut nach entspricht die heutige Regelung im Wesentlichen § 2 Abs. 3 UStG 1967. Im Unterschied zu§ 2 Abs. 3 UStG 1951 bestimmte§ 2 Abs. 3 UStG 1967 nicht mehr negativ, dass die Ausübung der öffentlichen Gewalt keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ist, sondern positiv, dass die "Körperschaften des öffentlichen Rechts" nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher sowie land- und forstwirtschaftlicher Art der Umsatzsteuer unterliegen. Hinsichtlich des "Betriebs gewerblicher Art" verwies § 2 Abs. 3 UStG 1967 auf§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG. 94 Nach der Begründung des Finanzausschusses sollte durch die Neuregelung eine bessere Trennung des Hoheitsbereichs vom unternehmerischen Bereich der Körperschaften des öffentlichen Rechts erfolgen und die Erfassung der abziehbaren Vorsteuern erleichtert werden. 95 Eine Änderung der bisherigen Rechtslage und der Funktion des § 2 Abs. 3 UStG 1951 wurde folglich nicht bezweckt. Durch die Anknüpfung an die Terminologie des Körperschaftsteuerrechts sollte lediglich eine rechtstechnische Erleichterung erfolgen. 96 (8)

UStG 198097

In § 2 Abs. 3 UStG 1980 wurde der Begriff "Körperschaft"98 durch den

Terminus "juristische Person" ersetzt. Eine inhaltliche Änderung bewirkte

92 Vom 1.9.1951, BGBL 1951 I, 791 93 Vom 1.9.1951, BGBL 1951 I, 796. 94 Auf§ 4 KStG verwies § 2 Abs. 3 UStG 1967 noch nicht. Dies erfolgte erst nach Irrkrafttreten des Körperschaftsteuerreformgesetzes 1977; vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 789. 95 Vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucks. 511581, S. 11 (zu§ 2 Abs. 3). 96 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (6). 97 Vom26.11.1979, BGBL 1979 I, 1953. 98 Auch § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG sprach bis 1977 von "Körperschaften" des öffentlichen Rechts.

19

Umsatzsteuer und Unternehmer

dies jedoch nicht, da die Rechtsprechung 99 bis dahin ohnehin unter "Körperschaften" stets alle juristischen Personen verstanden hatte. 100 Diese Fassung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 entspricht der des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1999 101 •

bb)

Entstehung des§ 4 KStG

Die Fassung des § 4 KStG 1999 entspricht dem Wortlaut des § 4 KStG 1977: Durch das Körperschaftsteuerreformgesetz vom 31.8.1976 102 wurden zum größten Teil 103 die Aussagen der §§ 1-5 KStDV 1968 104 , die auf die §§ 1-5 KStDV von 1935 105 zurückgehen, in§ 4 KStG 1977 überführt. 106

2.

Europäische Entwicklung

Die Rechtsangleichung der gesetzlichen Bestimmungen (Harmonisierung) hinsichtlich der europäischen Umsatzsteuern stützt sich auf Art. 93 EG 107 (bzw. auf Art. 99 EWGV a.F.): Darin ist festgelegt, dass der Rat für die Errichtung und das Funktionieren eines gemeinsamen Binnenmarktes Bestimmungen zur Harmonisierung u.a. der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern erlässt. Dies erfolgt gern. Art. 94 EG durch den Erlass von Richtlinien.

a)

1. EG-Richtlinie

Die Harmonisierung begann mit dem Erlass der 1. EG-Richtlinie im Jahre 1967. Diese Richtlinie schrieb den Mitgliedstaaten als gemeinsames Um-

99 Vgl. BFH, Urt. v. 13.3.1974- IR 7171, BStBl. 1974 II, 391 (392), m.w.N. 100 Vgl. Stadie, in: Rau!Dtirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 788. 101 Auch die Fassungen des§ 2 Abs. 3 Satz 2 UStG wurden mehrfach geändert. § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1999 entspricht der Fassung, die§ 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 durch die letzte Änderung zum 1.1.1995 (Art. 4 des Gesetzes v. 2.8.1994, BGBL 1994 I, 2018) erfahren hat; vgl. Stadie, in: Rau!Dtirrwächter/ Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 1058 f. 102 BGBL 1976 I, 2597. 103 Soweit das KStG 1977 Aussagen der§§ 1-5 KStDV nicht übernahm, wurden diese in die Verwaltungsvorschrift des Abschnitts 5 KStR integriert; vgl. Seer, DStR 1992, 1751 (1752, FN. 12). 104 Vom 26.3.1969, BGBL 1969 I, 270. 105 Vom6.2.1935, RGBL 1935 I, 163. 106 Vertiefend zur Entstehung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und des § 4 KStG: Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 30 ff. 107 Die Nummerierung der europäischen Rechtsvorschriften folgt der Zählung nach Irrkrafttreten des Amsterdamer Vertrags.

20

Der Begriff des Unternehmers

Satzsteuersystem das Mehrwertsteuersystem mit Vorsteuerabzug vor. 108 Dieses System sollte bis zum 1.1.1970 in den Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Genaue Ausführungen zum Begriff des Steuerpflichtigen enthielt diese Richtlinie noch nicht. 109

b)

2. EG-Richtlinie 110

Die am gleichen Tag erlassene, grundsätzlich ab dem 1.1.1972 anwendbare 2. EG-Richtlinie regelte die Struktur und die Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. 111 Erstmals wurde in Art. 4 der Begriff des "Steuerpflichtigen" kodifiziert: Danach galt als Steuerpflichtiger, "wer regelmäßig mit oder ohne Absicht, Gewinn zu erzielen, selbständig Leistungen erbringt, die zu den Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden gehören". Ergänzend enthielt AnhangAzur 2. EG-Richtlinie (gern. Art. 20 Bestandteil der Richtlinie) umfangreiche Erläuterungen zu Art. 4. Darin wurde festgehalten, dass der Begriff "Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden" in weitem Sinn verstanden werden und "alle wirtschaftliche Tätigkeit, also auch die Tätigkeit der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe" umfassen soll. Daneben konnte von den Mitgliedstaaten auch als "Steuerpflichtiger" betrachtet werden, wer die in Art. 4 der 2. EG-Richtlinie genannten Leistungen gelegentlich erbringt. Ferner enthielt der Anhang Bestimmungen zur Selbständigkeit natürlicher Personen und die Möglichkeit, rechtlich unabhängige Personen unter bestimmten Voraussetzungen zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Schließlich wurde in Nr. 2 Abs. 4 des Anhangs A die öffentliche Hand von der Steuerpflicht ausgenommen, soweit sie Tätigkeiten ausübt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.

108 Vgl. Wachweger, UR 1967, 123 (124). 109 Vgl. zur I. EG-Richtlinie: Wachweger, UR 1967, 123 f.; Rau, UStKongrBer 1985, 49 (52 f.); Birkenfeld, UR 1989, 329 (330); Lüdemann, BB 1992, 1606; Birkenfeld, UStHandbuch, § 20, Rdnr. 2. 110 Zweite Richtlinie des Rates vom 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur der Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (67/228/EWG), ABI. EG 1967, S. 1303. !II Vgl. zur 2. EG-Richtlinie: Wachweger, UR 1967, 123 (124 ff.); Rau, UStKongrBer 1985, 49 (52 ff.); Birkenfeld, UR 1989, 329 (330); Lüdemann, BB 1992, 1606; Birkenfeld, USt-Handbuch, § 20, Rdnr. 3.

21

Umsatzsteuer und Unternehmer

c)

3., 4. und 5. EG-Richtlinie

Die folgenden drei Richtlinien gewährten Fristverlängerungen für die Einführung des Mehrwertsteuersystems. 112 Der Begriff des Steuerpflichtigen wurde nicht verändert.

d)

6. EG-Richtlinie

Das heutige Umsatzsteuerrecht ist im Wesentlichen geprägt von der 6. EGRichtlinie. Die Richtlinie wurde, nachdem die Kommission am 29.6.1973 einen Entwurf113 vorgelegt hatte, am 17.5.1977 vom Ministerrat verabschiedet.114 Gern. Art. 37 tritt in jedem Mitgliedstaat mit der Anwendung der 6. EGRichtlinie die 2. EG-Richtlinie außer Kraft. Die 6. EG-Richtlinie regelt materielles Recht: 115 Sie bestimmt als Anwendungsbereich (Art. 2) der Mehrwertsteuer die Lieferung von Gegenständen (Art. 5) und Dienstleistungen (Art. 6), die ein Steuerpflichtiger (Art. 4) im Inland (Art. 3) gegen Entgelt ausführt. Darüber hinaus enthält die Richtlinie eine Reihe weiterer detaillierter Regelungen. Der Begriff des Steuerpflichtigen wurde im Vergleich zur 2. EG-Richtlinie modifiziert. Einzelne Bestimmungen, die zuvor in AnhangAder 2. EG-Richtlinie niedergelegt waren, wurden in die Vorschrift des Art. 4 überführt: Ergänzend zu Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie, die im Wesentlichen die Regelung des Art. 4 der 2. EG-Richtlinie übernahmen, wurde in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 festgelegt, dass als wirtschaftliche Tätigkeit auch eine Leistung gilt, "die die Nutzung von körperlichen und nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt". 116 In Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie wird übereinstimmend mit Anhang A der 2. EG-Richtlinie die Möglichkeit geschaffen, auch Personen, die gelegentlich die in Absatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben, als Steuerpflichtige zu betrachten, wobei bestimmte Tätigkeiten beispielhaft aufgeführt werden. 112 Vgl. Lüdemann, BB 1992, 1606; Birkenfeld, USt-Handbuch, § 20, Rdnr. 8. 113 Vgl. ABI. EG 1973, C 80, S. 1; zur BegrUndung vgl. BT-Drucks. 7/913, S. 36 ff.; zum Inhalt vgl. Sarrazin, UR 1973, 209 ff.; Wachweger, DStZ 1973, 219 ff.; Wachweger, DStZ 1974, 115 ff. 114 Vgl. zu den vorangegangenen Ratstagungen vom 21.10. und 16.12.1976: Schlienkamp, UR 1977, 1 ff. 115 Vgl. Lüdemann, BB 1992,1606. 116 Im Kommissionsentwurf war diese Regelung in Art. 4 Abs. 3 enthalten.

22

Der Begriff des Unternehmers

Die Selbständigkeit natürlicher Personen und die Möglichkeit der Zusammenfassung rechtlich unabhängiger Personen wird nun in Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie geregelt. Dieser Absatz entspricht sinngemäß Nr. 2 Abs. 4 des AnhangsAder 2. EG-Richtlinie, jedoch ist die umsatzsteuerliche Organschaft durch die Neuregelung auf das Inland beschränkt. 117 Der ebenfalls neu angefügte Absatz 5 regelt die Umsatzsteuerpflicht der öffentlichen Hand. Im Vergleich zu AnhangAder 2. EG-Richtlinie wurde ergänzt, dass die öffentliche Hand trotz Erbringung einer Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt "Steuerpflichtiger" ist, wenn eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" führen würde.118 Der Wortlaut des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie gilt bis heute unverändert fort.

II.

Relevanz des Unternehmerbegriffs für das Umsatzsteuerrecht

Um die Bedeutung des Unternehmerbegriffs einschätzen zu können muss man sich die folgenden Fragen vor Augen führen: Was heißt es für den Einzelnen, "Unternehmer" zu sein? Welche Folgen werden an diese Einordnung geknüpft? Kurz: Wie bedeutsam ist§ 2 UStG? Die Relevanz des Unternehmerbegriffs zeigt sich neben der häufigen Erwähnung im UStG vor allem in den gerichtlichen Auseinandersetzungen, die seit jeher um die Qualifizierung als Unternehmer geführt wurden.

1.

Bedeutung des Unternehmerbegriffs

a)

Funktion des Unternehmers im Umsatzsteuerrecht

Die Bedeutung des Unternehmerbegriffs zeigt sich bereits im Haupttatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG: Danach sind nur solche Lieferungen und sonstige Leistungen steuerbar, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nur der Unternehmer kann steuerbare Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG tätigen. In diesem Fall ist er gern. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG auch Schuldner der Umsatzsteuer, er ist das Steuersubjekt und so Steuerpflichtiger i.S. des § 33

117 Zur Begrenzung der Organschaft im Kommissionsentwurf vgl. Wachweger, DStZ 1974, 115 (116 f.). 118 Zur Besteuerung der öffentlichen Hand im Konmussionsentwurf vgl. Wachweger, DStZ 1974, 115 (117).

23

Umsatzsteuer und Unternehmer

A0. 119 Der Unternehmer wird zur Umsatzsteuer veranlagt, er muss gern. § 18 Abs. 1 UStG die Steuervoranmeldung abgeben. Nach§ 22 Abs. 1 UStG ist er weiterhin verpflichtet, "zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung" Aufzeichnungen zu machen. 120 All diese Verpflichtungen knüpft das UStG an die Unternehmereigenschaft. Jedoch soll nicht die unternehmensehe Tätigkeit, sondern der private Endverbrauch belastet werden. Mithin agiert der Unternehmer bei der (indirekten) Umsatzsteuer im Rahmen der Steuererhebung lediglich als verlängerter Arm des Staates: Er hat die Funktion des Steuereinnehmers 121 bzw. "Steuereinsammlers"122. Im Gegenzug ist auch nur der Unternehmer berechtigt, unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG die Vorsteuer abzuziehen, um so die Kostenneutralität der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette zu wahren.

b)

Unternehmereigenschaft des Vertragspartners

In einigen Vorschriften des UStG ist auch die Unternehmereigenschaft des Vertragspartners TatbestandsmerkmaL Es ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen je nachdem, ob der Vertragspartner Unternehmer ist oder ob ihm diese Eigenschaft abgesprochen wird: So wird nach§ 1a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a UStG für die Erwerbsbesteuerung bei innergemeinschaftlichem Erwerb vorausgesetzt, dass die Lieferung durch einen Unternehmer erfolgt. Im Fall des § 3a Abs. 3 UStG bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung danach, ob der Empfänger Unternehmer ist. Gern. § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 Nr. 2 UStG sind innergemeinschaftliche Lieferungen nur dann steuerbefreit, wenn der Abnehmer der Lieferung Unternehmer ist. Der Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 Abs. 1 UStG ist nur möglich, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Auch der nach hM 123 zivilrechtliche Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis besteht nur gegen einen Unternehmer. 119 Vgl. Klenk, in: Sö1ch!Ring1eb, UStG, § 2, Rdnr. 2; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1, Rdnr. 19. 120 Auch die Vorschrift des § 19 UStG (Besteuerung der Kleinunternehmer) ist nur auf "Unternehmer" anwendbar. 121 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.10.1993 - Rs. C-10/92 (Ba1occhi), EuGHE 1993, I-5105 (5140, Rdnr. 25). 122 Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 20. 123 Vgl. Klenk, UR 1993,284.

24

Der Begriff des Unternehmers

Schließlich ist der Vorsteuerabzug nach§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nur möglich, falls die empfangenen Leistungen von einem Unternehmer ausgeführt worden sind.

c)

Exkurs: Umsatzsteuerpflicht von Nichtunternehmern

In einigen Fällen werden auch Nichtunternehmer von der Umsatzsteuer erfasst. Dies geschieht regelmäßig zu dem Zweck, den Endverbrauch im Inland zu besteuern. 124

So wird nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG die Einfuhr von Gegenständen durch jede Person (auch Nichtunternehmer) besteuert. Nach§ 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG ist auch der innergemeinschaftliche Erwerb von juristischen Personen, die nicht Unternehmer sind, zu versteuern. Bei der Lieferung neuer Fahrzeuge i.S.v. § 1b UStG wird gern. § 2a UStG auch ein Nichtunternehmer als Unternehmer behandelt und wird somit steuerpflichtig. Der private Endabnehmer ist unter den Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG auch dann Schuldner der Steuer, wenn eine Leistung fälschlich als innergemeinschaftlich befreite Lieferung behandelt wurde. Einem anderen Zweck dient die Vorschrift des § 14c Abs. 2 UStG. Danach schulden auch Nichtunternehmer die Umsatzsteuer, die sie in einer Rechnung zu Unrecht ausgewiesen haben. So kommt es dazu, dass die von einem Nichtunternehmer fälschlich in Rechnung gestellte Umsatzsteuer von diesem geschuldet wird, aber gleichzeitig mangels Unternehmereigenschaft des Leistenden vom empfangenden Unternehmer nicht abziehbar ist. 125 Der Zweck dieser Regelung besteht darin, dem Missbrauch von Abrechnungspapieren zur Erlangung des Vorsteuerabzugs und so einer Gefährdung des Steueraufkommens zu begegnen. 126 Wer diesen Gefährdungstatbestand erfüllt, muss auch dann dafür einstehen, wenn kein vorwerfbares Verhalten vorliegt. 127 Diese Ausführungen zeigen, dass es - trotz der Erläuterungen zur Steuerpflicht von Nichtunternehmern - gerechtfertigt ist, vom Unternehmer als der ,,Zentralfigur des Umsatzsteuerrechts" 128 zu sprechen. Andere sehen im Un124 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 35. 125 Kritisch zu dieser Vorschrift: Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 130, m.w.N. 126 Vgl. BFH, Urt. v. 8.9.1994- V R 70/91, BStBl. 1995 II, 32; Urt. v. 4.5.1995- V R 29194, BStBL 1995 II, 747 (749). 127 Vgl. BFH, Urt. v. 5.8.1988- X R 66/82, BStBL 1988 II, 1019 (1020). 128 BFH, Urt. v. 26.4.1973 -V R 40171, BStBl. 1973 II, 549 (550); ähnlich: Schuhmann, in: Hundt-Eßwein!Schuhmallll, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 4; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 1; Birkholz, UR 1986,25.

25

Umsatzsteuer und Unternehmer

ternehmerbegriff daher schlicht den "Schlüsselbegriff des Umsatzsteuerrechts"129.

2.

Änderung der Interessenlage auf Grund der Systemumstellung

Der heutige Unternehmerbegriff geht - wie dargelegt - im Wesentlichen auf § 2 UStG 1934 zurück. Dieser Terminus wurde mithin für die Trennung der unternehmefischen Tätigkeit von der nichtunternehmefischen im Rahmen der Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer entwickelt. In diesem System wandte sich der Steuerpflichtige in den meisten Fällen gegen die Heranziehung als Unternehmer zur Umsatzsteuer. Die Bejahung der Unternehmereigenschaft war für den Betroffenen nicht von Vorteil, sondern allenfalls kostenneutral.t3o Nach dem Systemwechsel1967 wurde der Wortlaut des§ 2 UStG nicht entscheidend verändert. 131 Geändert haben sich jedoch die Rechtsfolgen, die sich aus der Unternehmereigenschaft ergeben und somit die Interessenlage für den Betroffenen, da bei Bejahung der Unternehmereigenschaft zur Steuerpflicht auch das Recht des Vorsteuerabzugs hinzukommt. 132 So haben Personen, die in einer Rechnung die Umsatzsteuer ausgewiesen haben, ein besonderes Interesse daran, neben ihrer bestehenden Verpflichtung, Umsatzsteuer abzuführen- im Fall der Verneinung der Unternehmereigenschaft über § 14c Abs. 2 UStG, ansonsten über § 13 Abs. 2 UStG -, zumindest den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Daneben ist jemand, der Umsätze an einen Unternehmer erbringt, bestrebt, Unternehmer zu sein, da er dann zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und so entweder die Ware preisgünstiger anbieten oder einen höheren Gewinn erzielen kann. Auch kann bei der Vorsteuerpauschalierung nach § 23 UStG i.V.m. §§ 69, 70 UStDV ein Vorteil dadurch entstehen, dass die nach Durchschnittssätzen berechnete Vorsteuer höher als die tatsächlich gezahlte ist. 133 Daneben fallen Bemühungen auf, eine nahe stehende Person als zweiten Unternehmer vor- oder nachzuschalten und so die Unternehmereigenschaft des Vertragspartners zu begründen. So wurde z.B. versucht, den Ausschluss des

Klenk, UR 1993, 284. Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2 Rdnr. 26. PUr eine Inhaltsänderung des Begriffs plädiert Birkholz, UR 1986, 25 ff. Vgl. Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2, Rdnr. 23; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 26. 133 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 27. 129 130 131 132

26

Der Begriff des Unternehmers

Vorsteuerabzugs bei eigenen steuerfreien Umsätzen dadurch zu vermeiden, dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG geschaffen wurden. 134 Diese Änderung der gerichtlichen Auseinandersetzungen von einem Bestreiten der Unternehmereigenschaft hin zu einem Streben zum Unternehmer hat vereinzelte Stimmen dazu bewegt, gar von einer "Flucht in die Steuer" 135 zu sprechen. Ein entsprechender Richtungswechsel ist auch bei der öffentlichen Hand festzustellen: Juristische Personen des öffentlichen Rechts drängen, entgegen dem normalen Bestreben, Steuertatbestände möglichst nicht zu erfüllen, häufig in die Umsatzsteuerpflicht hinein, um den Vorsteuerabzug zu erreichen.136 Auf diese Änderungen in der prozessualen Lage hat auch die Rechtsprechung reagiert: Während nach dem UStG 1918 die Steuerpflicht auf immer weitere Personengruppen ausgedehnt wurde, zeichnen sich verstärkt seit Einführung des Mehrwertsteuersystems gegenläufige Tendenzen ab, um den Unternehmerbegriff nicht uferlos auszuweiten. 137 Ob sich diese Tendenzen der Rechtsprechung im Rahmen der 6. EGRichtlinie halten, wird u.a. darzustellen sein.

134 Zu weiteren Beispielen vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick!Geist, UStG, § 2, Rdnr. 27 ff. 135 So z.B. Birkholz, UR 1986, 25 (27). 136 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 2. 137 Vgl. Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 7.

27

Kapitel 2 - Einheitlichkeit des Unternehmerbegriffs Wie oben erläutert, knüpfen mehrere Paragrafen des UStG an den Begriff des "Unternehmers" an. 1 Ebenso bezieht sich die 6. EG-Richtlinie an verschiedenen Stellen auf den "Steuerpflichtigen". Es stellt sich somit die Frage, ob diese Begriffe in den genannten Vorschriften gleich zu interpretieren sind, ob also der in § 2 UStG bzw. in Art. 4 der 6. EG-Richtlinie definierte Umsatzsteuerpflichtige einheitlich für das ganze Umsatzsteuerrecht auszulegen ist.

A.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

Die 6. EG-Richtlinie enthält keine eindeutigen Anhaltspunkte, ob der Begriff des Steuerpflichtigen in allen Vorschriften der Richtlinie, die auf ihn Bezug nehmen, gleich auszulegen ist. Der EuGH hat zu dieser Frage, ebenso wie die Literatur, bereits Stellung bezogen.

I.

Rechtsprechung

Im Fall "Polysar Investment Netherlands BV gegen Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen te Arnhem" 2 wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine Holdinggesellschaft Steuerpflichtiger i.S. der Art. 4 und 17 der 6. EGRichtlinie sei. 3 Der EuGH führte aus, Art. 17 der 6. EG-Richtlinie betreffe die Entstehung und den Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug, das einem Steuerpflichtigen unter gewissen Voraussetzungen zustehe. Der Ausdruck "Steuerpflichtiger" werde in Art. 17 der 6. EG-Richtlinie im Sinne der Art. 2 und 4 der 6. EG-Richtlinie verwendet. Infolgedessen seien für die Frage des Vorsteuerabzugs Art. 2 und 4 der 6. EG-Richtlinie auszulegen. 4

1 2 3 4

Siehe oben, S. 23 f. EuGH, Urt. v. 20.6.1991 - Rs. C-60/90 (Po1ysar), EuGHE 1991, I-3111. Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Po1ysar), EuGHE 1991, I-3111 (3135, Rdnr. 7), Hervorhebung nicht im Original. Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Po1ysar), EuGHE 1991, I-3111 (3136, Rdnr. 9 f.). Nicht ganz so eindeutig, jedoch im Ergebnis ähnlich hat der EuGH bereits in der Rechtssache "Rompe1man" argumentiert [EuGH, Urt. v. 14.2.1985 - Rs. 268/83 (Rompe1man), EuGHE, 1985, 655 (662 f., Rdnr. 16 ff.], vgl. Weiß, UR 1985, 201.

29

Einheitlichkeit des Unternehmerbegriffs

II.

Literatur

Die Frage der Einheitlichkeit des Steuerpflichtigenbegriffs wird von der Literatur nicht übereinstimmend beantwortet. GEIST, der sich zu diesem Problem vor der "Polysar"-Entscheidung des EuGH äußerte, sieht in der 6. EG-Richtlinie eine Differenzierung zwischen dem Steuerpflichtigen der Leistungsseite und dem Steuerpflichtigen der Eingangsseite. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie bestimme lediglich für die Leistungsseite, wer Steuerpflichtiger sei. Art. 17 der 6. EG-Richtlinie erwähne zunächst gar nicht den "Steuerpflichtigen", sondern beschreibe lediglich das Recht auf Vorsteuerabzug. Erst in Art. 18 der 6. EG-Richtlinie werde der Steuerpflichtige benarmt, der das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben könne. 5 Insofern lobt GEIST den Aufbau der Richtlinie, da er "mindestens in Nuancen doch zwischen dem Steuerpflichtigen der Leistungsseite und dem Steuerpflichtigen der Bezugsseite unterscheidet" 6 • Soweit sich die übrige Literatur zu dieser Frage äußert, stimmt sie dem EuGH zu und bejaht die einheitliche Auslegung des Begriffs des Steuerpflichtigen. 7

111.

Stellungnahme

Die Argumentation von GEIST überzeugt nicht: Eine Differenzierung auf Ebene der Richtlinie darin zu sehen, dass Art. 17 der 6. EG-Richtlinie den "Steuerpflichtigen" noch nicht erwähnt, sondern erst Art. 18 der 6. EGRichtlinie, erscheint nicht zu Ende gedacht. Zum einen stehen beide Artikel unter der Kapitelüberschrift "Vorsteuerabzug", zum anderen ist der Steuerpflichtige sehr wohl in Art. 17 der 6. EG-Richtlinie erwähnt: in Absatz 2. In den Vorschriften der Art. 17 und 18 der 6. EG-Richtlinie wird vielmehr deutlich, dass die Steuerpflichtigeneigenschaft eine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist: Gern. Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist der Steuerpflichtige befugt, die Vorsteuer abzuziehen. Art. 18 der 6. EG-Richtlinie regelt die Einzelheiten des Vorsteuerabzugs für den Steuerpflichtigen. Dem

5 6 7

30

Vgl. Geist, UStKongrBer 1985,75 (83). Geist, UStKongrBer 1985, 75 (83). Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Fiick/Geist UStG, § 2, Rdnr. 43; Lange, FS Ot~ ferhaus, 1999, 701 (704). Die deutsche hM stimmt inhaltlich mit dem EuGH überein, bezieht sich jedoch nur auf § 2 UStG; vgl. auch die Nachweise in FN 11. Weiß (UR 1985, 201) stimmte bereits den Ausführungen des EuGH zur Rechtssache "Rompelman" zu.

Die deutsche Umsetzung

Aufbau der Richtlinie ist insofern nicht zu entnehmen, dass der "Steuerpflichtige" in den genannten Vorschriften uneinheitlich auszulegen ist. Gegen eine solch uneinheitliche Auslegung spricht hingegen der Wortlaut: Die Richtlinie verwendet einheitlich den Begriff des Steuerpflichtigen. Solange keine gewichtigen Gründe dagegen sprechen, entspricht es der gesetzessystematischen Auslegung, einen in derselben Richtlinie verwandten Begriff gleich auszulegen. 8 Für die Auffassung des EuGH sprechen zudem sowohl das System als auch die Grundprinzipien der Umsatzsteuer: Der Systemzweck der Umsatzsteuer, nur den Endverbraucher mit der Umsatzsteuer endgültig zu belasten, wird nur erreicht, wenn der Begriff des Steuerpflichtigen einheitlich ausgelegt wird. So ist der Steuerpflichtige auf der einen Seite verpflichtet, die Umsatzsteuer abzuführen und dafür auf der anderen Seite berechtigt, die Vorsteuer abzuziehen. So wird die Neutralität der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette gewahrt. 9 Wenn man für den Vorsteuerabzug an den Steuerpflichtigen andere Anforderungen stellt als im Rahmen der Umsatzsteuerpflicht, so würde man diese Neutralität gefährden. Daher ist der Auffassung des EuGH zuzustimmen. Der Begriff des Steuerpflichtigen ist in der 6. EG-Richtlinie einheitlich auszulegen.

B.

Die deutsche Umsetzung

Auch auf Ebene des UStG gibt es in der deutschen umsatzsteuerrechtlichen Literatur vereinzelt abweichende Ansichten zur Frage der Einheitlichkeit des Unternehmerbegriffs im UStG.

I.

Auslegung

Wiederum vertritt GEIST die Auffassung, dass der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug begehrt - der "Unternehmer der Eingangsseite" - nicht inhaltsgleich mit dem Unternehmer i.S. des § 2 UStG, dem "Unternehmer der Leistungsseite", ist. 10 Demgegenüber geht die ganz hM, der auch der BFH in ständiger Rechtsprechung folgt, davon aus, dass die Begriffsbestimmung des Unternehmers gleichermaßen für die Steuerbarkeit der (Ausgangs-)Leistungen i.S.v. § 1

8 So Schaub (Unternehmerbegriff, 1989, S. 140) zur deutschen Umsetzungsvorschrift. 9 Ähnlich für das UStG: Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 22. 10 Vgl. Geist, UStKongrBer 1985, 75 (81 ff.).

31

Die deutsche Umsetzung

Aufbau der Richtlinie ist insofern nicht zu entnehmen, dass der "Steuerpflichtige" in den genannten Vorschriften uneinheitlich auszulegen ist. Gegen eine solch uneinheitliche Auslegung spricht hingegen der Wortlaut: Die Richtlinie verwendet einheitlich den Begriff des Steuerpflichtigen. Solange keine gewichtigen Gründe dagegen sprechen, entspricht es der gesetzessystematischen Auslegung, einen in derselben Richtlinie verwandten Begriff gleich auszulegen. 8 Für die Auffassung des EuGH sprechen zudem sowohl das System als auch die Grundprinzipien der Umsatzsteuer: Der Systemzweck der Umsatzsteuer, nur den Endverbraucher mit der Umsatzsteuer endgültig zu belasten, wird nur erreicht, wenn der Begriff des Steuerpflichtigen einheitlich ausgelegt wird. So ist der Steuerpflichtige auf der einen Seite verpflichtet, die Umsatzsteuer abzuführen und dafür auf der anderen Seite berechtigt, die Vorsteuer abzuziehen. So wird die Neutralität der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette gewahrt. 9 Wenn man für den Vorsteuerabzug an den Steuerpflichtigen andere Anforderungen stellt als im Rahmen der Umsatzsteuerpflicht, so würde man diese Neutralität gefährden. Daher ist der Auffassung des EuGH zuzustimmen. Der Begriff des Steuerpflichtigen ist in der 6. EG-Richtlinie einheitlich auszulegen.

B.

Die deutsche Umsetzung

Auch auf Ebene des UStG gibt es in der deutschen umsatzsteuerrechtlichen Literatur vereinzelt abweichende Ansichten zur Frage der Einheitlichkeit des Unternehmerbegriffs im UStG.

I.

Auslegung

Wiederum vertritt GEIST die Auffassung, dass der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug begehrt - der "Unternehmer der Eingangsseite" - nicht inhaltsgleich mit dem Unternehmer i.S. des § 2 UStG, dem "Unternehmer der Leistungsseite", ist. 10 Demgegenüber geht die ganz hM, der auch der BFH in ständiger Rechtsprechung folgt, davon aus, dass die Begriffsbestimmung des Unternehmers gleichermaßen für die Steuerbarkeit der (Ausgangs-)Leistungen i.S.v. § 1

8 So Schaub (Unternehmerbegriff, 1989, S. 140) zur deutschen Umsetzungsvorschrift. 9 Ähnlich für das UStG: Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 22. 10 Vgl. Geist, UStKongrBer 1985, 75 (81 ff.).

31

Einheitlichkeit des Unternehmerbegriffs

Abs. 1 UStG wie für die Vorsteuerabzugsberechtigung i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG giltY

II.

Stellungnahme

Ebenso wie auf Ebene der Richtlinie spricht für die einheitliche Auslegung des Unternehmerbegriffs der Wortlaut: Das Gesetz verwendet einheitlich den Begriff des Unternehmers und somit müssten gewichtige Gründe angeführt werden, die gegen eine einheitliche Verwendung sprechen. 12 Zudem spricht das System der indirekten Verbrauchsteuer, wie bereits auf Ebene der Richtlinie ausgeführt, für eine einheitliche Auslegung des Worts sowohl auf der Leistungs- wie auch auf der Eingangsseite 13 : Der Unternehmer ist berechtigt, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abzuwälzen (Leistungsseite). Er darf seinerseits die auf ihn abgewälzte Steuer als Vorsteuer gern. § 15 Abs. 1 UStG abziehen (Eingangsseite). Nur wenn auf beiden Seiten der Begriff des Unternehmers gleich ausgelegt wird, kommt es zur Steuerneutralität in der Unternehmerkette. 14 Deshalb ist der ganz hM zuzustimmen: Der Unternehmerbegriff ist auch im UStG einheitlich auszulegen.

C.

Zwischenergebnis

Der Begriff des Steuerpflichtigen ist in der 6. EG-Richtlinie einheitlich auszulegen. In allen Vorschriften, die den Steuerpflichtigen erwähnen, ist die Definitionsnorm des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie heranzuziehen. Auch der "Unternehmer" ist für das deutsche UStG einheitlich auszulegen. Insofern stimmt die ganz herrschende nationale Auslegung zu § 2 UStG mit der 6. EG-Richtlinie überein.

11 Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.1993 - V R 45/88, BStBI. 1993 II, 564 (565); Lange, FS Offerhaus, 1999, 701 (704); Georgy, in: P1ückebaum/Malitzky, UStG, § 2, Rdnr. 22; Schuhmann, in: Hundt-Eßwein!Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 5; Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn!Lange, UStG, § 2, Rdnr. 7; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/F1ick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 22; Birlw~feld, in: HartmamJ!Metzenrnacher, UStG, § 2, Rdnr. 5 f.; Klenk, UR 1993, 284; Wagner, StuW 1991, 61; Rose, StbJB 1989/90, 27 (28); Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, S. 29; Schaub, Untemehmerbegriff, 1989, S. 140. 12 So auch Schaub, Unternehmerbegriff, 1989, S. 140. 13 Dies bestreitet Geist, UStKongrßer 1985, 75 (81 ff.). 14 Ähnlich: Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 22.

32

Einheitlichkeit des Unternehmerbegriffs

Abs. 1 UStG wie für die Vorsteuerabzugsberechtigung i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG giltY

II.

Stellungnahme

Ebenso wie auf Ebene der Richtlinie spricht für die einheitliche Auslegung des Unternehmerbegriffs der Wortlaut: Das Gesetz verwendet einheitlich den Begriff des Unternehmers und somit müssten gewichtige Gründe angeführt werden, die gegen eine einheitliche Verwendung sprechen. 12 Zudem spricht das System der indirekten Verbrauchsteuer, wie bereits auf Ebene der Richtlinie ausgeführt, für eine einheitliche Auslegung des Worts sowohl auf der Leistungs- wie auch auf der Eingangsseite 13 : Der Unternehmer ist berechtigt, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abzuwälzen (Leistungsseite). Er darf seinerseits die auf ihn abgewälzte Steuer als Vorsteuer gern. § 15 Abs. 1 UStG abziehen (Eingangsseite). Nur wenn auf beiden Seiten der Begriff des Unternehmers gleich ausgelegt wird, kommt es zur Steuerneutralität in der Unternehmerkette. 14 Deshalb ist der ganz hM zuzustimmen: Der Unternehmerbegriff ist auch im UStG einheitlich auszulegen.

C.

Zwischenergebnis

Der Begriff des Steuerpflichtigen ist in der 6. EG-Richtlinie einheitlich auszulegen. In allen Vorschriften, die den Steuerpflichtigen erwähnen, ist die Definitionsnorm des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie heranzuziehen. Auch der "Unternehmer" ist für das deutsche UStG einheitlich auszulegen. Insofern stimmt die ganz herrschende nationale Auslegung zu § 2 UStG mit der 6. EG-Richtlinie überein.

11 Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.1993 - V R 45/88, BStBI. 1993 II, 564 (565); Lange, FS Offerhaus, 1999, 701 (704); Georgy, in: P1ückebaum/Malitzky, UStG, § 2, Rdnr. 22; Schuhmann, in: Hundt-Eßwein!Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 5; Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn!Lange, UStG, § 2, Rdnr. 7; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/F1ick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 22; Birlw~feld, in: HartmamJ!Metzenrnacher, UStG, § 2, Rdnr. 5 f.; Klenk, UR 1993, 284; Wagner, StuW 1991, 61; Rose, StbJB 1989/90, 27 (28); Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, S. 29; Schaub, Untemehmerbegriff, 1989, S. 140. 12 So auch Schaub, Unternehmerbegriff, 1989, S. 140. 13 Dies bestreitet Geist, UStKongrßer 1985, 75 (81 ff.). 14 Ähnlich: Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 22.

32

Kapitel3- Unternehmerfähigkeit Bei der Unternehmerfähigkeit geht es um die abstrakte Frage, welche Personen oder welche Gebilde Steuersubjekt der Umsatzsteuer sein können. Davon zu unterscheiden ist die Frage, unter welchen Umständen ein solch unternehmerfähiges Subjekt im Einzelfall Unternehmer ist. Bei der Betrachtung der Begriffe "Steuerpflichtiger" und "Unternehmer" ist somit zu klären, ob die Unternehmerfähigkeit von der 6. EG-Richtlinie und der deutschen Umsetzung im UStG übereinstimmend geregelt wird.

A.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

I.

Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, "wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten[ ... ] ausübt". Dies sind gern. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt."

II.

Auslegung

Fraglich ist, wer nach der 6. EG-Richtlinie die Fähigkeit besitzt, eine "wirtschaftliche Tätigkeit" auszuüben.

1.

Rechtsprechung

Der EuGH hat sich bislang nicht abstrakt mit der Frage der Unternehmerfähigkeit beschäftigt. Aus den Entscheidungen lässt sich jedoch entnehmen, dass er natürliche Personen und juristische Personen für fähig hält, Steuersubjekt der Umsatzsteuer zu sein. 1

Zu natürlichen Personen: Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.1985 - Rs. 268/83 (Rompelman), EuGHE 1985, 655; Urt. v. 5.7.1988- Rs. 269/86 (Mol), EuGHE 1988, 3627; Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, I-4363. Zu juristischen Personen: Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1981 - Rs. 154/80 (Aardappelenbewaarplaats), EuGHE 1981, 445; Urt. v. 1.7.1982 - Rs. 222/81 (B.A.Z.), EuGHE 1982, 2527; Urt. v. 22.6.1993 -

33

Unternehmerfähigkeit

Zur Frage der Unternehmerfähigkeit von Personengesellschaften2 äußerte sich der EuGH im Fall "Staatssecretaris van Financien gegen J. Heerma" 3 • Er führte aus, die niederländische Gesellschaft bürgerlichen Rechts habe zwar keine Rechtspersönlichkeit, sie besitze jedoch in tatsächlicher Hinsicht die Selbständigkeit einer Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit "und übt selbständig wirtschaftliche Tätigkeiten aus, so daß nach Art. 4 der Sechsten Richtlinie die Gesellschaft und nicht der oder die geschäftsführenden Gesellschafter als Steuerpflichtige zu behandeln ist" 4 • Nach der Rechtsprechung des EuGH sind also zunächst einmal natürliche und juristische Personen unternehmerfähig. Darüber hinaus ist, nach Ansicht des Gerichtshofs, für die Unternehmerfähigkeit keine zivilrechtliche Rechtsfähigkeit erforderlich, solange die Gesellschaft in tatsächlicher Hinsicht die Selbständigkeit einer rechtsfähigen Personenvereinigung besitzt. Weitere abstrakte Kriterien für die Unternehmerfähigkeit lassen sich der EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht entnehmen.

2.

Stellungnahme

Zur Unternehmerfähigkeit auf der Ebene der 6. EG-Richtlinie hat sich- soweit ersichtlich - die Literatur bislang nicht geäußert. Um zu klären, ob die Rechtsprechung des EuGH in dieser Frage zutreffend ist und um weitere Kriterien der Unternehmerfähigkeit herauszuarbeiten, erscheint es erforderlich, den Inhalt der Richtlinienvorschrift auszulegen. 5 Für die Interpretation von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien existiert noch weniger ein ausformulierter Kanon von Auslegungsregeln als im nationalen Recht. 6 Es lassen sich jedoch einige Gesichtspunkte aufzeigen, von denen sich der EuGH bei seiner Rechtsprechung leiten lässt. 7 Hierbei ist zu

2

3 4 5

6 7

34

Rs. C-333/91 (Sotitam), EuGHE 1993, I-3513; Urt. v. 20.6.1996 - Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, I-3013. Ohne nähere Erörterung geht der EuGH in folgenden Urteilen von der Unternehmerfähigkeit von Personengesellschaften aus: EuGH, Urt. v. 8.3.1988 - Rs. 165/86 (Intiem), EuGHE 1988, 1471; Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EuGHE 1997, I-745; Urt. v. 18.12.1997 - Rs. C-384/95 (Landboden Agrardienste), EuGHE 1997, I-7387. EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000. I-419. EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, I-419 (440, Rdnr. 8). Vgl. zur Auslegung von Richtlinienvorschriften: Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 45 ff.; Lutter, JZ 1992, 593 (598 ff.). Vgl. zur Auslegung deutschen Rechts: Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 312 ff.; Larenz!Canaris, Methodenlehre (Studienausgabe), 1995, S. 133 ff. Vgl. Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 45 f.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

beachten, dass der EuGH von einer autonomen europäischen Auslegung ausgeht, d.h. der EuGH orientiert sich bei der Auslegung des europäischen Rechts nach Möglichkeit nicht an den Vorschriften der Mitgliedstaaten. 8

a)

Grammatikalische Auslegung

Ebenso wie im Völker- und innerstaatlichen Recht gilt als erster Grundsatz, dass der Text in seinem Wortlaut zunächst einmal aus sich selbst auszulegen ist. 9 Somit ist zunächst der Wortlaut der Richtlinie zu betrachten. Unzweifelhaft unternehmerfähig sind zunächst natürliche Personen. Dies ist bereits Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie zu entnehmen: In dieser Regelung wird in bestimmten Fällen die Selbständigkeit und somit die Steuerpflichtigeneigenschaft natürlicher Personen ausgeschlossen. Eine solche Ausschlussvorschrift wäre entbehrlich, wenn natürliche Personen von vornherein nicht die Fähigkeit besäßen, Steuerpflichtige i.S. der Richtlinie zu sein. Interessanter ist jedoch die Frage, welche Strukturen eine Personenvereinigung aufweisen muss, um Unternehmer bzw. Steuerpflichtiger sein zu können. Wenn man einzelne Vorschriften der 6. EG-Richtlinie betrachtet wird deutlich, dass im Zusammenhang mit der Frage der Unternehmerfähigkeit häufig von ,,Personen" gesprochen wird: Nach Art. 4 Abs. 3 können Mitgliedstaaten auch solche "Personen" als Steuerpflichtige betrachten, die gewisse Leistungen erbringen. Auch Art. 21 der 6. EG-Richtlinie spricht von ,,Personen" im Hinblick auf den Steuerschuldner. Diese beiden Vorschriften legen zunächst einmal den Schluss nahe, dass neben den natürlichen Personen nur juristische Personen Steuerpflichtige sein können. 10

8 Vgl. Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 49, mit dem Hinweis auf EuGH, Urt. v. 13.12.1979- Rs. 44179 (Hauer), EuGHE 1979, 3727 (3743 f., Rdnr. 11); Urt. v. 3.10.1985- Rs. 249/84 (Profant), EuGHE 1985, 3237 (3257, Rdnr. 23 f.); Urt. v. 15.6.1989- Rs. 348/87 (SUFA), EuGHE 1989, 1737 (1752 f., Rdnr. 12 ff.); dazu auch: Everling, ZGR 1992,376 (386). 9 Vgl. Oppermann, Europarecht, 1999, Rdnr. 682; Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 50, mit dem Hinweis auf EuGH, Urt. v. 8.11.1977 - Rs. 36177 (AIMNGRECO), EuGHE 1977,2059 (2070 ff., Rdnr. 7/12 ff.); Urt. v. 12.7.1979- Rs. 260178 (Maggi), EuGHE 1979, 2693 (2700 f., Rdnr. 3 ff.); Urt. v. 10.12.1985 - Rs. 290/84 (Hauptzollamt Schweinfurt), EuGHE 1985, 3909 (3929, Rdnr. 15); Urt. v. 13.12.1989- Rs. C-1/89 (Raab), EuGHE 1989,4423 (4435 ff., Rdnr. 12 ff.). 10 Darauf weist auch Stadie (in: Rau/DUrrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2 Rdnr. 100) hin.

35

Unternehmerfähigkeit

Gegen diese Auslegung spricht jedoch eindeutig der Wortlaut des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-Richtlinie. 11 Danach befreien die Mitgliedstaaten unter gewissen Voraussetzungen die Dienstleistungen von der Steuer, welche "die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist, oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind", an ihre Mitglieder erbringen. Eine solche Ausschlussvorschrift wäre überflüssig, wenn Dienstleistungen von Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder ohnehin nicht steuerbar wären, da ihnen die Fähigkeit fehlt, Steuerpflichtiger i.S. der Richtlinie zu sein. Die Auslegung allein anband des Wortlauts der Richtlinienbestimmungen ist mithin für die Frage nach der Unternehmerfähigkeit von Personenvereinigungen wenig ergiebig.

b)

Teleologische Auslegung

Im Vordergrund der Auslegungsmethoden des EuGH steht die teleologische Auslegung 12 , die auf den Sinn und Zweck der einschlägigen Gemeinschaftsnormen als solche abstellt. 13 Die teleologische Auslegungsmethode kann einzelne Bestimmungen, den gesamten Rechtsakt oder aber dessen Abschnitte als Bezugseinheiten verwenden, deren Zweck zu ermitteln ist. Ihre überragende Bedeutung hat die teleologische Auslegung jedoch durch die Orientierung an den Vertragszielen erlangt. 14 Es ist mithin der Zweck der europäischen Harmonisierung der Umsatzsteuer darzulegen. Nach Art. 93 EG (Art. 99 EGV) erlässt der Rat Bestimmungen u.a. zur Harmonisierung der Umsatzsteuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist. Das Ziel des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft besteht also u.a. in der Errichtung und dem Funktionieren eines Binnenmarktes. Ein Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist die Harmonisierung der Umsatzsteuern. Nach der Präambel der 1. EG-Richtlinie besteht der Zweck der Harmonisierung darin, die Wettbewerbsbedingungen nicht zu verfälschen und den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im Gemeinsamen Markt nicht zu behindern.

11 So auch Stadie, in: Rau/Dtirrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2 Rdnr. 100. 12 Vgl. Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 52. 13 Vgl. Oppermann, Europarecht, 1999, Rdnr. 685, mit dem Verweis auf EuGH, Urt. v. 17.11.1983- Rs. 292/82 (Merck), EuGHE 1983,3781 (3792, Rdnr. 12). 14 Vgl. Beutler!Bieber!Pipkorn!Streil, Europäische Union, 2001, Rdnr. 536.

36

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

Dies spricht dafür, dass nur derjenige von den Mehrwertsteuer-Richtlinien erfasst wird, der am Markt und somit am Wettbewerb teilnehmen kann, also jemand, der Waren liefern und Dienstleistungen erbringen kann. Weiterführende Argumente sind jedoch durch die teleologische Auslegung nicht zu gewinnen.

c)

Historische Auslegung

In der Rechtsprechung des EuGH spielt die historische Auslegung von Richtlinien nur eine begrenzte Rolle. 15 Dies ist dadurch zu begründen, dass der Entstehungsgeschichte der Richtlinien insbesondere wegen des Kornpromisscharakters und der unterschiedlichen Vorverständnisse der Mitgliedstaaten wenig Verbindlichkeit zugesprochen wird. 16 Zur historischen Auslegung kann man insbesondere amtliche Begründungen und Materialien wie Protokollerklärungen oder Vorgängerrichtlinien heranziehen.17 Betrachtet man die Fünfte Begründungserwägung zur 6. EG-Richtlinie 18 , nach der es den Mitgliedstaaten gestattet wird, "Personen" in den Anwendungsbereich Umsatzsteuer einzubeziehen, die gelegentliche Umsätze bewirken, so spricht dies für das zunächst im Rahmen der grammatikalischen Auslegung gefundene und später verworfene Ergebnis, dass nur natürliche und juristische Personen Steuerpflichtige sein können. Zu diesem Schluss verleitet auch die Protokollerklärung zu Art. 4 19 , die davon spricht, ,,Personen" der Mehrwertsteuer zu unterwerfen. Wie oben erläutert, ist dieses Ergebnis der historischen Auslegung jedoch nicht mit anderen Vorschriften der 6. EG-Richtlinie zu vereinbaren. 20 Da aber der 6. EG-Richtlinie insbesondere die 2. EG-Richtlinie vorausging, erscheint es sinnvoll, auch die Vorgängervorschrift des Art. 4 der 2. EGRichtlinie zu betrachten.

15 Vgl. Oppennann, Europarecht, 1999, Rdnr. 687; Lutter, JZ 1992, 593 (599). 16 Vgl. Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 53; Beutler!Bieber!Pipkom!Streil, Europäische Union, 2001, Rdnr. 532; Lutter, JZ 1992, 593 (599). 17 Vgl. Lutter, JZ 1992,593 (600 f.). 18 Abgedruckt bei Lohse, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, Art. 4 der 6. USt-RL, s. 4/1. 19 Protokollerklärung in der Ratstagung am 17.5.1977 zur 6. USt-RL, abgedruckt bei Lohse, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Art. 4 der 6. USt-RL, S. 4/2. 20 Siehe oben, S. 35.

37

Unternehmerfahigkeit

Nach dieser Regelung gilt als Steuerpflichtiger, "wer [... ] Leistungen erbringt". Mithin wird auch hier die Fähigkeit des Steuerpflichtigen vorausgesetzt, umsatzsteuerliche Leistungen zu erbringen. Die historische Auslegung ergibt mithin, ebenso wie die teleologische, dass der "Steuerpflichtige" in der Lage sein muss, Leistungen zu erbringen. Weitere Merkmale der Unternehmerfähigkeit sind jedoch auch der historischen Auslegung nicht zu entnehmen.

d)

Systematische Auslegung

Auch die systematische Auslegung wird vom EuGH ständig praktiziert. 21 Bei der systematischen Auslegung geht es darum, Auslegungsargumente aus dem Zusammenhang herzuleiten, in dem die verschiedenen Normen zueinander stehen. 22 Hierzu sind die verschiedenen Vorschriften, die sich auf den "Steuerpflichtigen" beziehen, heranzuziehen. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie erklärt, dass nur diejenigen Lieferungen und Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, die ein Steuerpflichtiger ausführt. Diese Vorschrift stärkt das im Rahmen der teleologischen Auslegung gefundene Ergebnis, dass nach europäischem Umsatzsteuerrecht ein Steuerpflichtiger dazu fähig sein muss, zivilrechtliche Austauschverträge zu schließen. Für diese Annahme spricht weiterhin, dass nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie der Steuerpflichtige berechtigt ist, Mehrwertsteuer abzuziehen für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden. Der Steuerpflichtige muss also im Rahmen des Vorsteuerabzugs in der Lage sein, Ernpfauger eines Gegenstandes oder einer Dienstleistung zu sein. Auch dies setzt voraus, dass er Vertragspartner sein kann. 23 Fraglich ist, ob der Steuerpflichtige rechtsfähig im Sinn des bürgerlichen Rechts sein muss. Dagegen spricht jedoch die oben erwähnte Regelung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-Richtlinie: Danach können auch 21 Vgl. Oppermann, Europarecht, 1991, Rdnr. 684, mit dem Hinweis auf EuGH, Urt. v. 12.5.1964- Rs. 101/63 (Wagner), EuGHE 1964,417 (432 f.). 22 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre,§ 10, III, S. 52. 23 Vgl. zu diesem Argument im Hinblick auf die deutsche Umsetzungsvorschrift: Schön, DSUG 13 (1990), 81 (84 f.).

38

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

Personenzusammenschlüsse grundsätzlich steuerbare Leistungen erbringen. Das Personengesellschaftsrecht ist jedoch auf europäischer Ebene nicht so weit harmonisiert, dass jeder Personengesellschaft in den Mitgliedstaaten Rechtsfahigkeit zukäme. 24 Folglich ist nach der Richtlinie nicht davon auszugehen, dass die Unternehmerfahigkeit die zivilrechtliche Rechtsfahigkeit voraussetzt. Nach Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie ist der Steuerpflichtige verpflichtet, für die Lieferung von Gegenständen und die Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen oder eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt, eine Rechnung oder ein vergleichbares Dokument auszustellen. Diese Rechnung benötigt gern. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der 6. EGRichtlinie der andere Steuerpflichtige, um nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie das Recht auf Vorsteuerabzug auszuüben. Daraus kann man folgern, dass mit der Verpflichtung des Steuerpflichtigen, eine Rechnung auszustellen, ein Anspruch des empfangenden Steuerpflichtigen auf Erteilung der Rechnung korrespondiert. Ein solcher Anspruch verlangt einen Adressaten, gegen den dieser Anspruch auch durchsetzbar ist. Folglich ist auf beiden Seiten des Leistungsverhältnisses eine zumindest relative zivilrechtliehe Rechtsfahigkeit erforderlich. 25 Man wird also erwarten müssen, dass der Steuerpflichtige nach außen hin im Rechtsverkehr auftreten kann. Die weiteren Voraussetzungen für die Unternehmerfahigkeit i.S. der Richtlinie hängen von den Verpflichtungen ab, die die Richtlinie dem Steuerpflichtigen auferlegt. Gern. Art. 21 Nr. l Buchst. a Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie schuldet grundsätzlich der Steuerpflichtige, der die Lieferung erbringt bzw. die Dienstleistung ausführt, die Mehrwertsteuer. Daraus könnte man folgern, dass für den Fall der Vollstreckung ein Sondervermögen der Personenvereinigung oder zumindest eine gesetzliche Haftungsordnung der Mitglieder, die den Vollstreckungszugriff ermöglicht, unverzichtbar ist. 26 Hier ist jedoch zu beachten, dass nach Art. 21 Nr. 1 Buchst. a Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie die Mitgliedstaaten bestimmen können, dass eine andere Person als der Steuerpflichtige die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat. Folglich kann der Mit24 Vielmehr sind die Personengesellschaften noch nicht in den Prozess der europäischen Rechtsangleichung integriert worden, da es in den einzelnen Mitgliedstaaten noch gravierende Differenzen im Personengesellschaftsrecht gibt; vgl. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2000, Rdnr. 815. 25 Vgl. zu diesem Argument im Hinblick auf die deutsche Umsetzungsvorschrift: Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 92. 26 Dies fordert Schön [DStJG 13 (1990), 81 (85)] flir die Unternehmerfälligkeit im Hinblick auf die deutsche Umsetzungsvorschrift des § 13 Abs. 2 UStG

39

Unternehmerfähigkeit

gliedstaat eine Regelung treffen, nach welcher andere Personen als der Steuerpflichtige die Steuer zu zahlen haben und somit auch für die Zwangsvollstreckung bereit stehen müssen. Demnach ist Art. 21 Nr. 1 der 6. EGRichtlinie nicht zu entnehmen, dass die Personenvereinigung ein Sondervermögen haben muss bzw. eine gesetzliche Haftungsordnung aufweisen muss. Nach Art. 22 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie ist der Steuerpflichtige zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Daneben muss er tauglicher Empfänger von Bescheiden sein. Um diese verwaltungsrechtliche Verpflichtung durchzusetzen, ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige nach öffentlichem Recht beteiligtenfahig sein muss. 27 Die systematische Auslegung ergibt also, dass der Steuerpflichtige i.S. der Richtlinie, wenn auch nicht rechtlich, so doch zumindest in tatsächlicher Hinsicht in der Lage sein muss, die Selbständigkeit einer rechtsfahigen Personenvereinigung auszuüben. Dazu ist eine relative zivilrechtliche Rechtsfahigkeit Voraussetzung. Die Vereinigung muss nach außen hin auftreten können. Eine öffentlich-rechtliche Beteiligtenfahigkeit ist unverzichtbar. Ob eine Personenvereinigung die genannten Voraussetzungen erfüllt, richtet sich nach nationalem Zivilrecht bzw. öffentlichem Recht. Unzweifelhaft sind juristische Personen unternehmerfahig. Dies ergibt sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie, da die dort normierte Organschaft jedenfalls juristische Personen betrifft. Ob darüber hinaus auch Personengesellschaften oder Bruchteilsgemeinschaften diese Voraussetzungen erfüllen, ist auf europäischer Ebene nicht zu beantworten: Obgleich bereits weite Teile des Rechts der Kapitalgesellschaften harmonisiert sind 28 , ist das europäische Gesellschaftsrecht bei weitem nicht so detailliert geregelt wie das Umsatzsteuerrecht Somit kann die Frage, welche Personenvereinigungen Unternehmerfahigkeit besitzen, für das europäische Umsatzsteuerrecht nicht abschließend beantwortet werden. Die Klärung obliegt dem Recht der Mitgliedstaaten.

3.

Zusammenfassung

Natürliche und juristische Personen besitzen die Fähigkeit, Steuerpflichtige i.S. der Richtlinie zu sein. Insoweit überzeugt die EuGH-Rechtsprechung. Welche Personenvereinigung darüber hinaus unternehmerfahig ist, richtet sich nach nationalem Recht. Die Vereinigung muss eine relative zivilrechtli27 Ebenso filr das deutsche Umsatzsteuerrecht Schön DStJG 13 (1990), 81 (85) 28 Vgl. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2000, Rdnr. 14.

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Die deutsche Umsetzung

ehe Rechtsfähigkeit besitzen; sie muss nach außen hin auftreten können. Ferner ist erforderlich, dass sie nach öffentlichem Recht beteiligtenfähig ist.

B.

Die deutsche Umsetzung

I.

§ 2 Abs. 1 UStG

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, "wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt". Gewerblich oder beruflich ist gern. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG "jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen[ ... ]".

II.

Auslegung

Die deutsche Umsetzungsvorschrift enthält, ebenso wie die europäische Vorgabe, einen weiten Interpretationsspielraum in der Frage, welchen Gebilden Unternehmerfähigkeit zukommt. § 2 Abs. 1 UStG lässt sich lediglich entnehmen, dass Unternehmer nur derjenige sein kann, der in der Lage ist, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben.

1.

Natürliche und juristische Personen

Unzweifelhaft können natürliche und juristische Personen solche Tätigkeiten ausüben, sie besitzen also Unternehmerfähigkeit. 29 Dies ist bereits § 2 Abs. 2 und 3 UStG zu entnehmen? 0

2.

Personengesellschaften

Weiterhin besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit dahin gehend, dass für die umsatzsteuerliche Unternehmerfähigkeit keine zivilrechtliche Rechtsfähigkeit vorausgesetzt wird? 1 Es wird jedoch die Fähigkeit gefor29 Allgemeine Ansicht, vgl. Völkel!Karg, Umsatzsteuer, 2001, S. 128; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 10; Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 90; Schuhmann, in: Hundt-Eßwein/Schuhmmm, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 17; Scharpenberg, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 118, 121; Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn!Lange, UStG, § 2, Rdnr. 26; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 27, 32; Schäfer!Gabriel, Umsatzsteuer, § 2, Amn I l. 30 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 90. 31 Vgl. RFH, Urt. v. 19.5.1930 - V A 525/29, RFHE 26, 348 (350); BFH, Urt. v. 9.12.1993- V R 108/91, BStBl. 1994 II, 483 (484); Urt. v. 21.4.1994- V R 105191, BStBl. 1994 II, 671 (672); Klenk, in: Sölch!Ring1eb, UStG, § 2, Rdnr. 10; Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 91; Schuhmann, in: HundtEßwein/Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 10; Schuhmann, in: Of-

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Die deutsche Umsetzung

ehe Rechtsfähigkeit besitzen; sie muss nach außen hin auftreten können. Ferner ist erforderlich, dass sie nach öffentlichem Recht beteiligtenfähig ist.

B.

Die deutsche Umsetzung

I.

§ 2 Abs. 1 UStG

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, "wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt". Gewerblich oder beruflich ist gern. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG "jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen[ ... ]".

II.

Auslegung

Die deutsche Umsetzungsvorschrift enthält, ebenso wie die europäische Vorgabe, einen weiten Interpretationsspielraum in der Frage, welchen Gebilden Unternehmerfähigkeit zukommt. § 2 Abs. 1 UStG lässt sich lediglich entnehmen, dass Unternehmer nur derjenige sein kann, der in der Lage ist, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben.

1.

Natürliche und juristische Personen

Unzweifelhaft können natürliche und juristische Personen solche Tätigkeiten ausüben, sie besitzen also Unternehmerfähigkeit. 29 Dies ist bereits § 2 Abs. 2 und 3 UStG zu entnehmen? 0

2.

Personengesellschaften

Weiterhin besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit dahin gehend, dass für die umsatzsteuerliche Unternehmerfähigkeit keine zivilrechtliche Rechtsfähigkeit vorausgesetzt wird? 1 Es wird jedoch die Fähigkeit gefor29 Allgemeine Ansicht, vgl. Völkel!Karg, Umsatzsteuer, 2001, S. 128; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 10; Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 90; Schuhmann, in: Hundt-Eßwein/Schuhmmm, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 17; Scharpenberg, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 118, 121; Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn!Lange, UStG, § 2, Rdnr. 26; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 27, 32; Schäfer!Gabriel, Umsatzsteuer, § 2, Amn I l. 30 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 90. 31 Vgl. RFH, Urt. v. 19.5.1930 - V A 525/29, RFHE 26, 348 (350); BFH, Urt. v. 9.12.1993- V R 108/91, BStBl. 1994 II, 483 (484); Urt. v. 21.4.1994- V R 105191, BStBl. 1994 II, 671 (672); Klenk, in: Sölch!Ring1eb, UStG, § 2, Rdnr. 10; Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 91; Schuhmann, in: HundtEßwein/Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 10; Schuhmann, in: Of-

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Unternehmerfähigkeit

dert, als solches am Rechtsverkehr teilzunehmen, also nach außen in Erscheinung zu treten. 32 Grundsätzlich wird Personengesellschaften Unternehmerfähigkeit zugesprochen: So sind die (nach außen auftretende) Gesellschaft bürgerlichen Rechts 33 , die OHG und die KG unternehmerfähig. 34 Hingegen wird für Innengesellschaften, wie z.B. die stille Gesellschaft, mangels Auftreten nach außen die Unternehmerfähigkeit abgelehnt. 35

3.

Bruchteilsgemeinschaften

Uneinheitlich wird die Frage beantwortet, ob die Bruchteilsgemeinschaft als solche für Zwecke des Umsatzsteuerrechts Unternehmer sein kann. Die hM, der auch der BFH folgt, geht davon aus, dass Bruchteilsgemeinschaften Unternehmerfähigkeit besitzen. 36

32

33 34

35

36

42

ferhaus/Söhn!Lange, UStG, § 2, Rdnr. 11; Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 69; Radeiesen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 33; Schäfer!Gabriel, Umsatzsteuer, § 2, Anm. I 1. Vgl. BFH, Urt. v. 27.8.1970- V R 72/66, BStBI. 1970 II, 833 (834); Urt. v. 26.1.1984 -V R 65/76, BStBI. 1984 II, 231 (232); Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 10; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 91; Ratkisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 33; Schäfer!Gabriel, Umsatzsteuer, § 2, Anrn. I 1. Vgl. hierzu eingehend Hailer, UVR 1989, 163 ff. Vgl. Völkel!Karg, Umsatzsteuer, 2001, S. 128; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 25; Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 98; Schuhmann, in: Hundt-Eßwein/Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 17; Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn!Lange, UStG, § 2, Rdnr. 26; Reiß, in: Reiß/Kraeuse11Langer, UStG, § 2, Rdnr. 78; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 33; zur Unternehmerfähigkeit der EWIV vgl. Jusek, UVR 1991, 135 (136 f.). Vgl. BFH, Urt. v. 26.5.1955- V 104/54 S, BStBI. 1955 III, 234; Urt. v. 11.11.1965- V 146/63 S, BStBI. 1966 III, 28; Urt. v. 12.2.1970- V R 50/66, BStBI. 1970 II, 477; Urt. v. 27.5.1982- V R 110,111/81, BStBI. 1982 II, 678 (679); Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 28 f.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 103 f.; Schuhmann, in: Hundt-Eßwein/Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 17; Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn!Lange, UStG, § 2, Rdnr. 27; Schäfer!Gabriel, Umsatzsteuer, § 2, Anm. I 1. Vgl. BFH, Urt. v. 24.10.1974 - V R 29174, BStBI. 1975 II, 396 (397); Urt. v. 26.11.1987- V R 85/83, BStBI. 1988 II, 158 (159 f.); Urt. v. 25.3.1993- V R 42/89, BStBI. 1993 II, 729; Urt. v. 29.4.1993 - V R 38/89, BStBI. 1993 II, 734; Urt. v. 27.4.1994- XI R 91, 92/92, BStBI. 1994 II, 826 (827); Urt. v. 27.4.1994- XI R 85/92, BStBI. 1995 II, 30 (31 f.); Urt. v. 27.6.1995- V R 36/94, BStBI. 1995 II, 915 (916); Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 27; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 25; Schuhmann, in: Hundt-Eßwein/Schuhmmm, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 37;

Die deutsche Umsetzung

Für diese Annahme spricht, dass das UStG an manchen Stellen "Gemeinschaften" erwähnt. So werden in§ 4 Nr. 14 Satz 2 UStG bestimmte Leistungen von Gemeinschaften steuerfrei gestellt. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG spricht von Lieferungen und sonstigen Leistungen, die Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens ausführen. Diese Vorschriften verleiten zu der Annahme, der Gesetzgeber habe Bruchteilsgemeinschaften Unternehmerfähigkeit verleihen wollen. Dem hält jedoch die Gegenansicht entgegen, dass in diesen Vorschriften keine gesetzgeberische Wertung gesehen werden könne, da der Begriff der Gemeinschaft lediglich deshalb aufgenommen worden sei, weil die Rechtsprechung Gemeinschaften die Unternehmerfähigkeit zuspreche. 37 Mithin ist die Frage der Unternehmerfähigkeit - ebenso wie im europäischen Recht- durch Auslegung zu ermitteln. Um eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuführen, muss die Vereinigung dazu in der Lage sein, steuerbare Umsätze zu erbringen. Diese liegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in der Ausführung von Lieferun'gen und sonstigen Leistungen. Auch die Regelung des § 15 UStG erfordert, dass der Unternehmer Empfänger von Leistungen sein kann. Der Unternehmer des nationalen Umsatzsteuerrechts muss demnach in der Lage sein, sowohl Erbringer als auch Empfänger einer Leistung zu sein. Er muss also die Fähigkeit besitzen, Partner von zivilrechtliehen Austauschverträgen zu sein. 38 Für das deutsche Recht ist § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG unmittelbar ein Anspruch des empfangenden Unternehmers gegen den leistenden Unternehmer auf Ausstellung einer Rechnung zu entnehmen. Dies erfordert auf beiden Seiten eine zumindest relative zivilrechtliche Rechtsfähigkeit. 39 Ebenso wie auf Ebene der Richtlinie ist der Verpflichtung des Unternehmers nach § 18 UStG auf Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung und einer Umsatzsteuererklärung verfahrensrechtlich eine gewisse öffentlichrechtliche Beteiligtenfähigkeit zu entnehmen. Eine solche Beteiligtenfähigkeit ist auch erforderlich, um tauglicher Empfänger von Steuerbescheiden zu sein. 40

37 38 39 40

Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2, Rdnr. 26; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 33. Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 109. Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 108; Schön, DStJG 13 (1990), 81 (84 f.). Vgl. Schön, DStJG 13 (1990), 81 (85). Vgl. Schön, DStJG 13 (1990), 81 (85).

43

Untemehmerfahigkeit

Im Unterschied zur Richtlinienbestimmung 41 ist der Unternehmer für den Fall des Ausführens umsatzsteuerlicher Umsätze gern. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG zwangsläufig Steuerschuldner. Dies erfordert, dass die Umsatzsteuerforderung ggf. auch in der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Daher ist nach nationalem Umsatzsteuerrecht ein Sondervermögen oder jedenfalls eine gesetzliche Haftungsordnung der Personenvereinigung erforderlich.42 Ob Bruchteilsgemeinschaften nach nationalem Recht die Fähigkeit haben, Unternehmer zu sein, ist mithin danach zu beurteilen, ob sie die genannten Voraussetzungen erfüllen. Die Bruchteilsgemeinschaft ist nach deutschem Zivilrecht eine schlichte Rechtsgemeinschaft. 43 Zivilrechtlich kann sie nicht Trägerin eines Unternehmens sein. 44 Die Gemeinschaft ist nicht fähig, Trägerin von Rechten und Pflichten zu sein und nimmt weder selbst noch durch Vertreter am Rechtsverkehr teil. 45 Mithin kann sie nicht Partner von Schuldverhältnissen sein. Sie kann weder Leistungen erbringen oder empfangen noch Rechnungen ausstellen. 46 Ferner ist die Bruchteilsgemeinschaft nach nationalem Verwaltungsrecht, das hierzu ein Mindestmaß an Organisation verlangt47 , nicht beteiligtenfähig.4s Schließlich fehlt bei einer Bruchteilsgemeinschaft i.S.v. § 741 BGB ein Sondervermögen der Gemeinschaft. 49 Auch existiert keine zivilrechtliche Haftungsordnung für die Mitglieder der Gemeinschaft: Kein Gemeinschafter kann Verträge über Maßnahmen, die zur Erhaltung des gemeinschaftlichen

41 Siehe oben, S. 38 f. 42 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG. § 2, Rdnr. 92; Schön, DSUG 13 (1990), 81 (85). 43 Vgl. Kraft!Kreutz, Gesellschaftsrecht, 2000, C I 2, S. 108; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1997, § 1 I 2, S. 7. 44 Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum BGB, 1997, § 741, Rdnr. 23; Langhein, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, 1996, § 741, Rdnr. 160. 45 Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum BGB, 1997, § 741, Rdnr. 3. 46 Vgl. Schön, DStJG 13 (1990), 81 (87); ähnlich: Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG. § 2, Rdnr. 83. 47 Vgl. Bader!Funke-Kaiser!Kuntzelvon Albedyll, VwGO, 1999, § 61, Rdnr. 8, mw.N. 48 Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 2000, § 61, Rdnr. 9; RedekerlVon Oertzen, VwGO, 2000, § 61, Rdnr. 4,jewei1s mw.N. 49 Vgl. K. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum BGB, 1997, § 741, Rdnr. 2.

44

Zwischenergebnis

Gegenstandes erforderlich sind, mit Wirkungen für die anderen abschließen; er ist auf interne Ausgleichszahlungen angewiesen. 50 Somit erfüllt die Bruchteilsgemeinschaft nicht die Voraussetzungen, die nach dem UStG an die Unternehmerfähigkeit gestellt werden. Folglich ist die oben angeführte hM abzulehnen: Die Bruchteilsgemeinschaft besitzt nicht die Fähigkeit, Unternehmer i.S. des Umsatzsteuerrechts zu sein. 51

C.

Zwischenergebnis

Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 UStG ist die Unternehmerfähigkeit betreffend mit Art. 4 der 6. EG-Richtlinie vereinbar. Ebenso ist die deutsche Auslegung, dass natürliche und juristische Personen Unternehmerfähigkeit besitzen, richtlinienkonform. Da dem europäischen Recht keine endgültigen Aussagen zu entnehmen sind, ob Personengesellschaften Unternehmerfähigkeit zukommt, ist anhand nationalem Zivilrecht zu ermitteln, ob Personengesellschaften die oben gefundenen Anforderungen erfüllen: Innengesellschaften treten nicht nach außen auf und sind somit nicht unternehmerfähig. Für Personenhandelsgesellschaften ergibt sich die Fähigkeit, am Rechtsverkehr teilzunehmen, aus § 124 HGB. Auch BOB-Gesellschaften können im Rechtsverkehr als solche unter eigenem Namen auftreten, d.h. als Außengesellschaften eigene Verpflichtungen eingehen, für die die Gesellschafter haften; die Vertretungsregeln ermöglichen die Teilnahme am Besteuerungsverfahren. 52 Somit ist die zum UStG ganz hM hinsichtlich der Unternehmerfähigkeit von Personengesellschaften richtlinienkonform. Dies gilt jedoch nicht für die hM im Hinblick auf Bruchteilsgemeinschaften: Die genannten Kriterien im deutschen Umsatzsteuerrecht entsprechen im Wesentlichen denen der Richtlinie. Demzufolge lässt sich zusammenfassen, dass die herrschende Auffassung, dass Bruchteilsgemeinschaften Unternehmerfähigkeit besitzen, weder national umsatzsteuerrechtlich richtig noch mit der Richtlinie vereinbar ist. Gemeinschaften besitzen keine Unternehmerfähigkeit und können somit keine steuerbaren Umsätze erbringen.

50 Vgl. Langhein, in: Staudinger, Kommentar zumBGB, 1996, § 744, Rdnr. 35 ff. 51 So auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 108; Reiß, in: Reiß/Kraeuse!!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 83; Schön, DStlG 13 (1990), 81 (87). 52 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 99.

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Zwischenergebnis

Gegenstandes erforderlich sind, mit Wirkungen für die anderen abschließen; er ist auf interne Ausgleichszahlungen angewiesen. 50 Somit erfüllt die Bruchteilsgemeinschaft nicht die Voraussetzungen, die nach dem UStG an die Unternehmerfähigkeit gestellt werden. Folglich ist die oben angeführte hM abzulehnen: Die Bruchteilsgemeinschaft besitzt nicht die Fähigkeit, Unternehmer i.S. des Umsatzsteuerrechts zu sein. 51

C.

Zwischenergebnis

Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 UStG ist die Unternehmerfähigkeit betreffend mit Art. 4 der 6. EG-Richtlinie vereinbar. Ebenso ist die deutsche Auslegung, dass natürliche und juristische Personen Unternehmerfähigkeit besitzen, richtlinienkonform. Da dem europäischen Recht keine endgültigen Aussagen zu entnehmen sind, ob Personengesellschaften Unternehmerfähigkeit zukommt, ist anhand nationalem Zivilrecht zu ermitteln, ob Personengesellschaften die oben gefundenen Anforderungen erfüllen: Innengesellschaften treten nicht nach außen auf und sind somit nicht unternehmerfähig. Für Personenhandelsgesellschaften ergibt sich die Fähigkeit, am Rechtsverkehr teilzunehmen, aus § 124 HGB. Auch BOB-Gesellschaften können im Rechtsverkehr als solche unter eigenem Namen auftreten, d.h. als Außengesellschaften eigene Verpflichtungen eingehen, für die die Gesellschafter haften; die Vertretungsregeln ermöglichen die Teilnahme am Besteuerungsverfahren. 52 Somit ist die zum UStG ganz hM hinsichtlich der Unternehmerfähigkeit von Personengesellschaften richtlinienkonform. Dies gilt jedoch nicht für die hM im Hinblick auf Bruchteilsgemeinschaften: Die genannten Kriterien im deutschen Umsatzsteuerrecht entsprechen im Wesentlichen denen der Richtlinie. Demzufolge lässt sich zusammenfassen, dass die herrschende Auffassung, dass Bruchteilsgemeinschaften Unternehmerfähigkeit besitzen, weder national umsatzsteuerrechtlich richtig noch mit der Richtlinie vereinbar ist. Gemeinschaften besitzen keine Unternehmerfähigkeit und können somit keine steuerbaren Umsätze erbringen.

50 Vgl. Langhein, in: Staudinger, Kommentar zumBGB, 1996, § 744, Rdnr. 35 ff. 51 So auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 108; Reiß, in: Reiß/Kraeuse!!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 83; Schön, DStlG 13 (1990), 81 (87). 52 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 99.

45

Kapitel4- Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen Im Unterschied zu dem vorangegangenen Abschnitt geht es in diesem Kapitel nicht um die abstrakte Frage, wer die Fähigkeit besitzt, Umsatzsteuerptliehtiger zu sein, sondern um die Tätigkeit, die ein unternehmerfähiges Gebilde ausüben muss, um im konkreten Fall als Unternehmer bzw. Steuerpflichtiger eingeordnet zu werden.

A.

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

Zunächst ist auf die Tatbestandsmerkmale einzugehen, die unabhängig vom Inhalt der Tätigkeit sind und hier als "Rahmenbedingungen" bezeichnet werden. Der Begriff der wirtschaftlichen bzw. der unternehmerischen Tätigkeit wird im darauf folgenden Unterkapitel erörtert.

I.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

1.

Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt derjenige, "wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis", als Steuerpflichtiger. 1

2.

Auslegung

Wie sind die Tatbestandsmerkmale des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zu deuten? Was bedeutet es, eine Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort auszuüben, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis? Um diese Merkmale auszulegen, ist es erforderlich, den Absatz in seine Elemente zu zerlegen und diese einzeln zu interpretieren.

a)

Tätigkeit "unabhängig von ihrem Ort"?

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine bestimmte Tätigkeit "unabhängig von ihrem Ort" ausübt. Unklar ist, wie der Passus "unabhängig von ihrem Ort" auszulegen ist.

1

Hervorhebungen nicht im Original.

47

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

aa)

Auslegung

Soweit erkennbar hat sich die EuGH-Rechtsprechung bislang zu diesem Thema nicht geäußert. Aus der Literatur hat sich - soweit ersichtlich - lediglich GIESBERTS mit dieser Frage beschäftigt. Der Wortlaut seiner harschen Kritik an der Fassung der Passage rechtfertigt eine wörtliche Wiedergabe: "Ein Logiker oder Germanist, dem schablonenhaftes Denken in Umsatzsteuerkategorien unbekannt ist, muß daraus [dem Wortlaut] zwingend folgern: Wer ortsabhängig wirtschaftlich tätig ist, kann nicht Unternehmer sein (z.B. Fabrikant, der durch eine Produktionsstätte ortsgebundene Güter produziert und vertreibt). Genau das besagt der Text, ist aber nicht gemeint. "2 Weitere Aussagen, wie die Stelle stattdessen auszulegen ist, trifft GIESBERTS jedoch nicht.

bb)

Stellungnahme

Die Ausführungen GIESBERTS' überzeugen: Mit diesem Passus kann nicht gemeint sein, dass nur derjenige Steuerpflichtiger i.S. der 6. EG-Richtlinie sein kann, der, in gewerbesteuerliehen Kategorien gedacht, ein Reisegewerbe betreibt oder ähnlich ortsunabhängig tätig ist. Der Wortlaut der Richtlinie scheint an dieser Stelle unglücklich gewählt. Wie aber ist dieser Satzteil auszulegen? Anders als im Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht gibt es im Umsatzsteuerrecht kein Nebeneinander von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. Gern. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie lösen- neben Einfuhren - nur inländische Umsätze die Umsatzsteuerpflicht aus, nur solche Umsätze unterliegen der objektiven Steuerpflicht. Dies wird technisch dadurch erreicht, dass an den Ort der Lieferung (Art. 8) oder Dienstleistung (Art. 9) angeknüpft wird. 3 Vor diesem Hintergrund kann man davon ausgehen, dass der Richtliniengeber mit der Passage "unabhängig von ihrem Ort" lediglich klarstellen wollte, dass es für die persönliche Steuerpflicht nicht auf den Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt, den Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder Ähnliches ankommt. Für diese Auslegung spricht auch der englische Wortlaut der Richtlinienvorschrift, wonach die wirtschaftliche Tätigkeit "in any place" (an irgendeinem Ort) ausgeführt werden kann.

2 3

48

Giesberts, UR 1989, 257 (259). Klammerzusatz nicht im Original. Vgl. Ja/wb, Umsatzsteuer, 1998, § 3, Rdnr. 8.

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

Demgemäß hätte der Richtliniengeber auf diesen Passus verzichten können. Zum Tatbestandsmerkmal "unabhängig von ihrem Ort" lässt sich somit zusammenfassend sagen, dass diese vom Wortlaut her unglücklich formulierte Wendung lediglich klarstellen soll, dass für die persönliche Steuerpflicht die Frage des Niederlassungsorts unerheblich ist.

b)

Umsatzsteuerbarkeit rechtswidriger Umsätze

Nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist der Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit unerheblich. Verschiedentlich hatte der EuGH Sachverhalte zu entscheiden, in denen die wirtschaftliche Tätigkeit auf illegale Geschäfte gerichtet war. Zum Teil nahm der EuGH in diesen Fällen Stellung zum Begriff des Steuerpflichtigen.

aa)

Rechtsprechung

Zum Verständnis der Rechtsprechung hinsichtlich der Behandlung illegaler Geschäfte ist es zweckmäßig, die Entwicklung dieser Jurisdiktion knapp zu skizzieren. Der EuGH hatte die Gelegenheit, sich nacheinander zunächst zur Frage des Zolls, dann zu der der Einfuhrumsatzsteuer und schließlich zur Problematik der Mehrwertsteuer (und damit zum Begriff des Steuerpflichtigen) zu äußern. 4

(1)

EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 50/80- "Horvath"

In dem 1981 entschiedenen Fall "Joszef Horvath gegen Hauptzollamt Hamburg-Jonas"5 hatte die Zollverwaltung für eine bestimmte aus einem Drittland eingeschmuggelte Menge an Heroin, das nach seiner Entdeckung beschlagnahmt und später vernichtet worden war, die Zahlung von Einfuhrzoll verlangt. 6

Der Gerichtshof führte aus, ein Wertzoll könne nicht auf Waren erhoben werden, die nach ihrer Natur in keinem der Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht werden dürften, sondern die nach der Entdeckung von den zuständigen Behörden zu beschlagnahmen und aus dem Verkehr zu ziehen seien. Es bleibe dem Mitgliedstaat unbenommen, die begangenen Zuwiderhandlungen strafrechtlich zu verfolgen und alle vom Strafrecht vorgesehenen Rechtsfol4

5 6

Lenz!Mölls, ZtZ 1992, 210 (211) sprechen von einer "geradezu Jogisehen Reihenfolge", in welcher die verschiedenen Fallgestaltungen an den EuGH heran getragen wurden. EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 50/80 (Horvath), EuGHE 1981,385. Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 50/80 (Horvath), EuGHE 1981, 385 (395, Rdnr. 2 ff.).

49

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

gen auch fmanzieller Art zu verhängen. Der Mitgliedstaat sei jedoch seit der Einführung des Gemeinsamen Zolltarifs nicht mehr befugt, Zölle auf eingeschmuggelte und nach ihrer Entdeckung vernichtete Betäubungsmittel zu erheben.7

(2)

EuGH, Urt. v. 26.10.1982 - Rs. 221/81 - "Wolf''; Urt. v. 26.10.1982 - Rs. 240/81 - "Einberger I"

Im Oktober 1982 entschied der EuGH am gleichen Tag die Fälle "Wilfried Wolf gegen Hauptzollamt Düsseldorf"8 und "Senta Einherger gegen Hauptzollamt Freiburg [1)" 9 • Beide Fälle berührten vergleichbare Sachverhalte. Sie unterschieden sich vom Fall "Horvath" 10 dadurch, dass die Drogen nicht vor ihrer illegalen Vermarktung vernichtet worden waren. Die vorlegenden Gerichte fragten an, ob der Umstand der Vernichtung der Betäubungsmittel für die Frage der Zollentstehung maßgeblich sei. 11 Der EuGH verneinte dies und entschied, eine Zollschuld entstehe nicht bei der Einfuhr von Betäubungs1nitteln, die nicht Gegenstand des von den zuständigen Stellen streng überwachten Vertriebs zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke seien. 12 Diese Ansicht begründete der EuGH in beiden Fällen damit, dass solche Betäubungsmittel zwangsläufig einem vollständigen Einfuhr- und Verkehrsverbot unterlägen. Daher seien Betäubungsmittel, die sich im illegalen Handel befänden, nicht zollpflichtig.l3

(3)

EuGH, Urt. v. 28.2.1984 - Rs. 294/82 - "Einberger II"

Auf Grund der vorgenannten Rechtsprechung legte das Finanzgericht Baden-Württemberg im Fall "Senta Einherger gegen Hauptzollamt Freiburg

7 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 50/80 (Horvath), EuGHE 1981,385 (398, Rdnr. 11, 15). 8 EuGH, Urt. v. 26.10.1982- Rs. 221/81 (Wolf), EuGHE 1982,3681. 9 EuGH, Urt. v. 26.10.1982- Rs. 240/81 (Einberger I), EuGHE 1982,3699. 10 EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 50/80 (Horvath), EuGHE 1981,385. 11 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.1982 - Rs. 221181 (Wolf), EuGHE 1982, 3681 (3688, Rdnr. 2 ff.) und Urt. v. 26.10.1982- Rs. 240181 (Einberger I), EuGHE 1982, 3699 (3704 f., Rdnr. 2 f.). 12 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.1982- Rs. 221/81 (Wolf), EuGHE 1982, 3681 (3691, Rdnr. 16) und Urt. v. 26.10.1982 - Rs. 240/81 (Einberger I), EuGHE 1982, 3699 (3707, Rdnr. 16). 13 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.1982- Rs. 221/81 (Wolf), EuGHE 1982, 3681 (3689 f., Rdnr. 10 ff.) und Urt. v. 26.10.1982- Rs. 240/81 (Einberger I), EuGHE 1982, 3699 (3706, Rdnr. 10 ff.).

50

Rahmenbedingungen der untemehmerischen Tätigkeit

[11]" 14 dem EuGH die weitere Frage vor, ob das Verbot der Einfuhr und des

Vertriebs von Betäubungsmitteln, durch das die Erhebung von Zöllen ausgeschlossen werde, nicht auch der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer entgegen stehe. 15 In dieser Rechtssache entschied der EuGH, dass bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in die Gemeinschaft, die nicht Gegenstand des erwähnten, in begrenztem Umfang zulässigen Verkehrs sind, keine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht. 16 Der EuGH stellte auf die Parallelität zwischen Zöllen und Umsatzsteuer ab. Er begründete seine Ansicht damit, dass das Ziel der UmsatzsteuerRichtlinien die Schaffung eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und insbesondere einer einheitlichen steuerlichen Bemessungsgrundlage auf Gemeinschaftsebene sei. Im vorliegenden Fall gehe es um Waren, deren Einführung in den Wirtschafts- und Handelskreislauf der Gemeinschaft per definitionem völlig ausgeschlossen sei. Zu den Bestimmungen der 6. EGRichtlinie über die Definition der Bemessungsgrundlage und somit zum Entstehen der Umsatzsteuerschuld stehe die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in keinerlei Beziehung. 17

(4)

EuGH, Urt v. 5.7.1988- Rs. 269/86- "Mol"; Urt v. 5.7.1988- Rs. 289/86 - "Happy Family"

Von der Umsatzsteuer für Lieferungen von Betäubungsmitteln innerhalb eines Mitgliedstaats und somit von der Frage des Zwecks der "wirtschaftlichen Tätigkeit" i.S.v. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie handelten die im Jahre 1988 am gleichen Tag entschiedenen Fälle "W. J. R. Mol gegen Inspecteur der lnvoerrechten en Accijnzen" 18 und "Vereniging Happy Family Rustenburgerstraat gegen Inspecteur der Omzetbelasting" 19 • Dabei ging es um die Frage, ob bei innerstaatlichen Lieferungen von Betäubungsmitteln eine Um-

14 EuGH, Urt. v.28.2.1984- Rs. 294/82 (Einberger II), EuGHE 1984, 1177. 15 V gl. EuGH, Urt. v. 28.2.1984 - Rs. 294/82 (Einberger II), EuGHE 1984, 1177 (1184 f., Rdnr. 1 ff.). 16 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.2.1984- Rs. 294/82 (Einberger II), EuGHE 1984, 1177 (1188, Rdnr. 22). 17 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.2.1984- Rs. 294/82 (Einberger II), EuGHE 1984, 1177 (1187 f., Rdnr. 16 ff.). 18 EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 269/86 (Mol), EuGHE 1988, 3627. 19 EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 289/86 (Happy Farnily), EuGHE 1988,3655.

51

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Satzsteuerschuld entsteht. 20 In der Sache "Happy Family" fragte das vorlegende Gericht dartiber hinaus, ob diese Frage anders zu beantworten sei, wenn die Justizbehörden eines Mitgliedstaats im Rahmen einer selektiven Strafverfolgungspolitik gegen den Kleinhandel mit Hanferzeugnissen nicht systematisch strafrechtlich vorgingen. 21 In den Urteilen vom 5. Juli 1988 entschied der EuGH, dass Art. 2 der 6. EGRichtlinie dahin gehend auszulegen ist, dass bei der unerlaubten Lieferung von Betäubungsmitteln, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird, keine Umsatzsteuerschuld entsteht, soweit diese Erzeugnisse nicht Gegenstand des von zuständigen Behörden streng überwachten Vertriebs zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke sind. 22 Der Gerichtshof begründete seine Ansicht vor allem mit der Zielsetzung der 6. EG-Richtlinie. Diese bestehe in der Harmonisierung bzw. Allgleichung des Umsatzsteuerrechts der Mitgliedstaaten im Interesse eines gemeinsamen Marktes. Die Einführung eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems solle zur effektiven Freizügigkeit der Personen, zur effektiven Liberalisierung des Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs beitragen und zur Verflechtung der Volkswirtschaften sowie zur Verwirklichung des gemeinsamen Marktes beitragen, auf dem ein gesunder Wettbewerb herrsche und der mit einem echten Binnenmarkt vergleichbare Merkmale aufweise. Der unerlaubte Handel mit Betäubungsmitteln im Inland könne nur Anlass zur Strafverfolgung geben und stehe somit ebenso wenig wie die unerlaubte Einfuhr dieser Betäubungsmittel in irgendeiner Beziehung zu den genannten Zielen der 6. EG-Richtlinie und somit zu dem Entstehen der Umsatzsteuerschuld. Auch den Grundsatz der steuerlichen Wertneutralität könne ein solcher Fall der Freistellung von der Mehrwertbesteuerung nicht berühren, da in einer derartigen besonderen Situation jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen sei. 23

20 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 269/86 (Mol), EuGHE 1988, 3627 (3647, Rdnr. 3) und Urt. v. 5.7.1988- Rs. 289/86 (Happy Family), EuGHE 1988, 3655 (3671, Rdnr. 5).

21 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 289/86 (Happy Family), EuGHE 1988,3655 (3672, Rdnr. 5). 22 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 269/86 (Mol), EuGHE 1988,3627 (3651, Rdnr. 21) und Urt. v. 5.7.1988 - Rs. 289/86 (Happy Family), EuGHE 1988, 3655 (3676, Rdnr. 23). 23 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 269/86 (Mol), EuGHE 1988, 3627 (3650, Rdnr. 14 ff.) und Urt. v. 5.7.1988- Rs. 289/86 (Happy Family), EuGHE 1988, 3655 (3675, Rdnr. 16 ff.).

52

Rahmenbedingungen der unternehrnerischen Tätigkeit

Ebenso könne aus der Definition des Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie nichts anderes gefolgert werden: Nach dieser Norm unterliege jede wirtschaftliche Tätigkeit der Mehrwertsteuer, "gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis" sie ausgeübt werde. Somit erfasse die Bestimmung allgemein wirtschaftliche Tätigkeiten, ohne zwischen erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten zu unterscheiden. Dies sei jedoch für die steuerliche Behandlung von Betäubungsmitteln ohne Bedeutung, da diese Erzeugnisse bereits von dem in Art. 2 der 6. EG-Richtlinie festgelegten Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen seien. 24 Im Fall "Happy Family" urteilte der EuGH, dass Erzeugnisse aus Hanf, für die nach den dem Gericht vorliegenden Akten in der Gemeinschaft ein vollständiges gesetzliches Einfuhr- und Verkehrsverbot gelte, ebenso wie andere Betäubungsmittel nicht der Umsatzsteuer unterfielen. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Behörden eines Mitgliedstaats im Rahmen einer selektiven Strafverfolgungspolitik gegen den Kleinhandel mit diesen Betäubungsmitteln nicht systematisch strafrechtlich vorgingen, da auch in diesem Mitgliedstaat der Handel mit Betäubungsmitteln aus Hanf illegal sei. 25

(5)

EuGH, Urt. v. 6.12.1990 - Rs. C-343/89 - "Witzemann"

In eine ähnliche Richtung wie die vorgenannten Urteile ging die EuGHEntscheidung im Fall "Max Witzemann gegen Hauptzollamt MünchenMitte"26. Dieser Sachverhalt handelte ähnlich wie die ,,Einberger"-Fälle27 von der Erhebung des Einfuhrzolls und der Einfuhrumsatzsteuer. Abweichend von diesen Rechtssachen hatte Max Witzemann keine Betäubungsmittel sondern Falschgeld nach Deutschland eingeführt. 28

Auch in diesem Fall verneinte der EuGH das Entstehen des Einfuhrzolls und der Einfuhrumsatzsteuer. Anders als im Fall der Einfuhr von Betäubungsmitteln, die für medizinische und wissenschaftliche Zwecke zulässig seien, gelte für Falschgeld in den Mitgliedstaaten ein absolutes Einfuhr- und Ver-

24 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 269/86 (Mol), EuGHE 1988, 3627 (3650, Rdnr. 19) und EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 289/86 (Happy Family), EuGHE 1988, 3655 (3675, Rdnr. 21). 25 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.7.1988- Rs. 289/86 (Happy Family), EuGHE 1988, 3655 (3677, Rdnr. 24 ff.). 26 EuGH, Urt. v. 6.12.1990- Rs. C-343/89 (Witzemann), EuGHE 1990,1-4477. 27 EuGH, Urt. v. 26.10.1982- Rs. 240/81 (Einberger 1), EuGHE 1982, 3699 und Urt. v. 28.2.1984- Rs. 294/82 (Einberger II), EuGHE 1984, 1177; siehe oben, S. 50 f. 28 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.12.1990- Rs. C-343/89 (Witzemann), EuGHE 1990, 1-4477 (4493, Rdnr. 2.).

53

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

kehrsverbot Die Argumentation in den vorgenannten Fällen gelte somit erst recht für die Einfuhr von Falschgeld. 29 (6)

EuGH, Urt. v. 2.8.1993- Rs. 111/92- "Lange"

Im Fall "Wilfried Lange gegen Finanzamt Fürstenfeldbruck"30 schließlich ging es unter anderem um die Frage, ob Auslandslieferungen entgegen nationaler Embargovorschriften in den Anwendungsbereich der 6. EGRichtlinie fallen. 31 Hier entschied der EuGH, alleine ein Verbot, bestimmte Waren wegen ihrer möglichen Verwendung zu strategischen Zwecken in ganz bestimmte Gebiete auszuführen, genüge für sich genommen nicht, um die Ausfuhren dieser Waren aus dem Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie herausfallen zu lassen. Im Unterschied zu den vorgenannten Fällen verstoße ein Ausklammem dieser Umsätze aus der 6. EG-Richtlinie gegen den Grundsatz der steuerlichen Wertneutralität Dieser Grundsatz verbiete eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften mit Ausnahme der Fälle, in denen auf Grund besonderer Merkmale bestimmter Waren jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen sei. Eine solche Ausnahme sei jedoch vorliegend nicht gegeben. Demgemäß falle eine Auslandslieferung entgegen nationaler Embargovorschriften in den Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie.32 (7)

Neuere Rechtsprechung

Seit 1998 hatte der EuGH gleich fünfmal die Gelegenheit, sich zur Umsatzsteuerbarkeit illegaler Geschäfte zu äußern und somit die dargestellte Rechtsprechung zu bestätigen. In der Rechtssache "Strafverfahren gegen John Charles Goodwin und Edward Thomas Unstead"33 bejahte der EuGH die Umsatzsteuerpflicht des Vertriebs nachgemachter Parfümeriewaren unter Verstoß gegen gewerbliche Schutzrechte, da es sich nicht um Waren handele, deren Vermarktung wegen ihres Wesens oder ihrer besonderen Eigenschaften untersagt sei. Auch sei ein Wettbewerb zwischen nachgeahmten und solchen Erzeugnissen, die sich 29 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.12.1990 - Rs. C-343/89 (Witzernann), EuGHE 1990, 1-4477 (4496 f., Rdnr. 15 f., 20 f.). 30 EuGH, Urt. v. 2.8.1993- Rs. C-111/92 (Lange), EuGHE 1993,1-4677. 31 Vgl. EuGH, Urt. v. 2.8.1993- Rs. C-111/92 (Lange), EuGHE 1993, 1-4677 (4700 ff., Rdnr. 2 ff.). 32 Vgl. EuGH, Urt. v. 2.8.1993- Rs. C-111192 (Lange), EuGHE 1993, 1-4677 (4703 f., Rdnr. 16 f.). 33 EuGH, Urt. v. 28.5.1998- Rs. C-3/97 (Goodwin und Unstead), EuGHE 1998, 1-3257.

54

Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit

rechtmäßig im Handel befänden, nicht ausgeschlossen, da es einen rechtmäßigen Markt für Parfümeriewaren gebe, der gerade von den nachgeahmten beeinträchtigt werde. 34 Mit den gleichen Erwägungen begründete der EuGH in dem Verfahren "Karlheinz Fischer gegen Finanzamt Donaueschingen"35 die Umsatzsteuerbarkeit der Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels 36 und in der Entscheidung "Tullihallitus gegen Kaupo Salumets u.a .•m die Umsatzsteuerbarkeit des Handels mit geschmuggeltem Ethylalkohol38 . Zu Gunsten des Steuerpflichtigen urteilte der EuGH in der Rechtssache "Card Protection Plan Ltd. (CPP) gegen Commission of Customs & Excise"39: Der Vertrieb von Versicherungsleistungen ohne die erforderliche Genehmigung unterfalle zwar der Mehrwertsteuerpflicht, sei aber, entsprechend dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, ebenso steuerfrei wie die Leistung konzessionierter Versicherungsuntemehmen. 40 In der Rechtssache "Staatssecretaris van Financien gegen Coffeeshop , Siberie' vof"41 ging es um die Frage, ob der Inhaber eines niederländischen Coffeshops, der einen Tisch an einen Drogendealer vermietete, hinsichtlich dieser Mieteinnahmen der Umsatzsteuer unterfalle. Hier entschied der EuGH, die Nichtbesteuerung der verbotenen, wenn auch geduldeten Drogengeschäfte ziehe nicht auch eine Nichtbesteuerung der Tischvermietung nach sich. Da die Tischvermietung grundsätzlich erlaubt sei und hier auch ein Wettbewerb existiere, sei es aus Gründen der Neutralität erforderlich, auch die Vermietung von Tischen an Drogendealer zu erfassen. 42

34 Vg1. EuGH, Urt. v. 28.5.1998- Rs. C-3/97 (Goodwin und Unstead), EuGHE 1998, 13257 (3271, Rdnr. 14 f.). 35 EuGH, Urt. v. 11.6.1998 - Rs. C-283/ 95 (Fischer), EuGHE 1998, 1-3369. 36 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.6.1998 - Rs. C-283/ 95 (Fischer), EuGHE 1998, 1-3369 (3396, Rdnr. 22 f.). 37 EuGH, Urt. v. 29.6.2000- Rs. C-455/98 (Salumets), EuGHE 2000, 1-4993. 38 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.6.2000- Rs. C-455/98 (Sa1umets), EuGHE 2000, I-4993 (5015, Rdnr. 23). 39 EuGH, Urt. v. 25.2.1999- Rs. C-349/96 (CPP), EuGHE 1999, 1-973. 40 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.2.1999 - Rs. C-349/96 (CPP), EuGHE 1999, 1-973 (1014 f., Rdnr. 35 f.). 41 EuGH, Urt. v. 29.6.1999- Rs. C-158/98 (Coffeeshop Siberie), EuGHE 1999, 1-3971. 42 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.6.1999- Rs. C-158/98 (Coffeeshop Siberie), EuGHE 1999, 13971 (3995 f., Rdnr. 21 ff.).

55

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

(8)

Zusammenfassung

Die Aussagen des EuGH aus den genannten Urteilen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1.

Wenn Erzeugnisse auf Grund besonderer Merkmale in allen Mitgliedstaaten systematisch verboten sind, so entsteht für die Einfuhren kein Einfuhrzoll und - da sie nicht in den Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie fallen- keine Einfuhrumsatzsteuer.

2.

Art. 4 Abs. I der 6. EG-Richtlinie, wonach jede wirtschaftliche Tätigkeit der Mehrwertsteuer unterliegt, "gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis" sie ausgeübt wird, unterscheidet für den Begriff des Steuerpflichtigen nicht zwischen erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten. Dies ist jedoch für die steuerliche Behandlung von Betäubungsmitteln ohne Bedeutung, da diese bereits von dem in Art. 2 der 6. EG-Richtlinie festgelegten Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen sind. Dies gilt auch dann, wenn die staatlichen Behörden eines Mitgliedsstaats auf Grund einer selektiven Strafverfolgungspolitik gegen den Kleinhandel mit bestimmten Betäubungsmitteln nicht systematisch strafrechtlich vorgehen.

3.

Mit Ausnahme der Fälle, in denen auf Grund besonderer Merkmale bestimmter Waren jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist, verbietet der Grundsatz der steuerlichen Werteneutralität eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften.

bb)

Literatur

Die Urteile des EuGH zur Frage der Besteuerung verbotswidrig eingeführter oder vertriebener Betäubungsmittel fanden in der deutschen Literatur eine starke Resonanz. Hier überwiegen ablehnende Stellungnahmen43 , Zustimmung gab es nur vereinzelt. 44

43 Zum Zoll: Vgl. Olbertz, Ztz 1981, 110; Hesse, ZtZ 1981, 110 f.; Olbertz, ZtZ 1983, 11; Hesse, ZtZ 1983, 12 f. Zur Einfuhrumsatzsteuer: Vgl. Hesse, Ztz 1984, 194 ff. Zur Mehrwertsteuer: Vgl. Schön, UStKongrBer 2001/02, 17 (39 f.); Widmann, UR 1989, 10 ff.; Weiß, UR 1989, 311 f.; Dziadkowski, StVj 1990, 326 (337 f.); Dziadkowski, UVR 1990, 195 (199 f.), Lohse!Spetzler, StVj 1990, 274 (280 ff.); Fischer, in: Hübschmann!Hepp/Spita1er, AO, § 40, Rdnr. 47 f. 44 Zum Zoll: V gl. Kaiser-Plessow, Ztz 1983, 11; Kareseit, Abgabengegenstand und Abgabenschuldner, 1990, S. 136, 138. Zur Einfuhrumsatzsteuer und zur Mehrwertsteuer: Vgl. Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 43.

56

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

Kritisiert wird das "schrittweise Vorgehen des Gerichts von Fall zu Fall "45 • WIDMANN stellt heraus, der EuGH sei vom Zoll über die Einfuhrumsatzsteuer zur Umsatzsteuer im Inland gelangt und habe dabei stets auf den alten Urteilen aufgebaut. So sei die Rechtsprechung zwar berechenbar, es bestehe jedoch kaum eine Chance, dass der Gerichtshof einen als falsch erkannten Ausgangspunkt verlasse. 46 Die Argumentation für die Einfuhrtatbestände sei zwar noch einigermaßen nachvollziehbar, die Übertragung der gleichen Argumentation auf das Inland jedoch nicht mehr. Die ungesetzliche Lieferung von Drogen erfülle nämlich ohne Zweifel den Wortlaut des Tatbestandes des Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie47 • Eine Einschränkung sei gerade da nicht vorgesehen. 48 Andere werfen in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob sich der EuGH an die ihm im Rahmen der Gewaltenteilung obliegende Anwendung und Auslegung des ihm vorgegebenen Rechts beschränkt hat oder ob er Recht geschaffen hat. 49 Wegen der Ausgrenzung des illegalen Drogenhandels aus dem Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie sei auch der Hinweis, Art. 4 der 6. EGRichtlinie unterscheide nicht zwischen legalem und illegalem Handeln, für den EuGH irrelevant gewesen. 50 DZIADKOWSKI sieht darin wird eine sehr bedenkliche Einengung des Unternehmerbegriffs. Durch die Ausgrenzung des illegalen Drogenhandels aus dem Anwendungsbereich des Art. 2 der 6. EG-Richtlinie verneine der EuGH auch die Unternehmereigenschaft des Drogenhändlers. 51 In diesem Zusammenhang wird die Frage aufgeworfen, ob die Grundsätze des EuGH auch für Geschäfte gälten, die zwar nicht ausdrücklich verboten seien, die aber nach allgemeiner Ansicht in allen Ländern als sittenwidrig anzusehen seien. 52 Indem der EuGH Drogen zurresextra commercium erkläre, vollende er eine Harmonisierung für verbotene Waren auf der Stufe Null. Die Besteuerung

45 Everling, DStJG 11 (1988), 51 (68). 46 Vgl. Widmann, UR 1989, 10. 47 Art. 2 der 6. EG-Richtlinie lautet: "Der Mehrwertsteuer unterliegen: 1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt [... ]". 48 Vgl. Widmann, UR 1989, 10. 49 Vgl. Lohse!Spetzler, StVj 1990, 284 (281). 50 Vgl. Widmann, UR 1989, 10 f. 51 Vgl. Dziadkowski, StVj 1989, 326 (337 f.). 52 Vgl. Widmann, UR 1989, 10 (11).

57

Tätigkeit des Umsatzsteuerptlichtigen

des Endverbrauchs als Ziel werde vom Gerichtshof in diesem Zusammenhang erst gar nicht erwähnt. 53 Schließlich weist WEm auf eine "bedenkliche Begründungsschwäche"54 der EuGH-Entscheidung hin: Einerseits betone der EuGH, dass der Drogenhandel nicht zum Regelungsbereich des EG-Rechts gehöre, andererseits äußere er sich zur Steuerbarkeit des Drogenhandels. Wenn er aber den Drogenhandel als nicht zum Regelungsbereich des EG-Rechts gehörend betrachte, dann habe er über die Nichtbesteuerung von Drogenhandel überhaupt nicht befinden dürfen. 55 SCHÖN stimmt dem EuGH teilweise zu: Soweit Waren oder Dienstleistungen einem erlaubten Wirtschaftsverkehr generell nicht zugänglich seien, unterlägen sie nicht dem Regelungszweck der Umsatzsteuer-Gesetzgebung der Gemeinschaft. Dies bedeute jedoch nicht, dass sie dadurch kraft Europarechts steuerfrei gestellt seien, sondern es könne nur heißen, dass die Mitgliedstaaten in der steuerlichen Erfassung dieser verbotenen Güter ihre Freiheit wiedergewönnen. 56 Uneingeschränkte Zustimmung findet das Ergebnis des EuGH lediglich bei REm. Er führt aus, die Umsatzsteuer solle als Verbrauchsteuer den Konsumenten und nicht den Händler belasten. Die Umsatzsteuer sei weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, das Strafrecht mit einer quasi steuerlichen Sanktion zu flankieren und eine steuerliche Gewinnabschöpfung beim Dealer vorzunehmen. Hier sei allein mit den strafrechtlichen Instituten des Verfalls (§§ 73 f. StGB) zu helfen. Insofern sei es richtig, dass der illegale Drogenhandel nicht der Umsatzsteuer unterliege. 57 Die ähnlich wie die Betäubungsmittel-Rechtsprechung begründete "Witzemann"-Entscheidung wurde von der Literatur- wenn auch nicht so zahlreich - eher kritisch betrachtet. 58 Die Frage, ob der EuGH in der Rechtssache "Lange" den Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie zutreffend ausgelegt hat, wurde von der deutschen Literatur offen gelassen. 59 Die erwähnte neue-

53 54 55 56 57

Vgl. Widmann, UR 1989, 10 (11). Weiß, UR 1989,311. Vgl. Weiß, UR 1989, 311 f. Vgl. Schön, UStKongrBer 2001/02, 17 (40). Vgl. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 43; ähnlich zur Frage des Zolls: Kareseit, Abgabengegenstand und Abgabenschuldner, 1990, S. 138. 58 Vgl. Olbertz, ZtZ 1992, 195 ff.; Lenz!Mölls, ZtZ 1992, 210 ff. (ausft.ihrliche, neutrale Analyse der Falschgeldentscheidung und ihrer Vorläufer). 59 Vgl. Weiß, UR 1994, 48 (49).

58

Rahmenbedingungen der untemehmerischen Tätigkeit

re EuGH-Rechtsprechung findet- die Steuerbarkeil der Umsätze betreffend - die Zustimmung des Schrifttums. 60

cc)

Stellungnahme

Den AussagenSCHÖNSund WEiß' ist insoweit zuzustimmen, als sie die Inkonsequenz der EuGH-Rechtsprechung aufzeigen. Wenn Waren und Dienstleistungen nicht dem Regelungszweck der Gemeinschaftsgesetzgebung unterliegen, so bedeutet dies nicht, dass die Warenkraft Buroparechts steuerfrei gestellt würden. Dennoch lassen sich keine vollständig überzeugenden Gründe anführen, weshalb der illegale Drogenhandel aus dem Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie auszugrenzen ist: Der EuGH argumentiert, das Ziel der 6. EG-Richtlinie liege in der Gewährleistung der Wettbewerbsneutralität Aus diesem Grund sei eine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten gestattet, wenn auf Grund der besonderen Merkmale bestimmter Waren jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen sei. Hierbei übersieht der EuGH, dass die 6. EG-Richtlinie neben dem Ziel der Gewährleistung der Wettbewerbsneutralität auch weitere Ziele verfolgt. Das primäre Ziel der 6. EGRichtlinie liegt darin, die Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu bewirken. Damit sollte zugleich die Möglichkeit geschaffen werden, die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaft zu ersetzen. 61 Durch die Ausklammerung der illegalen Umsätze würde eine Harmonisierung auf der Stufe Null verwirklicht, der dem fiskalischen Aspekt der Sicherung eigener Mittel der Gemeinschaft nicht gerecht wird. Vielmehr wird durch die 6. EG-Richtlinie jegliche unternehmefiseher Tätigkeit harmonisiert. 62 Auch Art. 2 der 6. EG-Richtlinie enthält- ebenso wie die übrigen Vorschriften der 2. und 6. EG-Richtlinie- keine Anhaltspunkte, die für die Ausklammerung illegaler Tätigkeiten sprechen. Die Auffassung des EuGH ist daher abzulehnen. 63 Auch die Auffassung REiß', in der Umsatzsteuer sei nicht eine Art Nebenstrafrecht zu sehen, durch das ein Teil der Einnahmen aus illegalen Drogengeschäften abgeschöpft werden soll, ist grundsätzlich einsichtig. Diese Ansicht steht jedoch im Widerspruch zum Wortlaut der 6. EG-Richtlinie. Denkbar, um dem genannten Anliegen Rechnung zu tragen, ist eine Freistellung des illegalen Drogenhandels von der Umsatzsteuer sofern dies aus60 Vgl. Dziadkowski, UVR 1998, 289 (292); Lausterer, UR 1998, 361 (363); Huschens, EuZW 2000, 357 (359); Kippenberg, IStR 2000, 522. 61 Vgl. Dziadkowski, UVR 1998,289 (292). 62 So auch Widmann, UR 1989, 10 (11). 63 So auch Dziadkowski, UVR 1998, 289 (292).

59

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

drücklieh geschleht. Alles Andere ist mit dem Wortlaut der Richtlinie nicht zu vereinbaren.

Zuzustimmen ist allerdings der Einschätzung, durch die aufeinander folgende EuGH-Rechtsprechung bestehe kaum die Chance, einen als falsch erkannten Ausgangspunkt zu verlassen. Man kann geradezu sagen, dass sich der EuGH in seiner Argumentation "verrannt" hat: Ursprünglich auf die Frage des Einfuhrzolls gemünzt, übertrug der Gerichtshof die gleiche Rechtsprechung zunächst auf die Einfuhrumsatzsteuer. Da er in den Vorschriften zur Einfuhrumsatzsteuer jedoch keine Regelungen fand, illegale Geschäfte freizustellen, erklärte der EuGH, der illegale Drogenhandel falle nicht unter die 6. EG-Richtlinie. Durch diese Erklärung hat sich das Gericht dann auch runsichtlich der Umsatzsteuerbarkeit von Inlandslieferungen gebunden. Unbeirrt argumentiert der EuGH dann in den Fällen "Witzemann" und "Lange" (und den nachfolgenden Entscheidungen): Der Umgang mit Falschgeld sei in Europa mindestens so sehr geächtet wie der Drogenhandel, daher entstehe für Falschgeldeinfuhren "erst recht" weder Einfuhrzoll noch Einfuhrumsatzsteuer. Dies gelte jedoch nicht für Umsätze die nicht per se, sondern nur im bestimmten Fällen verboten seien. Man kann die Frage aufwerfen, ob der EuGH, hätte die Rechtsprechung nicht den geschilderten Verlauf genommen, anders entschieden hätte. Falls sich der EuGH zunächst zur Umsatzsteuerpflicht von Inlandslieferungen hätte äußern müssen, hätte er seine Ansicht jedenfalls nicht mit dem Begriff des Steuerpflichtigen begründen können. Bei einem ersten Judikat in der Rechtssache "Happy Family" wäre es durchaus denkbar gewesen auf Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie abzustellen. Gerade in diesem Urteil betont der EuGH, dass Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie nicht zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften differenziert. Der EuGH hätte- gerade in den Niederlanden - mit der Wettbewerbsneutralität und dem Gleichheitsgrundsatz im Zusammenhang mit legalen Suchtmitteln argumentieren können. So hätte er - ohne die Argumentation, dass illegale Geschäfte nicht unter die 6. EGRichtlinie fallen - alleine durch einen Rekurs auf den Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 und des Art. 2 der 6. EG-Richtlinie die Umsatzsteuerbarkeit bejahen müssen. Durch seine Argumentation hat der EuGH, auch wenn er eine Begründung unabhängig von Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie wählt, dennoch faktisch den Begriff des Steuerpflichtigen eingeschränkt: Der Begriff wird gleichsam "durch die Hintertür" korrigiert. Der EuGH sagt zwar, dass die Lieferanten Steuerpflichtige seien, da die wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von dem Zweck ist, andererseits lässt der EuGH es an dem Merkmal "Lieferung [... ] gegen Entgelt" fehlen. Vorliegend ist eine Lieferung gegen Entgelt jedoch

60

Rahmenbedingungen der untemehmerischen Tätigkeit

zu bejahen. Es wird vielmehr ein Aspekt aus der subjektiven Steuerpflicht ausgeklammert bzw. eine Steuerbefreiung geschaffen. Dies ist jedoch ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Richtlinie unzulässig: Eine Steuerbefreiung für illegale Lieferungen ist in der Richtlinie nicht vorgesehen, und nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist derjenige Steuerpflichtiger, der eine wirtschaftliche Tätigkeit "gleichgültig zu welchem Zweck" ausübt; eine Einschränkung auf Ebene der subjektiven Steuerpflicht ist somit auch abzulehnen. Die Rechtsprechung des EuGH ist mithin in diesem Punkt nicht haltbar. Die Frage, ob er auch sittenwidrige Geschäfte aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausklammem würde, kann offen bleiben, da ein Urteil in diese Richtung ebenso unrichtig wie die zuvor Genannten wäre.

dd)

Zusammenfassung

Für die Frage nach der Unternehmereigenschaft ist der Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit unerheblich. Dies ist dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinie zu entnehmen. Auch der EuGH erkennt dies grundsätzlich an. Eine faktische Eingrenzung des Begriffs des Steuerpflichtigen durch eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der 6. EG-Richtlinie ist unzulässig: Auch illegale und sittenwidrige Tätigkeiten können daher "wirtschaftliche Tätigkeiten" i.S. der 6. HG-Richtlinie sein und die Umsatzsteuerpflicht auslösen.

c)

Erforderlichkeit einer Gewinnerzielungsabsicht

Ebenso wie nach dem Wortlaut von Art. 4 der 6. EG-Richtlinie der Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit unerheblich ist, gilt dies auch für das Ergebnis. Eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 1996 behandelt u.a. die Frage der Relevanz des Ergebnisses der wirtschaftlichen Tätigkeit.

aa)

Rechtsprechung

Im Fall "Renate Enkler gegen Finanzamt Homburg"64 fragte der vorlegende Bundesfinanzhof, ob eine selbständige Tätigkeit, die in der Vermietung eines körperlichen Gegenstands besteht, eine "wirtschaftliche Tätigkeit" i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie darstellt. 65 Hierbei ergab sich unter

64 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517. 65 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4543, Rdnr. 18).

61

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

anderem das Problem, inwieweit das "Ergebnis der Tätigkeit" für die Beurteilung als "nachhaltig" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie relevant ist. Der EuGH führte aus, aus Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gehe hervor, dass der Zweck und das Ergebnis der Tätigkeit als solche bei der Ermittlung des Anwendungsbereichs der 6. EG-Richtlinie unerheblich seien. Insofern könne allein anband von Kriterien, die sich auf das Ergebnis der betreffenden Tätigkeit beziehen, nicht ermittelt werden, ob die Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt werde. Dennoch könnten auch die tatsächliche Dauer der Vermietung des Gegenstandes, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen, also das Ergebnis, Gesichtspunkte sein, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören. Daher könnten sie neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfimg berücksichtigt werden.66 Das Ergebnis der Tätigkeit sei also im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Fakten zu berücksichtigen.

bb)

Literatur

Die Stimmen in der Literatur äußern sich postt1v zur "Enkler"Entscheidung.67 Überwiegend wird davon ausgegangen, das Urteil stütze die bisherige BFH-Ansicht. 68 Hinsichtlich der Frage der Ergebnisunabhängigkeit der Tätigkeit akzeptiert das Schrifttum die EuGH-Rechtsprechung, dass das Ergebnis der Tätigkeit innerhalb der "Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls" bei der Beurteilung der N achhaltigkeit Berücksichtigung finde. 69 cc)

Stellungnahme

Der Stelle "gleichgültig ... mit welchem Ergebnis" in Art. 4 Abs.l der 6. EGRichtlinie kommt nur eine klarstellende, eher zweitrangige Bedeutung zu. Diese Passage soll nur deutlich machen, dass es nicht auf das Resultat son66 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1995, 1-4517 (4546, Rdnr. 25, 29). 67 Vgl. Widmann, UR 1996, 421; Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1/97, 79; WB, DStR 1996, 1687; WCL, BB 1997, 81; Haunold!Tumpel!Widhalm, SWI 1997, 38; Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 95, 105. 68 Vgl. Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1/97, 79 (80); Widmann, UR 1996, 421 (422); WCL, BB 1997, 81; eine Abweichung zur bisherigen BFH-Rechtsprechung sieht lediglich WB, DStR 1996, 1687. 69 Vgl. Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1197, 79 (80); Widmann, UR 1996, 421 (422); WCL, BB 1997, 81; Haunold!Tumpel!Widhalm, SWI 1997,38.

62

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

dem auf die Art der betreffenden Tätigkeit ankommt. 70 Insofern überzeugt die EuGH-Rechtsprechung. Allein ein beschränkter Kundenkreis oder geringe bzw. unbedeutende Einnahmen können als solche nicht den Schluss zulassen, dass es an der Absicht der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen fehlt. Denn diese Umstände könnten auch darauf hindeuten, dass eine solche Absicht zwar vorlag, aber nicht verwirklicht werden konnte. 71 Deshalb bestimmt Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie unzweideutig, dass es auf das Ergebnis der Tätigkeit nicht ankommt. Entscheidend ist die Art der Tätigkeit. Dass dennoch im Rahmen einer Gesamtabwägung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt oder nicht, auch die Frage des Ergebnisses der Tätigkeit berücksichtigt wird, widerspricht Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie nicht. Dem EuGH ist daher zuzustimmen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sog. "Liebhaberei"Tätigkeiten unternehmerisch sein können. Unter "Liebhaberei" versteht das Einkommensteuerrecht eine Tätigkeit, der die Einkünfteerzielungsabsicht (vgl. § 15 Abs. 3 EStG) fehlt, d.h. die nicht einen Gewinn oder einen Einnahmenüberschuss anstrebt. 72 Solche Tätigkeiten sind einkommensteuerrechtlich unbeachtlich. 73 Für das Umsatzsteuerrecht verlangt Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie hingegen lediglich die Absicht, Einnahmen zu erzielen. Ein Gewinn ist, wie erläutert, gerade nicht erforderlich. D.h. der Umstand, dass die Tätigkeit eines Steuerpflichtigen auf Dauer gesehen nur Verluste bringt und deshalb ertragsteuerlich als "Liebhaberei" zu qualifizieren ist, führt nicht automatisch zur Versagung der Unternehmereigenschaft.74 Somit hat der Begriff der "Liebhaberei" für das Umsatzsteuerrecht keine Bedeutung. Auch eine Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht kann wirtschaftlich sein, sofern die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie erfüllt sind. Dennoch gibt es auch "Liebhaberei"-Tätigkeiten, die nicht "wirtschaftlich" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie sind. Bei privaten Vermietungen von Freizeitgegenständen will der Nutzer häufig für privat genutzte Gegenstände den Vorsteuerabzug geltend machen, um so die Ausgaben für seinen privaten Verbrauch zu verringern. Bei dauernden Vorsteuerüberschüssen ist daher 70 Ähnlich bereits zu der Passage "mit oder ohne Absicht, Gewinn zu erzielen" in Art. 4 der 2. EG-Richtlinie: Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1293). 71 So auch Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 28.3.1996, EuGHE 1996, 14519 (4528). 72 Vgl. Seeger, in: L. Schmidt, EStG, 2002, § 2, Rdnr. 22, mw.N. 73 Vgl. BFH, Beschl. v. 25.6.1984- GrS 4/82, BStBl. 1984 II, 751 (766). 74 So auch Georgy, in: Plückebaurn!Malitzky, UStG, § 2Abs. 1, Rdnr. 411.

63

Tatigkeit des Urn;atzsteuerpflichtigen

genau zu prüfen, ob wirklich eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt und die Eingangsleistungen für Ausgangsumsätze verwendet wurden bzw. verwendet werden sollten. 75 Ein Teil der "Liebhaberei" ist also nicht untemehmerisch.76 Somit ist bei Fällen der "Liebhaberei" eine genaue Prüfung der "wirtschaftlichen Tätigkeit" erforderlich. 77

dd)

Zusammenfassung

Die Beurteilung, ob eine Tätigkeit "wirtschaftlich" i.S. der 6. EG-Richtlinie ist, kann nicht allein anband des Ergebnisses der Tätigkeit beurteilt werden. Dem steht der eindeutige Wortlaut von Art. 4 der 6. EG-Richtlinie entgegen. Auch sog. "Liebhaberei"-Tätigkeiten können grundsätzlich "wirtschaftliche Tätigkeiten" darstellen. Bei der Prüfung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird, kann das Ergebnis der Tätigkeit, das zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehört, neben anderen Gesichtspunkten berücksichtigt werden.

d)

Erforderlichkeit einer entgeltlichen Tätigkeit

Eng verwandt mit der Frage, ob das Ergebnis der Tätigkeit für die Einordnung als "wirtschaftlich" relevant ist, ist das Problem, ob die wirtschaftliche Tätigkeit eine Leistung gegen Entgelt erfordert. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie enthält diesbezüglich keinerlei Anhaltspunkte. Somit ist durch Auslegung zu klären, ob das Erbringen von entgeltlichen Umsätzen für den Begriff des Steuerpflichtigen konstitutiv ist. Der EuGH hatte verschiedentlich die Gelegenheit, sich zu dieser Frage, auch im Zusammenhang mit dem Begriff des Steuerpflichtigen, zu äußern. Auch die Literatur hat zu dieser Problematik Stellung bezogen. aa)

Rechtsprechung

Aus der EuGH-Rechtsprechung erscheinen zu diesem Punkt vor allem drei Entscheidungen aus den 80er Jahren interessant.

75 So auch Klenk, in: Sö1ch/Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 180 ("Liebhaberei"). 76 So auch fllr das UStG: Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 47. 77 Siehe unten, S. 104 ff.

64

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

(1)

EuGH, Urt. v. 5.2.1981 - Rs. 154/80 - "Aardappelenbewaarplaats"

In dem Fall "Staatssecretaris van Financien gegen Genossenschaft , Coöperatieve Aardappelenbewaarplaats G.A. "'78 lag dem EuGH folgender Sachverhalt zur Entscheidung vor: Die niederländische Genossenschaft "Coöperatieve Aardappelenbewaarplaats G.A." war UnternehmeTin i.S. des niederländischen Umsatzsteuergesetzes. Sie betrieb satzungsgemäß ein Lagerhaus für Kartoffeln. Ihre Mitglieder waren ihr gegenüber berechtigt und zugleich verpflichtet, für jeden von der Genossenschaft ausgegebenen Anteilschein, den sie besitzen, jährlich 1.000 kg Kartoffeln zur Aufbewahrung zu geben, und zwar gegen ein von der Genossenschaft jährlich festzusetzendes und nach Ablauf des Geschäftsjahres zu zahlendes Lagergeld. Für die Jahre 1975 und 1976 hatte die Genossenschaft in der Erwartung des Verkaufs des Kühlhauses kein Lagergeld festgesetzt und auch keines erhalten. Die Genossenschaft war der Auffassung, in diesen beiden Jahren habe sie unentgeltliche Leistungen erbracht und unterliege folglich nicht der Umsatzsteuer. Die Steuerverwaltung hingegen sah in der Verringerung des Wertes der Anteilscheine infolge der Nichterhebung der Lagergelder eine Gegenleistung. Sie setzte für diese Gegenleistung den Wert des üblichen Lagergeldes fest und erließ einen Nacherhebungsbescheid. Der in zweiter Instanz zuständige Hoge Raad der Nederlanden legte dem EuGH die Frage vor, ob in einem derartigen Fall von einem Gegenwert i.S.v. Art. 8 Buchst. a der 2. EG-Richtlinie gesprochen werden könne. 79 In seinem Urteil folgte der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts. Dieser hatte in der möglichen Verringerung des Werts der Anteilscheine kein Entgelt für die Dienstleistung gesehen. 80 Eine Dienstleistung sei nur dann steuerpflichtig i.S. der 2. EG-Richtlinie, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt werde, Besteuerungsgrundlage für eine solche Leistung sei alles, was als Gegenleistung für die Dienstleistung erhalten werde. Daher müsse ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert bestehen. Einen solchen Zusammenhang verneinte der EuGH vorliegend. Ferner führte der EuGH aus, dass es erstens möglich sein müsse, den Gegenwert für eine Dienstleistung in Geld auszudrücken

78 EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 154/80 (Aardappelenbewaarplaats), EuGHE 1981,445. 79 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 154/80 (Aardappelenbewaarplaats), EuGHE 1981, 445 (452 t:, Rdnr. 2 ff.). 80 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Warner vom 18.12.1980, EuGHE 1981,456.

65

Tlitigkeit des Um>atzsteuerpflichtigen

und zweitens, dass dieser Wert ein subjektiver Wert sei, da die Besteuerungsgrundlage für Dienstleistungen die tatsächlich erhaltene Gegenleistung sei und nicht ein nach objektiven Maßstäben geschätzter Wert. Dementsprechend urteilte der EuGH, dass eine Dienstleistung, für die keine bestimmte subjektive Gegenleistung erhalten wird, keine Dienstleistung "gegen Entgelt" ist und demnach nicht steuerpflichtig i.S. der 2. EG-Richtlinie ist. 81

(2)

EuGH, Urt. v. 1.4.1982 - Rs. 89/81 - "Hong-Kong Trade"

Die Grundsatzentscheidung des EuGH zur Frage der Erforderlichkeit eines Entgelts im Fall "Staatssecretaris van Financien gegen Hong-Kong Trade Development Council"82 basierte auf folgenden Tatbestand: Der Hong-Kong Trade Development Council (im Folgenden Council), ein Verband, der 1966 nach dem Recht von Hongkong mit dem Ziel gegründet wurde, den Handel zwischen Hongkong und anderen Ländern zu fördern, errichtete 1972 eine Niederlassung in Amsterdam. Die Tätigkeit der Niederlassung bestand darin, Unternehmern aus Westeuropa auf Anfrage kostenlose Auskünfte über Hongkong und Möglichkeiten des Handels mit Hongkong sowie Unternehmern aus Hongkong entsprechende kostenlose Informationen über den europäischen Markt zu erteilen. Die Einnahmen des Council bestanden aus einem festen Jahresbeitrag der Regierung von Hongkong sowie aus den Erträgen aus einer Umlage in Höhe von 0,5 % des Wertes der nach Hongkong eingeführten und von dort ausgeführten Waren. Die Kosten der Amsterdamer Niederlassung wurden vom Council gedeckt. Nachdem die Finanzbehörden dem Verband von 1973 bis 1978 die ihm in Rechnung gestellte Vorsteuer "unter dem Vorbehalt einer Berichtigung aufgrundspäterer Nachprüfung" zunächst erstattet hatten, änderten sie nach einer Nachprüfung diese Beurteilung und forderten im Jahr 1978 den erstatteten Betrag zurück. Sie gingen dabei davon aus, der Council sei kein Unternehmer. Der in zweiter Instanz angerufene Hoge Raad der Nederlanden legte dem EuGH die folgenden zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor83 :

81 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1981 - Rs. 154/80 (Aardappelenbewaarplaats), EuGHE 1981, 445(454f.,Rdnr.12-14). 82 EuGH, Urt. v. 1.4.1982- Rs. 89/81 (Hong-Kong Trade), EuGHE 1982, 1277. 83 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 - Rs. 89/81 (Hong-Kong Trade), EuGHE 1982, 1277 (1284, Rdnr. 2 f.).

66

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

"1. Kann als Steuerpflichtiger im Sinne von Artikel 4 der Zweiten Richtlinie angesehen werden, wer regelmäßig Unternehmern unentgeltliche Dienstleistungen erbringt? 2. Falls die erste Frage bejaht wird: Steht Artikel 11 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Zweiten Richtlinie dem Abzug der Umsatzsteuer entgegen, die auf den Gegenständen und Dienstleistungen lastet, die zur Erbringung der oben genannten Leistungen verwendet werden?"84 Der Generalanwalt schlug übereinstimmend mit den Ausführungen der Kommission 85 in seinen Schlussanträgen vor, die erste Vorlagefrage dahin gehend zu beantworten, dass die Entgeltlichkeit von Umsätzen lediglich für die sachliche Steuerpflicht, nicht aber für die persönliche Steuerpflicht von Bedeutung sei. 86 Er begründete diese Ansicht damit, dass die sachliche und die persönliche Steuerpflicht von der 2. EG-Richtlinie getrennt werden müssen und nicht verwechselt werden dürfen. Die persönliche Steuerpflicht werde in Art. 4 der 2. EG-Richtlinie geregelt, die sachliche in Art. 2. Nur gegen Entgelt erbrachte Dienstleistungen unterfielen der sachlichen Steuerpflicht. In der wirtschaftlichen Realität gebe es alle denkbaren Übergangsformen zwischen selbständigen Organisationen, die ihre Dienste immer gegen Bezahlung, bisweilen gegen und bisweilen ohne Bezahlung oder niemals gegen Bezahlung erbringen. Diesen Übergangsformen könne bei der Regelung der persönlichen Steuerpflicht schwerlich Rechnung getragen werden. Die Frage gehöre vielmehr zur Regelung der sachlichen Steuerpflicht. Zur Unterstützung seiner Ansicht führte der Generalanwalt auch den Anhang Azur 2. EGRichtlinie an: In Absatz 1 zur Art. 4 sei ausgeführt, dass der Begriff der Tätigkeit eines Dienstleistenden in einem weiten Sinne verstanden werden solle. In Absatz 2 des Anhangs A zu Art. 4 heiße es, dass ein Mitgliedstaat seine Absicht, bestimmte Tätigkeiten nicht zu besteuern, eher anband von Befreiungen als durch den Ausschluss von Personen, die die betreffenden Tätigkeiten ausüben, vom Anwendungsbereich der Steuer realisieren sollte. 87 Auch könne man Art. 8 und 12 der 2. EG-Richtlinie keine entgegengesetzten Anhaltspunkte entnehmen: Art. 8 der 2. EG-Richtlinie, der die Besteue84 EuGH, Urt. v. 1.4.1982 - Rs. 89/81 (Hong-Kong Trade), EuGHE 1982, 1277 (1284, Rdnr. 3). 85 Vgl. Erklärungen der Konunission, EuGHE 1981, 1281 ff. 86 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1295). 87 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1291, 1294).

67

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

rungsgrundlage regele, bestätige noch einmal, dass nur gegen Entgelt erbrachte Dienstleistungen steuerbar seien. Nach Art. 12 der 2. EG-Richtlinie müsse jeder Steuerpflichtige Aufzeichnungen fuhren, Rechnungen ausstellen und Erklärungen abgeben. Da diesen Verpflichtungen nach dem Wortlaut von Art. 12 der 2. EG-Richtlinie alle Steuerpflichtigen unterworfen seien, gälten sie auch fur Steuerpflichtige, fur die entweder keine sachliche Steuerpflicht bestehe oder die von der Steuer befreit seien. Man könne zwar den Sinn dieser verwaltungsmäßigen Pflichten anzweifeln, doch könne man aus dieser Vorschrift kein teleologisches oder rechtssystematisches Argument fur eine andere Auslegung des Begriffs "Steuerpflichtiger" herleiten. Der Personenkreis, der nach dem System der 2. EG-Richtlinie "Steuerpflichtiger" sei, sei größer als der Kreis der Personen, die tatsächlich Steuern zahlen müssten. Steuerpflichtige, die keine steuerbaren Umsätze tätigten, seien zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Kontrolle den verwaltungsmäßigen Verpflichtungen des Art. 12 der 2. EG-Richtlinie unterworfen. 88 Zur zweiten Vorlagefrage bemerkte der Generalanwalt, wörtlich verstanden werfe diese Frage keine Probleme auf: Aus dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 2 der 2. EG-Richtlinie ergebe sich deutlich, dass der Vorsteuerabzug nicht bei Gegenständen oder Dienstleistungen in Betracht komme, die ein Steuerpflichtiger zur Erbringung nicht steuerbarer Dienstleistungen verwende. Unentgeltlich erbrachte Dienstleistungen seien nicht der sachlichen Steuerpflicht unterworfen. Daher komme ein Vorsteuerabzug gern. Art. 11 Abs. 2 der 2. EG-Richtlinie nicht in Betracht. 89 Richtig verstanden wolle das vorlegende Gericht jedoch wissen, ob Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 1 der 2. EG-Richtlinie fur sich alleine, d.h. ohne entsprechende nationale Umsetzung, der nationalen Finanzverwaltung verbiete, den Abzug der Vorsteuer zuzulassen, die auf Gegenständen und Dienstleistungen laste, welche vom Steuerpflichtigen zur unentgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen verwendet werde. Die Frage laufe also darauf hinaus, ob sich die Finanzverwaltung eines Mitgliedstaates zu Lasten eines Steuerpflichtigen auf eine Richtlinienbestimmung berufen dürfe, wenn der Mitgliedstaat in seinen Durchfuhrungsbestimmungen keine entsprechende Regelung getroffen habe. Diese Frage solle nach dem Vorschlag des Generalanwalts vom Gerichtshof verneint werden. Der Rechtsprechung und dem Schrifttum sei zu entnehmen, dass Einzelne befugt seien, aus Richtlinien subjektive Rechte herzuleiten und den Behörden entgegenzuhalten, nicht je88 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1292). 89 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1295).

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Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

doch, dass Richtlinien für Einzelne unmittelbare Verpflichtungen begründen könnten. Daher sei die zweite Frage zu verneinen. 90 Ohne sich mit den vorgebrachten Argumenten des Generalanwalts auseinander zu setzen, beantwortete der EuGH die erste Frage in Abweichung von den Schlussanträgen des Generalanwalts dahin gehend, dass jemand, der regelmäßig Unternehmern unentgeltliche Dienstleistungen erbringt, nicht als Steuerpflichtiger i.S.v. Art. 4 der 2. EG-Richtlinie angesehen werden kann. 91 Der EuGH begründete seine Ansicht mit dem System der Mehrwertsteuer. Es diene dazu Faktoren auszuschalten, die geeignet seien, die Wettbewerbsbedingungen zu verfalschen. Es solle somit eine Wettbewerbsneutralität in dem Sinne bewirken, dass gleichartige Waren innerhalb der einzelnen Länder ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich belastet würden. Zur Erreichung dieses Ziels sehe Art. 2 Abs. 1 der 1. EG-Richtlinie den Grundsatz vor, "daß auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist". Aus diesem System der Verbrauchsteuer folge, dass die Steuer nicht mehr abgezogen werden könne, wenn die Kette der Umsätze beendet sei. Es entspreche dem System der Mehrwertsteuer, dass der Endverbraucher die Steuer nicht mehr abziehen könne. Da der unentgeltlich tätige Dienstleister keine steuerbaren Umsätze erbringe, ende bei ihm die Kette der Umsätze, er sei einem Endverbraucher gleichzustellen, der nicht die Vorsteuer abziehen dürfe. Das zwischen dem unentgeltlich Leistenden und dem Empfänger der Dienstleistung bestehende Rechtsverhältnis falle nicht unter die Vertragskategorie, die zum Gegenstand einer Wettbewerbsneutralität bewirkenden steuerlichen Harmonisierung gemacht werden könne. Insoweit unterschieden sich laut EuGH unentgeltliche Leistungen in ihrem Wesen von steuerbaren Umsätzen, die im Mehrwertsteuersystem die Vereinbarung eines Preises oder eines Gegenwerts voraussetzten. 92 Für das gefundene Ergebnis sprechen nach Ansicht des EuGH auch weitere Vorschriften der 2. EG-Richtlinie: Hier führte er zum einen Art. 8 der 2. EGRichtlinie an, da es bei unentgeltlichen Umsätzen keine Besteuerungsgrund-

90 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1295 f.). 91 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 - Rs. 89/81 (Hong-Kong Trade), EuGHE 1982, 1277 (1287, Rdnr. 13). 92 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 - Rs. 89/81 (Hong-Kong Trade), EuGHE 1982, 1277 (1286, Rdnr. 7 ff.).

69

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

lage geben könne. Auch ergebe sich aus Art. 12 der 2. EG-Richtlinie, dass die Umsätze entgeltlich sein müssten, da nach dieser Vorschrift der Steuerpflichtige verpflichtet sei, für Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen an einen anderen Steuerpflichtigen diesem eine Rechnung auszustellen, Aufzeichnungen zu führen, die die Überprüfung durch die Steuerverwaltung ermöglichen, und jeden Monat eine Erklärung abzugeben, die alle erforderlichen Angaben über die Berechnung der Steuer enthält. 93 Diese genannten Argumente sprechen nach der Ansicht des EuGH dafür, dass als Steuerpflichtiger i.S. des Art. 4 der 2. EG-Richtlinie nicht angesehen werden kann, wer Dienstleistungen ausschließlich unentgeltlich erbringt. Da der EuGH die erste Vorlagefrage verneinte, ging er auf die zweite Frage nicht ein. (3)

EuGH, Urt. v. 8.10.1987- Rs. 102/86- "Apple and Pear Development"

Im Fall "Apple and Pear Development Council gegen Commissioners of Customs and Excise" 94 lag der EuGH-Entscheidung folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Apple and Pear Development Council, eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, wurde im Jahre 1966 auf Antrag der gewerblichen Äpfel- und Birnenerzeuger in England und Wales (im Folgenden: Erzeuger) durch eine Ministerialverordnung errichtet. Die Aufgaben des Council betrafen im Wesentlichen die Werbung, Förderung und Verbesserung der Qualität der in England und Wales erzeugten Äpfel und Birnen. Der Council war auf Grund der Verordnung berechtigt, zur Deckung der in Wahrnehmung der Aufgaben angefallenen oder anfallenden Kosten von den Erzeugern einen jährlichen Pflichtbeitrag zu erheben, der sich nach einem bestimmten Schlüssel errechnete. Einen sehr kleinen Teil der Einnahmen machte der Verkauf von Werbeartikeln aus. Im Oktober 1980 startete der Council ein besonderes, freiwilliges Projekt, genannt "Kingdom Scheme". Ursprünglich durch einen staatlichen Zuschuss finanziert, wurde es später mittels zusätzlicher Beiträge weitergeführt, die von den Teilnehmern an dem Projekt auf Grund der Änderungsverordnung von 1980 erhoben wurden. 93 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 - Rs. 89/81 (Hong-Kong Trade), EuGHE 1982, 1277 (1286 f., Rdnr. 11). 94 EuGH, Urt. v. 8.3.1988 - Rs. 102/86 (Apple and Pear Development), EuGHE 1988, 1443.

70

Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit

Der Council forderte ab 1973 die gesamte, für von ihm empfangene Lieferungen oder Leistungen gezahlte Vorsteuer zurück, zahlte aber die Steuer auf Ausgangsumsätze nur hinsichtlich der freiwilligen Beiträge der Teilnehmer am "Kingdom Scheme" und der geringen Einnahmen aus dem Verkauf von Werbeartikeln. Im Jahre 1981 entschieden die Finanzbehörden, dass der Council bezüglich der allgemeinen Tätigkeiten, welche durch die Pflichtbeiträge finanziert seien, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Der Council sei nur hinsichtlich der für das "Kingdom Scheme" und für den Verkauf der Werbeartikel gelieferten Gegenstände und der erbrachten Dienstleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das in letzter Instanz angerufene House of Lords legte dem EuGH die Frage vor, ob die Wahrnehmung der allgemeinen Tätigkeiten durch den Council und die Erhebung der Pflichtbeiträge von den Erzeugern zur Deckung der in Wahrnehmung dieser Aufgaben angefallenen oder anfallenden Verwaltungskosten und sonstigen Kosten des Council "Dienstleistungen [... ] gegen Entgelt" i.S.v. Artikel2 der 6. EG-Richtlinie darstellen. 95 Der Gerichtshof bestätigte seine Rechtsprechung im Fall "Aardappelenbewaarplaats"96 und forderte, dass zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen muss, damit eine Dienstleistung als steuerpflichtig i.S. der 2. EG-Richtlinie und ebenso i.S. der 6. EG-Richtlinie angesehen werden kann. 97 Ein solcher Zusammenhang fehle vorliegend zwischen der Wahrnehmung der allgemeinen Aufgaben und den Pflichtbeiträgen. 98 Folglich sah der EuGH in der Wahrnehmung der allgemeinen Aufgaben durch den Council und der Erhebung des Pflichtbeitrags keine "Dienstleistung[ ... ] gegen Entgelt" i.S.v. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie. 99

(4)

Zusammenfassung

Die Grundaussagen des EuGH aus den erwähnten drei Urteilen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 95 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.1988 - Rs. 102/86 (Apple and Pear Deve1oprnent), EuGHE 1988, 1443 (1465 ff., Rdnr. 2 ff.). 96 EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 154/80 (Aardappelenbewaarp1aats), EuGHE 1981, 445; siehe oben, S. 65 f. 97 Vg1. EuGH, Urt. v. 8.3.1988 - Rs. 102/86 (App1e and Pear Deve1oprnent), EuGHE 1988, 1443 (1468, Rdnr. 11 f.). 98 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.1988 - Rs. 102/86 (Apple and Pear Deve1oprnent), EuGHE 1988, 1443 (1468, Rdnr. 14 f.). 99 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.1988 - Rs. 102/86 (App1e and Pear Deve1oprnent), EuGHE 1988, 1443 (1468 f., Rdnr. 16).

71

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

1.

Zwischen Dienstleistung und Entgelt muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Wenn dieser nicht gegeben ist, liegt keine "Dienstleistung[ ... ] gegen Entgelt" i.S.v. Art. 2 der 2. EG-Richtlinie bzw. der 6. EG-Richtlinie vor.

2.

Wer Dienstleistungen ausschließlich unentgeltlich erbringt, kann nicht als Steuerpflichtiger i.S. des Art. 4 der 2. EG-Richtlinie angesehen werden.

bb)

Literatur

Aus dem Schrifttum gibt es mehrere Stellungnahmen zu den genannten Urteilen. Hier fand vor allem die "Hong-Kong Trade"-Entscheidung Beachtung.

(1)

"Aardappelenbewaarplaats"-Entscheidung

In einer Urteilsanmerkung stimmt WEiß im Ergebnis dem EuGH zu. Er kritisiert jedoch die falsch formulierte Vorlagefrage des Hoge Raad. Dieser hätte anstau nach dem Gegenwert i.S. des Art. 8 der 2. EG-Richtlinie nach der Auslegung des Terminus ,,Dienstleistung[ ... ] gegen Entgelt" i.S.v. Art. 2 der 2. EG-Richtlinie fragen sollen. Nach dem Sachverhalt hätte sich die Frage aufgedrängt, ob eine Dienstleistung gegen Entgelt, also ein Leistungsaustausch, vorliegt. Insofern kritisiert WEiß eine "Schieflage der Begründung" in den Ausführungen des EuGH. Dennoch habe der EuGH zur eigentlich interessanten Frage nach dem Leistungsaustausch Stellung bezogen. Diesen Ausführungen stimmt WEiß zu. 100 (2)

"Hong-Kong Trade"-Entscheidung

Dem "Hong-Kong Trade"-Urteil des EuGH wird vom Schrifttum nahezu einhellig zugestimmt. 101 Die Argumente der Literatur decken sich im Wesentlichen mit denen des EuGH. Angeführt werden die Grundprinzipien des Mehrwertsteuersystems. Eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Generalanwalts findet nicht statt. Als weiterer Beleg für die Annahme, dass nur der entgeltlich Leistende Steuerpflichtiger i.S. der 6. EG-Richtlinie sein könne, wird die Funktion des Steuerpflichtigen als "Steuereinsammler" angeführt: Da dem Steuerpflichtigen im System der Mehrwertsteuer diese Funktion zukomme, könne jemand, der keinerlei entgeltliche Umsätze tätige

100 Vgl. Weiß, UR 1981, 103. 101 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 79 f.; Georgy, in: P1ückebaurn!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 14; Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Fick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 50.

72

Rahmenbedingungen der unternehrnerischen Tätigkeit

und so niemals Steuern für Rechnung des Fiskus' einnehme, nicht Steuerpflichtiger sein. 102 Kritisch wird die EuGH-Entscheidung von REUGEBRINK betrachtet 103 : Zunächst kritisiert er die Ansicht des EuGH, der Council sei unentgeltlich tätig gewesen. Vielmehr sieht REUGEBRINK in der Zahlung des Staates Hongkong keine Subvention, sondern ein Entgelt für eine Dienstleistung, die der Council dem Staat Hongkong gegenüber erbringt. Er vergleicht den "Hong-Kong Trade"-Fall mit einem anderen, in den Niederlanden entschiedenen Fall: Hier hatte ein Büro Interessenten kostenlos Auskünfte über Ferienmöglichkeiten in einem Land erteilt. Das Land, über das das Büro die Auskünfte erteilte, finanzierte das Büro. Der Unterschied zum angesprochenen Fall lag darin, dass das Büro neben den Auskünften auch Straßenkarten des Ferienlandes und andere Kleinigkeiten verkaufte. Der Hoge Raad der Niederlanden sah hierin einen klaren Fall und betrachtete das Büro als Steuerpflichtigen. 104 Der Unterschied zwischen der Eigenschaft als Steuerpflichtiger oder Nichtsteuerpflichtiger hing also vorliegend von dem Verkauf einiger Landkarten ab. Aus diesem Urteil folgernd schlägt REUGEBRINK dem Hong-Kong Trade Development Council vor, einige Kugelschreiber zu verkaufen, um auch die Qualifizierung als Steuerpflichtiger zu erlangen. 105 Man kann also zusammenfassen, dass mit Ausnahme insbesondere des letztgenannten Aufsatzes das Urteil des EuGH in Sachen "Hong-Kong Trade" von der Literatur überwiegend begrüßt wurde. (3)

"Apple and Pear Development"-Entscheidnng

Auch das BuGH-Urteil zum Fall "Apple and Pear Development" findet in der Literatur Zustimmung. WEiß betont, dass der EuGH in Übereinstimmung mit seiner ftüheren Rechtsprechung zur Frage des Leistungsaustauschs vorrangig die innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung als maßgebliches Kriterium herausstellt. Ferner setzt WEiß das Urteil in Zusammenhang mit der aktuellen BFH-Rechtsprechung und sieht eine Übereinstimmung. 106 102 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 80; Probst, DStJG 13 (1990), 137 (145 f.). 103 Vgl. Reugebrink, UR 1991, 305 (306 ff.). Ebenfalls kritisch sieht Schaub (Unternehrnerbegriff, 1989, S. 163 ff.) das Judikat: Er beanstandet jedoch vor allem Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie. 104 Da damals in den Niederlanden die 6. EG-Richtlinie hinsichtlich der Frage des Vorsteuerabzugs nicht ordnungsgemäß umgesetzt war, billigte der Hoge Raad dem Büro den vollen(!) Vorsteuerabzug zu; vgl. Reugebrink, UR 1991, 305 (308). 105 Vgl. Reugebrink, UR 1991, 305 (308). 106 Vgl. Weiß, UR 1989,276 f.

73

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

cc)

Stellungnahme

(1)

"Aardappeleubewaarplaats"-Entscheidung

Zu Recht kritisiert WEiß die Vorlagefrage des Hage Raad. Der Sachverhalt hätte die Frage nahe gelegt, wie "Dienstleistungen ... gegen Entgelt" i.S.v. Art. 2 der 2. EG-Richtlinie auszulegen sind. Glücklicherweise äußert sich der EuGH dennoch zu dieser Frage. Man kann den Gedankengang des EuGH folgendermaßen zusammenfassen: 1.

Zwischen Dienstleistung und Entgelt ist ein unmittelbarer Zusammenhang erforderlich.

2.

Ein solcher Zusammenhang besteht zwischen dem Einlagern der Kartoffeln und einer eventuellen Wertminderung der Anteile nicht.

3.

Somit liegt kein Entgelt vor, d.h. die Dienstleistung erfolgte unentgeltlich.

4.

Unentgeltliche Dienstleistungen sind nicht steuerbar, da nach Art. 2 der 2. EG-Richtlinie nur solche Dienstleistungen der Steuer unterliegen, die gegen Entgelt ausgeführt werden.

Diese Argumentation des EuGH erscheint schlüssig. Insbesondere im Hinblick auf seine eindeutige Ansicht im (späteren) "HongKong Trade"-Fall, fallt an der Entscheidung auf, dass der EuGH, an keiner Stelle die Steuerpflichtigeneigenschaft der Genossenschaft anzweifelt. Laut Sachverhalt ist die Genossenschaft Unternehmer i.S. des niederländischen Umsatzsteuergesetzes 107 und dies wird nicht in Zweifel gezogen. Auch die Kommission geht in ihrer Erklärung davon aus, die Genossenschaft sei Steuerpflichtiger. 108 Interessant wäre die Frage, ob diese Qualifizierung nachträglich korrigiert würde, wenn die Genossenschaft - angenommen sie führt neben der Lagerhaltung keine anderen Dienstleistungen aus - keinen Abnehmer für das Kühlhaus findet und, nachdem sie einige weitere Jahre den unentgeltlichen Lagerbetrieb weiterführt, die Tätigkeit endgültig aufgibt und die Genossenschaft aufgelöst wird. (2)

"Hong-Kong Trade"-Entscheidung

Beachtenswerter für die Frage der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie ist das Urteil "Hong-Kong Trade". Es ist zwar zur 2. EGRichtlinie ergangen, doch besteht Einigkeit, dass die Aussagen des EuGH 107 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 154/80 (Aardappe1enbewaarp1aats), EuGHE 1981, 445 (447). 108 Vgl. Erklärungen der Kommission, EuGHE 1981, 449 (451).

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Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

auch für die 6. EG-Richtlinie Gültigkeit haben, da die Argumentation des EuGH auf Grundprinzipien des Mehrwertsteuersystems beruht. 109 Zunächst könnte man die Frage aufwerfen, ob die Tätigkeit des Councils unentgeltlich erfolgte. Auch könnte man überlegen, ob es dem Verbrauchsteuergedanken entspricht, dass einem unentgeltlich tätigen Dienstleister der Vorsteuerabzug verwehrt wird. 110 Unabhängig davon, ob man mit dem EuGH in diesen Fragen übereinstimmt, ergeben sich gerade für den Fall, dass man von Unentgeltlichkeit ausgeht, einige Unklarheiten: Schlüssig an der Argumentation des EuGH ist, dass nach dem in der 2. EGRichtlinie (ebenso wie in der 6. EG-Richtlinie) verankerten Mehrwertsteuersystem, derjenige, der am Ende der Kette der Umsätze steht, grundsätzlich 111 keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann. In diesem Punkt überzeugen die Ausführungen des EuGH. Unklar ist jedoch, weshalb der unentgeltlich Leistende deshalb mit einem Endverbraucher gleichzustellen ist. Es scheint, der EuGH übersieht die Regelung des Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 1 der 2. EG-Richtlinie (Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie): Danach kann der Steuerpflichtige nicht die Vorsteuern abziehen, die auf Gegenständen oder Dienstleistungen lasten, die zur Ausführung nicht steuerbarer oder steuerfreier Umsätze verwendet werden. 112 Da aber nach Art. 2 der 2. EGRichtlinie (ebenso wie nach Art. 2 der 6. EG-Richtlinie) nur Lieferungen und Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, die gegen Entgelt erbracht werden, ist es nicht erforderlich, den unentgeltlich Leistenden einem Endverbraucher gleichzustellen, um ihm den Vorsteuerabzug zu verwehren: Durch das System des Vorsteuerabzugs ist diese Rechtsfolge ohnehin ausgeschlossen. Weiter argumentiert der EuGH, das zwischen dem unentgeltlich Leistenden und dem Empfänger der Dienstleistung bestehende Rechtsverhältnis falle nicht unter die Vertragskategorie, die zum Gegenstand einer Wettbewerbsneutralität bewirkenden steuerlichen Harmonisierung gemacht werden könnte. Auch dieses Argument erscheint wenig überzeugend: Demnach fallen 109 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 77 f.; Probst, DStJG 13 (1990), 137 (145); Borgsmidt, UR 1999, 1 (3). 110 Vgl. Reugebrink, UR 1991, 305 (306 f.); Schaub, Unternelm1erbegriff, 1989, S. 163 ff. 111 Anders ist dies in der Grlindungsphase eines Unternehmens, siehe unten, S. 204 ff. 112 Nach Art. 17 Abs. 2 der 6. BQ-Richtlinie kann der Steuerpflichtige die Vorsteuer nur für Gegenstände und Dienstleistungen abziehen, die für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

75

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

entgeltliche Verträge unter diese Vertragskategorie, unentgeltliche jedoch nicht. Wie wäre über Rechtsverhältnisse zu urteilen, die eine sehr geringe, nicht kostendeckende, gleichsam "symbolische" Gegenleistung beinhalten? Fallen solche Rechtsverhältnisse unter die angeführte "Vertragskategorie"? Wäre der Council Steuerpflichtiger, falls er für jede Auskunft 1 HFL in Rechnung gestellt hätte? Wo wäre die Grenze zu ziehen? Diese Ausführungen zeigen, dass auch das Argument der "Vertragskategorie" wenig stichhaltig ist. Weiterhin stützt der EuGH seine Argumentation mit einem Rekurs auf die Regelungen in Art. 8 und Art. 12 der 2. EG-Richtlinie: Unentgeltliche Umsätze ließen sich nicht in das Besteuerungssystem einordnen, da es bei unentgeltlichen Umsätzen keine Besteuerungsgrundlage gebe und die Pflicht zur Erstellung einer Rechnung, zum Führen von Aufzeichnungen und zur monatlichen Erklärung der Steuern leer liefe. Dem kann man jedoch - übereinstimmend mit dem Generalanwalt - entgegenhalten, dass diese Pflichten auch für Steuerpflichtige gelten, für die keine sachliche Steuerpflicht besteht oder die von der Steuer befreit sind. Die Verpflichtungen ergeben auch insofern einen Sinn, als durch die in Art. 12 der 2. EG-Richtlinie 113 festgelegten verwaltungsmäßigen Pflichten eine ordnungsgemäße Kontrolle sichergestellt wird. Der Personenkreis der "Steuerpflichtigen" ist größer als der Kreis der Steuerzahler. Keiner zweifelt den Sinn der Pflichten aus Art. 12 der 2. EG-Richtlinie für Steuerpflichtige an, deren Umsätze steuerbefreit sind. Folglich ist dem Generalanwalt zuzustimmen: Der Regelung des Art. 12 der 2. EG-Richtlinie (ebenso wie der des Art. 21 Abs. 2-4 der 6. EG-Richtlinie) ist kein teleologisches oder rechtssystematisches Argument für die Ansicht des EuGH zu entnehmen. 114 Auch kann man Art. 8 der 2. EG-Richtlinie 115 keinen derartigen Beleg entnehmen. Dies zeigt bereits das Urteil "Aardappelenbewaarplaats" des EuGH. Hier hatte der EuGH die Eigenschaft als Steuerpflichtiger nicht angezweifelt, jedoch festgestellt, dass keine Gegenleistung i.S.v. Art. 8 der 2. EG-Richtlinie existiert. 116 Die Begründung des EuGH erscheint somit insgesamt wenig durchschlagend.

113 Entspricht Art. 21 Abs. 2-4 der 6. EG-Richtlinie. 114 So auch Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1292). 115 Entspricht Art. 11 der 6. EG-Richtlinie. 116 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1981- Rs. 154/80 (Aardappelenbewaarplaats), EuGHE 1981, 445, siehe S. 65 f.

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Rahmenbedingungen der untemehmerischen Tätigkeit

Auch das von der Literatur angeführte Argument, nur ein entgeltlich Tätiger könne Steuerpflichtiger sein, da jemand, der unentgeltlich tätig sei, niemals "Steuereinsammler" für den Fiskus sei 117 , geht fehl: Es ist methodisch unrichtig, in dieser Konstellation von der Rechtsfolge, dass ein Unternehmer im Fall des Ausführens entgeltlicher Umsätze als "Steuereinsammler" für den Fiskus agiert, auf die Voraussetzungen des Steuerpflichtigenbegriffs zu schließen. Für die entgegengesetzte Ansicht, auch unentgeltliche Dienstleister seien Steuerpflichtige i.S.v. Art. 4 der 2. EG-Richtlinie (Art. 4 der 6. EGRichtlinie), lassen sich vielmehr verschiedene Gründe anführen: Zunächst kann man vorbringen, dass für die Mehrwertsteuer der Grundsatz der Neutralität gilt. Die größte Neutralität bei einer solchen Steuer ist dann erreicht, wenn der Begriff des Steuerpflichtigen sehr weit gefasst wird. Dem Generalanwalt ist zuzustimmen, dass Nr. 2 (zu Art. 4) des AnhangsAder 2. EG-Richtlinie eine weite Auslegung des Begriffs des Steuerpflichtigen nahe legt. 118 Wenn man das System der 2. EG-Richtlinie (ebenso wie das der 6. EGRichtlinie) betrachtet, gibt es nach Art. 2 vier Voraussetzungen für steuerbare Umsätze: Es muss eine Lieferung oder Dienstleistung vorliegen (1), die von einem Steuerpflichtigen (2) im Inland (3) gegen Entgelt (4) ausgeführt wird. Somit ist schon nach Art. 2 eindeutig zwischen dem Entgelt und der Steuerpflichtigeneigenschaft zu trennen. Fehlt nun eine dieser Voraussetzungen, so entfallt die sachliche Steuerpflicht. Dabei sind die vier Voraussetzungen grundsätzlich 119 unabhängig voneinander zu beurteilen. Es wäre abwegig anzunehmen, wenn die Dienstleistung im Ausland erbracht werde, entfalle die Steuerpflichtigeneigenschaft. Diese Annahme wird von Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 der 2. EG-Richtlinie (vgl. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie) gestützt: Danach kann ein Steuerpflichtiger unter gewissen Umständen, wenn die Lieferung oder Dienstleistung im Ausland erbracht wurde, die Vorsteuer abziehen. Die Tatsache, dass eine Lieferung oder 117 V gl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 80; Probst, DStJG 13 (1990), 137 (145 f.). 118 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1294). So auch die Erklärungen des Kassationsbeklagten des Ausgangsverfahrens, EuGHE 1982, 1280 f. Auch der EuGH betont in neueren Entscheidungen, dass Art. 4 der 6. EG-Richtlinie einen sehr weiten Anwendungsbereich festlegt, vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60190 (Polysar), EuGHE 1991, 1-3111 (3137, Rdnr. 12); Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990,1-4363 (4383, Rdnr. 17, mit weiteren Nachweisen). 119 Zum Leistungserfordernis, siehe unten, S. 115 f.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Dienstleistung im Ausland erbracht wurde, ändert mithin nichts an der Eigenschaft als Steuerpflichtiger. 120 Insgesamt ist dem Generalanwalt zuzustimmen, dass die Ansicht, die Entgeltlichkeit der Leistung sei für die Frage der wirtschaftlichen Tätigkeit konstitutiv, eine Verwechslung von persönlicher und sachlicher Steuerpflicht ist. 121 Ebenso wie im Einkommensteuerrecht nicht von der Tatsache, dass Einkünfte i.S.v. § 2 Abs. 1 EStG erzielt werden, auf eine im Inland ansässige natürliche Person i.S. v. § 1 Abs. 1 EStG geschlossen werden kann, ist im Umsatzsteuerrecht ein Schluss von der sachlichen auf die persönliche Steuerpflicht unzulässig. Schließlich spricht ein Wortlautargument gegen die Ansicht des EuGH: Art. 4 der 2. EG-Richtlinie spricht von Leistungen eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden. Hierbei ist der Terminus der "Leistung" nicht näher definiert. 122 Art. 2 der 2. EG-Richtlinie spricht von Dienstleistungen gegen Entgelt. Wenn dem Begriff der Leistung bereits das Entgelt, d.h. die Gegenleistung, immanent wäre, wären in Art. 2 die Worte "gegen Entgelt" überflüssig. Welch abwegige Folgerungen aus einer solchen Vermengung von sachlicher und persönlicher Steuerpflicht gezogen werden, zeigen die Ausführungen des Apple and Pear Development Councils im gleichnamigen Fall: Dort wird argumentiert, der Council sei aus Wettbewerbsgründen (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie) als Steuerpflichtiger zu behandeln. Aus der "Wechselbeziehung zwischen dem Status als Steuerpflichtiger und dem Vorhandensein eines Entgelts ergebe sich, daß die Beiträge als Entgelt für die Dienstleistung des Council angesehen werden müßten" 123 • Auf diese Argumentation lässt sich der EuGH erfreulicherweise nicht ein. 124

120 Ähnlich: Erklärungen des Kassationsbeklagten des Ausgangsverfahrens, EuGHE 1982, 1281 und Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1294). 121 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1294). 122 Insbesondere enthält der Wortlaut keine Anhaltspunkte flir ein Entgelt, vgl. Erklärungen der Kommission, EuGHE 1982, 1281. 123 Erklärungen des Apple and Pear Developrnent Council, EuGHE 1988, 1443 (1449); auch der Generalanwalt thematisiert diese Folgerung; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Slynn vom28.10.1987, EuGHE 1988, 1455 (1460). 124 Zur Auseinandersetzung mit dieser Folgerung, vgl. die Erklärungen des Vereinigten Königreichs, EuGHE 1988, 459 (1450); siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts Slynn vom28.10.1987, EuGHE 1988, 1455 (1462).

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Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

Da die erste Vorlagefrage des "Hong-Kong Trade"-Falles somit zu bejahen war, ist eine Beantwortung der zweiten Vorlagefrage erforderlich. Die Frage des Hoge Raad, ob Art. 11 Abs. 2 Unterabs 1 der 2. EG-Richtlinie dem Abzug der Umsatzsteuer entgegen stehe, die auf Gegenständen oder Dienstleistungen laste, die zur Erbringung unentgeltlicher Leistungen verwendet werden, ist wörtlich verstanden - wie der Generalanwalt ausführt- leicht beantwortet. Wie oben erläutert ist hier der Vorsteuerabzug wegen Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 1 der 2. EG-Richtlinie (bzw. heute wegen Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie) ausgeschlossen. 125 Der Generalanwalt entnimmt dem Ausgangssachverhalt jedoch zutreffend die Frage, ob Art. 11 Abs. 2 Unterabs. I der 2. EG-Richtlinie für sich allein, d.h. ohne entsprechende nationale Durchführungsbestimmung, einer nationalen Finanzverwaltung verbiete, den Abzug der Umsatzsteuer zuzulassen, die von einem Steuerpflichtigen i.S. der 2. EG-Richtlinie zur unentgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen verwendet werde. 126 Aus der zur Frage der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien bis 1982 ergangenen Rechtsprechung des EuGH 127 lässt sich entnehmen, dass der Einzelne befugt ist, aus Richtlinien unter bestimmten Voraussetzungen subjektive Rechte herzuleiten, nicht jedoch, dass Richtlinien für Einzelne unmittelbare Verpflichtungen begründen können. 128 Wird einem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug verweigert, so wird durch die Ablehnung des Abzugs die bestehende Steuerpflicht aufrechterhalten. Dies führt bei wirtschaftlicher Betrachtung zu dem gleichen Ergebnis wie die Begründung einer Steuerpflicht. Somit würde durch die unmittelbare Wirkung der Richtlinie dem Individuum eine Verpflichtung auferlegt. Dies ist nicht mit der Rechtsprechung des EuGH vereinbar. 129 125 So auch die Erklärungen des Kassationsbeklagten, EuGHE 1982, 1282; Erklärungen der Konmrission, EuGHE 1988, 1283; Schlussanträge des Generalanwalts van Tlzemaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1295). 126 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3. 1982, EuGHE 1982, 1289 (1295 f.). So auch die Erklärungen des Kassationsbeklagten, EuGHE 1982, 1282 und die Erklärungen der Komnrission, EuGHE 1988, 1283. 127 EuGH, Urt. v. 1.2.1977- Rs. 51176 (VNO), EuGHE 1977, 113 (126 f., Rdnr. 20, 29); Urt. v. 23.11.1977- Rs. 38177 (Enka), EuGHE 1977,2203 (2211, Rdnr. 9 f.); Urt. v. 29.11.1978- Rs. 21178 (Delquist), EuGHE 1978,2327 (2340, Rdnr. 18,21 f.); Urt. v. 5.4.1979- Rs. 148178 (Ratti), EuGHE 1979, 1629 (1641 f., Rdnr. 18 ff.); Urt. v. 19.1.1982- Rs. 8/81 (Becker), EuGHE 1982,53 (70 f., Rdnr. 17 ff.). 128 Im Ergebnis ebenso: Herdegen, Europarecht, 2002, Rdnr. 183 ff.; Bischof, Europarecht, 1996, Rdnr. 116; Oppermann, Europarecht, 1999, Rdnr. 466. 129 So auch Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1296 f.).

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Tlitigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Somit wäre die zweite Vorlagefrage - richtig verstanden - zu verneinen: Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 1 der 2. EG-Richtlinie verbietet für sich alleine, d.h. ohne entsprechende nationale Umsetzung, einer Finanzverwaltung nicht, den Abzug der Umsatzsteuer zuzulassen, die auf Gegenständen und Dienstleistungen lastet, welche von einem Steuerpflichtigen zur unentgeltlichen Leistungserbringung verwendet werden. Die Finanzverwaltung darf sich nicht alleine auf eine Richtlinienbestimmung berufen, die nicht ins nationale Recht umgesetzt wurde, um einem Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug zu verweigem. 130

(3)

,,Apple and Pear Development"-Entscheidung

Ebenso wie im "Aardappelenbewaarplaats"-Fall, auf den der EuGH sich inhaltlich bezieht, äußert sich der Gerichtshof im Fall "Apple and Pear Development" nicht zur Frage, ob der Council im konkreten Fall Steuerpflichtiger ist. Diese Eigenschaft wird schlicht angenommen und nicht angezweifelt. Besonders augenfällig im "Apple and Pear Development"-Fall ist, dass der Council vor der Aufnahme des "Kingdom Scheme"-Projekts lediglich durch den Verkauf von Werbeartikeln entgeltliche Umsätze erbrachte. Allein durch den Verkauf von Werbeartikeln, der nur einen sehr geringen Teil der Einnahmen ausmachte, erlangte der Council offensichtlich die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie. Dies erinnert an den Vorschlag REUGEBRINKS, der Hong-Kong Development Council sollte ein paar Kugelschreiber verkaufen. 131 So würde er die Qualifikation als Steuerpflichtiger erlangen. Es zeigt sich also auch im Fall "Apple and Pear Development", dass es richtig ist, die Frage der entgeltlichen Umsätze von der Frage der Eigenschaft als Steuerpflichtiger zu trennen. Es erscheint widersinnig, dass ein grundsätzlich Nichtsteuerpflichtiger durch völlig untergeordnete Geschäfte die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen erlangt.

dd)

Zusammenfassung

1.

Die persönliche Steuerpflicht ist von der sachlichen Steuerpflicht zu trennen.

2.

Eine "Dienstleistung [... ] gegen Entgelt" i.S.v. Art. 2 der 2. und 6. EG-Richtlinie erfordert nach der zutreffenden Rechtsprechung des

130 So auch Schlussanträge des Generalanwalts van Themaat vom 2.3.1982, EuGHE 1982, 1289 (1296). 131 Vgl. Reugebrink, UR 1991, 305 (308).

80

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

EuGH einen unmittelbaren Zusammenhartg. Wenn ein solcher Zusammenhartg nicht gegeben ist, dann erfolgt die Dienstleistung unentgeltlich. 3.

Das Erbringen von entgeltlichen Umsätzen ist für die Qualifikation als Steuerpflichtiger nicht konstitutiv. Die wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie erfordert grundsätzlich keine Leistung gegen Entgelt. Die EuGH-Rechtsprechung und die hM sind nicht zutreffend.

4.

Der Vorsteuerabzug ist nur hinsichtlich der Dienstleistungen und Gegenstände zulässig, die der Steuerpflichtige für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet (Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 1 der 2. EG-Richtlinie bzw. Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie).

5.

Soweit die Regelung des Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 1 der 2. EGRichtlinie bzw. Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie nicht zutreffend umgesetzt wurde, sind nationale Finanzbehörden nicht berechtigt, durch eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift den Vorsteuerabzug zu verweigern.

II.

Die deutsche Umsetzung

Fraglich ist, ob die in Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie niedergelegten "Rahmenbedingungen" der wirtschaftlichen Tätigkeit richtlinienkonform ins deutsche Recht umgesetzt wurden. Die erwähnten Tatbestartdsmerkmale finden ihre Entsprechung in § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 1 Abs. 2 Satz 3 UStG sowie § 40 A0 132 • 1.

§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 1 Abs. 2 Satz 3 UStG, § 40 AO

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, "wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt". "Gewerblich" oder "beruflich" ist gern. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG "jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt [... ]" 133 • Gern. § 1 Abs. 2 Satz 3 kommt es, sofern ein Umsatz im Inlartd ausgeführt wird, "für die Besteuerung nicht darauf art, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inlartd hat, im Inland eine Rechnung erteilt oder die Zahlung empfangt".

132 Abgabenordnung (AO 1977) vom 16. März 1976, BGBI. 1976 I, 613; ber. BGBI. 1977 I, 269. 133 Hervorbebung nicht im Original.

81

Tatigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

§ 40 AO lautet: ,,Für die Besteuerung ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt."

2.

Auslegung

Auch für das deutsche Umsatzsteuerrecht ist- ebenso wie auf der Ebene der Richtlinie- die Frage zu beantworten, ob der Niederlassungsort des Unternehmers für die Umsatzsteuer relevant ist. Ferner ist zu klären, ob im deutschen Recht der Zweck und das Ergebnis der Tätigkeit die Unternehmereigenschaft beeinflussen. Schließlich ist das grundsätzliche Problem zu erörtern, ob entgeltliche Umsätze für den Unternehmer des UStG konstitutiv sind.

a)

Ortsunabhängigkeit des Unternehmerbegriffs

Anders als Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie trifft die Umsetzungsvorschrift des § 2 Abs. 1 UStG selbst keine Aussagen zur Frage des NiederlassungsoTts. Es stellt sich auch im Hinblick auf den Unternehmer die Frage, ob nach deutschem Umsatzsteuerrecht der Niederlassungsort für die subjektive Steuerpflicht relevant ist. Im UStG unterliegen gern. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nur inländische Umsätze der Umsatzsteuer. 134 Dies wird dadurch erreicht, dass an den Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung angeknüpft wird (§§ 3 ff. UStG). Eine beschränkte Umsatzsteuerpflicht gibt es nicht. 135 Daher trifft § 2 UStG keine Aussagen bezüglich des Niederlassungsorts eines Unternehmers: Eine Ortsabhängigkeit wird nicht erwähnt, da diese gerade nicht erforderlich ist. Genau dies drückt § 1 Abs. 2 Satz 3 UStG aus, nach dem es "für die Besteuerung nicht darauf an[kommt], ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt", sofern der Umsatz im Inland getätigt wird.

b)

Zweck der Tätigkeit

Die Umsetzungsvorschrift des § 2 UStG enthält keine Regelung bezüglich des Zwecks der Tätigkeit. In der AO hingegen existiert eine Vorschrift, die

134 Gern. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 UStG unterliegen auch Einfuhren in das Inland und der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland der Umsatzsteuer. 135 Vgl. Ja/wb, Umsatzsteuer, 1998, § 3, Rdnr. 8.

82

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

gesetz-und sittenwidriges Handeln betrifft. Nach§ 40 AO ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, gesetz- oder sittenwidrig ist. Fraglich ist, ob diese Vorschrift auf die deutsche Umsatzsteuer Anwendung findet. Gern. § 1 Abs. 1 AO gilt die AO für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder das Recht der Europäischen Gemeinschaften geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Die Umsatzsteuer ist in ihren tatbestandliehen Voraussetzungen im UStG, einem Bundesgesetz (Art. 105 Abs. 2 GG), geregelt und wird- von der Einfuhrumsatzsteuer abgesehen (Art. 108 Abs. 1 GG)- durch Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet (Art. 108 Abs. 3 GG). 136 Somit ist § 40 AO auf die Umsatzsteuer und den "Unternehmer" anwendbar. 137 Infolgedessen gehen die deutsche Rechtsprechung und die Literatur einhellig davon aus, dass der Zweck der Tätigkeit für die Frage der Unternehmereigenschaft belanglos ist: Ob die Tätigkeit gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt ist unerheblich. Sofern die Voraussetzungen des § 2 UStG erfüllt sind, ist der Betreffende Unternehmer und somit subjektiv steuerpflichtig. 138

c)

Ergebnis der Tätigkeit

Weiter stellt sich die Frage, ob nach der deutschen Umsetzungsvorschrift des § 2 UStG das Ergebnis der Tätigkeit für die Unternehmereigenschaft von Belang ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gewerblich oder beruflich, "auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt". Diese Formulierung stellt klar, dass weder ein tatsächli-

136 Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 1, Rdnr. 16. 137 Keine Anwendung findet § 40 AO jedoch auf die Zölle und die Einfuhrurnsatzsteuer: Vgl. Schwarz, in: Schwarz, AO, § 40, Rdnr. 6 ff.; Kühn/Hofmann, AO, 1995, § 40,

Anm2. 138 Vgl. RFH, Gutachten v. 31.1.1922- V D 1121, RFHE 8, 100 (108); Urt. v. 28.4.1922 -V A25/22, StuW 1922, 881, Nr. 875; Urt. v. 7.2.1930- VA 785/29, RStBl. 1930, 386; VG Berlin, Urt. v. 12.2.1958 - VII A 246/57, EFG 1958, 392; BFH, Urt. v. 4.6.1987- V R 9n9, BStBl. 1987 II, 653 f.; Schön, UStKongrBer 2001/02, 17 (38), Kruse, in: Tipke!Kruse, AO - FGO, § 40 AO, Rdnr. 3; Stadie, in: Rau/ Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 171; Fischer, in: Hübschrnann!Hepp/Spitaler, AO FGO, § 40 AO, Rdnr. 48.

83

Tatigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

eher Gewinn noch die Absicht der Gewinnerzielung Voraussetzung für den umsatzsteuerliehen Unternehmerbegriff ist. 139 Der Grund, warum das Umsatzsteuergesetz von dem Erfordernis der dauernden Gewinnerzielung absieht, ist der, dass es für eine allgemeine Verbrauchsteuer nicht darauf ankommen kann, ob der Verbraucher die Leistung von jemandem erhält, der gewinnorientiert handelt. Bei einer Steuer, die auf Abwälzung angelegt ist und deshalb nicht den Unternehmer sondern den Verbraucher belasten soll, darf die Besteuerung nicht von der Erfüllung subjektiver Merkmale durch den VerbraucherversorgeT abhängen. Das Gebot der Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer verlangt, dass alle konkurrierenden VerbraucherversorgeT in gleicher Weise mit Umsatzsteuer belastet werden, da anderenfalls die Abwälzbarkeit bei den mit Gewinnerzielungsahsieht Tätigen nicht mehr gewährleistet wäre. 140 Daher ist es allgemein anerkannt, dass auch kostendeckendes oder sogar verlustbringendes Tätigwerden die Unternehmereigenschaft begründet. 141 Auch "Liebhaberei"-Tätigkeiten können unter den inhaltlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG unternehmerisch sein. 142 Demzufolge kann die Unternehmereigenschaft nicht allein anband von Kriterien, die sich auf den Gewinn der Tätigkeit beziehen, verneint werden. Es ist jedoch fraglich, ob der Gewinn, d.h. das Ergebnis der Tätigkeit, eine Rolle spielen darf, wenn es um die Gesamtbeurteilung der Frage geht, ob jemand unternehmerisch tätig ist. Zu Recht weist KLüSE darauf hin, dass für diese Frage die Gewinnerzielungsabsicht Bedeutung erlangt, wenn es nicht auf einen zufälligen Gewinn für die Unternehmereigenschaft ankommen soll. 143 Somit ist fraglich, ob die fehlende Gewinnerzielungsabsicht im 139 Vgl. Georgy, in: P1ückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 400; Schäfer!Gabriel, Umsatzsteuer, § 2, Anm I 2 b. 140 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 375. 141 Vgl. RFH, Urt. v. 6.10.1920- II A 189/20, RStB1. 1920, 690 f.; Urt. v. 13.3.1925 -V A 39/25, RFHE 16, 28 (29 f.); Urt. v. 11.10.1929 -VA 282/29, RFHE 26, 18 f.; BFH, Beschl. v. 1.3.1990- VB 141189, BFHINV 1990, 465; Birk, Steuerrecht, 2001, Rdnr. 1291; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 72; Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 4, Rdnr. 41; Georgy, in: P1ückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 400; Schäfer!Gabriel, Umsatzsteuer, § 2, Anm I 2 b. 142 Vgl. RFH, Urt. v. 13.2.1942- V 133/41, RStBl. 1942, 543 (544); Urt. v. 20.3.1944V 67/43, RStBI. 1944, 644; BFH, Urt. v. 23.1.1992- V R 66/85, UR 1992, 202 (204); Urt. v. 6.8.1998- V R 74/96, UR 1998, 464 (465); Klenk in: Sö1ch!Ring1eb, UStG, § 2, Rdnr. 180 ("Liebhaberei"); Georgy, in: P1ückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 411; Reiß, in: Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 60. 143 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 64.

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Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

Rahmen einer Gesamtabwägung zu einer Verneinung der Unternehmereigenschaft führen kann. In seiner jüngeren Rechtsprechung folgt der BFH den Ausführungen des EuGH in der Rechtssache ,,Enkler" 144 • Die Frage der Nachhaltigkeit der Einnahmenerzielung sei auf Grund eines Gesamtbildes der Verhältnisse zu peurteilen. Dabei sei eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmenerzielung sprechen könnten. In diesem Zusammenhang billigt der BFH die Rechtsprechung des EuGH, dass die Höhe der Einnahmen Gesichtspunkte seien, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehörten, und somit bei der Prüfung der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden müssten. 145 Dem ist zu entnehmen, dass auch der BFH den Gewinn (und somit die Gewinnerzielungsabsicht) im Rahmen einer Gesamtabwägung, ob eine nachhaltige Tätigkeit vorliegt, berücksichtigt. 146 Diese Rechtsprechung wird von Teilen der Literatur gebilligt. 147

Scharf kritisiert wird der BFH hingegen von KLOSE: Die genannte Rechtsprechung sei contra legem. Weder setze der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG voraus, dass die betreffende Person Einkünfte in bestimmter Höhe erziele, noch verlange er eine entsprechende Absicht. Es genüge vielmehr die Absicht, irgendwelche Einnahmen zu erzielen. Die Frage der Gewinnerzielung dürfe bei der Beurteilung der Unternehmereigenschaft keine Rolle spielen. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG sei diesbezüglich eindeutig. Auch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung werde ein Verneinen der Unternehmereigenschaft auf Grund der fehlenden Gewinnerzielung durch § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ausgeschlossen. 148 Um zu klären, wie sich im deutschen Umsatzsteuerrecht die Frage des Gewinns auswirkt, ist es unerlässlich, den Streit zu entscheiden, um so die aufgeworfene Frage zu beantworten. Unzweifelhaft darf auf Grund des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG die Frage nach der Unternehmereigenschaft nicht ausschließlich anhand des Ergebnisses der

144 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996,1-4517. 145 Vgl. BFH, Urt. v. 12.12.1996 - V R 23/93, BStBl. 1997 li, 368 (370); Urt. v. 10.4.1997- V R 17/94, UR 1998, 144 (145). Klose (Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 63) verweist auf weitere vorangegangene Urteile, in denen der BFH bereits auf die Gewinnerzielung abgezielt hat. 146 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 63. 147 Vgl. Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2Abs. 1, Rdnr. 413. 148 Vgl. Klose, Unternehmerund Steuerpflichtiger, 2000, S. 63 f.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Tätigkeit beantwortet werden. Dem Wortlaut, jede nachhaltige Tätigkeit sei gewerblich oder beruflich, "auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt", ist zu entnehmen, dass für die Frage der Unternehmereigenschaft die Gewinnerzielungsabsicht alleine nicht ausschlaggebend sein darf. Eine darüber hinausgehende Deutung überinterpretiert jedoch den Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG: Im Regelfall ist eine unternehmerische Tätigkeit auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet. Da jedoch die Umsatzsteuer eine Verbrauchsteuer ist, kann es - wie oben erläutert - alleine auf die Gewinnerzielungsabsicht des Verbraucherversorgers nicht ankommen. Dass dennoch, insbesondere bei der für den Vorsteuerabzug relevanten Frage, ob jemand als Unternehmer zu betrachten ist, in die Gesamtbeurteilung auch das Ergebnis der Tätigkeit einfließt, verbietet der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG nicht. Wie im folgenden Unterkapitel dargelegt wird, ist die wirtschaftliche und somit auch die unternehmerische Tätigkeit anband einer Vielzahl von Kriterien zu beurteilen. 149 Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist nicht so zwingend, dass der Gewinn keineswegs in die differenzierte Beurteilung, ob eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt, im Rahmen einer Gesamtabwägung einfließen kann. Die enge Auslegung KLOSES ist somit abzulehnen: Neben anderen Kriterien kann auch das Ergebnis der Tätigkeit im Rahmen einer Gesamtabwägung zur Beurteilung der Frage, ob eine Tätigkeit unternehmerisch ist, herangezogen werden.

d)

Erforderlichkeit eines Entgelts

Uneinheitlich wird schließlich auch die Frage beantwortet, ob der deutsche Unternehmerbegriff entgeltliche Umsätze erfordert, ob also der ausschließlich unentgeltlich Tätige "Unternehmer" i.S. des § 2 UStG sein kann. Die hM geht davon aus, dass die Erbringung von Leistungen gegen Entgelt konstituierend für die Unternehmereigenschaft ist. 150 Nur derjenige könne 149 Sieheunten,S.113ff., 170ff. 150 Vgl. BFH, Urt. v. 17.7.1980- V R 5n2, BStBl. 1980 II, 622 (624); Urt. v. 20.1.1988 -X R 48/81, BStBl. 1988 II, 557 (558 f.); Urt. v. 28.9.1988- X R 6/82, BStBl. 1989 II, 122 (123); Urt. V. 6.5.1993 - V R 45/88, BStB1. 1993 II, 564 (565); Urt. V. 16.12.1993- V R 103/88, BStBl. 1994 II, 278 (279); Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 2.12.1996, IV C 3 - S 7104- 95196, BStBl. 1996 I, 1461; Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 48 f.; Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 106; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 41 ff.; Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 380; Schuhmann, in: HundtEßwein/Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 48; Stadie, in: Rau/Dlirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 165; Schuhmann, in: Of-

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Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit

Unternehmer sein, der entgeltliche Umsätze tätige. Das Vorliegen eines Leistungsaustausches auf der Leistungsausgangsseite sei Tatbestandsmerkmal des Unternehmerbegriffs. Jede Form des "Unternehmers ohne Umsatz" sei zu verneinen. 151 Begründet wird diese Meinung vor allem mit der Entstehungsgeschichte des § 2 UStG 152 : Der im Jahr 1934 infolge der Trennung von sachlicher und persönlicher Steuerpflicht geschaffene § 2 UStG knüpfe ersichtlich an die Vorbilder in § 1 Abs. 1 der Umsatzsteuergesetze 1918, 1919 und 1926 an. Der Gesetzgeber des UStG habe nur insoweit eine Akzentverschiebung vorgenommen, als er die Steuerbarkeit von Leistungen auf die nachhaltige Tätigkeit des Umsatzträgers eingrenzte. Die Umsatzsteuergesetze 1918, 1919 und 1926 beschrieben in ihrem § 1 Nr. 1 den Gegenstand der Besteuerung als "Lieferungen und sonstige Leistungen, die jemand innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt". Das UStG 1934 habe in seinem§ 1 Nr. 1 den Begriff des Unternehmers eingeführt und alle sich auf diesen Träger des Umsatzes beziehenden Regelungen in§ 2 UStG 1934 verwiesen. Nach der amtlichen Begründung 153 erkläre sich die Wortfassung des § 2 UStG 1934 aus der Entstehungsgeschichte. § 2 UStG sei nur in Ergänzung zu § 1 UStG vorgesehen gewesen, und beide Vorschriften hätten von Anfang an in untrennbarem Zusammenhang gestanden. Daher müsse § 2 UStG im Zusammenhang mit § 1 UStG gesehen werden und dieser verlange eine Leistung gegen Entgelt. Folglich könne es sich bei der Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen in§ 2 UStG nur um entgeltliche Leistungen handeln. 154 Daneben wird die Ansicht durch den Verbrauchsteuergedanken gestützt. 155 Der Vorsteuerabzug diene der Entlastung des Unternehmers von der Um-

151 152 153 154

155

ferhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2, Rdnr. 176 ff.; Birkenfeld, DStR 1994, 81 (82); Giesberts, UR 1993, 279 (281); Schulte/Müller, UStG, § 2, Rdnr. 15; Wagner, StuW 1991, 61 f.; Dziadkowski, UVR 1990, 195 (201); Probst, DStJG 13 (1990), 137 (145 f.); Rose, StbJb 1989/90, 27 (36 ff.); Giesberts, UR 1989, 257; Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, S. 31 ff.; Probst, UR 1986, 225 (228). Ähnlich: Tiede (Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 99), der jedoch auch fremde, aber dem Unternehmer zuzurechnende Umsätze innerhalb seines Wirtschaftskreises ausreichen lassen will. Vgl. Dziadkowski, UVR 1990, 195 (201). Siehe oben, S. 12 f. Vgl. Amtliche Begründung zu§ 2 UStG, RStBl. 1934, 1550. Vgl. BFH, Urt. v. 17.7.1980- V R 5n2, BStBl. 1980 II, 622 (624); Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 47 ff.; Birkenfeld, DStR 1994, 81 (82); Probst, UR 1986, 225 (227). Vgl. Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, S. 31 f.

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Tatigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

satzsteuer. Als Verbraucher i.S. des Umsatzsteuerrechts werde der behandelt, bei dem die Umsatzkette ende und der somit kein Fremdversorger sei. Ein solch umsatzloser Unternehmer sei einem Endverbraucher gleichzustellen und dürfe daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sein. Wegen des Vorsteuerabzugs könne nur derjenige Unternehmer sein, der zur Ausführung von Leistungen gegen Entgelt tätig sei. Einen "Unternehmer ohne Umsatz" könne es mithin nicht geben. 156 Schließlich würde der Unternehmer, der keine Umsätze tätige und somit nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliege, seine Funktion als "Steuereinsammler"157 verlieren. 158 Anband des Kriteriums der entgeltlichen Umsätze wird von der hM z.B. die Unternehmereigenschaft und somit die Vorsteuerabzugsberechtigung von Holdinggesellschaften verneint. 159 Demgegenüber bestreitet ein Teil der Literatur das Erfordernis des Erbringens entgeltlicher Umsätze. Ein Leistungsaustausch sei für die Unternehmereigenschaft nicht erforderlich. 160 Zur Begründung dieser Ansicht wird zunächst einmal der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG herangezogen: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sei die Unternehmereigenschaft eine der Voraussetzungen für die Steuerbarkeit von Leistungen, während das Vorliegen eines Leistungsaustauschs eine weitere Voraussetzung der Steuerbarkeit sei. 161 Die entgegengesetzte Ansicht verwische die gesetzliche Unterscheidung von Steuersubjekt und Steuerobjekt 162 Das Umsatzsteuerrecht sei durch das Prinzip der Belastung des Konsums der Endverbraucher und der Entlastung der Unternehmer geprägt. Jede selbständige Erwerbstätigkeit solle von der Umsatzsteuerbelastung freigehalten werden. Die Unternehmerdefinition des § 2 Abs. 1 UStG fordere nur eine

156 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 48 f.; Probst, DStJG 13 (1990), 137 (146); Probst, UR 1986, 225 (226). 157 Siehe oben, S. 23. 158 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 49; Probst, DStJG 13 (1990), 137 (145 f.) 159 Vgl. Rose, StbJb 1989/90, 27 (36 ff.) mit weiteren Beispielen und weiteren Nachweisen. Vertiefend zur Unternehmereigenschaft der Holding: Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001. 160 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 51; Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 4, Rdnr. 42; Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (15 f.); Ebke!Andrees, EWS 1993, 346 (350); Schaub, Unternehmerbegriff, 1989, S. 145 ff.; Rau, UR 1987, 121 (123 ff.). 161 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 51. 162 Vgl. Ebke!Andrees, EWS 1993,346 (350).

88

Rahmenbedingungen der Unternehmerischen Tätigkeit

selbständige und nachhaltige Tätigkeit zur Einnahmenerzielung, aber keine Leistungserbringung gegen Entgelt. 163 Kritisiert wird an der hM, dass die Kopplung der Unternehmereigenschaft an den Leistungsbegriff des § 1 UStG aus einer Auslegungsschwäche des Unternehmerbegriffs resultiere. Zwar treffe häufig das Fehlen von Leistungen mit der fehlenden Unternehmereigenschaft zusammen, da Nichtunternehmer i.d.R. keine Leistungen erbringen. Zudem könne es bisweilen leichter fallen, die fehlende Unternehmereigenschaft mit dem Fehlen entsprechender Leistungen zu erklären. Dieser Zusammenhang sei jedoch kein zwingender. 164 Die unternehmerische Sphäre solle vielmehr wie auf Ebene der 6. EG-Richtlinie durch "wirtschaftliche Tätigkeiten" (Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie) umschrieben und zugleich begrenzt werden. Das Kriterium des Leistungsaustausches sei für den Unternehmerbegriff nicht erforderlich.165 Demzufolge wäre - nach der zuletzt genannten Ansicht - die Unternehmereigenschaft der beispielhaft erwähnten Holdinggesellschaften anband anderer Kriterien zu beurteilen. Welche dieser Ansichten ist nun zutreffend? Die Klärung dieser Frage erfordert eine Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten. Das für die hM angeführte Argument aus der Entstehungsgeschichte ist kritisch zu betrachten: Ebenso wie die von der hM angenommene Deutung lässt die Trennung von Steuersubjekt und Steuerobjekt durch das UStG 1934 den Schluss zu, dass damit die Eigenständigkeit von objektiver und subjektiver Steuerpflicht betont werden sollte. Für diese Annahme spricht auch, dass der Gesetzgeber einmal von Entgelt (§ 1) und einmal von Einnahmen (§ 2) spricht. Eine enge Verbindung beider Gesetzesvorschriften hätte der Gesetzgeber sicherlich durch den Gebrauch nur eines Begriffs oder durch den Verweis auf das Erfordernis der Leistungserbringung deutlicher machen können. 166 Darüber hinaus hat schon das UStG 1918 auf ,,Personen, die eine selbständige gewerbliche Tätigkeit[ ... ] ausüben" abgestellt, die Umsatzsteuergesetze 1919 und 1926 haben von einer "selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" gesprochen, ohne dass entgeltliche Umsätze als Voraussetzung der subjektiven Steuerpflicht gefordert wurden. 167 163 Vgl. Schaub, Untemehrnerbegriff, 1989, S. 145 ff.; 152 ff. Hervorhebung nicht im Original. 164 Vgl. Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (15). 165 Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 4, Rdnr. 42. 166 So auch Schaub, Untemehmerbegriff, 1989, S. 155; Rau, UR 1987, 121 (124). 167 Vgl. Schaub, Unternehmerbegriff, 1989, S. 155.

89

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Schließlich ist die Systemumstellung 1967 zu berücksichtigen. Im Allphasen-Brutto-System war der Unternehmer lediglich Steuerschuldner. Die Unternehmereigenschaft wurde nur relevant, wenn gleichzeitig der Tatbestand des § 1 UStG erfüllt wurde und eine Umsatzsteuerschuld entstand. Der Unternehmer musste also eine Leistung gegen Entgelt erbringen: Insoweit gab es im Allphasen-Brutto-System einen sehr engen und untrennbaren Zusammenhang zwischen§ 1 und§ 2 UStG. Durch die im Jahre 1967 eingeführte Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug kam es jedoch zu der erwähnten Systemumstellung im Umsatzsteuerreche68: Neben der Umsatzsteuerpflicht erhielt der Unternehmer das Recht zum Vorsteuerabzug. Anders als in der Eigenschaft als Schuldner braucht der Unternehmer in seiner Eigenschaft als Gläubiger nicht begriffsnotwendig den Tatbestand zu erfüllen, an den das Gesetz das Entstehen der Steuerschuld knüpft; der oben geschilderte enge und untrennbare Zusammenhang besteht nicht mehr zwangsläufig. 169 Alleine daraus zu folgern, dass die Systemumstellung dazu geführt hat, dass der Unternehmerbegriff keine entgeltlichen Umsätze erfordert, geht jedoch zu weit. Doch kann man sehen, dass gerade im Fall eines solchen Systemwechsels rechtshistorische Argumente nur von begrenztem Wert sind: Die Entstehungsgeschichte des § 2 UStG kann somit, sofern man die historischen Argumente überhaupt zulässt, sowohl für als auch gegen die Ansicht sprechen, dass entgeltliche Umsätze für die Unternehmereigenschaft konstitutiv sind. Insgesamt kann man daher der Entstehungsgeschichte des § 2 UStG keine eindeutigen Anhaltspunkte für die hier in Frage stehende Auslegung entnehmen. Ebenso geht das Argument, der Unternehmerbegriff erfordere entgeltliche Umsätze, da der Unternehmer ansonsten nicht die Funktion des "Steuereinsammlers" ausüben könne, fehl: Wie bereits oben erläutert 170 , ist dies ein methodisch unrichtiger Schluss von der Rechtsfolge, dass der Unternehmer im Fall des Ausführens entgeltlicher Umsätze als "Steuereinsammler" agiert, auf die Voraussetzungen des Unternehmerbegriffs. Schließlich ist das Argument der hM zu analysieren, der umsatzlose "Unternehmer" sei einem Endverbraucher gleichzustellen und sei daher nicht berechtigt, die Umsatzsteuer abzuziehen. Grundsätzlich entspricht es dem von 168 Siehe oben, S. 7 f. 169 Vgl. Rau, UR 1987, 121 (124). 170 Siehe oben, S. 74 ff.

90

Rahmenbedingungen der unternehrnerischen Tätigkeit

der 6. EG-Richtlinie vorgegebenen Mebrwertsteuersystem, dass derjenige, der am Ende der Umsatzkette steht und keine entgeltlichen Umsätze tätigt, nicht berechtigt sein soll, die Vorsteuer abzuziehen. Dies ist in der 6. HGRichtlinie (Art. 17 Abs. 2) geregelt. 171 Das Erbringen entgeltlicher Umsätze gehört jedoch nicht zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach der deutschen Umsetzungsvorschrift des § 15 U StG 172 Diese den Vorsteuerabzug betreffende Frage ist im deutschen Umsatzsteuerrecht nicht in der Norm geregelt, die den Vorsteuerabzug ausgestaltet. Aus diesem Grund interpretiert die hM dieses Erfordernis ergebnisorientiert in den Unternehmerbegriff des § 2 UStG. Die hM engt den Unternehmerbegriff wegen des Unterschieds von § 15 UStG zu dem zu Grunde liegenden Art. 17 der 6. EG-Richtlinie ein. 173 § 2 UStG enthält jedoch keine zwingenden Anhaltspunkte für eine einengende Auslegung des Unternehmerbegriffs. Eine solche Interpretation des Unternehmerbegriffs führt dazu, dass faktisch Art. 17 Abs. 2 der 6. HGRichtlinie unmittelbar angewendet wird. Dies ist jedoch, da es wirtschaftlich der Auferlegung einer Steuerpflicht entspricht, unzulässig. 174 Somit kann dem Mehrwertsteuersystem kein eindeutiges Argument dahin gehend entnommen werden, dass der Unternehmerbegriff entgeltliche Umsätze erfordert. Die zuletzt gemachten Ausführungen sprechen eher für die entgegengesetzte Ansicht, dass entgeltliche Umsätze nicht für die Unternehmereigenschaft konstitutiv sind. Daneben überzeugen die Argumente der Gegenmeinung: § 2 UStG regelt die subjektive Steuerpflicht, während § 1 UStG die objektive Steuerpflicht betrifft. Ebenso wie in den übrigen steuerrechtliehen Gesetzen gibt es zunächst einmal keine Anhaltspunkte, die subjektive und die objektive Steuerpflicht zu vermengen. Weiterhin ist eine Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, dass ein "Unternehmer" die Umsätze tätigt. Darüber hinaus setzt§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG voraus, dass Lieferungen oder sonstige Leistungen "gegen Entgelt" erbracht werden. Die zuletzt genannte Voraussetzung wäre völlig überflüssig, wenn bereits der Unternehmerbegriff die Entgeltlichkeit der Umsätze beinhalten würde.

171 Dies war auch bereits in Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 1 der 2. EG-Richtlinie geregelt. 172 So auch Rau, UR 1987, 121 (124). 173 So auch Klenk, UR 1993, 284 (285); ähnlich Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 4, Rdnr. 43. 174 Siehe oben, S. 74 ff.

91

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

Schließlich sprechen die Grundsätze der richtlinienkonformen Auslegung 175 für die Ansicht, dass der Unternehmerbegriff i.S. der zweiten Ansicht auszulegen ist: Nach richtiger Auslegung erfordert der Begriff des Steuerpflichtigen nach Art. 4 der 6. EG-Richtlinie keine entgeltlichen Umsätze. 176 Diese Auslegung bewegt sich auch im Rahmen des Wortlauts des § 2 UStG, der keine entgeltlichen Umsätze fordert. Somit ist die hM abzulehnen: Das Erbringen entgeltlicher Umsätze ist nicht konstitutiv für die Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG. Der Unternehmer des deutschen Umsatzsteuerrechts erfordert als solcher keine entgeltlichen Umsätze. Dies ist die Frage der objektiven Steuerpflicht. Ähnlich wie der Gewinn der Tätigkeit nicht das entscheidende Kriterium der unternehmerischen Tätigkeit sein kann, so ist die Unternehmereigenschaft auch nicht alleine auf Grund fehlender entgeltlicher Umsätze zu verneinen. Grundsätzlich ist ein "Unternehmer ohne Umsätze" denkbar. Dieser wäre nach gegenwärtiger Rechtslage berechtigt, die Vorsteuer abzuziehen, da§ 15 UStG keine besteuerten Umsätze voraussetzt. Aus diesem Grunde kann auch für die beispielhaft genannten Holdinggesellschaften die Unternehmereigenschaft nicht alleine auf Grund des Fehleus entgeltlicher Umsätze verneint werden. Die Unternehmereigenschaft ist vielmehr anhand der Tätigkeit zu prüfen. 177

111.

Zwischenergebnis

Der Wortlaut des § 2 UStG (im Zusammenhang mit § 40 AO) ist, was die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Tätigkeit betrifft, mit Art. 4 der 6. EG-Richtlinie vereinbar. Weder im europäischen noch im deutschen Umsatzsteuerrecht gibt es eine beschränkte Umsatzsteuerpflicht Der Inlandsbezug wird auf der Ebene der objektiven Steuerpflicht hergestellt. Folgerichtig ist weder für den Steuerpflichtigen der 6. EG-Richtlinie noch für den Unternehmer des UStG der Niederlassungsort von Bedeutung. Der Zweck der unternehmefischen Tätigkeit, insbesondere die Frage nach der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit, hat für die Beurteilung einer Tätigkeit als unternehmefisch bzw. wirtschaftlich keine Relevanz. Die entgegengesetzte EuGH-Rechtsprechung widerspricht Art. 4 Abs. 1 der 6. EGRichtlinie. Im deutschen Recht folgt dies aus § 40 AO. 175 Vgl. znr richtlinienkonformen Auslegung: Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 35 ff. 176 Siehe oben, S. 80. 177 Dazu mehr im folgenden UnterkapiteL

92

Wirtschaftliche Tätigkeit

Ebenso wie auf der Ebene der Richtlinie, in der die Steuerpflicht nicht allein deshalb verneint werden darf, weil keine Gewinne erzielt werden, darf die Unternehmereigenschaft nicht allein deshalb verneint werden, weil keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, ob eine wirtschaftliche bzw. unternehmefische Tätigkeit vorliegt, kann jedoch auch das Ergebnis der Tätigkeit Berücksichtigung finden. Weder der Begriff des Steuerpflichtigen i.S. der 6. EG-Richtlinie noch der des Unternehmers i.S. des UStG erfordern das Ausführen entgeltlicher Umsätze. Die entgegengesetzte EuGH- und BFH-Rechtsprechung sowie die herrschende Literatur sind nicht zutreffend. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie und § 2 UStG regeln die subjektive Umsatzsteuerpflicht, während das Tätigen entgeltlicher Umsätze eine Frage der objektiven Steuerpflicht ist. Die 6. EGRichtlinie, die den Vorsteuerabzug für den Fall der Nichtausführung steuerbarer Umsätze ausschließt, wurde nicht zutreffend in deutsches Recht umgesetzt. Eine einengende Auslegung des Unternehmerbegriffs käme daher im Ergebnis der unmittelbaren Anwendung einer Richtlinienvorschrift zu Lasten des Einzelnen gleich. Eine solche unmittelbare Anwendung ist jedoch entschieden abzulehnen.

B.

Wirtschaftliche Tätigkeit

Wie erläutert ist die Unternehmereigenschaft in erster Linie anband der Tätigkeiten des Handelnden zu beurteilen. Nachdem nun geklärt ist, welche Umstände für die Steuerpflichtigeneigenschaft nicht von Bedeutung sind, ist im Folgenden der Frage nachzugehen, wie die "wirtschaftliche Tätigkeit" bzw. die unternehmefische Betätigung i.S. des UStG auszulegen ist.

I.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

1.

Art. 4 Absätze 1 bis 3 der 6. EG-Richtlinie

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt derjenige, "wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten [... ] ausübt", als Steuerpflichtiger. Wirtschaftliche Tätigkeiten sind nach Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen und nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt."

93

Wirtschaftliche Tätigkeit

Ebenso wie auf der Ebene der Richtlinie, in der die Steuerpflicht nicht allein deshalb verneint werden darf, weil keine Gewinne erzielt werden, darf die Unternehmereigenschaft nicht allein deshalb verneint werden, weil keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, ob eine wirtschaftliche bzw. unternehmefische Tätigkeit vorliegt, kann jedoch auch das Ergebnis der Tätigkeit Berücksichtigung finden. Weder der Begriff des Steuerpflichtigen i.S. der 6. EG-Richtlinie noch der des Unternehmers i.S. des UStG erfordern das Ausführen entgeltlicher Umsätze. Die entgegengesetzte EuGH- und BFH-Rechtsprechung sowie die herrschende Literatur sind nicht zutreffend. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie und § 2 UStG regeln die subjektive Umsatzsteuerpflicht, während das Tätigen entgeltlicher Umsätze eine Frage der objektiven Steuerpflicht ist. Die 6. EGRichtlinie, die den Vorsteuerabzug für den Fall der Nichtausführung steuerbarer Umsätze ausschließt, wurde nicht zutreffend in deutsches Recht umgesetzt. Eine einengende Auslegung des Unternehmerbegriffs käme daher im Ergebnis der unmittelbaren Anwendung einer Richtlinienvorschrift zu Lasten des Einzelnen gleich. Eine solche unmittelbare Anwendung ist jedoch entschieden abzulehnen.

B.

Wirtschaftliche Tätigkeit

Wie erläutert ist die Unternehmereigenschaft in erster Linie anband der Tätigkeiten des Handelnden zu beurteilen. Nachdem nun geklärt ist, welche Umstände für die Steuerpflichtigeneigenschaft nicht von Bedeutung sind, ist im Folgenden der Frage nachzugehen, wie die "wirtschaftliche Tätigkeit" bzw. die unternehmefische Betätigung i.S. des UStG auszulegen ist.

I.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

1.

Art. 4 Absätze 1 bis 3 der 6. EG-Richtlinie

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt derjenige, "wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten [... ] ausübt", als Steuerpflichtiger. Wirtschaftliche Tätigkeiten sind nach Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen und nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt."

93

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie freigestellt, "auch solche Personen als Steuerpflichtige zu betrachten, die gelegentlich eine der in Absatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere eine der folgenden Leistungen erbringen: a) die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt. [... ] b) die Lieferung von Baugrundstücken. Als Baugrundstücke gelten erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten."

2.

Auslegung

Da grundsätzlich 178 nur derjenige Steuerpflichtiger sein kann, der eine "wirtschaftliche Tätigkeit" ausübt, ist es angezeigt, den Inhalt dieser Tätigkeit zu erörtern. Der Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" wird in Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie präzisiert. Dieser Absatz enthält zwei Sätze. Zur Auslegung des Terminus der "wirtschaftlichen Tätigkeit" ist das Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zueinander zu klären. Dies ist für die Frage entscheidend, ob beide Sätze im Zusammenhang oder unabhängig voneinander auszulegen sind.

a)

Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zueinander

Wie ist das Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zueinander zu beurteilen? Ist in Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie ein einheitlicher Tatbestand zu sehen, ist der zweite Satz eine speziellere Ausformung des ersten Satzes oder regeln beide Sätze gar unterschiedliche Tatbestände?

aa)

Rechtsprechung

Obgleich an den EuGH mehrfach die Frage heran getragen wurde, ob im vorgelegten Fall eine "wirtschaftliche Tätigkeit" i.S. des Art. 4 der 6. EGRichtlinie gegeben ist, äußerte sich der Gerichtshof bis ins Jahr 1996 nicht zu dem Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zueinander. In zwei Urteilen des EuGH sind jedoch in obiter dicta Aussagen zu finden, die den Standpunkt des EuGH zu dieser Frage zum Zeitpunkt des Judikats vermuten lassen. Etwas deutlicher äußerte sich der EuGH in der ,,Enkler"-

178 Ausnahme: Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie.

94

Wirtschaftliche Tätigkeit

Entscheidung 179 zur Frage des Verhältnisses beider Sätze. Hier deutete bereits die Vorlagefrage in diese Richtung.

(1)

EuGH, Urt. v. 14.2.1985 - Rs. 268/83 - "Rompelman"

In der Entscheidung im Fall "D. A. Rompelman und E. A. Rompelman-Van Deelen gegen Minister van Financien" 180 führte der EuGH zur Frage, ob eine Nutzung i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie vorlag, aus: "Zu der Frage, in welchem Zeitpunkt die Nutzung des Grundstücks beginnt, ist festzustellen, daß die wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Artikel 4 Absatz 1, wie sich schon aus der in Artikel4 Absatz 2 [Satz 1] verwendeten Formulierung , alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden' ergibt, mehrere aufeinander folgende Handlungen umfassen können."JsJ Auf Grund dessen bejahte der EuGH die wirtschaftliche Tätigkeit. 182

(2)

EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90- "Polysar"

Auch im Fall "Polysar Investment Netherlands BV gegen Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen te Amhem" 183 äußerte sich der EuGH zur wirtschaftlichen Tätigkeit. Er legte dar: "Der Begriff , wirtschaftliche Tätigkeiten' umschließt gemäß Artikel 4 Absatz 2 alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden, insbesondere auch Leistungen, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen. " 184

(3)

EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94- "Enkler"

Direkter mit dem Verhältnis von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 zu Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie beschäftigte sich der EuGH im Fall "Renate Enkler gegen Finanzamt Homburg" 185 . Hier lag dem EuGH u.a. die folgende Frage zur Entscheidung vor: 179 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517. 180 EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompe1man), EuGHE 1985, 655. 181 EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompe1man), EuGHE 1985, 655 (665, Rdnr. 22). Hervorhebung und Anmerkung nicht im Original. 182 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985 - Rs. 268/83 (Rompe1man), EuGHE 1985, 655 (666, Rdnr. 25). 183 EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Po1ysar), EuGHE 1991, I-3111. 184 EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60190 (Polysar), EuGHE 1991, I-3111 (3137, Rdnr. 11 ). Hervorhebung nicht im Original. 185 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517; eingehende Darstellung: siehe unten, S. 123 ff.

95

Tatigkeit des Um;atzsteuerpflichtigen

"Ist die Vermietung von körperlichen Gegenständen zu beurteilen a) als Tätigkeit eines Dienstleistenden im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) oder b) ausschließlich im Sinne von Artikel4 Absatz 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) als Leistung, die die Nutzung von körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt?" 186 Der EuGH entschied, "daß die Vermietung eines körperlichen Gegenstands eine Nutzung dieses Gegenstands darstellt, die als , wirtschaftliche Tätigkeit' im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie zu beurteilen ist, wenn sie zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen wird"ts7.

(4)

Auslegung der Rechtsprechung

Die erwähnten EnGH-Urteile lassen keine einheitliche Linie erkennen: In der "Rompelman"-Entscheidung legt der EuGH die Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 anband von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie aus. Eine Differenzierung zwischen beiden Sätzen erfolgt nicht. Im Ergebnis bejaht der EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Die Aussagen deuten somit darauf hin, dass der Gerichtshof einen einheitlichen Tatbestand des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie sieht.

Die Formulierung in der ,,Polysar"-Entscheidung, der Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" umschließe alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden, insbesondere auch Leistungen, die die Nutzung von Gegenständen umfassen, legt den Schluss nahe, dass der EuGH in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie die beispielhafte Aufzählung einer wirtschaftlichen Tätigkeit aus Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie sieht. 188 Jedenfalls versteht der EuGH Art. 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der 6. EGRichtlinie wohl nicht als Beschreibung getrennt zu beurteilender Stufungen des Steuerpflichtigen, sondern verknüpft die Tatbestände beider Sätze miteinander.189

186 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4543, Rdnr. 18). Hervorhebung nicht im Original. 187 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4545, Rdnr. 22). 188 Dies würde tnit der Auffassung des Generalanwalts Slynn im Fall "Rompelman" übereinstimmen; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Slynn vom 15.11.1984, EuGHE 1985, 565 (658). 189 So auch Mößlang, UR 1994, 10 (17).

96

Wirtschaftliche Tätigkeit

Eine weitere Möglichkeit der Auslegung des Verhältnisses der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie enthält nun die ,,Enkler"-Entscheidung: Das vorlegende Gericht fragt, ob eine Vermietung unter Art. 4 Abs. 2 Satz 1 oder ausschließlich unter Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie fällt. Hier urteilt der EuGH, Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie sei einschlägig. Im Zusammenhang mit der Fragestellung ist anzunehmen, dass der EuGH hier nur Satz 2 und nicht Satz 1 für passend hält. Dies deutet darauf hin, dass der EuGH von zwei selbständigen Tatbeständen in Art. 4 Abs. 2 der 6. EGRichtlinie ausgeht. bb)

Literatur

Uneinig beurteilt die Literatur das Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zueinander. Hierbei nehmen die Autoren häufig nicht ausdrücklich zum Verhältnis der Sätze Stellung. Ähnlich wie die Aussagen des EuGH sind die Ausführungen der Literatur auszulegen. Nach GEORGYS Auffassung ist in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie nicht etwa eine Ausnahme von Satz 1, sondern eine besondere Ausformung von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 zu sehen. 190 Er sieht somit keine unterschiedlichen Tatbestände, sondern lediglich eine Klarstellung. Dem ist zu entnehmen, dass GEORGY zufolge Satz 2 den ersten Satz in seinem Anwendungsbereich nicht erweitert, sondern lediglich beispielhaft ausformuliert. Nicht eindeutig äußert sich LANGER: Er kommentiert beide Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zusammen ohne zwischen verschiedenen Tatbeständen zu differenzieren, was zunächst einmal dafür spricht, dass er in Art. 4 Abs. 2 einen einheitlichen Tatbestand der wirtschaftlichen Tätigkeit sieht. Inhaltlich führt er aus, Satz 2 stelle klar, dass die wirtschaftliche Tätigkeit auch die bloße Vermögensverwaltung erfasst, wenn diese auf Dauer angelegt sei. 191 Dies könnte dafür sprechen, dass nach LANGERS Ansicht Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie durch Satz 2 erweitert wird, da ansonsten die Vermögensverwaltung von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 nicht erfasst werde. Insgesamt erscheinen die Aussagen LANGERS für die Frage des Verhältnisses der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie jedoch wenig aussagekräftig. Unklar äußert sich auch WIDMANN in einer Urteilsanmerkung zur "Enkler"Entscheidung. Er resümiert, die besondere Erwälmung der Vermietungstätigkeit in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie solle nur verdeutlichen, dass es für die Eigenschaft als Unternehmer unschädlich sei, wenn z.B. nur 190 Vgl. Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2Abs. 1, Rdnr. 13. 191 Vgl. Langer, in: Reiß/KraeuseliLanger, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 6 ff.

97

Tlitigkeit des Urn;atzsteuerpflichtigen

ein Gegenstand an einen Mieter über eine längere Zeit vermietet werde. Hier könne man immerhin bezweifeln, ob eine Beteiligung am allgemeinen Verkehr vorliege. Eine solche Beteiligung werde jedoch gemeinhin als Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit angesehen. 192 Diese Aussage WIDMANNS deutet an, Satz 2 erweitere den Tatbestand des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie auf solche Fälle, in denen keine Beteiligung am allgemeinen Verkehr vorliegt. Deutlicher äußerte sich WEiß bereits Anfang der 80er Jahre zum Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie: Unter die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten fielen nach Absatz 2 Satz 1 zunächst alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder eines Dienstleistenden, einschließlich der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe oder der diesen gleichgestellten Berufe. Satz 2 des Art. 4 Abs. 2 der 6. EGRichtlinie wolle weitere Personen als Unternehmer erfassen. Er sieht eine starke Stufung in der 6. EG-Richtlinie: Die als Erzeuger, Händler etc. bezeichneten Personen seien a priori Unternehmer. In der zweiten Gruppe werden bestimmte Tätigkeiten wegen nachhaltiger Einnahmenerzielung in den Kreis der Unternehmer einbezogen. 193 WEiß sieht also in Satz 2 eine Erweiterung des Personenkreises des ersten Satzes. Folglich geht er von zwei unterschiedlichen Tatbeständen aus. Ebenso klar drückt sich STADIE aus. Er sieht in Satz 2 eine Fiktion der "wirtschaftlichen Tätigkeit". 194 Grundsätzlich sei die "wirtschaftliche Tätigkeit" in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie beschrieben. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie fingiere nun eine nicht berufliche Tätigkeit als "wirtschaftlich", so dass die betreffende Person steuerpflichtig werde. Die Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie sei auf das Dulden der Nutzung eines Gegenstands beschränkt und könne deshalb nicht als berufsmäßige Dienstleistungstätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie angesehen werden. Die Rechtfertigung dieser Fiktion sieht er im Dauermoment des dauernden Duldens der Nutzung. 195 Nach STADIE beschreiben also die Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie unterschiedliche Tatbestände. Im Ergebnis älmlich wie STADIE argumentiert KLOSE. Er geht davon aus, Satz 2 beschreibe nicht lediglich eine der in Satz 1 genannten Tätigkeiten näher, sondern benenne weitere Tätigkeiten, die unter bestimmten Voraus192 193 194 195

98

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Widmann, UR 1996,421 (422). Weiß, UStKongrBer 1982/83, 235 (244). Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 41. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 54 f.

Wirtschaftliche Tätigkeit

setzungen wirtschaftliche Tätigkeiten darstellten oder zumindest als solche behandelt würden. Er argumentiert mit dem deutschen Wortlaut der Richtlinienbestimmung. Hier lasse die Verwendung des Wortes "auch" darauf schließen, dass es sich nicht lediglich um eine klarstellende Regelung handele und dass die Nutzung von Gegenständen nicht bereits unter Satz 1 falle. Für diese Ansicht spreche auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Kommissionsentwurf196 sei offensichtlich davon ausgegangen, dass es sich bei der Nutzung von Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen nicht in jedem Fall um eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 des Entwurfs handele, und unterwarf diese deshalb in Absatz 3 der Steuerpflicht. Insgesamt geht KLüSE deshalb davon aus, dass es sich bei den Bestimmungen in Satz 1 und Satz 2 um eigene Tatbestände mit eigenem und unterschiedlichem Regelungsgehalt handelt. 197

cc)

Stellungnahme

Wenn man die zu dieser Frage vorhandene Rechtsprechung und die Literatur auswertet, werden vor allem drei Möglichkeiten des Verhältnisses der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zueinander favorisiert: 1.

Es liegt ein einheitlicher Tatbestand der wirtschaftlichen Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie vor.

2.

Satz 2 erläutert nur beispielhaft eine Dienstleistung aus Satz 1.

3.

BeideSätze beschreiben selbständige Tatbestände.

Den Ausführungen des EuGH lässt sich wie erläutert keine einheitliche Linie entnehmen. Selbst wenn man annimmt, der EuGH habe mit den erwähnten Aussagen in der "Rompelman"- und der "Polysar"-Entscheidung das Gleiche ausdrücken wollen, z.B. dass Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie einen einheitlichen Tatbestand beschreibt, wobei Satz 2 eine beispielhafte Aufzählung einer Dienstleistung des ersten Satzes ist, fällt es schwer, die Aussagen des EuGH im Fall "Enkler" damit zu vereinbaren. Hier wurde er gefragt, ob eine Vermietung eine Dienstleistung darstellt oder ausschließlich unter Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie fällt. Darauf antwortete der EuGH, eine Vermietung falle unter Satz 2. Dieses Urteillegt - wie dargelegt - den Gedanken nahe, der EuGH sehe in beiden Sätzen unabhängige Tatbestände. Oder kann man die "Enkler"-Entscheidung auch ganz anders verstehen? Wenn man die Ausführungen von Generalanwalt COSMAS betrachtet, ergibt 196 Vom29. Juni 1973, ABI. EG 1973, C 80, S. I. 197 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 100 f.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

sich ein etwas anderes Bild. Dieser hatte in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 eine besondere Ausformung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie gesehen. 198 Man könnte im Zusammenhang mit den Schlussanträgen des Generalanwalts die EuGH-Rechtsprechung ebenso wie GEüRGY 199 dahin gehend deuten, dass Satz 2 nur eine Ausprägung von Satz 1 ist. Für diese Interpretation spricht, dass der EuGH der Argumentation des Generalanwalts nicht widersprochen hat; gegen diese Auslegung lässt sich jedoch ebenso anführen, der EuGH habe sich die Argumente des Generalanwalts nicht zu Eigen gemacht. Insgesamt erscheinen die Aussagen des EuGH in diesem Punkt wenig aussagekräftig. Insofern bleibt weiterhin die Frage ungeklärt, wie das Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu verstehen ist. Ebenso wie die Urteile des EuGH (und dem folgend GEüRGY) sind die Ausführungen LANGERS und WIDMANNS nicht eindeutig. Da WEiß seine Auffassung zum Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie nicht argumentativ unterstützt, erfolgt im Folgenden eine Auseinandersetzung mit den Argumenten STADIES und KLüSES: STADIE argumentiert mit dem Wortlaut der Richtlinie und entnimmt dem Wort "gilt" in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie, dass es sich um eine gesetzliche Fiktion der wirtschaftlichen Tätigkeit handelt. 200 Demgegenüber legt KLüSE überzeugend dar, dass allein dieser Wendung nicht zu entnehmen sei, dass der Gesetzgeber die Nutzung von Gegenständen den in Satz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten mittels einer gesetzlichen Fiktion gleichstellen wollte. Hierzu seien Wortwahl, Grammatik und Text der Vorschrift zu ungenau. 201 Der Gesetzgeber habe bei der Formulierung über die Gesetzessystematik gar nicht nachgedacht. 202 Dennoch argumentiert auch KLüSE mit dem Wortlaut des Satzes 2: Die Benutzung des Wortes "auch" in Satz 2 lasse darauf schließen, dass es sich bei Satz 2 nicht um eine klarstellende Regelung handele und die Nutzung von Gegenständen nicht bereits unter Satz 1 falle. Der Begriff der wirtschaftli-

198 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 28.3.1996, EuGHE 1996, 14519 (4526). 199 Vgl. Georgy, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 13. 200 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 54. 201 Vgl. Klose (Unternehmer und Steuerptlichtiger, 2000, S. 100), der sich auf Giesberts, UR 1989, 257 (259 f.) bezieht. 202 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 100, FN 508.

100

Wirtschaftliche Tätigkeit

chen Tätigkeit werde durch die Regelung in Satz 1 erweitert. 203 In diesem Zusammenhang wies jedoch bereits Generalanwalt SLYNN in der Rechtssache "Rompelman"204 sehr plausibel nach, dass alleine dem Wort "auch" in der deutschen Fassung der Richtlinie nicht zu entnehmen sei, dass Satz 2 im Verhältnis zu Satz 1 eine weitere Tätigkeit nenne. Hier sei nämlich zu beachten, dass z.B. in der niederländischen und dänischen Fassung die Leistungen, die die Nutzung von Gegenständen umfassen, "unter anderem" wirtschaftliche Tätigkeiten darstellen. 205 Nach anderen Sprachfassungen stellt "insbesondere" die Nutzung von Gegenständen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. 206 Es zeigt sich mithin, dass alleine anhand des deutschen Wortlauts das Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie nicht ermittelt werden kann. Demgegenüber überzeugt der Verweis KLOSES auf die Entstehungsgeschichte der Norm: Nach Art. 4 Abs. 1 des Kommissionsentwurfs zur 6. EGRichtlinie207 war Steuerpflichtiger, wer Leistungen erbringt, die zu den in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten gehören oder wer gelegentlich eine der in Absatz 3 genannten Leistungen erbringt. Während Absatz 2 des Kommissionsentwurfs inhaltsgleich mit Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie ist, lautet Art. 4 Abs. 3 des Kommissionsentwurfs: "Unter die in Absatz 1 genannten Leistungen fallen: a) die Nutzung von körperlichen und nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen. [... ]" Die Entstehung der Vorschrift spricht also dafür, dass in der Nutzung von Gegenständen nicht in jedem Fall eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs gesehen wurde. Zwar könnte man argumentieren, die Gegenstandsnutzung sei in Absatz 3 des Kommissionsentwurfs aufgenommen worden, um diese (bereits von Absatz 2 umfasste Tätigkeit) auch dann der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn sie nur gelegent203 Vgl. Klose (Unternehmer und Steuerpt1ichtiger, 2000, S. 100), der sich hier auf die Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas in der Rechtssache "Enkler" (EuGHE 1996, I-4519) bezieht. Der Generalanwalt sagt jedoch mE. genau das Gegenteil aus. 204 EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompelman), EuGHE 1985, 655. 205 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Slynn [vom 15.11.1984, EuGHE 1985, 656 (658)], auf die sich Generalanwalt Cosmas in seinen Schlussanträgen (EuGHE 1996, I-4519, 4626, FN 4) bezieht. 206 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 28.3.1996, EuGHE 1996, I4519 (4526). 207 Vom 29. Juni 1973, ABI. EG 1973, C 80, S. 1.

101

Tatigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

lieh ausgeübt wird. Da Art. 4 Abs. 3 Buchst. a des Kommissionsentwurfs jedoch nicht in Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie übernommen wurde, wäre eine Überführung dieser Regelung in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie überflüssig, wenn dieser Tatbestand bereits in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie enthalten wäre. Überzeugender ist daher, dass Art. 4 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs (ebenso wie auch der inhaltsgleiche Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie) nichtjede in Art. 4 Abs. 3 Buchst. a des Kommissionsentwurfs beschriebene Gegenstandsnutzung enthielt. Somit ist auch nicht in jeder Gegenstandsnutzung i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie zu sehen. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie beschreibt ausweislich seines Wortlauts berufliche Tätigkeiten. Nach Satz 2 sind jedoch auch Gegenstandsnutzungen, sofern sie der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dienen, als "wirtschaftliche Tätigkeiten" zu betrachten. Diese Nutzungen müssen aber keineswegs beruflich ausgeübt werden. Insofern lässt sich das Verhältnis der beiden Sätze am treffendsten beschreiben, wenn man zwischen der beruflichen Tätigkeit und der nicht beruflichen Vermögensverwaltung, die durch das Kriterium der Nachhaltigkeil zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit wird, unterscheidet: Berufliche Tätigkeiten sind grundsätzlich an Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie zu messen. Tätigkeiten der nicht beruflichen Vermögensverwaltung lassen sich nicht unter Satz 1 subsumieren. Hier erweitert Satz 2 den Anwendungsbereich: Durch das Kriterium der nachhaltigen Einnahmenerzielung wird die ansonsten private Vermögensverwaltung zur "wirtschaftlichen Tätigkeit". Fraglich ist jedoch, unter welchen Satz des Art. 4 Abs. 2 der 6. EGRichtlinie berufliche Gegenstandsnutzungen fallen. An dieser Konstellation lässt sich ein bislang noch nicht geklärtes Problem des Verhältnisses der Sätze des Art. 4 Abs. 2 verdeutlichen: Ist Satz 2 die speziellere Vorschrift für Gegenstandsnutzungen, so dass alle Gegenstandsnutzungen an Art. 4 Abs. 2 Satz 2 zu messen sind, während nur sonstige berufliche Tätigkeiten an Satz 1 zu prüfen sind? Oder ist Satz 2 eine Tatbestandsergänzung dergestalt, dass alle beruflichen Tätigkeiten unter Satz 1 fallen, während lediglich die nichtberufliche Gegenstandsnutzung unter Satz 2 fällt?

102

Wirtschaftliche Tätigkeit

Dem Wortlaut ("Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch [... ]") lassen sich aus den oben angeführten Gründen208 keine Anhaltspunkte für die Auslegung entnehmen. Für das erstgenannte Verständnis lässt sich anführen, dass im Bereich der Gegenstandsnutzungen verschiedene Übergangsformen zwischen beruflichen und privaten Gegenstandsnutzern existieren und es möglicherweise einfacher wäre, alle Gegenstandsnutzungen an Satz 2 zu messen, ohne in diesem Bereich eine (überflüssige) Abgrenzung zwischen beruflichen und nicht beruflichen Tätigkeiten vornehmen zu müssen. Dieser Auffassung scheint der EuGH im Fall "Enkler" zu sein, da er die Vermietung eines Wohnmobils nicht an Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie misst, sondern gleich eine Nutzung i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie prüft.209 Für das andere Verständnis spricht jedoch die klarere Systematik. Wenn alle beruflichen Tätigkeiten unter Art. 4 Abs. 2 Satz 1 fielen, während die nicht berufliche Vermögensverwaltung an Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie zu messen wäre, so wäre die Bestimmung der beruflichen Gegenstandsnutzung nach den gleichen Kriterien vorzunehmen wie die der anderen beruflichen Tätigkeiten in Satz 1. Für die nicht berufliche Vermögensverwaltung des Satz 2 wären eigene Merkmale zu bestimmen. Auch die Satzfolge spricht für dieses Verständnis: Satz 1 erläutert die wirtschaftliche Tätigkeit und Satz 2 ergänzt diese Vorschrift. Darüber hinaus widerspräche es dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie, die berufliche Gegenstandsnutzung aus Satz 1 herauszulösen, obwohl Satz 1 diesbezüglich keinerlei Vorbehalt enthält ("alle Tätigkeiten eines [... ] Dienstleistenden"210). Auch wenn in Einzelfallen Abgrenzungen vorzunehmen wären, ob eine Gegenstandsnutzung unter Satz 1 oder Satz 2 zu subsumieren ist, so dient das genannte Verständnis einer deutlicheren Systematisierung und somit einer sichereren Bestimmung des Begriffs der "wirtschaftlichen Tätigkeit". Zur Prüfung der wirtschaftlichen Tätigkeit wären nacheinander die Voraussetzungen der Sätze zu prüfen: Wenn eine Tätigkeit beruflich ist und unter Satz 1 fällt, liegt eine wirtschaftliche Tätigkeit vor. Wird die Tätigkeit nicht beruflich ausgeübt, kommt eine wirtschaftliche Tätigkeit nur unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie in Betracht.

208 Siehe oben, S. 99 ff. 209 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517 (4544 f., Rdnr. 21 f.). 210 Hervorhebung nicht im Original.

103

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

Für diese Auffassung lässt sich schließlich auch die Entstehungsgeschichte des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie anführen. Wie erwähnt trennte der Kommissionsentwurf zwischen Tätigkeiten i.S.v. Art. 4 Abs. 2 (entspricht Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie) und gelegentlichen Tätigkeiten i.S.v. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a (entspricht Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie). Somit differenzierte auch der Kommissionsentwurf deutlich zwischen beruflichen Tätigkeiten und gelegentlicher, nicht beruflicher Vermögensverwaltung. Dies spricht dafür, auch in Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie die Trennlinie zwischen Satz 1 und Satz 2 zwischen der beruflichen und der nicht beruflichen Tätigkeit zu ziehen. Folglich ist im Ergebnis dem zweiten stringenteren Verständnis der Vorzug zu geben: Art. 4 Abs. 2 Satz 2 stellt einen Ergänzungstatbestand zu Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie dar. Die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit gegeben ist, ist an Art. 4 Abs. 2 Satz 1 zu messen. Sofern eine solche (berufliche) Tätigkeit verneint wird, stellt sich die Frage, ob die Tätigkeit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 unterfällt

dd)

Zusammenfassung

Das Verhältnis von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 zu Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie lässt sich wie folgt beschreiben: 1.

Die Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie regeln unterschiedliche Tatbestände und sind somit unabhängig voneinander auszulegen.

2.

Berufliche Tätigkeiten fallen unter Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie.

3.

Nicht berufliche Tätigkeiten fallen, sofern die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie gegeben sind, unter den Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit".

b)

Berufliche Tätigkeiten (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie)

Nachdem nun das Verhältnis der Sätze des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zueinander geklärt ist, stellt sich die weiter gehende Frage, wie Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie auszulegen ist. Der EuGH hat sich bislang wenig ausführlich mit der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie beschäftigt. Etwas eingehender hat sich die Literatur zur Auslegung dieser Vorschrift geäußert.

104

Wirtschaftliche Tätigkeit

aa)

Rechtsprechung

Aus der Rechtsprechung des EuGH betreffen drei Urteile die wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie.

(1)

EuGH, Urt. v. 26.3.1987- Rs. 235/85- "K!Niederlande"

Dem Vertragsverletzungsverfahren "Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande"211 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: In den Niederlanden werden die Berufe des Notars und des Gerichtsvollzie-

hers durch die niederländische Notarordnung und die niederländische Gerichtsvollzieherordnung geregelt. Diese Regelungen enthalten Vorschriften über die Anzahl der Stellen, die Voraussetzungen für die Bestellung und Entlassung des Amtsinhabers, die örtliche und sachliche Zuständigkeit, die Berufsausübung, die Gebührensätze, die Buchführung und die Dienstaufsicht. Die Notare und Gerichtsvollzieher nehmen einerseits Aufgaben wahr, die ilmen gesetzlich zugewiesen und vorbehalten sind, so genatmte Amtshandlungen, andererseits üben sie nicht amtliche Tätigkeiten aus. Soweit Notare und Gerichtsvollzieher Amtshandlungen vornahmen, galten sie nicht als Unternehmer i.S. des niederländischen Umsatzsteuergesetzes. Gegen diese Steuerbefreiung wandte sich die Europäische Kommission mit Schreiben vom 25. Oktober 1983. Die niederländische Regierung machte geltend, die geschilderte Tätigkeit sei keine wirtschaftliche Tätigkeit, jedenfalls falle die Tätigkeit unter die Befreiung nach Art. 4 Abs. 5 der 6. EGRichtlinie. Nachdem die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission von der niederländischen Regierung nicht beantwortet worden war, erhob die Kommission am 30. Juli 1985 beim EuGH Klage gegen das Königreich der Niederlande wegen Vertragsverletzung. 212 Der Gerichtshof entschied, dass die Notare und Gerichtsvollzieher in den Niederlanden, soweit sie nachhaltig und entgeltlich Dienstleistungen erbringen, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der 6. EG-Richtlinie ausüben. 213 Er führte aus, die 6. EG-Richtlinie fasse durch Artikel 2 und 4 den Anwendungsbereich für die Mehrwertsteuer sehr weit. Die Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie zeige klar, 211 EuGH, Urt. v. 26.3.1987- Rs. 235/85 (K!Niederlande), EuGHE 1987, 1471. 212 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1472 ff.). 213 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Nieder!ande), EuGHE 1987, 1471 (1487, Rdnr. 9).

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Tätigkeit des Umsatzsteuerptlichtigen

dass sich der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit auf einen sehr weiten Bereich erstrecke, da er alle Dienstleistungen der freien Berufe erfasse, und dass es sich um einen objektiv festgelegten Begriff handele, da die Tätigkeit, wie Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zeige, an sich, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, betrachtet werde. Dieser weite Anwendungsbereich enthalte auch keinen Vorbehalt zu Gunsten der gesetzlich geregelten Berufe. 214 Der EuGH folgte nicht der Ansicht der niederländischen Regierung. Diese hatte ausgeführt, Notare und Gerichtsvollzieher übten keine Tätigkeit aus, für die die normalen Gesetze der Wirtschaft gälten, sondern erbrächten gegen eine gesetzlich festgelegte Vergütung Leistungen, die die Bürger aus Gründen des Gemeinwohls zwangsläufig in Anspruch nehmen müssten. Daher sei eine wirtschaftliche Tätigkeit zu vemeinen. 215 Dem hielt der EuGH entgegen, angesichts des objektiven Charakters des Begriffs der wirtschaftlichen Tätigkeit sei es unerheblich, dass die Tätigkeit der Notare und der Gerichtsvollzieher in der Wahrnehmung von Aufgaben bestehe, die aus Gründen des Gemeinwohls vom Gesetz ihnen zugewiesen und geregelt worden seien. Nach Art. 6 der 6. EG-Richtlinie seien bestimmte kraft Gesetz ausgeübte Tätigkeiten ausdrücklich der Mehrwertsteuer unterworfen. Für dieses Ergebnis sprächen auch die in Art. 13 der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Befreiungen von der Mehrwertsteuer, welche ausdrücklich unter anderem für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten gelten. Zudem spräche für dieses Ergebnis die den Mitgliedstaaten in Art. 28 Abs. 3 Buchst. b in Verbindung mit Anhang F der 6. EG-Richtlinie eingeräumte Möglichkeit, während einer Übergangszeit bestimmte Umsätze, darunter die Dienstleistungen der Rechtsanwälte und anderer Angehöriger der freien Berufe, weiterhin zu befreien. Diese Bestimmungen zeigten klar, dass alle Dienstleistungen, die von Angehörigen der freien und der diesen gleichgestellten Berufe gegen Entgelt erbracht würden, grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterlägen. 216

214 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1487, Rdnr. 7 ff.). 215 Vgl. Ausflihrungen der niederländischen Regierung, EuGHE 1987, 1471 (1475). 216 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1488, Rdnr. 10 f.).

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Wirtschaftliche Tätigkeit

(2)

EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94- "Wellcome Trust"

Das EuGH-Urteil "Wellcome Trust Ltd gegen Commissioners of Customs & Excise" 217 basierte auf folgendem Sachverhalt: Die britische Treuhandgesellschaft Wellcome Trust Ltd verwaltete als Treuhänder das Vermögen eines gemeinnützigen Trusts (zur Förderung der medizinischen Forschung und der Medizingeschichte). Zu dem Trustvermögen gehörten Aktien und Wertpapiere. Im Jahre 1985 wurde ein erster Aktienverkauf durchgeführt, wobei 200 Millionen UKL erlöst und anderweitig angelegt wurden. Im Jahre 1992 wurde ein zweiter Aktienverkauf durchgeführt. Man wollte Mittel für die Wiederanlage in einem weiteren Anlagerahmen beschaffen, um höhere und auf verbreiterter Grundlage beruhende Einnahmen zu erzielen. Bei diesem Verkauf handelte es sich um den größten nicht von der Regierung betriebenen Verkauf im Vereinigten Königreich. Das Verkaufsverfahren erforderte eine langfristige Planung und war mit beträchtlichen Honorarkosten für Juristen, Steuerberater und PublicrelationsFachleute verbunden. Es wurden ca. 2, 18 Milliarden UKL erlöst, von denen über 1,8 Milliarden UKL neu angelegt wurden. Die Befugnisse von Wellcome Trust Ltd beschränkten sich bei beiden Verkäufen darauf, den Erlös des Verkaufs u.a. in Aktien anzulegen. Sie war aber nicht berechtigt, mit diesen Aktien Handel zu treiben. Nach dem zweiten Aktienverkauf beantragte Wellcome Trust Ltd als Unternehmer die Erstattung von Vorsteuern in Höhe von 297.832,65 UKL. Diesen Antrag lehnten die Commissioners of Custom & Excise (Ministerialabteilung für Zölle und Verbrauchsteuem) mit der Begründung ab, Wellcome Trust Ltd sei wie ein Privatmann zu behandeln. Das gegen diese Entscheidung angerufene Value Added Tax Tribunal London legte dem EuGH u.a. folgende zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor:218 "1. Können die Worte , wirtschaftliche Tätigkeit' in Artikel 4 Absatz 2 (der Richtlinie) den Verkauf von Aktien und anderen Wertpapieren durch eine Person umfassen, die kein Aktien- und Wertpapierhändler ist? 2. Kann eine Vielzahl von Aktienverkäufen durch eine Person, die kein Aktienhändler ist, an eine große Anzahl von Käufern am selben Tag, wofür eine sehr komplizierte Vorbereitung während eines erheblichen Zeitraums erfor217 EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, I-3013. 218 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, I3013 (3032 ff., Rdnr. 2 ff.); Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 7.12.1995, EuGHE 1996, I-3015 ff.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerptlichtigen

derlieh war, als solche eine , wirtschaftliche Tätigkeit' nach Artikel 4 Absatz 2 darstellen?" 219 Der EuGH antwortete auf die Vorlagefragen, Wellcome Trust Ltd besitze im Vereinigten Königreich zwar nicht die Eigenschaft eines gewerbsmäßigen Wertpapierhändlers, jedoch schließe dieser Umstand nicht notwendigerweise aus, dass eine Tätigkeit, die im Kauf und Verkauf von Aktien bestehe, unter Umständen als wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 4 der 6. EGRichtlinie angesehen werden könne. Dieser Artikel habe nach der ständigen Rechtsprechung einen sehr weiten Anwendungsbereich. 220 Der EuGH stellte fest, Wellcome Trust Ltd verwalte ihr aus Beteiligungen und anderen Wertpapieren bestehendes Vermögen. Die Anlagetätigkeit bestehe im Wesentlichen im Erwerb und in der Veräußerung von Aktien und anderer Wertpapiere zur Erzielung möglichst hoher Dividenden oder Kapitalerträge, die für die Förderung der medizinischen Forschung bestimmt seien. Daher befinde sich Wellcome Trust Ltd in der Situation wie ein privater Anleger, der sich auf die Verwaltung seines Wertpapiervermögens beschränke. Etwas anderes könne sich auch nicht aus Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie, wonach Umsätze, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen könnten, ergeben. Dies sei u.a. dann der Fall, wenn solche Umsätze im Rahmen des gewerbsmäßigen Wertpapierhandels erbracht würden. Eine solche Tätigkeit sei Wellcome Trust Ltd gerade untersagt, da sie jede Anstrengung zu unterlassen habe, um in Ausübung ihrer Befugnisse keinen Handel zu treiben. Auch ging der EuGH auf den von Wellcome Trust Ltd angeführten Vergleich zu Investmentgesellschaften und Pensionsfonds nicht inhaltlich ein, da der Trust sich in der Situation eines privaten Anlegers befinde, der sich auf die Verwaltung seines Wertpapiervermögens beschränke. 221 Den Ausführungen von Wellcome Trust Ltd entgegnete der EuGH, an der Beurteilung ändere sich nichts durch den Umfang der Aktienverkäufe und die Hinzuziehung von Beratungsgesellschaften im Rahmen eines solchen Verkaufs. Zum einen könnten auch private Anleger umfangreiche Akienverkäufe vornehmen, zum anderen könne das Hinzuziehen von Beratungsge-

219 EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, 1-3013 (3038, Rdnr. 20). 220 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, 13013 (3041, Rdnr. 31). 221 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, 13013 (3041 f., Rdnr. 32 ff.), Hervorhebungen nicht im Original.

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Wirtschaftliche Tätigkeit

sensehaften keinen Einfluss auf die Beurteilung eines Umsatzes als wirtschaftliche Tätigkeit haben, da ansonsten eine solche Beurteilung von der Geschicklichkeit und der Sachkenntnis der Anleger abhinge. Auch ergebe sich aus dem Grundsatz der Steuerneutralität keine andere Beurteilung: Dieser besage zwar, dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten gleich zu behandeln seien, jedoch setze er voraus, dass die fragliche Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit beurteilt werden könne, was vorliegend nicht der Fall sei.Z22 Daher entschied der EuGH, der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeiten i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie sei dahin auszulegen, dass er eine Tätigkeit, die darin besteht, dass ein Treuhänder im Rahmen der Verwaltung des Vermögens eines gemeinnützigen Trusts Aktien und andere Wertpapiere kauft und verkauft, nicht einschließt.223

(3)

EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 - "Enkler"

In der bereits erwähnten Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Renate Enkler gegen Finanzamt Homburg"224 nahm der Gerichtshof u.a. Stellung zur Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie.

Er führte aus, aus der Gegenüberstellung von Art. 4 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie ergebe sich, dass sich der sowohl im ersten als auch im zweiten Satz von Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie enthaltene Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht auf gelegentlich ausgeübte Tätigkeiten beziehe.225 (4)

Zusammenfassung

Die Aussagen des EuGH zu Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.

Der Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie hat einen sehr weiten Anwendungsbereich: Er umfasst alle Dienstleistungen, die von Angehörigen der freien und der diesen gleichgestellten Berufe gegen Entgelt erbracht werden und enthält insbesondere keine Einschränkung zu Gunsten gesetz-

222 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, 13013 (3042 f., Rdnr. 37 f.). 223 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, 13013 (3043 f., Rdnr. 41). 224 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517; siehe oben, S. 95; eingehende Darstellung: siehe unten, S. 123 ff. 225 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4544, Rdnr. 20).

109

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

lieh geregelter Berufe. Für die Beurteilung als wirtschaftliche Tätigkeit ist es unerheblich, dass eine Tätigkeit in der Wahrnehmung von Aufgaben besteht, die aus Gründen des Gemeinwohls vom Gesetz bestimmten Berufsgruppen zugewiesen und gesetzlich geregelt sind. 2.

Eine Tätigkeit, die darin besteht, dass ein Treuhänder im Rahmen der Verwaltung des Vermögens eines gemeinnützigen Trusts Aktien und andere Wertpapiere kauft und verkauft, ist keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie, da sie mit der Tätigkeit eines privaten Anlegers zu vergleichen ist. An einer solchen Beurteilung ändert ein sehr großer Umfang der Aktienverkäufe und die Hinzuziehung von Beratungsgesellschaften im Rahmen eines solchen Verkaufs nichts.

3.

Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie bezieht sich nicht auf gelegentlich ausgeübte Tätigkeiten.

bb)

Literatur

Mit den erwähnten EuGH-Urteilen hat sich das Schrifttum hinsichtlich des Begriffs der "wirtschaftlichen Tätigkeit" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie kaum beschäftigt. Unabhängig von der EuGHRechtsprechung haben Stimmen aus der Literatur jedoch Kriterien zur Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz I der 6. EG-Richtlinie erarbeitet.

(1)

Beruflich ausgeübte Tätigkeit

Nach der überwiegenden Auffassung des Schrifttums umschreibt Art. 4 Abs. 2 Satz I der 6. EG-Richtlinie die wirtschaftliche Tätigkeit mit Berufsbildern. Aus der Verwendung des Begriffs "Beruf" in Art. 4 Abs. 2 Satz I der 6. EGRichtlinie folge, dass "Steuerpflichtiger" grundsätzlich226 nur sein könne, wer eine Tätigkeit beruflich ausübe, nur dann liege eine "wirtschaftliche Tätigkeit" vor. 227

(2)

Weite Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie

Bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz I der 6. EG-Richtlinie stellt sich die Frage, ob der Begriff "wirtschaftliche Tätigkeit" weit auszulegen ist. 226 Ausnalm1e: Fälle des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. 227 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 47 f.; ähnlich: Langer, in: Reiß/Kraeusei/Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 6; a.A.: Georgy (in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 13 ff.), der einen einheitlichen Tatbestand der wirtschaftlichen Tätigkeit des Art. 4 Absätze 2 und 3 der 6. EG-Richtlinie sieht.

110

Wirtschaftliche Tätigkeit

Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie sind wirtschaftliche Tätigkeiten "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe"228 • Hierbei beurteilt die Literatur die Frage, ob sich die Wendung "und der diesen gleichgestellten Berufe" auf alle vorgenannten Berufe oder nur auf die freien Berufe bezieht, uneinheitlich: Nach STADIES Auffassung bezieht sich das Relativpronomen nicht lediglich auf die freien Berufe, sondern auf alle vorherigen Berufe. Daraus folge, dass nicht nur die typischen Erscheinungsformen der aufgezählten Berufe erfasst würden, sondern alle Tätigkeiten, die diesen vergleichbar seien. 229 KLüSE hingegen ist der Ansicht, dass sich die "gleichgestellten Berufe" nicht auf alle vorgenannten Berufe sondern lediglich auf die freien Berufe beziehen. Er begründet seine Auffassung mit der englischen Fassung des Richtlinientextes. Dort würden mit dem Begriff "the profession" im Englischen in etwa die freien Berufe erfasst. Eine Erwähnung der "gleichgestellten Berufe" fehle hingegen. Bezöge sich die Wendung "und der diesen gleichgestellten Berufe" in der deutschen Fassung auf alle vorgenannten Berufe, so würde das Weglassen in der englischen Fassung zu einer inhaltlichen Differenz zwischen der deutschen und der englischen Fassung führen. Die deutsche Fassung solle lediglich klarstellen, dass Art und Weise der Tätigkeit als solche entscheidend seien und nicht die berufsrechtliche Regelung als freier Beruf oder sonstige Tätigkeit. Die Erwähnung der gleichgestellten Berufe sei deshalb gerade für Tätigkeiten sinnvoll, die den freien Berufen ähnelten, aber berufsrechtlich nicht darunter fielen. 230 Unabhängig davon stellt jedoch auch KLüSE heraus, dass der Anwendungsbereich der Umsatzsteuer sehr weit gefasst ist, um eine umfassende Verbrauchsbesteuerung sicherzustellen. Der Begriff des Steuerpflichtigen dürfe nicht zu eng ausgelegt werden, da dies dazu führen würde, dass privater Endverbrauch unbesteuert bliebe. Nicht zu übersehen sei jedoch auch, dass der Begriff des Steuerpflichtigen nicht zu weit ausgelegt werden dürfe, da ansonsten ebenfalls der private Verbrauch unbesteuert bliebe, wenn der Verbraucher durch eine zu weite Auslegung des Steuerpflichtigenbegriffs die Vorsteuer abziehen könnte. Der Steuerpflichtigenbegriff sei mithin zwar weit auszulegen, jedoch nicht undifferenziert. 231 228 229 230 231

Hervorhebung nicht im Original. Vgl. Stadie, in: RauiDUrrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 47. Vgl. Klose, Unternehmerund Steuerpflichtiger, 2000, S. 101 f. V gl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 102.

111

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

(3)

Gelegentliche Tätigkeit?

Nach ganz einhelliger Meinung der Literatur setzt Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie voraus, dass die Tätigkeit nicht nur gelegentlich ausgeübt wird. 232 Der beruflichen Tätigkeit sei vielmehr die Nachhaltigkeil immanent.233 Dies folge auch aus Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie. Danach könnten die Mitgliedstaaten auch solche Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie genannten Tätigkeiten ausübten. 234 Im Umkehrschluss daraus seien die in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie genannten Tätigkeiten eines Händlers, Erzeugers oder Dienstleistenden gerade keine gelegentlichen Tätigkeiten. 235

(4)

Relevanz beruflicher Tätigkeit

In der Literatur gibt es unterschiedliche Auffassungen, welche Bedeutung die berufliche Tätigkeit für die wirtschaftliche Tätigkeit in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie besitzt. Nach der Ansicht GEORGYS, der keinen eigenen Tatbestand der beruflichen Tätigkeit erkennt, sondern erst in dem Zusammenspiel aus Art. 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 und Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie den EG-rechtlichen Unternehmerbegriff sieht, ist der Begriff des Steuerpflichtigen über das Merkmal der Nachhaltigkeil hinaus durch die folgenden zwei Tatbestandsmerkmale gekennzeichnet: Es müsse eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen vorliegen. Diese Tätigkeit müsse selbständig ausgeübt werden. 236 Demgegenüber hat STADIE (und ihm folgend KLOSE) versucht, der beruflichen Tätigkeit in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie Konturen zu verleihen. Hierbei fallt auf, dass keine geschlossene Definition der beruflichen Tätigkeit genannt wird, sondern vielmehr einzelne Aspekte gegeneinander abgewogen werden, die in unterschiedlicher Intensität vorliegen können und gegebenenfalls auch nicht vorliegen müssen, ohne dass die berufliche und somit wirtschaftliche Tätigkeit i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG232 Vgl. Langer, in: Reiß!Kraeusel/Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 7; Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 99 f.; Birkenfeld, USt-Handbuch, § 24, Rdnr. 52; Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 16; Stadie, in: Rau!DUrrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 49; Goertzen, DStR 1996, 164 (169); Ebke!Andrees, EWS 1993, 346 (350); Busl/Handzik, UVR 1992, 196 (198); Probst, DSUG 13 (1990), 137 (147); Viegener, UR 1990, 329 (330); Giesberts, UR 1989, 257 (261); Wachweger!Schlienkamp!Schütz, UR 1977, 121 (124). 233 Vgl. Stadie, in: Rau!DUrrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 49. 234 Hervorhebung nicht im Original. 235 Vgl. Langer, in: Reiß!Kraeusel/Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 7. 236 V gl. Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 13 ff.

112

Wirtschaftliche Tätigkeit

Richtlinie zu verneinen wäre. Insbesondere wurden folgende, für die berufliche Tätigkeit sprechenden Kriterien herausgearbeitet: - Geschäftliche Tätigkeit/Planmäßigkeit - Geeignetheit zur Überschusserzielung/Gewinnerzielungsabsicht - Dauermoment -Anbietende Tätigkeit am Markt/Marktbeteiligung - Geschäftsbetrieb - Umfang, Intensität und Gewicht der Tätigkeit/Höhe des Entgelts Für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit wird die Planmäßigkeit als fast zwingend vorausgesetzt, da sie Voraussetzung für den beruflichen Charakter jeder Tätigkeit sei. Auch sei die Absicht der Gewinnerzielung den in Satz 1 genannten Tätigkeiten immanent und präge daher in besonderem Maße den Charakter einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Fehle bei einer Tätigkeit Planmäßigkeit und/oder Gewinnerzielungsabsicht, so führe das dazu, dass die Tätigkeit in der Regel 237 nicht mehr mit den in Satz 1 genannten Tätigkeiten vergleichbar sei, so dass es sich nicht mehr um eine wirtschaftliche Tätigkeit handele. Eine Ausnahme liege nur dann vor, wenn die anderen erwähnten Gesichtspunkte doch zu einer Vergleichbarkeit führten. 238 cc)

Stellungnahme

Der EuGH-Rechtsprechung sind zur Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie nur wenige abstrakte Anhaltspunkte zu entnehmen. Daher erfolgt im Folgenden vor allem eine Auseinandersetzung mit den in der Literatur vertretenen Auffassungen.

(1)

Beruflich ausgeübte Tätigkeit

Wie dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie ("alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe") zu entnehmen ist, spricht diese Vorschrift berufliche Tätigkeiten an. Die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Art. 4

237 Die wirtschaftliche Tätigkeit muss nicht mit Gewinnerzielungsabsicht ausgefülut werden. Das ergibt sich aus Art. 4 Abs. I der 6. EG-Richtlinie ("gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis"). Siehe oben. S. 62 f. 238 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 279 ff. (für die "gewerbliche oder berufliche Tätigkeit" i.S.v. § 2 Abs. I UStG); Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 104 ff.

113

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen der 6. EG-Richtlinie sind also in ihrem Grundtatbestand (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie) beruflicher Natur.

(2)

Weite Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie

Fraglich ist, ob die Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie eng oder weit auszulegen ist. STADIE entnimmt der von ihm favorisierten Auslegung, die Wendung "der diesen gleichgestellten Berufe" beziehe sich auf alle vorgenannten Berufe, dass nicht nur die typischen Erscheinungsformen der aufgezählten Berufe erfasst würden, sondern alle Tätigkeiten, die diesen vergleichbar seien. M.E. trifft jedoch die Auslegung KLOSES zu, die "gleichgestellten Berufe" seien nur auf die freien Berufe bezogen. 239 Der Vergleich mit der englischen Sprachfassung ist überzeugend. Dieser Unterschied in der Auslegung führt jedoch im Ergebnis nicht zu gravierenden Differenzen in der Frage, ob Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie eng oder weit auszulegen ist. Beide Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie weit auszulegen ist. STADIE begründet dies mit der Auslegung der Vorschrift, KLüSE argumentiert mit Verbraucbsteuergesichtspunkten. Die weite Auslegung schränkt KLüSE lediglich insoweit ein, dass die Auslegung nicht undifferenziert weit erfolgen darf. 240 Dies stimmt jedoch mit der Ansicht STADIES überein. Dieser bat vielmehr differenzierte Punkte herausgearbeitet, um Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie auszulegen. Diese Punkte werden auch von KLüSE wieder aufgegriffen, so dass beide Ansichten im Ergebnis übereinstimmen. Dies stimmt mit dem vom EuGH im Verfahren ,,K/Niederlande" gefundenen Ergebnis, Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie habe einen sehr weiten Anwendungsbereich, 241 überein. Somit bleibt festzuhalten, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie weit auszulegen ist: Steuerpflichtiger kann im Fall des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie nur derjenige sein, der eine Tätigkeit beruflich ausübt. Erforderlich ist jedoch nicht, dass die Tätigkeit bestimmten Berufsbildern entspricht, die Tätigkeit muss lediglich mit den in der Vorschrift genannten vergleichbar sein.

239 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 101 f.; siehe oben, S. 110. 240 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 102; siehe oben, S. 110. 241 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1487, Rdnr. 7 ff.); siehe oben, S. 105 ff.

114

Wirtschaftliche Tätigkeit

(3)

Regelmäßige Erbriogong von Leistungen

Fraglich ist, ob eine gelegentlich ausgeübte Tätigkeit beruflich sein kann. Hier ließe sich zunächst einmal argumentieren, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 2, der im Unterschied zu Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie ausdrücklich das Merkmal der Nachhaltigkeit enthält, dafür spricht, dass für Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie auch gelegentliches Tätigwerden genügt. Jedoch ist das Argument, Art 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie sei im Umkehrschluss zu entnehmen, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 1 eine nicht gelegentliche Tätigkeit voraussetztz42 , durchschlagend. Ebenso überzeugt das von KLüSE angeführte Argument, die Entwicklung des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie spreche für eine solche Auslegung 243 : Nach dem Kommissionsentwurf sollte nach Art. 4 Abs. 1 "Steuerpflichtiger" sein, wer regelmäßig eine in Absatz 2 genannte wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder, wer gelegentlich eine der in Absatz 3 genannten Leistungen erbringt. 244 Während Absatz 2 des Kommissionsentwurf dem heutigen Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie entsprach, stimmte Absatz 3 im Wesentlichen mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 der 6. EGRichtlinie überein. Somit spricht auch die Entstehung der Vorschrift für das gefundene Ergebnis, dass gelegentliche Tätigkeiten nicht unter Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie fallen. Folglich ist der ganz hM (und somit auch dem EuGH in der Rechtssache "Enkler"245 ) Recht zu geben: Die berufliche Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie erfordert ein nicht gelegentliches Tätigwerden. Diese regelmäßige Tätigkeit äußert sich durch das regelmäßige Erbringen von Leistungen i.S.v. Art. 2 der 6. EG-Richtlinie, die- wie erläutertz46 - auch unentgeltlich sein können. Obgleich dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie das Erfordernis regelmäßiger Leistungserbringung nicht eindeutig zu entnehmen ist, spricht die Entstehungsgeschichte des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie für eine solche Auslegung: So sprach bereits die 2. EG-Richtlinie in Art. 4 davon, dass als Steuerpflichtiger gelte, "wer regelmäßig [... ]Leistungen erbringt". Auch die Gegenüberstellung in Art. 4 des Konnnissionsentwurfs, wonach als "Steuerpflichtiger" derjenige gilt, wer selbständig "regelmäßig [... ] Leistungen, die zu den in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten gehören, oder wer geleVgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 7. Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 99. Vom29. Juni 1973, ABI. EG 1973, C 80, S. I. Hervorhebungen nicht im Original. Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4544, Rdnr. 20); siehe oben, S. 109. 246 Siehe oben, S. 80.

242 243 244 245

115

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

gentlieh eine der in Absatz 3 genannten Leistungen erbringt[ ... ]", zeigt, dass unter Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie die Leistungserbringung zu verstehen ist.

Für ein solches Leistungserfordernis spricht schließlich Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie: Danach können die Mitgliedstaaten auch solche Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Absatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere eine der folgenden Leistungen erbringen: [... ]. Dies deutet darauf hin, dass die in Art. 4 Abs. 3 der 6. EGRichtlinie genannten Leistungstätigkeiten besondere Bespiele der in Absatz 2 beschriebenen Tätigkeiten sind. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass auch in Absatz 2 eine Leistungstätigkeit beschrieben wird. Folglich ist davon auszugehen, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie eine regelmäßige Leistungserbringung erfordert.

(4)

Weitere Merkmale beruflicher Tätigkeit

Fraglich ist schließlich, durch welche weiteren Merkmale die berufliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie von der nichtunternehmerischen abzugrenzen ist. GEORGY zufolge erfordert die wirtschaftliche Tätigkeit neben der Nachhaltigkeit und der Selbständigkeit (die, da sie in Art. 4 Abs. 1 und 4 der 6. EGRichtlinie eigens erwähnt wird, sicherlich eines der Kriterien des Steuerpflichtigen nach Art. 4 der 6. EG-Richtlinie ist) lediglich eine Einnahmenerzielungsabsicht. Dieses Kriterium entnimmt GEORGY Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. 247 Wie jedoch oben dargelegt, enthält Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zwei unterschiedliche Tatbestände der wirtschaftlichen Tätigkeit. Diese Tatbestände sind unabhängig voneinander auszulegen. 248 Daher ist es unzulässig, Tatbestandsmerkmale des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 zur Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie heranzuziehen: Der in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie geregelte Tatbestand der beruflichen Tätigkeit erfordert ausweislich seines Wortlauts keine Einnahmenerzielungsabsicht. Obgleich es für eine berufliche Tätigkeit sicherlich typisch ist, dass der Handelnde mit seiner Tätigkeit beabsichtigt, Einnahmen gleich welcher Art zu erlangen, so ist es im Einzelfall kein Ausschlusskriterium, wenn der Steuerpflichtige beschließt, ausschließlich kostenlos Leistungen zu erbringen. Daher ist die Ansicht GEORGYS diesbezüglich unzutreffend. Somit ist lediglich die Regelmäßigkeit der Leistungserbringung ein zwingendes Kriterium des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie. 247 Vgl. Georgy, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 2Abs. 1, Rdnr. 14. 248 Siehe oben, S. 104.

116

Wirtschaftliche Tätigkeit

Fraglich ist jedoch, ob anband des Kriteriums der "Regelmäßigkeit" der Leistungserbringung eine abschließende Beurteilung der Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie möglich ist. M.E. ist die von STADIE vertretene Ansicht zutreffend: Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit lässt sich nicht durch wenige abschließend zu erfüllende Tatbestandsmerkmale erfassen. Zwingende Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie ist lediglich, dass regelmäßig Leistungen erbracht werden. Dennoch ist nicht jede regelmäßige Leistungstätigkeit eine berufliche Tätigkeit i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie. Über das nicht nur gelegentliche Tätigwerden hinaus ist es erforderlich, dass die von STADIE und KLüSE genannten Kriterien249 gegeneinander abgewogen werden. Hierbei ist den Kriterien "Planmäßigkeit" und "Gewinnerzielungsabsicht" ein hoher Indizcharakter einzuräumen. Ist eine regelmäßige Tätigkeit planmäßig und auf Gewinn gerichtet, so ist im Regelfall von einer beruflichen Tätigkeit auszugehen. Liegt eines oder beide dieser Kriterien nicht vor, ist anband der Kriterien "Dauer", "anbietende Tätigkeit am Markt/Marktbeteiligung", "Unterhalten eines Geschäftsbetriebs" und "Umfang, Intensität und Gewicht der Tätigkeit" eine abschließende Bewertung vorzunehmen, ob von einer beruflichen Tätigkeit gesprochen werden kann, die den Handelnden unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie zu einem Steuerpflichtigen macht. 250 Fraglich ist, ob darüber hinaus der Vergleich mit der entsprechenden privat ausgeübten Tätigkeit, wie der Vergleich des EuGH im Fall "Wellcome Trust" 251 mit der Tätigkeit eines Privatanlegers, ein taugliches Kriterium zur Bestimmung der beruflichen Tätigkeit ist. Ein ähnliches Kriterium ("Überschreiten einer Vermögensverwaltung") lehnt STADIE mit dem Hinweis ab, auch typisch private Tätigkeiten, wie die Nutzungsüberlassung könnten wirtschaftlich sein. 252 Dieser Einwand verkennt jedoch, dass dieses Merkmal zur Bestimmung der beruflichen Tätigkeiten herangezogen wird. Sicherlich werden auf diese Weise Tätigkeiten ausgegrenzt, die unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie "wirtschaftliche Tätigkeiten" sind. Diese Tätigkeiten sind jedoch nach anderen Kriterien zu bestimmen. Daher ist der Vergleich mit einer typisch privat ausgeübten Tä249 Siehe oben, S. 112. 250 So auch Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 108. 251 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996 - Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, I3013 (3041 f., Rdnr. 32 ff.); siehe oben, S. 107 f. 252 So zu§ 2 UStG: Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 301.

117

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

tigkeit durchaus ein Kriterium, um in Einzelfällen die Abgrenzung zu erleichtem. Somit ist den genannten Kriterien das Merkmal "keine private Tätigkeit" hinzuzufügen.

dd)

Zusammenfassung

Die wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: 1.

Nur berufliche Tätigkeiten fallen unter Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie.

2.

Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie ist weit auszulegen: Die Tätigkeit muss nicht bestimmten Berufsbildern entsprechen. Es genügt, dass die Tätigkeit mit den in der Vorschrift genannten vergleichbar ist.

3.

Der beruflichen Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie ist die regelmäßige Leistungserbringung immanent. Ein gelegentliches Tätigwerden genügt nicht.

4.

Nicht jede regelmäßige Tätigkeit erfüllt die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie. Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit lässt sich jedoch nicht durch wenige abschließend zu erfüllende Tatbestandsmerkmale erfassen. Über das nicht nur gelegentliche Tätigwerden hinaus ist es erforderlich, verschiedene Kriterien gegeneinander abzuwägen. Den Kriterien "Planmäßigkeit" und "Gewinnerzielungsabsicht", ist ein hoher Indizcharakter einzuräumen. Ist eine regelmäßige Tätigkeit planmäßig und auf Gewinn gerichtet, so ist im Regelfall von einer beruflichen Tätigkeit auszugehen. Liegt eines oder beide dieser Kriterien nicht vor, ist anband weiterer Kriterien eine abschließende Bewertung vorzunehmen, ob von einer beruflichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Hierzu ist auch ein Gegenvergleich mit privaten Tätigkeiten möglich.

c)

Gegenstandsnutzungen (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie)

Eingehender als mit Art. 4 Abs. 2 Satz 1 hat sich der EuGH mit der Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie befasst. Diese Judikate wurden von der Literatur aufmerksam kommentiert.

118

Wirtschaftliche Tätigkeit

aa)

Rechtsprechung

Die "Nutzung von Gegenständen" behandeln einige Entscheidungen aus den 90er Jahren sowie drei Entscheidungen aus dem Jahr 2000 und 2001.

(1)

EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89, "Van Tiem"

Das EnGH-Urteil in der Rechtssache "W. M. Van Tiem gegen Staatssecretaris van Financien"253 basierte auf folgendem Sachverhalt: Van Tiem kaufte am 29. September 1980 als Privatmann ein Baugmndstück. Für diesen Erwerb zahlte er 10.677,97 HFL Umsatzsteuer. Am gleichen Tag räumte er der Gesellschaft Tiem's Electro Technisch Installatiebureau BV für einen Zeitraum von achtzehn Jahren gegen eine jährliche Zahlung von 3.000 HFL einschließlich Umsatzsteuer ein Erbbaurecht an dem Grundstück ein. Im Oktober 1980 stellte er bei der zuständigen Finanzbehörde den Antrag, ihn mit Wirkung vom 29. September 1980 von der Umsatzsteuerbefreiung auszunehmen, die nach den niederländischen Rechtsvorschriften für den Fall der Einräumung eines Erbbaurechts vorgesehen war. Diesem Antrag wurde in der Annahme stattgegeben, er beziehe sich auf die Vermietung des Gmndstücks. Der von Van Tiem in der Folgezeit geltend gemachte Vorsteuerabzog in Höhe von 10.677,97 HFL wurde von der Finanzverwaltung nicht anerkannt. Der in zweiter Instanz angemfene Hoge Raad der Nederlanden legte dem EuGH u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vor254 : "Ist Artikel 4 Absatz 2 letzter Satz der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, daß es als Nutzung eines körperlichen Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, wenn der Eigentümer einer unbeweglichen Sache diese einem anderen während eines bestimmten Zeitraums gegen eine regelmäßig zu zahlende Vergütung in der Weise zum Gebrauch überläßt, daß er dem Betroffenen für diesen Zeitraum und gegen diese Vergütung ein dingliches Nutzungsrecht - wie das Erbbaurecht - an der unbeweglichen Sache einräumt?"255 Der EuGH antwortete, "daß es als eine in der Nutzung eines körperlichen Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen bestehende wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 letzter Satz der Sechs253 EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, 1-4363. 254 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.12.1990 - Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, 1-4363 (4383 ff., Rdnr. 3 ff.). 255 EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, 1-4363 (4385, Rdnr. 12).

119

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

ten Richtlinie anzusehen ist, wenn der Eigentümer einer unbeweglichen Sache einem anderen dergestalt ein Erbbaurecht an der Sache einräumt, daß dieser andere für einen bestimmten Zeitraum gegen Zahlung einer Vergütung ein Nutzungsrecht an der unbeweglichen Sache erhält" 256 • Zur Begtündung führte der Gerichtshof zunächst einmal aus, Art. 4 der 6. EG-Richtlinie erkenne der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zu, der sämtliche Stadien der Erzeugung, des Handels und der Erbringtmg von Dienstleistungen umfasse. Ferner argumentierte er, dass sich entsprechend den Erfordernissen der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems der Begriff der "Nutzung" auf alle Vorgänge ohne Rücksicht auf deren Rechtsform beziehe, die darauf abzielen, aus dem betroffenen Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen. So kam der EuGH zu dem Schluss, dass es als Nutzung einer unbeweglichen Sache anzusehen ist, wenn der Eigentümer einem Dritten für einen Zeitraum von achtzehn Jahren gegen Zahlung einer jährlichen Vergütung ein Erbbaurecht einräumt. 257

(2)

EuGH, Urt. v. 20.6.1991 - Rs. C-60/90, "Polysar"

Der Entscheidung im Fall ,,Polysar Investment Netherlands BV gegen Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen te Arnhem" 258 lag folgender Tatbestand zu Grunde: Die niederländische Gesellschaft Polysar Investment Netherlands BV (Polysar BV) gehört zum Weltkonzern Polysar. Sie übt selbst keine Handelstätigkeiten aus und fungiert ausschließlich als Holdinggesellschaft, die Anteile an ausländischen Gesellschaften hält. Sie ist eine 1OO%ige Tochtergesellschaft der Polysar Holding Ltd. mit Sitz in Kanada, die ihrerseits eine 100%ige Tochtergesellschaft der ebenfalls in Kanada ansässigen Polysar Ltd. ist. Polysar BV erhielt jährlich Dividenden und zahlte regelmäßig Dividenden an ihre Muttergesellschaft. Für den Zeitraum vom 1. Januar 1981 bis 31. Dezember 1985 entrichtete Polysar BV für verschiedene ihr erbrachte Dienstleistungen einen bestimmten Betrag an Mehrwertsteuer, der ihr erstattet wurde. Später bestritt die Finanzverwaltung das Recht der Polysar BV zum Vorsteuerabzug und erließ einen auf die Rückerstattung dieses Betrags gerichteten Nacherhebungsbescheid. 256 EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, I-4363 (4387, Rdnr. 20). 257 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.12.1990 - Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, I-4363 (4386 f., Rdnr. 17 ff.). 258 EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Po1ysar), EuGHE 1991, I-3111.

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Wirtschaftliche Tätigkeit

Der angerufene Gerechtshof Arnhem legte dem EuGH u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vor259 : "Ist eine Holding-Gesellschaft, die lediglich mit dem Halten von Anteilen an Tochtergesellschaften in Zusammenhang stehende Tätigkeiten ausübt, als Steuerpflichtiger im Sinne der Artikel 4 und 17 der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern anzusehen?" 260 In seiner Entscheidung antwortete der EuGH, "daß eine HoldingGesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne daß diese Gesellschaft - unbeschadet ihrer Rechte als Aktionärirr oder Gesellschafterin - unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, nicht Mehrwertsteuerpflichtiger im Sinne des Artikels 4 der Sechsten Richtlinie und damit nicht zum Vorsteuerabzug gemäß Artikel 17 der Sechsten Richtlinie berechtigt ist" 261 •

Der EuGH bestätigte zunächst seine Rechtsprechung hinsichtlich Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie aus dem Fall "Van Tiem" 262 • Aus dieser Rechtsprechung folge indes nicht, dass der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der 6. EGRichtlinie anzusehen sei, die den Erwerber zum Steuerpflichtigen mache. Der bloße Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen stelle nämlich keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dar, weil eine etwaige Dividende als Ergebnis dieser Beteiligung Ausfluss der bloßen Innehabung des Gegenstands sei. Etwas anderes gelte dann, wenn die Beteiligung unbeschadet der Rechte, die der Beteiligungsgesellschaft in ihrer Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafterin zustehen, mit einem unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergehe, an denen die Beteiligung bestehe. 263 Greife eine Holdinggesellschaft jedoch nicht in die Verwaltung ihrer Gesellschaften ein und bestehe somit ihr einziger Zweck in dem Erwerb von Betei-

259 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, I-3111 (3135, Rdnr. 6 f.). 260 EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, I-3111 (3135, Rdnr. 7). 261 EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Po1ysar), EuGHE 1991, I-3111 (3138, Rdnr. 17). 262 EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990. I-4363; siehe oben, S. 119 f. 263 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, I-3111 (3137, Rdnr. 12 ff.). Hervorhebung nicht im Original.

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Tätigkeit des Ull1'iatzsteuerpflichtigen

ligungen an anderen Unternehmen, so sei sie nicht Steuerpflichtiger i.S. v. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie.Z64 (3)

EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94, "Wellcome Trust"

In dem oben erwähnten Urteil des EuGH in der Rechtssache "Wellcome Trust Ltd gegen Commissioners of Customs & Excise"265 stellte sich die Frage, ob in der Tätigkeit eines Treuhänders, die darin besteht, im Rahmen der Verwaltung des Vermögens eines gemeinnützigen Trusts in großem Umfang Aktien und andere Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen, die Nutzung von nicht körperlichen Gegenständen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen ist. Bei den Wertpapierankäufen war man bestrebt, das Halten einer meldepflichtigen Beteiligung zu verhindern. 266 Der EuGH urteilte bezugnehmend auf die vorherigen Judikate267 , wenn ein Erwerb von finanziellen Beteiligungen als solcher keine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle, müsse dasselbe auch für die Veräußerung solcher Beteiligungen gelten. Ein Eingreifen in die Verwaltung der Gesellschaften liege schon deshalb nicht vor, weil es dem Treuhänder untersagt gewesen sei, meldepflichtige Mehrheitsbeteiligungen zu halten. 268 Insoweit verneinte der EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit des Wellcome Trusts. 269 (4)

EuGH, Urt. v. 11.7.1996- Rs. C-306/94, "Regie dauphinoise"

Im Urteil in der Rechtssache "Regie dauphinoise - Cabinet A. Forest SARL gegen Ministre du Budget"270 hatte der EuGH anlässtich einer Vorlagefrage 264 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991 - Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, 1-3111 (3138, Rdnr. 17). 265 EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcorne Trust), EuGHE 1996, 1-3013; siehe oben, S. 107 ff. 266 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 7.12.1995, EuGHE 1996, 1-3015 (3016, 3020). Der EuGH selbst differenziert in seinem Urteil nicht zwischen den Sätzen des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie sondern prüft lediglich Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie; vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcorne Trust), BuGHE 1996, 1-3013 (3043 f., Rdnr. 41). 267 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991,1-3111 und Urt. v. 22.6.1993 - Rs. 333/91 (Sofitam), EuGHE 1993, 1-3513. Im letztgenannten Fall hatte der EuGH seine Rechtsprechung aus der Rechtssache "Polysar" bestätigt. 268 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wellcorne Trust), EuGHE 1996, 13013 (3041, Rdnr. 31 ff.). 269 V gl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996 - Rs. C-155/94 (Wellcome Trust), EuGHE 1996, 13013 (3043 f., Rdnr. 41). 270 EuGH, Urt. v. 11.7.1996- Rs. C-306/94 (Regie dauphinoise), EuGHE 1996,1-3695.

122

Wirtschaftliche Tätigkeit

zur Auslegung des Art. 19 der 6. EG-Richtlinie die Gelegenheit, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Überlassung von Kapital gegen Zinsen der Mehrwertsteuer unterfällt Der EuGH entschied, dass Zinsen, die ein Unternehmen der Immobilienverwaltung für Geldanlagen erhält, welche es auf eigene Rechnung mit von den Miteigentümern oder Mietern erhaltenen Mitteln vornimmt, in den Allwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Zinszahlungen beruhten nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Wirtschaftsgut, sondern stellten das Entgelt für die Überlassung von Kapital an einen Dritten dar. Zwar unterlägen Dienstleistungen wie Geldanlagen eines Immobilienverwalters bei Banken nicht der Mehrwertsteuer, wenn sie von nicht als Steuerpflichtige handelnden Personen erbracht würden. Im Ausgangsfall aber liege im Bezug von Zinsen, die ein Immobilienverwalter einnehme, die er von seinen Klienten im Zusammenhang mit der Verwaltung ihrer Immobilien erhält, eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung seiner steuerbaren Tätigkeit. Bei einer derartigen Geldanlage handele der Immobilienverwalter deshalb als Steuerpflichtiger. 271

(5)

EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94, "Enkler"

Der bereits mehrfach angesprochenen Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Renate Enkler gegen Finanzamt Homburg"272 lag der nachstehende Sachverhalt zu Grunde: Renate Enkler war beruflich im Steuerberatungsbüro ihres Ehemanns tätig. Im September 1984 meldete sie die Vermietung von Wohnmobilen als Gewerbe an. Im gleichen Monat erwarb sie ein Wohnmobil für 46.249 DM (zzgl. 6.474,89 DM Umsatzsteuer). Bis ins Jahr 1986 vermietete sie das Wohnmobillediglich für 18 Tage an zwei fremde Mieter und für 40 Tage an ihren Ehemann für ein Gesamtentgelt von 4.263 DM. Der Ehemann von Renate Enkler beteiligte sich in den Jahren 1984-86 an den Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt des Wolmmobils in Höhe von 59.342 DM. Außer bei der Überlassung des Fahrzeugs an fremde Dritte war das Wohnmobil privat haftpflichtversichert Renate Enkler betrieb für die Vermietung des Wohnmobils keine Werbung in Tageszeitungen. Nachdem Renate Enkler im Jahre 1986 erklärt hatte, sie wolle das Fahrzeug von nun an ausschließlich privat nutzen, erließ das Finanzamt im April 1989

271 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1996- Rs. C-306/94 (Regie dauphinoise), EuGHE 1996, I3695 (3722 f., Rdnr. 17 f.). 272 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Änderungsbescheide. Hierbei ging es davon aus, dass Renate Enkler nicht Unternehrnenn sei. Der in zweiter Instanz angerufene Bundesfmanzhof setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH - neben der bereits oben erörterten Fragestellung, ob in der Vermietung eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen sei 273 , - u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vor274 : "Ist jede entgeltliche Überlassung eines Gegenstands zur Nutzung eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) oder setzt die Annahme einer solchen wirtschaftlichen Tätigkeit voraus, daß diese von einer privaten Betätigung abgrenzbar ist? Hat die Abgrenzung von einer gegebenenfalls privaten Betätigung nach bestimmten Merkmalen (wie z.B. nach dem wirtschaftlichen Gewicht, der Dauer der Nutzungsüberlassung, der Höhe des Entgelts) oder durch Vergleich mit typischen Formen entsprechender wirtschaftlicher Tätigkeit (im Streitfall: gewerbliche Vennietung von Wohnmobilen) stattzufinden?"275 Zunächst stellte der Gerichtshof fest, dass in der Vermietung eines körperlichen Gegenstands eine "Nutzung" dieses Gegenstands i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen ist. Diese Nutzung des Gegenstands sei dann als "wittschaftliche Tätigkeit" anzusehen, wenn sie zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen werde. 276 Zur Feststellung, ob die Vermietung eines körperlichen Gegenstands wie eines Wohnmobils i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zur nachhal273 Siehe oben, S. 95. 274 Vgl. EuGH, U1t. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4540 ff., Rdnr. 7 ff.). 275 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517 (4543 f., Rdnr. 18). Daneben fragte der BFH, ob im konkreten Fall eine wirtschaftliche Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorliegt. Diese Frage beantwortete der EuGH jedoch entsprechend den Schlussanträgen des Generalanwalts Cosmas [vom 28.3.1996, EuGHE 1996, 1-4519 (4528 f.)] nicht. Der Generalanwalt hatte darauf hingewiesen, dass der EuGH lediglich zur Auslegung von Gemeinschaftsvorschriften befugt ist, nicht jedoch zur Anwendung dieser Vorschriften auf den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. 276 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4545, Rdnr. 22); siehe oben, S. 95.

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Wirtschaftliche Tätigkeit

tigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen werde, habe das nationale Gericht die Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen. 277 Wer einen Vorsteuerabzug vornehmen wolle, müsse nachweisen, dass er die Voraussetzungen hierfür und insbesondere die Kriterien für die Einstufung als Steuerpflichtiger erfülle. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie hindere die Finanzverwaltung daher nicht, objektive Belege für die geäußerte Absicht zu verlangen. Der Zweck und das Ergebnis der Tätigkeit seien als solche gern. Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bei der Ermittlung des Anwendungsbereichs der 6. EG-Richtlinie unerheblich. Unter Berufung auf ein früheres Urteil278 stellte der EuGH fest, dass zu den Gegebenheiten, auf deren Grundlage die Finanzbehörden zu prüfen hätten, ob ein Steuerpflichtiger Gegenstände für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erwirbt, die Art des betreffenden Gegenstands gehört. Dieses Kriterium ermögliche auch die Feststellung ob ein Einzelner einen Gegenstand so verwendet hat, dass seine Tätigkeit als "wirtschaftliche Tätigkeit" i.S. der 6. EG-Richtlinie anzusehen ist. Werde ein Gegenstand üblicherweise ausschließlich wirtschaftlich genutzt, so sei dies im Allgemeinen ein ausreichendes Indiz dafür, dass sein Eigentümer ihn für Zwecke wirtschaftlicher Tätigkeiten und folglich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwende. Könne ein Gegenstand hingegen seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, so seien alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet werde. Im letztgenannten Fall könne der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werde, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird. Auch wenn allein anhand von Kriterien, die sich auf das Ergebnis der betreffenden Tätigkeit beziehen, nicht ermittelt werden könne, ob die Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, seien ferner die tatsächliche Dauer der Vermietung des Gegenstands, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen Gesichtspunkte, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören und daher neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung berücksichtigt werden könnten. Insgesamt müsse die Feststellung, ob die Vermietung eines Wohnmobils zur

277 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4546 f., Rdnr. 30). 278 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 - Rs. C-97/90 (Lennartz), EuGHE 1991, 1-3795.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen werde, durch eine Beurteilung der Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls erfolgen. 279 (6)

EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95, "Harnas & Helm"

Das EuGH-Urteil im Fall "Harnas & Helm CV gegen Staatssecretaris van Financien"280 basierte auf dem folgendem Sachverhalt: Die niederländische Kommanditgesellschaft Hamas & Helm CV war in der Zeit vom 1. Januar 1987 bis 1. März 1991 Inhaberin von Aktien und Schuldverschreibungen, die von Einrichtungen und Unternehmen ausgegeben worden waren, welche in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Kanada ansässig waren. Sie erhielt während dieser Zeit Dividenden bzw. Zinsen für diese Wertpapiere. 1984 gewährte Hamas & Helm einer amerikanischen Gesellschaft ein Darlehen, das am 16. April 1987 zurückgezahlt wurde. Am I. Juli 1992 gewährte sie einer weiteren Gesellschaft ein Darlehen. In ihrer Umsatzsteuererklärung zog Hamas & Helm die ihr in Rechnung ge-

stellte Umsatzsteuer ab. Dieser Vorsteuerabzug wurde Hamas & Helm jedoch von der Steuerbehörde mit der Begründung verweigert, Hamas & Helm sei seit dem 17. Aprill987 nicht mehr als Unternehmer im Sinne des niederländischen Umsatzsteuergesetzes anzusehen. Der in zweiter Instanz angerufene Hoge Raad der Nederlanden legte dem EuGH u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vor281 : "Sind der bloße Eigentumserwerb und der Besitz von Schuldverschreibungen - Schuldtitel in Form von Handelseffekten -, die nicht einer anderen Unternehmenstätigkeit dienen, und der Zufluß des Ertrages aus diesen als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie anzusehen ?" 282 Der Gerichtshof antwortete auf die vorgelegte Frage, Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie sei dahin auszulegen, dass der bloße Eigentumserwerb und Besitz von Schuldverschreibungen, die nicht einer anderen Unternehmenstätigkeit dienen, und der Zufluss des Ertrages aus diesen nicht als wirtschaftli-

279 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517 (4545 ff., Rdnr. 24 ff.). 280 EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EuGHE 1997, I-745. 281 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EuGHE 1997, I-745 (772 f., Rdnr. 6 ff.).

282 EuGH, Urt. v. 6.2.1997 - Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EuGHE 1997, I-745 (773, Rdnr. 10).

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Wirtschaftliche Tätigkeit

ehe Tätigkeiten anzusehen sind, die den Urheber dieser Umsätze zum Steuerpflichtigen machen. 283 In der Urteilsbegründung nahm der EuGH zunächst Bezug auf seine Rechtsprechung aus der Rechtssache "Van Tiem"284 zu Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. Weiterhin griff der Gerichtshof seine Ausführungen aus der ,,Polysar"-Entscheidung285 auf, der Erwerb und das Halten von Gesellschaftsanteilen könnten als solche nicht als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden. Die in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie genannten Umsätze könnten dann in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, wenn sie im Rahmen eines gewerbsmäßigen Wertpapierhandels oder zum Zweck des unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften erfolgten, oder wenn sie eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellten. 286

Übereinstimmend mit der niederländischen Regierung287 widersprach der Gerichtshof den Ausführungen der französischen Regierung. Diese hatte vorgetragen, dass zwischen dem Erwerb und Besitz von Aktien, die Gegenstand der Rechtssache Polysar gewesen seien, und dem Erwerb und Besitz von Schuldverschreibungen, um die es im Ausgangsverfahren gehe, zu unterscheiden sei. 288 Vielmehr sah der EuGH in der Tätigkeit eines Inhabers von Schuldverschreibungen eine Form der Kapitalanlage, die in ihrer Art nicht über die bloße Vermögensverwaltung hinausgehe. Die aus Schuldverschreibungen erzielten Einkünfte ergäben sich aus deren bloßem Besitz, der einen Anspruch auf Zinszahlung verleihe. Unter diesen Umständen könnten die so eingenommenen Zinsen nicht als Gegenleistung bei einem Umsatz oder für eine vom Inhaber der Schuldverschreibung ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden, da sie aus dem bloßen Eigentum flössen. Es gebe somit keinen Grund, den Besitz von Schuldverschreibungen anders zu behandeln als den Besitz von Beteiligungen. Diese Ansicht sah der EuGH durch Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 gestützt: Diese Befreiungsvorschrift

283 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EuGHE 1997, 1-745 (776, Rdnr. 20). 284 EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, 1-4363; siehe oben, S. 119 f. 285 EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, 1-3111; siehe oben, s. 120 f. 286 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EuGHE 1997, 1-745 (774 f., Rdnr. 13 ff.). 287 Vgl. Erklärungen der Regierung der Niederlande, EuGHE 1997, 1-752 f. 288 Vgl. Erklärung der französischen Regierung, EuGHE 1997, 1-753 f.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

gelte sowohl für Aktien als auch für Schuldverschreibungen. Daher seien der bloße Eigentumserwerb und Besitz von Schuldverschreibungen, die nicht einer anderen Unternehmenstätigkeit dienten, und der Zufluss des Ertrages aus diesen nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen, die den Urheber dieser Umsätze zum Steuerpflichtigen machten. 289 (7)

EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99, "Floridienne"

Im Urteil zur Rechtssache "Floridienne SA und Berginvest SA gegen Etat belge"290 hatte der EuGH im Rahmen einer Vorlagefrage, die Berechnung des Vorsteuerabzugs betreffend, die Gelegenheit, seine zur wirtschaftlichen Tätigkeit von Holdinggesellschaften im "Polysar"-Urteil getroffenen Aussagen zu ergänzen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Floridieune SA war eine Holdinggesellschaft und Berginvest SA war eine Zwischenholdinggesellschaft. Diese Gesellschaften trugen vor, insbesondere durch die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verwaltung, Buchführung und Informatik sowie durch die Gewährung von Finanzierungsdarlehen unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften einzugreifen. Außerdem erhielten sie von ihren Tochtergesellschaften Dividenden aus ihren Beteiligungen und Zinsen aus den Darlehen. Im Rahmen der Vorlagefrage stellte sich die Frage, ob die Holdinggesellschaften wirtschaftlich tätig waren. Der EuGH bestätigte zunächst seine Rechtsprechung aus der "Polysar"Entscheidung291, dass eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen sei, ohne dass sie unmittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreife, nicht Mehrwertsteuerpflichtiger sei. Etwas anderes gelte jedoch, wenn die Beteiligung unbeschadet der Rechte, die der Beteiligungsgesellschaft in ihrer Eigenschaft als Aktionärirr oder Gesellschafterin zuständen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergehe, an denen die Beteiligung bestehe. 292 Dieses Eingreifen konkretisierte der EuGH dahin gehend, dass "solche Eingriffe in die Verwaltung der Tochtergesellschaften als eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sirme des Artikels 4 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie anzusehen [sind], soweit sie die Vomahme von Tä289 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997 - Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EuGHE 1997, 1-745 (775 f., Rdnr. 18 ff.). 290 EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99 (Floridienne), EuGHE 2000, 1-9567. 291 EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, 1-3111; siehe oben, s. 120 f. 292 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2000 - Rs. C-142/99 (Floridienne), EuGHE 2000, 1-9567 (9593, Rdnr. 17 f.).

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Wirtschaftliche Tätigkeit

tigkeiten einschließen, die gemäß Artikel 2 dieser Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, wie die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verwaltung, Buchführung und Informatik durch die Klägerinnen für ihre Tochtergesellschaften " 293 . Hinsichtlich der Frage, ob Darlehensumsätze der Mehrwertsteuer unterliegen, bestätigte der EuGH seine Rechtsprechung im Fall "Regie dauphinoise"294: Dies sei dann der Fall, wenn die Umsätze die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen. Darüber hinaus unterlägen Darlehensumsätze der Mehrwertsteuer, wenn sie eine in Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie genannte wirtschaftliche Tätigkeit des Leistenden darstellen. Die Tätigkeit einer Holdinggesellschaft, die im Überlassen von Kapital an ihre Tochtergesellschaften bestehe, sei nur dann selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit in Gestalt der Nutzung dieses Kapitals zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen in Form von Zinsen, wenn sie nicht nur gelegentlich ausgeübt werde und sich nicht wie die Tätigkeit eines privaten Anlegers auf die Verwaltung von Anlagen beschränke, sondern im Rahmen eines Unternehmensziels oder zu einem geschäftlichen Zweck erfolge, der insbesondere durch das Interesse an der Rentabilisierung des investierten Kapitals geprägt sei. 295 Ferner unterliege die Gewährung von Darlehen an Tochtergesellschaften, für die die Holdinggesellschaft Dienstleistungen insbesondere im Bereich der Verwaltung, Buchführung und Informatik erbringe, nicht deshalb der Mehrwertsteuer, weil es sich um unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser Dienstleistungen i.S. des genannten Urteils "Regie dauphinoise" handelte. Solche Darlehen seien weder notwendig noch unmittelbar mit den erbrachten Dienstleistungen verbunden. 296 Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Darlehensumsätze nach den genannten Kriterien der Mehrwettsteuer unterliegen. 297

293 EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99 (Floridienne), EuGHE 2000, I-9567 (9594, Rdnr. 19). 294 EuGH, Urt. v. 11.7.1996- Rs. C-306/94 (Regie dauphinoise), EuGHE 1996, I-3695; siehe oben, S. 122. 295 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99 (Floridienne), EuGHE 2000, I-9567 (9596, Rdnr. 27 f.). 296 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99 (Floridienne), EuGHE 2000, I-9567 (9596 f., Rdnr. 29). 297 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99 (Floridienne), EuGHE 2000, I-9567 (9597, Rdnr. 31).

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

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Neuere Rechtsprechung

Im Jahre 2001 bestätigte der EuGH in zwei Entscheidungen die Aussagen aus dem vorgenannten Urteil. In den Rechtssachen "Welthgrove BV gegen Staatssecretaris van FinancH!n"298 und "Cibo Participations SA gegen Directeur regional des impöts du Nord-Pas-de-Calais" 299 führte er nahezu wortgleich aus, der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen könnten nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen werden. Etwas anderes gelte jedoch, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Gesellschaft einhergehe, an denen die Beteiligung bestehe. Nur solche Eingriffe in die Verwaltung der Tochtergesellschaften seien als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, soweit sie die Ausübung von Tätigkeiten einschlössen, die gern. Art. 2 der 6. EG-Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen. 300 Danach seien einfache Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften, die nicht die Ausübung von Tätigkeiten einschlössen, die gern. Art. 2 der 6. EG-Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht als wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie anzusehen. 301 Die wesentlichen Aussagen aus den Rechtssachen "Wellcome Trust" und "Harnas & Helm" bestätigte der EuGH darüber hinaus in der Rechtssache "Empresa de Desenvolvimento Mineiro SGPS SA"302 im Jahre 2004. (9)

Zusammenfassung

Die Aussagen des EuGH lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.

Art. 4 der 6. EG-Richtlinie legt fiir die Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich fest, der sämtliche Stadien der Erzeugung, des Handels und der Erbringung von Dienstleistungen umfasst.

2.

Der Begriff der "Nutzung" i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie bezieht sich auf alle Vorgänge ohne Rücksicht auf die Rechtsform, die darauf abzielen, aus dem betroffenen Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen.

298 EuGH, Beseht. v. 12.7.2001- Rs. C-102/00 (We1thgrove), EuGHE 2001, 1-5679. 299 EuGH Urt. v. 27.9.2001- Rs. C-16/00 (Cibo Partieipations), EuGHE 2001, 1-6663. 300 Vgl. EuGH, Beseht. v. 12.7.2001- Rs. C-102/00 (We1thgrove), EuGHE 2001, I-5679 (1-5686 f., Rdnr. 14-17); Urt. v. 27.9.2001 - Rs. C-16/00 (Cibo Partieipations), EuGHE 2001, 1-6663 (I-6689 f., Rdnr 19-22). 301 Vgl. EuGH, Beseht. v. 12.7.2001- Rs. C-102/00 (We1thgrove), EuGHE 2001,1-5679 (1-5687, Rdnr. 18). 302 V gl. EuGH, Urt. v. 29.4.2004- RS. C-77/0 I (EDM), UR 2004, 292.

130

Wirtschaftliche Tätigkeit

3.

In der Vermietung ist eine "Nutzung" dieses Gegenstands i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen. Das Gleiche gilt für

die Einräumung eines Erbbaurechts an einer unbeweglichen Sache. 4.

Der bloße Erwerb und das hmehaben von Gesellschaftsanteilen, ohne dass - unbeschadet der Rechte als Aktionäre oder Gesellschafter in die Verwaltung der Gesellschaft eingegriffen wird, stellt keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie dar, da eine etwaige Dividende als Ergebnis dieser Beteiligung Ausfluss der bloßen hmehabung des Gegenstands ist.

5.

Etwas anderes gilt, wenn in die Verwaltung der Gesellschaft eingegriffen wird. Solche Eingriffe sind wirtschaftliche Tätigkeiten, soweit sie die Vomahme von Tätigkeiten einschließen, die gem. Art. 2 der 6. EG-Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen.

6.

Ebenso wie der Erwerb alleine stellt die Veräußerung von Beteiligungen keine Nutzung i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie dar.

7.

Zinsen für Geldanlagen fallen in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, da Zinszahlungen nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Wirtschaftsgut beruhen, sondern das Entgelt für die Überlassung von Kapital an einen Dritten darstellen. Die Überlassung von Kapital gegen Zinsen ist jedoch nur dann selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit in Gestalt der Nutzung dieses Kapitals zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen, wenn sie nicht nur gelegentlich ausgeübt wird und sich nicht wie die eines privaten Anlegers auf die Verwaltung von Anlagen beschränkt, sondern im Rahmen eines Untemehmensziels oder zu einem geschäftlichen Zweck erfolgt.

8.

Der Besitz von Schuldverschreibungen ist so zu behandeln wie der Besitz von Anteilen. Die aus Schuldverschreibungen erzielten Einkünfte ergeben sich aus deren bloßem Besitz, der einen Anspruch auf Zinszahlung verleiht. Daher ist der bloße Eigentumserwerb und Besitz von Schuldverschreibungen, die nicht einer anderen Unternehmenstätigkeit dienen, und der Zufluss des Ertrags aus diesen nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen.

9.

Die Nutzung eines körperlichen Gegenstands ist nur dann als wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu beurteilen, wenn sie zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt.

131

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

10.

bb)

Wird ein Gegenstand üblicherweise ausschließlich wirtschaftlich genutzt, so ist dies im Allgemeinen ein ausreichendes Indiz dafiir, dass sein Eigentümer ihn fiir Zwecke wirtschaftlicher Tätigkeiten und folglich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie nutzt. Kann ein Gegenstand dagegen sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, so sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird. Hierzu ist die Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen.

Literatur

Auch Stimmen aus der Literatur haben sich mit dem Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie beschäftigt. Hier sind insbesondere die Besprechungen der oben erwähnten EuGH-Urteile zu beachten.

(1)

"Van Tiem"-Entscheidung

Zu der "Van Tiem"-Entscheidung hat das Schrifttum nicht ausfUhrlieh Stellung bezogen. Jedoch stimmt es im Ergebnis mit dem EuGH überein, dass in der Einräumung eines Erbbaurechts eine wirtschaftliche Tätigkeit zu sehen ist. Hier wird eine Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung gesehen.3o3

(2)

"Polysar"-Entscheidung

Die Literatur pflichtet im Ergebnis dem EuGH darin bei, dass vermögensverwaltende Holdings30\ also Holdings, die über das Halten von Beteiligungen hinaus keinen weiteren Einfluss auf die Beteiligungsunternehmen aus-

303 Vgl. statt aller: Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 340. 304 Für diese Art der Holding werden auch die Begriffe "verwaltende Holding", ",reine' Holding" und "Finanzholding" verwandt.

132

Wirtschaftliche Tätigkeit

üben305 , keine Steuerpflichtigen sind. 306 Es wird eine Konformität mit der Rechtsprechung des BFH gesehen. 307 Der EuGH wird jedoch kritisiert, er habe die Frage nicht eindeutig beantwortet, unter welchen Voraussetzungen Holdings Steuerpflichtige seien. Hier habe der EuGH lediglich das unmittelbare oder mittelbare Eingreifen in die Verwaltung, also geschäftsleitende Tätigkeiten erwähnt olmejedoch weitere Aussagen zu deren Inhalt zu treffen. 308 Darüber hinaus habe der EuGH auch die im Verfahren aufgeworfene Frage offen gelassen, wie solche Beteiligungsgesellschaften zu behandeln seien, die den Untergesellschaften weiteres Kapital als verzinsliche Darlehen überließen. 309 Uneinig beurteilt die Literatur die Frage, ob geschäftsleitende Holdings 310 , also Holdings, bei denen die Beteiligung mit einer Einwirkung auf das operative Geschäft der Beteiligungsunternehmen verbunden ise 11 , zur Qualifikation als Steuerpflichtige eigene entgeltliche Umsätze tätigen müssen. Ein Teil der Literatur bejaht die wirtschaftliche Tätigkeit geschäftsleitender Holdings. Darüber hinaus sei ein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsaustausch der Holding nicht Voraussetzung für die Qualifizierung als "Steuerpflichtiger".312 Da der EuGH auf das Eingreifen und nicht auf Leistungen gegen Entgelt abstelle, müsse der Begriff Eingreifen im Sinne einer charakteristischen Tätigkeit der geschäftsleitenden Holding verstanden werden. Die Unternehmereigenschaft der geschäftsleitenden Holdinggesellschaft sei daher gegeben, weil die unternehmefischen Aktivitäten- nicht die Umsätze305 Vgl. Keller, Unternehmensführung mit Holdingkonzepten, 1990, S. 59. 306 Vgl. Ebke!Andrees, EWS, 1993, 346 (349, 354); Weij.J, UR 1993, 121; Schwarze/Hallerbacht Wagner/Rau, JbFfSt 1992/93, 387 (393 f.). Weij.J (UR 1993, 121) kritisiert jedoch die Begriffswahl des EuGH: Unter einer Holding werde regelmäßig eine geschäftsleitende Holding verstanden. Deshalb fordert er den Begriff "Beteiligungsgesellschaft". 307 Vgl. Bachern, BB 1994, 1608 (1609); Weij.J, UR 1993, 121; Schwarze!Hallerbach!Wagner!Rau, JbFfSt 1992/93, 387 (393 f.). 308 Vgl. Greif, FS Flick, 1997, 431 (437 f.). Schwarze und Wagner hingegen interpretieren die Aussagen des EuGH anders: Sie vermissen eine Äußerung des EuGH, ob eine Holding, die eine Geschäftsleitungsfunktion ausübt, Steuerpflichtiger ist. Diese Frage habe der EuGH offen gelassen. Vgl. Schwarze!Hallerbach!Wagner!Rau, JbFfSt 1992/93, 387 (394, 396). 309 Vgl. Weij.J, UR 1993, 121 f. 310 Für diese Art der Holding wird auch der Begriff "Führungsho1ding" verwandt. 311 Vgl. Keller, Unternehmensflihrung mit Holdingkonzepten, 1990, S. 61. 312 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 205 ff.; von Wallis, FS Räd1er, 1999, 639 (659); Gre(f, FS Flick, 1997, 431 (438); Bachern, BB 1994, 1608 (1610 f.); Rödder, DStR 1993, 635 (639).

133

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

der nach einheitlichem Plan tätig werdenden Konzernunternehmen der Konzernmutter zuzurechnen seien. Wenn Holdinggesellschaften unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung der Beteiligungsgesellschaften eingriffen, sei damit eine Nutzung von Gegenständen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie gegeben. 313 Daneben wird die EuGH-Rechtsprechung dahin gehend gedeutet, dass quasi reziprok zu den "Eingriffshandlungen" bei der Beteiligungsgesellschaft eine Aktivität entfaltet werde, die die Qualität einer schlichten Beteiligungsverwaltung sprenge und damit in den Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit rücke. 314 Ein anderer Teil der Literatur qualifiziert geschäftsleitende Holdings nur dann als "Steuerpflichtige", wenn und soweit sie entgeltliche Umsätze ausführen.315 Nur wenn die Holding als Gesellschafter durch entgeltliche Managementleistungen, wie z.B. die Ausübung von Stabsfunktionen in Form von Beratungs- und Koordinierungsleistungen sowie Personengestellungen, Einfluss auf die Gesellschaft nehme, sei sie wirtschaftlich tätig. 316 Dies sei auch den Ausführungen des Generalanwalts zu entnehmen. 317 (3)

"Wellcome Trust"-Entscheidung

In der Literatur wurde die Entscheidung des EuGH begrüßt. Es wurde eine Übereinstimmung mit der deutschen Auffassung festgestellt, wonach das Halten von Wertpapieren (einschließlich deren Veräußerung) eine private Tätigkeit ist und insofern keine Unternehmereigenschaft begründet. 318

(4)

"Regie dauphinoise"-Entscheidung

Die zum Urteil "Regie dauphinoise" erschienenen Urteilsanmerkungen319 äußern sich nicht zur Frage, ob bzw. wann in Geldanlagen eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen ist. Die sich zu diesem Urteil äußernde Kommentarliteratur stimmt dem EuGH

313 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 57, 206 ff.; Greif, FS Flick, 1997, 431 (437 f.). 314 Vgl. Bachem, BB 1994, 1608 (1611). 315 Vgl. Robisch, UR 2001, 100 (101); Birkenfeld, OSt-Handbuch,§ 37, Rdnr. 39; Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, § 2 Abs. 1, Rdnr. 216; Wagner, Freundesgabe Haas, 1996, 393 (400). 316 Vgl. Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, § 2Abs. 1, Rdnr. 216. 317 Vgl. Wagner, Freundesgabe Haas, 1996, 393 (399 f.). 318 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 235; Georgy, in: P1ückebaum!Ma1itzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 215; WCL, BB 1996, 2556 (2557). 319 Vgl. WCL, BB 1996, 2556; Haunold!Tumpel!Widhalm, SWI 1996,462.

134

Wirtschaftliche Tätigkeit

zu320 : Das Unterhalten von Konten stelle grundsätzlich keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne dar, weil das Verhalten des Sparers bzw. Anlegers bei der Ansammlung von Kapital nicht über das Nutzen des Eigentums und das Einsammeln von Nutzungen hinausgehe und damit den Rahmen des Eigenlebens nicht überschreite. Ausnahmsweise seien derartige Betätigungen dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen, wenn sie- in der Regel als Nebengeschäft- den Zwecken eines bereits vorhandenen Unternehmens dienten. 321 (5)

"Enkler"-Entscheidung

Das "Enkler"-Urteil findet die Zustimmung des Schrifttums. 322 Überwiegend wird festgestellt, die Auslegung des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie durch den EuGH stimme mit dem deutschen Gesetzestext überein. 323 WEYMÜLLER kritisiert, der EuGH habe sich bei der Frage, wie die wirtschaftliche von der privaten Tätigkeit abzugrenzen sei, nicht festlegen wollen. Hier hätte sich der EuGH nach der Vorlagefrage zu einem Typusbegriff (einheitliches Bild des Unternehmers) oder zu einem anhand von bestimmten Merkmalen zu ermittelnden Unternehmerbegriff bekennen sollen. Der EuGH habe sich jedoch nicht konkret festlegen lassen und sich auf die "berühmten , Umstände des Einzelfalls' zurückgezogen "324 • Demgegenüber lobt er, der EuGH habe mit seiner Entscheidung der Ausweitung des Unternehmerbegriffs keinen Vorschub geleistet und inzident die Verwaltungsauffassung, die in Abschnitt 18 Abs. 2 UStR zum Ausdruck komme, gebilligt. 325 Auch WIDMANN stimmt dem EuGH zu. Im vorliegenden Fall der Vermietung von Freizeitgegenständen sei eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht zu bejahen. Eine Besteuerung sei auch nicht unter dem Aspekt der Wettbewerbsgleichheit zu den professionellen Anbietern geboten. Im Gegenteil: Eine Bejahung der wirtschaftlichen Tätigkeit brächte den Zugang zum Vorsteuerabzug und trotz der Eigenverbrauchsbesteuerung eine nicht gewollte Begünstigung privater Betätigungen. 326

320 Vgl. Klenk. in: Sölch!Ring1eb, UStG, § 2, Rdnr. 171; Georgy, in: P1ückebaum!Ma1itzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 263. 321 Vgl. Georgy, in: P1ückebaum!Ma1itzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 263. 322 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 397; Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1197,79 323 Vgl. Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1/97, 79; WCL, BB 1997, 81; Widmann, UR 1996, 421 (422); a.A.: WB, DStR 1996, 1687. 324 Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1/97, 79 (80). 325 Vgl. Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1/97,79 (80). 326 Vgl. Widmann, UR 1996,421 (422).

135

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

(6)

"Harnas & Helm"-Entscheidung

In der Literatur wird in der "Harnas & Helm"-Entscheidung eine konsequente Fortsetzung der EuGH-Rechtsprechung gesehen, wonach die Überlassung der Nutzung von Kapital für sich alleine keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Im Ergebnis stimmt die Literatur mit dem EuGH überein, dass in dem Halten von Schuldverschreibungen keine wirtschaftliche Tätigkeit zu sehen ist. 327 Es wird eine Konfonnität mit der in Abschnitt 18 Abs. 1 Satz 4 UStR zum Ausdruck kommenden deutschen Verwaltungsauffassung festgestellt. 328 HAUNOLDffUMPELIWIDHALM kritisieren jedoch unter Verweis auf RUPPE 329 , obgleich sie dem Ergebnis zustimmen, den Unterschied zur Vennietung eines Gegenstandes: Wenn eine solche Vermietung als unternehmerische Tätigkeit angesehen werde, müsse die Überlassung von Kapital zur Nutzung ebenfalls als unternehmefische Tätigkeit angesehen werden.330 RUPFE löst dieses Spannungsverhältnis jedoch mit historischen Überlegungen, wonach zwischen Unternehmern, Kapitalgebern und Arbeitnehmern getrennt wurde. Kapitalgeber hätten nie als umsatzsteuerpflichtig gegolten.331 (7)

"Floridienne"-Entscheidung

Das Schrifttum stellt heraus, dass der EuGH durch die "Floridienne"Entscheidung hinreichend klar gemacht hat, welche Geldgeschäfte einer Holding steuerbar sind und welche nicht. 332 Der Gerichtshofhabe im "Polysar"-Urteil die Frage offen gelassen, wann ein "Eingreifen" der Holding in die Verwaltung der Gesellschaften vorliegt, welches eine wirtschaftliche Tätigkeit begründet. Diese Frage habe der EuGH nun dahin gehend beantwortet, dass ein solches "Eingreifen" entgeltliche Leistungen der Holding voraussetze.333 Ohne jegliche Ausgangsumsätze der Holdinggesellschaft müsse die Unternehmereigenschaft einer Holdinggesellschaft abgelehnt werden. Sofern also keine schuldrechtlichen Leistungsaustauschverträge zwischen Holdinggesellschaft und Beteiligungsunternehmen vorlägen, müsse die Hol327 Vgl. Stadie. in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 235; Georgy, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 263; WCL, BB 1997, 824; Haunold!Tumpel!Widhalm, SWI 1997, 227. 328 Vgl. WCL, BB 1997, 824. 329 Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 61 ff. 330 Vgl. Haunold!Tumpel!Widhalm, SWI 1997,227. 331 Vgl. Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 61 ff. 332 Vgl. Klenk, IStR 2001, 18; Robisch, UR 2001, 100 (101); Eggers!Ko~f, DB 2001, 298 (301). 333 Vgl. Robisch, UR 2001, 100 (101); Eggers!Kmf, DB 2001, 298 (301). Laut Ko~f[UR 2001, 143 (144)] hat der EuGH nun "das Rätsel des Polysar-Vorbehalts gelöst".

136

Wirtschaftliche Tätigkeit dinggesellschaft zumindest anderweitige Umsätze tätigen, d.h. mit anderweitigen Umsätzen einen unternehmefischen Bereich begründen, der durch die Beteiligung an den Beteiligungsgesellschaften wirtschaftlich unterstützt werde. 334

(8)

Neuere Rechtsprechung

Die Aussagen des EuGH zur Steuerpflichtigeneigenschaft in den Entscheidungen "Welthgrove" und "Cibo Participations" finden die Zustimmung des Schrifttums. 335 Der EuGH habe insoweit seine Judikatur aus den Rechtssachen "Polysar" und ,,Floridienne" betätigt. 336 EGGERS/KORPH sehen nunmehr lediglich dahin gehend Klärungsbedarf, welcher Art die Dienstleistungen sein müssten, die eine Holding zum Unternehmer machten. 337

cc)

Stellungnahme

Bei der Auslegung der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie stellt sich zunächst einmal die Frage, ob eine "Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen" vorliegt. In einem zweiten Schritt ist zu klären, ob diese Gegenstandsnutzung zur "nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" erfolgt. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, liegt eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie vor, die den Handelnden unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 4 Abs. I der 6. EG-Richtlinie zum "Steuerpflichtigen" macht.

(1)

Grundaussagen des EuGH

Der EuGH hat ausgeführt, dass Art. 4 der 6. EG-Richtlinie für die Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich festlegt, der sämtliche Stadien der Erzeugung, des Handels und der Erbringung von Dienstleistungen umfasst. Ferner beziehe sich der Begriff der "Nutzung" i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie auf alle Vorgänge ohne Rücksicht auf die Rechtsform, die darauf abzielen, aus dem betroffenen Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen. 338

334 Vgl. Robisch, UR 2001, 100 (101). 335 Vgl. Wagner, UVR 2002, 22 f; FK, DStR 2001, 1799; Wäger, UR 2001, 505 f.; Burgmeier, EWS 2002, 92; Eggers!Korph, DB 2002, 1238 f. 336 Vgl. Wäger, UR 2001, 505 f.; Burgmeier, EWS 2002, 92; Eggers!Korph, DB 2002, 1238 f. 337 Vgl. Eggers!Korph, DB 2002, 1238 (1242). 338 EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, I-4363; siehe oben, S. 119 f.

137

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Diesen beiden Aussagen des EuGH ist vorbehaltlos zuzustimmen. Sie sind jedoch sehr allgemein und helfen wenig bei der Rechtsanwendung. Zu diesem Zweck ist Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie vielmehr inhaltlich auszulegen. (2)

Dauerschuldverhältnisse ("Van Tiem", "Enkler'')

Um zu klären, ob die Entscheidungen des EuGH zutreffend sind, ist zunächst einmal der Begriff der "Nutzung" zu erläutern. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie gilt eine Leistung, die die Nutzung von Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst, als wirtschaftliche Tätigkeit. Diese Formulierung ist unglücklich, da die Leistung nicht in der "Nutzung" des Gegenstands liegt, sondern in der Überlassung an einen anderen, wodurch diesem die Nutzung des Gegenstands ermöglicht wird. Unter der "Nutzung" eines Gegenstands ist somit die "Nutzungsüberlassung" zu verstehen. 339 Daher ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Van Tiem"340 hinsichtlich der Frage der Nutzungen von Gegenständen zutreffend: Unzweifelhaft liegt in dem nicht beruflichen Bestellen eines Erbbaurechts eine Nutzungsüberlassung und smnit eine "Nutzung" eines körperlichen Gegenstands i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. Auch fällt die Vermietung grundsätzlich unter den Begriff der "Nutzung". Jedoch hätte der EuGH die gewerbliche Vermietung des Wohnmobils im Fall "Enkler"341 zunächst an Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie messen sollen, da unter Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie nach der hier vertretenen Ansicht nur nicht berufliche Tätigkeiten fallen. Erst nach Verneinung einer beruflichen Tätigkeit wäre der Weg für eine Ptüfung des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. BQRichtlinie frei gewesen. Im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie wurde in erster Linie an Dauerschuldverhältnisse, insbesondere in Gestalt von Mietund Pachtverträgen, Erbbaurechtsverträgen, Lizenzverträgen u.ä. gedacht. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen beschränkt sich hierbei auf das Dulden der Nutzung des Gegenstands. 342

339 So auch Stadie, in: Rau!Dlirrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 54. 340 EuGH, Urt. v. 4.12.1990- Rs. C-186/89 (Van Tiem), EuGHE 1990, I-4363; siehe oben, S. 119 f. 341 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517; siehe oben, s. 95, 123 ff. 342 So auch Stadie, in: Rau!Dlirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 55.

138

Wirtschaftliche Tätigkeit

(3)

Beteiligungen, Aktien ("Polysar", "Wellcome Trust", "Floridienne")

Mit der Frage der Nutzung von Beteiligungen beschäftigte sich der EuGH im Fall "Polysar". Auch hier kann man dem EuGH beipflichten: Alleine in dem Halten und Verwalten von Beteiligungen ist keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen. Dies gilt ebenso für private Aktionäre wie für verwaltende Holdings. Eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie erfordert eine "Nutzung", d.h. eine Nutzungsüberlassung. Im schlichten Halten einer Beteiligung fehlt es an einer solchen Tätigkeit. Anders als z.B. bei Vermietungen eines Gegenstands, bei denen der Vermieter nach dem Erwerb der Mietsache diesen Gegenstand dem Mieter zur Nutzung überlässt, erhält der Aktionär alleine durch den Erwerb der Aktien die Dividenden: Die Dividenden sind somit, wie der EuGH zutreffend ausführt, lediglich Ausfluss der bloßen Innehabung der Beteiligung. 343 Dem EuGH ist insoweit Recht zu geben. Auch kann man den Aussagen des EuGH aus dem "Wellcome Trust"-Urteil zustimmen: Ebenso wie im Erwerb und im schlichten Halten von Beteiligungen keine "wirtschaftliche Tätigkeit" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen ist, ist in der Veräußerung keine "Nutzung" der Gesellschaftsanteile zu sehen. 344 Demgegenüber liegt nach einem obiter dieturn aus der "Polysar"Entscheidung eine "wirtschaftliche Tätigkeit" dann vor, wenn in die Vetwaltung der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar eingegriffen wird. 345 Dies deutete darauf hin, dass der EuGH von der im "Hong-Kong Trade"-Urteil gefundenen konstitutiven Voraussetzung für die Untemehmereigenschaft, dem Erbringen entgeltlicher Umsätze, abgegangen ist: Es lassen sich auch geschäftsleitende Holdings denken, die durch Managementleistungen in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften eingreifen, ohne dass diese Tätigkeiten über die Dividenden hinaus vergütet werden. Insofern folgerte ein Teil der Literatur zu recht, dass das Erbringen entgeltlicher Umsätze im Fall der geschäftsleitenden Holding entbehrlich ist. 346 343 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, I-3111 (3137, Rdur. 13). 344 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (Wel!come Trust), EuGHE 1996, I3013 (3041, Rdur. 33); siehe oben, S. 122. 345 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991,1-3111 (3137, Rdur. 14). 346 Vgl. die zitiert Literatur in FN 312.

139

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Wie der EuGH in der "Floridienne"-Entscheidung darlegt (und in den Rechtssachen "Welthgrove" und "Cibo Participations" bestätigt), wollte er soweit jedoch nicht gehen: Er macht deutlich, dass er das Tätigen entgeltlicher Umsätze für die Unternehmereigenschaft nach wie vor für konstitutiv hält. Nur solche Eingriffe in die Verwaltung der Tochtergesellschaften seien als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie anzusehen, soweit sie die Vomahme von Tätigkeiten einschließen, die gemäß Art. 2 der 6. EG-Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen. 347 Es bleibt also für den EuGH bei dem im "Hong-Kong Trade"-Urteil348 gefundenen (m.E. falschen 349 ) Ergebnis, dass entgeltliche Umsätze für die Unternehmereigenschaft zwingende Voraussetzung sind. Vielmehr lässt sich gerade am Beispiel der Holding darlegen, dass diese Voraussetzung nicht zu halten ist: Rein verwaltenden Holdings sind keine Steuerpflichtigen. Dies erscheint angesichts des Vergleichs zum (Klein-)Aktionär plausibel. Darüber hinaus lässt sich dies, wie erläutert, am Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie ("Nutzung") begründen. Demgegenüber ist eine geschäftsleitende Holding, die entgeltliche Dienstleistungen an ihre Tochtergesellschaften erbringt, nach allen Ansichten wirtschaftlich tätig. Jedoch liegt auch in diesem Fall keine "Nutzung" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie vor. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist lediglich insoweit gegeben, dass die Holding durch das Erbringen von Dienstleistungen beruflich tätig i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie ist. Weshalb jedoch soll die geschäftsleitende Holding, die durch Dienstleistungen in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften eingreift, ohne ein gesondertes Entgelt zu erhalten, einem privaten Endverbraucher gleichzustellen sein? M.E. steht diese Form der Holding der geschäftsleitenden Holding, die entgeltliche Umsätze tätigt, näher als der rein verwaltenden Holding. Ebenso wie die geschäftsleitende Holding, die gegen Entgelt tätig ist, erbringt diese Holding Dienstleistungen.

347 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99 (Floridienne), EuGHE 2000, I-9567 (9594, Rdnr. 19); Beschl. v. 12.7.2001- Rs. C-102/00 (We1thgrove), EuGHE 2001, I5679 (5687, Rdnr. 16); Urt. v. 27.9.2001- Rs. C-16/00 (Cibo Participations), EuGHE 2001, I-6663 (6689, Rdnr 21). 348 EuGH, Urt. v. 1.4.1982 - Rs. 89/81 (Hong-Kong Trade), EuGHE 1982, 1277; siehe oben, S. 66 ff. 349 Siehe oben, S. 80 f.

140

Wirtschaftliche Tätigkeit

Dies zeigt, dass das Entgelt-Erfordernis ein rein willkürliches Kriterium ist, mit dem der EuGH sicherlich teilweise zu richtigen Ergebnissen kommt, das aber auch unter dem Verbrauchsteuergedanken keineswegs zwingend ist. Der EuGH hätte im ,,Floridienne"-Urteil endlich die Gelegenheit gehabt, zumindest für den Fall der geschäftsleitenden Holding das EntgeltErfordernis aufzugeben und sich stattdessen dem Inhalt der Tätigkeit zuzuwenden. Diese Gelegenheit hat der EuGH versäumt. Somit ist die ,,Floridienne"-Entscheidung (und die Folgeentscheidungen) in diesem Punkt falsch: Das Eingreifen in die Verwaltung von Gesellschaften setzt eine Tätigkeit der Holding voraus. Diese Tätigkeit erfordert jedoch keine über die Dividenden hinausgehende Vergütung. Für das Eingreifen, welches das schlichte Halten und Verwalten einer Beteiligung zu einer "wirtschaftlichen Tätigkeit" macht, genügen typische Leistungen einer geschäftsleitenden Holding, wie das Erstellen von Richtlinien und Empfehlungen und das Erarbeiten von Konzemstrategien. 350

(4)

Kreditgewährung, Spareinlage ("Regie dauphinoise", "Floridienne'')

Der EuGH thematisiert im Urteil "Regie dauphinoise" 351 noch nicht die Frage, ob in der Überlassung von Kapital gegen Zinsen selbst eine Nutzung von Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen ist, die als solche den Handelnden zu einem "Steuerpflichtigen" i.S. der 6. EG-Richtlinie macht. Die Geldanlagetätigkeit scheint nach der Auffassung des EuGH nur dann der Mehrwertsteuer zu unterliegen, wenn sie von einem (auf Grund anderer Tätigkeiten) Steuerpflichtigen zur unmittelbaren, dauerhaften und notwendigen Erweiterung seiner steuerbaren Tätigkeit ausgeführt wird. Im "Floridienne"-Urteil schließlich stellt der EuGH klar, dass datüber hinaus auch die Kreditgewährung selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit in Form der Nutzung von Kapital zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen (Zinsen) darstellen kann. 352 Diese Ansicht des EuGH ist grundsätzlich zutreffend: In der Überlassung von Kapital gegen Zinsen ist dem Wortlaut nach eine "Nutzung" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen. Unter diese Form der nichtbe350 So auch Greif, FS Flick, 1997,431 (438). 351 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1996- Rs. C-306/94 (Regie dauphinoise), EuGHE 1996, 13695. 352 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2000- Rs. C-142/99 (Floridieru1e), EuGHE 2000, 1-9567 (9596, Rdnr. 27 f.).

141

Tätigkeit des Um;atzsteuerpflichtigen

rufliehen Nutzungsüberlassung von Kapital fallt grundsätzlich353 z.B. der private Sparer. 354 (5)

Schuldverschreibungen, Wertpapiere ("Harnas & Helm'')

Um die Frage zu beantworten, ob dem EuGH in der Rechtssache "Harnas & Helm" zugestimmt werden kann, oder ob in dem Halten von Schuldverschreibungen eine "Nutzung" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen ist, ist zunächst einmal der Begriff der Schuldverschreibung zu erläutern. Dies ist erforderlich, um zu beurteilen, ob das Halten von Schuldverschreibungen nach den oben erwähnten Grundsätzen des Haltens von Beteiligungen oder nach denen der Kreditvergabe zu behandeln ist. Schuldverschreibungen (auch: "Anleihen" oder "Obligationen"355 ) sind mittel- bis langfristige Kreditaufnahmen, die in der Regel auf den Inhaber lauten und an der Börse gehandelt werden. Die Anleihen sind mit einem festen Zins ausgestattet. 356 Wirtschaftlich entspricht also der Erwerb einer Schuldverschreibung der Gewährung eines Kredits an die emittierende Gesellschaft. Dies spricht zunächst einmal dafür, das Halten von Schuldverschreibungen nach den Grundsätzen der Kreditvergabe zu behandeln.357 Bei den Schuldverschreibungen im Fall "Harnas & Helm" handelt es sich jedoch der Vorlagefrage zufolge um Schuldtitel in Form von Handelseffekten.358 Als Effekten bezeichnet man Wertpapiere, die zur langfristigen Kapitalanlage geeignet sind, an Kapitalmärkten frei gehandelt werden und grundsätzlich einen wiederkehrenden Anspruch auf Ertrag verbriefen. 359 Nach der Art der verbrieften Rechte unterscheidet man Forderungspapiere, bei denen der Kapitalgeber Gläubigerrechte (mit festem Zinsertrag) erwirbt (z.B. Schuldverschreibungen), Beteiligungspapiere, bei denen Beteiligungsrechte (mit variablem Ertrag) erworben werden (z.B. Aktien),

353 Zur Frage der teleologischen Reduktion siehe unten, S. 146 ff. 354 Kreditinstitute fallen nach der hier vertretenen Ansicht unter Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie. 355 Vgl. Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 2002, S. 397. 356 Vgl. Peffekoven, Einführung Finanzwissenschaft, 1996, S. 75. 357 So auch die französische Regierung im Fall "Harnas & Helm"; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 7.11.1996, EuGHE 1997,1-745 (753, Rdnr. 20 f.). 358 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EuGHE 1997, 1-745 (773, Rdnr. 10). 359 Vgl. Eilenberger, Bankbetriebswirtschaftslehre, 1997, S. 273.

142

Wirtschaftliche Tätigkeit

Mischformen (z.B. Wandelschuldverschreibungen, Optionsscheine).360 Es sollte zwischen den genannten Effekten nicht differenziert werden. Das Halten von Aktien sollte ebenso behandelt werden, wie das Halten von Schuldverschreibungen oder z.B. Optionsscheinen. Es bietet sich jedoch an, zwischen Krediten und Effekten zu unterscheiden. Durch die verschiedenen Übergangsformen der Geldpapiere dürfte es weit schwieriger fallen, die Abgrenzung zwischen Wertpapieren, die eher mit Krediten vergleichbar sind und solchen, die Beteiligungen näher stehen, zu treffen. 361 Für die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von Schuldverschreibungen und Aktien spricht schließlich auch Art. 13 Teil B Buchst. der 6. EG-Richtlinie: Nach Nummer 5 gilt sowohl für Beteiligungen als auch für Schuldverschreibungen und sonstige Wertpapiere eine Steuerbefreiung. Die Steuerbefreiung für die Kreditvergabe ist hingegen getrennt in Nummer 1 erwähnt. 362 Folglich gelten für die Frage der "Nutzung" von Schuldverschreibungen (und anderen Wertpapieren) die oben ausgeführten Grundsätze für die "Nutzung" von Beteiligungen: Sofern Schuldverschreibungen lediglich erworben und gehalten werden, ist hierin keine "wirtschaftliche Tätigkeit" zu sehen. Etwas anderes gilt, wenn über das Halten der Wertpapiere hinaus in die Verwaltung der Gesellschaften eingegriffen wird. Daher ist die Rechtsprechung des EuGH zutreffend. Da eine Schuldverschreibung im Gegensatz zu den meisten Beteiligungen kein Kontroll- und Mitspracherecht für das ausgebende Unternehmen beinhaltet, wird für den Besitz von Schuldverschreibungen im Regelfall eine wirtschaftliche Tätigkeit zu verneinen sein. 363

360 Vgl. Eilenberger, Bankbetriebswirtschaftslehre, 1997, S. 275 ff. 361 Ähnlich: Schlussanträge des Generalanwalts Femzelly vom 7.11.1996, EuGHE 1997, 1-745 (758, Rdnr. 32) Die Kommentarliteratur unterscheidet demgegenüber zwischen Beteiligungen auf der einen Seite und Kreditvergaben und Wertpapieren auf der anderen Seite: Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 204 ff. und 234 ff; Georgy, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 2 Abs. I Rdnr. 210 ff. und 263. 362 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), 1-745 (776, Rdnr. 19). So bereits die Ausführungen der Kommission; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 7.11.1996, EuGHE 1997, 1-745 (753, Rdnr. 18). 363 So auch die Ausflihrungen der Kommission im Fall "Harnas & Helm"; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 7.11.1996, EuGHE 1997, 1-745 (753, Rdnr. 18).

143

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

(6)

Tätigkeiten "zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" ("Enkler'')

Neben der "Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen" erfordert Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie, dass diese Nutzung "zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" erfolgt. ln diesem Zusammenhang wurde von GIESBERTS eingeworfen, Art. 4 Abs. 2

Satz 2 der 6. EG-Richtlinie sei fehlerhaft formuliert. Es komme nicht auf die nachhaltige Einnahmenerzielung sondern nur auf die Nachhaltigkeit der Leistung an. 364 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden? 65 Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie spricht unzweideutig von nachhaltiger Einnahmenerzielung. Das von GIESBERTS angeführte Beispiel, die einmalige Veräußerung eines Grundstücks auf Rentenbasis begründe keine Unternehmereigenschaft, kann seine Auffassung nicht stützen. Sicherlich begründet eine solche Veräußerung keine Unternehmereigenschaft, doch liegt dies daran, dass in dem genannten Beispiel keine Nutzungsüberlassung, sondern eine Verwertung vorliegt. Wie der Fall "Van Tiem" zeigt, begründet eine einmalige Handlung, wie der Abschluss eines Erbbaurechtsvertrags die Unternehmereigenschaft, wenn aus dieser Handlung nachhaltig Einnahmen resultieren. Es kommt im Fall des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie somit gerade nicht auf nachhaltige Leistungen i.S. aktiver Tätigkeiten an. Auch gelegentliche oder einmalige Tätigkeiten können unter den (wörtlich genommenen) Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie die Steuerpflichtigeneigenschaft begründen. Daraus folgt jedoch umgekehrt, dass eine Nutzung, mit der nur eine gelegentliche Einnahmenerzielung angestrebt wird, keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie ist. Durch das Kriterium der Nachhaltigkeit wird eine ansonsten private Gegenstandsnutzung zu einer "wirtschaftlichen Tätigkeit": Die grundsätzlich private Nutzung überschreitet durch das Kriterium der Nachhaltigkeit den Rahmen des Eigenlebens und wird dadurch wirtschaftlich. Fraglich ist, wann eine Nutzung der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dient. Hierzu ist zunächst einmal der Begriff "nachhaltig" zu klären.

364 Vgl. Giesberts, UR 1989, 257 (260). 365 So auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 55, FN 4; im Ergebnis ebenso: Ebke!Andrees, EWS 1993, 346 (350).

144

Wirtschaftliche Tätigkeit

Das Adjektiv ,,nachhaltig" bedeutet "sich auf längere Zeit stark auswirkend".366 Da jedoch der Richtlinienwortlaut nicht lediglich in deutscher Sprache abgefasst ist, lohnt zur Erfassung des Inhalts des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie ein Blick auf andere Sprachfassungen. Nach der englischen Fassung des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie muss die Einkommenserzielung "on a continuing basis" erfolgen, was darauf hindeutet, dass die Einnahmenerzielung auf einer fortgesetzten Grundlage erfolgen muss. Die französische Fassung spricht im Zusammenhang mit der Einnahmenerzielung vom "caractere de permanence", also dem Merkmal der Fortdauer bzw. Ständigkeit. Demzufolge ist Nachhaltigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie dann gegeben, wenn die Nutzung von einem gewissen Maß an Stetigkeit und Beständigkeit gekennzeichnet ist. 367 Der Begriff der Nachhaltigkeit enthält somit sowohl das Element der Dauer als auch das der Wiederholung. Wenn die Einnahmenerzielung dauerhaft, also auf Dauer ist, ist sogleich das Element der Wiederholung (wiederholte Einnahmen) erfüllt. Man kann somit die "nachhaltige Erzielung von Einnahmen" als eine auf Dauer berechnete, fortgesetzte Einnahmenerzielung verstehen. 368 Das Ziel des Gegenstandsnutzers muss in einer auf Dauer angelegten, wiederholten Erzielung von Einnahmen bestehen. Dieses Kriterium der Stetigkeit erfüllen lediglich unbefristete oder langfristige Miet-, Pacht-, Lizenz- und Ebbaurechtsverträge oder ähnlich dauerhafte Dauerschuldverhältnisse. Der Nutzende, der den Vorsteuerabzug begehrt, muss die Voraussetzungen der "Nachhaltigkeit" nachweisen. 369 Dies wird ihm bei langfristigen Dauerschuldverhältnissen, wie unbefristeten Miet- und Pachtverträgen, Lizenzverträgen und Erbbaurechtsverträgen leicht gelingen. Demgegenüber fallen kurzfristige Nutzungen von Gegenständen nicht unter den Begriff der "nachhaltigen Einnahmenerzielung". Sie stellen nur dann "wirtschaftliche Tätigkeiten" dar, wenn sie unter die beruflichen Tätigkeiten des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie zu subsumieren sind.

366 Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 6, 1999, Stichwort "nachhaltig". 367 So auch: Dziadlwwski, UR 1996, 281 (287). 368 Ähnlich definiert Mößlang [UR 1994, 10 (18)] den Begriff der Nachhaltigkeit in§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 369 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4545, Rdnr. 23).

145

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Der Begriff der Einnahmenerzielung ist weit zu verstehen, d.h. es ist nicht die Absicht erforderlich, umsatzsteuerliche Entgelte zu erzielen. (7)

Teleologische Rednktion des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie?

Wenn man die oben gefundenen Ergebnisse auf die Überlassung von Kapital gegen Zinsen überträgt, ergibt sich folgendes Bild: Die Überlassung von Kapital gegen Zinsen ist eine "Nutzung" dieses Kapitals i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. 370 Die weiter gehende Frage ist, ob diese "Nutzung" auch "zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" erfolgt. Geht man davon aus, dass unter der ,,nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" eine "auf Dauer berechnete, fortgesetzte Einnahmenerzielung" zu verstehen ist, so muss in der Überlassung von Kapital für längere Zeit eine nachhaltige Kapitalnutzung gesehen werden.371 Dies bestätigt auch der Vergleich mit den Dauerschuldverhältnissen: Sofern man jährliche Zahlungen des Erbbauzinses als nachhaltig betrachtet, so müssen, legt man den Begriff der Nachhaltigkeit einheitlich aus, auch jährliche Zinseinnahmen desjenigen nachhaltig sein, der sein Kapital nutzt. Somit wären Sparer nach dem Wortlaut (und der hier vertretenen Auslegung) des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie "Steuerpflichtige". 372 Dies hätte zur Folge, dass jeder Sparbuchinhaber "Steuerpflichtiger" wäre, den grundsätzlich die in Art. 22 der 6. EG-Richtlinie genannten Verpflichtungen treffen würden: Die Steuerpflichtigeneigenschaft müsste praktisch jedermann zugesprochen werden. Es stellt sich die Frage, ob dieses Ergebnis mit den Grundsätzen der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer zu vereinbaren ist oder ob der Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie auf Gmnd einer teleologischen Reduktion so zu begrenzen ist, dass die Nutzung von Kapital gegen Zinsen nicht unter diese Norm fällt. Unter teleologischer Reduktion versteht man die Einschränkung des Allwendungsbereichs einer Norm gegenüber dem Wortlaut. Eine solche Reduktion ist dann vorzunehmen, wenn der gesetzlichen Regel eine Einschränkung fehlt, obgleich sie vom Normzweck oder vom Kontext her geboten ist. In diesem Fall muss die Einschränkung nachträglich hinzugefügt werden, die zu weit gefasste Regel muss mithin auf ihren Zweck hin beschränkt oder 370 Siehe oben, S. 141. 371 Ähnlich ftlr § 2 UStG: Schuhmann, in: Hundt-Eßwein/Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 69. 372 Ähnlich ftlr § 2 UStG: Söhn, StnW 1975, 164 (165).

146

Wirtschaftliche Tätigkeit

in den Grenzen ihres Bedeutungsinhalts gehalten werden. Die teleologische Reduktion ist Ausdruck des Gleichheitsgedankens in Art. 3 Abs. 1 GG. Im Gegensatz zur Analogie, die sich aus dem Gebot der Gleichbehandlung des Gleichen rechtfertigt, berücksichtigt die Reduktion den Satz von der gebotenen Ungleichbehandlung des Ungleichen. Ob eine Ungleichbehandlung geboten ist, bestimmt sich aus dem Normzweck 373 Der Bedeutung des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie liegt darin, den Begriff des Steuerpflichtigen für die Mehrwertsteuer zu definieren. Die Mehrwertsteuer ist eine indirekte Verbrauchsteuer. 374 Der Steuerpflichtige ist VerbraucherversorgeT und agiert als Steuereinnehmer für den Fiskus. Davon zu unterscheiden ist der Endverbraucher. Dieser soll nach dem System der indirekten Verbrauchsteuer Träger der Umsatzsteuer sein. 375 Somit besteht der Normzweck des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie darin, den Steuerpflichtigen von Nichtsteuerpflichtigen für Zwecke des Mehrwertsteuerrechts abzugrenzen. Während z.B. der Besteller eines Erbbaurechts an einem Grundstücks grundsätzlich VerbraucherversorgeT und somit Steuerpflichtiger ist, übt der Sparer durch seinen Konsumverzicht eine typische Endverbrauchertätigkeit aus: 376 Anstatt das Einkommen für den Konsum zu verbrauchen, verzichtet der Sparer auf den Verbrauch. Die Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer will den Verbrauch des erzielten oder entstandenen Einkommens für Konsumzwecke steuerlich belasten, nicht aber das Sparen des Verbrauchers.377 Somit ist das Sparen des Verbrauchers keine wirtschaftliche Tätigkeit. Durch Sparen wird der Nichtunternehmer nicht zum Untemehmer. 378 Sparen ist eine rein private Vermögensverwaltung des Endverbrauchers, die jedoch unter den zu weiten Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit fällt und so den Sparer bei wörtlicher Anwendung des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie zum Steuerpflichtigen macht. Die Steuerpflichtigeneigenschaft des Sparers widerspricht jedoch dem System und dem Normzweck des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. 373 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre (Studienausgabe), 1995, S. 210 f.; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 391 f.; Schwacke, Juristische Methodik, 1995, S. 88 f. 374 Siehe oben, S. 3 ff. 375 Siehe oben, S. 23. 376 So für§ 2 UStG: Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 4, Rdnr. 44. 377 Vgl. Söhn, StuW 1975, 164 (166); kritisch zu dieser Argumentation: Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 80. 378 Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, 1998, § 4, Rdnr. 44; im Ergebnis ebenso: Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 83. Anders: Stadie, in: Rau!DUrrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 235.

147

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Dies spricht dafür, den Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie teleologisch dahin gehend zu beschränken, dass die nachhaltige Nutzung von Kapital gegen Zinsen nicht unter den Begriff der "Nutzung von [... ] Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" fällt, da die Spartätigkeit eine typische Endverbrauchertätigkeit ist. 379 Fraglich ist jedoch, ob eine teleologische Reduktion vorliegend zulässig ist. Eine Unzulässigkeit der teleologischen Reduktion kann sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn ein vorrangiges Interesse an Rechtssicherheit die strikte Einhaltung der eindeutigen Norm verlangt. 380 So wird angeführt, die Rechtssicherheit würde erschüttert, wenn Normen oder Teile von Normen wegen einer Veränderung der Verhältnisse nicht mehr angewendet würden. 381 Ferner wird darauf verwiesen, dass bestimmte Normen ihrer Natur nach der teleologischen Reduktion unzugänglich sind. Hierzu gehören strikte Ordnungsvorschriften, wie Frist- und Formvorschriften, die der Rechtssicherheit dienen. 382 Schließlich wird für den strafrechtlichen Bereich, älmlich dem Analogieverbot, ein Verbot der teleologischen Reduktion für Privilegierungsvorschriften abgeleitet. 383 Vorliegend ist keines der angeführten Beispiele einschlägig. Die steuerrechtliehe Norm hat keinerlei strafrechtlich-privilegierenden Bezug und ist keine Ordnungsvorschrift, die der Rechtssicherheit dient. Auch fmdet die Reduktion nicht wegen einer Veränderung der Verhältnisse statt, vielmehr wurde der Tatbestand der wirtschaftlichen oder Unternehmerischen Tätigkeit auch bislang nicht auf die private Spar- und Anlagetätigkeit erstreckt. 384 Somit würde eine teleologische Reduktion nicht zur Rechtsunsicherheit führen. Folglich ist die teleologische Reduktion im vorliegenden Fall zulässig. Mithin ist der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie teleologisch zu reduzieren: Die Nutzung von Geld fällt nicht unter Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. Diese Tätigkeit ist nur wirtschaftlich, wenn sie 379 Ähnlich filr § 2 UStG: Jakob (Umsatzsteuer, 1998, § 4, Rdnr. 44), der jedoch von einer "verbrauchsteuerteleologischen Interpretation des Unternelm1erbegriffs" spricht. 380 Vgl. Larenz!Canaris, Methodenlehre (Studienausgabe), 1995, S. 211; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 392. 381 Vgl. Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, § 181. 382 Vgl. Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, § 184. 383 Vgl. Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, § 185. 384 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1996- Rs. C-306/94 (Regie dauphinoise), EuGHE 1996, I3695 (3722 f., Rdnr. 18); älmlich: EuGH, Urt. v. 20.6.1996- Rs. C-155/94 (We!lcome Trust), EuGHE 1996, I-3013 (3042 f., Rdnr. 36 f.).

148

Wirtschaftliche Tätigkeit

in den Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie fällt, also beruflich ausgeübt wird. 385

dd)

Zusammenfassung

Die wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie besteht aus zwei Elementen. Erstens ist die nicht berufliche Nutzung eines körperlichen oder nicht körperlichen Gegenstands erforderlich. Zweitens muss diese Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgen. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: 1.

Art. 4 der 6. EG-Richtlinie legt für die Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich fest. Der Begriff der "Nutzung" i.S. des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie bezieht sich auf alle Vorgänge ohne Rücksicht auf die Rechtsform, die darauf abzielen, aus dem betroffenen Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen.

2.

Unter dem Begriff der "Nutzung" i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie sind Nutzungsüberlassungen zu verstehen. In erster Linie fallen unter diese Vorschrift Dauerschuldverhältnisse wie Miet- und Pachtverträge, Erbbaurechtsverträge, Lizenzverträge u.ä.

3.

Der bloße Erwerb, das Innehaben und die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, ohne dass - unbeschadet der Rechte als Aktionäre oder Gesellschafter - in die Verwaltung der Gesellschaft eingegriffen wird, stellt keine "Nutzung" eines Gegenstands i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie dar. Eine "Nutzung" erfordert eine Nutzungsüberlassung, während eine etwaige Dividende als Ergebnis einer Beteiligung Ausfluss der bloßen Innehabung des Gegenstands ist. Auch durch das Eingreifen in die Verwaltung der Gesellschaft nutzt der Handelnde seinen Anteil nicht i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. Eine wirtschaftliche Tätigkeit kann jedoch nach den Bestimmungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie vorliegen.

4.

Der Besitz von Schuldverschreibungen und anderen Effekten ist so zu behandeln wie der Besitz von Anteilen. Die aus Schuldverschreibungen erzielten Einkünfte ergeben sich aus deren bloßem Besitz, der einen Anspruch auf Zinszahlung verleiht. Da Schuldverschreibungen regelmäßig keine Rechte verleihen, in die Verwaltung der

385 Ähnlich: Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 62 f. für die Österreichische Umsatzsteuer.

149

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Gesellschaften einzugreifen, ist der Besitz von Schuldverschreibungen in der Regel keine wirtschaftliche Tätigkeit. 5.

Unter dem Begriff der ,,nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" ist eine auf Dauer berechnete, fortgesetzte Einnahmenerzielung verstehen. Der Nutzende, der den Vorsteuerabzug begehrt, muss die Voraussetzungen der "Nachhaltigkeit" nachweisen.

6.

Bei langfristigen Dauerschuldverhältnissen wie unbefristeten Mietund Pachtverträgen, Lizenzverträgen und Erbbaurechtsverträgen ist der Nachweis der Nachhaltigkeil leicht zu erbringen, da eine Dauernutzung zweifellos ,,nachhaltig" ist.

7.

Die nachhaltige Überlassung von Kapital gegen Zinsen fallt wörtlich betrachtet unter Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. Da Sparen jedoch eine typische Endverbrauchertätigkeit ist, ist der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass Kapitalnutzungen nicht unter die Norm zu fassen sind. Nutzungen von Kapital gegen Entgelt begründen somit nur dann die Steuerpflichtigeneigenschaft, wenn sie beruflich ausgeübt werden und nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie eine "wirtschaftliche Tätigkeit" darstellen.

d)

Gelegentliche Leistungserbringung (Art. 4 Abs. 3 der 6. EGRichtlinie)

Nach Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie können die Mitgliedstaaten auch solche Personen als Steuerpflichtige behandeln, die gelegentlich eine der in Absatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben, insbesondere solche, die Lieferungen von Gebäuden und Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Boden bzw. Lieferungen von Baugrundstücken erbringen. In zwei Urteilen hat sich der EuGH bislang zur Auslegung der Begriffe "Gebäude und Gebäudeteile und dem dazugehörigen Boden" und "Baugrundstücke" geäußert Die deutsche Literatur hat sich mit der Auslegung der Vorschrift kaum beschäftigt.

aa)

Rechtsprechung

Zur Auslegung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie äußerte sich der EuGH in den Rechtssachen "Kerrut" und "Gemeente Emmen".

150

Wirtschaftliche Tätigkeit

(1)

EuGH, Urt. v. 8.7.1986- Rs. 73/85- "Kerrut"

In dem BuGH-Urteil in der Rechtssache "Hans-Dieter und Ute Kerrut gegen Finanzamt Mönchengladbach-Mitte"386 führte der EuGH zu Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie aus, der Begriff "Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden" erfordere, dass die der Errichtung des Gebäudes dienenden Lieferungen und DienstIeistungen zusammen mit dem Grundstücksgeschäft als einheitliches Immobiliengeschäft anzusehen seien. Die Wendung "Lieferung von Gebäuden[ ... ] und dem dazugehörigen Grund und Boden" zeige, dass von einem einheitlichen Geschäft nur gesprochen werden könne, wenn beide Arten von Lieferungsgegenständen, nämlich das Gebäude und der Grund und Boden, kaufrechtlich Gegenstand ein und derselben Lieferung im Sinne eines bebauten Grundstücks seien. 387

(2)

EuGH, Urt. v. 28.3.1996 - Rs. C-368/93 - "Gemeente Emmen"

In dem Urteil "Gemeente Emmen gegen Belastingdienst Grote Ondememingen"388 legte der Gerichtshof dar, es obliege den Mitgliedstaaten, den Begriff "Baugrundstücke" i.S.v. Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie zu bestimmen. Es sei folglich nicht Sache des EuGH, den Erschließungsgrad festzulegen, den ein unbebautes Grundstück aufweisen müsse, um als Baugrundstück i.S. der 6. EG-Richtlinie eingestuft werden zu können. 389

(3)

Zusammenfassung

Die vom EuGH getroffenen Aussagen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1.

Unter dem Begriff "Lieferung von Gebäuden [... ] und dem dazugehörigen Grund und Boden" i.S.v. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der 6. EGRichtlinie ist die Lieferung bebauter Grundstücke zu verstehen.

2.

Es ist Sache der Mitgliedstaaten, den Begriff "Baugrundstücke" i.S.v. Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie zu bestimmen.

386 EuGH, Urt. v. 8.7.1986- Rs. 73/85 (Kerrut), EuGHE 1986, 2219. 387 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.7.1986- Rs. 73/85 (Kerrut), EuGHE 1986, 2219 (2237, Rdnr. 12 f.); Hervorhebung nicht im Original. 388 EuGH, Urt. v. 28.3.1996- Rs. C-468/93 (Gemeente Emmen), EuGHE 1996, I-1721. 389 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.3.1996- Rs. C-468/93 (Gemeente Emmen), EuGHE 1996, I1721 (1757, Rdnr. 26).

151

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

bb)

Literatur

Die zu den BuGH-Urteilen erschienenen Urteilsanmerkungen stimmen dem EuGH zu? 90 Es wird jedoch festgestellt, dass das EuGH-Urteil in der Rechtssache "Gemeente Emmen" derzeit im deutschen Umsatzsteuenecht keinen Anwendungsbereich hat. 391 Es wird darauf hingewiesen, die Ermächtigung in Absatz 3, auch solche Personen als Steuerpflichtige zu behandeln, die gelegentlich eine der in Absatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben, sei vornehmlich im Interesse Frankreichs aufgenommen worden, welches seit jeher die gelegentliche Lieferung von Neubauten und Baugrundstücken besteuere. 392 Entgegen dem Wortlaut könne sich die Regelung jedoch nur auf Absatz 2 Satz 1, nämlich auf die dort genannten Tätigkeiten, beziehen. 393 Die heutige Fassung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie unterscheide sich vom Kommissionsentwurf394 : Im Entwurf seien die gelegentlichen Umsätze vor allem von Neubauten und Baugrundstücken zwingend zu besteuern gewesen. 395

cc)

Stellungnahme und Zusannnenfassung

Sowohl die genannten Urteile als auch die Literaturansichten treffen den Kern des Art. 4 Abs. 3. Die Mitgliedstaaten haben das Wahlrecht, Personen, die gelegentliche Umsätze erbringen, insbesondere die Lieferung von "Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden" bzw. "Baugrundstücken", als Steuerpflichtige zu behandeln. Der Verweis auf die in Absatz 2 genannten Tätigkeiten bezieht sich lediglich auf Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie. Wie oben dargelegt, bezieht sich der Begriff der Nachhaltigkeit in Satz 2 lediglich auf die Einnahmenerzielung, während Absatz 2 Satz 1 eine regelmäßige Leistungserbringung erfordert. 396 Auch die beispielhaft genannten Lieferungen in Absatz 3 würden - sofern beruflich ausgeübt - sicherlich unter Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie fallen. Daher ist unter dem Verweis in Absatz 3 eine Verweisung auf Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie zu verstehen. Unter dem Begriff "Gebäuden und dem dazugehörigen Grund und Boden" sind bebaute Grundstücke zu verstehen. Der Inhalt des Begriffs "Bau390 391 392 393

Vgl. WCL, BB 1996, 2129; Haunold!Tumpel!Widhalm, SWI 1996,284. Vgl. WCL, BB 1996, 2129. Vgl. Viegener, UR 1990, 329 (332). Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 41; Probst, DStJG 13 (1990), 137 (149). 394 Vgl. zur Regelung im Kommissionsentwurf Söhn, StuW 1976, 1 (6 ff.). 395 Vgl. Probst, DStJG 13 (1990), 137 (147 f.). 396 Siehe oben, S. 115 f., 144 f.

152

Wirtschaftliche Tätigkeit

grundstücke" beurteilt sich nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie nach den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten. Eine autonom europarechtliche Defmition existiert nicht.

e)

Typusbegriff der wirtschaftlichen Tätigkeit?

Uneinheitlich wird in Rechtsprechung und Literatur die Frage beantwortet, ob der "Steuerpflichtige" von Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie typologisch oder abstrakt bestimmt wird, ob also der Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" ein Typusbegriff oder ein abstrakter Rechtsbegriff ist. Die Qualifizierung des Begriffs entscheidet über das Prüfungsverfahren, durch welches im Einzelfall festzustellen ist, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. In Grenzfällen kann eine unterschiedliche Methode zu unterschiedlichen materiell-rechtlichen Ergebnissen führen. Zur Klärung der Problematik sind zunächst einmal die Charakteristika dieser Termini darzustellen. Im Anschluss daran sind die in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten herauszuarbeiten, um schließlich die aufgeworfene Frage abschließend zu klären.

aa)

Charakteristika des abstrakten Begriffs und des Typusbegriffs

Ein abstrakter (klassifikatorischer) Begriff wird defmiert durch die erschöpfende Aufzählung seiner unabdingbaren Merkmale. Er ist auf einen konkreten Vorgang oder Sachverhalt somit "nur dann und immer dann" anzuwenden, wenn in ihm sämtliche Merkmale der Defmition gegeben sind. 397 Im Gegensatz zum abstrakten Begriff ist der Typusbegriff offen. Die in der Beschreibung des Typus angegebenen Merkmale oder doch einige von ilmen brauchen nicht sämtlich vorzuliegen; sie können insbesondere in unterschiedlichem Maße gegeben sein. Sie sind häufig abstufbar und bis zu einem gewissen Grade gegeneinander austauschbar. Für sich alleine genommen, haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Entscheidend ist erst ihre jeweilige Verbindung in der konkreten Entscheidung. Ob ein bestimmter Sachverhalt dem Typus zuzuordnen ist oder nicht, kann also nicht allein danach entschieden werden, ob er alle in ihm gewöhnlich anzutreffenden Merkmale enthält. Vielmehr kommt es darauf an, ob die als "typisch" angesehenen Merkmale in solcher Zahl und Stärke vorhanden sind, dass der Sachverhalt "im Ganzen" dem Entscheidungsbild des Typus ent397 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 271; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 5, Rdnr. 45; Larenz/Canaris, Methodenlehre (Studienausgabe), 1995, S. 42; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 221;Giesberts, UR 1993, 279.

153

Tatigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

spricht. Der Typus wird nicht definiert, sondern beschrieben. Unter die Typenbeschreibung kann man nicht subsumieren, man kann aber mit ihrer Hilfe beurteilen, ob eine Erscheinung dem Typus zugeordnet werden kann oder nicht.39s Der "Typus" und der "abstrakte Begriff' sind jedoch keine starren Gegensätze, sondern lassen wiederum Übergänge zu. So kann ein durch als abschließend gedachte Merkmale definierter Begriff ein Merkmal enthalten, das seinerseits in der Weise eines Typus offen ist. Auf der anderen Seite kann ein Typus durch die Festlegung einiger unverzichtbarer Merkmale (neben anderen, die nur symptomatisch sind) einem abstrakten Begriff angenähert werden. 399

bb)

Rechtsprechung

In der ,,Enkler"-Entscheidung hatte der EuGH die Frage zu beantworten, ob die Abgrenzung der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. HG-Richtlinie von der privaten Betätigung nach bestimmten Merkmalen oder durch Vergleich mit typischen Formen entsprechender wirtschaftlicher Tätigkeit stattzufinden hat. 400

Der EuGH antwortete, der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutze, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt werde, könne eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden könne, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt werde. 401 Der EuGH hat sich mithin nicht eindeutig zu der Frage festlegen wollen, ob die "wirtschaftliche Tätigkeit" typologisch oder klassiflkatorisch zu bestimmen ist. 402

398 Vgl. Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 101 ff.; Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 271; Pawlowski, Methodenlehre, 1999, § 5, Rdnr. 146 ff.; Lang, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 5, Rdnr. 45; Larenz/Canaris, Methodenlehre (Studienausgabe), 1995, S. 42; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 221; Giesberts, UR 1993,279 f.; Offerhaus, UR 1991, 279. 399 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre (Studienausgabe), 1995, S. 44; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 223. 400 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4543, Rdnr. 18). 401 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, 1-4517 (4546, Rdnr. 28), Hervorhebung nicht im Original. 402 So auch Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1/97,79 (80).

154

Wirtschaftliche Tätigkeit

cc)

Literatur

Das Schrifttum beurteilt die Frage, ob Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie einen Typusbegriff enthält, uneinheitlich. Ein Teil der Literatur verneint einen Typusbegriff. 403 Der Begriff des Steuerpflichtigen der 6. EG-Richtlinie stelle nicht auf bestimmte typische Tätigkeitsformen ab, sondern sei durch die Tatbestandsmerkmale "Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen", "Selbständigkeit" und "Nachhaltigkeit" geprägt. Für die Bestimmung der Unternehmereigenschaft seien diese Merkmale zu prüfen, ein bloßer Vergleich der ausgeübten Tätigkeit mit bestimmten typischen Tätigkeitsformen reiche nicht aus. 404 Die ganz herrschende Ansicht in der Literatur nimmt demgegenüber an, dass Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie die wirtschaftliche Tätigkeit mit Typusbegriffen umschreibt. 405 Art. 4 Abs. 2 verwende überhaupt keine abstrakten Tatbestandsmerkmale, sondern mit den Begriffen "Erzeuger", "Händler", "Dienstleister" lediglich Typusbegriffe. 406 Es sei auch nicht davon auszugehen, dass Art. 4 Abs. 2 von einem allgemeinen abstrakten Unternehmerbegriff ausgehe, der lediglich beispielhaft erläutert werde. 407 Der typologischen Beschreibung seien die konkret zu beurteilenden Tätigkeiten im Wege des Ähnlichkeitsvergleichs wertend zuzuordnen. 408

dd)

Stellungnahme

Der EuGH ist in seinen Ausführung zur Frage, ob Art. 4 der 6. EGRichtlinie die wirtschaftliche Tätigkeit typologisch umschreibt, nicht eindeutig. So ist seinen Aussagen in der Rechtssache "Enkler" keine Klärung zu entnehmen: Hier hatte er ausgeführt, die Beurteilung, ob eine Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG403 Vgl. Georgy, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 2 Abs. I, Rdnr. 13; Mößlang, UR 1994, 10 (17). 404 Vgl. Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 13 ff. 405 Vgl. Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 106; Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 115 f.; Birkenfeld, OSt-Handbuch, § 24, Rdnr. 52; Stadie, in Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 47; Birkenfeld, DStR 1994, 81 (83); Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (7, FN 62); Menner, Umsatzsteuerharmonisierung, 1992, S. 105, 108; Dziadkowski, UVR 1990, 195 (197); Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, S. 43. 406 Vgl. Dziadkowski, UVR 1990, 195 (197); Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, S. 43. 407 Vgl. Dziadkowski, UVR 1990, 195 (197). 408 Vgl. Birkenfeld, OSt-Handbuch, § 24, Rdnr. 52; Stadie, in Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 47.

155

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

Richtlinie ausgeübt werde, könne u.a. durch einen Vergleich mit den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, vorgenommen werden. 409 Der EuGH bezieht seine Aussagen also nur auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie; dort hält er einen Typenvergleich für denkbar. Keine Aussagen trifft der Gerichtshof jedoch diesbezüglich zu Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie. Somit ist anhand der o.a. Charakteristika410 zu klären, ob die in der Literatur herrschende Auffassung, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie typologisch umschrieben wird, zutreffend ist. Hierzu ist zwischen den verschiedenen Tatbeständen des Art. 4 Abs. 2 der 6. EGRichtlinie411 zu differenzieren: Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie sind wirtschaftliche Tätigkeiten "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden, einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe". Dieser Satz enthält keine abstrakten Merkmale, unter welche im Einzelfall ein Sachverhalt subsumiert werden könnte. Vielmehr wird die wirtschaftliche Tätigkeit mit verschiedenen Berufen beschrieben. Die Bestimmung der beruflichen Tätigkeit erfolgt anhand des unverzichtbaren Kriteriums der "Regelmäßigkeit der Leistungserbringung". Dieses Kriterium ist jedoch alleine nicht ausreichend, um die wirtschaftliche Tätigkeit abschließend zu beschreiben. Darüber hinaus ist anhand der Merkmale "Planmäßigkeit", "Gewinnerzielungsabsicht", "Dauer", "Marktbeteiligung", "Unterhalten eines Geschäftsbetriebs", "Umfang, Intensität und Gewicht der Tätigkeit" und "keine Tätigkeit eines Privatmanns" eine abschließende Wertung vorzunehmen, ob die regelmäßige Tätigkeit im Einzelfall auch beruflich ausgeübt wird und so eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie vorliegt. Diese Merkmale brauchen jedoch nicht sämtlich vorzuliegen. Vielmehr erfolgt anband dieser Kriterien eine wertende Betrachtung, ob eine berufliche Tätigkeit vorliegt und die Tätigkeit mit den in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 genannten Berufen bzw. mit einer privat ausgeübten Tätigkeit vergleichbar ist. Anhand der Merkmale ist ein Typenvergleich anzustellen.

409 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517 (4546, Rdnr. 28). 410 Siehe oben, S. 153. 411 Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie umschreibt nicht den Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit", sondern eröffnet den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben, als Steuerpflichtige zu behandeln.

156

Wirtschaftliche Tätigkeit

Somit wird die (berufliche) wirtschaftliche Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie typologisch umschrieben. Dieser Typus enthält als unverzichtbares Merkmal die "Regelmäßigkeit der Leistungserbringung". Anders umschreibt Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie die wirtschaftliche Tätigkeit. Nach dieser Vorschrift gilt als wirtschaftliche Tätigkeit eine Leistung, die die Nutzung von Gegenständen zur nachhaltigen Einnahmenerzielung umfasst. Satz 2 nennt keinen typischen Nutzungsüberlasser. Der Begriff setzt sich also aus der "Nutzung" und der "nachhaltigen Einnahmenerzielung" zusammen. Diese Termini sind wiederum abschließend zu bestimmen. Unter die Merkmale lässt sich ein Tatbestand subsumieren. Smnit wird die wirtschaftliche Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EGRichtlinie durch einen klassifikatorischen Begriff definiert. Eine Person ist ,,nur dann und immer dann" wirtschaftlich tätig i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie, wenn sie Leistungen erbringt, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen. Der Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" in Satz 2 ist somit durch die erschöpfende Aufzählung seiner unabdingbaren Merkmale definiert. Die Ansicht des EuGH in der Rechtssache "Enkler"412 , die "nachhaltige Einnahmenerzielung" könne auch typologisch bestimmt werden, ist unzutreffend. Der EuGH ninnnt inhaltlich eine vergleichende Wertung vor, ob eine berufliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie gegeben ist. Dies wäre jedoch überzeugender, wenn der EuGH, wie hier vertreten, die (gewerbliche) Vermietungstätigkeit von vomherein an Satz 1 prüfen würde. Folglich wird die (nicht berufliche) wirtschaftliche Tätigkeit von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie klassifikatorisch definiert. 413

ee)

Zusammenfassung

Steuerpflichtiger ist derjenige, der unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt. Diese wirtschaftliche Tätigkeit wird durch zwei unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Tatbestände umschrieben. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie beschreibt die berufliche Tätigkeit durch Typusbegriffe, während Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie eine klassifikatorische Definition der nicht beruflich ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit enthält.

412 EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517; siehe oben, s. 123 ff. 413 Älmlich: Klose, Unternehmerund Steuerpt1ichtiger, 2000, S. 115 f.

157

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

II.

Die deutsche Umsetzung

1.

§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG

Nach§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, "wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt". "Gewerblich oder beruflich" ist gern. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ,jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird".

2.

Auslegung

Um der in § 2 Abs. 1 UStG umschriebenen unternehmerischen Tätigkeit Konturen zu verleihen, ist- ähnlich wie auf der Ebene der 6. EG-Richtliniedas Verhältnis der Sätze 1 und 3 des § 2 Abs. 1 UStG zu klären. Hierbei stellt sich die Frage, ob die "gewerbliche oder berufliche" Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG eine eigenständige Bedeutung hat. Die Beantwortung dieser Frage ist entscheidend für die weitere Auslegung des § 2 Abs. 1 UStG, insbesondere hinsichtlich des Kriteriums der "Nachhaltigkeit". Im Anschluss daran sind die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 UStG zu interpretieren.

a)

Verhältnis von § 2 Abs. 1 Satz 1 zu § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG

Die Frage, ob die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG erwähnte "gewerbliche oder berufliche Tätigkeit" durch ,jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" abschließend definiert wird oder, ob der "gewerblichen oder beruflichen" Tätigkeit gegenüber der in Satz 3 erwähnten ,,nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" eine selbständige Bedeutung zukommt, wird von Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Die Klärung des Verhältnisses beider Sätze ist entscheidend für die weitere Auslegung des § 2 Abs. 1 UStG: Wenn man davon ausgeht, dass die "gewerbliche oder berufliche Tätigkeit" keinen eigenständigen Inhalt hat, führt dies dazu, dass die unternehmerische von der Dichtunternehmerischen Tätigkeit vorwiegend anband des Merkmals der "Nachhaltigkeit" abzugrenzen ist. 414

aa)

Rechtsprechung und Literatur

Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die Begriffe "gewerblich oder beruflich" in Satz 1 überflüssig sind, da sie durch die Definition des Satzes 3 ersetzt werden. Demzufolge könne man die Sätze 1 und 3 zusam414 Vgl. Goertzen, DStR 1996, 164 (165).

158

Wirtschaftliche Tätigkeit

mengefasst folgendermaßen lesen: "Unternehmer ist, wer eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen selbständig ausübt [... ].' 6415 Das Tatbestandsmerkmal "gewerblich oder beruflich" habe keine eigenständige Bedeutung und sei bloß historisch zu erklären. 416 Der entgegengesetzten Ansicht zufolge hat § 2 Abs. 1 Satz 1 gegenüber § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG eine selbständige Bedeutung. 417 Der Gesetzgeber habe mit den Begriffen "gewerblich oder beruflich" eine Wertung vorgenommen, die nicht einfach beiseite geschoben werden dürfe. Diese Ansicht wird mit dem Wortlaut des § 2 UStG begründet: Das Begriffspaar "gewerblich oder beruflich" werde durchgehend in allen Absätzen des § 2 UStG verwendet. Daneben wird angeführt, der Gesetzgeber habe das Begriffspaar auch 1934 bei der Einführung des dritten Satzes beibehalten und auch später nicht herausgenommen.418

bb)

Stellungnahme

Da die genannten Ansichten zu entgegengesetzten Ergebnissen kommen, ist zu entscheiden, wie das Verhältnis der Sätze des § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen ist. Für die herrschende Ansicht spricht zunächst einmal der Wortlaut der Norm. Es scheint logisch, dass die in Satz 1 verwendeten Begriffe "gewerblich oder beruflich" durch Satz 3 als ,,nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" definiert werden. Dem hält STADIE jedoch mit einer gewissen Berechtigung entgegen, die genannten Begriffe würden im allgemeinen Sprachgebrauch und im übrigen Bereich des Rechts mit übereinstimmenden Inhalt verwendet. Der Gesetzgeber, der von einem solchen Inhalt abweichen 415 Vgl. BFH, Urt. v. 13.4.1961 -V 94/59, HFR 1961, 262 (263); Urt. v. 12.4.1962- V 21/60 U, BStBl. 1962 III, 262 (263); Urt. v. 30.10.1962- V 90/60, HFR 1963, 188; Scharpenberg, in: Hartmann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 148; Georgy, in: Plückebaurn!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 172 f.; Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 43; Goertzen, DStR 1996, 164 (165); Lechner, DStJG 13 (1990), 39 (41); Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, 1988, S. 91 ff.; Geist, UStKongrBer 1985,75 (80). 416 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 43; Lechner, DStJG 13 (1990), 39 (41); Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, 1988, S. 91 f. 417 Vgl. Stadie, in: Rau/Dtlrrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 266; Schmidt-Liebig, StuW 1978, 137 (139); Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 43. Ähnlich Brezing [UStKongrBer 1982/83, 25 (39)], der ausführt, ein anderes Verständnis würde dem Gesetzgeber unterstellen, "daß er die Worte ,gewerbliche oder bernfliche Tätigkeit' aus Jux gebraucht hat". 418 Vgl. Stadie, in: Rau/Dtlrrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 267.

159

Tätigkeit des Umsatzsteuerpf1ichtigen

wolle, füge entweder den Zusatz "im Sinne dieses Gesetzes" an oder arbeite mit einer Fiktion ("als [... ] gilt [... ]").419 Darüber hinaus trifft es zu, dass der Gesetzgeber in § 2 UStG und auch in anderen Normen (§ 3a Abs. 4 Nr. 9 und § 16 Abs. 3 UStG) durchgängig das Begriffspaar "gewerblich oder beruflich" verwendet, was darauf hindeutet, dass diese Begriffe eine eigenständige Bedeutung haben. 420 Eine zweifelsfreie Entscheidung lässt sich jedoch durch grammatikalische Auslegung des § 2 UStG nicht gewinnen. Daher ist der Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 UStG zu richten. Der heutige § 2 Abs. 1 UStG und damit der Unternehmerbegriff wurde 1934 in das UStG eingeführt. Die sachliche Steuerpflicht wurde von der persönlichen getrennt: In § 1 UStG 1934 wurden die Voraussetzungen steuerbarer Umsätze dargelegt, § 2 UStG 1934 enthielt die Definition des Unternehmerbegriffs. 421 Die Gesetzesbegründung zu§ 2 Abs. 1 UStG 1934lautet wie folgt: "Die Wortfassung erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte. Sie ist beibehalten worden, weil die gewerbliche Tätigkeit den hauptsächlichsten Gegenstand der Besteuerung bildet. Die besondere Erwähnung der beruflichen Tätigkeit weist darauf hin, daß die in Betracht kommende Tätigkeit weiter reicht als die gewerbliche Tätigkeit im Sinn des allgemeinen Sprachgebrauchs. Im übrigen läßt Satz 3 keinen Zweifel, daß jede Art von Tätigkeit Unternehmertätigkeit sein kann. "422 Die Gesetzesbegründung spricht somit für folgende Deutung: Satz 1 stellt klar, dass die häufigste unternehmerische Tätigkeit die gewerbliche ist. Dieser Tatbestand ist jedoch weit auszulegen und geht über die "gewerbliche" Tätigkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs hinaus, indem er auch die (nicht gewerbliche) berufliche Tätigkeit umfasst. Satz 1 beinhaltet also beruflich ausgeübte Tätigkeiten 423 : gewerbliche und nicht gewerbliche Tätigkeiten i.S. des allgemeinen Sprachgebrauchs. Demgegenüber wird in Satz 3 als Zusatzargument ("Im übrigen [... ]") klargestellt, dass (über die berufliche Tätigkeit hinaus) jede (andere) Tätigkeit auch unternehmerisch sein kann, wenn sie

419 420 421 422

Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 266. Vgl. Stadie, in: Rau!Dtirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 266. Siehe oben, S. 14. Vgl. Amtliche Begrundung zu § 2 UStG 1934, RStBL 1934, 1550. Hervorhebung nicht im Original. 423 Ähnlich Ruppe [(österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 43], der von "jeder Art selbständigen Erwerbs" spricht.

160

Wirtschaftliche Tätigkeit

nachhaltig und zur Einnahmenerzielung ausgeübt wird. 424 Es werden also auch Tätigkeiten einbezogen, die zwar selbständig ausgeübt, aber von der Verkehrsauffassung nicht als gewerblich oder beruflich eingestuft werden, insbesondere die nachhaltige Vermögensverwaltung durch Vermietung und Verpachtung. 425 Für ein solches Verständnis spricht auch die richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 UStG: Ebenso wie Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie nach der hier vertretenen Auffassung in den Sätzen 1 und 2 zwischen der beruflich ausgeübten Tätigkeit und der privat ausgeübten trennt, die unter bestimmten Voraussetzungen eine "wirtschaftliche Tätigkeit" ist426 , lassen sich die Sätze 1 und 3 des § 2 Abs. 1 UStG trennen: Satz 1 beschreibt mit dem Begriffspaar "gewerblich oder beruflich" beruflich ausgeübte Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten ergänzt Satz 3, der ausführt, jede Tätigkeit sei "gewerblich oder beruflich", die nachhaltig zur Einnahmenerzielung ausgeübt werde. Nach diesem Verständnis hat Satz 3 nur seinen Sinn, wenn er Tätigkeiten erfasst, die nicht bereits von Satz 1 erfasst sind. Folglich erwähnt Satz 3 nicht berufliche Tätigkeiten. Somit hat das Begriffspaar "gewerblich oder beruflich" eine eigenständige Bedeutung. Im Unterschied zu Satz 3 erfasst Satz 1 beruflich ausgeübte Tätigkeiten. Satz 3 erweitert diesen Anwendungsbereich auf nicht berufliche Tätigkeiten, die nachhaltig zur Einnahmenerzielung ausgeübt werden. Demzufolge ist § 2 Abs. 1 wie folgt zu lesen: "Unternehmer ist, wer gewerblich oder beruflich selbständig tätig ist. [... ] Als gewerblich oder beruflich gilt auch jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen[ ... ]". cc)

Zusammenfassung

§ 2 Abs. 1 Satz 1 hat gegenüber § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG eine eigenständige Bedeutung. Satz 3 definiert die "gewerbliche oder berufliche Tätigkeit" nicht abschließend. Vielmehr behandeln beide Sätze unterschiedliche Arten der unternehmerischen Tätigkeit. Satz 1 erklärt beruflich ausgeübte Tätigkeiten zu unternehmerischen, sofern sie selbständig ausgeübt werden. Nach Satz 3 werden auch nicht berufliche Tätigkeiten den beruflichen gleichgestellt, wenn sie nachhaltig zur Einnahmenerzielung ausgeübt werden.

424 So auch Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (6). 425 So auch Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 43. A.A. Walden (Die U~matz­ steuer als indirekte Verbrauchsteuer, 1988, S. 93), der die entgegengesetzte Ansicht mit der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 UStG stützt. 426 Siehe oben, S. 104.

161

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Folglich sind die unterschiedlichen Tatbestände des § 2 Abs. 1 UStG getrennt auszulegen.

b)

Unternehmerische Tätigkeit

Die vorwiegend interessierende Frage zur Bestimmung der Unternehmereigenschaft des UStG lautet: Welche Tätigkeiten sind unternehmerisch? Wie ist der Inhalt des § 2 Abs. 1 UStG zu bestimmen? Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu erläutern, wie der Terminus "Tätigkeit" auszulegen ist und, ob zwischen der "gewerblichen" oder "beruflichen" Tätigkeit ein Unterschied besteht, bzw. aus welchem Grund § 2 Abs. 1 UStG die unternehmefische Tätigkeit auf diese Weise beschreibt. Im Anschluss erfolgt eine Darstellung der Rechtsansichten zur unternehmefischen Tätigkeit. Da diese Auffassungen regelmäßig nicht zwischen den Tatbeständen des§ 2 Abs. 1 UStG, die nach dem hier vertretenen Standpunkt zu trennen sind, unterscheiden, erfolgt eine undifferenzierte Darstellung der Ansichten zur Unternehmerischen Tätigkeit, um anschließend getrennt zu den Tatbeständen des § 2 Abs. 1 UStG Stellung zu nehmen.

aa)

"Tätigkeit"

Beide Tatbestände des § 2 Abs. 1 UStG erfordern eine "Tätigkeit". Dies deutet zunächst einmal darauf hin, dass der Unternehmer aktiv tätig sein muss. Da das Ziel der Umsatzsteuer jedoch die Belastung des Endverbrauchers ist, ist es allgemeine Ansicht, dass der Begriff der Tätigkeit über das aktive Verhalten hinaus jedes Verhalten erfasst, das anderen einen verbrauchbaren wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Der Begriff der Tätigkeit müsse deshalb entsprechend dem Leistungsbegriff des § 3 Abs. 9 UStG in einem weiten Sinn verstanden werden und neben einem aktiven Verhalten auch solches Verhalten erfassen, das lediglich ein dauerndes Dulden einer Handlung oder eines Zustandes oder ein Unterlassen darstellt. 427 Unter dem Begriff "Tätigkeit" ist also eine Leistungstätigkeit zu verstehen.

bb)

Bedeutung der Differenzierung zwischen "gewerblicher" und "beruflicher" Tätigkeit

Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Handelnde nur Unternehmer, wenn er "gewerblich" oder "beruflich" tätig ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Begriffspaar "gewerblich oder be427 Vgl. Stadie, in: Rau/Dlirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 169; Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2, Rdnr. 112; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 46.

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Wirtschaftliche Tätigkeit

ruflich" getrennt auszulegen ist. Zur Klärung dieser Problems ist erneut die Entstehungsgeschichte dieser Fassung zu betrachten. Wie erläutert enthielt das UStG 1918 nicht den Begriff des Unternehmers, sondern erstreckte die Steuerpflicht in§ 1 Abs. 1 Satz 1 UStG 1918 auf Lieferungen und Leistungen "solcher Personen, die eine selbständige gewerbliche Tätigkeit [... ] ausüben [... ]". Die im Entwurf enthaltene Wendung "geschäftliche oder berufliche Tätigkeit" wurde durch den Begriff "gewerblich" ersetzt, um die freien Berufe von der Besteuerung auszunehmen. Dies wurde im UStG 1919 geändert. Der "gewerblichen Tätigkeit" wurde die "berufliche" hinzugefügt, um die Umsatzsteuerpflicht auch auf die freien Berufe zu erstrecken. Die Beibehaltung dieser Wendung im UStG 1934 sollte verdeutlichen, dass die unternehmerische Tätigkeit weiter zu verstehen ist als die gewerbliche Tätigkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs. 428 Folglich ist zur Auslegung § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht zwischen unterschiedlichen Tatbeständen der "gewerblichen" und "beruflichen" Tätigkeit zu differenzieren. 429 Das Begriffspaar "gewerblich oder beruflich" solllediglich verdeutlichen, dass die beruflich ausgeübte Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG weit auszulegen ist. Absatz 1 Satz 1 des § 2 UStG könnte ohne Siunverlust folgendermaßen formuliert werden: "Unternehmer ist, wer selbständig eine berufliche Tätigkeit ausübt." cc)

Bestimmung der unternehmerischen Tätigkeit

Wie jedoch ist der Begriff "gewerbliche oder berufliche Tätigkeit" inhaltlich auszulegen? Die Bestimmung der unternehmerischen Tätigkeit und somit die Abgrenzung des Unternehmers vom Nichtunternehmer ist ein Problem, das seit vielen Jahren Rechtsprechung und Literatur beschäftigt. Unabhängig von der Frage, ob § 2 Abs. 1 UStG unterschiedliche Tatbestände enthält, haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kriterien zur Bestimmung der Unternehmerischen Tätigkeit aufgestellt. Im Folgenden ist nach einer kurzen Skizzierung der Rechtsprechungsentwicklung (vor allem seit Einführung des Mehrwertsteuersystems) auf die gegenwärtig in der Literatur vertretenen Ansichten einzugehen.

(1)

Rechtsprechung

Vor dem Systemwechsel wurde der Unternehmerbegriff anband des Begriffs der Nachhaltigkeit vom RFH und ihm folgend vom BFH in einem weiten Sinne ausgelegt. Danach sollte Nachhaltigkeit schon dann anzunehmen sein, 428 Siehe oben, S. 14. 429 So auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 22.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

wenn tatsächlich mehrere Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses vorgenommen wurden430 , wenn einmalig eine Leistung in Wiederholungsabsicht ausgeführt wurde431 oder, wenn ein auf Einnahmenerzielung gerichteter Dauerzustand hergestellt wurde. 432 Darüber hinaus hat der BFH auch eine einmalige Leistung als nachhaltig betrachtet, "die in den gewerblichen Sektor fällt, also typisch gewerblich ist"433 . Diese Rechtsprechung änderte sich mit der Einführung des Mehrwertsteuersystems zum 1.1.1968, da neben der Umsatzsteuerpflicht für den Unternehmer das Recht zum Vorsteuerabzug hinzukam. Dies löste einen Drang von Steuerpflichtigen in den Unternehmerstatus aus. Die Rechtsprechung reagierte darauf, indem sie den Unternehmerbegriff zunehmend einengte. 434 Dazu wandte der BFH zunächst eine typologische Sichtweise an, indem er weniger auf das Merkmal "nachhaltig" abstellte und stattdessen vergleichende Betrachtungen anstellte. Der BFH prüfte, ob der Handelnde sich "regelmäßig und planmäßig (d.h. im Sinne eines auf gewisse Dauer angelegten Geschäftsbetriebs) am [... ] Markt wie ein Händler"435 beteiligte, ob "ein auf Marktbeteiligung ausgerichteter, auf gewisse Dauer angelegter Geschäftsbetrieb"436 vorhanden war, ob der Handelnde "durch geschäftsmäßigen An- und Verkauf[ ... ] wie ein Händler" 437 auftrat, ob eine "geschäftsmäßige Tätigkeit"438 vorlag oder, ob eine "Vergleichbarkeit mit Händlern"439 gegeben war. Der BFH bestimmte also die Unternehmerische Tätigkeit danach, ob der Handelnde "wie ein Händler" agierte. 430 Vgl. RFH, Urt. v. 17.10.1941 -V 121/41, RStBI. 1942, 13; Urt. v. 22.1.1943- V 23142, RStBI. 1943, 221; BFH, Urt. v. 3.6.1954- V 262/53 U, BStBI. 1954 III, 238; Urt. v. 30.10.1962- V 90/60, HFR 1962, 188. 431 Vgl. RFH, Urt. v. 17.10.1941 -V 121/41, RStBI. 1942, 13; Urt. v. 22.1.1943- V 23/42, RStBI. 1943, 221; BFH, Urt. v. 13.4.1961- V94/59, HFR 1961,262 (263). 432 Vgl. RFH, Urt. v. 27.4.1934- VA 90/34, RStBI. 1934, 796; Urt. v. 18.5.1934- VA 371/33, RStBI. 1934, 930 f.; Urt. v. 12.5.1939 -V 553/38, RStBI. 1939, 926; BFH, Urt. v. 13.4.1961- V 94/59, HFR 1961, 262 (263); Urt. v. 25.11.1965- V 177/63, HFR 1966, 94; Urt. v. 16.12.1971 -V R 41/68, BStBI. 1972 II, 238. 433 BFH, Urt. v. 10.5.1961 -V 50/59, HFR 1962, 45. 434 Siehe oben, S. 26. 435 BFH, Urt. v. 13.12.1984- V R 32/74, BStBI. 1985 II, 173 (176). 436 BFH, Urt. v. 30.7.1986- V R 41/76, BStBl. 1986 II, 874 (876). 437 BFH, Urt. v. 15.1.1987- V R 3/77, BStBI. 1987 II, 512 (515). 438 BFH, Urt. v. 4.6.1987 - V R 9/79, BStBI. 1987 II, 653 (654). Ähnlich BFH, Urt. v. 21.5.1987- V R 109/77, BStBI. 1987 II, 735 (737) "geschäftliche Betätigung". 439 BFH, Urt. v. 29.6.1987- X R 23/82, BStBI. 1987 II, 744 (746).

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Wirtschaftliche Tätigkeit

Seit der Entscheidung vom 18.7.1991 hat der BFH diese vergleichende Betrachtungsweise verlassen und stellt seitdem den Begriff der "Nachhaltigkeit'' zur Abgrenzung der untemehmerischen von der nichtuntemehmerischen Tätigkeit in den Vordergrund. 440 Im Vergleich zur Auslegung vor dem Systemwechsel hat der BFH dem Begriff jedoch einen anderen (eingeschränkten) Inhalt gegeben. Ausgehend von der gemeinsprachlichen Bedeutung des Adjektivs ,,nachhaltig" nimmt der BFH an, eine nachhaltige Tätigkeit sei als eine "auf Dauer angelegte Tätigkeit (im weitesten Sinne gewerbliche oder berufliche Tätigkeit)" zu verstehen. Zur Beurteilung, ob eine Tätigkeit "nachhaltig" sei, sei das "Gesamtbild der Verhältnisse" maßgebend. Hierzu hat der BFH eine Reihe von Kriterien entwickelt, die für oder gegen die Nachhaltigkeit einer Betätigung sprechen können. Da es auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankomme, könne nicht mit Rücksicht auf das Vorliegen eines dieser Merkmale das Vorhandensein einer nachhaltigen Tätigkeit im Einzelfall bejaht oder verneint werden. Es müssten vielmehr die für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abgewogen werden. 441 Als insbesondere in Betracht kommende Kriterien, die für die Nachhaltigkeit sprechen könnten, zählt der BFH folgende auf: mehrjährige Tätigkeit planmäßiges Handeln auf Wiederholung angelegte Tätigkeit Ausführung mehr als nur eines Umsatzes Vomahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis Intensität des Tätigwerdens Beteiligung am Markt Auftreten wie ein Händler Unterhalten eines Geschäftslokals 440 Vgl. BFH, Urt. v. 18.7.1991- V R 86/87, BStBI. 1991 II, 776 (777). 441 Vgl. BFH, Urt. v. 18.7.1991 -V R 86/87, BStBI. 1991 li, 776 f.; Urt. v. 13.2.1992- V R 112/87, BFH/NV 1993, 59; Urt. v. 24.11.1992 - V R 8/89, BStBI. 1993 II, 379 (380); Urt. V. 15.7.1993- V R 61189, BStBI. 1993 II, 810 (811); Urt. V. 26.8.1993- V R 20/91, BStBI. 1994 II, 54 (55 f.); Urt. v. 9.9.1993- V R 24/89, BStBI. 1994 II, 57 (58); Urt. V. 27.10.1993- XI R 86/90, BStBI. 1994 li, 274 (275); Urt. V. 16.6.1994V R 98/92, BFH/NV 1995, 740 (741); Urt. v. 12.12.1996 -V R 23/93, BStBI. 1997 II, 368 (370); Beschl. v. 15.3.2002- VB 137/01, BFH/NV 2002, 1503.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerptlichtigen

Auftreten gegenüber Behörden Ausbildung des Steuerpflichtigen Zahl der Kunden Zahl der Verkäufe und der verkauften Gegenstände Höhe der Einnahmen Verwertung von Kenntnissen und Kontakten aus der betreffenden Branche. 442 (2)

Literatur

Die "Händler"-Rechtsprechung des BFH wurde von der Literatur überwiegend abgelehnt. 443 Kritisiert wurde vor allem, der Rechtsprechung fehle die Verankerung im Gesetz444 oder sie erzeuge keine Rechtssicherheit445 • Schließlich wurde eingewandt, die "Händler"-Formel sei nicht durch die Entstehungsgeschichte gedeckt. 446 Uneinig zeigt sich die neuere Literatur jedoch, anhand welcher Kriterien die unternehmefische Tätigkeit stattdessen zu bestimmen ist. Ein Teil des Schrifttums stimmt der neueren BFH-Rechtsprechung zu. Anhand des Begriffs der Nachhaltigkeit sei die unternehmefische von der nichtunternehmerischen Tätigkeit abzugrenzen. Ob im Einzelfall die Nachhaltigkeit gegeben sei, sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu bestimmen. Die vom BFH vorgeschlagenen Kriterien zeigten, dass der Begriff der Nachhaltigkeit neben quantitativen auch qualitative Elemente enthalte. Bei der Gesamtabwägung könne bei der Bejahung oder Verneinung eines

442 Vgl. BFH, Urt. v. 18.7.1991 - V R 86/87, BStBI. 1991 II, 776 (777); Urt. v. 24.11.1992- V R 8/89, BStBI. 1993 II, 379 (380); Urt. v. 12.12.1996- V R 23/93, BStBl. 1997 II, 368 (370); Beschl. v. 15.3.2002- VB 137/01, BFH/NV 2002, 1503. 443 Vgl. Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 45; Mößlang, UR 1994, 10 (13); Giesberts, UR 1993, 279 (282); Neeb, DStZ 1991, 705 (708); Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, 1988, S. 103 ff.; Wrenger, BB 1987, 2085 f.; Giesberts, UR 1989, 257 (259); Lohse!Madle, DStR 1987, Beilage 2, 1 (10 f.); a.A Weiß, UR 1985, 65; Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, S. 44. 444 Vgl. Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 45; Giesberts, UR 1993, 279 (282). 445 Vgl. Giesberts, UR 1989, 257 (259); Wrenger, BB 1987, 2085 (2086); 446 Vgl. Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 45.

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Wirtschaftliche Tätigkeit

dieser Merkmale nicht die nachhaltige Tätigkeit bejaht oder verneint werden. Die Merkmale müssten vielmehr gegeneinander abgewogen werden. 447 Darüber hinaus wurden in der Literatur eigene Lösungsansätze entwickelt, wie der "Unternehmer" vom Nichtunternehmer abzugrenzen ist: Einer Ansicht zufolge ist die Frage, ob unternehmerisches Verhalten vorliegt, vorwiegend anband subjektiver Kriterien zu bestimmen. 448 Aus dem Merkmal des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG "zur Erzielung von Einnahmen" sei im Wege einer teleologischen Reduktion zu folgern, dass eine unternehmefische Tätigkeit nur zu bejahen sei, wenn festgestellt werden könne, dass der Handelnde den Gesamthergang mit dem Ziel der Erlangung von Einnahmen in die Wege geleitet habe, wobei die angestrebten Einnahmen nicht lediglich in der Vorsteuererstattung bestehen dürften. 449 Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Nachhaltigkeit sei zwingendes und dominierendes Definitionselement des Unternehmerbegriffs. Die Abgrenzung der unternehmefischen von der nichtunternehmefischen Tätigkeit erfordere den Begriff der Nachhaltigkeit. Letztlich werde von § 2 Abs. 1 UStG jede nachhaltige Tätigkeit erfasst, die auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sei. 450 Unter nachhaltiger Tätigkeit sei eine auf Dauer berechnete fortgesetzte Tätigkeit (auch in der Form eines auf die Erzielung von Einnahmen gerichteten Dauerzustandes) zu verstehen, die von einigem Gewicht ist. 451 Andere Autoren sind der Ansicht, eine befriedigende Lösung der Probleme sei nur de lege ferenda möglich, daher sei das Einschreiten des Gesetzgebers 447 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 61 f.; Georgy, in: Plückebaurn/Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 287 ff. Schuhmann, in: HundtEßwein/Schuhrnann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 57; Schuhmann, in: Offerhaus/Söhn!Lange, UStG, § 2, Rdnr. 140; Goertzen, DStR 1996, 164 (166 ff.). Ähnlich beurteilt Reiß (in: Reiß/KraeuseliLanger, UStG, § 2, Rdnr. 53) die nachhaltige Tatigkeit. Seiner Ansicht nach ist vorwiegend das zeitliche Element der Dauer (also das Quantitative) von Bedeutung. Daneben sei nachrangig auch die Größenordnung der Transaktion (also das qualitative Element) von Bedeutung. Die vom BFH erarbeiteten Kriterien seien lediglich Indizien, die auf das Dauermoment und die Intensität der Tatigkeit schließen ließen, nicht aber eigene Sekundärkriterien. 448 Vgl. Bunjes, UR 1988, 307 f.; Birkholz, UR 1986, 25 (27 f.); Birkholz, DStZ 1979, 413 f.; Neeb, DStZ 1991, 705 (712); Schuhmann, DStZ 1980, 88 (91 f.). 449 Vgl. Bunjes, UR 1988,307 f. 450 Vgl. Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 43 ff.; Mößlang, UR 1994, 10 (17 f.); 451 Vgl. Mößlang, UR 1994, 10 (17 f.); ähnlich Klose (Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 43 ff.), der jedoch die "Nachhaltigkeit" rein quantitativ i.S. einer "auf Dauer angelegten Tätigkeit" versteht.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

erforderlich. Aus Gründen der Praktikabilität und der Steuervereinfachung seien alle Umsätze unter Einführung einer Freigrenze der Umsatzsteuer zu unterwerfen. 452 Das Problem des Vorsteuerabzugs- z.B. bei der Veräußerung einer bislang privaten Sammlung - sei durch den nachträglichen Abzug eines (ggf. zu pauschalierenden) Vorsteuer- oder Kürzungsbetrags zu lösen. 453 Schließlich geht ein Teil der Literatur davon aus, die unternehmerische Tätigkeit sei typologisch zu bestimmen: 454 Alleine am Begriff der Nachhaltigkeit sei eine Abgrenzung der Unternehmerischen von der nichtunternehmerischen Tätigkeit nicht möglich, da auch private Tätigkeiten nachhaltig ausgeübt werden könnten. 455 Private Tätigkeiten seien jedoch nach dem System der Umsatzsteuer nicht steuerbar, da der Gesetzgeber - insbesondere aus Gründen der Praktikabilität - nur den Endverbrauch der Umsatzsteuer unterworfen habe, der durch einen Unternehmer befriedigt werde. 456 Daher sei die private Tätigkeit von der Unternehmertätigkeit zu unterscheiden. Lediglich im Fall der dauernden Nutzungsüberlassung werde die private Tätigkeit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gleichgestellt. 457 Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit sei nicht abschließend klassifikatorisch bestimmt, sondern durch vergleichende Betrachtung anhand von aus dem Typus gewonnenen Merkmalen zu ermitteln. 458 Die Befürworter des Typusbegriffs differieren jedoch in der Frage der Methode der Bestimmung der Vergleichsmerkmale. 459

452 Vgl. Giesberts, UR 1989, 257 (262); Tehler, Die Umsatzsteuer als augewandte Verkehr- und/oder Verbrauchsteuer, 1986, S. 66 ff.; Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, 1988, S. 110 ff. 453 Vgl. Giesberts, UR 1989, 257 (262). 454 Vgl. Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 106; Stadie in: Rau!Dlirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 270 ff.; Stadie, UR 1990, 347 f.; Schmidt-Liebig, StuW 1978, 137 (141); Hundt-E;ßwein, UVR 1992, 376 (379); Of ferhaus, UR 1991, 279; ähnlich: Birkenfeld, OSt-Handbuch, I, Rdnr. 86 f.; Giesberts, UR 1993, 279 (281). 455 V gl. Stadie in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 264 f.; 456 Ebenso seien die Leistungen von Arbeitnehmern nicht umsatzsteuerbar, obwohl sie vom Gedanken der Verbrauchsbesteuerung durchaus "steuerwürdig" wären. Der Gesetzgeber habe die Besteuerung des Endverbrauchs insofern nicht allumfassend verwirklicht; vgl. Schrnidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (6). 457 Vgl. Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (11). 458 Vgl. Stadie in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 303. 459 Daneben gibt es weitere Varianten der typologischen Prüfung der Unternehmereigenschaft: Birkenfeld (OSt-Handbuch, I, Rdnr. 86 f.) will zunächst anband der Merkmale des § 2 Abs. 1 UStG prüfen, ob die Voraussetzungen der Unternehmertätigkeit abstrakt erfüllt sind. Seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG nicht erfüllt, so sei

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Wirtschaftliche Tätigkeit

SCHMIDT-LIEBIG geht davon aus, die Kriterien seien dem konkreten Unternehmertypus zu entnehmen. Die Merkmale zur Zuordnung von Grenzfällen seien fallbezogen anhand der jeweils interessierenden Branche des Wirtschaftslebens zu ermitteln. Dabei könne man sich an den beruflichen Tätigkeiten der §§ 13-18 EStG orientieren. 460 Die Gewinnerzielungsabsicht und die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr seien starke Indikatoren für die berufliche Tätigkeit, wenn andere Merkmale nicht stark ausgeprägt seien. 461 Das Fehlen von Überschusserzielungsabsicht spreche für eine private Tätigkeit. 462 STADIE zufolge ist der Vergleich vielmehr anhand der charakteristischen Merkmale des abstrakten Typus der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit durchzuführen. Diese charakteristischen Merkmale seien: Geschäftliche Tätigkeit Geeignetheit zur Überschusserzielung Dauermoment Anbietende Tätigkeit am Markt Geschäftsbetrieb Umfang, Intensität und Gewicht der Tätigkeit. Dabei seien die geschäftliche Tätigkeit und die Geeignetheit zur Überschusserzielung prägende Merkmale der Unternehmerischen Betätigung.463 (3)

Stellungnahme

Um dem Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG Konturen zu verleihen, ist (ähnlich wie aufEbene der 6. EG-Richtlinie) zwischen den Tatbeständen des

460 461 462 463

der Steuerpflichtige nicht als Unternehmer tätig gewesen. Im Anschluss an die abstrakte Prüfung sei ein weiterer (kontrollierender) Vergleich anzustellen, ob die Tätigkeit der eines (vergleichbar tätigen) Unternehmers entspreche. Giesberts [UR 1993, 279 (281)] ist der Ansicht, die Tätigkeit sei anhand der Kriterien des§ 2 Abs. 1 UStG zu prüfen. Seien diese Voraussetzungen gegeben, so sei eine Unternehmerische Tätigkeit zu bejahen. Darliber hinaus habe der Typusbegriff seinen Anwendungsbereich in Ausnahmesitnationen, in denen ein in § 2 Abs. 1 UStG festgeschriebenes Merkmal fehle oder nur schwach ausgeprägt sei, aber dennoch eine typisch Unternehmerische Tätigkeit vorliege. In diesen Fällen sei § 2 Abs. 1 UStG dennoch zu bejahen. Vgl. Schmidt-Liebig, StnW 1978, 137 (139 f.) Vgl. Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (10). Vgl. Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (23); Schmidt-Liebig, StnW 1978, 137 (139 f.). Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Fiick, Geist, UStG, § 2, Rdnr. 276, 279 ff.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

ersten Absatzes zu differenzieren: § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG spricht mit den Begriffen "gewerblich oder beruflich" beruflich ausgeübte Tätigkeiten an. Diesen beruflich ausgeübten Tätigkeiten stellt § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG privat ausgeübte Tätigkeiten gleich, wenn sie nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt werden. (a)

Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit

Es stellt sich also die Frage, wie die beruflich ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen sind. Die Literatur bietet zur Lösung dieses Problems verschiedene Ansätze. Diese Auffassungen sind zu untersuchen. Die Ansicht, die die unternehmerische Tätigkeit anhand subjektiver Kriterien bestimmen will, stellt darauf ab, dass der Handelnde "den Gesamthergang mit dem Ziel der Erzielung von Einnahmen in die Wege geleitet hat". Dies machen die Vertreter der Ansicht an dem Tatbestandsmerkmal "zur Erzielung von Einnahmen" fest. 464 Dies bedeutet genau betrachtet, dass auf einen Gewinn in der Totalperiode abgestellt wird. Das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht wird also als entscheidendes Kriterium angesehen. Obgleich viele Stimmen der Literatur dies als ein (nicht alleine ausschlaggebendes) Kriterium der Unternehmerischen Tätigkeit ansehen, so sind auch Sachverhalte denkbar, in denen sich die berufliche Tätigkeit auf Grund anderer Umstände aufdrängt, obwohl eine Absicht der Überschusserzielung gerade nicht vorliegt. 465 Zudem ist zu beachten, dass § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG aussagt, dass für die Unternehmerische Tätigkeit gerade keine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich ist. 466 Daher kann eine solche Absicht sicherlich nicht zum entscheidenden Kriterium der Unternehmerischen Tätigkeit erhoben werden. Insgesamt ist diese Auffassung 1nithin abzulehnen. Auch die Ansicht, die die Nachhaltigkeit als zwingendes Definitionselement unternehmerischer Tätigkeit ansieht467 , ist für die Bestimmung der beruflich ausgeübten Tätigkeit unbrauchbar. Nach der hier vertretenen Ansicht ist zwischen verschiedenen Tatbeständen des § 2 Abs. 1 UStG zu differenzieren. § 2 UStG unterscheidet verschiedene Bereiche: Die selbständige beruf464 Vgl. die Nachweise in FN 448. 465 So auch Schmidt-Liebig [BB 1994, 1 (15)], der auf die Konstellation hinweist, dass zwei Personen sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschließen, mit der sie einen Auftrag unter Selbstkostenpreis durchfUhren, um mit ihrem Einzelunternehmen lukrative Folgeaufträge zu erhalten. 466 Diese Passage bezieht sich nach der hier vertretenen Ansicht, insbesondere im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie, der auf beide Tatbestände wirtschaftlicher Tätigkeit verweist, auch auf§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 467 Vgl. die Nachweise in FN 450.

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Wirtschaftliche Tätigkeit

liehe Tätigkeit, die unselbständige berufliche Tätigkeit und die private Tätigkeit.468 Der unselbständige Bereich macht niemals unternehmerische Tätigkeit aus, so dass auch die unselbständige berufliche Tätigkeit nicht unternehmefisch ist. Demgegenüber ist die selbständige berufliche Tätigkeit immer unternehmerisch. 469 Das Problem ist, wann die selbständige private Tätigkeit unternehmefisch ist. Grundsätzlich ist sie nicht unternehmerisch, es sei denn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG liegen vor. Zur Abgrenzung der beruflichen von der nichtberuflichen Tätigkeit kann das Kriterium der "Nachhaltigkeit" daher keine Hilfe sein. Zutreffend hat der X. Senat des BFH im Urteil vom 29.6.1986 ausgeführt: "Das alleinige Abstellen auf das Merkmal der Nachhaltigkeit führt nicht weiter, weil auch private, auf Vermögensumschichtung abzielende Betätigungen nachhaltig sein können."470 Anhand dieses Kriteriums ist vielmehr zu entscheiden, welche privaten Tätigkeiten den beruflich ausgeübten Tätigkeiten gern. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG gleichzustellen sind. 471 Auch der Ruf nach dem Gesetzgeber472 ist verfehlt. Der weitaus größte Teil der zu untersuchenden Tätigkeiten ist mit dem bisherigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 UStG zweifelsfrei zu lösen. 473 Bevor ein gewachsenes Gesetz geändert wird, mit möglicherweise schwer überschaubaren Folgen 474 , sollte sich die Rechtswissenschaft bemühen, die Vorschrift des § 2 Abs. 1 UStG unter Zuhilfenahme des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie so auszulegen, dass auch die Grenzfälle der Unternehmerischen Tätigkeit handhabbar und für die Betroffenen einsichtig zu lösen sind. Es bleibt schließlich die Frage, ob dieneuere BFH-Rechtsprechung475 oder die typologische Betrachtungsweise der Literatur476 zur Bestimmung der be468 So auch Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (9 ff.). 469 Diese Unterteilung zeigt schon der Entwurf des§ 1 UStG 1918. Durch die Wendung "geschäftlich oder beruflich" sollten alle Tätigkeitsarten des Wirtschaftslebens mit Ausnahme der nichtselbständigen Tätigkeit, der Tätigkeit im Privatleben und der Betätigung der öffentlichen Hand der Umsatzsteuer unterworfen werden; vgl. Popitz!Kloß!Grabower, UStG, 1928, § 1, S. 292. 470 BFH, Urt. v. 29.6.1987 -X R 23/82, BStßl. 1987 Il, 744 (745). Ebenso: Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 89 f. 471 Dazu mehr unter (b); siehe unten, S. 180 ff. 472 Vgl. die Nachweise in FN 452. 473 So auch Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (9). 474 Die geforderte Pauschalierung des Vorsteuerabzugs könnte nicht so unproblematisch sein, wie dies von Giesberts [UR 1989, 257 (262)] dargestellt wurde, und die Freigrenzen könnten den Steuerpflichtigen zu verschiedenen Umgehungsmöglichkeiten verleiten; vgl. Schmidt-Liebig, BB 1994, I (16). 475 Vgl. die Nachweise in FN 441 f.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

ruflieh ausgeübten Unternehmertätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG vorzuziehen ist. Bei der Betrachtung beider Lösungsansätze fällt auf, dass sowohl der BFH als auch die Befürworter des Typusbegriffs auf eine Vielzahl von Merkmalen abstellen, anhand derer zu ermitteln ist, ob der Handelnde im vorliegenden Fall Unternehmer ist. Insbesondere stellen beide Ansichten auf ein Gesamtbild ab, das sie an den Kriterien messen. Dabei müssen nicht alle genannten Merkmale gegeben sein. Auch wenn man die aufgeführten Kriterien betrachtet, fallen viele Übereinstimmungen auf: Beide Ansichten enthalten Kriterien der Planmäßigkeit (die STADIE 477 "geschäftliche Tätigkeit" nennt), der Dauer, der Marktbeteiligung und des Geschäftsbetriebs. Daneben stellen sowohl der BFH als auch die angesprochene Literatur auf die Intensität und das Ergebnis der Tätigkeit ab. Daher drängt sich die Frage auf, ob beide Ansichten im Ergebnis gravierende Differenzen aufweisen. Insbesondere ist zu klären, ob der BFH auch eine typologische Prüfung vornimmt. Der BFH definiert den Begriff der Nachhaltigkeit nicht durch die erschöpfende Aufzählung seiner unabdingbaren Merkmale. Somit sieht er in dem Begriff der Nachhaltigkeit offensichtlich keinen klassifikatorischen Begriff.478 Vielmehr beschreibt der BFH diesen Terminus offen. Die vom BFH genannten Kritetien müssen nicht sämtlich vorliegen und können in unterschiedlichem Maße gegeben sein. Die Kriterien haben für sich alleine genommen nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien für das quantitative oder qualitative Element der Nachhaltigkeit. 479 Somit defmiert der BFH die Nachhaltigkeit nicht, sondern beschreibt sie anhand von Typusmerkmalen.480 Er entscheidet, ob das Gesamtbild der Tätigkeit einer nachhaltigen Tätigkeit entspricht. Folglich beachtet der BFH die Spielregeln des Typusbegriffs, ohne diese Begriff ausdrücklich zu erwähnen. 481 Der BFH prüft typologisch die Nachhaltigkeit. 482 Die typologische Prüfung ist die zutreffende Prüfungsmethode, um die Vielzahl der unterschiedlichen Erscheinungen der beruflich ausgeübten Tätigkeit in der Lebenswirklichkeit dem Unternehmer 476 477 478 479 480 481 482

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Vgl. die Nachweise in FN 454. Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 279. Zu den Charakteristika des abstrakten Begriffs siehe oben, S. 153. So auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 53. Zu den Charakteristika des Typusbegriffs siehe oben, S. 153. Vgl. Offerhaus, UR 1991, 279 (FN. 4). So auch Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 107; Studie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 274; Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (13); a.A. Mößlang, UR 1994, 10 (14).

Wirtschaftliche Tätigkeit

des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG zuzuordnen. Wie die Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Ansichten zeigt, lässt sich die beruflich ausgeübte Tätigkeit nicht abstrakt anhand einiger Merkmale definieren. Die typologische Betrachtung bietet die einzige befriedigende Möglichkeit, der beruflich ausgeübten Tätigkeit Konturen zu verleihen. Damit stellt sich die weiter gehende Frage, anhand welcher Merkmale die beruflich ausgeübte Tätigkeit zu bestimmen ist. Die Kriterien des BFH erscheinen unübersichtlich und zusammenhanglos. Er prüft eine Vielzahl von Merkmalen, um nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden, ob der Handelnde nachhaltig tätig war. M.E. gibt es jedoch nicht den Typus des "nachhaltig Tätigen". Daher setzt der BFH mit der zutreffenden typologischen Betrachtungsweise am falschen Merkmal an. 483 Wie oben ausgeführt, ist das Merkmal der "Nachhaltigkeit" nicht geeignet, die berufliche von der nichtberuflichen Tätigkeit abzugrenzen. Aus diesem Grund erscheint auch das vom BFH erwähnte Kriterium der "langfristigen Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis" im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen sachfremd. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der BFH anhand dieses Merkmals die nichtberufliche Nutzungsüberlassung unter den Begriff der "nachhaltigen Tätigkeit" fasst. 484 Es ließe sich systematischer argumentieren, wenn diese nichtberuflich ausgeübte Tätigkeit getrennt von der (davon strikt zu differenzierenden) beruflich ausgeübten Tätigkeit anhand anderer Kriterien oder Definitionsmerkmale geprüft würde. So ist z.B. die Vermietung und Verpachtung von Immobilien nach der Verkehrsauffassung und der Systematik des § 2 Abs. 1 UStG privater Natur. Erst wenn bestimmte Umstände hinzutreten (z.B. kurzfristige Überlassung an zahlreiche Mieter, Übernahme unüblicher Nebenleistungen) gewinnt die Vermietung und Verpachtung gewerblich-beruflichen Charakter.485 Nur diese Form der Nutzungsüberlassung ist an § 2 Abs. I Satz I UStG zu messen. Es sind mitlrin Kriterien zu bestimmen, anhand derer die typologische Prüfung im Einzelfall vorzunehmen ist.

483 So auch Stadie, in: Rau/Dtirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdm. 274; SchmidtLiebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (13). 484 Vgl. BFH, Urt. v. 7.11.1991 - V R 116/86, BStBL 1992 Il, 269 (271); Urt. v. 16.3.1993- XI R 45/90, BStBL 1993 II, 530 (531); Urt. v. 16.3.1993- XI R 52/90, BStBL 1993 Il, 562 (563 f.); Urt. v. 28.7.1993 - XI R 105/90, BFH/NV 1994, 205 (206).

485 Vgl. Schmidt-Liebig, StuW 1978, 137 (143).

I73

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

Zur Bestimmung solcher Merkmale werden vor allem zwei unterschiedliche Ansichten vertreten: SCHMIDT-LIEBIG vertritt die Auffassung, dass von einem konkreten Unternehmertypus auszugehen sei. Die Merkmale zur Zuordnung von Grenzfällen seien fallbezogen der jeweils interessierenden Branche des Wirtschaftslebens zu entnehmen. STADIES Ansicht zufolge sind die charakteristischen Merkmale des abstrakten Typus der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit Vergleichsmaßstab. 486 M.E. gibt es gewisse Kriterien, die zweifelsohne die berufliche Tätigkeit als solche ausmachen. So ist derjenige, der selbständig, nachhaltig, unter Beteiligung am Markt mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, also die Kriterien des§ 15 Abs. 2 EStG erfüllt, sicherlich untemehmerisch tätig. 487 Ebenso wie diese Vorschrift für das Einkommensteuerrecht abstrakte Kriterien zur Bestimmung der beruflichen Tätigkeit aufstellt, lassen sich mit den umsatzsteuerlichen Besonderheiten, dass die Marktbeteiligung und die Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall fehlen können, abstrakte Kriterien aufstellen. Auch SCHMIDT-LIEBIG erkennt an, dass einige Kriterien gewissermaßen "branchenübergreifend" die berufliche Tätigkeit auszeichnen. 488 Darüber hinaus hat die abstrakte Bestimmung der Kriterien den Vorteil, dass auch Mischformen und atypische Formen der Berufsausübung besser zu erfassen sind. Schließlich lässt sich für STADIES Ansicht anführen, dass eine abstrakte Bestimmung der vergleichenden Merkmale eine höhere Rechtssicherheit bringt. Wenn Verwaltung, Gerichte und Steuerpflichtige anband weniger Kriterien vergleichend beurteilen können, ob eine Tätigkeit dem Typus der beruflich ausgeübten Tätigkeit ähnlich ist, so erhöht dies gegenüber der fallweisen Bestimmung der Vergleichskriterien die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Auch die vom BFH angeführten Merkmale finden sich überwiegend in den von STADIE genannten abstrakten Kriterien der beruflichen Tätigkeit wieder. Dmüber hinaus kann zur Erleichterung des Ähnlichkeitsvergleichs auch der Gegenbereich der privaten Tätigkeit herangezogen werden. In manchen Fällen fällt es leichter, die berufliche Tätigkeit von der nichtberuflichen Tätigkeit dadurch abzugrenzen, dass man den Gegentypus "Tätigkeit einer Privatperson" heranzieht und prüft, ob die Tätigkeit eher mit der eines beruflich Tätigen oder mit der eines Privatmmms zu vergleichen ist. 489 Folglich 486 487 488 489

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Siehe oben, S. 166 ff. So auch Schmidt-Liebig, BB 1994, 1 (10). Vgl. Schmidt-Liebig, BB 1994, 1 (10). So auch Schmidt-Liebig, StuW 1978, 137 (141). Anders Stadie (in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG § 2, Rdnr. 300), der ein solches Kriterium ablehnt. Er begrundet dies damit, dass insbesondere Vermögensverwaltung in Gestalt

Wirtschaftliche Tätigkeit

sind die von STADIE aufgeführten Kriterien um das Merkmal "keine private Tätigkeit" zu ergänzen. Somit eignen sich folgende Kriterien zur Bestimmung der beruflich ausgeübten Tätigkeit i.S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG: Geschäftliche Tätigkeit Geeignetheit zur Überschusserzielung Dauermoment Anbietende Tätigkeit am Markt Geschäftsbetrieb Umfang, Intensität und Gewicht der Tätigkeit Keine private Tätigkeit. Fraglich ist, ob darüber hinaus ähnlich wie bei Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie zwingende Voraussetzung der beruflichen Tätigkeit die Regelmäßigkeit der Leistungserbringung ist. 490 Der in § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG enthaltene Begriff ,,nachhaltig" bezieht sich nicht auf§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG. Nach der hier vertretenen Lesart stellt§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG den beruflich ausgeübten Tätigkeiten Privattätigkeiten gleich, sofern sie nachhaltig und zur Einnahmenerzielung ausgeübt werden. Obgleich die Regelmäßigkeit der Tätigkeit sicherlich typisch für die berufliche Ausübung ist, so deutet der Wortlaut des § 2 UStG - anders als auf Ebene der 6. EG-Richtlinie die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 - nicht darauf hin, dass die berufliche Tätigkeit auch regelmäßig ausgeübt werden muss. Dies spricht dafür, dass - sofern anband der o.a. Kriterien eine dem Typus des Unternehmers vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird - eine unternehmerische Betätigung zu bejahen ist, auch wenn nicht regelmäßig Leistungen erbracht werden. 491 Demzufolge könnten auch nicht regelmäßig ausgeübte Tätigkeiten, wie die der Arbeitsgemeinschaften im Bauwesen, "gewerblich oder beruflich" sein. 492 Demgegenüber spricht die Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie dafür, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG - richtlinienkonform ausgelegt der auf Dauer angelegten Nutzungsüberlassung unternehrnerisch sein kann. Stadie verkennt mE., dass private und berufliche Tätigkeiten zu trennen sind und dass sich diese Typuskriterien auf den beruflich Tätigen beziehen. 490 Siehe oben, S. 115 f. 491 Dies vertritt Schmidt-Liebig, BB 1994, 1 (5); ähnlich Giesberts, UR 1993,279 (282). 492 So schon BFH, Urt. v. 10.5.1961 -V 50/59, HFR 1962, 45.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

- nur regelmäßige Tätigkeiten erfasst, da wie oben ausgeführt der beruflichen Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie die Regelmäßigkeit der Leistungserbringung immanent ist. 493 Eine derartige richtlinienkonforme Auslegung wäre jedoch nicht zulässig, wenn in § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG eine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie zu sehen wäre. Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie ermächtigt die Mitgliedstaaten auch solche Personen als Steuerpflichtige zu behandeln, die gelegentlich eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie ausüben. Sofern man davon ausgeht, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG neben Art. 4 Abs. 2 Satz 1 auch Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie umsetzt, müsste die berufliche Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht regelmäßig ausgeübt werden: Die Erfassung gelegentlicher Tätigkeiten würde nicht Art. 4 Abs. 2 Satz 1 widersprechen, sondern wäre eine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie. Fraglich ist daher, ob eine solche Umsetzung vorliegt. Ausdrücklich hat der deutsche Gesetzgeber nicht von der Ermächtigung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie Gebrauch gemacht. Somit stellt sich die Frage, ob eine konkludente Umsetzung einer Richtlinienvorschrift zulässig ist. Soweit ersichtlich hat sich bislang die Literatur noch nicht mit dieser Problematik beschäftigt. Aus der EuGH-Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang das Urteil vom 12. Juni 1979494 von Interesse: In dieser Rechtssache entschied der EuGH, dass die niederländische Finanzverwaltung die Regeln der Organschaft anwenden dürften, obgleich der niederländische Gesetzgeber die in Anhang A Nr. 2 (zu Art. 4) der 2. EG-Richtlinie eingeräumte Möglichkeit, rechtlich unabhängige, aber durch finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen untereinander verbundene Personen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, nicht ausdrücklich umgesetzt hatte. Dies begründete der EuGH damit, dass die Organschaftsregeln vor Einführung des Mehrwertsteuersystems zum herkömmlichen Rechtssystem der Niederlande gehört hätten und die Entstehungsgeschichte des niederländischen Umsatzsteuergesetzes 1968 zeige, dass der Gesetzgeber dem Begriff des Unternehmers keinen anderen Sinn habe geben wollen. Daher habe die Niederlande die Regelung im Sinne von Anhang 4 Nr. 2 (zu Artikel 4) der 2. EG493 Siehe oben, S. 115 f. 494 EuGH, Urt. v. 12.6.1979- Rs. 181 und 229/78 (Van Paassen/Denkavit Dienstbetoon), EuGHE 1979, 2063.

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Wirtschaftliche Tätigkeit

Richtlinie angenommen, obwohl das Gesetz den Begriff des Unternehmers lediglich mit den Worten "jeder, der selbständig ein Gewerbe ausübt" definiere.495 Fraglich ist, ob die Grundsätze dieser Entscheidung, die lediglich die konkludente Annahme einer Auslegungsregel zu Art. 4 der 2. EG-Richtlinie betraf, auf die vorliegende Frage nach der konkludenten Umsetzung einer Richtlinienvorschrift übertragen werden können. Diese Frage kann jedoch unbeantwortet bleiben, wenn die Kriterien der Entscheidung - auf die vorliegende Rechtsfrage übertragen - nicht erfüllt werden. Auf die o.a. Frage übertragen, käme eine konkludente Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie nur in Betracht, wenn es vor der Einführung der Mehrwertsteuer zum herkömmlichen Rechtssystem Deutschlands gehört hätte, auch die gelegentliche Ausübung einer Tätigkeit unter § 2 Abs. 1 UStG zu fassen und die Entstehungsgeschichte des § 2 UStG zeigen würde, dass der Gesetzgeber auch im UStG 1980, das die 6. EG-Richtlinie umsetzt, weiterhin davon ausgeht. Vorliegend kann jedoch nicht davon gesprochen werden, dass vor Einführung des Mehrwertsteuerrechts es zum herkömmlichen Rechtssystem gehört hat, auch gelegentlich ausgeübte Tätigkeiten unter § 2 Abs. 1 UStG zu fassen. Obgleich der BFH vereinzelt die gelegentliche Ausübung einer Tätigkeit im Fall der Arbeitsgemeinschaften im Bauwesen als untemehmerisch betrachtete496 , kann man nicht davon ausgehen, dass dies dem "herkömmlichen Rechtssystem" entsprach. Auch der BFH verdeutlichte in dieser Entscheidung, dass grundsätzlich eine einzelne Handlung nur dann als nachhaltig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG anzusehen ist, wenn die Absicht der Wiederholung besteht. 497 Daneben enthält auch die Entstehungsgeschichte des § 2 UStG keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, dass gelegentliche Tätigkeiten unter § 2 Abs. 1 UStG fallen: Weder die Materialien zu § 2 des Umsatzsteuergesetzes von 1934498 , in dem der Unternehmerbegriff erstmals kodifiziert wurde, noch zu § 2 des Umsatzsteuergesetzes von 1967499 , welches das Mehrwertsteuersystem in Deutschland einführte, noch zu § 2 des Umsatzsteuergesetzes von 1980500, das die 6. EG-Richtlinie umsetzte, deuten daraufhin, dass der deut495 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.6.1979- Rs. 181 und 229178 (Van Paassen!Denkavit Dienstbetoon), EuGHE 1979, 2063 (2077 ff., Rdnr. 7 ff.). 496 Vgl. BFH, Urt. v. 10.5.1961- V 50/59, HFR 1961, 45. 497 Vgl. BFH, Urt. v. 10.5.1961- V 50/59, HFR 1961,45. 498 Vgl. Amtliche Begründung zu§ 2 UStG 1934, RStBI. 1934, 1550. 499 Vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucks. 511581, S. 10 f. (zu § 2).

500 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 8/1779, S. 29 (zu§ 2).

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

sehe Gesetzgeber auch die gelegentliche Leistungserbringung unter § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG fassen wollte. Somit sind die aus dem genaunten BuGHUrteil übertragenen Voraussetzungen nicht erfüllt. Daher ist davon auszugehen, dass, überträgt man die Grundsätze der genaunten Entscheidung, keine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 UStG vorliegt. Fraglich ist, ob unabhängig von diesen Grundsätzen der BuGHEutscheidung eine Umsetzung durch den deutschen Gesetzgebers zu bejahen ist. Nach Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie können die Mitgliedstaaten auch solche Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Die Mitgliedstaaten haben also ein Wahlrecht, ob sie diese Richtlinienbestimmung umsetzen. Falls sich ein Mitgliedstaat dazu entschließt, die Bestimmung in nationales Recht umzusetzen, ist eine Umsetzung jedenfalls daun gegeben, wenn die gleichen Voraussetzungen erfüllt werden, die zur Umsetzung einer zwingenden Richtlinienvorschrift erforderlich sind. Zur Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht hat sich der EuGH bereits mehrfach geäußert. So führte er aus, die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht erfordere nicht notwendig eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Gesetzesvorschrift. Je nach dem Inhalt der Richtlinie könne hierzu ein allgemeiner rechtlicher Kontext genügen, wenn dieser die vollständige Anwendung der Richtlinie mit hinreichender Klarheit und Genauigkeit gewährleiste, um - soweit die Richtlinie Ansprüche des Einzelnen begründen solle - die Begünstigen in die Lage zu versetzen, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen. 501 Dieser Ansicht hat sich das Schrifttum angeschlossen. 502 Es stellt sich also die Frage, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, der keine ausdrückliche gesetzliche Umsetzung von Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie ist, hinsichtlich der Regelung, dass auch gelegentliches Tätigsein untemehmerisch ist, klar und eindeutig ist. Außerdem muss diese Vorschrift den gelegentlich Tätigen in die Lage versetzen, von seinem Recht zum Vorsteuerabzug Kenntnis zu erlangen und dieses Recht gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. 501 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.2.1991 - Rs. C-131188 (K/Deutsch1and), EuGHE 1991, 1-825 (867, Rdnr. 6); Urt. v. 30.5.1991 - Rs. C-361/88 (K/Deutsch1and), EuGHE 1991, 12567 (2600 f., Rdnr. 15). 502 Vgl. Herdegen, Europarecht, 2002, Rdnr. 181; Streinz, Europarecht, 2001, Rdnr. 393; Bleckmann, Europarecht, 1997, Rdnr. 441 ff.; Bischof, Europarecht, 1996, Rdnr. 94.

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Wirtschaftliche Tätigkeit

Von einer solchen Klarheit in Bezug auf§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG kann nicht gesprochen werden: Die hM geht noch immer davon aus, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ein nachhaltiges Handeln erfordert. Auch wenn der BFH die typisch gewerbliche Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften im Bauwesen als untemehmerisch betrachtet503 , ist diese Auslegung des BFH keineswegs dogmatisch klar. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist derjenige Unternehmer, der gewerblich oder beruflich tätig ist. Diese Wendung enthält keine direkten Anhaltspunkte dahingehend, dass die "gewerbliche oder berufliche" Tätigkeit- als Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie- auch ein gelegentliches Tätigwerden beinhaltet. Auch wenn nach der hier vertretenen Auffassung der Wortlaut des § 2 Abs. 1 UStG isoliert betrachtet dafür spricht, dass auch gelegentliche Tätigkeiten erfasst werden, kann in einer solchen Auslegung keine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie gesehen werden. Nach Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie kann eine gelegentliche Tätigkeit ausnahmsweise als untemehmerisch betrachtet werden. Die Vorschrift ermächtigt die Mitgliedstaaten mithin, grundsätzlich nicht steuerbare Tätigkeiten der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Diese Auferlegung einer Steuerpflicht sollte jedoch nur ausdrücklich erfolgen dürfen. Im Gegenzug hätte der gelegentlich Handelnde das Recht zum Vorsteuerabzug. Dies muss jedoch klar zum Ausdruck kommen, so dass sich der Begünstigte auf dieses Recht berufen und es gerichtlich durchsetzen kann. Obgleich die Rechtsprechung in Einzelfällen die Steuerpflicht der gelegentlich tätigen Arbeitsgemeinschaft im Bauwesen bejaht, ist eine Rechtsklarheit nicht gegeben. Somit ist eine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie zu vemeinen.504 Auf Grund der mit dieser Regelung verbundenen Rechte und Pflichten wäre eine eindeutige und ausdrückliche Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie erforderlich gewesen. Eine solche Umsetzung ist nicht erfolgt. Es ist folglich davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber durch § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie umsetzen wollte. Die auf die genannte Weise wörtlich ausgelegte berufliche Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG würde sich somit von der zu Grunde liegenden Regelung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie unterscheiden: Die beruflich ausgeübte Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie muss regelmäßig erfolgen, während für die "gewerbliche oder berufliche Tätig503 Vgl. BFH, Urt. v. 10.5.1961- V 50/59, HFR 1962,45. 504 Anders ist dies im französischen Umsatzsteuerrecht. Hier schließt der Begriff des Steuerpflichtigen (assujetti) in Art. 257 CGI Gelegenheitsgeschäfte, insbesondere Grundstücksgeschäfte, ausdrücklich ein; vgl. Viegener, UR 1990, 329 (332).

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

keit" des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG keine Regelmäßigkeit erforderlich wäre. Folglich ist die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass auch die "gewerbliche oder berufliche" Tätigkeit eine regelmäßige Leistungserbringung erfordert. Sofern Verwaltung und Gerichte auch gelegentlich tätige "typische" Unternehmer wie die Arbeitsgemeinschaften des Baugewerbes der Umsatzsteuer unterwerfen wollen, ist eine ausdrUckliehe Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie durch den Gesetzgeber erforderlich.

(b)

Nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen

Nach der oben dargestellten Systematik stellt § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG privat ausgeübte Tätigkeiten den beruflich ausgeübten gleich, sofern diese nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt werden. In diesem Zusammenhang stellen sich vor allem zwei Fragen: 1.

Wird jede private Tätigkeit, die nachhaltig mit Einnahmenerzielungsabsicht ausgeübt wird, der unternehmerischen Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG gleichgestellt?

2.

Wie ist der Begriff der "Nachhaltigkeit" zu verstehen?

Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG spricht dafür, dass jede Tätigkeit unternehmerisch sein kann, die nachhaltig mit der Absicht der Einnahmenerzielung ausgeübt wird. Demzufolge würden unter § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG die private Vermögensverwaltung und die Vermögensumschichtung, wie sie sich insbesondere in Verkäufen privat angeschaffter Gegenstände ausdrUckt, den Handelnden zum Unternehmer machen, sofern diese Tätigkeit nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird. Diese Ansicht wurde vor der Einführung des Mehrwertsteuersystems vom BFH vertreten. Die Unternehmereigenschaft war lediglich für die Frage der Steuerpflicht von Bedeutung, und mit dem Begriff der Nachhaltigkeit wurde der Unternehmerbegriff sehr weit ausgedehnt. 505 Dies änderte sich, wie erwähnt, mit der Einführung der Netto-AllphasenUmsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Der Unternehmer konnte neben der Steuerpflicht auch die Vorsteuer abziehen. Daraufhin wurde der Begriff des Unternehmers zunehmend durch die erwähnte Rechtsprechung eingeengt. Anfangs grenzte der BFH den Unternehmerbegriff durch die sog. "Händler"Rechtsprechung ein: Nur solche Tätigkeiten sollten unternehmerisch sein, die "wie ein Händler" ausgeübt wurde. Diese Betrachtungsweise hat der

505 Siehe oben, S. 163.

180

Wirtschaftliche Tätigkeit

BFH jedoch mit der Entscheidung vom 18.7.1991 wieder verlassen und prtift seitdem die Unternehmertätigkeit alleine anhand des Merkmals der Nachhaltigkeit. 506 Demzufolge scheint er ebenso wie einige Stimmen in der Literatur507 davon auszugehen, dass grundsätzlich jede privat ausgeübte Tätigkeit unternehmerisch sein kann. Diese Auslegung ist zweifellos durch den Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG gedeckt. Auch die Begründung zu § 2 Abs. 1 Satz 3 verdeutlicht, dass "jede Art von Tätigkeit Unternehmertätigkeit sein kann" 508 • Folglich erfasst § 2 Abs. 1 Satz 3 sowohl dem Wortlaut als auch seiner historischen Entwicklung nach jede Art von Tätigkeit. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Auslegung mit der 6. EG-Richtlinie vereinbar ist. Wie erläutert bestimmen sowohl Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie als auch§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, dass beruflich ausgeübte Tätigkeiten wirtschaftlich bzw. unternehmerisch sind. 509 Demgegenüber sind privat ausgeübte Tätigkeiten nur unter den Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie bzw. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG wirtschaftlich!unternehmerisch. Während die Richtlinienvorschrift jedoch lediglich privat ausgeübte Nutzungsüberlassungen erfasst, erfasst der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG grundsätzlich alle privat ausgeübten Tätigkeiten (also jegliche Art von privater Vermögensverwaltung und -Umschichtung). Der Wortlaut der deutschen Umsetzungsvorschrift ist mithin weiter als die europäische Vorgabe. Demzufolge ist § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG richtlinienkonform einzuschränken: Ebenso wie Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie erfasst § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG nicht jegliche privat ausgeübte Tätigkeit sondern lediglich die private Nutzungsüberlassung. Dartiber hinaus ist der Wortlaut ebenso wie auf der Ebene der Richtlinie insoweit einzuschränken, dass er nicht die private Überlassung von Kapital zur Nutzung ("Sparbücher") erfasst. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist aus den zu Art. 4 der 6. EG-Richtlinie dargestellten Grtinden 510 telelogisch zu reduzieren. Folglich fallen unter § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG alle nachhaltigen privaten Nutzungsüberlassungen an körperlichen und nicht körperlichen Gegenständen rnit Ausnahme der Überlassung von Kapital. Ferner ist zu klären, was unter "nachhaltig" i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG zu verstehen ist. Wie oben ausgeführt bedeutet das Adjektiv "nachhaltig"

506 507 508 509 510

Siehe oben, S. 163 ff. Vgl. die Nachweise in FN 450. Amtliche Begründung zu§ 2 UStG 1934, RStBI. 1934, 1550. Siehe oben, S. 110, 170 ff. Siehe oben, S. 146 ff.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

"sich auf längere Zeit stark auswirkend". 511 Im Einklang mit dem Terminus ,,nachhaltig" i.S. v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie lässt sich der Inhalt als eine auf Dauer berechnete, fortgesetzte Tätigkeit verstehen. 512 Diese Tätigkeit erschöpft sich im Fall der Nutzungsüberlassung in der Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis. Insofern ist das Kriterium des BFH zur Bestimmung einer nachhaltigen Nutzungsüberlassung "langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis" zutreffend. Diese langfristige Nutzungsüberlassung muss mit der Absicht der Erzielung von Einnahmen vorgenommen werden. Eine Gewinnerzielungsabsicht wird ausdrücklich nicht gefordert. Der Begriff der Einnahmenerzielung ist weit zu verstehen. Insbesondere muss der Handelnde nicht die Erzielung eines Entgelts beabsichtigen. Schließlich ist zu klären, ob § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG die privat ausgeübte untemehmerische Tätigkeit typologisch bestimmt oder klassifikatorisch definiert. Hier ist - ebenso wie auf der Ebene der 6. EG-Richtlinie - davon auszugehen, dass es keinen Typus des "Nutzungsüberlassers" gibt. Eine typologische Prüfung ist jedoch auch nicht erforderlich, da die untemehmerische Tätigkeit im Fall der Nutzungsüberlassung abschließend durch einige Merkmale charakterisiert wird: Der Handelnde muss (a) auf Dauer, (b) durch Überlassung der Nutzung an einem Gegenstand einen Eingriff in den eigenen Rechtskreis dulden (c) mit dem Ziel der Erzielung von Einnahmen. Folglich ist die untemehmerische Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG nicht typologisch zu bestimmen. 513 Die in der Form der privaten Nutzungsüberlassung bestehende untemehmerische Tätigkeit ist durch Subsumtion der genannten Merkmale zu ermitteln. 514

dd)

Tätigkeit von Personenvereinigungen gegenüber ihren Mitgliedern

Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Einahmeerzielung "gewerblich oder beruflich", auch wenn "eine Personenvereinigung 511 Siehe oben, S. 144 f. 512 Der Begriff der Nachha1tigkeit enthält mithin lediglich ein quantitatives Element. Eine qualitative Komponente ist dem Begriff nicht zu entnehmen. So auch Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 265. 513 Insofern ist die Argumentation des BFH (Urt. v. 21.4.1993- XI R 106/90, BFH/NV 1993, 697) verwirrend, ein Vermieter sei regelmäßig Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 UStG, da er typischerweise eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen selbständig ausübe. 514 Ähnlich Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (11); a.A. Qfferhaus [UR 1991, 279 (280 f.)], der auch die Nutzungsüberlassung typologisch bestimmen will.

182

Wirtschaftliche Tätigkeit

nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird". Fraglich ist, welche Bedeutung dem letzten Halbsatz des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG, der keine direkte EGrechtliche Grundlage hat, zukommt. Da, wie oben erläutert, sowohl Personenvereinigungen Guristische Personen und Personengesellschaften) als auch ihre Mitglieder (natürliche Personen) umsatzsteuerliche Rechtssubjekte sind515 , können beide unabhängig voneinander Unternehmereigenschaft erlangen. § 2 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz UStG stellt klar, dass dies auch für Personengesellschaften gilt, wenn sie lediglich gegenüber ihren Mitgliedern tätig werden. Die Unternehmereigenschaft der Personenvereinigung hängt, ebenso wie bei anderen Unternehmern, nicht alleine davon ab, dass sie sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Daraus folgt jedoch, wie erläutert, nicht generell, dass eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr als Kriterium der Unternehmereigenschaft i.S. des UStG entfallt. Das Anbieten der Leistungen am Markt ist vielmehr ein typisches Merkmal der beruflich ausgeübten Tätigkeit. Dieses kann jedoch bei einer Gesamtbildbetrachtung entbehrlich sein. 516 Die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG müssen allerdings auch bei einer solchen Personenvereinigung erfüllt sein, d.h. § 2 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz UStG ist nicht so auszulegen, dass eine Personenvereinigung, die ausschließlich gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird, zwangsläufig Unternehmereigenschaft erlangt. Erforderlich ist vielmehr auch hier, dass die Personenvereinigung bei der Versorgung ihrer Mitglieder die weiteren Voraussetzungen des§ 2 Abs. 1 UStG erfüllt, also insbesondere selbständig eine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Lediglich die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darf im Einzelfall fehlen. 517 Dies entspricht dem Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer: Ziel des Umsatzsteuergesetzes ist es, die Einkommensverwendung des Verbrauchers zu besteuern. Danach muss es prinzipiell unerheblich sein, in welcher Weise der Verbraucherversorger seinen Abnehmer fmdet. 518 § 2 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz UStG stellt also für den Fall der Tätigkeit einer Personenvereinigung klar, dass - ebenso wie bei anderen Unternehmern - eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht zwingend erforderlich ist.

515 Siehe oben, S. 41. 516 Siehe oben, S. 170 ff. Bei der nachhaltigen Nutzungsüberlassung ist die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr demgegenüber entbehrlich. 517 Vgl. Georgy, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 430 f.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG § 2, Rdnr. 403 f. 518 So auch Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 403.

183

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

c)

Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie?

In Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, auch solche Personen als Steuerpflichtige zu behandeln, die nur gelegentlich wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben. Fraglich ist, ob der deutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

aa)

§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG

Wie oben erläutert stellt § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG keine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie dar. 519 bb)

§ 2a Satz 1 UStG

Man könnte annehmen, der deutsche Gesetzgeber habe die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie durch § 2a Satz 1 UStG umgesetzt. 520 Nach § 2a Satz 1 UStG wird derjenige, der im Inland ein neues Fahrzeug liefert, das bei seiner Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, für diese Lieferung wie ein Unternehmer behandelt, wenn er nicht Unternehmer i.S. des § 2 UStG ist. Diese Vorschrift setzt jedoch nicht Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie um. Vielmehr ist § 2a UStG eine Umsetzung von Art. 28a Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie, wonach als Steuerpflichtiger auch jede Person gilt, die gelegentlich ein neues Fahrzeug nach Maßgabe des Art. 28c TeilAder 6. EG-Richtlinie, also in das übrige Gemeinschaftsgebiet liefert. 521 Diese Vorschrift erweitert somit nicht den Unternehmerbegriff, sondern fingiert die Unternehmereigenschaft für den Fall der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Neufahrzeugs. 522 § 2a UStG ist somit keine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie.

cc)

Abschn. 16 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStR 2000

Fraglich ist, ob in Abschn. 16 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStR 2000 eine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie zu sehen ist. Danach ist eine Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes dann Unternehmer, wenn diese die Bauverträge alleine mit dem Auftraggeber abschließt. Da eine Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes i.d.R. nur gelegentlich tätig ist, könnte in der

519 Siehe oben, S. 170 ff. 520 Ähnlich Georgy, in: Plückebaurn!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 11; Reiß, in: Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 30. 521 So auch Stadie, in: Rau!Diirrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2a, Rdnr. 1; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2a, Rdnr. 1; Schuhmann, in: Hundt-Eßwein!Schuhmann, UStG, 1998, § 2a, Rdnr. 1; Leonard, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2a, Rdnr. 1. 522 So auch Schuhmann, in: Hundt-Eßwein/Schuhmann, UStG, 1998, § 2a, Rdnr. 1.

184

Wirtschaftliche Tätigkeit

Vorschrift eine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie zu sehen sein. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob durch eine Steuerrichtlinie eine EG-Richtlinie umgesetzt werden kann. Steuerrichtlinien sind allgemeine Gesetzesanwendungsvorschriften und somit Verwaltungsvorschriften.523 Fraglich ist, ob EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften umgesetzt werden können. Mit dieser Frage beschäftigte sich der EuGH im Urteil vom 30.5.1991 in der Rechtssache "Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland"524 . Hier führte der EuGH aus, die Umsetzung einer EG-Richtlinie verlange nicht notwendigerweise die förmliche und wörtliche Wiedergabe in einer ausdrücklichen und besonderen Gesetzesvorschrift, es könne ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleiste, dass - soweit die Richtlinie Ansprüche des Einzelnen begründen solle - die Begünstigten in der Lage seien, von all ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und sie gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten gelten zu machen. 525 Fraglich ist, ob Umsatzsteuer-Richtlinien ein solch verbindlicher Charakter zukommt, dass der Einzelne auf Grund dieser Vorschrift in der Lage ist, Vorsteueransprüche gerichtlich geltend zu machen. UmsatzsteuerRichtlinien binden als Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nur die nachgeordneten Behörden und Bediensteten kraft ihrer Gehorsamspflicht, nicht jedoch den Steuerpflichtigen und die Steuergerichte. Insbesondere begründen Verwaltungsvorschriften keine Rechte und Pflichten für die Steuerpflichtigen.526 Somit ist davon auszugehen, dass der genannten UStRVorschrift keine ausreichende Verbindlichkeit zukommt. Folglich ist in Abschn. 16 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStR 2000 keine Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie zu sehen.

523 Vgl. Hahn!Kortschak, Lehrbuch der Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 19; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 5, Rdnr. 23. 524 EuGH, Urt. v. 30.5.1991- Rs. C-361/88 (K!Deutschland), EuGHE 1991,1-2567. 525 Vgl. EuGH, Urt. v. 30.5.1991 - Rs. C-361188 (K/Deutschland), EuGHE 1991, 1-2567 (2600 f., Rdnr. 15). 526 Vgl. Lang, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 5, Rdnr. 25; Hahn!Kortschak, Lehrbuch der Umsatzsteuer, 2000, Rdnr. 19. Ähnlich äußerte sich auch das BVerfG [Beseht. v. 31.5.1988- 1 BvR 520/83, NJW 1988, 666 (667)] zu einer Richtlinie im Bereich des Steuerrechts: "Allgemeine Verwaltungsvorschriften [... ] sind keine Gesetze i.S. des Art. 20 III GG und des Art. 97 I GG [d.h. im Sinne der Bindung des Richters an das Gesetz]."

185

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

Somit hat der deutsche Gesetzgeber von der in Art. 4 Abs. 3 der 6. EGRichtlinie eingeräumten Möglichkeit, auch gelegentliche wirtschaftliche Tätigkeiten der Umsatzsteuer zu unterwerfen, keinen Gebrauch gemacht hat. 527

d)

Zusammenfassung

Die Unternehmerische Tätigkeit des § 2 Abs. 1 UStG ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet. 1.

Die Sätze 1 und 3 des § 2 Abs. 1 UStG regeln zwei unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Tatbestände. Beruflich ausgeübte Tätigkeiten fallen unter § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, während privat ausgeübte Tätigkeiten unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG tmternehmerisch sind.

2.

Die Unterscheidung "gewerblich oder beruflich" ist lediglich historisch zu erklären und bringt zum Ausdruck, dass die beruflich ausgeübten Tätigkeiten in einem weiten Sinne zu verstehen sind. Die beruflich ausgeübte Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist typologisch anhand einiger Kriterien zu bestimmen. Diese Merkmale sind dem abstrakten Typus des selbständig beruflich Tätigen zu entnehmen und gegeneinander abzuwägen. Den Kriterien "Planmäßigkeit" und "Gewinnerzielungsabsicht" ist ein hoher Indizcharakter einzuräumen: Ist eine regelmäßige Tätigkeit planmäßig und auf Gewinn gerichtet, so ist im Regelfall von einer beruflichen Tätigkeit auszugehen. Liegt eines oder beide dieser Kriterien nicht vor, ist anhand weiterer Kriterien eine abschließende Bewertung vorzunehmen, ob von einer beruflichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Hierzu ist auch ein Gegenvergleich mit privaten Tätigkeiten möglich. Derberuflichen Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist die regelmäßige Leistungserbringung immanent. Ein gelegentliches Tätigwerden genügt nicht.

3.

Privat ausgeübte Tätigkeiten sind nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG unternehmerisch. Der zu weite Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist richtlinienkonform dahingehend einzuschränken, dass nicht jede private Tätigkeit unternehmefisch sein kann, sondern nur Nutzungsüberlassungen an körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen. Ebenso wie auf Ebene der 6. EG-

527 So auch WCL, BB 1996, 2129; Probst, DStJG 13 (1990), 137 (148 f.). Nach Reiß (in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998 § 14, Rdnr. 104) besteht bei der gegenwärtigen Gesetzlage mit eigener Grunderwerbsteuer kein Bedürfnis gelegentliche Grundstückslieferungen unter den Begriff des Unternehmers zu fassen.

186

Wirtschaftliche Tätigkeit

Richtlinie kann die private Nutzungsüberlassung von Kapital die Unternehmereigenschaft nicht begründen. Die Nutzungsüberlassung muss auf Dauer mit der Absicht der Erzielung von Einnahmen ausgeübt werden. Die nachhaltige Nutzungsüberlassung wird klassifikatorisch bestimmt. 4.

§ 2 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz UStG stellt für die Personenvereinigungen klar, dass eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr keine unverzichtbare Voraussetzung für die Unternehmerische Tätigkeit ist.

5.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie wurde vom deutschen Gesetzgeber nicht umgesetzt. Somit können gelegentlich ausgeübte Tätigkeiten nicht die Unternehmereigenschaft begründen.

111.

Zwischenergebnis

Sowohl Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie als auch § 2 Abs. 1 UStG beschreiben zwei unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Tatbestände der wirtschaftlichen/unternehmerischen Tätigkeit. Die beruflich ausgeübte Tätigkeit wird sowohl in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie als auch in§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG typologisch bestimmt. Die berufliche Tätigkeit muss regelmäßig ausgeübt werden. Der insoweit unklare Wortlaut des § 2 Abs. 1 UStG ist dahingehend richtlinienkonform auszulegen. Die Merkmale, nach denen die berufliche Tätigkeit in der 6. EGRichtlinie und im UStG zu bestimmen ist, stimmen inhaltlich überein. Die nichtberufliche Tätigkeit ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie und des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG wirtschaftlichlunternehmerisch. Nur die dauerhafte Nutzungsüberlassung mit der Absicht der Einnahmenerzielung begründet die Unternehmereigenschaft. Der zu weite Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist daher richtlinienkonform einzuschränken. Die nichtberufliche Nutzungsüberlassung an Kapital begründet weder auf Ebene der 6. EG-Richtlinie noch im deutschen Umsatzsteuerrecht die Unternehmereigenschaft Unterschiede bestehen hingegen im Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie und des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG: Während die EG-Richtlinie von einer "Nutzung zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" spricht, erfordert die Umsetzungsvorschrift die "nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen". Die EG-Richtlinie stellt mithin auf die Absicht nachhaltiger Einnahmenerzielung ab, wohingegen § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG die Nachhaltigkeit der Tätigkeit anspricht, die in der Absicht der Einnahmenerzielung 187

Tätigkeit des Um;atzsteuerpflichtigen

ausgeübt werden muss. Hierin ist jedoch kein materiell-rechtlicher Unterschied zu sehen: Diese in der Richtlinie erwähnte nachhaltige Einnahmenerzielung ist Folge der nachhaltigen Duldung eines Eingriffs. Die ,,nachhaltige Nutzung von Gegenständen zur Erzielung von Einnahmen" und die "Nutzung von Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" beinhalten somit das Gleiche. 528 Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie, durch welche die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, auch gelegentlich Tätige als Steuerpflichtige zu betrachten, wurde vom deutschen Gesetzgeber nicht umgesetzt. Daher kann eine gelegentliche Tätigkeit keine Unternehmereigenschaft begründen. Somit ist in § 2 Abs. 1 UStG, die Frage der unternehmerischen Tätigkeit betreffend, -bei zutreffender Auslegung - eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen.

C.

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Lebhaft diskutiert wird die Frage, wann die wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der 6. EG-Richtlinie bzw. die unternehmerische Tätigkeit des deutschen UStG beginnt. Diese Frage ist insbesondere im Hinblick auf die Vorsteuerabzugsberechtigung für ein in der Entstehungsphase gescheitertes Unternehmen praxisrelevant

I.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

1.

Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt derjenige, "wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten [... ] ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis", als Steuerpflichtiger. Wirtschaftliche Tätigkeiten sind nach Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen und nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt. "529

528 So auch Reiß, in Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 38; Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1/97, 79; WCL, BB 1997, 81; a.A., allerdings ohne nähere Begründung: WB, DStR 1996, 1687. 529 Hervorhebung nicht im Original.

188

Tätigkeit des Um;atzsteuerpflichtigen

ausgeübt werden muss. Hierin ist jedoch kein materiell-rechtlicher Unterschied zu sehen: Diese in der Richtlinie erwähnte nachhaltige Einnahmenerzielung ist Folge der nachhaltigen Duldung eines Eingriffs. Die ,,nachhaltige Nutzung von Gegenständen zur Erzielung von Einnahmen" und die "Nutzung von Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen" beinhalten somit das Gleiche. 528 Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie, durch welche die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, auch gelegentlich Tätige als Steuerpflichtige zu betrachten, wurde vom deutschen Gesetzgeber nicht umgesetzt. Daher kann eine gelegentliche Tätigkeit keine Unternehmereigenschaft begründen. Somit ist in § 2 Abs. 1 UStG, die Frage der unternehmerischen Tätigkeit betreffend, -bei zutreffender Auslegung - eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu sehen.

C.

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Lebhaft diskutiert wird die Frage, wann die wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der 6. EG-Richtlinie bzw. die unternehmerische Tätigkeit des deutschen UStG beginnt. Diese Frage ist insbesondere im Hinblick auf die Vorsteuerabzugsberechtigung für ein in der Entstehungsphase gescheitertes Unternehmen praxisrelevant

I.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

1.

Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt derjenige, "wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten [... ] ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis", als Steuerpflichtiger. Wirtschaftliche Tätigkeiten sind nach Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen und nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt. "529

528 So auch Reiß, in Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 38; Weymüller, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1/97, 79; WCL, BB 1997, 81; a.A., allerdings ohne nähere Begründung: WB, DStR 1996, 1687. 529 Hervorhebung nicht im Original.

188

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

2.

Auslegung

Mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt die wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der 6. EG-Richtlinie beginnt, hat sich der EuGH bereits mehrfach beschäftigt. Auch das Schrifttum hat sich ausführlich dieser Problematik angenommen.

a)

Rechtsprechung

Aus der Rechtsprechung des EuGH sind zum Problem des Beginns der wirtschaftlichen Tätigkeit vier Entscheidungen von Interesse.

aa)

EuGH, Urt. v. 4.2.1985 - Rs. 268/83 - "Rompelman"

Die bereits oben erwähnte Entscheidung "D.A. Rompelman und E.A. Rompelman-Van Deelen gegen Minister van Financien"530 basierte auf folgendem Sachverhalt: Die Eheleute Rompelman erwarben mit zwei schriftlichen Verträgen vom 25.11.1978 einen Anspruch auf zwei Einheiten eines seit dem 1.9.1978 im Bau befindlichen Gebäudes in Verbindung mit einem Erbbaurecht an dem zugehörigen Grundstück. Im Bauplan waren die beiden Einheiten als "Ausstellungsräume" bezeichnet. Mit Schreiben vom 26.6.1979 teilten die Eheleute der Finanzverwaltung mit, dass die Ausstellungsräume an Unternehmer vermietet werden sollten und dass Vermieter und Mieter zu gegebener Zeit beantragen würden, von der für den Fall der Vermietung vorgesehenen Befreiung von der Umsatzsteuer ausgenommen zu werden. Am 18.10.1979 gaben die Eheleute Rompelman für das erste bis dritte Quartal1979 eine Umsatzsteuererklärung ab, in der sie die Erstattung der gezahlten Vorsteuer in Höhe von 14.186,46 HFL beantragten. Die notarielle Urkunde zur Übertragung der Teilerbbaurechte wurde erst am 31.10.1979 ausgefertigt; die Ausstellungsräume waren daher bei Abgabe der Steuererklärung noch nicht vermietet. Die Finanzverwaltung lehnte den Erstattungsantrag ab. Nachdem der in erster Instanz zuständige Gerechtshof diese Entscheidung bestätigt hatte, legte der daraufhin angerufene Hoge Raad der Nederlanden dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: 531 "Muß von einer Nutzung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie schon von dem Zeitpunkt an gesprochen werden, in dem je530 EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompelrnan), EuGHE 1985, 655; siehe oben, s. 95. 531 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompelrnan), EuGHE 1985, 655 (661 f., Rdnr. 3 ff.).

189

Tätigkeit des Umsatzsteuerpt1ichtigen

mand einen zukünftigen Gegenstand in der Absicht kauft, ihn zu gegebener Zeit zu vermieten?" 532 In Übereinstimmung mit den Schlussanträgen des Generalanwalts 533 entschied der EuGH, dass der Erwerb eines Anspruchs auf Übertragung eines Teilerbbaurechts an einem noch zu errichtenden Gebäude in der Absicht, den erworbenen Gegenstand zu gegebener Zeit zu vermieten, als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie anzusehen sei.s34 Wie sich schon aus der in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie verwendeten Formulierung "alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden" ergebe, könnten die wirtschaftlichen Tätigkeiten i.S.v. Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie mehrere aufeinander folgende Handlungen umfassen. Die zu diesen gehörenden vorbereitenden Tätigkeiten, wie der Erwerb der für die Nutzung erforderlichen Mittel und damit der Kauf eines Grundstücks, seien bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen. Dabei sei nicht nach den verschiedenen Rechtsformen dieser vorbereitenden Handlungen zu differenzieren und insbesondere kein Unterschied zwischen einem Anspruch auf künftiges Eigentum und der Erlangung des Eigentums selbst zu machen. Außerdem verlange der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmens, dass schon die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke des Unternehmens oder zu dessen Verwirklichung getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen würden. Es würde dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zuwiderlaufen, wenn als Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit erst der Zeitpunkt angesetzt würde, von dem an das Grundstück tatsächlich genutzt werde, d.h. die zu versteuernden Einkünfte entstünden. Bei jeder anderen Auslegung des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie würde der Wirtschaftsteilnehmer mit den Mehrkosten belastet, ohne dass er sie gemäß Art. 17 der 6. EG-Richtlinie abziehen könnte, und es würde willkürlich zwischen Investitionsausgaben vor und während der tatsächlichen Nutzung eines Gtundstücks unterschieden. Selbst wenn vorgesehen wäre, dass die für die vorbereitenden Handlungen gezahlte Vorsteuer nach Aufnahme der tatsächlichen Nutzung eines Grundstücks erstattet werde, würde auf dem Gegenstand wegen des manchmal sehr langen Zeitraums zwischen den ersten In532 EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompelman), EuGHE 1985, 655 (662, Rdnr. 10). 533 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Slynn vom 15.11.1984, EuGHE 1985, 656 ff. 534 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompelman), EuGHE 1985, 655 (666, Rdnr. 25).

190

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

vestitionsausgaben und der tatsächlichen Nutzung eine finanzielle Belastung ruhen. Wer solche in engem Zusammenhang mit der künftigen Nutzung eines Grundstücks stehenden und für diese erforderlichen Investitionshandlungen vomehme, sei daher als Steuerpflichtiger i.S. des Art. 4 der 6. EGRichtlinie anzusehen. Der Abgabenverwaltung stehe es jedoch frei, objektive Belege für die erklärte Nutzungsabsicht zu verlangen. 535

bb)

EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94- "INZO"

Der Entscheidung "Intercommunale voor zeewaterontzilting (INZO), in Liquidation, gegen Belgiseher Staat"536 lag folgender Tatbestand zu Grunde: Die INZO wurde im Jahre 1974 u.a. von den Provinzen West- und Ostflandem und einer Reihe von Gemeinden errichtet, um Verfahren im Zusammenhang mit der Behandlung von See- und Brackwasser zu entwickeln und dieses Wasser zu Ttinkwasser zu verarbeiten. Zu diesem Zweck erwarb die INZO bestimmte Ausrüstungsgegenstände und gab eine Rentabilitätsstudie hinsichtlich des Baus einer Wasserentsalzungsanlage in Auftrag. Die angefallene Vorsteuer wurde ihr antragsgemäß erstattet. Als die Studie des Vorhabens zahlreiche Rentabilitätsprobleme aufzeigte und sich einige Investoren zmückzogen, wurde das Vorhaben im Jahre 1988 aufgegeben und die INZO liquidiert. Bereits im Jahre 1983 stellte die Steuerbehörde anlässtich einer Steuerprüfung fest, dass die INZO keine steuerbaren Umsätze getätigt hatte. Sie forderte deshalb die der INZO von 1978 bis 1982 erstattete Mehrwertsteuer in Höhe von 4.913.001 BFR zuzüglich 736.500 BFR Geldbuße und Verzugszinsen zurück. Die gegen diese Entscheidung angerufene Rechtsbank van eerste aanleg Brügge setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: 537 "Ist die Tätigkeit einer zu einem genau bestimmten Zweck ("Erforschung und Studium, Aufbau und Anwendung sowie Förderung aller Verfahren zur Behandlung, zur Gewinnung und zum Verkauf von See- und Brackwasser") errichteten Gesellschaft, die in concreto nur darin bestand, eine umfangreiche Rentabilitätsstudie hinsichtlich des zu entwickelnden Verfahrens, die dann die fehlende Rentabilität aufzeigte und zugleich zur Liquidation der 535 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985 - Rs. 268/83 (Rompelrnan), EuGHE 1985, 655 (665, Rdnr. 22 ff.). 536 EuGH, Urt. v. 29.2.1996 - Rs. C-11 0/94 (INZO), EuGHE 1996, I-857. 537 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996 - Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, I-857 (874, Rdnr. 7 ff.).

191

Tlitigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Gesellschaft führte, in Auftrag zu geben und zu bezahlen, als eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie vom 17. Mai 1977 anzusehen ?"538 Der Generalanwalt wies in seinen Schlussanträgen darauf hin, dass die "Rompelman"-Entscheidung539 auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar sei, da zum Zeitpunkt dieses EuGH-Urteils die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit bereits aufgenommen worden sei. Der Gerichtshof habe ausgeführt, vorbereitende Tätigkeiten seien der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen. Dies bedeute aber, dass vorbereitende Handlungen selbst noch keine wirtschaftlichen Tätigkeiten darstellten, aber als solche zu behandeln seien. Die eigentliche Frage sei, ob eine Entscheidung der nationalen Behörde, eine Handlung als Vorbereitungshandlung anzusehen und den Handelnden als Steuerpflichtigen mit Recht auf Vorsteuerabzug zu registrieren, rückgängig gemacht werden könne, wenn feststehe, dass die geplante wirtschaftliche Tätigkeit nie aufgenommen und keine steuerbaren Umsätze getätigt worden seien. Eine nachträgliche Rückforderung der erstatteten Vorsteuer scheitere jedenfalls nicht generell aus Gründen des Vertrauensschutzes. Dies zeige bereits die Vorschrift des Art. 20 der 6. EG-Richtlinie: Wenn es von der 6. HGRichtlinie ausdrücklich vorgesehen sei, bei einer Änderung des Betrages des Vorsteuerabzugs, z.B. bei nachträglich eingeräumten Rabatten, den gewährten Vorsteuerbetrag zurückzufordern, so müsse der Vorsteuerabzug erst recht geändert werden, wenn eigentlich keine wirtschaftliche Tätigkeit vorliege und somit kein Recht auf Vorsteuerabzug gegeben sei. Falls sich in Einzelfallen besondere Probleme des Vertrauensschutzes ergäben, so sei es Sache der nationalen Gerichte, dies im Rahmen der nationalen Regeln zu entscheiden.s4o Auch der Grundsatz der Steuerneutralität spreche nicht gegen die Rückforderung des Vorsteuerabzugs. Im vorliegenden Fall sei keine wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen worden. Es würde nach der Ansicht des Generalanwalts vielmehr dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität widersprechen, wenn der gewährte Vorsteuerabzug nicht zurückgezahlt würde. Für eine Tätigkeit, die keine wirtschaftliche Tätigkeit sei, werde kein Vorsteuerabzug

538 EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857 (875, Rdnr. 13). 539 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompe1man), EuGHE 1985, 655; siehe oben, S. 189 ff. 540 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 23.11.1995, EuGHE 1996, 1-859 (864 f.).

192

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

gewährt. Vorbereitungshandlungen würden insofern anders behandelt, weil und wenn sie einer späteren wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet werden könnten. Sei dies jedoch nicht möglich, weil es an einer späteren wirtschaftlichen Tätigkeit fehle, so sei ein Vorsteuerabzug nicht möglich. Die Absicht alleine, wirtschaftlich tätig zu sein, reiche jedenfalls nicht aus, um jemanden als Steuerpflichtigen anzusehen. Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie spreche davon, dass derjenige Steuerpflichtiger sei, der eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe - nicht jemand der ein solches Tätigwerden nur beabsichtige. Vielmehr sei derjenige, der keine Umsätze ausführe und somit am Ende der Umsatzkette stehe, einem Endverbraucher gleichzustellen. Für dieses Ergebnis spricht nach Ansicht des Generalanwalts auch die Missbrauchsgefahr: Die Absicht einer Person oder Gesellschaft, wirtschaftlich tätig zu werden, sei im Voraus schwer festzustellen. Eine Täuschung sei daher sehr leicht und deshalb sei die Missbrauchsgefahr entsprechend hoch. Schon alleine aus diesem Grund müsse es möglich sein, im Nachhinein Kontrollen und Korrekturen des Vorsteuerabzugs vorzunehmen. 541 Daher könne, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit nicht aufgenommen werde, die Vorbereitungshandlung allein nicht als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden. Der bereits gewährte Vorsteuerabzug könne, unter Beachtung des Vertrauensschutzes durch das nationale Gericht, zurückverlangt werden.s4z Der EuGH wich in seiner Entscheidung von den Schlussanträgen des Generalanwalts ab. Aus dem "Rompelman"-Urteil 543 folge, dass selbst die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens getätigt würden, als wirtschaftliche Tätigkeiten i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie angesehen werden könnten. Die Steuerbehörde habe in diesem Zusammenhang die erklärte Absicht des Unternehmens zu berücksichtigen. Habe die Steuerbehörde die Eigenschaft einer Gesellschaft, die ihre Absicht erklärt habe, eine zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, als Steuerpflichtige anerkannt, so könne die Durchführung einer Studie über die technischen und wirtschaftlichen Aspekte der beabsichtigten Tätigkeit somit als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 der 6. EGRichtlinie angesehen werden, selbst wenn der Zweck dieser Studie in der Prüfung bestünde, inwieweit die beabsichtigte Tätigkeit rentabel sei. Die für 541 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 23.11.1995, EuGHE 1996, 1-859 (866 f.). 542 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 23. I I. 1995, EuGHE 1996, 1-859 (868). 543 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985 - Rs. 268/83 (Rompelman), EuGHE 1985, 655; siehe oben, S. I 89 ff.

193

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

eine solche Rentabilitätsstudie entrichtete Mehrwertsteuer könne folglich grundsätzlich nach Art. 17 der 6. EG-Richtlinie abgezogen werden. Dieser Abzug bleibe auch berechtigt, wenn später auf Grund der Studie beschlossen worden sei, nicht in die werbende Phase einzutreten und die Gesellschaft zu liquidieren, so dass die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht zu steuerbaren Umsätzen geführt habe. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbiete, dass die von der Steuerbehörde festgestellten Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen von Tatsachen, Umständen oder Ereignissen abhängen könnten, die nachträglich eingetreten seien. 544 Eine andere Auslegung verstoße im Übrigen gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmens. Sie könnte bei der steuerlichen Behandlung von gleichen Investitionstätigkeiten zu nicht gerechtfertigten Unterscheidungen zwischen Unternehmen, die schon steuerbare Umsätze tätigten, und solchen Unternehmen führen, die durch Investitionen versuchten, Tätigkeiten aufzunehmen, die zu steuerbaren Umsätzen führen würden. Es würden auch willkürliche Unterscheidungen zwischen diesen letzten Unternehmen getroffen, da die endgültige Zulassung der Abzüge von der Frage abhinge, ob solche Investitionen zu steuerbaren Umsätzen führten oder nicht. 545 Die Eigenschaft als Steuerpflichtiger werde jedoch nur dann endgültig erlangt, wenn die Erklärung, die beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, vom Betroffenen in gutem Glauben abgegeben worden sei. In Fällen von Betrug oder Missbrauch könne die Steuerbehörde rückwirkend die Erstattung der abgezogenen Beträge verlangen, da diese Abzüge auf Grund falscher Erklärungen gewährt worden seien.546 cc)

EuGH, Urt. v. 21.3.2000- Rs. C-110/98 bis C-147/98- "Gabalfrisa"

In der Entscheidung "Gabalfrisa SL u.a. gegen Agencia Estatal de Administraci6n Tributaria (AEAT)"547 hatte der EuGH die Gelegenheit, anlässlich einer Vorlagefrage zur spanischen Regelung des Vorsteuerabzugs sich zum Begriff des Steuerpflichtigen zu äußern. 544 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857 (876 f., Rdnr. 17 ff.). 545 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996 - Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857 (877, Rdnr. 22). 546 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857 (878, Rdnr. 24). 547 EuGH, Urt. v. 21.3.2000- Rs. C-110/98 bis C-147/98 (Gaba1frisa), EuGHE 2000, 11577.

194

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Er führte aus, als Steuerpflichtiger müsse gelten, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht habe, i.S.v. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätige. Da er als Steuerpflichtiger handele, habe er nach den Art. 17 ff. der 6. EG-Richtlinie das Recht auf sofortigen Abzug der für lnvestitionsausgaben, die für Zwecke seiner beabsichtigten, das Abzugsrecht eröffnenden Umsätze getätigt wurden, geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer und brauche die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs seines Unternehmens nicht abzuwarten. 548

dd)

EuGH, Urt. v. 8.6.2000 - Rs. C-400/98 - "Breitsohl"

Während der EuGH im Urteil "Grundstücksgemeinschaft Schloßstraße GbR gegen Finanzamt Paderborn"549 zur Frage des Beginns der wirtschaftlichen Tätigkeit die Aussagen aus den Rechtssachen "INZ0"550 und "Gabalfrisa"551 lediglich bestätigte552, baute er seine Rechtsprechung in der Entscheidung ,,Finanzamt Goslar gegen Brigitte Breitsohl"553 diesbezüglich weiter aus. Das Urteil basierte auf folgendem Sachverhalt: Brigitte Breitsohl bemühte sich 1989 bei einem Automobilhersteller um einen Händlervertrag. Dieser wurde ihr mit Schreiben vom 14. April1989 unter bestimmten Voraussetzungen in Aussicht gestellt. Im Februar 1990 meldet Brigitte Breitsohl einen Gewerbebetrieb "Verkauf und Reparatur von Kraftfahrzeugen" an und erwarb ein unbebautes Grundstück, das als Betriebsstätte für die Tätigkeit dienen sollte. Im April 1990 beauftragte sie einen Bauunternehmer mit der Errichtung einer Kraftfahrzeugwerkstatt auf dem Grundstück. Als sich eine voraussichtliche Steigerung der Gesamtkosten um 230.000 DM ergab, war die Bank, die den Bau finanzierte, nicht bereit, diese Mehrkosten zu finanzieren. Am 22. Mai 1990 stellte das Bauunternehmen wegen der unklaren Finanzierungssituation die Arbeiten ein. Da sich Brigitte Breitsohl nicht mehr in der Lage sah, das Grundstück vollständig zu bebauen und den Geschäftsbetrieb aufzunehmen, veräußerte sie das Grundstück mit den bereits errichteten Baulichkeiten. 548 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.3.2000 - Rs. C-110/98 bis C-147/98 (Gabalfrisa), EuGHE 2000, 1-1577 (1614, Rdnr. 47). 549 EuGH, Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EuGHE 2000, 1-4279. 550 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857; siehe oben, S. 191. 551 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.3.2000 - Rs. C-110/98 bis C-147/98 (Gabalfrisa), EuGHE 2000, 1-1577. 552 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EuGHE 2000, 1-4279 (4314 ff., Rdnr. 36, 39 ff). 553 EuGH, Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-400/98 (Breitsohl), EuGHE 2000, 1-4321.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1990 gab sie steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 43.859 DM und als abziehbare Vorsteuer 13.900,11 DM an. Daraus ergab sich ein Überschuss zu ihren Gunsten von 7.759,90 DM. In den Voranmeldungen hatte sie die Vorsteuerbeträge nicht geltend gemacht. Das Finanzamt Goslar erkannte den geltend gemachten Vorsteuerabzug nicht an. Die Einspruchsentscheidung begründete das Finanzamt damit, Brigitte Breitsohl sei mangels nachhaltiger Umsätze nicht Unternehmetin und damit auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Sie schulde nur die in der erteilten Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer. Nachdem Brigitte Breitsohl in erster Instanz obsiegt hatte, setzte der für die Revision zuständige Bundesfinanzhof das Verfahren aus und legte dem EuGH u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: 554

"1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-110/94, INZO, Slg. 1996, 1-857) können selbst die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 der Richtlinie 77/388/EWG angesehen werden. Die Steuerbehörde hat die in diesem Zusammenhang erklärte Absicht des Unternehmens zu berücksichtigen. Die danach zuerkannte Eigenschaft als Steuerpflichtiger kann grundsätzlich nicht wegen des Eintritts oder Nichteintritts bestimmter Ereignisse nachträglich aberkannt werden (Grundsatz der Rechtssicherheit). Das gilt auch für den Vorsteuerabzug aus den Investitionsmaßnahmen. Ist nach diesen Grundsätzen das Recht auf Vorsteuerabzug (Artikel 17 der Richtlinie 77/388/EWG) aus sogenannten Gründungsinvestitionen auch dann aufgrund der Absicht, zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen, zuzusprechen, wenn der Finanzbehörde bereits bei der erstmaligen Steuerfestsetzung bekannt ist, daß die beabsichtigte, zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich nicht aufgenommen wurde?"555 Der EuGH bestätigte seine Auffassung aus der Rechtssache "Gabalfrisa"556 , als Steuerpflichtiger habe zu gelten, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht habe, i.S.v. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie eine wirtschaftliche 554 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-400/98 (Breitsohl), EuGHE 2000, 1-4321 (4363 ff., Rdnr. 14 ff.). 555 EuGH, Urt. v. 8.6.2000 - Rs. C-400/98 (Breitsohl), EuGHE 2000, 1-4321 (4368, Rdnr. 28). 556 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.3.2000 - Rs. C-110/98 bis C-147/98 (Gabalfrisa), EuGHE 2000, 1-1577; siehe oben, S. 194.

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Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätige. Als Steuerpflichtiger habe er nach den Art. 17 ff. der 6. EGRichtlinie das Recht auf sofortigen Abzug der für diese Investitionsausgaben geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer und brauche die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs nicht abzuwarten. Die Entstehung des Rechts auf Abzug der für erste Investitionsausgaben entrichteten Mehrwertsteuer hänge nicht von einer förmlichen Zuerkennung der Steuerpflichtigeneigenschaft durch die Steuerverwaltung ab. Diese Zuerkennung bewirke nur, dass diese Eigenschaft, nachdem sie einmal zuerkannt worden sei, dem Steuerpflichtigen außer in Betrugs- oder Missbrauchsfällen nicht mehr rückwirkend aberkannt werden könne, ohne dass gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen werde. Liege kein Fall von Betrug oder Missbrauch vor, gebiete es der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn es einmal entstanden sei, auch dann erhalten bleibe, wenn der Steuerverwaltung bereits bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer bekannt sei, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit, die zu steuerbaren Umsätzen führen sollte, nicht ausgeübt werde. 557 Daher antwortete der EuGH - übereinstimmend mit den Schlussanträgen des Generalanwalts 558 - auf die Frage, die Art. 4 und 17 der 6. EG-Richtlinie seien dahin auszulegen, dass das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer, die für Umsätze entrichtet worden sei, die im Hinblick auf die Ausübung geplanter wirtschaftlicher Tätigkeiten getätigt worden seien, selbst dann fortbestehe, wenn der Steuerverwaltung bereits bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer bekannt sei, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit, die zu steuerbaren Umsätzen führen sollte, nicht ausgeübt werde. 559 ee)

Zusammenfassung

Die Kernaussagen des EuGH aus den genannten Urteilen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.

Sofern die beabsichtigte Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie später ausgeübt wird, sind schon die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke des Unternehmens oder zu dessen Verwirklichung getätigt werden, als "wirtschaftliche Tätigkeit" an-

557 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-400/98 (Breitsohl), EuGHE 2000, I-4321 (4370 ff., Rdnr. 34 ff.). 558 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Colomer vom 16.12.1999, EuGHE 2000, 4324 ff. 559 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-400/98 (Breitsohl), EuGHE 2000, I-4321 (4372, Rdnr. 42).

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

zusehen. Der Abgabenverwaltung steht es frei, objektive Belege für die erklärte Absicht der Ausübung der Tätigkeit zu verlangen. 2.

Wenn jemand seine Absicht erklärt hat, eine zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen und die Steuerbehörde daraufhin die Steuerpflichtigeneigenschaft anerkannt hat, kann bereits die Vorbereitungshandlung als "wirtschaftliche Tätigkeit'' i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie angesehen werden. Außer in Fällen von Betrug oder Missbrauch kann die Steuerpflichtigeneigenschaft nicht rückwirkend aberkannt werden, wenn nach der Vorbereitungshandlung beschlossen wird, die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht aufzunehmen, so dass die vorbereitende Tätigkeit nicht zu steuerbaren Umsätzen führt.

3.

Als Steuerpflichtiger gilt, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, i.S.v. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt. Da er als Steuerpflichtiger handelt, hat er das Recht auf sofortigen Abzug der Mehrwertsteuer für diese Investitionsausgaben und braucht die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs seines Unternehmens nicht abzuwarten. Das Recht auf Vorsteuerabzug bleibt auch dann erhalten, weun der Steuerverwaltung bereits bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer bekannt ist, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit, die zu steuerbaren Umsätzen führen sollte, nicht ausgeübt werden wird.

b)

Literatur

Auch das Schrifttum hat sich mit der Problematik des Beginns der wirtschaftlichen Tätigkeit beschäftigt. Insbesondere die "INZO"-Entscheidung stieß auf starke Resonanz. aa)

"Rompelman"-Entscheidung

Soweit sich die Literatur mit der "Rompelman"-Entscheidung beschäftigt hat, stimmt sie dem EuGH zu. 560 Der Auffassung des EuGH, die Gründungsbezüge bzw. Anlaufkosten zur untemehmerischen Tätigkeit zu rechnen, sei überzeugend. Auch das Erfordernis, die Absicht untemehmerischer Verwendung zu belegen, wird positiv und mit der deutschen Rechtspraxis übereinstimmend bewertet. Der EuGH 560 Vgl. Weiß, UR 1985, 201; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 509 f.; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 134; Georgy, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 450 ff.

198

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

habe die Unternehmereigenschaft unter gewissen Umständen nicht mehr davon abhängig gemacht, dass der Betroffene eine auf Entgeltserzielung gerichtete Tätigkeit entfaltet. Einem Unternehmensgründer könnten die Vorsteuerbeträge aus der Gründungsphase jedoch nur dann gewährt werden, wenn der Gründer bereits deshalb als Unternehmer beurteilt werde, weil er eine auf Einnahmenerzielung gerichtete Tätigkeit entfalte, und die Gründungsbezüge nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung mit den in späteren Zeiträumen anfallenden entgeltlichen Leistungen verknüpft werden könnten. 561

bb)

"INZO"-Entscheidung

Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache "INZO" findet die überwiegende Zustimmung des Schrifttums. 562 Es wird eine Abweichung zur Rechtsprechung des BFH gesehen, die dieser trotz massiver Kritik der Literatur ausgebaut habe: Der Vorsteuerabzug sei nun nicht mehr von der Erzielung eines entgeltlichen Umsatzes abhängig, wenn nur die ernsthafte Absicht nachgewiesen werde, mittels der Bezüge eine wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen. Die Unternehmereigenschaft stehe somit nicht unter dem Vorbehalt der späteren Ausführung von Umsätzen, wenn feststehe, dass dies z.B. wegen fehlender Rentabilität oder aus andern vernünftigen Gründen unterblieben sei. 563 Mit der Entscheidung sei der EuGH im Vergleich zum Fall "Rompelman" bewusst oder unbewusst einen Schritt weiter gegangen. In der Rechtssache "Rompelman" sei es um den Abzug von Vorsteuern aus einer Investition, die später tatsächlich zu Vermietungsumsätzen geführt habe, gegangen. Diese Vorbereitungshandlungen gehörten zur (späteren) unternehmefischen Tätig561 Vgl. We(ß, UR 1985, 201. 562 Vgl. Nieskens!Tehler, BB 1997, 2134 (2140); Schmidt-Liebig, INF 1996, 327 (329); Dziadkowski, BB 1996, 941 (942); Pflüger, UR 1996, 180 (183); Meilicke, KFR, Fach 7, § 15 UStG, 3196, 223; Grube, DStR 1996, 1235 ff.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 509 f.; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 134 ff.; Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 90. Widmann (UR 1996, 118) stellt heraus, auf dieses Urteil habe die deutsche Wirtschaft wohl wie auf kein anderes seit langem gehofft. Unklar in der Bewertung der Entscheidung: Hundt-Eßwein, NWB, Fach 7, 40/96, S. 4809 (4811 f.); FK, DStR 1996, 420; Birkenfeld, DStR 1996, 1709 (1712); Birkenfeld, UR 1997,241 (247). 563 Vgl. Dziadkowski, UVR 1996, 129 f.; Pflüger, UR 1996, 180 (181 f.); SchmidtLiebig, INF 1996, 327 (329); Widmann, UR 1996, 118; FK, DStR 1996, 420; Meilicke, KFR, Fach 7, § 15 UStG, 3196, 223; Grube, DStR 1996, 1235 f.; Birkenfeld, DStR 1996, 1709 (1711 f.); Birkenfeld, UR 1997, 241 (247); Stadie, in: RaufDürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 524 ff.

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Tatigkeit des Um;atzsteuerpflichtigen

keit. Im Fall "INZO" sei die Gesellschaft jedoch liquidiert worden, ohne dass es zu irgendwelchen Umsätzen gekommen sei. Der EuGH habe den Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit auf den Zeitpunkt vorverlegt, in dem die Absicht, unter Umständen eine Leistung zu erbringen, konkretisiert werde. Dadurch habe der EuGH die vorbereitende Planung in den Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit einbezogen. 564 Der EuGH habe nun klar gemacht, dass auch derjenige Unternehmer ist und bleibt, dessen Unternehmen bereits scheitert, bevor die ersten Umsätze getätigt werden konnten. 565 Positiv wird die Argumentation des EuGH mit dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmers hervorgehoben. Es sei tatsächlich willkürlich, den Vorsteuerabzug von gleichen Investitionstätigkeiten Unternehmern zuzubilligen, die schon steuerbare Umsätze tätigten, und solchen Unternehmen, die durch Investitionen erst versuchten, Tätigkeiten aufzunehmen, den Vorsteuerabzug zu versagen, sobald sie mit ihrem Vorhaben scheitern. 566 Die Entscheidung sei auch unter Verbrauchsteuergesichtspunkten zutreffend: Die INZO sei nicht Endverbraucher, weil sie die bezogenen Leistungen nicht für außerunternehmensehe Zwecke verbraucht habe. Die Leistungsbezüge seien eher mit dem Untergang bezogener Waren vergleichbar. Auch bei "verdorbenen Waren" liege keine besteuerungswürdige unternehmensehe Wertschöpfung vor, da keine Leistungserstellung an Endverbraucher realisiert werde. 567 Uneinheitlich werden hingegen die Aussagen des EuGH zur Anerkennung der Eigenschaft als Mehrwertsteuerpflichtiger durch die Steuerbehörde interpretiert: DZIADKOWSKI kritisiert den EuGH dahingehend, dieser messe in seiner Urteilsbegründung der Registrierung der INZO durch die belgisehe Steuerbehörde eine Bedeutung bei. Dies sei jedoch eine verfahrensrechtliche Frage, die Registrierung sei gerade nicht konstitutiv. 568 Diese Ansicht vertritt auch BIRKENFELD: Ebenso wie DZIADKOWSKI geht er davon aus, dass sich die Steuerpflichtigeneigenschaft ausschließlich nach materiellem Recht beurteilt. Er entnimmt dies jedoch direkt den Aussagen des EuGH: Aus dem 564 Vgl. Dziadkowski, UVR 1996, 129 (131 f.); Schmidt-Liebig, INF 1996, 327 (330). Ähnlich: FK, DStR 1996,420. 565 Vgl. Schmidt-Liebig, INF 1996, 327 (330); Stadie, in: Rau/Dllrrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 526. 566 Vgl. Widmann, UR 1996, 118 f.; Meilicke, KFR, Fach 7, § 15 UStG, 3/96,223 (224); Pflüger, UR 1996, 180 (182); Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 526. 567 Vgl. Dziadkowski, BB 1996,941 (942); Dziadkowski, UVR 1996, 129 (130 f.). 568 Vgl. Dziadkowski, UVR 1996, 129 (132). 200

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Urteil könne nicht abgeleitet werden, dass der EuGH die Anerkennung der Eigenschaft als Mehrwertsteuerpflichtiger durch die Steuerbehörde für den Vorsteuerabzug eines umsatzlosen Steuerpflichtigen voraussetzt. Daher könne die Steuerverwaltung "die alten Ergebnisse" weder durch eine Verweigerung der Zustimmung zur Steueranmeldung noch durch eine vorläufige negative Steuerfestsetzung herbeiführen. 569 Die Aussagen des EuGH zur Missbrauchsgefahr werden unterschiedlich bewertet. Überwiegend wird positiv hervorgehoben, der EuGH habe die Missbrauchsgefahr gesehen und zutreffend herausgestellt, dass in diesen Fällen die wirtschaftliche Tätigkeit nachträglich abzuerkennen sei. 570 STADIE lehnt hingegen die Aussage des EuGH ab, dass die Eigenschaft als Steuerpflichtiger nur dann endgültig erlangt wird, wenn die Erklärung, die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen zu wollen, in "gutem Glauben" abgegeben worden ist: Es könne nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Betroffenen ankommen, ob die geplante Tätigkeit unternehmefisch wäre. Maßgebend sei allein, ob die äußeren Umstände dafür sprächen. Würden diesbezüglich nachträglich Tatsachen bekannt, so könne die Vorsteuervergütungsfestsetzung nach den nationalen Änderungsvorschriften aufgehoben oder geändert werden. 571 cc)

"Gabalfrisa"-Entscheidung

Die "Gabalfrisa"-Entscheidung fmdet im Schrifttum nur geringe Beachtung. 572 Das Urteil habe grundsätzlich keine Auswirkungen auf das deutsche Recht, da es eine spanische Besonderheit in der Ausgestaltung des Vorsteuerabzug betreffe. 573 WAGNER stellt heraus, die Entscheidung zeige, dass das Gemeinschaftsrecht "gestreckte" Prüfungen und Entscheidungen über den Vorsteuerabzug nicht zulasse. Bereits im Zeitpunkt der Geltendmachung des Vorsteueranspruchs habe das Finanzamt endgültig anband der Erklärung zu den beabsichtigten Umsätzen zu entscheiden. 574

569 Vgl. Birkenfeld, DStR 1996, 1709 (1712). 570 Vgl. Widmann, UR 1996, 118 f.; Meilicke, KFR, Fach 7, § 15 UStG, 3/96, 223 (224). Pflüger [UR 1996, 180 (183)] weist daraufhin, dass nach der "INZO"-Entscheidung Missbrauchstalle künftig Verwaltung und Gerichte in größerem Umfang beschäftigen werden. 571 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 527. 572 Vgl. Wagner, UVR 2000,222 f.; o.V., DB 2000, 908. 573 Vgl. o.V., DB 2000, 908. 574 Vgl. Wagner, UVR 2000,222.

201

Tätigkeit des

dd)

U~matzsteuerpflichtigen

"Breitsohl"-Entscheidung

Soweit sich die Literatur zu der angesprochenen Fragestellung im "Breitsohl"-Urteil äußert, stimmt sie den Ausführungen des EuGH zu. 575 Nach der "INZO"-Entscheidung sei die Beantwortung dieser Frage absehbar und wenig überraschend gewesen. 576 Wenn es allein auf die Prognose hinsichtlich der beabsichtigten unternehmefischen Betätigung ankomme, könne es folgerichtig nicht auch noch entscheidend sein, ob zu einem späteren Termin zusätzliche Erkenntnisse über den wirklichen Ablauf der Dinge in der Folgezeit vorlägen. 577 SALZMANN stellt heraus, seit der "INZO"-Entscheidung sei es umstritten gewesen, ob es ein allgemeiner Grundsatz sei, dass Vorbereitungshandlungen für Zwecke des Vorsteuerabzugs einer tatsächlichen Umsatztätigkeit des Wirtschaftsteilnehmers gleichstehen. Der EuGH habe mit der "Breitsohl"Entscheidung nunmehr eine endgültige Klärung zu Gunsten der Wirtschaftsteilnehmer herbeigeführt. Es komme denmach nicht mehr auf die spätere tatsächliche Verwendung an, sondern es genüge die objektivierte Absicht, zu Umsätzen führende wirtschaftliche Aktivitäten aufzunehmen. 578

c)

Stellungnahme

Die Steuerpflichtigeneigenschaft setzt grundsätzlich voraus, dass jemand durch das regelmäßige Erbringen von Leistungen beruflich tätig ist oder dauerhaft Gegenstände zur Nutzung überlässt. 579 Daher beginnt die wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie spätestens mit der ersten Leistungstätigkeit Fraglich ist jedoch, ob die Steuerpflichtigeneigenschaft bereits vor dem Zeitpunkt des Erbringens der ersten Leistung beginnt. Zur Beantwortung dieser Frage sind entsprechend den aufgeführten EuGHEntscheidungen die verschiedenen Fallgestaltungen getrennt zu betrachten. Hierzu ist zunächst auf die Konstellation einzugehen, in welcher die beabsichtigte Tätigkeit später ausgeübt wird (hier als "erfolgreicher Unternehmer" bezeichnet). Im Anschluss daran wird zur Frage des Beginns der wirtschaftlichen Tätigkeit bei gescheiterten Unternehmensgründungen (Stichwort "erfolgloser Unternehmer") Stellung genommen.

575 Vg1. Dziadkowski, IStR 2000, 468; Widmann, UR 2000, 335; Salzmann, DStR 2001, 287 ff. 576 Vgl. Dziadkowski, IStR 2000, 468. 577 Vgl. Widmann, UR 2000,335. 578 Vgl. Salzmann, DStR 2001,287 ff. 579 Siehe oben, S. l18, 149.

202

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Schließlich wird kurz auf die Ausführungen des Gerichtshofs zu verfahrensrechtlichen Fragen einzugehen sein. aa)

Beginn der Tätigkeit "erfolgreicher Unternehmer" ("Rompel-

man'') Der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Rompelman"580 ist zuzustimmen. Falls der Handelnde die geplante wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie aufnimmt (der Unternehmer also "erfolgreich" ist), gehören die in der Absicht der Ausübung der späteren Tätigkeit ausgeführten Vorbereitungshandlungen bereits zur "wirtschaftlichen Tätigkeit". Durchschlagend ist das vom EuGH in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellte Argument vom Grundsatz der Kostenneutralität der Mehrwertsteuer in der Unternehmerkette581 : Es würde diesem Grundsatz widersprechen, wenn als Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit erst der Zeitpunkt angesetzt würde, zu dem der Gegenstand tatsächlich zur Nutzung überlassen wird, da der (spätere) Unternehmer dann mit der auf den Gründungskosten ruhenden Mehrwertsteuer belastet wäre ohne sie in Abzug bringen zu können. Da der Handelnde demgegenüber ab dem Zeitpunkt der Nutzungsüberlassung als Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre, würde es zu willkürlichen Unterscheidungen zwischen Investitionsausgaben vor und während der tatsächlichen Nutzungsüberlassung des Gegenstands kommen. Folglich sind schon die ersten lnvestitionsausgaben, die im Hinblick auf das spätere Unternehmen getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen. Darüber hinaus überzeugt die Begründung des EuGH, die für die Vorbereitungshandlungen bezahlte Mehrwertsteuer nicht erst nachträglich dann zu erstatten, sobald der Gegenstand zur Nutzung überlassen wurde: Der Handelnde würde zwar von der auf dem Gegenstand lastenden Vorsteuer entlastet, dennoch würde auf dem Gegenstand wegen der zum Teil sehr langen Zeitspanne zwischen den ersten Investitionsausgaben und der tatsächlichen Nutzung (z.B. im lmmobilienbereich) eine fmanzielle Belastung ruhen. Daher ist die Argumentation des EuGH überzeugend.

580 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompelman), EuGHE 1985, 655; siehe oben, S. 189 ff. 581 Der EuGH [Urt. v. 14.2.1985- Rs. 268/83 (Rompe1man), EuGHE 1985, 655 (665, Rdnr. 23)] spricht vom "Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmens". Zum Grundsatz der Wettbewerbsneutralität siehe oben, S. 9 ff.

203

Tlitigkeit des Um;atzsteuerpflichtigen

Fraglich ist, ob sich der Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie nach den gleichen Grundsätzen beurteilen lässt. M.E. kann man die Argumentationskette des EuGH (zu Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie) auch auf beruflich Tätige übertragen. Falls die beruflich ausgeübte "wirtschaftliche Tätigkeit" erst mit der tatsächlichen Leistungstätigkeit beginnen würde, würde willkürlich zwischen Investitionsausgaben vor und während der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit unterschieden. Außerdem wäre es eine willkürliche Differenzierung, wenn Steuerpflichtige, die einen Gegenstand zur Nutzung überlassen, die Vorsteuer aus Investitionskosten abziehen dürften, beruflich Tätige jedoch nicht. Folglich ist davon auszugehen, dass der Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit in beiden Tatbeständen des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie einheitlich zu beurteilen ist: Falls die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit später aufgenommen wird, gehören die mit der beabsichtigten Tätigkeit zusammenhängenden Vorbereitungshandlungen bereits zur späteren wirtschaftlichen Tätigkeit. Die wirtschaftliche Tätigkeit beginnt mithin bereits mit der Ausführung der vorbereitenden Handlungen.

bb)

Beginn der Tätigkeit "erfolgloser Unternehmer" ("INZO", "Breitsohl'')

In den Rechtssachen "INZO" und "Breitsohl", die gescheiterte Unternehmensgründungen zum Gegenstand hatten, ging der EuGH davon aus, dass der Beginn der Unternehmereigenschaft in diesen Fällen ebenso zu beurteilen ist wie bei "erfolgreichen Unternehmern": So führt er im "INZO"-Fall aus, schon die ersten Jnvestitionsausgaben, die für Zwecke des Unternehmens getätigt würden, könnten als wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 (Abs. 2 Satz 1) der 6. EG-Richtlinie582 angesehen werden. Die Steuerbehörde habe in diesem Zusammenhang die erklärte Absicht des Unternehmers zu berücksichtigen.583 In der "Breitsohl"-Entscheidung führte der EuGH (ebenso wie bereits im "Gabalfrisa"-Urteil) aus: Als Steuerpflichtiger müsse gelten, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht habe, im Sinne

582 Obgleich der EuGH in den genannten Urteilen nicht zwischen den Tatbeständen der wirtschaftlichen Tätigkeit differenziert, hatten beide Fälle die beruflich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie zum Gegenstand. Ob diese Grundsätze auch ftlr die wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 de 6. EG-Richtlinie gelten, ist in einem zweiten Schritt zu klären. 583 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857 (876, Rdnr. 17).

204

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

von Art. 4 der 6. EG-Richtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätige. 584 Wie dargestellt, treffen diese Aussagen zumindest für den Beginn der Tätigkeit bei erfolgreichen Unternehmensgründungen zu. Fraglich ist jedoch, ob der Beginn der Steuerpflichtigeneigenschaft beim Scheitern des Versuchs, ein Unternehmen zu gründen, nach den gleichen Grundsätzen zu behandeln ist. Zur Klärung dieser Frage ist es erforderlich, sich insbesondere mit der "INZO"-Entscheidung auseinander zu setzen. In diesem Urteil, auf dem die Entscheidungen "Gabalfrisa" und "Breitsohl" aufbauen, hatte der EuGH erstmals die Frage nach der Steuerpflichtigeneigenschaft eines sog. "erfolglosen Unternehmers", also desjenigen, dessen Unternehmensgründungsversuch scheitert, bevor er Leistungen erbracht hat, zu beurteilen. Dabei wich der Gerichtshof von den Schlussanträgen des Generalanwalts ab. Es stellt sich mithin die Frage, ob den Ausführungen des EuGH oder denen des Generalanwalts zuzustimmen ist. Die Ausführungen des Generalanwalts überzeugen zumindest insoweit, dass die Argumentation aus der "Rompelman"-Entscheidung nicht ohne weiteres auf den "INZO"-Fall übertragen werden kann 585 : Während im erstgenannten Fall die beabsichtigte Tätigkeit später aufgenommen wurde, die vorbereitenden Bemühungen des Handelnden also zu steuerbaren Umsätzen führten, wurde die geplante Tätigkeit von der INZO nicht aufgenommen: Die Unternehmensgründung scheiterte, der "Unternehmer" war erfolglos. Somit ist DZIADKOWSKI Recht zu geben, der EuGH sei im "INZO"-Fall im Vergleich zur "Rompelman"-Entscheidung "einen Schritt weiter gegangen" 586 • Wie aber ist die übrige Begründung des Generalanwalts zu bewerten? Die Argumentation baut darauf auf, dass die "wirtschaftliche Tätigkeit" des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie nicht bereits mit den in der Absicht der Leistungserbringung vorgenommenen Vorbereitungshandlungen beginnt. Die Absicht, Leistungen zu erbringen, sei nicht der wirtschaftlichen Tätigkeit gleichzusetzen. Diese Auffassung begründet der Generalanwalt im Grunde lediglich mit zwei Argumenten: Zunächst führt er aus, nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie sei nur derjenige Steuer584 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.3.2000 - Rs. C-110/98 bis C-147/98 (Gabalfrisa), EuGHE 2000, I-1577 (1614, Rdnr. 47); Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-400/98 (Breitsohl), EuGHE 2000, I-4321 (4370, Rdnr. 34). 585 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 23.11.1995, EuGHE 1996, I-859 (862). 586 Dziadkowski, UVR 1996, 129 (131).

205

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

pflichtiger, der eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe, nicht jedoch derjenige, der dies nur beabsichtige. 587 Ferner argumentiert er, der erfolglose Unternehmer sei Endverbraucher, da er keine Umsätze ausführe und somit am Ende der Leistungskette stehe. 588 Sofern man mit dem Generalanwalt davon ausgeht, dass der "erfolglose Unternehmer" kein Steuerpflichtiger ist, ergeben sich die Folgeargumente von selbst: Derjenige, der nicht Steuerpflichtiger ist, ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Insofern spricht der Grundsatz der Steuerneutralität nicht gegen eine Rückforderung der erstatteten Vorsteuer. Auch verbietet es der Vertrauensgrundsatz nicht generell, zu Unrecht erstattete Vorsteuern zurückzufordern, wie Art. 20 der 6. EG-Richtlinie zeigt. Weun man also der Grundannahme zustimmt, die Absicht eine zu steuerbaren Umsätzen führende Tätigkeit auszuüben stehe der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht gleich, ist die Argumentation des Generalanwalts schlüssig. Es stellt sich mithin die Frage, ob diese Grundannahme des Generalanwalts zutreffend ist, ob also das Wortlautargument und die Begründung mit dem Verbrauchsteuergedanken tragen. Nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist derjenige Steuerpflichtiger, der eine wirtschaftliche Tätigkeit "ausübt". Die Absicht alleine, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, genügt dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie nach offensichtlich nicht. Wenn die "wirtschaftliche Tätigkeit" i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie jedoch bereits mit den in der Absicht der Leistungserbringung getätigten Vorbereitungshandlungen beginnt, was vorliegend in Frage steht, so wäre in dem Ausführen einer vorbereitenden Handlung bereits das Ausüben der wirtschaftlichen Tätigkeit zu sehen. Folglich ist dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie kein Argument für die Auffassung des Generalanwalts zu entnehmen. Weiter führt der Generalanwalt aus, der keine Umsätze tätigende und damit keine Leistungen erbringende "erfolglose Unternehmer" stehe am Ende der Leistungskette und sei daher praktisch der Endverbraucher. Es stellt sich jedoch die Frage, ob vorliegend ein "Endverbrauch" zu bejahen ist. Endverbrauch liegt dann vor, wenn Aufwendungen für die private Lebensführung natürlicher Personen getätigt werden. Investitionen für Büroeinrichtungen, Maschinenanlagen usw. und in der Vorbereitungsphase in Anspruch ge587 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 23.11.1995, EuGHE 1996, I-859 (866). Hervorhebung durch den Generalanwalt 588 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 23.11.1995, EuGHE 1996, l-859 (866 f.).

206

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

nommene Dienstleistungen sind keine derartigen Aufwendungen. Endverbrauch tritt erst und nur dann ein, wenn die bezogenen Leistungen für private oder andere außerunternehmerische Zwecke verwandt werden. Der Sachverhalt der Rechtssache "INZO" deutet jedoch nicht darauf hin, dass die bezogenen Leistungen für außerunternehmefische Zwecke verwandt wurden. Ein "Endverbrauch" ist folglich zu verneinen. Insofern ist auch die Argumentation, der "erfolglose Unternehmer" sei Endverbraucher nicht zwingend. Insgesamt erscheinen also die Argumente des Generalanwalts wenig stichhaltig. Auf der anderen Seite argumentiert auch der EuGH in der Rechtssache "INZO" nicht vollständig überzeugend: So suggeriert er, die "Rompelman"-Entscheidung sei auf den gegebenen Fall übertragbar 589 , während dieses Urteil, wie erläutert, den Fall behandelt, dass die geplante Tätigkeit später ausgeübt wird. Auch auf die übrigen vom Generalanwalt angeführten Argumente geht der EuGH nicht ein. Missverständlich ist der Hinweis des EuGH, die Durchführung der Studie im Fall "INZO" sei als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, sofern die Steuerbehörde die Eigenschaft einer Gesellschaft, die ihre Absicht erklärt hat, eine zu steuerbaren Umsätzen führende Tätigkeit aufzunehmen, als Mehrwertsteuerpflichtiger anerkannt hat. 590 Dieser Aussage könnte man entnehmen, die Anerkennung durch die Finanzverwaltung hätte eine für die Steuerpflichtigeneigenschaft konstitutive Bedeutung. 591 Eine solche konstitutive Wirkung hat die Anerkennung jedoch nicht, die Steuerpflichtigeneigenschaft beurteilt sich ausschließlich nach materiellem Recht. 592 Fraglich ist, wie das Argument des EuGH zu bewerten ist, der Grundsatz der Rechtssicherheit verbiete es, dass die von der Steuerbehörde festgestellten Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen von Tatsachen, Umständen oder Ereignissen abhängen könnten, die nachträglich eingetreten seien. 593 Sicherlich ist es zutreffend, dass Gründe der Rechtssicherheit dagegen sprechen, nachträglich eine Feststellung der Finanzverwaltung zu korrigieren. Jedoch 589 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, I-857 (876, Rdnr. 17). 590 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, I-857 (876 f., Rdnr. 18). 591 So auch Dziadkowski, UVR 1996, 129 (132). 592 So auch Dziadkowski, UVR 1996, 129 (132); Birkenfeld, DStR 1996, 1709 (1712). 593 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, I-857 (877, Rdnr. 21).

207

Tatigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

spricht der Grundsatz der Rechtssicherheit weder dafür, dass die wirtschaftliche Tätigkeit bereits mit den Vorbereitungshandlungen beginnt noch gegen diese Auffassung: Wenn man der Auffassung ist, dass der Handelnde durch Vorbereitungstätigkeiten bereits wirtschaftlich tätig ist, so ließe sich mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit begründen, dass ihm diese Eigenschaft - ebenso wie anderen Steuerpflichtigen- nicht nachträglich abgesprochen werden darf. Wenn man hingegen die Ansicht vertritt, die wirtschaftliche Tätigkeit beginne nicht bereits mit den Vorbereitungshandlungen und der "erfolglose Unternehmer" habe die Vorsteuer zu Umecht abgezogen, so ließe sich mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit argumentieren, dass der unberechtigte Vorsteuerabzug dennoch nicht zu korrigieren ist. 594 Insgesamt ist die Argumentation des EuGH mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit sicherlich zutreffend, für die Frage des Beginns der wirtschaftlichen Tätigkeit jedoch nicht ergiebig. Schließlich stellt sich die Frage, wie der Hinweis des EuGH, die Ansicht, die die Steuerpflichtigeneigenschaft des sog. "erfolglosen Unternehmers" verneint, verstoße gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmens 595 , zu bewerten ist. Auf den ersten Blick erscheint dieses Argument nicht sehr überzeugend: Nach dem Grundsatz der Kostenneutralität der Mehrwertsteuer in der Unternehmerkette soll die Mehrwertsteuer für den Steuerpflichtigen kostenneutral sein. Nur der private Endverbraucher, nicht aber der Steuerpflichtige soll durch die Umsatzsteuer belastet werden. Ob derjenige, der im Anschluss an die Vorbereitungshandlungen keine Leistungen erbringt, "Steuerpflichtiger" ist, steht allerdings gerade in Frage. 596 Es ist jedoch zu beachten, dass der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmers eine Ausprägung des Prinzips der Wettbewerbsneutralität ist, welches das gesamte Mehrwertsteuersystem beherrscht. Die Umsatzsteuer darf für den Unternehmer kein Kostenfaktor sein, da sie als Kostenfaktor zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Da geplante Unternehmen zukünftige Konkurrenten der bereits vorhandenen Unternehmen sein könnten, gilt auch für Unternehmensgründungen die Gewährleistung der Wettbewerbsneutralität: Die 594 Der EuGH geht in diesem Zusammenhang nicht auf den Hinweis des Generalanwalts ein, Art. 20 der 6. EG-Richtlinie zeige, dass der Vertrauensschutz nicht die Korrektur eines unberechtigten Vorsteuerabzugs ausschließt; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 23.11.1995, EuGHE 1996, 1-859 (864). 595 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996 - Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857 (877, Rdnr. 22). 596 Ähnlich: Hundt-Eßwein, NWB, Fach 7, 40/96, S. 4809 (4811).

208

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Umsatzsteuer darf nicht zu Wettbewerbsvorteilen der vorhandenen Unternehmen zu Lasten der geplanten Unternehmen führen. Die Umsatzsteuer darf nicht so ausgestaltet sein, dass der Markteintritt von potentiellen Konkurrenten der vorhandenen Unternehmen erschwert wird. Wenn die wirtschaftliche Tätigkeit nicht bereits mit den Vorbereitungshandlungen beginnen würde und "erfolglose Unternehmer" folglich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt wären, so würde jeder, der beabsichtigt, ein Unternehmen zu gründen, das Risiko eingehen, im Falle des Scheiteros die möglicherweise hohen bereits erstatteten Vorsteuern zurückzahlen zu müssen. Dieses zusätzliche Risiko könnte potentielle Unternehmensgründer von ihrem Vorhaben abbringen und so dazu führen, dass vorhandene Unternehmen in ihrer Position gestärkt würden. Sofern man in den Vorbereitungshandlungen nicht bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit sieht, könnte dies den vorhandenen Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu Lasten der potentiellen Unternehmensgründer verschaffen. 597 Folglich verstößt die vom Generalanwalt vertretene Auffassung gegen das Prinzip der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer. Somit ist die vom EuGH favorisierte Auslegung vorzuziehen: Es ist tatsächlich willkürlich, den Vorsteuerabzug von gleichen Investitionstätigkeiten Unternehmern zuzubilligen, die schon steuerbare Umsätze tätigten, und solchen Unternehmen, die durch Investitionen erst versuchten, Tätigkeiten aufzunehmen, den Vorsteuerabzug zu versagen, sobald sie mit ihrem Vorhaben scheitern. Folglich können schon die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeiten i.S. des Art. 4 der 6. HG-Richtlinie angesehen werden. Die wirtschaftliche Tätigkeit beginnt mithin bereits mit der ersten Vorbereitungshandlung, die im Hinblick auf die spätere Ausübung der Leistungstätigkeit erbracht wird. Für diese Ansicht spricht auch der Verbrauchsteuergedanke der Umsatzsteuer: Wie oben dargelegt tätigt der "erfolglose Unternehmer" keinen Endverbrauch. Somit ist der in der Literatur vertretenen Auffassung zuzustimmen, die INZO (und somit der "erfolglose Unternehmer") sei gerade nicht Endverbraucher.598 Wie DZIADKOWSKI zutreffend ausführt, sind die Leistungsbezöge im Fall "INZO" eher mit dem Untergang bezogener Waren vergleichbar: Ebenso wie bei "verdorbenen Waren" liegt bei den von der INZO bezogenen Dienstleistungen keine besteuerungswürdige untemehmerische Wertschöpfung vor, da keine Leistungserstellung an Endverbraucher reali597 V gl. Stadie, in: RaufDürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 526. 598 Vgl. Dziadkowski, BB 1996, 941 (942); Dziadkowski, UVR 1996, 129 (130 f.).

209

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

siert wurde. 599 Folglich sprechen auch Verbrauchsteuererwägungen für die gefundene Ansicht, dass die wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie bereits mit der ersten vorbereitenden Handlung beginnt, die im Hinblick auf die spätere Leistungserbringung ausgeübt wird. Die Auffassung des EuGH aus der "INZO"-Entscheidung zum Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit (i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie) ist folglich zutreffend. Fraglich ist, ob diese Erwägungen auch für den Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie gelten. Für die Übertragung dieser Grundsätze auch auf den anderen Tatbestand der wirtschaftlichen Tätigkeit sprechen, ebenso wie im Fall des "erfolgreichen Unternehmers", zwei Gründe: Zum einen gelten die Argumente der Wettbewerbsneutralität und des Verbrauchsteuergedankens ebenso für den Fall der Nutzung von Gegenständen und zum anderen würde es eine willkürliche Diskriminierung der Nutzungsüberlassung gegenüber der beruflichen Tätigkeit bedeuten, wenn die erfolglosen beruflich tätigen Unternehmer zum Vorsteuerabzog berechtigt wären, die erfolglosen "Gegenstandsnutzer" hingegen nicht. Folglich ist der Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit für beide Tatbestände i.S. des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie einheitlich zu beurteilen: Die wirtschaftliche Tätigkeit beginnt mit der ersten Vorbereitungshandlung die im Hinblick auf die spätere Leistungserbringung getätigt wird. Da somit die Aussagen des EuGH in der "INZO"-Entscheidung richtig sind, sind auch die Ausführungen in der Rechtssache "Gabalfrisa" zutreffend: In der "Gabalfrisa"-Entscheidung führt der EuGH aus, als Steuerpflichtiger müsse gelten, wer die[ ... ] Absicht habe, i.S.v. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätige. 600 Der Gerichtshof sagt mithin in der "Gabalfrisa"-Entscheidung (etwas deutlicher) das Gleiche aus, was er zuvor im "INZO"-Urteil geäußert hat. Das Tätigen erster Investitionsausgaben bzw. das Ausführen von Vorbereitungshandlungen in der Absicht, später eine Leistungstätigkeit zu entfalten, begründet die Steuerpflichtigeneigenschaft; die wirtschaftliche Tätigkeit beginnt bereits mit den Vorbereitungshandlungen.

599 Vgl. Dziadkowski, BB 1996,941 (942); Dziadkowski, UVR 1996, 129 (130 f.). 600 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.3.2000 - Rs. C-110/98 bis C-147/98 (Gabalfrisa), EuGHE 2000,1-1577 (1614, Rdnr. 47).

210

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Wenn man nun wie der EuGH zu Recht davon ausgeht, dass die wirtschaftliche Tätigkeit in dem Zeitpunkt beginnt, in dem die ersten Investitionsausgaben für Zwecke der späteren Leistungserbringung getätigt werden, ist auch das "Breitsohl"-Urteil zutreffend: Durch das Ausführen der Vorbereitungshandlungen war Brigitte Breitsohl bereits wirtschaftlich tätig. Folglich war sie ab diesem Zeitpunkt Steuerpflichtige i.S. des Art. 4 der 6. EGRichtlinie. Auch wenn der Finanzbehörde bereits bei der erstmaligen Veranlagung bekannt war, dass Brigitte Breitsohl keine Leistungen erbringt und so die anvisierte Tätigkeit nicht ausüben würde, so war der Vorsteuerabzug für die Investitionskosten dennoch zu gewähren. Wie die zu diesem Urteil erschienene Literatur anmerkte, war diese Entscheidung absehbar. Der vorlegende BFH ging offensichtlich davon aus, dass die wirtschaftliche Tätigkeit nicht bereits mit den Vorbereitungshandlungen beginnt. Er übersah, dass der EuGH die Rechtssache "INZO" nicht lediglich mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit begründet hatte, der wie erläutert auch den Schluss zuließ, die wirtschaftliche Tätigkeit sei noch nicht ausgeübt worden und der Vorsteuerabzug sei zu Unrecht gewährt worden. Viel entscheidender in der Begründung der "INZO"-Entscheidung war das Argument der Wettbewerbsneutralität, auf Grund dessen die wirtschaftliche Tätigkeit bereits mit den Vorbereitungshandlungen beginnt. Somit sind die drei zitierten Entscheidungen den Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit betreffend allesamt richtig: Wenn der Handelnde beabsichtigt, später durch das Erbringen von Leistungen eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie auszuüben, so beginnt die wirtschaftliche Tätigkeit bereits mit der ersten für diese Zwecke erbrachten Vorbereitungshandlung. cc)

Verfahrensrechtliche Fragen

In den Entscheidungen "Rompelman", "INZO", "Gabalfrisa" und "Breitsohl" äußert sich der EuGH am Rande auch zu Fragen des Verfahrensrechts. Fraglich ist, ob dem Gerichtshof auch in diesen Punkten zugestimmt werden kann. Der Gerichtshof führt in den vier erwähnten Urteilen aus, dass derjenige, der einen Vorsteuerabzug vornehme, nachzuweisen habe, dass die Voraussetzungen hierfür gegeben seien und insbesondere, dass er Steuerpflichtiger sei. Art. 4 der 6. EG-Richtlinie stehe daher dem nicht entgegen, dass die Abgabenverwaltung objektive Belege für die erklärte Absicht zur Ausübung der

211

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Tätigkeit verlange. 601 Diese Aussage des EuGH ist zutreffend: Der Vorsteuerabzug ist ein umgekehrter Steueranspruch, dessen Voraussetzungen deijenige, der ihn geltend machen will, zu belegen hat. Dies entspricht den Regern der objektiven Beweislast Denjenigen, der die Vergütung der Vorsteuerbeträge geltend macht, trifft die Nachweispflicht dafür, dass eine Tätigkeit i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie geplant war. Er muss anhand objektiver, äußerer Umstände schlüssig darlegen, dass die in Aussicht genommene Tätigkeit die Merkmale der wirtschaftlichen Tätigkeit erfüllt. 602 Zur Missbrauchsgefahr äußert sich der EuGH in den Fällen "INZO", "Gabalfrisa" und "Breitsohl". Er führt aus, die Eigenschaft als Steuerpflichtiger werde nur dann endgültig erlangt, wenn die Erklärung, die beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, vom Betroffenen in gutem Glauben abgegeben worden sei. In Fällen von Betrug oder Missbrauch, in denen der Betroffene z.B. die Absicht, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, nur vorspiegele, in Wirklichkeit jedoch versucht habe, abzugsfähige Gegenstände seinem Privatvermögen zuzuführen, könne die Steuerbehörde rückwirkend die Erstattung der abgezogenen Beträge verlangen, da diese Abzüge auf Grund falscher Erklärungen gewälrrt worden seien.6o3

Zu beg~üßen ist, dass der EuGH die Missbrauchsgefahr sieht und klarstellt, dass in Missbrauchs- und Betrugsfällen die Steuerpflichtigeneigenschaft nicht gegeben ist. Dennoch kann dem EuGH in dieser Sache nicht vorbehaltlos zugestimmt werden. Wenn der Steuerpflichtige die Behörden über seine Absicht getäuscht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, so lag eine solche Absicht folglich zum Zeitpunkt der Erklärung gegenüber dem Finanzamt nicht vor. Da aber - wie erläutert - die Steuerpflichtigeneigenschaft alleine nach materiellem Recht zu beurteilen ist, war der Handelnde in diesem Fall zum Zeitpunkt der Erklärung kein Steuerpflichtiger. Somit hat der Täuschende die Steuerpflichtigeneigenschaft nicht nur ,,nicht endgültig" erlangt, er hat sie gar nicht erlangt: Die Anerkennung der Finanzbehör601 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985 - Rs. 268/83 (Rompe1man), EuGHE 1985, 655 (665, Rdnr. 24); Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857 (878, Rdnr. 23); Urt. v. 21.3.2000 - Rs. C-110/98 bis C-147/98 (Gaba1frisa), EuGHE 2000, 11577 (1614, Rdnr. 46); Urt. v. 8.6.2000 - Rs. C-400/98 (Breitsohl), EuGHE 2000, 14321 (4371, Rdnr. 39). 602 So auch Weiß, UR 1985, 201; Stadie, in: Rau!Dürrwächter/F1ick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 527. 603 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996- Rs. C-110/94 (INZO), EuGHE 1996, 1-857 (878, Rdnr. 24); Urt. v. 21.3.2000- Rs. C 110/98 bis C-147/98 (Gaba1frisa), EuGHE 2000, 1-1577 (1614, Rdnr. 46); Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-400/98 (Breitsoh1), EuGHE 2000, 14321 (4371, Rdnr. 39).

212

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

den ist für die Beurteilung der Steuerpflichtigeneigenschaft unbeachtlich. Somit gehen die angesprochenen z.T. zutreffenden Aussagen des EuGH nicht weit genug: Dass derjenige kein Steuerpflichtiger ist, der die Behörden über seine Absicht willentlich täuscht, ist zweifellos zutreffend. Darüber hinaus ist auch derjenige nicht wirtschaftlich tätig, der irrtümlich bei der Erklärung dem Finanzamt gegenüber seine Absicht betreffend falsche Angaben macht. Auch er ist - auch wenn das Finanzamt dies zu Umecht annimmt - nicht Steuerpflichtiger. Wenn die Behörde nachträglich von Tatsachen Kenntnis erlangt, die dazu führen, die zunächst irrtümlich anerkannte Steuerpflichtigeneigenschaft abzuerkennen, so kann dies - ebenso wie bei bewusst Täuschenden - nach den nationalen Änderungsvorschriften erfolgen.6o4

d)

Zusammenfassung

Die Steuerpflichtigeneigenschaft setzt voraus, dass jemand "wirtschaftlich" tätig ist. Diese wirtschaftliche Tätigkeit erfordert grundsätzlich eine Leistungstätigkeit. Gehen der Leistungstätigkeit Vorbereitungshandlungen voraus, die in der Absicht der späteren Leistungserbringung getätigt werden, so beginnt die wirtschaftliche Tätigkeit in beiden Tatbeständen des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie bereits mit diesen Vorbereitungshandlungen. Da die wirtschaftliche Tätigkeit bereits mit den ersten vorbereitenden Handlungen beginnt, ist es für die Frage der Steuerpflichtigeneigenschaft und somit für die des Vorsteuerabzugs unerheblich, ob im Anschluss an die Investitionstätigkeiten Leistungen erbracht werden. Der Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit ist somit für "erfolglose Unternehmer" ebenso zu beurteilen wie für erfolgreiche Unternehmensgründer. Ob die Handlungen ernsthaft der Vorbereitung künftiger Leistungen dienen oder nicht, ist nach den allgemeinen Regeln über die objektive Beweislast zu bestimmen: Derjenige, der einen Vorsteuerabzug geltend machen will, muss die Voraussetzungen hierfür nachweisen. Wenn der Handelnde bei Abgabe der Erklärung gegenüber dem Finanzamt bewusst oder unbewusst die Absicht der Tätigkeit betreffend falsche Angaben gemacht hat, so kann das Finanzamt die Einstufung als Steuerpflichtiger nachträglich berichtigen und einen zu Umecht gewährten Vorsteuerabzug zurückfordern.

604 Ähnlich: Schmidt-Liebig, INF 1996, 327 (330, FN 38). Wohl ähnlich, aber mE. missverständlich: Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 527.

213

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

II.

Die deutsche Umsetzung

1.

§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG

Nach§ 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer, "wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. [... ] Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt[ ... ]".

2.

Auslegung

Die Problematik des Beginns der unternehmerischen Tätigkeit des § 2 Abs. 1 UStG ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Insbesondere in der Frage nach der Unternehmereigenschaft des sog. "erfolglosen Unternehmers" unterscheiden sich die Ansichten. Im Folgenden sind nacheinander zunächst die Rechtsprechungsentwicklung und im Anschluss daran die in der Literatur vertretenen Ansichten darzustellen. Schließlich wird zur Frage des Beginns der Unternehmereigenschaft Stellung bezogen.

a)

Rechtsprechung

Bis zur Systemumstellung durch das UStG 1967 stellte sich die Frage des Beginns der Unternehmereigenschaft nicht: Ohne Umsatz keine Besteuerung. Kam es zu einem Umsatz, trat ab diesem Zeitpunkt die Besteuerung ein, es sei denn, ab dem ersten Umsatz konnte noch nicht auf die Wiederholungsabsicht geschlossen werden. 605 Die Problematik des Beginns der unternehmerischen Tätigkeit hat im Mehrwertsteuerrecht an Bedeutung gewonnen: Schon vor dem ersten Umsatz und bei Ausbleiben irgendeines Umsatzes besteht ein Interesse an der Bejahung der Steuerpflicht, um den Vorsteuerabzug für die Anlaufkosten zu erreichen. Der BFH äußerte sich zunächst lediglich zur Frage des Beginns der Unternehmereigenschaftbei erfolgreichen Unternehmensgründungen. So führte er -entsprechend der "Rompelman"-Entscheidung des EuGH- im Urteil vom 23. August 1988 aus, zur unternehmerischen Tätigkeit gehörten auch solche Tätigkeiten, die spätere eigene Umsätze erst ermöglichen sollten; denn sie

605 Vgl. Mathiak, UR 1978, 114; Georgy, in: Plückebaurn!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 470.

214

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

seien notwendige Voraussetzung für die Erbringung wirtschaftlicher Leistungen des Unternehmers im gewerblichen oder beruflichen Bereich. 606 Zur Unternehmereigenschaft des "erfolglosen Unternehmers" äußerte sich der BFH erstmals in der Entscheidung vom 6. Mai 1993 607 • Er trat der erstinstanzlieh von einigen Finanzgerichten vertretenen Auffassung, auch der gescheiterte Unternehmensgründer sei "Unternehmer" i.S. des § 2 UStG608 , entgegen: Die Ausführung von Vorbereitungshandlungen allein begründe noch nicht die Unternehmereigenschaft des Gründers. Der Vorsteuerabzug sei in der Gründungsphase eines Unternehmens, solange noch keine Umsätze getätigt und keine Einnahmen erzielt werden, nach den Vorgaben des § 15 Abs. I Nr. 1 UStG materiell-rechtlich vorläufig zu gewähren. Komme es später nicht zur Ausführung von Umsätzen, entfalle das Vorsteuerabzugsrecht wegen fehlender Unternehmereigenschaft. Die Unternehmereigenschaft werde weder durch die bloße Absicht, entgeltliche Leistungen auszuführen, noch durch Handlungen, die die Ausführung entgeltlicher Leistungen vorbereiten, begründet, sondern allein durch die tatsächliche nachhaltige Ausführung von entgeltlichen Leistungen. Zur Begründung führte der BFH aus, § 2 Abs. 1 UStG enthalte die Legaldefmition eines in § 1 Abs. l Nr. 1 UStG verwendeten Tatbestandsmerkmals. Letztere Bestimmung sei wegen des systematischen Zusammenhangs beider Vorschriften bei der Auslegung des § 2 Abs. 1 UStG zu berücksichtigen. Unternehmer könne folglich nur sein, wer den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. l UStG verwirkliche. Ferner führte der BFH aus, die Zielrichtung des Umsatzsteuergesetzes, Einnahmen zu Gunstendes Staates zu erzielen, spreche für diese Ansicht. Nach dem Sy606 Vgl. BFH, Urt. v. 23.8.1988- X R 14/82, BFH/NV 1989, 673. 607 BFH, Urt. v. 6.5.1993 - V R 45/88, BStBI. 1993 II, 564 (565). Zuvor hatte er bereits 1988 dargelegt, die Absicht, sich nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen zu betätigen, begründe die Unternehmereigenschaft nicht; vgl. BFH, Urt. v. 8.12.1988 -V R 28/84, BStBI. 1989 II, 250 (251). 608 Vgl. das FG Münster (Urt. v. 2.9.1987- V 3968/80 U, EFG 1988, 89): Nach§ 2 Abs. I UStG sei Voraussetzung für eine Unternehmerische Tätigkeit nicht die tatsächliche Erzielung von Einnahmen, also die Ausführung von Umsätzen, sondern ein nach außen gerichtetes Tätigwerden zum Zwecke des späteren Bewirkens von Umsätzen. Nach außen gerichtete Vorbereitungshandlungen, die die Aufnahme einer solchen Tätigkeit erkennbar werden ließen, begründeten daher die Unternehmereigenschaft, unabhängig davon, ob zwischen der Aufnahme der Tätigkeit und den ersten Umsätzen ein großer zeitlicher Abstand liege oder ob überhaupt Einnahmen erzielt würden. Auch der erfolglose Unternehmer sei daher Unternehmer bis er diese Tätigkeit aufgebe. Ähnlich bereits das Schleswig-Holsteinische FG [Urt. v. 7.3.1978 - III 270n6 (IV), UR 1978, 113 f.]: Die Unternehmereigenschaft könne nur dann verneint werden, wenn den wirtschaftlichen Aktivitäten die Erfolglosigkeit bereits von vornherein "auf der Stirn" gestanden habe.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

stem des Umsatzsteuergesetzes verbleibe dem Staat die vom Unternehmer zu entrichtende609 Steuer (vgl. § 18 Abs. 3 und 4 UStG 1980); diese ergebe sich aus der Differenz zwischen der Steuer auf die Umsätze (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1980) und der Vorsteuer unter Berücksichtigung von Hinzurechnungen (§ 16 Abs. 1 und 2 UStG 1980). Sie verbleibe dem Staat nur dann endgültig, wenn an einen nicht zum Vorsteuerabzug Berechtigten geleistet werde. Das Gesetz könne es daher nach seinem Sinn und Zweck nicht zulassen, dass die Leistungskette bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten ende, der keine Umsätze ausführe. Andernfalls würde die auf der vorherigen Stufe entrichtete Steuer durch den Vorsteuerabzug des letzten Leistungsempfängers vollständig aufgehoben, was dem Steuerzweck des Gesetzes widerspräche. Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH610 werde der "Unternehmer ohne Leistungstätigkeit" dem Endverbraucher gleichgestellt. 611 Diese Auffassung vertrat der BFH bis zur "INZO"-Entscheidung des EuGH in ständiger Rechtsprechung. 612 Nach der "INZO"-Entscheidung war sich der BFH zunächst nicht sicher, wie die Ausführungen des EuGH zu verstehen seien. Unklar sei, ob der gescheiterte Unternehmensgründer nur dann "Unternehmer" i.S. des § 2 UStG sei, wenn die Finanzbehörde die Eigenschaft als vorsteuerabzugsberechtigter Steuerpflichtiger bereits in einem Steuerbescheid - auf Grund der erklärten Absichten des "Unternehmers", steuerbare Umsätze ausführen zu wollen -anerkannt habe oder ob in jedem Fall die (objektivierte) Absicht, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, zur Begründung der Unternehmereigenschaft ausreiche. 613 Daher legte der BFH in der Rechtssache "Breitsohl" diese Frage dem EuGH im Jahr 1998 zur Vorabentscheidung vor. 614 Nach der oben dargestellten klaren Antwort des EuGH615 hat der BFH nun die frühere Rechtsprechung zum "erfolglosen Unternehmer" aufgegeben: Er

609 Hervorhebung durch den BFH. 610 Der BFH bezieht sich auf das Urt. v. 1.4.1982 - Rs. 89/81 (Hong-Kong Trade), BuGHE 1982, 1277. 611 Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.1993- V R 45/88, BStBl. 1993 II, 564 (565). 612 Vgl. BFH, Urt. v. 12.5.1993- XI R 68/90, BFH/NV 1994, 131; Urt. v. 12.5.1993- XI R 59/90, BFHINV 1994, 276; Urt. v. 12.8.1993 -V R 90/88, BFHINV 1995, 346; Urt. v. 26.8.1993- V R 32/91, BFHINV 1995, 346; Urt. v. 16.12.1993- V R 103/88, BStB1. 1994 II, 278; Urt. v. 4.5.1994- XI R 106/92, BFHINV 1995, 76. 613 Vgl. BFH, Beschl. v. 27.8.1998 - V R 18/97, BFHE 186, 475 (481); Beschl. v. 5.5.1999- VB 31199, BFHINV 1999, 1524 (1525). 614 Vgl. BFH, Beschl. v. 27.8.1998- V R 18/97, BFHE 186,475. 615 EuGH, Urt. v. 8.6.2000- Rs. C-400/98 (Breitsoh1), EuGHE 2000, 1-4321; siehe oben s. 195 ff.

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Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

erkennt an, dass als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer bereits derjenige gilt, der die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt. 616 b)

Literatur

In der Frage des Beginns der Unternehmereigenschaft unterscheiden sich auch die in der Literatur vertretenen Ansichten. Ein Teil des Schrifttums geht - ebenso wie die ehemals ständige Rechtsprechung des BFH - davon aus, dass Vorbereitungstätigkeiten alleine zur Begründung der Unternehmereigenschaft nicht ausreichen. Vorbereitende Handlungen seien nur dann bereits der unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen, wenn später tatsächlich Leistungen gegen Entgelt erbracht würden. Komme es trotz entsprechender Vorbereitungshandlungen nicht zu einer Leistungserbringung, so entfalle die Unternehmereigenschaft rückwirkend. Für die Gründungsinvestitionen sei daher der Vorsteuerabzug materiellrechtlich vorläufig zu gewähren: Komme es im Anschluss an die Vorbereitungstätigkeiten nicht zu einer Leistungserbringung, so entfalle mit der Unternehmereigenschaft auch rückwirkend das Recht zum Vorsteuerabzug; bereits gewährte Beträge seien zurückzuzahlen. 617 Die herrschende Auffassung in der Literatur lehnt diese Ansicht jedoch ab. Die Unternehmereigenschaft beginne bereits mit den ersten Vorbereitungshandlungen, die im Hinblick auf die spätere Leistungserbringung getätigt würden. Da der Handelnde durch die Vorbereitungstätigkeiten bereits eine unternehmerische Tätigkeit ausübe, habe er das Recht zum Vorsteuerabzug. Dieses Recht bestehe auch dann fort, wenn der Unternehmensgründer in der Vorbereitungsphase scheitere: Auch der "erfolglose Unternehmer" sei "Un-

616 Vgl. BFH, Urt. v. 8.3.2001 -V R 24/98, UR 2001, 214 (215); Urt. v. 17.5.2001- V R 38/00, DStR 2001, 1658 (1659); Beschl. v. 23.1.2002- V R 84/99, UR 2002, 265 (267). 617 Vgl. Mößlang, UStKongrBer 1988/89, 207 (210); Klever, DB 1990, 1487 (1489); Wagner, StuW 1991, 61 (64 f.); Birkenfeld, UR 1990, 33 (34 f.); Birkenfeld, UR 1992, 29 (30 f.); Birkenfeld, DStR 1994, 81 (83 f.); Birkenfeld, in Hartmann!Metzenrnacher, UStG, § 2, Rdnr. 41 ff.; Klenk, UR 1993, 284 (287). Ähnlich Ahlbrecht (UR 1979, 6 f.) und Rasche (DStR 1993, 1400 f.), die jedoch der Ansicht sind, der Vorsteuerabzug sei erst zu gewähren, sobald der Handelnde selbst Umsätze tätigt.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

ternehmer" i.S. des § 2 UStG und als solcher zum Vorsteuerabzug berechtigt.618 c)

Stellungnahme

Da die genannten Auffassungen in der Frage des Beginns der Unternehmereigenschaft zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist zu klären, welcher der Ansichten zu folgen ist. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es für die unternehmensehe Tätigkeit unerheblich ist, ob Leistungen gegen Entgelt erbracht werden. 619 Es stellt sich mithin die Frage, ob in der Absicht der Leistungserbringung getätigte Vorbereitungshandlungen zur Begründung der Unternehmereigenschaft genügen oder ob es erforderlich ist, tatsächlich Leistungen zu erbringen. Es ist also zu klären, ob die unternehmensehe Tätigkeit bereits mit den Vorbereitungshandlungen beginnt. Die dargestellten Auffassungen differenzieren nicht zwischen den unterschiedlichen Tatbeständen der unternehmenschen Tätigkeit des § 2 Abs. 1 UStG. Dies ist m.E. zutreffend: Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, für die Frage des Beginns der Tätigkeit zwischen den Tatbeständen der beruflichen Tätigkeit und der Nutzungsüberlassung zu unterscheiden. 620 Vielmehr würde eine unterschiedliche Behandlung zu einer willkürlichen Differenzierung führen. 621 Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten stimmen darin überein, dass, falls später eine Leistungstätigkeit entfaltet wird, die Vorbereitungshandlungen bereits zu dieser untemehmenschen Tätigkeit gehören. Dieser Auffassung ist zuzustimmen: Falls die Vorbereitungstätigkeiten nicht bereits zur späteren Unternehmertätigkeit gehörten, käme es dazu, dass ein 618 Vgl. Mathiak, UR 1978, 114 (115); Stadie, Vorsteuerabzug, 1989, 54 f.; Stadie, DStJG 13 (1990), 179 (186 f.); Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 524 ff.; Giesberts, StuW 1991, 175 (178 f.); Gosch, StBp 1993, 218 f.; Winter, UR 1993, 411 ff.; Weber-Grellet, StuW 1993, 195 (211); Lück, DStZ 1994, 231 ff.; Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (22 f.); Dziadkowski!Robisch/Sabitzer, UR 1995, 429 (434 f.); Lüdemann, UR 1996, 211 (213 f.); Reiß, in: Reiß!Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 44 ff.; Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 106; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 137; Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 61. 619 Siehe oben, S. 92. 620 Beide Tatbestände fordern eine "Tätigkeit". Ob Vorbereitungshandlungen bereits eine solche "Tätigkeit" begründen, kann für beide Alternativen nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden. 621 Vgl. die Argumentation zur "wirtschaftlichen Tätigkeit", S. 169 f., 174 f.

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Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

Unternehmer mit der Vorsteuer belastet wäre. Dies würde einen Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette darstellen. 622 Unterschiedlich beurteilen die Auffassungen jedoch die Unternehmereigenschaft des sog. "erfolglosen Unternehmers": Hier ist- wie auf Ebene der 6. EG-Richtlinie- die Frage zu klären, ob die Unternehmereigenschaft bereits mit den in der Absicht der Aufnahme einer unternehmerischen Leistungstätigkeit erbrachten Vorbereitungshandlungen beginnt. Sofern diese Frage zu bejahen ist, ist auch derjenige, dessen Unternehmensgründungsversuch bereits in der Vorbereitungsphase scheitert, als "Unternehmer" i.S. des § 2 UStG (mit dem Recht aufVorsteuerabzug) zu qualifizieren. Es ist mithin zu prüfen, ob die vom BFH erwähnten Argumente aus der Entscheidung vom 6. Mai 1993, die von einem Teil der Literatur aufgegriffen wurden, tragen oder ob die von der herrschenden Literatur vorgebrachten Argumente überzeugen. Zunächst einmal stellt der BFH auf den systematischen Zusammenhang des § 2 Abs. 1 mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ab: Nur wer Leistungen (gegen Entgelt) erbringe, könne eine Unternehmerische Tätigkeit ausüben. Zur Begründung führte der BFH aus, § 2 Abs. 1 UStG enthalte die Legaldefmition eines in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG verwendeten Tatbestandsmerkmals. Letztere Bestimmung sei wegen des systematischen Zusammenhangs beider Vorschriften bei der Auslegung des § 2 Abs. 1 UStG zu berücksichtigen. Unternehmer könne folglich nur sein, wer den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG verwirkliche. 623 Eine nähere Begründung, weshalb zwischen den genannten Vorschriften ein solcher "systematischer Zusammenhang" besteht, gibt der BFH nicht. 624 Es stellt sich also die Frage, ob eine solcher "systematischer Zusammenhang" gegeben ist, mit der Folge, dass Unternehmer nur derjenige sein kann, der den Tatbestand des§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt. Wie bereits an anderer Stelle dargestellt, spricht die Entwicklungsgeschichte des § 2 UStG nicht zwingend für einen besonders engen Zusammenhang

622 Siehe oben, S. 203. 623 Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.1993- V R 45/88, BStBI. 1993 II, 564 (565). 624 Ähnlich Stadie (in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 525 der Vorauflage), der anmerkt, dieser Zusannnenhang sei eine "schlichte Behauptung[ ... ] ohne jede Argumentationskraft".

219

Tatigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

von § 2 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. 625 Andere Gründe für das Bestehen eines "systematischen Zusammenhangs" sind nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang überzeugen eher die Ausführungen LüDEMANNS. Er legt dar, aus Gründen der Denklogik könne es nicht zutreffen, dass nur derjenige Unternehmer sein könne, der den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt: Wenn der Unternehmerbegriff voraussetzen würde, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt wird, so führe dies dazu, dass sich niemals ein steuerbarer Umsatz ergäbe. Ein steuerbarer Umsatz erfordere nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, dass eine Lieferung oder sonstige Leistung durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens im Inland gegen Entgelt erbracht werde. Um zu prüfen, ob ein "Unternehmer" handelt, wäre zu klären, ob jemand eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt und- wie der BFH darüber hinaus verlangt- mindestens ein steuerbarer Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht würde. Diese letzte Voraussetzung würde nun wieder erfordern, dass die Leistung durch einen "Unternehmer" erbracht würde. Auf diese Weise ergäbe sich niemals eine steuerbare Leistung, weil kein Steuerpflichtiger jemals einen ersten steuerbaren Umsatz i.S. des UStG erzielen würde. 626 Diese Erwägung zeigt, dass die Annahme des BFH, Unternehmer könne nur sein, wer den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt, nicht nur nicht zu begründen ist, sondern darüber hinaus der Denklogik widerspricht. Folglich ist dieses Argument des BFH zurückzuweisen. Weiter führt der BFH aus, für die von ihm vertretene Ansicht spreche der Zweck des Umsatzsteuergesetzes, dem Staat Einnahmen zu verschaffen. Nach dem System des Umsatzsteuergesetzes verbleibe dem Staat die zu entrichtende Steuer(§ 18 Abs. 3 und 4 UStG). Diese ergebe sich aus der Differenz zwischen der Steuer auf die Umsätze und der Vorsteuer unter Berücksichtigung von Hinzurechnungen. Das Gesetz könne es nach seinem Sinn und Zweck nicht zulassen, dass die Leistungskette bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten ende, der keine Umsätze ausführe. Die Gleichstellung des "Unternehmers ohne Leistungstätigkeit" mit dem Endverbraucher entspreche der EuGH-Rechtsprechung.627 Auf dieses Argumente ist zunächst zu erwidern, dass das BuGH-Urteil in der Rechtssache "Hong-Kong Trade", auf das der BFH verweist (und das wie

625 Siehe oben, S. 86 ff. 626 Vgl. Lüdemann, UR 1996, 211 (213); kritisch dazu: Klose, Unternehmer und Steuerpflichtiger, 2000, S. 56 f. 627 Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.1993- V R 45/88, BStB1. 1993 II, 564 (565).

220

Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

dargestellt nicht zutreffend ist628 ), nicht auf den vom BFH zu entscheidenden Fall passt: Der EuGH hatte einen Fall zu entscheiden, in welchem ein Dienstleister - wie von ihm beabsichtigt - ausschließlich unentgeltliche Leistungen erbrachte. Der vom BFH entschiedene Sachverhalt hatte hingegen einen Unternehmensgründer zum Gegenstand, der beabsichtigte, entgeltliche Leistungen zu erbringen, mit seinem Gründungsversuchjedoch scheiterte, bevor er die (entgeltliche) Leistungstätigkeit aufgenommen hatte. Beide Urteile haben mithin völlig unterschiedliche Sachverhalte zum Gegenstand.629

Ferner übersieht der BFH offensichtlich, dass die erwähnte Vorschrift zur Steuererhebungstechnik (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) nicht nur die "zu entrichtende Steuer" nennt, sondern auch einen "Überschuß, der sich zu seinen [des Unternehmers] Gunsten ergibt". Das UStG geht somit sehr wohl davon aus, dass es einen Überschuss der Vorsteuern über die Umsatzsteuer geben kann und dem Staat somit keine Steuern verbleiben. 630 Der Hinweis des BFH, das Gesetz könne es nach seinem Sinn und Zweck nicht zulassen, dass die Leistungskette bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten ende, der keine Umsätze ausführe, ist auch nicht überzeugend. An einer anderen Stelle lässt es das UStG ausdrücklich zu, dass Exporteure stets nur Vorsteuern vergütet erhalten(§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG). 631 Es zeigt sich also, dass- obgleich es zutrifft, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AO der Zweck aller Steuern in der Erzielung von Einnahmen für öffentlich-rechtliche Gemeinwesen besteht dieser Zweck alleine nicht alle Vorschriften des UStG beherrscht. Folglich kann das teleologische Argument der Einnahmenerzielung für den Staat alleine nicht tragen. 632 Wie oben erläutert liegen dem Umsatzsteuergesetz Prinzipien zu Grunde, die über den Zweck der Einnahmenerzielung für den Staat hinausgehen. 633 Insgesamt überzeugt die Argumentation des BFH daher nicht. Für die Gegenansicht sprechen hingegen - ebenso wie auf der Ebene der 6. EG-Richtlinie - das Prinzip der Wettbewerbsneutralität sowie der Verbrauchsteuergedanke:

Siehe oben, S. 72 ff. So auch Winter UR 1993,411 (413); Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (23). So auch Stadie, in Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 525. Darauf weist Stadie (in: Rau/DUrrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 525) hin. Ähnlich Dziadkowski/Robisch!Sabitzer, UR 1995, 429 (434): "Sinn und Zweck der Umsatzbesteuerung ist nicht, wie der BFH zu glauben scheint, Einnahmenerzielung um jeden Preis." 633 Siehe oben, S. 8 ff.

628 629 630 631 632

221

Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

Wenn sog. "erfolglosen Unternehmern" der Vorsteuerabzug versagt bliebe, könnte das Risiko, bereits erstattete Vorsteuern im Falle des Scheiteros zurückzahlen zu müssen, potentielle Unternehmensgründer von ihrem Vorhaben, ein Unternehmen zu gründen, abhalten und so im Gegenzug die Stellung der bereits vorhandenen Unternehmer stärken. Da Unternehmensgründer jedoch potentielle Konkurrenten der bereits vorhandenen Unternehmer sind, muss der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität auch für sie gelten. Die ehemals gefestigte Rechtsprechung würde also gegen das Prinzip der Wettbewerbsneutralität verstoßen. 634 Auch würde diese Rechtsprechung dem Verbrauchsteuergedanken zuwider laufen: Endverbraucher ist nur derjenige, der Einkommensverwendung praktiziert. Investitionen jeglicher Art - somit auch Fehlinvestitionen - können nicht den Charakter von Einkommensverwendung annehmen, solange sie nicht für außerunternehmensehe Zwecke verwendet werden. 635 Die Rechtsprechung, die die Unternehmereigenschaft des sog. "erfolglosen Unternehmers" verneint, würde also dazu führen, dass Nichtverbraucher mit der Umsatzsteuer belastet würden. 636 Folglich sprechen die Grundsätze der teleologischen Auslegung für die herrschende Auffassung in der Literatur und die neue BFH-Rechtsprechung. Diese Ansicht wird schließlich auch durch die Grundsätze der richtlinienkonformen Auslegung gestützt: Die "wirtschaftliche Tätigkeit" des (dem§ 2 UStG zu Grunde liegenden) Art. 4 der 6. EG-Richtlinie beginnt bereits mit der ersten Vorbereitungshandlung, die in der Absicht der späteren Leistungserbringung getätigt wird. Ob es im Anschluss an die Vorbereitungshandlungen tatsächlich zu einer Leistungstätigkeit kommt, ist für die Frage der Steuerpflichtigeneigenschaft unerheblich, da diese Eigenschaft bereits durch die Tätigkeiten in der Vorbereitungsphase erworben wurde. 637 Folglich ist der herrschenden Literatur und der neuen BFH-Rechtsprechung zuzustimmen: Die unternehmensehe Tätigkeit des § 2 Abs. 1 UStG beginnt 634 So auch Winter, UR 1993, 411 (412); Stadie, in Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 528; siehe oben, S. 204 ff. 635 Ein Eigenverbrauch durch Entnahme liegt nur dann vor, wenn nach Aufgabe der Vorbereitungshandlungen noch verwendungsflihige Gegenstände sodann fllr außerunteruehmerische, private Zwecke weitergenutzt werden; vgl. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 106. 636 So auch Dziadkowski/Robisch/Sabitzer, UR 1995, 429 (434); Stadie, in Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 529; Schmidt-Liebig, BB 1994, Beilage 20, 1 (23); Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 137; siehe oben, S. 204 ff. 637 Siehe oben, S. 213.

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Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit

bereits mit der ersten Vorbereitungshandlung, die in der Absicht der späteren Leistungserbringung getätigt wird. Ob im Anschluss an die Vorbereitungstätigkeiten tatsächlich Leistungen erbracht werden, ist unerheblich, da der Handelnde bereits durch die Vorbereitungshandlungen unternehmerisch tätig ist. Somit ist auch der gescheiterte Unternehmensgründer, der im Anschluss an seine Vorbereitungstätigkeiten keine steuerbaren Leistungen erbringt, "Unternehmer" i.S. des UStG. Die Nachweispflicht (objektive Beweislast) dafür, dass eine Tätigkeit beabsichtigt ist, die die Voraussetzungen des § 2 UStG erfüllen wird, trifft denjenigen, der die Vergütung der Vorsteuerbeträge beantragt. Folglich muss derjenige, der in der Vorbereitungsphase der Tätigkeit den Vorsteuerabzug geltend machen will, die Absicht, spätere umsatzsteuerbare Leistungen auszuführen, nachweisen. Wenn der Handelnde bei Abgabe der Erklärung gegenüber dem Finanzamt bewusst oder unbewusst die Absicht der Tätigkeit betreffend falsche Angaben gemacht hat, so kann die Vorsteuervergütungsfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO bzw. § 173 AO aufgehoben oder geändert werden. 638

d)

Zusammenfassung

Die Unternehmereigenschaft beginnt mit den in der (objektivierten) Absicht der späteren Leistungserbringung getätigten Vorbereitungs- und Gründungshandlungen. Daher ist der Vorsteuerabzug bereits in der Vorbereitungsphase begründet. Kommt es später wegen Erfolglosigkeit der Unternehmensgründung nicht zur Leistungserbringung, bleibt der Vorsteuerabzug erhalten.

111.

Zwischenergebnis

Weder der Wortlaut des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie noch der des § 2 UStG enthalten eindeutige Anhaltspunkte zur Klärung der Frage, wann die wirtschaftliche bzw. unternehmerische Tätigkeit beginnt. Die wirtschaftliche/unternehmerische Tätigkeit setzt grundsätzlich das Erbringen von Leistungen voraus. Daher beginnt die Tätigkeit jedenfalls mit der Leistungserbringung. Die Auslegung der Vorschriften des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie und des § 2 UStG führen jedoch dazu, dass die wirtschaftliche/unternehmerische Tätigkeit bereits vor der ersten Leistungstätigkeit beginnen kann:

Art. 4 der 6. EG-Richtlinie ist dahingehend auszulegen, dass die "wirtschaftliche Tätigkeit" bereits mit der ersten Vorbereitungshandlung beginnt, die in 638 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 527.

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Tätigkeit des Umsatzsteuerpflichtigen

der Absicht der späteren Leistungstätigkeit ausgeführt wird. Diese Absicht hat derjenige, der den Vorsteuerabzug geltend machen will, nachzuweisen. Ebenso ist der Beginn der unternehmefischen Tätigkeit des deutschen UStG zu beurteilen: Auch nach deutschem Umsatzsteuerrecht beginnt die die Untemehmereigenschaft begründende Tätigkeit bereits mit den Vorbereitungshandlungen, die in der nachgewiesenen Absicht der späteren Leistungstätigkeit ausgeführt werden. Wenn der Handelnde gegenüber dem Finanzamt bei der Erklärung, eine bestimmte wirtschaftliche/untemehmerische Tätigkeit ausüben zu wollen, falsche Angaben macht, kann das Finanzamt die Einstufung als Steuerpflichtiger nachträglich berichtigen und einen zu Unrecht gewährten Vorsteuerabzug zurückfordern. Somit ist die deutsche Umsetzungsvorschrift, den Beginn der unternehmefischen Tätigkeit betreffend, richtlinienkonform.

224

Kapitel 5 - Selbständigkeit Steuerpflichtiger bzw. Unternehmer ist nur derjenige, der selbständig tätig ist. Um darzulegen, wie die Selbständigkeit in der Richtlinienvorschrift und der deutschen Umsetzung normiert wird und so im Anschluss daran zu klären, ob die 6. EG-Richtlinie und das deutsche UStG in dieser Frage übereinstimmen, ist zwischen der Selbständigkeit natürlicher Personen und der umsatzsteuerlichen Organschaft zu differenzieren.

A.

Selbständigkeit natürlicher Personen

Sowohl die 6. EG-Richtlinie als auch das UStG beinhalten eine Regelung zur Selbständigkeit natürlicher Personen. Zur Klärung der Frage, ob beide Vorschriften sich inhaltlich entsprechen, sind die Normen nacheinander darzustellen und auszulegen.

I.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

1.

Art. 4 Abs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt derjenige als Steuerpflichtiger, "wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig[ ... ] ausübt [... ]."1

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie lautet: "Der in Absatz 1 verwendete Begriff ,selbständig' schließt die Lohn- und Gehaltsempranger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft." 2.

Auslegung

Mit der Frage der Selbständigkeit i.S. der 6. EG-Richtlinie hat sich der EuGH in mehreren Judikaten beschäftigt. Weniger ausführlich hat sich das Schrifttum zu diesem Thema geäußert.

1 Hervorhebung nicht im Original.

225

Selbständigkeit

a)

Rechtsprechung

Aus der EuGH-Rechtsprechung sind vor allem drei Entscheidungen von Interesse. aa)

EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 - "K!Niederlande"

In dem bereits oben erwähnten Urteil in der Rechtssache "Kommission der

Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande" 2 äußerte sich der EuGH neben den Ausführungen zur "wirtschaftlichen Tätigkeit" auch zur Selbständigkeit der niederländischen Notare und Gerichtsvollzieher. Er legte dar, Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie schließe alle diejenigen von der Besteuerung aus, die an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden seien, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schaffe. Jedoch sei festzustellen, dass die Notare und die Gerichtsvollzieher nicht in einem Unterordnungsverhältnis zum Staat stünden, da sie nicht in die öffentliche Verwaltung eingegliedert seien. Sie übten nämlich ihre Tätigkeit für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung aus, regelten in bestimmten, gesetzlich festgelegten Grenzen frei die Modalitäten der Ausübung ihrer Arbeit und vereinnahmten das Entgelt selbst, das ihr Einkommen darstelle. Der Umstand, dass sie einer behördlichen Disziplinaraufsicht unterlägen, was auch bei anderen gesetzlich geregelten Berufen der Fall sein könne, rechtfertige ebenso wenig wie der Umstand, dass ihre Vergütung gesetzlich festgelegt sei, die Annahme, dass sie sich gegenüber ihrem Arbeitgeber in einem Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 befanden. 3 bb)

EuGH, Urt. v. 25.7.1991- Rs. C-202/90- "Ayuntamiento de Sevilla"

Ausführlich mit der Frage der Selbständigkeit beschäftigte sich der EuGH in der Rechtssache "Ayuntamiento de Sevilla gegen Recaudadores de Tributos de las Zonas primera y segunda"4 • Der Entscheidung lag der nachstehende Tatbestand zu Grunde:

2 3 4

EuGH, Urt. v. 26.3.1987- Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471; siehe oben, S. 105 ff. Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K!Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1488, Rdnr. 14). EuGH, Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), EuGHE 1991, I4247.

226

Selbständigkeit natürlicher Personen

In Spanien können die Gebietskörperschaften die Erhebung bestimmter Steuern übernehmen und zu diesem Zweck - nach vorausgegangenem Stellenwettbewerb - Steuereinnehmer ernennen. Diese Steuereinnehmer üben ihre Tätigkeit unter der Aufsicht der Finanzverwaltung der Gebietskörperschaft aus, die sie benannt hat, und genießen verschiedene Rechte und Vorrechte, wie sie den öffentlichen Beamten zustehen. Sie haben eine von der Gebietskörperschaft festgesetzte Kaution zu stellen und erfüllen ihre Aufgaben in funktioneller Abhängigkeit von dieser Körperschaft. Als Vergütung erhalten die Steuereinnehmer eine Steuererhebungsprämie in Höhe eines festgelegten Prozentsatzes der ohne Zwang erhobenen Steuern bzw. eine Beteiligung an dem für die zwangsweise Eintreibung erhobenen Zuschlag. Schließlich errichten sie eigene Geschäftsstellen und ernennen ihr Hilfspersonal selbst. Die Steuereinnehmer der ersten und zweiten Zone der Stadt Sevilla stellten bei der Anforderung der Steuererhebungsprämie zusätzlich den Betrag der Mehrwertsteuer in Rechnung. Wegen dieser Steuerabwälzung legte die Stadt Sevilla erfolglos Beschwerde beim Tribunal Econ6mico-Administrativo Provincial Sevilla ein. Das daraufuin angerufene Tribunal Superior de Justicia de Andalucia setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH u.a. folgende Frage zu Vorabentscheidung vor: 5 "a) Handelt es sich hierbei [d.h. bei der Tätigkeit der Steuereinnehmer] um entgeltliche freiberufliche Dienstleistungen, die selbständig erbracht werden und daher gemäß Artikel4 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 77/388/EWG der Steuer unterliegen?" 6 Der EuGH prüfte in seiner Entscheidung die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Er führte aus, die Steuereinnehmer erhielten keinen Lohn und kein Gehalt und seien nicht durch einen Arbeitsvertrag an die Gebietskörperschaft gebunden. Fraglich sei infolgedessen, ob ihre Rechtsbeziehungen zu der Gebietskörperschaft ein Verhältnis der Unterordnung i.S.v. Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie begründeten. Was zunächst die Arbeitsbedingungen betreffe, so bestehe kein Verhältnis der Unterordnung, da die Steuereinnehmer sich innerhalb der gesetzlich festgelegten Grenzen die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Arbeitskräfte und sachlichen Mittel selbständig verschafften und sie selb5

6

Vgl. EuGH, Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), EuGHE 1991, 1-4247 (4263, Rdnr. 2 ff.); Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 4.6.1991, EuGHE 1991,1-4256 f. EuGH, Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), EuGHE 1991, 14247 (4263, Rdnr. 5). Klammerzusatz nicht im Original.

227

Selbständigkeit

ständig organisierten. Unter diesen Umständen sei die funktionelle Abhängigkeit der Steuereinnehmer von der Gemeindebehörde, die ihnen Anweisungen erteilen könne, sowie ihre Unterstellung unter die Disziplinargewalt dieser Behörden für die Qualifizierung des zwischen ihnen und der Gebietskörperschaft bestehenden Rechtsverhältnisses im Hinblick auf Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie nicht ausschlaggebend. Auch die Modalitäten der Vergütung betreffend bestehe kein Unterordnungsverhältnis, da die Steuereinnehmer insofern das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trügen, als der Gewinn, den sie aus ihr zögen, nicht nur vom Betrag der eingezogenen Steuern abhänge, sondern auch von den Ausgaben, die mit dem Einsatz der benötigten Arbeitskräfte und der sachlichen Mittel verbunden seien. Was die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers anbelange, so reiche die Tatsache, dass die Gebietskörperschaft für das Verhalten der Steuereinnehmer, soweit diese als Beauftragte der öffentlichen Hand tätig würden, haftbar gemacht werden könne, nicht aus, um ein Unterordnungsverhältnis zu begründen. Ausschlaggebend sei in dieser Hinsicht die Haftung, die sich aus den von den Steuereinnehmern in Ausübung ihrer Tätigkeit begründeten vertraglichen Beziehung ergebe, sowie die Haftung für die Schäden, die sie Dritten verursachten, wenn sie nicht als Beauftragte der öffentlichen Hand tätig würden. Daher antwortete der EuGH übereinstimmend mit den Schlussanträgen des Generalanwalts 7 , nach Art. 4 Absätze 1 und 4 der 6. EG-Richtlinie sei eine Tätigkeit wie diejenige der Steuereinnehmer als selbständig ausgeübt anzusehen.8

cc)

EuGH, Urt. v. 27.1.2000 - Rs. C-23/98 - "Heerma"

Die Entscheidung in der Rechtssache "Staatsecretaris van Financien gegen J. Heerma" 9 basierte auf folgendem Sachverhalt: J. Heerma war Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Zum 1. Januar 1994 gründete er zusammen mit seiner Ehefrau eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in die er die beweglichen Betriebs1nittel seines Betriebs einbrachte. 1994 begann er mit dem Bau eines Stalles, den er ab dem 1. No-

7 8 9

Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 4.6.1991, EuGHE 1991, I-4256 (4259 f.). Vgl. EuGH, Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), EuGHE 1991, I-4247 (4264 f., Rdnr. 10 ff.). EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, I-419.

228

Selbständigkeit natürlicher Personen

vember 1994 für die Dauer von sechs Jahren gegen einen jährlichen Pachtzins von 12.000 HFL an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts verpachtete. J. Heerma und die Gesellschaft stellten den Antrag, sie hierfür von der Steuerbefreiung auszunehmen. Dies lehnte die niederländische Finanzverwaltung ab. Nach erfolglosem Rechtsbehelf und erstinstanzlieh erfolgreicher Klage beim Gerechtshof Leuwarden legte die Finanzverwaltung gegen die Entscheidung des Gerechtshofs Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein. Dieser setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: 10 "Ist Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, daß, wenn die einzige wirtschaftliche Tätigkeit einer Person darin besteht, einen körperlichen Gegenstand an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu vermieten, zu deren Gesellschaftern sie gehört, diese Vermietung, auch wenn es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, als nicht selbständig ausgeübt anzusehen ist, so daß der Gesellschafter zusammen mit der Gesellschaft als ein einziger Steuerpflichtiger im Sinne dieses Artikels 4 Absatz 1 anzusehen ist?" 11 Der EuGH antwortete auf die Frage, den Schlussanträgen des Generalanwalts folgend 12, dass ein Gesellschafter, der einen unbeweglichen Gegenstand an eine Gesellschaft vermiete, die die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen besitze und an der er beteiligt sei, diese Tätigkeit selbständig i.S. v. Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ausübe. In Bezug auf diese Tätigkeit bestehe nämlich zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter kein Verhältnis der Unterordnung, das dem in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie genannten entspräche und das die Selbständigkeit auf Seiten des Gesellschafters entfallen ließe. Vielmehr handele dieser bei der Vermietung eines körperlichen Gegenstands an die Gesellschaft selbst dann in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, wenn er zugleich Geschäftsführer der mietenden Gesellschaft sei. Denn eine solche Vermietung gehöre nicht zur Geschäftsführung oder Vertretung der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang spiele es entgegen dem Vorbringen der niederländischen Regierung keine Rolle, dass der Gesellschafter seine Tätigkeit auf die Vermietung eines körperlichen Gegenstands an eine Gesellschaft, an der er beteiligt sei, beschränke. Dieser Umstand habe nämlich keinen Einfluss auf 10 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, 1-419 (440 f., Rdnr. 7 ff.). 11 EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, 1-419 (441, Rdnr. 12). 12 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 20.5.1999, EuGHE 2000, 1-421 (434).

229

Selbständigkeit

die Beantwortung der Frage, ob der Gesellschafter die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie selbständig ausübe, sondern könne sich allenfalls auf die Qualifizierung der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. des Artikels als solche auswirken. Aus dem "Enkler"Urteil13 gehe jedoch hervor, dass die Vermietung eines körperlichen Gegenstands eine Nutzung darstelle, die als wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie anzusehen sei, wenn sie zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt werde. 14

dd)

Zusammenfassung

Die Aussagen des EuGH lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.

Der Auftragnehmer ist dann unselbständig tätig, wenn er in einem Unterordnungsverhältnis zum Auftraggeber steht. Ein solches Unterordnungsverhältnis ist dann zu verneinen, wenn der Auftragnehmer nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert ist, weil er die Tätigkeit für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt, die Modalitäten der Ausübung seiner Arbeit frei regelt und das Entgelt selbst vereinnahmt, das sein Einkommen darstellt. Der Selbständigkeit steht nicht die Tatsache entgegen, dass der Betroffene einer Disziplinaraufsicht unterliegt oder dass seine Vergütung gesetzlich festgelegt ist.

2.

Ein Unterordnungsverhältnis hinsichtlich der Arbeitsbedingungen ist dann zu verneinen, wenn der Auftragnehmer sich die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Arbeitskräfte und sachlichen Mittel selbständig verschafft und sie selbständig organisiert. Eine funktionelle Abhängigkeit von einer Behörde, die dem Betroffenen Anweisungen erteilen kann und die Disziplinaraufsicht ausübt, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Modalitäten der Vergütung betreffend besteht kein Unterordnungsverhältnis, wenn der Auftragnehmer das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit trägt. Bezüglich der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ist ein Unterordnungsverhältnis nicht allein deshalb zu bejahen, weil der Auftraggeber für das Verhalten des Auftragnehmers haftbar gemacht werden kann.

3.

Ein Gesellschafter, der einen unbeweglichen Gegenstand an eine Gesellschaft vermietet, an der er beteiligt ist, steht zu dieser Gesell-

13 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996- Rs. C-230/94 (Enkler), EuGHE 1996, I-4517; siehe oben, S. 123 ff. 14 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.1.2000 - Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, I-419 (443, Rdnr. 17 ff.).

230

Selbständigkeit natürlicher Personen

schaft nicht in einem Verhältnis der Unterordnung. Vielmehr handelt dieser bei der Vermietung eines körperlichen Gegenstands an die Gesellschaft selbst dann in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, wenn er zugleich Geschäftsführer der mietenden Gesellschaft ist. b)

Literatur

Soweit sich die Literatur zu den genannten Urteilen äußert, stimmt sie dem EuGHzu. 15 Im "Ayuntamiento de Sevilla"-Urteil habe der EuGH ohne die vom deutschen Verwaltungsrecht entwickelte Bezeichnung zu übernehmen, die Rechtsfigur des beliehenen Unternehmers erstmals für den Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie anerkannt. Die Abgrenzung, ob im vorliegenden Fall ein nichtselbständiger Amtsträger oder ein Selbständiger, der Aufgaben aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung wahrnehme, gehandelt habe, habe der EuGH zutreffend geprüft. Nachdem er das Vorliegen eines Arbeitsvertrags mit festem Gehalt verneint habe, habe er zunächst im Innenverhältnis geprüft, ob eine Unterordnung vorliege und danach die Unselbständigkeit im Außenverhältnis verneint. Dieses Prüfungsschema entspreche weitestgehend demjenigen im deutschen Recht. Zusammen mit dem BuGHUrteil "K/Niederlande" sei eine so weit gehende Abklärung erreicht worden, dass eine Vorlagepflicht an den EuGH in diesem Bereich nicht mehr gegeben sei. 16 Die "Heerma"-Entscheidung bestätige die Rechtsprechung des BFH, dass durch die Überlassung von Gegenständen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch gegeben sein könne. 17 Allgemein zum Begriff der Selbständigkeit i.S. v. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie äußert sich LANGER. Er führt aus, der Begriff der Selbständigkeit werde lediglich negativ abgegrenzt. Nicht selbständig seien vor allem Arbeitnehmer, die weisungsgebunden und in einem Abhängigkeitsverhältnis untergeordnet seien. Diese negative Charakterisierung der Begriffe, vor allem die Unterordnung zum Arbeitgeber, sei kaum genau zu definieren. Es handele sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der weiterer Konkretisierung bedürfe. Eine Unterordnung könne dann angenommen werden, wenn der zur Erbringung einer Arbeitsleistung verpflichte15 Vgl. Weiß, UR 1993, 123; Haunold!Tumpel!Widhalm, SWI 2000, 142; Clausnitzer, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1100,213 (214); Wagner, UVR 2000, 143. 16 Vgl. Weiß, UR 1993, 123 f. 17 Vgl. Clausnitzer, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1100,213 (214); Wagner, UVR 2000, 143.

231

Selbständigkeit

te Arbeitnehmer in einer Abhängigkeit zum Steuerpflichtigen/Arbeitgeber stehe, und dieser das Risiko einer Verwertung der erbrachten Arbeit oder auch nur hinsichtlich des angestrebten Erfolges trage. Als Indizien für die Unselbständigkeit könnten vor allem angenommen werden: kein Kapitalemsatz, Tätigkeit für eine Person, keine eigenen Arbeitnehmer, feste Arbeitszeiten, fester Lohn - auch im Krankheitsfall -, Gestellung von Arbeitsmitteln, Weisungsgebundenheit und feste Arbeitszeiten. 18

c)

Stellungnahme

Nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist nur derjenige Steuerpflichtiger, der eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die Richtlinie enthält jedoch keine Definition der Selbständigkeit, sondern beschreibt in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 lediglich die Nichtselbständigkeit Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist als selbständig ausgeübt anzusehen, es sei denn, die Nichtselbständigkeit ist zu bejahen. Wann aber wird eine Tätigkeit unselbständig ausgeübt? Gern. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie schließt der Begriff "selbständig" die Lohn- und Gehaltsempfanger und sonstigen Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das ein Verhältnis der Unterordnung schafft. Dabei verdeutlicht der Begriff "soweit", dass die Selbständigkeit für jede einzelne Tätigkeit gesondert festzustellen ist, da eine natürliche Person nebeneinander sowohl selbständig als auch nichtselbständig tätig sein kann. 19 Ferner muss dem Wortlaut der Norm zufolge das Unterordnungsverhältnis hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, des Arbeitsentgelts und der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers geschaffen werden. Ein "Verhältnis der Unterordnung" muss somit kumulativ in den drei genannten Bereichen bestehen, andernfalls ist die Unselbständigkeit zu verneinen und folglich die Selbständigkeit zu bejahen. Damit stellt sich die weiter gehende Frage, nach welchen Grundsätzen zu beurteilen ist, ob ein Unterordnungsverhältnis in diesen drei Bereichen vorliegt. Die Richtlinienvorschrift enthält keine näheren Anhaltspunkte, wann ein solches Verhältnis zu bejahen ist.

18 Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 13. 19 Ähnlich zur deutschen Urnsetzungsvorschrift: Flückiger, in: Plückebaurn!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 8, 12; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 70.

232

Selbständigkeit natürlicher Personen

Ausführlich zur Selbständigkeit äußerte sich der EuGH in der Rechtssache "Ayuntamiento de Sevilla": In dieser Entscheidung verwendet der Gerichtshof keine Definition des Unterordnungsverhältnisses und subsumiert diese sodann. Vielmehr geht er - ebenso wie in den anderen genannten Urteilen auf unterschiedliche Aspekte der Tätigkeit ein. 20 Ob im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsentgelt ein Unterordnungsverhältnis geschaffen wird, beurteilt der EuGH anband der zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer geschlossenen Vereinbarungen.21 In diesen Bereichen ist also das Innenverhältnis maßgebend. 22 Zur Beurteilung der Unterordnung im Innenverhältnis zum Auftraggeber gibt der EuGH jedoch keine subsumtionsfähige Definition. Auch LANGER führt unterschiedliche Merkmale an, die für die Bejahung oder die Vemeinung der Unterordnung im Innenverhältnis sprechen. 23 Bei genauerer Betrachtung der vom EuGH und von LANGER angesprochenen Kriterien zeigt sich, dass diese Merkmale nicht zusammenhanglos aufgelistet sind. Diesen Kriterien ist gemein, dass sie typisch für die unselbständige Tätigkeit des Arbeitnehmers sind: Das die Einzelkriterien verbindende Element ist der Arbeitnehmerbegriff. Der Arbeitnehmer steht hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts in einem Unterordnungsverhältnis zum Arbeitgeber. Das die Frage der Unselbständigkeit dominierende Merkmal "Unterordnungsverhältnis" ist in diesen Bereichen dann gegeben, wenn im Innenverhältnis eine dem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis vergleichbare Beziehung vorliegt. In einem Unterordnungsverhältnis zum Arbeitgeber stehen also Arbeitnehmer oder diesen vergleichbare Personen. Der EuGH und LANGER prüfen keine abstrakten Tatbestandsmerkmale sondern wägen für oder gegen die Unterordnung sprechende Indizien gegeneinander ab. Die Bestimmung der Unselbständigkeit im Innenverhältnis erfolgt - auch wenn weder der EuGH noch LANGER dies so benennen - typologisch: Nichtselbständig ist derjenige, der dem Typus des Arbeitnehmers entspricht. Für eine solche typologische Bestimmung der Unselbständigkeit spricht auch der Wortlaut der Richtlinienvorschrift Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie werden die ,,Lohn- und Gehaltsempfänger", also Ar20 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K!Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1488, Rdnr. 14); Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), EuGHE 1991, 1-4247 (4265, Rdnr. 11 ff.); Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98 (Heerrna), EuGHE 2000, 1-419 (443, Rdnr. 18). 21 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), EuGHE 1991, 1-4247 (4265, Rdnr. 11 ff.). 22 Ähnlich: Weiß, UR 1993, 123. 23 Vgl. Langer, in: Reiß!Kraeusel/Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 13.

233

Selbständigkeit

beitnehmer24 und "sonstige [auf Grund bestimmter Merkmale vergleichbare] Personen" von der Besteuerung ausgeschlossen: Somit deutet auch der Wortlaut der Norm auf einen Ähnlichkeitsvergleich hin. Schließlich ist die typologische Bestimmung die am besten geeignete Methode, um der Unselbstä.ndigkeit Konturen zu verleihen. Auf Grund der unterschiedlichen Erscheinungs- und Übergangsformen25 im Wirtschaftsleben ist es (ebenso wie bei der Bestimmung der beruflich ausgeübten Tätigkeif6) nicht möglich, die unselbstiindige Tätigkeit im Innenverhältnis abstrakt klassifikatorisch durch die erschöpfende Aufzählung der unabdingbaren Merkmale befriedigend zu definieren. Der offene Typusbegriff erlaubt es vielmehr, den Begriff der Selbstlindigkeit flexibel den unterschiedlichen Gestaltungen und Entwicklungen im Wirtschaftsleben anzupassen. Ob ein Unterordnungsverhältnis vorliegt, ist für die Bereiche "Arbeitsbedingungen" und "Arbeitsentgelt" jeweils anband von einigen für den Arbeitnehmer typischen Kriterien auf Grund einer Gesamtbildbetrachtung zu ermitteln. Zu diesem Zweck sind die Typusmerkmale des Arbeitnehmers in diese zwei Bereiche einzuteilen und es ist jeweils zu ermitteln, ob ein der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung vergleichbares Verhältnis gegeben ist. Was die Typusmerkmale betrifft, so kann auf die vom EuGH genannten Kriterien zurückgegriffen werden: Für die Frage der Unterordnung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sind die wesentlichen Kriterien die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. 27 Bezüglich den Modalitäten der Vergütung indiziert das Fehlen eines Unternehmerrisikosein Unterordnungsverhältnis. 28 Diese Kriterien könnenjedoch nicht abschließend sein, da es für eine Gesamtbildbetrachtung keinen abschließenden Katalog von Kriterien geben kann. 29 Darüber hinaus lassen 24 Vgl. den englischen Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie, der an Stelle der "Lohn- und Gehaltsempfanger" den Begriff "employed" verwendet, was etwa mit "Arbeitnehmer" übersetzt werden kann. 25 Man denke z.B. an leitende Angestellte oder Vorstände von Kapitalgesellschaften, die auch Arbeitgeberfunktionen ausüben. 26 Siehe oben, S. 155. 27 Dies prüft der EuGH in: Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1488, Rdnr. 14); Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Aynntarniento des Sevilla), EuGHE 1991, 1-4247 (4265, Rdnr. 11 f.). 28 Dies prüft der EuGH in: Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1488, Rdnr. 14); Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Aynntarniento de Sevilla), EuGHE 1991, 1-4247 (4265, Rdnr. 13); Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, 1-419 (443, Rdnr. 18). 29 So zur deutschen Umsetzungsvorschrift: Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 135.

234

Selbständigkeit natürlicher Personen

sich verschiedene Merkmale bestimmen, die im Einzelfall für die Abgrenzung der selbständigen von der nichtselbständigen Tätigkeit heranzuziehen sind. Da die Einzelelemente sowohl bei selbständiger als auch bei unselbständiger Tätigkeit vorkommen können und daher für sich alleine keine Entscheidung erlauben, muss auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse abgestellt werden. 30 Alle die Tätigkeit im Einzelfall kennzeichnenden Merkmale müssen in einer Gesamtbildbetrachtung gegeneinander abgewogen werden, um zu klären, ob die Tätigkeit mit der Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu vergleichen ist. Hierbei müssen nicht alle Kriterien gegeben sein. Vielmehr können einzelne Merkmale stärker oder schwächer ausgeprägt sein, ohne dass das Unterordnungsverhältnis deshalb zu verneinen wäre. Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie muss das Unterordnungsverhältnis jedoch nicht nur hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sondern auch im Hinblick auf die "Verantwortlichkeit des Arbeitgebers" vorliegen. Was aber ist unter einem Unterordnungsverhältnis hinsichtlich der "Verantwortlichkeit des Arbeitgebers zu verstehen"? Zu dieser Frage führt der EuGH im "Ayuntamiento de Sevilla"-Urteil aus: "Was schließlich die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers anbelangt, so reicht die Tatsache, daß die Gebietskörperschaft für das Verhalten der Steuereinnehmer, soweit diese als Beauftragte der öffentlichen Hand tätig werden, haftbar gemacht werden kann, nicht aus, um ein Unterordnungsverhältnis zu begründen. Ausschlaggebend in dieser Hinsicht ist die Haftung, die sich aus den von den Steuereinnehmern in Ausübung ihrer Tätigkeit begründeten vertraglichen Beziehungen ergibt, sowie die Haftung für die Schäden, die sie Dritten verursachen, wenn sie nicht als Beauftragte der öffentlichen Hand tätig werden. "31 Diese nicht leicht verständlichen Ausführungen des EuGH sind dahingehend zu deuten, dass eine vertragliche Haftung des Auftraggebers gegenüber Dritten für Handlungen des Auftragnehmers für eine Unterordnung hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers spricht, während es für die Selbständigkeit spricht, wenn der Auftragnehmer selbst für sein Verhalten von 30 So waren die Steuereinnehmer in der Rechtssache "Ayuntarniento de Sevilla" zwar funktionell abhängig von der Gemeinde, die ihnen Aoweisungen erteilen konnte, was grundsätzlich ein Indiz für die Unselbständigkeit wäre. Dennoch war auf Grund des Gesamtbildes der Tätigkeit dennoch die Selbständigkeit zu bejahen; vgl. EuGH, Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Ayuntarniento de Sevilla), EuGHE 1991, 1-4247 (4265, Rdnr. 12). 31 EuGH, Urt. v. 25.7.1991- Rs. C-202/90 (Ayuntarniento de Sevilla), EuGHE 1991, 14247 (4265, Rdnr. 14 f.).

235

Selbständigkeit

seinem Vertragspartner in die Haftung genommen werden kann. 32 Der EuGH prüft mithin zur Frage der Selbständigkeit neben den erwähnten Kriterien des Innenverhältnisses auch Aspekte des Außenverhältnisses zu Dritten.33 Auch in der "Heerma"-Entscheidung verneint der EuGH die Frage der Unselbständigkeit u.a. mit dem Hinweis, der Gesellschafter trete "in eigenem Namen" auf. 34 Der EuGH stellt somit auch in dieser Entscheidung auf das Verhalten des Auftragnehmers im Außenverhältnis ab. Diese Rechtsprechung des EuGH ist zutreffend: Dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie zufolge ist nicht alleine die Beurteilung des Innenverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelt) für die Beurteilung der Tätigkeit als "unselbständig" von Bedeutung. Darüber hinaus muss ein Verhältnis der Unterordnung hinsichtlich der "Verantwortlichkeit des Arbeitgebers" vorliegen. Diese "Verantwortlichkeit" kann sich jedoch nur auf eine Haftung gegenüber Dritten beziehen. Folglich ist die Unselbständigkeit i.S. der 6. EG-Richtlinie nach dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis zu beurteilen. Unselbständig ist der Auftragnehmer nur insoweit, als eine Unterordnung unter den Auftraggeber im Innen- und Außenverhältnis gegeben ist. Die Unselbständigkeit ist nur dann zu bejahen, wenn die Tätigkeit in beiden Sichtweisen als unselbständig zu beurteilen ist. Ist dies nicht der Fall so ist die Tätigkeit als selbständig anzusehen. Unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 der 6. EGRichtlinie ist der Handelnde dann "Steuerpflichtiger". Somit kann auch dem EuGH in den genannten Rechtssachen zugestimmt werden. Zwar prüft er nicht in allen Fällen die Unselbständigkeit im Innenund Außenverhältnis. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich: Sofern die Unterordnung in einem der drei Bereiche zu verneinen ist, ist die Unselbständigkeit abzulehnen. In diesem Fall ist die Tätigkeit auf Grund der negativen Bestimmung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie als selbständig ausgeübt anzusehen.

d) 1.

Zusammenfassung Der Begriff der Selbständigkeit wird in Art. 4 der 6. EG-Richtlinie negativ bestimmt. Er ist für jede Tätigkeit getrennt zu ermitteln, da

32 Ähnlich versteht Langer (in: Reiß!Kraeusel/Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 13.1) die Aussagen des EuGH. 33 So auch WeifJ, UR 1993, 123. 34 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.1.2000 - Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, 1-419 (443, Rdnr. 18).

236

Selbständigkeit natürlicher Personen

eine natürliche Person neben einer unselbständigen Tätigkeit auch selbständig handeln kann. 2.

Die Tätigkeit wird insoweit unselbständig ausgeübt, als dass durch ein Rechtsverhältnis hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, des Arbeitsentgelts und der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Unterordnungsverhältnis geschaffen wird. Nur derjenige ist unselbständig tätig, dessen Tätigkeit sowohl nach dem Innenverhältnis als auch nach dem Außenverhältnis als unselbständig zu beurteilen ist.

3.

Ob hinsichtlich der Bereiche "Arbeitsbedingungen" und "Arbeitsentgelt", also im Innenverhältnis zum Auftraggeber, ein Verhältnis der Unterordnung vorliegt ist typologisch zu bestimmen. Ein Unterordnungsverhältnis liegt dann vor, wenn der Auftragnehmer mit einem typischen Arbeitnehmer zu vergleichen ist. Die wesentlichen Kriterien zur Bestimmung des Unterordnungsverhältnisses sind die Weisungsgebundenheit, die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und das Fehlen eines Unternehmerrisikos. Daneben können in Grenzfällen weitere Merkmale zur Bestimmung der Unselbständigkeit herangezogen werden.

4.

Daneben ist die Unselbständigkeit im Außenverhältnis maßgebend. Dies ist dem Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses hinsichtlich der "Verantwortlichkeit des Arbeitgebers" zu entnehmen. Eine vertragliche Haftung des Auftraggebers für Handlungen des Auftragnehmers spricht für ein Unterordnungsverhältnis, während eine eigene vertragliche Haftung des Auftragnehmers für die Selbständigkeit spricht.

5.

Falls nach den genannten Kriterien die Unselbständigkeit im Innenverhältnis oder im Außenverhältnis zu verneinen ist, so ist die Tätigkeit als selbständig ausgeübt anzusehen.

II.

Die deutsche Umsetzung

1.

§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, "wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt". 35 Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, "soweit natürliche Personen, einzeln oder zu-

35 Hervorhebung nicht im Original.

237

Selbständigkeit

sammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind".

2.

Auslegung

Fraglich ist, ob die deutsche Umsetzungsvorschrift in der Frage der Selbständigkeit richtlinienkonform ist. Um diese Frage zu klären, ist die genannte Vorschrift des UStG mit Hilfe der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten auszulegen.

a)

Allgemeines

Die Unternehmereigenschaft erfordert ein selbständiges Tätigwerden. Eine Definition der Selbständigkeit ist dem UStG jedoch nicht zu entnehmen. In § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird lediglich negativ bestimmt, dass natürliche Personen nicht selbständig tätig sind, soweit sie in einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass der Gegenschluss, dass eine Person, die nicht in ein Unternehmen, sondern z.B. einer Körperschaft des öffentlichen Rechts als Beamter oder einem Privathaushalt als Angestellter eingegliedert ist, nicht unselbständig ist und folglich Unternehmer wäre, unzulässig. 36 Der Begriff "soweit" in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG verdeutlicht, dass dieselbe Person teilweise selbständig und teilweise unselbständig tätig sein kann. 37

b)

Abgrenzung des Unternehmers vom Arbeitnehmer

Wie aber ist nach deutschem Umsatzsteuerrecht die selbständige von der unselbständigen Tätigkeit abzugrenzen?

aa)

Maßgeblichkeit des Innenverhältnisses

Nicht einheitlich wird die Frage beantwortet, ob die (Un-)Selbständigkeit der Betätigung nach dem Innen- oder Außenverhältnis zu beurteilen ist. Einer im Schrifttum vertretenen Ansicht zufolge richtet sich die Selbständigkeit natürlicher Personen nach dem Auftreten des Auftragnehmers nach außen. Für die Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Tätigkeit komme es entscheidend auf das Außenverhältnis an, ob der Auftrag36 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 123; Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 9; Scharpenberg, in: Hartrnann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 192. 37 Vgl. Flückiger, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 8; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 70; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 72.

238

Selbständigkeit nat!lrlicher Personen

nehmer in eigenem oder in fremdem Namen auftrete. 38 Würde man die Selbständigkeit nach dem Innenverhältnis des Auftragnehmers zum Auftraggeber beurteilen, würde es zu außerordentlich schwierigen Beweisfragen kommen, sofern der Auftragnehmer Dritten gegenüber handele. In diesem Fall müsste nicht nur die Finanzverwaltung Nachforschungen zur Weisungsbefugnis des Auftraggebers anstellen, um zu beurteilen, ob der Auftragnehmer "Unternehmer" ist, auch der Vertragspartner des Auftragnehmers müsste das Innenverhältnis untersuchen, um eine nach § 14 Abs. 1 UStG korrekte Rechnung zu erlangen. Wer als Geschäftspartner mit einem Auftragnehmer Leistungsbeziehungen abwickele, solle jedoch nicht dessen Selbständigkeit im Innenverhältnis überprüfen müssen, um eine ordnungsgemäße Rechnung mit Vorsteuerausweis zu erhalten. 39 Die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur und der Rechtsprechung, der auch die Verwaltung40 folgt, geht demgegenüber davon aus, dass die Selbständigkeit natürlicher Personen nach dem Innenverhältnis zum Auftraggeber zu beurteilen ist. 41 Begründet wird diese Auffassung mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG: Diese Norm stelle auf die Eingliederung in das Unternehmen des Auftraggebers und die diesem gegenüber vorliegende Weisungsgebundenheit ab. Das Auftreten nach außen sei prinzipiell unbeachtlich. Der Annahme der Unselbständigkeit stehe deshalb nicht das

38 Vgl. Schön, UStKongrBer 1991/92, 117 (138 ff.); Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 75; Wagner, StuW 1995, 154 (155, 161). 39 Der Selbständigkeit im Innenverhältnis komme nur insoweit Bedeutung zu, als das Entgelt, welches der Auftragnehmer vom Auftraggeber erhalte, als steuerfreier Arbeitslohn oder steuerbares Entgelt qualifiziert werden müsse; vgl. Schön [UStKongrBer 1991/92, 117 (139 ff.)] zur Frage der umsatzsteuerliehen Selbständigkeit des Treuhänders. Wagner [StuW 1995, 154 (155)] ergänzt, das Merkmal der Nichtselbständigkeit sei jedoch kein Zurechnungsmerkmal bei der Bestimmung von Leistendem und Leistungsempfänger. Das Merkmal der Nichtselbständigkeit betreffe nur die Beurteilung des zuvor bestimmten Leistungspartners als Unternehmer. Dies bestreitet wohl Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 75. 40 Vgl. Abschn. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStR 2000. 41 Vgl. RFH, Urt. v. 21.2.1934 - V A 223132, RStBI. 1934, 671 (672); BFH, Urt. v. 14.1.1954- V 55/51 U, BStBI. 1954 III, 120 (121); Urt. v. 14.9.1967- V 108/63, BStBl. 1968 II, 193; Urt. v. 27.2.1975- V R 139170, BStBI. 1975 II, 400 (401); Urt. v. 15.7.1987- X R 19/80, BStBI. 1987 II, 746 (749 f.); Urt. v. 17.10.1996- V R 63/94, BStBI. 1997 II, 188 f.; Reiß, in: Tipke!Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 108; Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 132; Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 14 ff.; Reiß, in: Reiß!Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 63; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 93 f.; Scharpenberg, in: Hartrnann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 196; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 73.

239

Selbständigkeit

Auftreten nach außen im eigenen Namen und selbst die Eintragung als Kaufmann im Handelsregister entgegen, so dass auch in diesem Fall die Umsätze dem Auftraggeber zuzurechnen seien. Das Auftreten nach außen könne lediglich indizielle Bedeutung haben, sofern eine Entscheidnng anband des Innenverhältnisses nicht eindeutig getroffen werden könne. 42 Da die genannten Ansichten die Selbständigkeit natürlicher Personen nach unterschiedlichen Kriterien bestimmen, ist zu entscheiden, welcher Auffassung zu folgen ist. Für die Ansicht, die Selbständigkeit nach dem Auftreten nach außen zu beurteilen, spricht tatsächlich, dass die Beurteilung nach dem Innenverhältnis zu äußerst komplizierten Beweisfragen führt. Das Abstellen auf die tatsächlich oder rechtlich bestehenden Abhängigkeiten wird dem Mehrwertsteuersystem nicht in vollem Umfang gerecht, da auch das äußere Erscheinungsbild des Unternehmers in wichtigen Bereichen hervortritt. So setzt der Vorsteuerabzug gem. §§ 14 Abs. 4, 15 Abs. 1 UStG die Namensangabe sowohl des leistenden als auch des empfangenden Unternehmers voraus. 43 Um eine korrekte Rechnung nach § 14 Abs. 4 UStG zu erlangen, müsste der Vertragspartnerdes Auftragnehmers Nachforschungen über die Weisungsbefugnis des Auftraggebers anstellen. Auch der Vorschlag STADIES, im Interesse eines ordnungsgemäßen Vorsteuerabzugs neben den Unternehmer des § 2 UStG einen Unternehmer i.S. des § 14 UStG treten zu lassen - die Person, die der außenstehende Dritte für den Unternehmer halten muss 44 - kann nicht überzeugen: Dies würde dazu führen, im Umsatzsteuerrecht zwei unterschiedliche Unternehmerbegriffe anzuerkennen. Dies ist jedoch, wie SCHÖN erläutert, "mit dem Erfordernis einer konsistenten Terminologie des Gesetzes nicht vereinbar" 45 • Darüber hinaus wirft SCHÖN zu Recht die Frage auf, ob die Unternehmereigenschaft des Auftragnehmers wieder wegfallen soll, wenn er seine Unselbständigkeit offen legt und so den guten Glauben des Vertragspartners zerstört. 46 Insgesamt spricht diese Erwägung somit dafür, der erstgenannten Auffassung zuzustimmen.

42 Vgl. RFH, Urt. v. 21.2.1934- V A223/32, RStBl. 1934,671 (672); Urt. v. 27.5.1938V 497/37, RStBl. 1938,764 (765); BFH, Urt. v. 6.12.1956- V 137/55 U, BStBl. 1957 III, 42 f.; Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 132; Scharpenberg, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 196 f. 43 So auch Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 94. 44 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 14, Rdnr. 97; ähnlich Heidner, UR 2002, 445 (450 f.). 45 Schön, UStKongrBer 1991192, 117 (140). 46 So Schön [UStKongrBer 1991/92, 117 (140)] hinsichtlich eines Treuhandverhältnisses.

240

Selbständigkeit natürlicher Personen

Gegen diese Ansicht lässt sich jedoch anführen, dass nach dieser Auffassung auch der sog. falsus procurator, also der Vertreter ohne Vertretungsmacht, unselbständig wäre. Derjenige, der - obgleich selbständiger Unternehmer im Außenverhältnis angibt, im Namen und Auftrag eines Dritten zu handeln, wäre nach dieser Auffassung, sofern man das Innenverhältnis zum Auftraggeber nicht betrachtet, nichtselbständig tätig, mit der Folge, dass die von ihm erbrachten Leistungen nicht der Umsatzsteuer unterlägen. Diese Erwägung verdeutlicht, dass jedenfalls eine Beurteilung ausschließlich nach dem Auftreten nach außen nicht zutreffend sein kann. Das durchschlagende, gegen die erstgenannte Ansicht sprechende Argument ist jedoch der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG: Nach dieser Vorschrift wird eine Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, "soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind". Die entscheidenden Merkmale der unselbständigen Tätigkeit sind also die Eingliederung in ein Unternehmen und die daraus folgende Weisungsgebundenheit des Auftragnehmers. Diese beiden Merkmale folgen jedoch aus dem zwischen dem Auftraggeber und -nehmer bestehenden Rechtsverhältnis, also dem Innenverhältnis. Der Wortlaut des§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG enthält mithin keinerlei Anhaltspunkte dahin gehend, die Selbständigkeit anhand des Außenverhältnisses zu beurteilen. Selbst wenn der Auftragnehmer nach außen hin als Selbständiger agiert, schließt eine aus der Eingliederung folgende Weisungsgebundenheit des Auftragnehmers dessen Selbständigkeit aus. 47 Da aber der mögliche Wortsinn einer Norm die äußerste Grenze der Auslegung darstellt48 , können auch sehr überzeugende systematische Gtünde nicht dazu führen, die Regelung entgegen ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut auszulegen. Aus diesem Grund ist es auch unzulässig, die Regelung richtlinienkonform so auszulegen, dass die Unselbständigkeit sowohl nach dem Innenverhältnis als auch nach dem Außenverhältnis zu bestimmen ist: Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfolgt die Bestimmung der unselbständigen Tätigkeit ausschließlich anhand des Innenverhältnisses. Entscheidend sind Eingliederung in ein Unternehmen und daraus folgende Weisungsabhängigkeit 49

47 So auch Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 94. 48 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 1994, § 9, li, S. 43; Schmalz, Methodenlehre, 1998, Rdnr. 235 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre (Studienausgabe), 1995, S. 143, 163 f.; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 343. 49 So auch Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 94.

241

Selbständigkeit

Daher ist im Ergebnis der herrschenden Auffassung zuzustimmen: Die Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Tätigkeit ist im deutschen Umsatzsteuerrecht nach dem Innenverhältnis vorzunehmen.

bb)

Abgrenzungsmerkmale

Nachdem geklärt ist, dass die Unselbständigkeit im deutschen Umsatzsteuerrecht nach dem Innenverhältnis zu beurteilen ist, stellt sich die weiter gehende Frage, auf welche Art und Weise die unselbständige Tätigkeit von der selbständigen abzugrenzen ist. Die Selbständigkeit natürlicher Personen wird von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und dem überwiegenden Schrifttum im Bereich der Umsatzsteuer mit dem Verweis auf § 1 Abs. 3 LStDV50 nach denselben Grundsätzen wie im Einkommensteuerrecht beurteilt. 5 1 Dabei wird der Begriff der Selbständigkeit ähnlich wie auf der Ebene der 6. EG-Richtlinie nicht abschließend mittels subsumtionsfähiger Tatbestandsmerkmale beschrieben. Der BFH hat vielmehr eine nicht abschließende Reihe von Merkmalen herausgearbeitet, die für oder gegen die Selbständigkeit im Innenverhältnis sprechen. 52 Das sich daraus ergebende Gesamtbild entscheide darüber, ob Selbständigkeit oder Unselbständigkeit vorliege, wobei den einzelnen Merkmalen ein unterschiedliches Gewicht zukommen könne. Als wesentliches Kriterium der Nichtselbständigkeit prüft der BFH, neben

50 § 1 Abs. 3 LStDV lautet: "Arbeitnehmer ist nicht, wer Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt, soweit es sich um Entgelte für diese Lieferungen und sonstigen Leistungen handelt." 51 Vgl. BFH, Urt. v. 3.10.1961 - I 200/59 S, BStBl. 1961 III, 567 (568 f.); Urt. v. 27.7.1972- V R 136ni, BStBl. 1972 II, 810 (812); Urt. v. 20.4.1988- X R 40/81, BStBl. 1988 II, 804 (807); Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 108; Reiß, in: Reiß!Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 65; Klenk, in Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 68; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 69; Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 122; Scharpenberg, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 193 f. Die sozial- und arbeitsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit ist allenfalls ein Indiz fiir die Beurteilung der Tätigkeit als selbständig oder unselbständig.; vgl. BFH Beschl. v. 28.2.2002- BFHINV 2002, 957 f. 52 Eine Auflistung der Kriterien findet sich in: BFH, Urt. v. 14.6.1985 - Vl R 150152/82, BStBl. 1985 II, 661 (663); Urt. v. 30.5.1996- V R 2/95, BStBl. 1996 II, 493 (494 f.).

242

Selbständigkeit naturlieber Personen

der Eingliederung in den Betrieb und der Weisungsgebundenheit, das Fehlen eines Unternehmerrisikos. 53 Die Literatur stimmt dieser typologischen Prüfung 54 der Unselbständigkeit durch die Rechtsprechung zu. 55 Darüber hinaus wird betont, die Weisungsgebundenheit müsse aus der Eingliederung folgen. Eine Weisungsgebundenheit auf Grund vertraglicher Bindung alleine reiche nicht aus. 56

c)

Organschaftsähnliches Verhältnis

Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tlttigkeit auch dann nicht selbstltndig ausgeübt, soweit natürliche Personen zusammengeschlossen einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. 57 Die llltere Rechtsprechung hatte daraus gefolgert, dass Zusammenschlüsse von natürlichen Personen in Form von Personengesellschaften umsatzsteuerrechtlich unselbständig sein können, wenn sie einem anderen Unternehmen eingegliedert waren. Ob eine Eingliederung vorlag, wurde nach den für die Organschaft geltenden Grundslitzen beurteilt. Daher sprach man von "organschaftslllmlichen Verhrutnissen". Auch die Eingliederung einer Personengesellschaft in eine andere wurde als möglich angesehen. 58 53 Vgl. BFH, Urt. v. 14.6.1985 - Vl R 150-152/82, BStBl. 1985 II, 661 (663); Urt. v. 30.5.1996- V R 2/95, BStBl. 1996 II, 493 (495); Urt. v. 17.10.1996- V R 63/94, BStBl. 1997 II, 188 (189). 54 So auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 128; Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 1998, § 14, Rdnr. 108; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 7. Zum Typusbegriff, siehe oben, S. 153. 55 Vgl. Schuhmann, in: Hundt-Eßwein/Schuhmann, UStG, 1998, § 2, Rdnr. 90 ff.; Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 135; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 92 ff.; Reiß, in: Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 62; Flückiger, in: P1ückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 12, 25 ff.; Scharpenberg, in: Hartmann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 1, Rdnr. 198 ff.; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 74 ff. 56 Vgl. BFH, Urt. v. 14.9.1967 -V 108/63, BStBl. 1968 II, 193 (194); BGH Urt. v. 12.12.1996- IX ZR 214/95, HFR 1997, 701; Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 136; Wagner, StuW 1995, 154 (155). 57 Hervorhebung nicht im Original. 58 Vgl. RFH, Urt. v. 13.12.1940- V25/39, RStB1. 1941, 320; BFH, Urt. v. 23.7.1959- V 47/56 U, BStBl. 1959 III, 394 f.; Urt. v. 19.11.1964- V 245/61 S, BStB1. 1965 III, 182 (183 f.); Urt. V. 16.12.1965- V 82/60 S, BStBl. 1966 III, 300 (301 f.); Urt. V. 2.2.1967 -V 35/64, BStBl. 1967 III, 499 (500 f.); Urt. v. 18.11.1971 -V R 26/68, BStBl. 1972 II, 235 (237).

243

Selbständigkeit

Mit dem Urteil vom 7. Dezember 1978 59 hat der BFH seine Rechtsprechung zum organschaftsähnlichen Verhältnis aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht unselbständig i.S. des § 2 Abs. 2 UStG sein kann. 60 Anhand der Entstehungsgeschichte der Norm wies der BFH nach, dass mit den Worten "und zusammengeschlossen" lediglich verhindert werden sollte, dass Arbeitnehmer ihren Status als Unselbständige verlieren, wenn sie die geschuldete Arbeitsleistung ausnahmsweise in einem Zusammenschluss erbringen. Es handele sich allein um eine Regelung im Interesse der Arbeitnehmer, um zu verhindern, dass sie lediglich deshalb zur Umsatzsteuer herangezogen werden, weil sie sich zwecks Erbringung ihrer Arbeitsleistung - ausschließlich gegenüber ihrem Arbeitgeber - organisatorisch zusammengeschlossen haben. 61 Diese Rechtsprechung, die der BFH in späteren Entscheidungen fortgeführt hat62 , findet die allgemeine Zustimmung des Schrifttums. 63 Demzufolge kann also eine Personengesellschaft des Handelsrechts (OHG, KG) niemals unselbständig sein. Die Vorschrift ist mithin nur bei BGBGesellschaften anwendbar, in denen sich Arbeitnehmer zusammengeschlossen haben, um ihre Arbeitsbedingungen gegenüber einem Arbeitgeber besser durchsetzen zu können. Werden die zusammengeschlossenen Arbeitnehmer

59 BFH, Urt. v. 7.12.1978 - V R 22n 4, BStBl. 1979 II, 356. 60 Bereits am 16.11.1978 (V R 22n3, BStBL 1979 II, 347 ff.) gab der BFH seine Rechtsprechung zur sog. Unternehmereinheit auf. Bis dahin hatte der BFH angenommen, dass im Verhältnis zueinander nebengeordnete Gesellschaften bei Bestehen einer Unternehmereinheit Teile eines Gesamtunternehmens seien und dass die Unternehmereigenschaft nicht den Unternehmensteilen, sondern der hinter diesen stehenden Einzelperson oder Personengruppen zukomme. Voraussetzung fllr die Annahme einer Unternehmereinheit waren: gleiche Gesellschafter, gleiche Beteiligung der Gesellschafter an jeder Gesellschaft, einheitliche Willensbildung bei allen Gesellschaftern und Nebenordnung der Gesellschaften (vgl. BFH, Urt. v. 15.6.1951 - II 36/50 U, BStBl. 1951 III, 215 f.). Vertiefend dazu Weiß, UR 1979,97 ff. mw.N. 61 Vgl. BFH, Urt. v. 7.12.1978- V R 22n4, BStBl. 1979 II, 356 (357 f.); Urt. v. 8.2.1979 -V R 10ln8, BStBl. 1979 II, 362 (363 f.). 62 Vgl. BFH, Urt. v. 20.1.1988- X R 48/81, BStBl. 1988 II, 557 (560); Urt. v. 28.9.1988 -X R 6/82, BStBl. 1989 II, 122 (125). 63 Vgl. Weiß, UR 1979, 79 (100 ff.); Schön, DStJG 13 (1990), 81 (93 f.); Reiß, in: Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 68; Stadie, in: Rau!Dtirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 159; Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 2 Nr. 1, Rdnr. 506; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 97.

244

Selbständigkeit natürlicher Personen

gegenüber einem Dritten (Nichtarbeitgeber) tätig, dann ist der Zusammenschluss nicht mehr als nichtselbständig zu beurteilen. 64 Auf Grund der überzeugenden Rechtsprechung des BFH hat die erwähnte Wendung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG kaum mehr eine praktische Bedeutung. 65

d)

Zusammenfassung

Der Begriff der Selbständigkeit wird in § 2 UStG negativ bestimmt. Da eine natürliche Person neben einer unselbständigen Tätigkeit auch selbständig handeln kann, ist die Selbständigkeit für jede Tätigkeit getrennt zu ermitteln. Die Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, soweit eine natürliche Person einem Unternehmen so eingegliedert ist, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist. Die Unselbständigkeit ist nach dem Jnnenverhältnis des Auftraggebers zum Auftragnehmer zu beurteilen. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist das Auftreten den Auftragnehmers nach außen grundsätzlich unbeachtlich. Ob im Jnnenverhältnis die Unselbständigkeit zu bejahen ist, ist typologisch zu bestimmen. Wenn der Auftragnehmer mit einem typischen Arbeitnehmer zu vergleichen ist, ist die Unselbständigkeit zu bejahen. Wesentliche Kriterien zur Bestimmung der Unselbständigkeit sind: Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers, Weisungsabhängigkeit und das Fehlen eines Unternehmerrisikos. Darüber hinaus können in Grenzfällen weitere Kriterien herangezogen werden. Falls nach den genannten Kriterien die Unselbständigkeit im Innenverhältnis zu verneinen ist, so ist die Tätigkeit als selbständig ausgeübt anzusehen. Personenhandelsgesellschaften sind ümner selbständig tätig. BOBGesellschaften können nur dann unselbständig tätig sein, wenn sich Arbeitnehmer zusammengeschlossen haben, um ihre Arbeitsbedingungen gegenüber einem Arbeitgeber besser durchsetzen zu können.

111.

Zwischenergebnis

Um Steuerpflichtiger i.S. der 6. EG-Richtlinie bzw. Unternehmer i.S. des UStG zu sein, muss der Handelnde selbständig tätig sein. Die Selbständigkeit selbst wird weder von der 6. EG-Richtlinie noch von der deutschen 64 Vgl. Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 2 Nr. I, Rdnr. 507 f.; Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 68; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 97. 65 So auch Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 77; Ruppe, (österr.) UStG 1994, 1999, § 2, Rdnr. 97.

245

Selbständigkeit

Umsetzung definiert sondern lediglich negativ bestimmt. Nach europatschem und deutschem Umsatzsteuerrecht ist mithin derjenige selbständig tätig, der nicht als Unselbständiger handelt. Nach beiden Vorschriften können natürliche Personen sowohl unselbständig als auch selbständig tätig sein. Daher ist die Selbständigkeitjeweils tätigkeitsbezogen zu prüfen. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie betrifft die Unselbständigkeit natürlicher Personen. Die Rechtsfigur des organschaftsähnlichen Verhältnisses lässt sich somit nicht auf diese Vorschrift stützen. Daher ist die diesbezüglicheneuere BFH-Rechtsprechung richtlinienkonform. Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist derjenige selbständig, der nicht auf Grund eines Unterordnungsverhältnisses in Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelt (lnnenverhältnis) und Verantwortlichkeit des Arbeitgebers (Außenverhältnis) unselbständig ist. Nach dieser Regelung ist die Selbständigkeit mithin nur dann zu verneinen, wenn die Unselbständigkeit im Innen- und im Außenverhältnis zu bejahen ist. Somit gelten für Zwecke der Mehrwertsteuer sowohl der Arbeitnehmer, der seine Unselbständigkeit dem Vertragspartner gegenüber nicht offenbart, als auch der falsus procurator, der zwar in fremdem Namen handelt, jedoch nicht im Innenverhältnis untergeordnet ist, als Selbständige. Anders ist die Selbständigkeit nach deutschem Umsatzsteuerrecht zu prüfen. Hier findet die Beurteilung grundsätzlich ausschließlich nach dem Innenverhältnis statt. Dies führt in den Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen, in denen der im Innenverhältnis Unselbständige gegenüber Dritten in eigenem Namen auftritt. Anders als nach europäischem Recht wäre in diesem Fall nach deutschem Recht die Unselbständigkeit zu bejahen, da der Auftragnehmer im Innenverhältnis unselbständig ist. Da der deutsche Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG aber in dieser Frage eindeutig ist, verbietet sich eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Vorschrift. Somit wurde die die Selbständigkeit natürlicher Personen betreffende Regelung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie im deutschen Umsatzsteuerrecht durch § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht richtlinienkonform umgesetzt.

B.

Umsatzsteuerliche Organschaft

Wie eingangs erläutert, wurde die deutsche Umsetzungsvorschrift hinsichtlich der umsatzsteuerliehen Organschaft wegen Unvereinbarkeit mit den

246

Selbständigkeit

Umsetzung definiert sondern lediglich negativ bestimmt. Nach europatschem und deutschem Umsatzsteuerrecht ist mithin derjenige selbständig tätig, der nicht als Unselbständiger handelt. Nach beiden Vorschriften können natürliche Personen sowohl unselbständig als auch selbständig tätig sein. Daher ist die Selbständigkeitjeweils tätigkeitsbezogen zu prüfen. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie betrifft die Unselbständigkeit natürlicher Personen. Die Rechtsfigur des organschaftsähnlichen Verhältnisses lässt sich somit nicht auf diese Vorschrift stützen. Daher ist die diesbezüglicheneuere BFH-Rechtsprechung richtlinienkonform. Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist derjenige selbständig, der nicht auf Grund eines Unterordnungsverhältnisses in Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelt (lnnenverhältnis) und Verantwortlichkeit des Arbeitgebers (Außenverhältnis) unselbständig ist. Nach dieser Regelung ist die Selbständigkeit mithin nur dann zu verneinen, wenn die Unselbständigkeit im Innen- und im Außenverhältnis zu bejahen ist. Somit gelten für Zwecke der Mehrwertsteuer sowohl der Arbeitnehmer, der seine Unselbständigkeit dem Vertragspartner gegenüber nicht offenbart, als auch der falsus procurator, der zwar in fremdem Namen handelt, jedoch nicht im Innenverhältnis untergeordnet ist, als Selbständige. Anders ist die Selbständigkeit nach deutschem Umsatzsteuerrecht zu prüfen. Hier findet die Beurteilung grundsätzlich ausschließlich nach dem Innenverhältnis statt. Dies führt in den Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen, in denen der im Innenverhältnis Unselbständige gegenüber Dritten in eigenem Namen auftritt. Anders als nach europäischem Recht wäre in diesem Fall nach deutschem Recht die Unselbständigkeit zu bejahen, da der Auftragnehmer im Innenverhältnis unselbständig ist. Da der deutsche Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG aber in dieser Frage eindeutig ist, verbietet sich eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Vorschrift. Somit wurde die die Selbständigkeit natürlicher Personen betreffende Regelung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie im deutschen Umsatzsteuerrecht durch § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht richtlinienkonform umgesetzt.

B.

Umsatzsteuerliche Organschaft

Wie eingangs erläutert, wurde die deutsche Umsetzungsvorschrift hinsichtlich der umsatzsteuerliehen Organschaft wegen Unvereinbarkeit mit den

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Umsatzsteuerliche Organschaft

Vorgaben der 6. EG-Richtlinie zum 1. Januar 1987 geändert. 66 Fraglich ist, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nun die europäische Vorgabe richtlinienkonform umsetzt. Um dies zu klären, sind die Regelungen nacheinander darzustellen und auszulegen.

I.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

1.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie

Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie steht es jedem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der 6. EG-Richtlinie frei, "im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln".

2.

Auslegung

Zur umsatzsteuerliehen Organschaft hat sich die Rechtsprechung nur vereinzelt geäußert. Etwas eingehender hat sich das Schrifttum mit dieser Frage befasst.

a)

Rechtsprechung

Mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie hat sich der EuGH - soweit ersichtlich - lediglich in zwei Urteilen beschäftigt. Darüber hinaus sind jedoch in diesem Zusammenhang zwei Judikate aus den Jahren 1979 und 1997 von Interesse. Da sich der Gerichtshof in den Entscheidungen nicht eindeutig ausdrückt, sind die Aussagen des EuGH im Anschluss an die Darstellung auszulegen.

aa)

EuGH, Urt. v. 12.6.1979 - Rs. 181 und 229n8 - "Van Paassen/Denkavit Dienstbetoon"

In der bereits oben erwähnten Entscheidung des EuGH in den zusammengefassten Rechtssachen "Ketelhandel P. van Paassen BV gegen Staatssecretaris van Financienllnspecteur der Invoerrechten en Accijnzen" und "Minister van Financien gegen Denkavit Dienstbetoon BV"67 hatte der EuGH über die niederländische Rechtsfigur der steuerlichen Einheit zu entscheiden. Es stand in Frage, ob der niederländische Gesetzgeber die Ermächtigung des

66 Siehe oben, S. 16. 67 EuGH, Urt. v. 12.6.1979- Rs. 181 und 229n8 (Van Paassen!Denkavit Dienstbetoon), EuGHE 1979, 2063; siehe oben, S. 170 ff.

247

Selbständigkeit

Anhangs A Nr. 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der 2. EG-Richtlinie, die im Wesentlichen mit der Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie übereinstimmt68 , konkludent umgesetzt hatte. Die niederländische Finanzbehörde hatte auf Grund der "steuerlichen Einheit" drei Kapitalgesellschaften eines Konzerns, bei denen die Obergesellschaft zu 100 % die Anteile der mittleren Gesellschaft hielt und diese zu 100 %die Anteile der Untergesellschaft hielt, als einen Steuerpflichtigen behandelt (Van Paassen). Daneben hatte die Finanzverwaltung auf Grund dieser Rechtsfigur zwei nebengeordnete Kapitalgesellschaften, die von den gleichen natürlichen Personen geleitet wurden und deren Anteile sich im Besitz der gleichen Anteilseigner befanden, als einen Steuerpflichtigen behandelt (Denkavit Dienstbetoon).69 Der EuGH setzte sich in der Entscheidung inhaltlich mit den genannten Varianten der "steuerlichen Einheit" kaum auseinander, sondern führte kurz aus, nach Anhang A Nr. 2 der 2. EG-Richtlinie sei diese Regelung für ein einzelstaatliches Gesetz zur Übernahme der Vorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie in die innerstaatliche Rechtsordnung ausdrücklich zugelassen gewesen unter der Voraussetzung, dass der Mitgliedstaat vorher die in Art. 16 der 2. EG-Richtlinie vorgesehene Konsultation durchführe. 70

bb)

EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90- "Polysar"

In der oben eingehend besprochenen Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Polysar Investment Nederlands BV gegen lnspecteur der lnvoerrechten en Accijnzen te Amhem"71 fragte der vorlegende Gerichtshof Ambern neben der oben dargestellten Frage, ob, sofern die Tätigkeit der Polysar nicht als "wirtschaftlich" i.S. der 6. EG-Richtlinie zu beurteilen sei, Steuerpflicht gleichwohl vorliege, wenn die Holdinggesellschaft Glied und integ-

68 Anhang A Nr. 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der 2. EG-Richtlinie lauten: "Der genannte Begriff [selbständig] gestattet es den einzelnen Mitgliedstaaten ferner, Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen untereinander verbunden sind, nicht getrennt als mehrere Steuerpflichtige, sondern zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Der Mitgliedstaat, der die Annahme einer solchen Regelung beabsichtigt, fUhrt die in Artikel 16 vorgesehene Konsultation durch." 69 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.6.1979- Rs. 181 und 229n8 (Van Paassen!Denkavit Dienstbetoon), EuGHE 1979, 2063 (2065 ff.). 70 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.6.1979- Rs. 181 und 229n8 (Van Paassen!Denkavit Dienstbetoon), EuGHE 1979, 2063 (2078, Rdnr. 8). 71 EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, 1-3111; siehe oben, S. 120 f.

248

Umsatzsteuerliche Organschaft

rierender Teil eines Weltkonzerns sei, der im Allgemeinen nach außen hin unter ein und demselben Namen, dem Konzernnamen, auftrete. 72 Der EuGH wies darauf hin, dass die Zugehörigkeit einer Holdinggesellschaft zu einem Weltkonzern dieser die Eigenschaft als Nichtsteuerpflichtige nicht nimmt, wenn sie ihre Tätigkeit auf den bloßen Erwerb von Beteiligungen beschränkt. Denn gern. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie könnten Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden seien, nur dann als ein Steuerpflichtiger behandelt werden, wenn sie im Hoheitsgebiet nur eines Mitgliedstaats ansässig seien. 73 cc)

EuGH, Urt. v. 20.2.1997 - Rs. C-260/95 - ,,DFDS"

Nicht direkt mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie beschäftigte sich der EuGH in der Rechtssache "Commissioners of Customs & Excise gegen DFDS AIS" 74 • Grundlage der Entscheidung war die Frage, ob die dänische Gesellschaft DFDS AIS für Umsätze aus Pauschalreisen, die ihre englische Tochtergesellschaft DFDS Ltd. im Namen der DFDS AIS anbot, im Vereinigten Königreich steuerpflichtig war. Der EuGH führte aus, eine Dienstleistung, die ein Reiseveranstalter für einen Reisenden von einer festen Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen aus erbracht habe, in dem er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit habe, sei in dem Staat zu besteuern, in dem diese feste Niederlassung liege. Um festzustellen, ob das dänische Reisebüro tatsächlich in dem betreffenden Mitgliedstaat über eine solche Niederlassung verfüge, sei zu prüfen, ob die Gesellschaft, die in diesem Staat für das Reisebüro tätig werde, diesem gegenüber nicht selbständig sei. Der Umstand, dass die Geschäftsräume der englischen Tochtergesellschaft, die eine eigene juristische Rechtspersönlichkeit besitze, dieser gehörten und nicht der DFDS AIS, reiche alleine nicht aus, um festzustellen, dass diese von jener tatsächlich unabhängig sei. Im Gegenteil ergebe sich insbesondere daraus, dass die DFDS AIS das gesamte Gesellschaftskapital ihrer Tochtergesellschaft halte, sowie aus verschiedenen Vertragspflichten, die dieser von ihrer Muttergesellschaft

72 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Po1ysar), EuGHE 1991, I-3111 (3135, Rdnr. 7). 73 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991- Rs. C-60/90 (Polysar), EuGHE 1991, I-3111 (3137 f., Rdnr. 15). Hervorhebungen nicht im Original. 74 EuGH, Urt. v. 20.2.1997- Rs. C-260/95 (DFDS), EuGHE 1997, I-1005.

249

Selbständigkeit

auferlegt worden seien, dass die im Vereinigten Königreich niedergelassene Gesellschaft als bloße Hilfsperson der DFDS AIS handele. 75

dd)

EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98- "Heerma"

In der oben eingehend besprochenen Rechtssache "Staatssecretaris van Financien gegen J. Heerma" 76 nahm der EuGH auch kurz zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie Stellung. Nachdem er die Unselbständigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EGRichtlinie verneint hatte, führte er aus, zwar könnten die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden seien, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Jedoch sei diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, da die niederländische Verwaltung im Ausgangsverfahren nicht darauf abgestellt habe, dass nur ein Steuerpflichtiger im Sinne dieser Bestimmung vorliege. 77

ee)

Auslegung der Rechtsprechung

Da die Aussagen des EuGH zu großen Teilen nicht ohne Weiteres verständlich sind, ist eine Auslegung erforderlich. In den Rechtssachen "Van Paassen/Denkavit Dienstbetoon" äußert sich der EuGH lediglich zu der Frage, ob die Niederlande die Regelung des Anhangs A Nr. 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der 2. EG-Richtlinie konkludent umgesetzt hat. Es findet keine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage statt, ob die niederländische Rechtsfigur der "steuerlichen Einheit" inhaltlich eine richtlinienkonforme Umsetzung der genannten Vorschrift ist. Der EuGH nimmt die Richtlinienkonformität offensichtlich an. Folglich ist davon auszugehen, dass sowohl die Fallgmppe, dass ein dreistöckiger Konzern, in dem die 0bergesellschaft 100 % der Anteile der mittleren Gesellschaft hält und diese wiederum 100 % der Anteile an der Untergesellschaft hält, als auch die Konstellation zweier nebengeordneter Kapitalgesellschaften, die von den gleichen Personen geleitet werden und deren Anteile von denselben Perso-

75 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.2.1997- Rs. C-260/95 (DFDS), EuGHE 1997, 1-1005 (1031, Rdnr. 24 ff.). Hervorhebungen nicht im Original. 76 EuGH, Urt. v. 27.1.2000- Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, 1-419; siehe oben, S. 228 f. 77 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.1.2000 - Rs. C-23/98 (Heerma), EuGHE 2000, 1-419 (444, Rdnr. 20 f.).

250

Umsatzsteuerliche Organschaft

nen gehalten werden, nach der Auffassung des EuGH unter die Vorschrift des Anhangs A Nr. 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der 2. EG-Richtlinie und somit unter den fast wortgleichen Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu subsumieren sind. In der "Polysar"-Entscheidung äußert sich der EuGH dahingehend, dass die Holdinggesellschaft nicht auf Grund des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie Steuerpflichtiger ist. Diese Regelung findet nur dann Anwendung, wenn die beteiligten Gesellschaften in einem Mitgliedstaat ansässig sind. Die "DFDS"-Entscheidung ist dahingehend zu verstehen, dass der EuGH außerhalb der Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie die Möglichkeit der Unselbständigkeit juristischer Personen anerkennt. Die Unselbständigkeit ist nicht davon abhängig, dass Mutter- und Tochtergesellschaft in dem gleichen Mitgliedstaat ansässig sind und liegt dann vor, wenn die Muttergesellschaft 100 % der Anteile an der Tochtergesellschaft hält und die Tochtergesellschaft verschiedene Vertragspflichten hat, die ihr von der Muttergesellschaft auferlegt wurden. In der "Heerma"-Entscheidung führt der EuGH aus, hinsichtlich der Frage der Unselbständigkeit einer natürlichen Person von einer Personengesellschaft sei Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie deshalb nicht zu prüfen, weil die niederländische Verwaltung nicht darauf abgestellt habe. Daraus kann man im Umkehrschluss entnehmen, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie nach Auffassung des EuGH nicht nur juristische Personen betrifft, sondern grundsätzlich auch auf natürliche Personen und Personengesellschaften Anwendung finden kann.

b)

Literatur

Auch die Literatur hat sich zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie geäußert. Hier sind insbesondere die zu den erwähnten Entscheidungen erschienenen Urteilsanmerkungen und Aufsätze von Interesse.

aa)

"Van Paassen"/"Denkavit Dienstbetoon"-Entscheidung

Mit der Entscheidung des EuGH in den verbundenen Rechtssachen "Van Paassen" und "Denkavit Dienstbetoon" beschäftigt sich- soweit ersichtlichlediglich WEiß in einer Urteilsanmerkung. Er kritisiert die undeutliche Grenzziehung des EuGH zwischen Art. 4 der 2. EG-Richtlinie und der Erweiterung des Merkmals der Selbständigkeit durch Anhang A der 2. EGRichtlinie. Der EuGH sei unter Zugrundelegung der Ausführungen des Hoge Raad davon ausgegangen, dass die niederländische Rechtsfigur der "steuer-

251

Selbständigkeit

liehen Einheit" in AnhangAder 2. EG-Richtlinie falle und nicht von Art. 4 der 2. EG-Richtlinie gedeckt sei. Im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen der Unternehmenseinheit, die von Art. 4 der 2. EG-Richtlinie erfasst werde, sowie den Rechtsfiguren der Organschaft, des organschaftsähnlichen Verhältnisses und der Unternehmereinheit, wäre es nach seiner Auffassung jedoch notwendig und im Interesse einer wirklichen Harmonisierungsbemühung geboten gewesen, in abstrakter und für alle Mitgliedstaaten erkennbarer Form die Grenzlinie zwischen Art. 4 der 2. EG-Richtlinie und dem Anhang Ader 2. EG-Richtlinie zu ziehen. Man könne aus dem BuGH-Urteil nur für den Sachverhalt "Van Paassen" entnehmen, dass er einen Fall der mittelbaren Organschaft betreffe und dieser dem Anhang A zugewiesen werde. Die Darstellung des Sachverhalts "Denkavit Dienstbetoon" sei indessen unzureichend und ermögliche einem Außenstehenden nicht, Erkenntnisse über die Rechtsvorstellungen des EuGH zu gewinnen. Dies sei wegen der dem EuGH zugewiesenen Aufgabe zu bedauern. Weiter führt er aus, die Regelung des Art. 4 der 2. EG-Richtlinie i.V.m. dem einschlägigen Anhang A deute nach deutschem Rechtsverständnis auf die Beschreibung der Organschaft als Ausnahme zu Art. 4 der 2. EG-Richtlinie. Das organschaftsähnliche Verhältnis könne möglicherweise auch noch unter den Wortlaut des Anhangs A der 2. EG-Richtlinie gebracht werden; die Unternehmereinheit scheine hingegen ausgenommen. Der EuGH sei offensichtlich - wenn auch ohne Begründung - anderer Meinung. 78

bb)

,,Polysar"-Entscheidung

Die sich zur ,,Polysar"-Entscheidung äußernde Literatur stimmt dem EuGH zunächst einmal insoweit zu, dass die Regelung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie im vorliegenden Fall keine Anwendung finden konnte, da die Gesellschaften nicht in einem Staat ansässig waren. 79 Jedoch besteht Uneinigkeit in der Frage, ob eine Holding auf Grund einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit Steuerpflichtiger sein muss, um Organträger im Rahmen einer umsatzsteuerliehen Organschaft i.S. v. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie sein zu können oder ob die Tätigkeiten der Organgesellschaft(en) dem (nicht selbst wirtschaftlich tätigen) Organträger zuzurechnen sind.

78 Vgl. Weiß, UR 1980, 11 f. Weiß spricht von Art. 2 der 2. EG-Richtlinie meint jedoch wohl Art. 4. 79 Vgl. Ebke!Andrees, EWS 1993, 346 (348 f.); Rödder, DStR 1993,635 (640); Bachern, BB 1994, 1608 (1610). Auch Langer (in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, Art. 4 6. EGRL, Rdnr. 14) lehnt die grenzüberschreitende Organschaft ab.

252

Umsatzsteuerliche Organschaft

RöDDER äußert die Hoffnung, dass eine Organschaftsgestaltung nach Auffassung des EuGH möglicherweise erfolgreich gewesen wäre, wenn und soweit Tochtergesellschaften über im Inland gelegene Unternehmensteile verfügt hätten. Der EuGH habe im ,,Polysar"-Urteil unter Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie die Unternehmerqualifikation der Holding per Organschaft deshalb abgelehnt, weil die Organgesellschaften nicht im Inland ansässig waren. Der EuGH habe die Holding nicht als grundsätzlich ungeeigneten Organträger bezeichnet. Im Gegenteil sei es nach wie vor denkbar, dass jede Holding (unabhängig von einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit) umsatzsteuerlich Organträger für inländische Organgesellschaften sein könne. Als Organträger käme demnach also nicht nur eine Führungs- sondern auch eine Finanzholding in Betracht. 80 Nach BACHEMS Ansicht kann man dies nicht der "Polysar"-Entscheidung entnehmen, da der EuGH die Beantwortung der o.a. Frage gerade offen lasse. Das gleiche Ergebnis leitet BACHEM jedoch direkt aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ab: Es werde lediglich gefordert, dass der Organträger und das Organ unter den dort genannten Voraussetzungen zusammen als ein Steuerpflichtiger zu behandeln seien. Eine Aussage darüber, wer vor der Organschaft Steuerpflichtiger i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie Steuerpflichtiger sein müsse, werde nicht getroffen. Diese Richtlinienpassage spreche lediglich davon, Personen in der vorbezeichneten Weise zu behandeln. Nicht erhoben werde die Forderung, dass der Organträger bei isolierter Betrachtung "Steuerpflichtiger" sein müsse. Hierin könne ein Ansatzpunkt zur Stütze der Unternehmereigenschaft kraft Zurechnung gesehen werden. 81 Anders äußert sich HALLERBACH. Seiner Ansicht nach ist der EuGH der Meinung, dass bei einer umsatzsteuerliehen Organschaft nur die konzernleitende Holding als Organträger anzuerkennen sei. Er geht somit wohl davon aus, dass Organträger nur derjenige sein kann, der auf Grund einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit ,,Steuerpflichtiger" i.S. der 6. EG-Richtlinie ist. Eine Zurechnung der Unternehmereigenschaft komme nicht in Betracht. 82

80 Vgl. Rödder, DStR 1993, 635 (640). 81 Vgl. Bachern, BB 1994, 1608 (1610). 82 Vgl. Schwarze!Hallerbach!Wagner!Rau, JbFfSt 1992/93, 387 (397 f.). Ähnlich sieht dies wohl Weiß, UR 1993, 121.

253

Selbständigkeit

cc)

,,DFDS"-Entscheidung

Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "DFDS" wird - soweit sich die Literatur zu der angesprochenen Rechtsfrage äußert- überwiegend kritisch kommentiert. 83 Insbesondere SCHLIENKAMP setzt sich mit der Entscheidung eingehend auseinander. Seiner Auffassung zufolge werfen die Schlussfolgerungen des EuGH zur Beurteilung der Unselbständigkeitjuristischer Personen eine Reihe von Fragen auf. Es verwundere zunächst außerordentlich, dass sich der EuGH (ebenso wie der Generalanwalt) überhaupt nicht mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie auseinander setze. Die 6. EG-Richtlinie gehe davon aus, dass juristische Personen unter den Voraussetzungen des Art. 4 grundsätzlich selbständige Steuerpflichtige seien. Dies folge im Umkehrschluss aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie. Nach dieser Vorschrift könnten nur solche juristischen (rechtlich unabhängigen) Personen ein Gesamtunternehmen bilden, die im Inland ansässig seien. Der Begriff "rechtlich unabhängig" in der deutschen Fassung der Richtlinie sei identisch mit ,,rechtlich selbständig", wie ein Vergleich mit der englischen und der französischen Fassung zeige. Dies bedeute, dass im Ausland - in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat - ansässige juristische Personen auch umsatzsteuerlich stets ihre Selbständigkeit behielten. Somit wären SCHLIENKAMP zufolge die dänische Muttergesellschaft und die englische Tochtergesellschaft als zwei selbständige Unternehmen zu behandeln mit der Folge, dass die englische Tochtergesellschaft- im Gegensatz zu der Entscheidung des EuGH - nicht als (unselbständige) feste Niederlassung der dänischen Mutter angesehen werden könne. 84

83 Vgl. Schlienkamp, UR 1997,161 (163 ff.); ihmfolgendHannemann, DStR 1998,324 (326 f.). Anders Zöllinger (DStR 1997, 1750), der die Grundsätze des Urteils kritiklos übernimmt. Lediglich Tiede (Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 196) stimmt dem EuGH ausdrücklich zu. 84 Vgl. Schlienkamp, UR 1997, 161 (163 f.). Folge man hingegen der Auffassung des EuGH seien weitere wichtige Fragen offen, z.B., (1) ob auch eine Mehrheitsbeteiligung von weniger als 100 v.H. reiche, um die Unselbständigkeit einer juristischen Person zu bejahen, (2) welche der zahlreichen Vertragspflichten, die der Tochtergesellschaft von der Mutter auferlegt seien, konkret die Eigenschaft einer bloßen Hilfsperson begründeten und ob es dabei auch - wie bei der deutschen Organschaftsregelung auf eine wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung ankomme oder (3) ob eine juristische Person nur bei der Bestimmung des Leistungsortes flir Reiseleistungen (Art. 26 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie) oder auch im Rahmen des Art. 9 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie unselbständig sein köune. Von erheblicher Bedeutung sei auch, ob eine im Inland ansässige juristische Person (Tochtergesellschaft) gegenüber ihrer Mutter

254

Umsatzsteuerliche Organschaft Anders sieht dies TmDE. Seiner Ansicht nach ist dem EuGH in der Rechtssache "DFDS" "uneingeschränkt zuzustimmen". Der EuGH habe sich über die (nach TIEDES Auffassung) zu engen Grenzen der Organschaft hinweggesetzt und eine eigene Zurechnung außerhalb der Organschaft vorgenommen. Insofern habe er sich zu Recht nicht mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie auseinandergesetzt 85

dd)

"Heerma"-Entscheidung

Zu der erwähnten Passage in der "Heerma"-Entscheidung des EuGH äußert sich - soweit ersichtlich - lediglich CLAUSNITZER. Er führt aus, die Entscheidung zeige, dass die selbständige Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit durch eine natürliche Person gern. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie auch durch eine organschaftliehe Verflechtung ausgeschlossen sein könne. Der Inhalt der Richtlinie gehe insoweit über die Regelung in § 2 Abs. 2 UStG hinaus. 86 LANGER zufolge, der sich unabhängig von der "Heerma"-Entscheidung zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie äußert, können neben natürlichen und juristischen Personen auch Personengesellschaften als Organgesellschaften angesehen werden. 87

c)

Stellungnahme

Steuerpflichtiger ist nur, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen ermächtigt, rechtlich unabhängige Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen zu betrachten. Dem ist zu entnehmen, dass der Richtliniengeber grundsätzlich - ebenso wie bei Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie- die Selbständigkeit dieser Personen annimmt. Folglich ist Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6 EG-Richtlinie wie WEiß zur Parallelregelung in der 2. EG-Richtlinie zutreffend ausführt88 eine Ausnahmeregelung zu Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen rechtlich unabhängige Personen zusammen als ein Steuerpflichtiger behandelt werden können. Zur

85 86 87 88

unselbständig sein könne, wenn diese nicht in einem anderen Mitgliedstaat, sondern im Drittlandsgebiet ansässig sei. Vgl. Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 179, 196. Vgl. Clausnitzer, KFR, Fach 7, § 2 UStG, 1100, 213 (214). Ähnlich äußerte sich von Wallis [FS Rädler, 1999, 639 (645)] bereits vor der "Heerma"-Entscheidung. Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 15. Ähnlich Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 149. Vgl. Weij3, UR 1980, 11 (12).

255

Selbständigkeit

Klärung dieser Frage sind die Tatbestandsmerkmale des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie auszulegen. 89

aa)

Rechtlich unabhängige Personen ("Polysar", "Heerma")

Gern. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie können nur "Personen" zusammengefasst als ein Steuerpflichtiger behandelt werden. Fraglich ist, wie dieser Begriff auszulegen ist. Der EuGH zeigt in der Rechtssache "Polysar", dass er unter dem Begriff "Personen" jedenfalls juristische Personen versteht. In der "Heerma"Entscheidung, die die Verbindung einer natürlichen Person und einer Personengesellschaft betrifft, wendet der EuGH die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie deshalb nicht an, weil sich die niederländische Verwaltung nicht auf diese Vorschrift berufen hat. Im Umkehrschluss kann man folgern, dass der EuGH die Vorschrift grundsätzlich für anwendbar hält. Auch CLAUSNITZER vertritt die Auffassung, dass natürliche Personen unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie die Selbständigkeit verlieren können. Es stellt sich somit die Frage, wie - losgelöst von diesen Einzelfallentscheidungen - der Begriff "Personen" auszulegen ist. Wie bereits an andere Stelle zur Untemehmerfahigkeit dargelegt, deutet der Begriff ,,Personen"- ebenso wie in Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie- darauf hin, nur natürliche und juristische Personen unter diesen Begriff zu subsumieren. Es wurde jedoch erläutert, dass dieses Verständnis zur Bestimmung der Untemehmerfahigkeit zu eng ist. 90 Über natürliche und juristische Personen hinaus können auch Personenvereinigungen, die gewisse Voraussetzungen erfüllen, Steuerpflichtige i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie sein. Da aber die Untemehmerfahigkeit nicht für Art. 4 Abs. 3 der 6. EGRichtlinie nach anderen Kriterien zu beurteilen ist als für Art. 4 Absätze 1 und 2, ist davon auszugehen, dass der Begtiff "Personen" in Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie weit zu verstehen ist und alle unternehmeifähigen Gebilde bezeichnet, d.h. nicht nur natürliche und juristische Personen werden erfasst, sondern auch sonstige untemehmerfahige Personenvereinigungen. Wenn nun also der Begriff ,,Personen" in Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie auf diese Weise auszulegen ist, gibt es keine Hinweise darauf, denselben Terminus in einem folgenden Absatz desselben Artikels anders zu interpre89 Zur Frage, ob Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie mit primärem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, vgl. Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 163 ff. mw.N. 90 Siehe oben, S. 35.

256

Umsatzsteuerliche Organschaft

tieren. Die Richtlinie enthält keine Anhaltspunkte dahingehend, den Begriff "Personen" in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie enger auszulegen als in Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie. Insbesondere dem Relativsatz "die zwar rechtlich unabhängig [... ] sind" können keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass die "Personen" rechtsfähig sein müssen. Sie müssen lediglich unabhängig sein. Dies ist jedoch grundsätzlich jede unternehmerfähige Personenvereinigung. Folglich ist davon auszugehen, dass der Begriff "Personen" i.S.v. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie jedes unternehmerfähige Gebilde erfasst. Die genannten Entscheidungen des EuGH sind insoweit zutreffend: Natürliche Personen sind grundsätzlich selbständig, können jedoch unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 oder Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ihre Selbständigkeit verlieren. Auch juristische Personen und sonstige unternehmerfähige Personenvereinigungen sind grundsätzlich selbständig. Die Selbständigkeit entfallt lediglich unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie.

bb)

Ansässigkeit im Inland ("Polysar", ,,DFDS")

Darüber hinaus müssen die Personen im Inland ansässig sein. In der ,,Polysar"-Entscheidung stellte der EuGH heraus, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie auf die Polysar BV keine Anwendung finden konnte, da die Vorschrift nur dann anzuwenden sei, wenn die "Personen" im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig seien. Fraglich ist, ob diese Auffassung zutreffend ist. Wie die Entstehungsgeschichte zeigt, sollte durch die Neufassung der Regelung in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Organschaft beseitigt werden. Deutlich macht dies bereits der Kommissionsentwurf zu Art. 4 der 6. EG-Richtlinie: Darin war festgelegt, dass es bis zu einem bestimmten Zeitpunkt jedem Mitgliedstaat frei steht, "auf seinem Hoheitsgebiet ansässige Personen" als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Einschränkung fand keine Entsprechung in Anhang A Nr. 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der 2. EG-Richtlinie. Im Unterschied zur Regelung in der 2. EG-Richtlinie reichte die Organschaft im Kommissionsentwurf somit nur bis zur Grenze und wurde dadurch wesentlich eingeschränkt.91 Die Entwurfsfassung wurde in der 6. EG-Richtlinie nur dahingehend geändert, dass die Mitgliedstaaten nun durch Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 "im Inland ansässige Personen" als einen Steuerpflichtigen behandeln können. Eine Änderung trat insoweit ein, als (wie die Legaldefinition in Art. 3 91 Vgl. Wachweger, DStZ 1974, 115 (116).

257

Selbständigkeit

Absätze 2 und 3 der 6 EG-Richtlinie zeigt) sich das "Inland" in einigen Fällen vom Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates unterscheidet (insoweit ist die o.a. Aussage des EuGH in der Rechtssache "Polysar" nicht ganz korrekt). Durch die Passage "im Inland ansässige Personen" sollte die noch nach Anhang A Nr. 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der 2. EG-Richtlinie mögliche grenzüberschreitende Organschaft abgeschafft werden: Die Mitgliedstaaten können nun nur solche Personen zusammengefasst als einen Steuerpflichtigen behandeln, die im Inland i.S. des Art. 3 Absätze 2 und 3 der 6. EG-Richtlinie ansässig sind. 92 Was aber ist unter Ansässigkeif i.S. der 6. EG-Richtlinie zu verstehen? Die Klärung dieser Frage ist insbesondere für das Problem relevant, ob inländische Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften "im Inland ansässige Personen" sind. Würde man "ansässig" i.S. der§§ 8-11 AO verstehen, d.h. eine Person wäre nur dann im Inland ansässig, wenn sie hier Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Geschäftsleitung oder Sitz hätte, so würde dies dazu führen, inländische Betriebsstätten nicht unter "im Inland ansässige Personen" zu subsumieren, wenn deren Träger im Ausland ihren Sitz haben. Für diese Auffassung könnte man anführen, dass auch die Ansässigkeitskriterien der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Besitzsteuern sich an Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt bzw. Geschäftsleitung an dem Recht der Vertragsstaaten orientieren (vgl. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Man könnte auch im Hinblick auf die sog. Fusionsrichtlinie93 argumentieren, das Europarecht übernehme in den EG-Richtlinien den Sprachgebrauch des internationalen Steuerrechts. 94 Ein solcher Schluss ist jedoch nicht zulässig, da die 6. EG-Richtlinie bei Steuerpflichtigen von abweichenden Ansässigkeitskriterien ausgeht. Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie. Danach knüpft die Ansässigkeit bei Steuerpflichtigen vorrangig an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder an eine feste Niederlassung. 95 Eine inländische Betriebsstätte als 92 So auch Steppert, UR 1994, 343 (344). 93 Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem flir Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (90/434/EWG), ABI. EG 1990, L 225, S. 1. 94 Nach Art. 3 Buchst. b der sog. Fusionsrichtlinie ist eine "Gesellschaft eines Mitgliedsstaats" jede Gesellschaft, die nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats als in diesem Staate ansässig und nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens mit einem dritten Staat als außerhalb der Gemeinschaft ansässig angesehen wird. 95 Ein Anknüpfen an Wohnort bzw. gewöhnlichen Aufenthalt kommt nur nachrangig in Betracht. Auch Art. 26 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie knüpft an den "Sitz der wirt-

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Umsatzsteuerliche Organschaft

feste Niederlassung begründet deshalb i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie die Ansässigkeit ihres Inhabers (auch) im Inland und kann somit in die Organschaftsregelung einbezogen werden. 96 Fraglich ist nun, ob die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache "DFDS" zutreffend sind. In diesem Fall hatte der EuGH die Selbständigkeit einer in England ansässigen juristischen Person verneint und sie als Betriebsstätte ihrer in Dänemark ansässigen Muttergesellschaft angesehen, sie also mit dieser Gesellschaft zusammen als einen Steuerpflichtigen behandelt. Zutreffend wäre diese Entscheidung dann, wenn das in England ansässige Reisebüro tatsächlich eine Betriebsstätte der in Dänemark ansässigen DFDS/AS wäre. In diesem Fall wäre die Betriebsstätte Teil des Unternehmens der in Dänemark ansässigen Gesellschaft und es wäre Art. 26 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie anzuwenden. Fraglich ist also, ob den Darlegungen des EuGH hinsichtlich der Selbständigkeit der englischen Tochtergesellschaft zu folgen ist. Wie oben ausgeführt, sind juristische Personen ebenso wie unternehmerfähige Personenvereinigungen grundsätzlich selbständig tätig. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie eingreift und die Gesellschaft mit einer anderen "Person" zusammen als ein Steuerpflichtiger behandelt wird. In diesen Fällen verliert die Gesellschaft ihre Selbständigkeit. Dieser Verlust der Selbständigkeit erfordert jedoch die Zusammenfassung mit einer anderen "Person", die im "Inland" desselben Mitgliedsstaates ansässig ist. Vorliegend hat der EuGH eine in England ansässige Kapitalgesellschaft mit ihrer in Dänemark ansässigen Muttergesellschaft zusammengefasst. Dies widerspricht dem Sinn und Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie, der gerade die grenzüberschreitende Organschaft beseitigen sollte. Auch kommt eine erweiternde Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie nicht in Betracht. Somit ist dem EuGH jedenfalls insoweit zuzustimmen, als er sein Ergebnis nicht mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie begründet. Der EuGH verneint die Selbständigkeit einer juristischen Person somit auf Grund einer von ihm geschaffenen Ausnahmeregelung. Ohne dies ausdrücklich auszuführen schafft der EuGH einen Ausnahmetatbestand für Konstellationen, die wegen einer Grenzüberscln·eitung nicht unter Art. 4 Abs. 4 Unteschaftliehen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung" an. Gegen diese Auffassung spricht nicht Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 3 1. Spiegelstrich der 6. EG-Richtlinie, da dort die Ansässigkeit "Reisender" (also Nichtsteuerpflichtiger) geregelt wird; vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG (85. Lfg., Mai 1996), § 2, Rdnr. 738. 96 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG (85. Lfg., Mai 1996), § 2, Rdnr. 738.

259

Selbständigkeit

rabs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu fassen sind. Dies widerspricht jedoch dem Willen des Richtliniengebers. Durch die Neuregelung der Organschaft in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie wurde die grenzüberschreitende Organschaft beseitigt. Der EuGH kann sich nicht über den insoweit eindeutigen Willen des Richtliniengebers hinwegsetzen und die grenzüberschreitende Organschaft quasi "durch die Hintertür" wieder einführen. Somit ist im Ergebnis den kritischen Ausführungen SCHLIENKAMPS97 zu folgen. Die vom EuGH in der "DFDS"-Entscheidung getroffenen Aussagen hinsichtlich der Selbständigkeit juristischer Personen sind folglich nicht haltbar. Im Gegenteil wäre auf Grund der geltenden Rechtslage die Selbständigkeit der englischen Tochtergesellschaft zu bejahen. 98 cc)

Art der Verbindung ("Van Paassen!Denkavit Dienstbetoon'')

Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie können im Inland ansässige Personen nur dann als ein Steuerpflichtiger behandelt werden, wenn sie "durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind". Wann aber liegt ein solche finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehung vor? Die 6. EG-Richtlinie enthält keine Legaldefinition dieser Begriffe. Der EuGH hat sich soweit ersichtlich zur Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale bislang nicht geäußert. In den Rechtssachen "Van Paassen/Denkavit Dienstbetoon" hat der EuGH durch die konkludente Billigung der niederländischen Rechtsfigur der steuerlichen Einheit anerkannt, dass eine solche Bindung jedenfalls dann vorliegt, wenn in einem dreistöckigen Konzern die Obergesellschaft 100 % der Anteile der mittleren Gesellschaft hält und diese zu 100% die Anteile der Untergesellschaft hält. Ebenso gilt dies, wenn zwei nebengeordnete Gesellschaften von denselben Personen geleitet werden und die Anteile der Gesellschaften von den gleichen Anteilseignern gehalten werden. Eine Definition der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehung anband abstrakter Kriterien gibt der EuGH jedoch nicht. Aus der Literatur äußert sich zu dieser Frage lediglich LANGER: Er führt aus, als finanzielle Verbundenheit werde insbesondere eine entscheidende kapitalmäßige Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft anzusehen sein, durch die der Organträger in die Lage versetzt sei, seinen Willen in der 97 Vgl. Schlienkamp, UR 1997, 161 (163 f.); siehe oben, S. 254. 98 A.A. Tiede (Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 179, 196), dessen Auffassung sich jedoch - ebenso wie die des EuGH - mE. mit der geltenden Rechtslage nicht in Einklang bringen lässt.

260

Umsatzsteuerliche Organschaft Organgesellschaft durchzusetzen. Eine wirtschaftliche Eingliederung bedeute z.B., dass eine Organgesellschaft die von dem Organträger ausgeübte Tätigkeit sinnvoll ergänze. Zwischen den von der Organgesellschaft getätigten Umsätzen und denen des Organträgers müsse zumindest ein Zusammenhang bestehen. Bei der organisatorischen Verbundenheit sei eine Beherrschung der Willensbildung bei dem beherrschten Unternehmen durch das herrschende Unternehmen anzunehmen. 99 Diese Definitionen LANGERS taugen zur Auslegung der Eingliederungsmerkmale im Fall des Über-Unterordnungsverhältnis von Gesellschaften in mehrstöckigen Konzernen. Doch stellt sich die Frage, ob die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie nicht auch andere Verbindungen als die umsatzsteuerliche Organschaft erfasst. Im Unterschied zur deutschen Vorschrift spricht die Richtlinie nicht von einer "Eingliederung" einer Organgesellschaft in das Unternehmen eine Organträgers sondern von "Personen, die[ ... ] eng miteinander verbunden sind". Der Richtliniengeber wollte damit nicht nur die aus dem deutschen Recht bekannte Organschaft als Unterordnung einer Gesellschaft unter eine andere, sondern auch die Nebenordnung zweier Gesellschaften, vergleichbar der in Deutschland bis ins Jahr 1978 anerkannten Rechtsfigur der Unternehmereinheit 100 , erfassen. 101 Folgerichtig hat der EuGH zu Recht in den Rechtssachen "Van Paassen/Denkavit Dienstbetoon" die Anwendung der Rechtsfigur der steuerlichen Einheit neben dem dreistufigen Konzern auch für die nebengeordneten Gesellschaften konkludent anerkannt. 102 Folglich ist die für den Fall der Organschaft zutreffende Auslegung der Merkmale "fmanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen" durch LANGER, für die Konstellation nebengeordneter Gesellschaften zu modifizieren: Zwei nebengeordnete Gesellschaften sind finanziell miteinander verbunden, wenn die Anteile an beiden Gesellschaften von den gleichen Personen gehalten werden und somit die gleichen Personen in der Lage sind, ihren Willen in den nebengeordneten Gesellschaften durchzusetzen. Die wirtschaftliche Verbundenheit bedeutet, dass die Gesellschaften sich in der Ausübung ihrer Tätigkeiten gegenseitig ergänzen. Zwischen den Tätigkeiten muss mithin ein Zusammenhang bestehen. Eine enge organisatorische Ver99 100 101 102

Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeuse1/Langer, UStG, Art. 4 6. EG-RL, Rdnr. 15. Siehe oben, FN 60. Ebenso zum Komnoissionsentwurf: Wachweger, DStZ 1974, 115 (116). A.A. Weiß [UR 1980, 11 (12)], der ohne nähere Begründung die Ansicht vertritt, die Rechtsfigur der Unternehmereinheit sei nicht unter Anhang A Nr. 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der 2. EG-Richt1inie, der Vorgängervorschrift zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richt1inie, zu subsumieren. 261

Selbständigkeit bindung ist dann zu bejahen, wenn die Willensbildung beider Gesellschaften durch die gleichen Personen beherrscht wird, beide Gesellschaften also von den gleichen Personen geleitet werden.

dd)

Erforderlichkeit der Steuerpflichtigeneigenschaft der Beteiligten? ("Polysar")

Im Anschluss an die "Polysar"-Entscheidung des EuGH wurde von der Literatur die Frage aufgeworfen, ob im Fall der Organschaft i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie der Organträger auf Grund einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit "Steuerpflichtiger" sein muss, oder ob eine Zurechnung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Organgesellschaft(en) in Betracht kommt. Im Hinblick auf die zweite Fallgestaltung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie wäre zu fragen, ob alle nebengeordneten Gesellschaften wirtschaftlich tätig sein müssen, um zusammen als ein Steuerpflichtiger behandelt werden zu können. Wie BACHEM zutreffend ausführt, ist dem Urteil des EuGH in der Rechtssache ,,Polysar" diesbezüglich keine eindeutige Aussage zu entnehmen. Der EuGH verweist auf die Tatsache, dass die Gesellschaften nicht in einem Staat ansässig sind und äußert sich nicht mehr zu der Frage, ob die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen ist und diesem somit die Steuerpflichtigeneigenschaft verleiht. Die von RöDDER geäußerte "Hoffnung" findet daher keine Stütze in den Ausführungen des EuGH. Überzeugender erscheint demgegenüber die Argumentation BACHEMS. Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie gestattet, Organträger und Organgesellschaft(en) bzw. nebengeordneten "Personen" unter den dort genannten Voraussetzungen zusammengefasst als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Eine Aussage darüber, ob die "Person" vor der Zusammenfassung Steuerpflichtiger i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie gewesen sein muss, wird nicht getroffen. Dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie lassen sich somit keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die beteiligten Personen bei isolierter Betrachtung "Steuerpflichtige" sein müssen. Allerdings kann man der Vorschrift auch nicht entnehmen, dass die Steuerpflichtigeneigenschaft generell entbehrlich ist. Auf der anderen Seite ist jedoch die Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu beachten. Vorläufer dieser Regelung war - wie erläutert -Anhang A Nr. 2 Abs. 4 Sätze 2 und 3 der 2. EG-Richtlinie. Diese Vorschrift bestimmt, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, Personen ,,nicht getrennt als mehrere Steuerpflichtige, sondern zusammen als ei-

262

Umsatzsteuerliche Organschaft

nen Steuerpflichtigen zu behandeln". Diese Regelung geht mithin davon aus, dass die "Personen" grundsätzlich (ohne eine Sondenegelung) als mehrere Steuerpflichtige zu behandeln sind. Dies ist jedoch nm dann möglich, wenn die beteiligten "Personen" bei isolierter Betrachtung Steuerpflichtige sind. Mithin erfordert die 2. EG-Richtlinie zur Zusammenfassung, dass die Beteiligten auf Grund einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit "Steuerpflichtige" sind. Etwas anders wird die Möglichkeit der Zusammenfassung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie geregelt: Abweichend vom Wortlaut der 2. EG-Richtlinie (,,nicht getrennt als mehrere Steuerpflichtige, sondern zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln") verzichtet Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 auf den vorangestellten Halbsatz und gestattet es lediglich, Personen "zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln". Eine inhaltliche Änderung ist damit jedoch nicht verbunden. 103 Vielmehr erscheint die gewählte Formulierung lediglich prägnanter. Im Zusammenspiel der beiden Vorschriften wirkt der vorangestellte Halbsatz wie eine Klarstellung, die aus redaktionellen Gründen weggelassen wurde. Demzufolge ist davon auszugehen, dass eine Zmechnung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Organgesellschaft(en) nicht möglich ist und somit nm "Personen", die auf Gtund eigener wirtschaftlicher Tätigkeiten "Steuerpflichtige" sind, Organträger bzw. nebengeordnete Gesellschaft i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie sein können.

d)

Zusammenfassung

I.

Grundsätzlich sind natürliche und juristische Personen sowie sonstige unternehmerfahige Personenvereinigungen als selbständig zu betrachten. Natürliche Personen sind nicht selbständig, wenn der Tatbestand des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. I oder der des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie eingreift. Jmistische Personen und sonstige unternehmerfähige Personenvereinigungen sind nm unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie unselbständig.

2.

Die Behandlung Unternehmerfahlger Gebilde als ein Steuerpflichtiger und somit der Verlust der Selbständigkeit nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie kommt nm dann in Betracht, wenn die "Personen" im Inland eines Mitgliedstaates ansässig sind. Die Ansässigkeit knüpft bei Steuerpflichtigen vonangig an den Sitz der

103 Eine inhaltliche Änderung erfuhren die Organschaftsregeln lediglich durch die Begrenzung der Organschaft aufs Inland; siehe oben S. 257.

263

Selbständigkeit

wirtschaftlichen Tätigkeit oder an eine feste Niederlassung an. Die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Organschaft existiert nicht. 3.

Der Tatbestand des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie erfasst nicht nur die Zusanunenfassung von Gebilden im ÜberUnterordnungsverhältnis (Organschaft). Daneben wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, nebengeordnete Gesellschaften als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Voraussetzung für die Zusammenfassung ist, dass die unternehmerfähigen Gebilde durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind.

4.

Die Behandlung mehrerer unternehmerfähiger Gebilde als ein Steuerpflichtiger nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie setzt voraus, dass Organträger bzw. alle nebengeordneten Gesellschaften (ebenso wie die Organgesellschaft) isoliert betrachtet durch eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit "Steuerpflichtige" i.S. der 6. EG-Richtlinie sind.

II.

Die deutsche Umsetzung

Fraglich ist, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist. Dazu ist die Vorschrift zunächst darzustellen und im Anschluss daran mit Hilfe der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten auszulegen. 1.

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG

Nach§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, "wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatmisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer."

2.

Auslegung

Unternehmer ist, wer eine unternehmefische Tätigkeit selbständig ausübt. Das UStG geht, wie die negative Bestimmung in § 2 Abs. 2 UStG zeigt, grundsätzlich davon aus, dass die Unternehmerische Tätigkeit selbständig 264

Umsatzsteuerliche Organschaft

ausgeübt wird. Die Selbständigkeit ist jedoch unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UStG abzulehnen. Hier verdeutlicht der Begriff "wenn" (im Unterschied zu "soweit" in § 2 Abs. 2 Nr. I UStG), dass nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Unselbständige nicht nebeneinander selbständig und unselbständig tätig sein können. 104 Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen die Unselbständigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu bejahen ist. Zur Klärung dieser Frage sind die Tatbestandsmerkmale der Vorschrift auszulegen.

a)

Eingliederung einer juristischen Person

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die unternehmensehe Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person in einer näher bestimmten Art und Weise in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, also eine sog. Organschaft vorliegt. Ausweislich des Wortlauts regelt § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Unselbständigkeit juristischer Personen. Natürliche Personen oder sonstige Personenvereinigungen können nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG die Selbständigkeit verlieren; Organgesellschaft kann ausschließlich eine juristische Person sein. Demzufolge wird die Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf das sog. "organschaftsähnliche Verhältnis" 105 von der neueren Rechtsprechung und der Literatur zu Recht abgelehnt. 106 Juristische Personen sind dann unselbständig, wenn sie als Organgesellschaft in das übergeordnete Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sind. Das Erfordernis der Eingliederung verlangt eine Unterordnung dergestalt, dass die eingegliederte Gesellschaft beherrscht wird, d.h. dem Willen eines anderen unterworfen wird. 107 Die deutsche Umsetzungsvorschrift geht mithin von einem Über-Unterordnungsverhältnis der beteiligten Gesellschaften aus: Nebengeordnete bzw. gleichgeordnete Schwestergesellschaften

104 Vgl. Amtliche Begrundung zu§ 2 UStG 1934, RStBI. 1934, 1550. 105 Siehe oben, S. 243 f. 106 Vgl. BFH, Urt. v. 7.12.1978- V R 22/74, BStBI. 1979 II, 356 (358); Urt. v. 8.2.1979 -V R 101178, BStBI. 1979 II, 362 (364); Reiß, in: Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 105; Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 673; Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 267. Zur Verfassungskonformität dieser Regelung vgl. Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, s. 159 ff. 107 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 106; Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 679.

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Selbständigkeit

können nicht (vergleichbar der bis 1978 anerkannten Rechtsfigur der "Unternehmereinheit"108) zusammen als ein Unternehmer behandelt werden. 109

b)

Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers

Die Organschaft erfordert eine Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers. Da § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG keine Bestimmungen über die Rechtsform des Organträgers enthält, wird davon ausgegangen, dass jedes unternehmerfähige Gebilde Organträger sein kann. 110 Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erfordert eine Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers. Umstritten ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob einem Organträger, auf Grund einer eigenen Tätigkeit Unternehmer i.S. des UStG sein muss, ob er also selbst Leistungen erbringen muss, oder ob ihm die Tätigkeiten der Organgesellschaft(en) zuzurechnen sind. Die wohl noch hM geht davon aus, dass der Organträger nicht auf Grund eigener unternehmerischer Tätigkeit Unternehmer sein muss. Der Organträger müsse nicht in eigenem Namen Umsätze bewirken; es reiche aus, wenn er sich hierbei seiner Tochtergesellschaft(en) bediene. Die Unternehmereigenschaft werde dem Organträger durch die Organgesellschaft(en) vennittelt. 111 Demgegenüber meinen insbesondere Teile des Schrifttums und jüngst auch der BFH 112 , dass diese Auffassung nicht mit dem Gesetzeswortlaut zu vereinbaren sei: Da das Tatbestandsmerkmal "Unternehmen" Tatbestandsvoraussetzung und nicht Rechtsfolge des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sei, reiche es nicht aus, dass der Organträger kraft der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2

108 Siehe oben, FN 60. 109 Vgl. BFH, Urt. v. 18.12.1996- XI R 25/94, BStBl. 1997 II, 441 (442); Urt. v. 20.1.1999- XI R 69/97, UR 1999, 491 (492); Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlieber Unternehmer, 2001, S. 148; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 129; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 118; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 106; Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 277. 110 Vgl. Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 96; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 112; Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 669. 111 Vg!. BFH, Urt. v. 26.2.1959 - V 209/56 U, BStBl. 1959 III, 204 (206); Urt. v. 21.2.1963 - V 162/60, HFR 1963, 309 (310); Urt. v. 19.10.1995 -V R 71193, BFH/NV 1996, 273 (274); Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 112; Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 670; von Wallis, FS Rädler, 1999, 639 (647); Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 274; Rose, StbJb 1989/90, 27 (63). 112 Vgl. BFH, Urt. v. 9.10.2002- VR 64/99, UR2003, 74(76 f.).

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Umsatzsteuerliche Organschaft

UStG zum Unternehmer werde. 113 Nach dem Wortlaut genüge es allerdings, dass der Organträger irgendwann einmal unternehmefisch tätig gewesen sei, ohne das Unternehmen durch Verkauf oder Entnahme der dem Unternehmen zugeordneten Gegenstände beendet zu haben. u 4 Da die Auffassungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist zu entscheiden, welcher der Ansichten zu folgen ist. Für die zweite Auffassung scheint zunächst der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG zu sprechen: Eine juristische Person kann nur dann in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert werden, wenn ein Unternehmen vorliegt, der Organträger mithin bereits vor der Organschaft Unternehmer war. Da die Unternehmereigenschaft somit Voraussetzung der Organschaft wäre, kann diese Voraussetzung nicht erst durch die Organschaft begründet werden. Die hM würde bei einem solchen Verständnis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG tatsächlich zu einem Zirkelschluss führen. 115 Dem kann man jedoch entgegenhalten, dass der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht so klar ist. Insbesondere ist zu beachten, dass die Vorschrift vom "Unternehmen des Organträgers" spricht und somit bereits ein Organschaftsverhältnis vorauszusetzen scheint. Hätte der Gesetzgeber eine lediglich auf der Organschaft beruhende Unternehmereigenschaft des Organträgers aus dem Anwendungsbereich ausgrenzen wollen, so hätte er formulieren können "in das Unternehmen eines anderes Unternehmers".u 6 Insgesamt ist also der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wenig aussagekräftig. Fraglich ist, ob der historischen Auslegung klare Anhaltspunkte in dieser Frage zu entnehmen sind. Durch das UStG 1934 wurden die Organschaftsregeln erstmals im deutschen Recht niedergelegt.ll7 Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1934 war die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig, "wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart unter-

113 Vgl. Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG. § 2, Rdnr. 97; Reiß, in: Reiß/Kraeuse1/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 109; Birkenfeld, OSt-Handbuch, § 37, Rdnr. 31; Birkenfeld, in: Hartmann/Metzenrnacher, UStG. § 2 Abs. 2 Nr. 2, Rdnr. 579 ff.; FG München Urt. v. 18.3.1987- III 280179 U 1, U 2, EFG 1987, 480 (481). 114 Vgl. Klenk, in: Sö1cb/Ring1eb, UStG, § 2, Rdnr. 97. 115 So Reiß, in: Reiß/Kraeuse1/Langer, UStG. § 2, Rdnr. 109. 116 Vgl. von Wallis, FS Räd1er, 1999, 639 (647). 117 Siehe oben, S. 15.

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geordnet ist, daß sie keinen eigenen Willen hat". 118 Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1934 deutet also zunächst einmal (ebenso wie§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1999) darauf hin, dass der Organträger bereits vor der Organschaft Unternehmer gewesen sein muss. Hier ist jedoch zu beachten, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1934 die Rechtsprechung des RFH kodifizieren sollte. 119 Dieser hatte ein Organschaftsverhältnis jedoch auch dann angenommen, wenn die Muttergesellschaft erst dadurch, dass sie eine ihr dienende Organgesellschaft ins Leben gerufen hat, zur UnternehmeTin wurde. 120 § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1934 widersprach also- wörtlich verstanden- der RFHRechtsprechung (die durch die Regelung kodifiziert werden sollte). Insgesamt kommt also auch die historische Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Schließlich stellt sich die Frage, ob durch richtlinienkonforme Auslegung in dieser Frage eine Klärung erreicht werden kann. Wie oben ausgeführt erfordert Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie nach richtigem Verständnis, dass die "Personen" bei isolierter Betrachtung auf Grund einer eigenen Tätigkeit "Steuerpflichtige" sind. Der Organträger muss also vor der Begründung des Organschaftsverhältnisses selbst Steuerpflichtiger i.S. des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie sein. 121 Dies spricht dafür, die deutsche Umsetzungsvorschrift entsprechend richtlinienkonform auszulegen, da ansonsten die deutschen Organschaftsregeln über die zu Grunde liegende europäische Regelung hinausgehen würden. Würde man die deutsche Vorschrift entsprechend herrschender Auffassung auslegen, wäre es möglich, die unternehmensehe Betätigung der Tochtergesellschaft(en) der Muttergesellschaft (die ansonsten nicht Unternehmer wäre) zuzurechnen. Dies würde jedoch dem oben gefundenen Ergebnis zur 6. EG-Richtlinie widersprechen. Da sich eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung auch im Rahmen des Wortlauts des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG hält, ist davon auszugehen, dass nach deutschem Recht der Organträger auf Grund einer eigenen

118 Dies war nach § 2 UStDB 1934 dann der Fall, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des beherrschenden Unternehmers eingegliedert war. 119 Vgl. Amtliche Begründung zu§ 2 UStG 1934, RStBl. 1934, 1550; siehe oben, S. 15. 120 So auch BFH, Urt. v. 26.2.1959- V 209/56 U, BStBl. 1959 III, 204 (206), mit dem Verweis auf RFH, Urt. v. 28.11.1924- VA 73/24, RFHE 15, 116 ff. und Urt. v. 11.1.1935- VA 140/34, RStBl. 1935, 661. 121 Siehe oben, S. 262 f.

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unternehmefischen Betätigung "Unternehmer" i.S. des UStG sein muss. Eine Zurechnung der unternehmefischen Tätigkeit ist somit nicht möglich. 122 Folglich ist die noch hM abzulehnen: Zur Begründung einer umsatzsteuerliehen Organschaft ist es erforderlich, dass der Organträger auf Grund einer eigenen unternehmerischen Betätigung als Unternehmer i.S. des UStG zu qualifizieren ist. Es genügt nicht, dass dem Organträger die Unternehmereigenschaft durch die Organgesellschaften vermittelt wird.

c)

Eingliederungsmerkmale

Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt dann vor, wenn die Organgesellschaft "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse fmanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist". 123 Fraglich ist, wann eine solche finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung zu bejahen ist. Die Rechtsprechung hat mit Zustimmung des Schrifttums 124 Kriterien erarbeitet, wann eine Eingliederung in den genannten Bereichen vorliegt. 125 Eine finanzielle Eingliederung liegt dann vor, wenn der Organträger über eine entsprechende kapitalmäßige Beteiligung an der Organgesellschaft verfügt, die es ihm ermöglicht, im Rahmen der Willensbildung der Organge-

122 Auch kann der von von Wallis [FS Rädler, 1999, 639 (647)] angestellte Vergleich mit dem Arbeitgeber, der durch seine Arbeitnehmer untemehmerisch tätig wird und nicht selbst unternehmerisch tätig sein muss, m.E. nicht überzeugen. Die Konstellation des Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisses ist mit einem Organkreis nur bedingt vergleichbar. Darüber widerspricht diese Auffassung schlicht der geltenden Rechtslage. 123 Weder der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch der zu Grunde liegende Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie stützen m.E. die von Stadie (in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 641 ff.) vertretene Auffassung, dem Organträger komme ein Wahlrecht zu, bei Vorliegen der Voraussetzungen die Organschaftsregeln anzuwenden oder nicht. Vielmehr eröffnet die 6. EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, rechtlich unabhängige "Personen" zusammenzufassen. Ein solches Wahlrecht wird auch vom Thüringer FG (Urt. v. 5.5.1999- I 443/98, EFG 1999, 1050 f.) undjüngst vom BFH [Urt. v. 17.1.2002- V R 37/00, UR 2002, 271 (274)] abgelehnt. 124 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 116 ff.; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 110 ff.; Stadie, in: Rau!Dtirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 683 ff.; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 111 ff.; Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 278 ff.; Birkenfeld, USt-Handbuch, § 37, Rdnr. 50 ff.; Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2, Rdnr. 617 ff.. 125 Vertiefend zu den Eingliederungsmerkmalen im Zusammenhang mit Holdingstrukturen: Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 150 ff.

269

Selbständigkeit

sellschaft seinen eigenen Willen durchzusetzen. 126 Dabei reicht eine mittelbare Beteiligung aus, wenn sie dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft sichert. 127 Die wirtschaftliche Eingliedernng bedeutet, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen aufeinander abgestimmt sein. Sie müssen sich fördern und ergänzen. 128 Die organisatorische Eingliedernng liegt vor, wenn der Organträger dmch organisatorische Maßnahmen sicherstellt, dass in der Organgesellschaft sein Wille auch tatsächlich ausgeführt wird. Dies ist z.B. durch Personalunion der Geschäftsführer in beiden Gesellschaften der Fall. 129 Ob die Eingliedernngskritetien erfüllt sind, bestimmt sich ausweislich des Wortlauts des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse". Dabei sind die Merkmale nicht unabhängig voneinander zu beurteilen, sondern im Zusammenhang miteinander zu würdigen. Es ist nicht erforderlich, dass alle drei angeführten Eingliederungsmerkmale sich gleichermaßen deutlich feststellen lassen. Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse kann die Organschaft auch dann zu bejahen sein, wenn die Eingliederung in einem der drei Gebiete nicht voll-

126 Vgl. BFH, U1t. v. 14.12.1978 -V R 85/74, BStBI. 1979 II, 288 (289); Urt. v. 20.4.1988- X R 3/82, BStBI. 1988 II, 792 (794); Urt. v. 20.1.1999- XI R 69/97, UR 1999, 491 (492); Urt. V. 22.11.2001 - V R 50/00, UR 2002, 127 (128); Urt. V. 17.1.2002- V R 37/00, UR 2002,271 (272); Beschl. v. 25.4.2002- VB 128/01, UR 2002, 426 (428); Abschn. 21 Abs. 4 Satz 1 UStR 2000. 127 Vgl. BFH, Urt. v. 9.6.1960- V 119/58, HFR 1961, 112; Urt. v. 2.2.1967- V 35/64, BStBI. 1967 III, 499 (501); Urt. v. 2.8.1979- V R 111177, BStBI. 1980 II, 20 f.; Urt. V. 20.1.1999- XI R 69/97, UR 1999, 491 (492); Urt. V. 22.11.2001 -V R 50/00, UR 2002, 127 (128); Beschl. v. 25.4.2002- VB 128/01, UR 2002, 426 (428); FG München Urt. v. 17.9.1987- III (XIV) 275/81 U, EFG 1988,90. 128 Vgl. BFH, Urt. v. 22.6.1967 - V R 89/66, BStBI. 1967 III, 715 (716); Urt. v. 17.4.1969- V 44/65, BFHE 95, 353 (356); Urt. v. 9.9.1993- V R 124/89, BStBI. 1994 II, 129 (130, m.w.N.); Urt. v. 17.1.2002- V R 37/00, UR 2002, 271 (272 f.); Abschn. 21 Abs. 5 Satz 1 UStR 2000. 129 Vgl. BFH, Urt. v. 23.4.1959 - V 66/57 U, BStBI. 1959 III, 256 (258); Urt. v. 13.4.1961 - V 81159 U, BStBl. 1961 III, 343 (344); Urt. v. 20.2.1992 - V R 80/85, BFH/NV 1993, 133 (134 f.); Urt. v. 28.1.1999- V R 32/98, DStR 1999, 497; Urt. v. 17.1.2002- V R 37/00, UR 2002,271 (273); Abschn. 21 Abs. 6 Sätze 1 und 2 UStR 2000.

270

Umsatzsteuerliche Organschaft

kommen ist. 130 Dagegen reicht es nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht aus, dass sie nur in Beziehung auf zwei der genannten Merkmale besteht: Fehlt ein Merkmal, so ist Organschaft nicht gegeben. 131

d)

Beschränkung der Organschaft aufs Inland

Gern. § 2 Abs. 2 Nr..2 UStG sind die Wirkungen der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (Satz 2). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (Satz 3). Falls der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland hat, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Teil im Inland als der Unternehmer (Satz 4). Nach der Neuregelung zum 1.1.1987 gilt für die Frage, ob Organschaft zwischen den Rechtsgebilden vorliegt, nach wie vor das Prinzip der grenzüberschreitenden Organschaft. Leistungen zwischen den Mitgliedern des Organkreises stellen jedoch nur dann nichtsteuerbare Innenumsätze dar, wenn sie zwischen im Inland belegeneu Unternehmensteilen des Organkreises erfolgen; die Leistungen zwischen einem inländischen und einem ausländischen Unternehmensteil sind wie Leistungen zwischen fremden Unternehmen zu behandeln. Folglich wurde die grenzüberschreitende Organschaft nicht gänzlich beseitigt, die Wirkungen der umsatzsteuerliehen Organschaft beschränken sich lediglich auf die im Inland gelegenen Unternehmensteile. 132

130 Vgl. BFH, Urt. v. 22.6.1967 - V R 89/66, BStBI. 1967 III, 715 (716); Urt. v. 17.4.1969- V 44/65, BFHE 95, 353 (356); Urt. v. 15.6.1972- V R 15/69, BStBI. 1972 II, 840 (841 f.); Urt. v. 20.2.1992- V R 80/85, BFH/NV 1993, 133 (134); Urt. V. 18.12.1996- XI R 25/94, BStBI. 1997 II, 441 (442 f.); Urt. V. 16.8.2001 -V R 34/01, UR 2002, 214 (216); Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, 2001, S. 150; Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 700; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 113; Flückiger, in: Plückebaurn!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 2, Rdnr. 319; Birkenfeld, in: Hartrnann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2, Rdnr. 611. A.A. Reiß (in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § , Rdnr. 107), der der Auffassung ist, diese Rechtsprechung sei nicht mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vereinbar. 131 Vgl. BFH, Urt. v. 17.4.1969- V 44/65, BFHE 95,353 (356); Urt. v. 20.2.1992- V R 80/85, BFH/NV 1993, 133 (134); Urt. v. 18.12.1996- XI R 25/94, BStBI. 1997 II, 441 (442 f.); Beschl. v. 26.2.1998- VB 97/97, BFH/NV 1998, 1267 (1268); Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 113; Birkenfeld, in: Hartrnann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2, Rdnr. 611. 132 Vgl. Steppert, UR 1994, 343 (344); Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 151; Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 114 f.; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 125.

271

Selbständigkeit

Unternehmensteile im diesem Sinne sind der Organträger, die Organgesellschaften und die unselbständigen Betriebsstätten des Organträgers und seiner Organgesellschaften. 133 Hinsichtlich der Steuerbarkeit der zwischen den verbundenen Unternehmen ausgeführten Umsätze ergeben sich für den Organträger und seine Gesellschaften durch die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Folgen unterschiedlichster Art, die davon abhängen, ob der Organträger seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat. Das Unternehmen des im Inland ansässigen Organträgers i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG umfasst neben dem Organträger selbst und seinen im Inland ansässigen Organgesellschaften die im Inland belegeneu Betriebsstätten des Organträgers und seiner innerhalb und außerhalb des Inlands ansässigen Organgesellschaften. 134 Darüber hinaus gehören die im Ausland belegeneu Betriebsstätten des Organträgers zu Unternehmen. 135 Nicht zum Unternehmen gehören die im Ausland ansässigen Organgesellschaften und die im Ausland belegeneu Betriebsstätten der innerhalb und außerhalb des Inlandes ansässigen Organgesellschaften. Diese Unternehmensteile gehören nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG nicht mehr zum inländischen Unternehmen. Sie bilden im Ausland ein bzw. mehrere selbständige, vom inländischen Organträger gesonderte Unternehmen. Dadurch werden zu dem im Inland ansässigen Unternehmen steuerbare Leistungsbeziehungen möglich. 136 Zum Unternehmen des im Ausland ansässigen Organträgers gehören seine im Inland ansässigen Organgesellschaften und seine im Inland belegeneu Betriebsstätten sowie die inländischen Betriebsstätten seiner innerhalb und außerhalb des Inlands ansässigen Organgesellschaften. Gern. § 2 Abs. 2 Nr. 133 Vgl. Flückiger. in: Plückebaum/Malitzky, § 2 Abs. 2, Rdnr. 345. 134 Die Zuordnung sämtlicher im Inland belegeuer Betriebsstätten - auch solcher, die von ausländischen Organgesellschaften unterhalten werden - erfolgt nach den Organschaftsgrundsätzen aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG Eine AusklammeJUng dieser Unternehmensteile erfolgt durch Satz 2 der Vorschrift nicht, da diese Betriebsstätten im Inland liegen; vgl. Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, § 2 Abs. 2, Rdnr. 347; Abschn. 21 a Abs. 6 Satz 1 UStR 2000. 135 Diese gehören nach dem Gmndsatz der Unternehmenseinheit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) zum Unternehmen des Organträgers. Ihre Zuordnung zum Unternehmen beruht nicht auf den organschaftliehen Regelungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG; die Unternehmenszugehörigkeit der im Ausland befindlichen Betriebsstätten des Organträgers kann deshalb nicht durch die einschränkenden Regelungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG berührt werden, da diese den Grundsatz der Unternehmenseinheit nicht tangieren; vgl. Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, § 2 Abs. 2, Rdnr. 347; Abschn. 21 a Abs. 6 Satz 2 UStR 2000. 136 Vgl. Flückiger, in: Plückebaum!Malitzky, § 2 Abs. 2, Rdnr. 348 f.; Abschn. 21 a Abs. 6 Sätze 5-8 UStR 2000.

272

Umsatzsteuerliche Organschaft

2 Satz 4 UStG gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer. Das kann grundsätzlich nur eine Organgesellschaft sein. 137 Nicht zum Unternehmen gehören der Organträger selbst, seine im Ausland ansässigen Organgesellschaften und seine im Ausland belegeneu Betriebsstätten sowie die ausländischen Betriebsstätten seiner innerhalb und außerhalb des Inlands ansässigen Organgesellschaften. Diese Unternehmensteile bilden im Ausland ein bzw. mehrere gesonderte selbständige Unternehmen.138 Für die Frage der Selbständigkeit juristischer Personen ergibt sich mithin, dass Organgesellschaften, die nicht im Inland ansässig sind, selbständig sind und nicht mehr als Teil des Unternehmens des Organträgers beurteilt werden.139

e)

Zusammenfassung

I.

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG regelt die Unselbständigkeit juristischer Personen. Die Unselbständigkeit ist dann zu bejahen, wenn eine Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers vorliegt. Die Vorschrift geht mithin von einem Über-Unterordnungsverhältnis aus. Weder die Rechtsfigur der "Unternehmereinheit" noch die des "organschaftsähnlichen Verhältnisses" sind mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu vereinbaren.

2.

Organträger i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kann jedes unternehmerfähige Gebilde sein, das auf Grund einer eigenen unternehmerischen Betätigung als Unternehmer i.S. des § 2 UStG zu qualifizieren ist. Eine Zurechnung der unternehmerischen Tätigkeit der Tochtergesellschaft(en) ist nicht zulässig.

3.

Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt dann vor, wenn die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Es ist nicht erforderlich, dass alle drei angeführten Eingliederungsmerkmale sich gleichermaßen deutlich feststellen lassen. Dagegen reicht es nicht aus, dass die Eingliederung nur hinsichtlich zweier der genannten Merkmale besteht.

137 Vgl. Flückiger, in: P1ückebaum/Ma1itzky, § 2 Abs. 2, Rdnr. 350 f.; Abschn. 21 a Abs. 7 Sätze 1 und 2 UStR 2000. 138 Vgl. Flückiger, in: P1ückebaum!Ma1itzky, § 2 Abs. 2, Rdnr. 353; Abschn. 21 a Absätze 8 und 9 UStR 2000. 139 Vgl. Birket!feld, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2, Rdnr. 767.

273

Selbständigkeit

4.

111.

Durch die Gesetzesänderung zum 1.1.1987 wurde die grenzüberschreitende Organschaft nicht gänzlich beseitigt: Die Organschaft ist in ihren Wirkungen aufs Inland beschränkt, nicht aber in ihren Voraussetzungen. Organgesellschaften, die nicht im Inland ansässig sind, sind selbständig.

Zwischenergebnis

Gern. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie steht es den Mitgliedstaaten vorbehaltlich einer Konsultation nach Art. 29 frei, unabhängige Personen zusammenzufassen. Diese Konsultation ist seitens der deutschen Regierung erfolgt. 140 Obgleich die 6. EG-Richtlinie neben der umsatzsteuerliehen Organschaft auch die Zusammenfassung gleichgeordneter Gesellschaften gestattet, geht die deutsche Umsetzungsvorschrift von einem ÜberUnterordnungsverhältnis aus. Auch erlaubt die deutsche Vorschrift - im Unterschied zur europäischen Vorgabe - nicht, dass Personengesellschaften Organgesellschaften sind. Der deutsche Gesetzgeber hat mithin die ihm von der 6. EG-Richtlinie eröffneten Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft. Da den Mitgliedstaaten jedoch ein Wahlrecht eingeräumt wird, Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie umzusetzen, ist davon auszugehen, dass es den Mitgliedstaaten ebenso gestattet ist, die Vorschrift teilweise umzusetzen. Beide Vorschriften erfordern, dass der Organträger auf Grund einer eigenen wirtschaftlichen!untemehmerischen Tätigkeit Steuerpflichtiger bzw. Unternehmer ist. Eine Zurechnung der Tätigkeit der Tochtergesellschaft(en) ist nicht zulässig. Seit der Einfügung der Sätze 2 bis 4 in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entspricht die deutsche Regelung der EG-Vorgabe auch hinsichtlich der Beschränkung auf im Inland ansässige Personen. 141 Auch wenn Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie wörtlich verstanden nur die Zusammenfassung "im Inland ansässiger Personen" erlaubt, die Ansässigkeit im Inland mithin zur Voraussetzung der Organschaft erklärt, ergeben sich materiell-rechtlich keine Differenzen zur deutschen Regelung, die die grenzüberschreitende Organschaft von den Voraussetzungen her für zulässig erklärt, die umsatzsteuerliehen Wirkungen jedoch nicht anerkennt. Unterschiede ergäben sich nur dann, 140 Vgl. BFH, Urt. v. 19.10.1995 - V R 71/93, BFHINV 1996, 273 (275); Wachweger, Neuregelung des Umsatzsteuerrechts, 1980, S. 25; Klezath, DStZ 1986, 112 (113); Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/ Geist, UStG, § 2, Rdnr. 623. 141 Vgl. Stadie, in: Rau/Dün-wächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 623.

274

Umsatzsteuerliche Organschaft

wenn die Richtlinie ebenso wie die deutsche Regelung auf ÜberUnterordnungsverhältnisse beschränkt wäre. Wäre dies der Fall so würde es zu Differenzen kommen, wenn der Organträger im Ausland ansässig ist. Die europäische Regelung würde in diesem Fall die vom deutschen Recht vorgesehene Zusammenfassung der inländischen Organgesellschaften nicht gestatten. Da aber die europäische Vorgabe auch die Zusammenfassung nebengeordneter Gesellschaften gestattet (und insofern weiter als die deutsche Umsetzung geht), ist auch die Zusammenfassung inländischer Organgesellschaften eines ausländischen Organträgers zulässig. Auch die Einbeziehung von im Inland ansässigen Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften ist mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu vereinbaren. 142 Folglich hält sich § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG im Rahmen der Ermächtigung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie. 143

142 Vgl. Stadie, in: Rau/Dtirrwächter/Flick/Geist, UStG (85. Lfg., Mai 1996), § 2, Rdnr. 738; siehe oben, S. 257 f. 143 So auch BFH, Urt. v. 19.10.1995 - V R 71/93, BFH/NV 1996, 273 (275); Urt. v. 21.6.2001 -V R 68/00, UR 2002, 29 (31); Urt. v. 17.1.2002- V R 37/00, UR 2002, 271 (273 f.); Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 623.

275

Kapitel6- Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand Sowohl die 6. EG-Richtlinie als auch das UStG treffen eine Sonderregelung bezüglich der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand. Fraglich ist, ob die deutsche Vorschrift eine richtlinienkonforme Umsetzung der europäischen Vorgabe ist.

A.

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

I.

Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie

Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie lautet: "Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tiitigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tiitigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beitriige oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie jedoch solche Tiitigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tiitigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tiitigkeiten, sofern der Umfang dieser Tiitigkeiten nicht unbedeutend ist. Die Mitgliedstaaten können die Tiitigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Artikel 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tiitigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen." Anhang D der 6. EG-Richtlinie führt insgesamt 13 Arten von Tiitigkeiten auf, wie z.B. das Fernmeldewesen, die Lieferung von Gas, Wasser, Elektrizitiit, Dienstleistungen in Hilfen und auf Flughiifen, Veranstaltungen von Messen und Ausstellungen mit gewerblichem Charakter u.a.m.

277

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

II.

Auslegung

Zur Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand hat sich der EuGH in einigen Entscheidungen geäußert. Auch die Literatur hat sich mit der Auslegung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie eingehend beschäftigt.

1.

Rechtsprechung

Zur Auslegung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie sind vor allem sechs Judikate von Interesse. Grundlegend äußerte sich der EuGH zur Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand im Jahre 1989.

a)

EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 - "K!Niederlande"

Direkt mit der Auslegung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie beschäftigte sich der EuGH erstmals 1 in der bereits mehrfach erwähnten Rechtssache "Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande"2. In diesem Fall hatte sich die niederländische Regierung darauf berufen, die Tätigkeiten der Gerichtsvollzieher und Notare seien nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten zu betrachten. Sollte der Gerichtshof dies anders sehen, so sei jedoch die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie anwendbar. Der EuGH entschied, die 6. EG-Richtlinie sei durch die Allgemeinheit ihres Anwendungsbereichs und durch den Umstand gekennzeichnet, dass alle Befreiungen ausdrücklich und eindeutig sein müssten. In diesem Zusammenhang sei festzustellen, dass Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie eine Befreiung ausschließlich für Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorsehe, und zwar nur für Tätigkeiten und Leistungen, die diesen Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt oblägen. Untersuche man diese Vorschrift unter Berücksichtigung der Ziele der Richtlinie, so zeige sich, dass für die Steuerbefreiung zwei Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sein müssten, nämlich erstens die Ausübung der Tätigkeit durch eine öffentliche Einrichtung und zweitens die Vomahme dieser Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Dies bedeute zum einen, dass nicht alle Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts automatisch von der Steuer befreit seien, sondern nur solche, durch die eine spezifische Aufgabe im Rahmen der öffentlichen

2

Im Urt. v. 11.7.1985 [Rs. 107/84 (K/Deutschland), EuGHE 1985, 2655] äußerte sich der EuGH ebenfalls bereits beiläufig zu Art. 4 Abs. 5 der 6. HG-Richtlinie. Die inhaltlich übereinstimmenden Aussagen werden in der Rechtssache ,,K/Niederlande" jedoch deutlicher. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471; siehe oben S. 105 ff. und 226 f.

278

Die Vorgaben der 6. EG-Richt1inie

Gewalt wahrgenommen werde. Zum anderen ergebe sich daraus, dass die Tätigkeit einer Privatperson nicht allein deswegen von der Mehrwertsteuer befreit sei, weil sie in der Vomahme von an sich der öffentlichen Gewalt vorbehaltenen Handlungen bestehe. Selbst wenn man somit unterstelle, dass die Notare und die Gerichtsvollzieher bei der Vomahme von Amtshandlungen auf Grund einer öffentlichen Bestallung Befugnisse der öffentlichen Gewalt ausübten, folge daraus nicht, dass sie in den Genuss der Befreiung nach Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie kommen könnten. Da sie nicht in die öffentliche Verwaltung eingegliedert seien, verrichteten sie diese Tätigkeiten nicht als Einrichtungen des öffentlichen Rechts sondern übten sie in Form einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen eines freien Berufs aus?

b)

EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231187 und 129/88- "Ufficio distrettuale"

Grundlegend zur Auslegung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie äußerte sich der EuGH in den verbundenen Rechtssachen "Ufficio distrettuale delle imposte dirette di Fiorenzuola d' Arda und andere gegen Comune di Carpaneto Piacentino und Ufficio provinciale imposta sul valore aggiunto de Piacenza"4. Der Entscheidung lag der nachstehende Sachverhalt zu Grunde: Die Erklärungen der Gemeinde Carpaneto über die direkten Steuern für die Jahre 1980, 1981, 1982 und 1983 und die Mehrwertsteuererklärungen der Gemeinde Rivergaro für die Jahre 1981, 1982, 1983 und 1985 waren Gegenstand von Berichtigungsbescheiden der zuständigen italienischen Behörden, da sie angeblich bestimmte Geldbeträge oder Entgelte, die sie für Leistungen erhalten hatten, die als gewerbliche Tätigkeiten i.S. des Art. 4 des Regio Decreto Nr. 633 vom 26. Oktober 1972 angesehen wurden, nicht berücksichtigt hatten. Die betreffenden Leistungen waren folgende: Vergabe von Grabstätten und Grabnischen, Einräumung von Bebauungsrechten und Eigentumsrechten an Grundstücken im Rahmen der Wohnungsbauförderung, Entwidmung und Veräußerung eines Straßenabschnitts, Wasserversorgung, Verpachtung der öffentlichen Waage, Abgabe von beim Baumschnitt angefallenem Holz und Abgabe von Grabnischenzubehör. Die betroffenen Gemeinden sowie 23 weitere Gemeinden, die als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Gemeinde Rivergaro dem Verfahren beigetreten wa3

4

Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1489 f.; Rdnr. 19 ff.). Diese Aussagen bestätigte der EuGH im Urt. v. 25.7.1991 - Rs. C-202/90 (Ayuntarniento de Sevilla), EuGHE 1991, I-4247 (4266, Rdnr. 18 f.). EuGH, Urt. v. 17.10.1989 - Rs. 231/87 und 129/88 (Ufficio distrettua1e), EuGHE 1989, 3233.

279

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

ren, erhoben Klage bei der Commissione tributaria di secondo grado (Rs. 231187) und bei der Commissione tributaria di primo grado Piacenza (Rs. 129/88) und machten geltend, gern. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie seien sie hinsichtlich der betreffenden Leistungen nicht als "Steuerpflichtige" anzusehen.5 Die nationalen Gerichte legten dem EuGH jeweils fünf z.T. übereinstimmende Fragen zur Vorabentscheidung vor. Diese Fragen lassen sich - entsprechend der abschnittsweisen Behandlung durch den EuGW - in vier Bereiche zusammenfassen. 1. Welches sind die wesentlichen Merkmale der "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" ausgeübten Tätigkeiten i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie und welche Verpflichtungen bürdet diese Vorschrift den Mitgliedstaaten auf? 2. Welche Bedeutung hat die Formulierung "solche Tätigkeiten oder Leistungen" in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie? Sind die Mitgliedstaaten verpflichtet das in dieser Vorschrift genannte Kriterium der "größeren Wettbewerbsverzerrungen" wörtlich in ihr Steuerrecht aufzunehmen oder quantitative Grenzen festzulegen, um dieses Kriterium in das nationale Recht umzusetzen? 3. Sind die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EGRichtlinie verpflichtet, das Kriterium des nicht unbedeutenden Umfangs der Tätigkeiten als Voraussetzung für die Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten in ihr Steuerrecht zu übernehmen? Sind die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck verpflichtet eine untere Besteuerungsgrenze festzusetzen? 4. Kann sich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie berufen, um sich der Anwendung einer nationalen Vorschrift zu widersetzen, nach der sie für eine ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, die nicht in An-

5

6

Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88 (Ufficio distrettuale), EuGHE 1989, 3233 (3271, Rdnr. 2); Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 15.3.1989, EuGHE 1989,3251. Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88 (Ufficio distrettuale), EuGHE 1989, 3233 (3274, Rdnr. 8).

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hang D der 6. EG-Richtlinie aufgeführt ist und deren Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann?7 Zur ersten Frage führte der EuGH aus, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EGRichtlinie stelle eine Ausnahme von der Regel des Art. 4 Abs. 1 der 6. EGRichtlinie dar, nach der jeder, der eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübe, als Steuerpflichtiger gelte. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EGRichtlinie nehme öffentliche Einrichtungen vom Steuerpflichtigenbegriff hinsichtlich bestimmter Tätigkeiten aus. Wie in vorangegangenen Entscheidungen dargelegt8 , müssten für die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zwei Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sein, nämlich die Ausübung von Tätigkeiten durch eine öffentliche Einrichtung und die Vornahme von Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Bei der Definition der letztgenannten Voraussetzung könne nicht auf den Gegenstand oder die Zielsetzung der Tätigkeit der öffentlichen Einrichtung abgestellt werden, da diese Faktoren in anderen Bestimmungen der Richtlinie zu anderen Zwecken berücksichtigt würden. Der Gegenstand oder die Zielsetzung bestimmter wirtschaftlicher Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fielen, sei nämlich maßgebend, um den Umfang der Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige zu beschränken (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 und Anhang D der 6. EG-Richtlinie) und außerdem um die in Abschnitt X der 6. EG-Richtlinie behandelten Steuerbefreiungen zu bestimmen. 9 Untersuche man Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie im Gesamtzusammenhang der Richtlinie, so ergebe sich, dass sich auf Grund der Ausübungsmodalitäten der Tätigkeiten bestimmen lasse, inwieweit die öffentlichen Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige behandelt werden könnten. Soweit diese Vorschrift nämlich die Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige davon abhängig mache, dass diese "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" tätig würden, schließe sie eine solche Behandlung für die Tätigkeiten aus, die diese Einrichtungen nicht als Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts, sondern als Rechtssubjekte des Privatrechts ausübten. Das einzige Kriterium, 7 8

9

Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88 (Ufficio distrettuale), EuGHE 1989,3233 (3274 ff., Rdnr. 9, 20, 25, 29). Hier bezieht sich der EuGH auf das Urt. v. 11.7.1985 - Rs. 107/84 (K/Deutschland), EuGHE 1985, 2655 (2663) und das U1t. v. 26.3.1987 - Rs. 235/85 (K/Niederlande), EuGHE 1987, 1471 (1485). So sehe Art. 13 Teil AAbs. 1 der 6. EG-Richtlinie insbesondere Steuerbefreiungen für bestimmte Tätigkeiten vor, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von anderen Einrichtungen durchgeführt würden, die, weil sie dem Gemeinwohl dienten, von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt worden seien.

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das eine sichere Unterscheidung dieser beiden Arten von Tätigkeiten ermögliche, sei folglich die nach dem nationalen Recht anwendbare rechtliche Regelung. Daraus folge, dass die in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EGRichtlinie genannten Einrichtungen des öffentlichen Rechts Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" i.S. dieser Vorschrift ausübten, wenn sie dabei im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung tätig würden. Handelten sie dagegen unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer, so könne man nicht davon ausgehen, dass sie die Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" ausübten. Es sei Sache des nationalen Gerichts, die fragliche Tätigkeit anhand dieses Kriteriums zu beurteilen. Was die Umsetzung der Regel des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EGRichtlinie betreffe, erinnerte der EuGH daran, dass es sich um eine durch eine Richtlinie auferlegte Ergebnispflicht handele und dass es gern. Art. 189 Abs. 3 EWG-Vertrag (heute Art. 249 Abs. 3 EG) Sache jedes Mitgliedsstaats sei, die Form und die Mittel zu wählen, die zur Erreichung des Ergebnisses geeignet seien. Die Mitgliedstaaten hätten folglich zwar dafür zu sorgen, dass die Tätigkeiten oder Leistungen, die die öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, sofern sie nicht unter die Ausnahmen der Unterabsätze 2 und 3 fallen. Zu diesem Zweck könnten die Mitgliedstaaten jedoch die Rechtssetzungstechnik wählen, die ihnen am geeignetsten erscheine. So könnten sie sich z.B. darauf beschränken, die in der 6. EG-Richtlinie enthaltene Formulierung oder einen gleichwertigen Ausdruck in das nationale Recht zu übernehmen, oder sie könnten ein Verzeichnis der Tätigkeiten aufstellen, für die die Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige anzusehen seien. 10 Zur zweiten Frage führte der EuGH aus, es ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Kontext des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie, dass die Formulierung "solche Tätigkeiten oder Leistungen" in Unterabsatz 2 den im Unterabsatz 1 genannten Tätigkeiten entspreche. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 sei eine Ausnahme von der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie zum Ausdruck kommenden Regel. Um die Steuerneutralität zu gewährleisten, berücksichtige dieser Unterabsatz also den Fall, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen Tätigkeiten ausübten, die - im Wettbewerb mit ihnen - auch von Privaten nach einer privatrechtliehen Regelung 10 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88 (Ufficio distrettua1e), EuGHE 1989, 3233 (3274 ff., Rdnr. 10 ff.).

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Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

oder auch auf Grund von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen ausgeübt werden könnten. In diesem Fall seien die Mitgliedstaaten nach Art. 189 Abs. 3 EWG-Vertrag (Art. 249 Abs. 3 EG) verpflichtet, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen könne. Sie seien jedoch nicht verpflichtet, dieses Kriterium wörtlich in ihr nationales Recht zu übernehmen oder quantitative Grenzen für die Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger festzulegen. 11 Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie sehe vor, dass die Eimichtungen des öffentlichen Rechts in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten in jedem Fall als Steuerpflichtige anzusehen seien, sofern der Umfang der Tätigkeiten nicht unbedeutend sei. Somit versehe Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie die Regel der Behandlung dieser Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige mit einer weiteren Einschränkung. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie solle sicherstellen, dass bestimmte Arten von wirtschaftlichen Tätigkeiten, deren Bedeutung sich aus ihrem Gegenstand ergebe, nicht deshalb von der Mehrwertsteuer befreit würden, weil sie von Eimichtungen des öffentlichen Rechts ausgeübt würden. Die Verpflichtung, die Eimichtungen des öffentlichen Rechts in Bezug auf die in Anhang D der 6. EG-Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten als Steuerpflichtige zu behandeln, gelte für die Mitgliedstaaten jedoch nur insoweit, als der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend sei. Die fragliche Vorschrift sei nach ihrem Kontext dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten die Befugnis eingeräumt werde, die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten von der Steuerpflicht zu befreien, sofern ihr Umfang unbedeutend sei, dass sie jedoch nicht verpflichtet seien, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Sie seien folglich auch nicht verpflichtet, für die betreffenden Tätigkeiten eine untere Besteuerungsgrenze festzusetzen. 12 Zur Frage der unmittelbaren Geltung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie bezog sich der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung. In Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen könnten sich die Einzelnen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und himeichend genau erschienen, gegenüber allen innerstaatlichen nicht richtlinienkonformen Vorschriften bemfen; sie könnten sich auf diese Bestimmungen auch bemfen, soweit diese Rechte festlegten, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden könnten. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie ent11 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88 (Ufficio distrettuale), EuGHE 1989, 3233 (3276 f., Rdnr. 21 ff.). 12 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231/87 und 129/88 (Ufficio distrettuale), EuGHE 1989, 3233 (3278, Rdnr. 26 ff.).

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

spreche diesen Kriterien, da die Einrichtungen und die Tätigkeiten, für die die Regel der Behandlung als Nichtsteuerpflichtige gelte, darin klar bezeichnet seien. Die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die in diesem Zusammenhang den Einzelnen gleichzustellen seien, könnten sich daher auf die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeiten, die nicht in Anhang D der 6. EG-Richtlinie aufgeführt seien, auf die Regel der Behandlung als Nichtsteuerpflichtige berufen. Diese Schlussfolgerung werde nicht dadurch widerlegt, dass Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie die Steuerpflicht für die Tätigkeiten vorsehe, deren Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Die Einschränkung der Regel habe nur Eventualcharakter, und auch wenn ihre Anwendung eine Beurteilung wirtschaftlicher Faktoren verlange, so sei diese Beurteilung doch nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Demzufolge könne sich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EGRichtlinie berufen, um sich der Anwendung einer nationalen Vorschrift zu widersetzen, nach der sie für eine ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sei, die nicht in Anhang D der 6. EG-Richtlinie aufgeführt sei und deren Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen könne. 13

c)

EuGH, Urt. v. 15.5.1990- Rs. C-4/89- "Comune di Carpaneto Piacenüno"

In der Rechtssache "Comune di Carpaneto Piacentino und andere gegen Uf-

ficio provinciale imposta sul valore aggiunto Piacenza" 14 hatte der EuGH die Gelegenheit, die Aussagen aus der vorgenannten Entscheidung zu ergänzen. Der Sachverhalt entsprach im Wesentlichen dem der Rechtssache "Ufficio distrettuale". Die Vorlagefragen der Commissione tributaria di primo grado Piacenza stimmten inhaltlich weitgehend mit den Fragen der vorigen Rechtssache überein. Der einzig neue Aspekt betraf die Frage, ob die von den italienischen Gemeinden gern. dem Decreto del Presidente della Republica Nr. 616 vom 24. Juli 1977 ausgeübten "Verwaltungsaufgaben" als Tätigkeiten anzusehen sind, die die Gemeinden "im Rahmen der öffentli-

13 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231187 und 129/88 (Ufficio distrettuale), EuGHE 1989,3233 (3279, Rdnr. 30 ff.). 14 EuGH, Urt. v. 15.5.1990 - Rs. C-4/89 (Conrune di Carpaneto Piacentino), EuGHE 1990, I-1869.

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Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

chen Gewalt" ausüben und die demgemäß nicht mehrwertsteuerpflichtig sind. 15 Bezug nehmend auf das Urteil "Ufficio distrettuale" führte der EuGH aus, das einzige Kriterium, das eine sichere Unterscheidung der beiden Arten von Tätigkeiten (entweder als Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts) ermögliche, sei die nach nationalem Recht anwendbare rechtliche Regelung. Wenn der Gesetzgeber bestimmte Tätigkeiten der Gemeinde als "Verwaltungsaufgabe" einordne, könne dies ein Indiz dafür sein, dass diese Tätigkeiten auf Grund einer Regelung des öffentlichen Rechts ausgeübt würden. Wie sich jedoch aus dem Urteil vom 17.10.1989 ergebe, sei es Sache des nationalen Gerichts, die fraglichen Tätigkeiten anhand des vom EuGH entwickelten Kriteriums angemessen zu beurteilen. 16

d)

EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-247/95- "Marktgemeinde Weiden"

Im Jahr 1997 bekam der EuGH erneut die Gelegenheit sich zur Auslegung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie zu äußern. Die Entscheidung "Finanzamt Augsburg-Stadt gegen Marktgemeinde Welden" 17 basierte auf folgendem Sachverhalt: Die deutsche Marktgemeinde Weiden ließ einen Neubau enichten und verpachtete die Räumlichkeiten anschließend an eine Brauerei zum Betrieb einer Gaststätte. Das Gaststätteninventar - Herde, Maschinen, Dunstabzugshauben, Möblierung, Geschin - wurde nicht von der Gemeinde beschafft. Die Gemeinde verzichtete nach § 9 UStG auf die Steuerbefreiung der Verpachtungsumsätze gern. § 4 Nr. 12 UStG und machte die auf die Kosten für die Errichtung des Gebäudes entfallene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt Augsburg-Stadt erkannte diesen Verzicht nicht an, da die Verpachtung der Gaststätte in dem Neubau ohne die Verpachtung des erforderlichen Inventars kein Betrieb gewerblicher Art sei. Die Gemeinde sei daher nicht untemehmerisch tätig geworden und falle somit nicht unter die Mehrwertsteuenegelung. Die Gemeinde erhob hiergegen erfolgreich Klage beim Finanzgericht

15 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.5.1990- Rs. C-4/89 (Comune di Carpaneto Piacentino), BuGHE 1990, I-1869 (1885 f., Rdnr. 6, 9); Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 28.3.1990, EuGHE 1990, I-1876. 16 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.5.1990 - Rs. C-4/89 (Comune di Carpaneto Piacentino), BuGHE 1990, I-1869 (1886, Rdnr. 10 f.). 17 EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-247/95 (Marktgemeinde Weiden), EuGHE 1997,779.

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Der in zweiter Instanz angerufene Bundesfinanzhof setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor: 18 "1) ErlaubtArtikel4 Absatz 5 Unterabsatz 4 der Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten, steuerbefreite Tätigkeiten, für deren Besteuerung aber optiert werden kann, bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Tätigkeiten zu behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, obgleich sie sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen und in gleicher Weise ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer ausüben? 2) Falls die erste Frage zu verneinen ist: Kann der Umfang des Optionsrechts zur Besteuerung nach Maßgabe des Artikels 13 Teil C Absatz 2 der Richtlinie 77/388/EWG in der Weise eingeschränkt werden, daß Tätigkeiten im Sinne des Artikels 13 Teil C Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG nur unter bestimmten Voraussetzungen als unternehmerische Tätigkeiten behandelt werden, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ausgeübt werden? 3) Falls auch diese Frage zu verneinen ist: Kann eine Einrichtung des öffentlichen Rechts sich auch dann unmittelbar auf Artikel 4 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit Absatz 5 der Richtlinie 77/388/EWG berufen, um sich der Anwendung einer nationalen Vorschrift zu widersetzen, wenn sich die Anwendung dieser Richtliniemegelung zwar mittelbar über den Vorsteuerabzug begünstigend, im übrigen aber belastend auswirkt?" 19 In seiner Entscheidung prüfte der EuGH zunächst Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Da die Verpachtung aber unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausgeübt worden sei, denen private Wirtschaftsteilnehmer unterlägen, nehme diese Vorschrift der Gemeinde nicht die Steuerpflichtigeneigenschaft. Die Mitgliedstaaten könnten jedoch nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie auch diejenigen Tätigkeiten, die nach Art. 13 der 6. EGRichtlinie von der Steuer befreit seien, als Tätigkeiten behandeln, die den Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, und demzufolge die Einrichtungen des öffentlichen Rechts für diese Tätigkeiten als Nichtsteuerpflichtige betrachten. Da Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EGRichtlinie nicht zwischen diesen Tätigkeiten unterscheide, könnten die Mitgliedstaaten die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach Art. 13 der

18 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-247/95 (Marktgerneinde Weiden), EuGHE 1997, 779 (789 f., Rdnr. 9 ff.). 19 EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-247/95 (Marktgemeinde Weiden), EuGHE 1997, 779 (790, Rdnr. 13).

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Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

6. EG-Richtlinie von der Steuer befreite Tätigkeiten ausübten, auch dann als Nichtsteuerpflichtige behandeln, wenn sie diese in gleicher Weise ausübten wie private Wirtschaftsteilnehmer. 20 Soweit eine Einrichtung des öffentlichen Rechts gern. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie so behandelt werde, als habe sie eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt, so sei es Sache des nationalen Gerichts gegebenenfalls zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie vorlägen. 21 Da der EuGH die erste Frage bejaht hatte, ging er auf die zweite und dritte Frage nicht mehr ein.

e)

EuGH, Urt. v. 12.9.2000- Rs. C-276/97- "K!Frankreich"

In dem Vertragsverletzungsverfahren ,,Europäische Kommission gegen Französische Republik"22 ging es um die Frage, ob die Gestattung der Straßenbenutzung gegen eine Maut ein Mehrwertsteuer-Tatbestand ist. 23

Der EuGH führte aus, die Autobahnkonzessionäre in Frankreich übten eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der 6. EG-Richtlinie aus, soweit sie den Benutzern gegen Entgelt eine Straßenanlage zur Verfügung stellten. Weiter prüfte der EuGH Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie. Er wiederholte seine ständige Rechtsprechung, für die Nichteinbeziehung in die Steuerpflicht müssten kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich die Ausübung von Tätigkeiten durch eine öffentliche Einrichtung und die Vomahme dieser Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Was die zweite Voraussetzung angehe, so handele es sich bei den Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie um solche, die 20 Damit widersprach der EuGH der Ansicht der Kommission. Diese hatte ausgefllhrt, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie sei als Ausnahmebestimmung eng auszulegen sei und könne so auf die nach Art. 13 der 6. Ba-Richtlinie befreiten Tätigkeiten nur insoweit Anwendung finden, als Art. 13 sie ausdrücklich Einrichtungen des öffentlichen Rechts zuordne; vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997 - Rs. C-247/95 (Marktgemeinde Weiden), EuGHE 1997,779 (791, Rdnr. 15 f.). 21 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-247/95 (Marktgemeinde Weiden), EuGHE 1997, 779 (792, Rdnr. 18 ff.). 22 EuGH, Urt. v. 12.9.2000- Rs. C-276/97 (K/Frankreich), EuGHE 2000, 1-6251. 23 Am gleichen Tag entschied der EuGH vier weitere Vertragsverletzungsverfahren, die die Kornmission aus denselben Gründen erhoben hatte, gegen Irland [Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-358/97 (KIIrland), EuGHE 2000, 1-6301], das Vereinigte Königreich [Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-359/97 (K!Vereinigtes Königreich), EuGHE 2000, 1-6355], die Niederlande [Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-408/97 (K!Niederlande), EuGHE 2000, 1-6417] nnd Griechenland [Urt. v. 12.9.2000- Rs. C-260/98 (K/Griechenland), EuGHE 2000, 1-6537].

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen ausübten. Nicht dazu gehörten Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausübten wie private Wirtschaftsteilnehmer. Das Vorbringen der Kommission wies der EuGH in diesem Zusammenhang zurück. Diese hatte ausgeführt, die Regelung, wonach öffentlich-rechtliche Einrichtungen nicht steuerpflichtig seien, sei notwendig eng auszulegen. Eine Einrichtung übe Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt nur aus, soweit diese Tätigkeiten zur öffentlichen Gewalt im engeren Sinne dieses Begriffs gehörten. Dazu gehörten jedoch nur die kennzeichnenden, keinesfalls auf private Einrichtungen übertragbaren Aufgaben der öffentlichen Gewalt. 24 Der EuGH folgte dieser Auffassung jedoch nicht, sondern bejahte eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Die Kommission habe weder nachgewiesen noch nachzuweisen versucht, dass die in Frage stehenden Setreiber unter den gleichen Bedingungen tätig seien wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer. 25 Im vorliegenden Fall werde aber die Tätigkeit, die in der Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen Entgelt bestehe, in Frankreich zumindest in manchen Fällen unstreitig nicht durch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, sondern durch Wirtschaftsteilnehmer des privaten Rechts ausgeübt. Soweit dies der Fall sei, könne die in Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie vorgesehene Befreiung nicht angewendet werden.Z6 Daher habe die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 und 4 der 6. EG-Richtlinie verstoßen, dass sie die Autobahnmaut, die als Gegenleistung für die den Benutzern erbrachte Leistung erhoben werde, nicht der Mehrwertsteuer unterworfen habe, soweit die letztgenannte Leistung nicht von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S. v. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie ausgeführt werde. 27 24 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-276/97 (K/Frankreich), EuGHE 2000, 1-6251 (6288, Rdnr. 26). 25 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-276/97 (K/Frankreich), EuGHE 2000, 1-6251 (6292, Rdnr. 41 f.). 26 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-276/97 (K/Frankreich), EuGHE 2000, 1-6251 (6293, Rdnr. 46). 27 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-276/97 (K/Frankreich), EuGHE 2000, 1-6251 (6294, Rdnr. 49). Mit einer nahezu identischen BegrUndung gab der EuGH den Klagen gegen Irland [Urt. v. 12.9.2000- Rs. C-358/97 (KIIrland), EuGHE 2000, 1-6301 (6347, Rdnr. 58)] und das Vereinigte Königreich [Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-359/97 (K!Vereinigtes Königreich), EuGHE 2000, 1-6355 (6408, Rdnr. 70)] statt. Die Klagen gegen die Niederlande [Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-408/97 (K/Niederlande), EuGHE 2000, 1-6417 (6449, Rdnr. 41 f.)] und Griechenland [Urt. v. 12.9.2000- Rs. C-260/98 (K/Griechenland), EuGHE 2000, 1-6537 (6575, Rdnr. 41 f.)] wurden hingegen abge-

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Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

t)

EuGH, Urt. v. 14.12.2000 - Rs. C-446/98 - "Fazenda Pllblica"

Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache "Fazenda Publica gegen Camara Municipal do Porto" 28 basierte auf nachstehendem Tatbestand. Die Stadt Porto erzielte auf mehrere Arten Einnahmen aus der Bereitstellung von Parkmöglichkeiten in der Stadt. Es handelte sich um Parkuhren auf öffentlichen Straßen, um Parkplätze im Bereich des öffentlichen Eigentums der Stadt und um Parkplätze im Bereich des privaten Eigentums der Stadt oder auf Privatpersonen gehörenden Privatgrunds rucken, die diese der Stadt überlassen hatten. Die Fazenda Publica (Finanzverwaltung) verlangte von der Camara Municipal do Porto (Stadtverwaltung Porto) Mehrwertsteuer in Höhe von 98.953.911 ESC für Einnahmen aus Parkuhren und Parkplätzen der Stadt Porto für die Jahre 1991, 1992 und für Januar bis April 1993. Die Stadtverwaltung Porto war der Ansicht, sie sei nicht mehrwertsteuerpflichtig, da sie im Rahmen der Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse tätig gewesen sei. Nachdem der Stadt Porto in erster Instanz teilweise Recht gegeben wurde, setzte das in zweiter Instanz angerufene Supremo Tribunal Administrativo das Verfahren aus und legte dem EuGH u.a. die folgenden sechs Fragen zur Vorabentscheidung vor: 29 "1. Erfasst die Wendung "Tätigkeiten ... oder Leistungen ... , die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen" in Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen (sowohl Plätze auf den Straßen als auch Parkplätze), durch Behörden (eine Stadtverwaltung)? 2. Karm im Einzelfall durch den Finanzminister eines Mitgliedstaats festgelegt werden, bei welchen Wettbewerbsverzerrungen es sich um größere im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Sechsten Mehrwettsteuerrichtlinie handelt? 3. Muss ein nationales Gericht, wenn die innerstaatliche Vorschrift, die dem Finanzminister die Zuständigkeit verleiht, im Einzelfall festzulegen, was größere Wettbewerbsverzerrungen sind, wegen Verstoßes gegen das Legalitätsprinzip im Steuerrecht verfassungswidrig ist, jedoch mit dem Gemeinwiesen, da in diesen Rechtssachen die Tätigkeiten ausschließlich durch öffentlichrechtliche Einrichtungen ausgeübt wurden. 28 EuGH, Urt. v. 14.12.2000- Rs. C-446/98 (Fazenda PUblica), EuGHE 2000, 1-11435. 29 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000 - Rs. C-446/98 (Fazenda PUblica), EuGHE 2000, 111435 (11467, Rdnr. 9 ff.); Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 29.6.2000, EuGHE 2000, 1-11439.

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schaftsrecht (der Sechsten Richtlinie) im Einklang steht, seine Verfassung beachten, oder muss es vor allem das Gemeinschaftsrecht wegen dessen Vorrang vor den Verfassungen beachten? 4. Sind Behörden stets steuerpflichtig, wenn die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten nicht unbedeutend sind, oder sind sie nur steuerpflichtig für Tätigkeiten oder Leistungen, die in Anhang D aufgeführt sind, auf den sich Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 3 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie bezieht?

5. Kann ein nationales Gesetz den Finanzminister ermächtigen, im Einzelfall festzulegen, was Tätigkeiten sind, die in unbedeutendem Umfang ausgeübt werden? 6. Kann ein Mitgliedstaat für die Zwecke von Artikel4 Absatz 5 Unterabsatz 4 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie die Tätigkeit der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen, wenn sie von einer Stadtverwaltung ausgeübt wird, unter Berücksichtigung von Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 2 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie als Tätigkeit behandeln, die der Stadtverwaltung im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt?"30 Der EuGH führte zur ersten Frage, aufbauend auf seiner ständigen Rechtsprechung, aus, es sei fraglich, ob die Stadt Porto die Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübe. Dabei sei es nicht entscheidend, ob die Stadt Porto Eigentümerin der Grundstücke sei, auf denen sie die Tätigkeit ausübe, oder ob diese Grundstücke in ihrem öffentlichen oder privaten Eigentum stünden. Das vorlegende Gericht müsse nämlich alle im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten der Ausübung der Tätigkeit berücksichtigen, ob diese Tätigkeit im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung oder unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie von privaten Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werde. Dass die fragliche Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen, wie der Befugnis, das Abstellen auf einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße zu genehmigen oder zu beschränken oder die Überschreitung der erlaubten Abstellzeit mit Geldbuße zu belegen, umfasse, erlaube die Feststellung, dass diese Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung unterliege. Jedoch sei es Sache des nationalen Gerichts, die in Rede stehenden Tätigkeiten anband des vom EuGH aufgestellten Kriteriums zu beurteilen. Daher sei auf die Frage zu antworten, dass es sich bei der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen um eine Tätigkeit handele, die einer Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S.v. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliege, wenn sie im Rahmen einer öffent30 EuGH, Urt. v. 14.12.2000 - Rs. C-446/98 (Fazenda Ptiblica), EuGHE 2000, 1-11435 (11468, Rdnr. 13).

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lieh-rechtlichen Sonderregelung erfolge. Dies sei dann der Fall, wenn die Ausübung dieser Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasse. 31 Zur vierten Frage führte der Gerichtshof aus, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie räume den Mitgliedstaaten die Befugnis ein, die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten von der Steuerpflicht zu befreien, sofern ihr Umfang unbedeutend sei. Die Mitgliedstaaten seien jedoch nicht verpflichtet, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Daraus ergebe sich, dass Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis, unbedeutende Tätigkeiten der öffentlichen Einrichtungen oder entsprechende Umsätze von der Mehrwertsteuer zu befreien, nur für die in Anhang D genannten Tätigkeiten und Umsätze einräume. Daher antwortete er auf die vierte Frage, dass nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie Einrichtungen des öffentlichen Rechts in Bezug auf die von ihnen ausgeführten, nicht unbedeutenden Tätigkeiten nicht immer als Steuerpflichtige gälten. Nur dann, wenn diese Einrichtungen eine in Anhang D aufgeführte Tätigkeit ausübten oder einen dort aufgeführten Umsatz tätigten, sei eine unbedeutende Tätigkeit oder ein entsprechender Umsatz von der Mehrwertsteuerpflicht befreit, sofern das nationale Recht von der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Befugnis Gebrauch gemacht habe. 32 Die zweite und fünfte Frage beantwortete der EuGH dahingehend, dass der Finanzminister eines Mitgliedstaats durch ein nationales Gesetz ermächtigt werden könne, festzulegen, was unter dem Begriff der größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S.v. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie und was unter in nicht unbedeutendem Umfang ausgeübten Tätigkeiten i.S.v. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie zu verstehen sei, sofern seine Entscheidung von den nationalen Gerichten überprüft werden könne. Wie er bereits im Urteil "Ufficio distrettuale" entschieden habe, seien die Mitgliedstaaten zwar verpflichtet, Einrichtungen des öffentlichen Rechts der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen könne, sie seien jedoch nicht verpflichtet, dieses Kriterium wörtlich in ihr nationales Recht zu übernehmen oder quantitative Grenzen für die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige festzulegen. Ebenso stehe es den Mitgliedstaaten frei, für die Erreichung der in Art. 4 Abs. 5 Unterabsätze 2 und 3 der 6. EG-Richtlinie festgelegten Ziele, die Entscheidung darüber, bei welchen Sachverhalten eine Tätigkeit, die 31 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000- Rs. C-446/98 (Fazenda PUblica), EuGHE 2000, 111435 (11470 f., Rdnr. 20 ff.). 32 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000- Rs. C-446/98 (Fazenda PUblica), EuGHE 2000, 111435 (11472, Rdnr. 26 ff.).

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von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts ausgeübt werde, zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde oder nicht unbedeutend sei, und die Anwendung dieser Kriterien auf bestimmte Fälle einer Verwaltungsbehörde zu überlassen, sofern deren Entscheidung von den nationalen Gerichten überprüft werden könne. Dem stehe die ständige Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen, nach der eine bloße Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern könne und die nur unzureichend bekannt sei, nicht als rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag angesehen werden könne. Vielmehr sei danach zu unterscheiden, ob ein Mitgliedstaat eine Richtlinie dadurch umsetze, dass er der nationalen Verwaltung die Befugnis einräume, deren Bestimmung nach ihrem Ermessen anzuwenden, ohne dem Ermessen der Verwaltung einen Rahmen zu setzen, oder ob er, wie im vorliegenden Fall, die Kriterien der Richtlinie in eine zwingende Norm aufnehme, deren Durchführung er der Verwaltung überlasse.33 Die dritte Frage beantwortete der EuGH dahingehend, dass der Mitgliedstaat eine Umsetzungsmöglichkeit wählen könne, die sowohl mit der Richtlinie als auch mit seiner Verfassung im Einklang stehe. Daher bestehe zwischen Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie und der nationalen Verfassung keine Unvereinbarkeit in der angesprochenen Weise.34 Zur sechsten Frage legte der EuGH dar, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EGRichtlinie bezwecke nicht eine Beschränkung der Befreiung von der Steuerpflicht nach Unterabsatz 1, sondern ermögliche vielmehr den Mitgliedstaaten, diese Befreiungen auf bestimmte Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, die diesen Einrichtungen zwar nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt oblägen, jedoch gern. Unterabsatz 4 als derartige Tätigkeiten behandelt werden könnten. Wenn diese Tätigkeiten damit solchen Tätigkeiten gleichgestellt seien, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts oblägen, so könnten sie nur dann als Nichtsteuerpflichtige gern. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie behandelt werden, wenn sie auch die Voraussetzungen des Unterabsatzes 2 erfüllten. Die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen sei von den nach Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie befreiten Tätigkeiten durch Nr. 2 ausgenommen, so dass eine derartige Tätigkeit gern. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie nicht als im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübte Tätigkeit i.S. v. Unterabsatz I behandelt werden könne, wenn sie selbst diese 33 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000- Rs. C-446/98 (Fazenda Pliblica), EuGHE 2000, 111435 (11473 f., Rdnr. 31 ff.). 34 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000- Rs. C-446/98 (Fazenda Pliblica), EuGHE 2000, 111435 (11475, Rdnr. 38 f.).

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Voraussetzung nicht erfülle. Daher lasse sich aus Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 i.V.m. Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie nicht herleiten, dass das Zurverfügungstellen von Parkplätzen niemals eine hoheitliche Tätigkeit darstelle, denn wenn diese Tätigkeit von einer öffentlichen Einrichtung im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werde, so liege hierin bereits nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie keine Steuerpflicht vor, ohne dass auf Unterabsatz 4 zurückgegriffen werden müsse. 35 g)

Zusammenfassung

Die Aussagen des EuGH lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.

Als Ausnahmevorschrift zu Art. 4 Abs. 1 ist Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie eng auszulegen. Für die Steuerbefreiung müssen zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: die Ausübung von Tätigkeiten durch eine öffentliche Einrichtung und die Vomahme dieser Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt.

2.

Bei den Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" handelt es sich um solche Tätigkeiten, die die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben; ausgenommen sind Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, die fraglichen Tätigkeiten anhand dieses Kriteriums zu beurteilen. Wenn der nationale Gesetzgeber bestimmte Tätigkeiten der öffentlichen Hand als "Verwaltungsaufgaben" bezeichnet, kann dies ein Indiz dafür sein, dass bestimmte Tätigkeiten auf Grund einer öffentlichrechtlichen Sonderregelung ausgeübt werden. Eine Einrichtung übt Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" nicht nur dann aus, soweit diese Tätigkeiten zur öffentlichen Gewalt im engen Sinn dieses Begtiffs gehören. Wenn die Ausübung der Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst, ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit im Rahmen einer öffentlichrechtlichen Sonderregelung erfolgt. Es ist Sache jedes Mitgliedsstaats, die geeignete Rechtsetzungstechnik zu wählen, um die in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie aufgestellte Regel der Behandlung als Nichtsteuerpflichtige in sein nationales Recht umzusetzen.

35 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000 - Rs. C-446/98 (Fazenda PUb1ica), EuGHE 2000, 111435 (11476 f., Rdnr. 42 ff.).

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3.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeiten der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn diese Tätigkeiten- im Wettbewerb mit ihnen- auch von Privaten ausgeübt werden können und ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, dieses Kriterium wörtlich in ihr nationales Recht umzusetzen oder quantitative Grenzen für die Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger festzulegen.

4.

Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie ist so auszulegen, dass Einrichtungen des öffentlichen Rechts in Bezug auf die von ihnen ausgeführten nicht unbedeutenden Tätigkeiten nicht immer als Steuerpflichtige gelten. Nur dann, wenn diese Einrichtungen eine in Anhang D aufgeführte Tätigkeit ausüben oder einen dort aufgeführten Umsatz tätigen, ist eine unbedeutende Tätigkeit oder ein entsprechender Umsatz von der Mehrwertsteuer befreit, sofern das nationale Recht von der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EGRichtlinie vorgesehene Befugnis Gebrauch gemacht hat. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, das Kriterium des nicht bedeutenden Umfangs als Voraussetzung für die Besteuerung der in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten in ihr Steuerrecht zu übernehmen.

5.

Der Finanzminister eines Mitgliedstaats kann durch ein nationales Gesetz ermächtigt werden, festzulegen, was unter dem Begriff der größeren Wettbewerbsverzerrung i.S.v. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 und was unter in nicht bedeutendem Umfang ausgeführten Tätigkeiten i.S.v. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie zu verstehen ist, sofern seine Entscheidung von den nationalen Gerichten überprüft werden kann.

6.

Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten, die in Art. 13 der 6. EG-Richtlinie steuerbefreiten Tätigkeiten bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Tätigkeiten zu behandeln, die diesen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie sie in gleicher Weise ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Das Unterbleiben der Steuerbefreiung für bestimmte Tätigkeiten gern. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EGRichtlinie verhindert nicht, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die diese Tätigkeit ausüben, für sie nicht mehrwertsteuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen in den Unterabsätzen 1 und 2 des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie erfüllt sind.

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7.

2.

Eine Einrichtung des öffentlichen Rechts kann sich auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie berufen, um sich der Anwendung einer nationalen Vorschrift zu widersetzen, nach der sie für eine ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, die nicht in Anhang D aufgeführt ist und deren Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann.

Literatur

Zur Auslegung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie hat sich die Literatur über die Urteilsanmerkungen zu den genannten Entscheidungen hinaus zahlreich geäußert. Da sich nicht alle Aussagen den einzelnen Entscheidungen zuordnen lassen, erfolgt die Darstellung der im Schrifttum vertretenen Auffassungen entsprechend den Unterabsätzen des Art. 4 Abs. 5 der 6. EGRichtlinie. Im Anschluss daran werden die Ansichten zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie aufgezeigt.

a)

Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt

Die Literatur stimmt der Auffassung des EuGH zu, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 sei eine Ausnahmeregelung zu Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie sei keine Spezialvorschrift für die Steuerpflichtigeneigenschaft der öffentlichen Hand. Vielmehr stelle Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie eine Ausnahme von der Regel des Art. 4 Abs. 1 dar, wonach als Steuerpflichtiger gelte, wer eine der in Art. 4 Abs. 2 der 6. EGRichtlinie genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig ausübe. 36 Auch findet die Auffassung des EuGH Zustimmung, für die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie müssten kumulativ zwei Voraussetzungen gegeben sein: die Ausübung der Tätigkeit durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts und die Ausübung der Tätigkeit im Rahmen der 36 Vgl. Hidien, UR 2002, 165 (168); Lange, UR 2000, 1 (7); Frenz, DStZ 2000, 505 (507); Forster, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, 1997, S. 115; Forster, UR 1996, 73 (76); Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 163, 168 f.; Raudszus/Weimann, DStR 1995, 1373 (1374). Ähnlich Stadie (in: Rau!Dürrwächter/ Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 800): Die Aussage in Unterabsatz 1 "auch wenn sie[... ] Abgaben erheben" ergebe keinen Sinn. Die Frage der Steuerpflichtigeneigenschaft könne sich nur stellen, wenn eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliege, deren Grundvoraussetzung die Ausführung von Lieferungen oder Dienstleistungen gegen Entgelt sei. Stadie verkennt jedoch, dass die Steuerpflichtigeneigenschaft keine entgeltlichen Umsätze voraussetzt; siehe oben, S. 80. A.A. ist wohl- wenn auch ohne nähere Begründung - Bader (Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 75), der in Art. 4 Abs. 5 der 6. HG-Richtlinie eine "speziellere Vorschrift" sieht.

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öffentlichen Gewalt. Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch einen privaten, beliehenen Unternehmer sei selbst dann untemehmerisch, wenn für die Aufgabenübertragung ein besonderer gesetzlicher Rahmen bestehe. 37 Etwas anderes könne nur gelten, wenn die beliehene Person eine andere Einrichtung des öffentlichen Rechts sei. 38 Einhellig nimmt das Schrifttum an, der Begriff "Einrichtung des öffentlichen Rechts" sei weit auszulegen. 39 Der Terminus sei inhaltsgleich mit den "juristischen Personen des öffentlichen Rechts" i.S.v. § 2 Abs. 3 UStG. 4°Für eine weite Auslegung spreche die Protokollerklärung zu Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie41 , wo es zu den ,,Einrichtungen des öffentlichen Rechts" heiße, dass dieser Begriff dort, wo er unbekannt sei, diejenigen Einrichtungen bezeichne, die den von diesem Ausdruck in den anderen Mitgliedstaaten erfassten Einrichtungen entsprächen. 42 Öffentliche Einrichtungen i.S. der Richtlinie seien jedoch nur solche, die (organisatorisch) in die öffentliche Verwaltung eingegliedert seien. Nur die juristischen Personen des öffentlichen Rechts selbst bzw. ihre organisatorisch unselbständigen Einrichtungen, wie sog. Eigenbetriebe könnten in den Genuss der Befreiung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie kommen. 43 Uneinheitlich äußert sich die Literatur hingegen zur (von der BFHAuffassung abweichenden44 ) EuGH-Rechtsprechung, wann die Tätigkeit "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" ausgeübt wird. Nach Auffassung des EuGH bestimmt die 6. EG-Richtlinie die Tätigkeit "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" nicht nach dem Inhalt sondern nach der Form der Ausübung. Tätigkeiten würden nur dann im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der speziell für sie bestehenden Rechtsvorschriften ausgeübt würden. Es sei Aufgabe jedes Mitgliedstaats, die geeignete Gesetzestechnik zu wählen, um den mit dieser Bestimmung aufgestellten Grundsatz, diese Einrichtungen nicht als Steuerpflichtige zu behandeln, in nationales Recht umzusetzen. 45

37 Vgl. Wagner, UVR 2001, 75; Wagner, DStlG 13 (1990), 59 (64). 38 Vgl. Huschens, UR 2000, 525 (526). 39 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (3); Sorge1~(rei, DStR 1993, 1893 (1894, FN 12); Wagner, DStlG 13 (1990), 59 (69). 40 Vgl. Sorgenfrei, DStR 1993, 1893 (1894, FN 12). 41 Abgedruckt bei Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, Art. 4 6. EG-RL. 42 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (3). 43 Vgl. Wagner, UR 1993, 301 (302). 44 So Wagner, UR 1993, 301 (302). 45 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989- Rs. 231187 und 129/88 (Ufficio distrettuale), EuGHE 1989, 3233 (3274 ff., Rdnr. 10 ff.); siehe oben, S. 279 ff.

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Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie Ein Teil der Literatur betrachtet die Aussagen des EuGH kritisch: 46 So ist die Rechtsprechung STADm zufolge unbefriedigend, da sie es den Einrichtungen des öffentlichen Rechts prinzipiell an die Hand gebe, mit der rechtlichen Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses zu den Abnehmern zu bestimmen, ob ihre Tätigkeit unter Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie falle oder nicht. 47 Hintergrund dieser Rechtsprechung (und der Ausgestaltung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie) sei, dass in den Mitgliedstaaten das Verständnis von öffentlicher Gewalt zu unterschiedlich sei, so dass der EuGH keine gemeinschaftsrechtliche Definition habe entwickeln können. 48 REUGEBRINK ergänzt, in einer harmonisierten Gesetzgebung dürfe es nicht sein, dass Mitgliedstaaten ganz alleine klärten, was unter der Ausübung öffentlicher Gewalt zu verstehen sei (wie der EuGH dies fordere), weil dann mehrere Störungen auftreten könnten, die die Harmonisierung gerade zu vermeiden suche. 49 Auch FüRSTER führt aus, der Inhalt des Terminus' "öffentliche Gewalt" sei ausschließlich von dem europarechtlichen Kontext, her zu erschließen und zu bestimmen. Eine Rückverweisung auf das nationale Recht liege nicht vor. Dies sei der EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht zu entnehmen.5° Andere sehen die Rechtsprechung weniger kritisch. 5 1 So ist SORGENFREI der Auffassung, der EuGH-Rechtsprechung könne nicht entgegengehalten werden, durch die Wahl der Rechtshandlungsform (öffentliches Recht oder Privatrecht) könne sich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts der Besteuerung entziehen, da selbst bei einer Zuordnung der Tätigkeiten in den Bereich der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung immer noch die wettbewerbsorientierte Auslegung greife, wie sich aus Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ergebe. 52 Gemeinschaftsrechtlich gleiche Ergebnisse (mate46 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 802; Reugebrink, UR 1991,305 (308); Forster, UR 1996,73 (77). 47 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 802. 48 Vgl. Studie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 802; Weij3, UR 1997, 347 (348); Wagner, DStJG 13 (1990), 59 (63); Forster, UR 1996, 73 (76); ähnlich bereits Selmer!Schulze-Osterloh, DÖV 1978, 381 (382 f.); Wachweger, 6. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern, 1977, S. 29. 49 Vgl. Reugebrink, UR 1991, 305 (308). 50 Vgl. Forster, UR 1996, 73 (77). 51 Vgl. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 279 ff; Sorgenfrei, DStR 1993, 1893 (1895); o.V., HFR 1993,458. 52 Vgl. Sorgenfrei, DStR 1993, 1893 (1895). Ähnlich: Siegel (Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 281, 298), der jedoch die Ausübung öffentlicher Gewalt nur dann bejahen

will, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts eine Tätigkeit entfaltet, die ein Privater nicht durchfUhren kann, weil sie durch ein nur die öffentliche Hand berechtigendes und verpflichtendes Sonderrecht geprägt wird. 297

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riell-rechtliche Gleichbehandlung gleicher Tätigkeit) ließen sich in Zweifelsfällen über das (materiell-rechtliche) Zusatzkriterium der Wettbewerbsrelevanz der Tätigkeit erreichen. 53 LANGE äußert Zweifel hinsichtlich der Annahme, dass Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung die Tatsache sei, dass in den Mitgliedstaaten das Verständnis von öffentlicher Gewalt zu unterschiedlich sei, um eine einheitliche gemeinschaftsrechtliche Definition zuzulassen. Denkbar sei auch, dass der EuGH bewusst den Regelungsspielraum des jeweiligen nationalen Gesetzgebers bzw. die Gestaltungsmöglichkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere bei der Regelung der Leistungsbeziehungen zum Verbraucher, habe respektieren wollen. 54 Daher stimmt er der EuGH-Rechtsprechung zu: Öffentliche Gewalt übten die Einrichtungen aus, "wenn sie dabei im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung tätig werden". 55 Das Sonderrecht des Staates sei aber das öffentliche Recht, während die bürgerliche Rechtsform die Rechtsform des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs sei, bei der sich der Staat neben den privaten Unternehmer als Wettbewerber stelle. Ausübung öffentlicher Gewalt sei demgemäß öffentlich-rechtliche Tätigkeit. Hierfür sei die Beurteilung des allgemeinen Verwaltungsrechts maßgeblich. 56 Die öffentliche Hand beteilige sich nur dann "gewerblich" am Wirtschaftsleben, wenn sie auch in der gleichen Erscheinungsform wie ein privater Unternehmer auftrete, d.h. nicht durch Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher, sondern durch Ausübung privater Rechte und Pflichten. 57 Daher billigt LANGE auch die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache "Comune di Carpaneto Piacentino": Es sei ein brauchbares Abgrenzungskriterium, wenn der nationale Gesetzgeber bestimmte Tätigkeiten der öffentlichen Hand als "Verwaltungsaufgaben" einordne. Dies könne ein Indiz dafür sein, dass bestimmte Tätigkeiten auf Grund einer Regelung des öffentlichen Rechts ausgeübt würden. 5 8

b)

Größere Wettbewerbsverzerrungen

Nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie gelten öffentliche Einrichtungen, falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Be-

53 Vgl. o.V., HFR 1993,458. 54 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (9). 55 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (9); zustimmend auch Wagner, UVR 2001,75. 56 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (9); ähnlich Ramme, UR 1991, 80. 57 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (9). 58 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (12).

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handlung als Nichtsteuerpflichtige zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" führen würde. In dieser Regelung wird eine Unterausnahme zu Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1

der 6. EG-Richtlinie gesehen. 59 Der Aussage des EuGH, Zweck der Regelung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie sei die Gewährleistung der Steuerneutralität, wird zugestimmt. 60 Uneinheitlich beurteilt die Literatur die Frage, ob für die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie die Wettbewerbsverzerrungen tatsächlich eintreten müssen oder ob es ausreicht, wenn es zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen kann. Ein Teil des Schrifttums ist der Ansicht, der Wortlaut des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie könne nur dahin verstanden werden, dass es auf eine tatsächliche Wettbewerbslage ankommen solle. Es reiche nicht aus, dass es zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen könne. 61 Die Gegenansicht lässt für die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie auch einen möglichen Wettbewerb genügen. 62 Der Wortlaut spreche zwar dafür, dass die Wettbewerbsverzerrungen tatsächlich - und nicht bloß wahrscheinlich oder gar nur vielleicht - eintreten müssten. Es reiche jedoch - entsprechend dem Zweck der Bestimmung, die Steuerneutralität zu gewährleisten - aus, wenn es zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen könne. 63 Es könne für das Tatbestandsmerkmal der "Wettbewerbsverzerrung" nur darauf ankommen, ob Wettbewerb zwischen einer Eimichtung des öffentlichen Rechts und einem privaten Unternehmer vom Markt abstrakt möglich sei. Dabei genüge es jedoch nicht, dass die öffentliche Aufgabe in tatsächlicher Hinsicht ebenso von einem privaten Unternehmer ausgeführt werden könnte. Von einer Wettbewerbssituation sei dann auszugehen, wenn die Aufgabe der öffentlichen Hand rechtlich auch von einem privaten Unternehmer wahrgenommen werden dürfe. 64 Ebenso unterschiedlich beantwortet die Literatur die Frage, wie der Terminus "größere Wettbewerbsverzerrungen" i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 59 Vgl. Reiß, UR 1994, 388 (389). 60 Vgl. Lange, UR 1999, 385 (386). 61 Vgl. Forster, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, 1997, S. 139; Forster, UR 1996, 73 (82); Stadie, in: Rau!Dlirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 807. 62 Vgl. Wagner, UR 1993, 301 (304); Reiß. UR 1994, 388 (389); Lange, UR 1999, 385 (389); Huschens, UR 2000, 525 (526). Im Ergebnis ebenso: Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 288 ff. 63 Vgl. Lange, UR 1999, 385 (389). 64 Vgl. Huschens, UR 2000, 525 (526).

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der 6. EG-Richtlinie auszulegen ist. Kritisiert wird, dass der EuGH keine Definition der "größeren Wettbewerbsverzerrungen" gegeben habe, sondern lediglich ausgeführt habe, die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie verlange eine "Beurteilung wirtschaftlicher Faktoren"; es sei Sache des nationalen Gerichts, gegebenenfalls zu beurteilen, ob die Voraussetzungen der Bestimmung vorlägen. 65 Es sei zwar keine vom EuGH zu beantwortende Auslegungsfrage i.S. v. Art. 234 EG (früher Art. 177 EGV), im Einzelfall zu klären, ob "größere Wettbewerbsverzerrungen" vorliegen. Der EuGH hätte aber nähere Hinweise dazu geben können - und wohl auch müssen - was "größere Wettbewerbsverzerrungen" i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie seien. 66 So weise der EuGH den nationalen Gerichten die Definitionsbefugnis zum Begriff der "größeren Wettbewerbsverzerrungen" zu. 67 STADIE vertritt die Auffassung, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie könne nur im Hinblick auf Art. 99 EGV (heute Art. 93 EG) interpretiert werden. Größere Wettbewerbsverzerrungen könnten nur dann gegeben sein, wenn dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes gefährdet werden könnte. 68 Gegen diese Auffassung wendet sich LANGE. Diese Auslegung der Bestimmung erscheine zu eng. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie wolle die Steuerneutralität sichern. Daher könne dieses Prinzip auch im Bereich des Sitzes oder des Wirkungsbereichs des Trägers öffentlicher Gewalt verletzt werden. Für die Frage, ob die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, sei vor allem der konkrete Wirkungsbereich der Einrichtung maßgebend. 69 Ein Teil des Schrifttums schlägt vor, die Frage der Wettbewerbsverzerrung rein sachlich zu bestimmen. Beim Wettbewerbsbegriff handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anband der allgemeinen Grundsätze und Ziele des Vertrages auszulegen sei. 70 Da der EuGH es dem jeweiligen Mitgliedstaat überlasse, den Begriff der "größeren Wettbewerbsverzerrungen" zu klären, biete es sich an, auf§ 65 Nr. 3 AO zurückzugreifen. 71 Zur 65 Vgl. Lange, UR 1999, 385 (387); Stadie, UR 1997, 262 (263); Wagner, UVR 1997, 132; Buschens, UR 2000, 525 (526). 66 Vgl. Lange, UR 1999, 385 (387); Stadie, UR 1997, 262 (263). 67 Vgl. Wagner, UVR 1997, 132. 68 Vgl. Stadie, UR 1997,262 (263). 69 Vgl. Lange, UR 1999, 385 (387). 70 Vgl. Forster, UR 1996, 73 (79). 71 Vgl. Sorgenfrei, DStR 1993, 1893 (1898); Lange, UR 1999, 385 (390).

300

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

Klärung des Begriffs des Wettbewerbs könnte auf die vom Kartellrecht entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. 72 SIEGEL regt an, den Begriff des Wettbewerbs - ähnlich wie im deutschen Recht - aus Sicht des Verbrauchers zu bestimmen. Wettbewerb liege immer dann vor, wenn sich mindestens zwei natürliche oder juristische Personen dergestalt um die Gunst des Verbrauchers bewerben, dass dieser, wenn er ein Produkt erwerben möchte, sich zwischen dem Erwerb des Produkts des einen oder des anderen Allbieters entscheiden würde. 73 Uneinigkeit herrscht schließlich in der Frage, wann größere Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. SIEGEL merkt an, der Begriff sei dogmatisch verfehlt, da er wegen seiner Unbestimmtheit unpraktikabel sei und die vom EuGH vorgeschlagene Festlegung von Umsatzgrenzen durch den nationalen Gesetzgeber dem Harmonisierungsziel widerspreche. 74 LANGE zufolge erfordert eine "größere Wettbewerbsverzerrung" ein höheres Maß an Auswirkungen auf den Wettbewerb als etwa eine bloße "Wettbewerbsbeeinträchtignng". Es komme darauf an, ob eine nnterschiedliche umsatzsteuerliche Belastllllg intensive und nachhaltige Auswirkungen in der betreffenden Branche zur Folge haben könnte. 75 Als quantitative Grenze wird die Übemahme der für Kleinuntemehmer nach Art. 24 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie geltenden Grenze von 5.000 ECU vorgeschlagen. Wenn dem Kleinuntemehmer in dieser Höhe eine (persönliche) Steuerbefreiung gewährt werden könne - nnd dies nicht gegen den Grundsatz der Steuemeutralität verstoße -, dürfe Entsprechendes ebenfalls im Rahmen von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie gelten. 76

c)

Ausübung von Tätigkeiten i.S. des Anhangs D der 6. EGRichtlinie

Nur vereinzelt hat sich das Schrifttum zu Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie geäußert. Durch die Regelnng des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie legten die Mitgliedstaaten selbst die Grenzen des Übergangs von einer öffentlichen zu einer untemehmerischen Tätigkeit fest. Durch dieses Zugeständnis 72 Vgl. Ramme, UR 1991, 80 (81); Lange, UR 1999, 385 (390); Forster, UR 1996, 73 (79 f.); Sorgenfrei, DStR 1993, 1893 (1899). 73 Vgl. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 286. 74 Vgl. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 294. 75 Vgl. Lange, UR 1999, 385 (390). 76 Vgl. Lange, UR 1999, 385 (390); Wagner, UR 1993, 301 (304); Sorgenfrei, DStR 1993, 1893 (1899).

301

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

würden den Mitgliedstaaten angesichts des angestrebten Harmonisiemngsziels scheinbar nicht unerhebliche Beurteilungsmöglichkeiten eingeräumt. Diese Beurteilungsmöglichkeiten seien allerdings auf nicht in der Anlage D der 6. EG-Richtlinie genannte Tätigkeiten beschränkt. 77 Die in der Anlage aufgeführten wirtschaftlichen Betätigungen sollten nicht deshalb von der Mehrwertsteuer befreit werden, nur weil sie von öffentlichen Einrichtungen in Ausübung öffentlicher Gewalt vorgenommen würden. Allerdings hätten die Mitgliedstaaten die Befugnis, diese Tätigkeiten nicht der Besteuemng zu unterwerfen, sofern ihr Umfang unbedeutend ist. Sie müssten jedoch hiervon keinen Gebrauch machen. Aus diesem Grunde habe das Kriterium des "nicht unbedeutenden Umfangs" zulässigerweise nicht als Voraussetzung für die Besteuerung in das deutsche Steuerrecht integriert werden müssen. 78

d)

Steuerbefreite Tätigkeiten als Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt

Wenig zahlreich sind auch die Äußerungen des Schrifttums zu Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie. WEiß übt Kritik an der Vorschrift des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. BQRichtlinie. Mit dieser Regelung, die es den Mitgliedstaaten unter anderem erlaube, die nach Art. 13 der 6. EG-Richtlinie befreiten Tätigkeiten als Ausübung öffentlicher Gewalt einzuordnen, seien ursprünglich steuerbefreite Tätigkeiten der Bundespost auf dem Gebiet des Fernmeldewesens und der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten ins Auge gefasst worden. Die offensichtlicheratiofür diese Norm habe darin bestanden, wegen der gleichlaufenden steuerlichen Wirkung (keine Besteuerung, kein Vorsteuerabzug) durch die Fiktion der Ausübung öffentlicher Gewalt Zweifelsfragen zur Anwendung des Unterabsatzes 1 von At1. 4 Abs. 5 der 6. BQRichtlinie vereinfachend zu bereinigen. Durch diese Sonderregelung seien jedoch Besteuerungslöcher aufgerissen worden, zumal durch die EuGHRechtsprechung der Bereich, in dem die öffentliche Hand außerhalb des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie tätig werde, größer geworden sei. 79 STADIE stimmt dem EuGH in der Rechtssache "Marktgemeinde Weiden" insoweit zu, er sei zu Recht nicht auf die erste Frage eingegangen, ob Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie auch solche Tätigkeiten umfasse,

77 Vgl. Forster, UR 1996, 73 (77); Wachweger, 6. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern, 1977, S. 29. 78 Vgl. Forster, UR 1996, 73 (77). Ähnlich: Lange, UR 2000, 1 (7). 79 Vgl. We(ß, UR 1997, 347 (348).

302

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

auf deren Befreiung nach nationalem Recht verzichtet werden könne. Art. 13 Teil C überlasse es den Mitgliedstaaten, ob und in welchem Rahmen sie u.a. für die Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken eine Option für die Besteuerung zuließen. Wenn aber die Zulassung der Option und deren Umfang im Ermessen der Mitgliedstaaten stehe, so könne Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie schon deshalb nicht von vornherein restriktiv interpretiert werden, weil die Frage, ob größere Wettbewerbsverzerrungen i.S. des Unterabsatz 2 vorliegen, erst nach Kenntnis der nationalen Optionsregelungen beantwortet werden könne. 80 WAGNER beurteilt das Eingehen des EuGH auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 nach Bejahung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie als konsequent: Der EuGH gehe also davon aus, dass es keinen Unterschied mache, ob die öffentliche Einrichtung Nichtsteuerpflichtiger auf Grund von Tätigkeiten nach öffentlicher Regelung sei (Unterabsatz 1) oder kraft mitgliedstaatlicher Sonderbefugnis auf Grund von Tätigkeiten, die durch privatrechtliehe Vereinbarungen ausgeübt würden (Unterabsatz 4). Für beide Fälle gelte die Ausnahmeklausel des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie. 81 Die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie in der Rechtssache "Marktgemeinde Weiden" kritisiert wiederum STADIE: Wenn Art. 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie es den Mitgliedstaaten überlasse, ob sie bei den dort genannten Tätigkeiten eine Option für die Besteuerung vorsähen, d.h. die Richtlinie es nicht für notwendig erachte, die Voraussetzungen EG-einheitlich zu regeln, so zeige dies, dass die Fälle unbedeutend seien und nach der Wertung der Richtlinie bei ihnen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen eintreten könnten. Vor allem aber übersehe der EuGH, dass die Richtlinie in den Fällen des Art. 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie sogar grenzüberschreitende Wettbewerbsverzerrungen hinnehme. Wenn ein einzelner Mitgliedstaat die Option vorsehe, so würden die Konkurrenten in den Nachbarstaaten, die die Option nicht eingeführt hätten, benachteiligt. Art. 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie enthalte jedoch keine Einschränkung, dass bei größeren Wettbewerbsverzerrungen ein nationaler Alleingang bei der Einführung der Option unzulässig sei. Daraus folge im Erst-Recht-Schluss, dass im Fall des Wettbewerbs auf rein nationaler Ebene jedenfalls nach der Wertung der

80 Vgl. Stadie, UR 1997, 262 (263). A.A.- wenn auch ohne nähere Begrllndung- Raudszusl Weimann [DStR 1995, 1373 (1375)], die Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EGRichtlinie im Fall der Optionsausübung für nicht anwendbar halten. 81 Vgl. Wagner, UVR 1997, 132.

303

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand Richtlinie keine größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie vorliegen könnten. 82

e)

Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie?

Unterschiedlich beurteilt das Schrifttum schließlich die Frage, ob die Unterabsätze 1 und 2 des Art. 4 Abs. 5 der 6. BQ-Richtlinie unmittelbar anwendbar sind. FüRSTER billigt die Auffassung des EuGH: Eine Einrichtung des öffentlichen Rechts könne sich auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie berufen, um sich der Anwendung einer nationalen Vorschrift zu widersetzen, nach der sie für eine ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sei, sofern die Tätigkeit nicht in Anhang D aufgeführt sei und deren Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen könne. 83 Hieraus könne man folgern, dass sich für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, auch in Ausübung öffentlicher Gewalt, aus dem EG-Vertrag und der 6. EG-Richtlinie nicht nur Pflichten, sondern ebenso Rechte ergäben. Deswegen erscheine es nicht abwegig, den juristischen Personen des öffentlichen Rechts ein Berufungsrecht zu gewähren, wenn eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger für sie unter Wettbewerbsaspekten nachteilig wirke. 84 Anders sieht dies STADIE. Seiner Auffassung nach steht das vom EuGH postulierte Berufungsrecht im Widerspruch zu seiner Interpretation des Unterabsatzes 1. Wenn der EuGH Ausübung der öffentlichen Gewalt bereits stets dann annehme, wenn eine Einrichtung des öffentlichen Rechts nach den eigens für sie geltenden nationalen rechtlichen Regelungen tätig werde, so überlasse er es damit den Mitgliedstaaten zu bestimmen, wann Ausübung der öffentlichen Gewalt vorliege. Denn diese legten fest, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts ihre Leistungen nach den Regeln des zivilen oder des öffentlichen Rechts erbringe. Die Mitgliedstaaten hätten es mithin in der Hand, ob eine Einrichtung des öffentlichen Rechts überhaupt unter Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie falle. Wenn aber die Mitgliedstaaten festlegen 82 Vgl. Stadie, in: Rau/DUrrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 819; Stadie, UR 1997, 262 (263). 83 Vgl. Forster, UR 1996, 73 (78). Ähnlich Ramme [UR 1991, 80 (81)], der die Auffas-

sung des EuGH "nicht überraschend" findet. 84 Vgl. Forster, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, 1997, S. 121; Forster, UR 1996, 73 (78). Ähnlich Widmann, UR 1992, 9 (11): Es erscheine durchaus geboten,

das Konkurrenzargument so zu verstehen, dass die öffentliche Hand daraus ihre Untemehmereigenschaft ableiten könne. 304

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

könnten, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts nach den Regeln des Privatrechts tätig werde und damit stets der Besteuerung unterliege, so müssten sie auch bestimmen können, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts zwar nach den Regeln des öffentlichen Rechts tätig werde, aber gleichwohl besteuert werden solle. Die Funktion des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie beschränke sich darauf, sicherzustellen, dass aus Gründen der Wettbewerbsneutralität juristische Personen besteuert würden, wenn sie im Wettbewerb mit privaten Unternehmer stehen (könnten). Es sei deshalb offensichtlich, dass Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht verbieten wolle, darüber hinaus auch andere Tätigkeiten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu besteuern. Wenn der EuGH den Mitgliedstaaten die Entscheidung überlasse, ob juristische Personen des öffentlichen Rechts überhaupt unter Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie fallen, so könne diese Richtlinienbestimmung nach dem Verständnis des EuGH über die von den Unterabsätzen 2 und 3 erfassten Fälle hinaus - nicht die Gleichbehandlung aller Tätigkeiten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Auge haben. Ein Berufungsrecht sei daher ausgeschlossen. 85 Gegen eine unmittelbare Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie wendet sich auch KLENK. Sinn von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie sei es nicht, der öffentlichen Hand den Weg in eine wirtschaftliche Betätigung durch Verschaffung des Vorsteuerabzugs zu ebnen. Vielmehr sei der Sinn dieser Vorschrift, den privaten Wettbewerber vor steuerlich bedingten Wettbewerbsverzerrungen zu schützen, die sich aus einer Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand ergäben. Daher erscheine es zweifelhaft, ob sich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die in die Umsatzsteuerpflicht dränge, auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie berufen könne.s6

3.

Stellungnahme

Welche Besonderheiten ergeben sich hinsichtlich der Steuerpflichtigeneigenschaft der öffentlichen Hand? Wie ist Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie auszulegen? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, ist eine Auseinandersetzung mit den in der Rechtsprechung und der Literatur vertretenen Ansichten erforderlich.

85 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 813 ff. 86 Vgl. Klenk, UVR 1999, 236 (239); Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdm. 819.

305

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

a)

Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt

Dem EuGH und der Literatur ist insofern zuzustimmen, als sie in Art. 4 Abs. 5 eine Ausnahmevorschrift zu Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie sehen: Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie nimmt Einrichtungen des öffentlichen Rechts hinsichtlich bestimmter Tätigkeiten von der Steuerpflicht aus. Diese Steuerpflicht bestimmt sich grundsätzlich nach Absatz 1. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie enthält keine positive Normierung der Steuerpflicht für die öffentliche Hand. Demzufolge ist Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie keine Spezialvorschrift, sondern eine Ausnahmevorschrift und als solche grundsätzlich eng auszulegen. Ferner spricht Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie davon, dass Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige gelten, "soweit sie [d.h. die Einrichtungen des öffentlichen Rechts] Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen". Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie erfordert also das Vorliegen zweier Voraussetzungen: Die Tätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts und die Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Um von der Steuerpflicht des Art. 4 Abs. 1 der 6. EGRichtlinie ausgenommen zu werden müssen diese zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Demzufolge ist auch in dieser Frage der EuGHRechtsprechung und dem Schrifttum beizupflichten. Zur Frage, wie der Begriff "Einrichtungen des öffentlichen Rechts" auszulegen ist, äußert sich der EuGH nicht explizit. Die in der Literatur vertretenen Ansichten gehen davon aus, dass dieser Tenninus weit auszulegen ist und inhaltlich den ,juristischen Personen des öffentlichen Rechts" entspricht. Gegen diese Ansicht ließe sich anführen, dass die beispielhaft aufgezählten Begriffe "Staaten, Länder und Gemeinden" in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie dafür sprechen, nur (Gebiets-)Körperschaften des öffentlichen Rechts unter die Vorseillift zu subsumieren. Gegen diese einengende Auslegung spricht jedoch die Formulierung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie: Danach gelten "Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts" unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Steuerpflichtige. Die Formulierung ist also sehr weit gefasst. Unter den Begriff "sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts" lassen sich ebenso öffentlich-rechtliche Anstalten oder Stiftungen subsumieren. Für ein weites Verständnis lässt sich schließlich die Protokollerklärung zu Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie anführen. Nach der Protokollerklärung bezeichnet der Begriff "Einrichtung des öffentlichen Rechts" dort, wo dieser Begriff unbekannt ist, diejenigen Einrichtungen, die den von diesem Ausdruck in

306

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

den anderen Mitgliedstaaten erfassten Einrichtungen entsprechen. 87 Somit ist der Literatur Recht zu geben: Der Begriff ,,Einrichtungen des öffentlichen Rechts" ist weit auszulegen und entspricht den juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Wann aber wird eine Tätigkeit "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" ausgeübt? Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei den Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" um solche Tätigkeiten, die die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben; ausgenommen sind Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Diese Rechtsprechung stößt auf die Kritik des Schrifttums. So wird angemerkt, die Rechtsprechung sei unbefriedigend, da sie es den Einrichtungen des öffentlichen Rechts prinzipiell an die Hand gebe, mit der rechtlichen Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses zu den Abnehmern zu bestimmen, ob ihre Tätigkeit unter Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie falle oder nicht. In einer harmonisierten Gesetzgebung dürfe es nicht sein, dass Mitgliedstaaten ganz alleine klärten was unter der Ausübung öffentlicher Gewalt zu verstehen sei, weil dann mehrere Störungen auftreten könnten, die die Harmonisierung gerade zu vermeiden suche. Vielmehr sei der Inhalt des Terminus' "öffentliche Gewalt" ausschließlich von dem europarechtlichen Kontext her zu erschließen und zu bestimmen. 88 Der Kritik ist insofern zuzustimmen, dass es in einer harmonisierten Gesetzgebung dem nationalen Gesetzgeber nicht obliegen sollte, bestimmte Begriffe der 6. EG-Richtlinie auszugestalten. Durch die Harmonisierung sollen gerade Unterschiede vermieden werden. Wenn die nationalen Gesetzgeber jedoch in der Lage sind, selbst zu entscheiden, welche Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werden, wird insoweit keine Rechtsangleichung erreicht. Fraglich ist jedoch, ob aus diesen Gründen die EuGHRechtsprechung zu kritisieren ist oder ob vielmehr die 6. EG-Richtlinie diesen Weg vorgibt. Würde man "Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt" im Sinne der Europäischen Kommission in der Rechtssache "K/Frankreich" derart auslegen, dass nur solche Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" ausgeübt werden, die zu den kennzeichnenden, keinesfalls auf private Einrichtungen übertragbaren Aufgaben der öffentli-

87 Abgedruckt bei Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, Art. 4 6. EG-RL. 88 Siehe oben, S. 295 ff.

307

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

chen Gewalt gehören 89 , so würde Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie weitgehend leer laufen: Wie könnte es bei Tätigkeiten, die (rechtlich) nur von öffentlichen Einrichtungen ausgeübt werden können und keinesfalls auf private Einrichtungen übertragbar sind, zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" (im Vergleich zu Privatunternehmen) kommen? Diese Überlegung zeigt, dass eine derart enge Auslegung nicht zutreffend ist. Darüber hinaus zeigt der EuGH zutreffend auf, dass es für die Frage, ob eine Tätigkeit "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" ausgeübt wird, auch nicht auf den Inhalt der Tätigkeit ankommen kann. Der Inhalt der Tätigkeit ist für die Frage relevant, ob Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 oder Art. 13 der 6. EGRichtlinie einschlägig ist. 90 Vielmehr sprechen Art. 4 Abs. 5 Unterabsätze 2 und 3 der 6. EG-Richtlinie für die Auffassung des EuGH: Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten selbst bestimmen, was unter "öffentlicher Gewalt" zu verstehen ist. Die Unterabsätze 2 und 3 setzen dieser Freiheit in zwei Richtungen Grenzen: Wenn die Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" führen würde, und hinsichtlich bestimmter in Anhang D der 6. EGRichtlinie aufgeführter (nicht unbedeutender) Tätigkeiten gelten die Einrichtungen als Steuerpflichtige. Man kann also davon ausgehen, dass die Harmonisierung der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand von der 6. EG-Richtlinie nur teilweise erreicht wurde. Eine Harmonisierung liegt nur insoweit vor, als Einrichtungen des öffentlichen Rechts entweder Tätigkeiten ausüben, die zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" führen würden oder nicht unbedeutende Tätigkeiten i.S. des Anhangs D der 6. EGRichtlinie ausüben. Folglich ist die Auslegung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie durch EuGH zutreffend. Bei den Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" handelt es sich um solche Tätigkeiten, die die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben; ausgenommen sind Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Dass es den Mitgliedstaaten nach dieser Rechtsprechung obliegt zu klären, was unter der Ausübung öffentlicher Gewalt zu verstehen ist, liegt nicht an einer unzutreffenden Rechtsprechung sondern vielmehr an der Vorschrift des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie. Hintergrund dieser Formulierung dürfte die 89 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-276/97 (K/Frankreich), EuGHE 2000, 1-6251 (6288, Rdnr. 26); siehe oben, S. 287. Ähnlich sieht dies Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, s. 295. 90 Kritisch zu dieser Argumentation: Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 282.

308

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

Tatsache sein, dass in den Mitgliedstaaten das Verständnis von öffentlicher Gewalt zu unterschiedlich ist, um eine einheitliche gemeinschaftsrechtliche Definition zuzulassen. 91 Demzufolge ist auch der Auffassung des EuGH zuzustimmen, dass es ein brauchbares Abgrenzungskriterium ist, wenn der nationale Gesetzgeber bestimmte Tätigkeiten der öffentlichen Hand als "Verwaltungsaufgaben" einordnet. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass bestimmte Tätigkeiten auf Grund einer Regelung des öffentlichen Rechts ausgeübt werden. Auch spricht die Tatsache, dass die Tätigkeit der Einrichtungen das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst, für eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Schließlich ist dem EuGH Recht zu geben, dass es den Mitgliedstaaten überlassen ist, die geeignete Rechtssetzungstechnik zu wählen, um Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Dies folgt aus Art. 249 Abs. 3 EG, nach dem es Sache jedes Mitgliedsstaats ist, die Form und die Mittel zu wählen, die zur Erreichung des Ergebnisses geeignet sind.

b)

Größere Wettbewerbsverzerrungen

Zu Recht führt der EuGH aus, die Formulierung "solche Tätigkeiten oder Leistungen" in Unterabsatz 2 entspreche den im Unterabsatz I genannten Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 enthält somit eine Unterausnahme zu Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EGRichtlinie: Die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die Leistungen erbringen oder Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, gelten dann als Steuerpflichtige, wenn eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Diese Vorschrift hat - wie der EuGH und die Literatur zutreffend herausstellen - den Zweck, die Steuerneutralität zu gewährleisten. Somit erfasst dieser Unterabsatz nach Auffassung der EuGH den Fall, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen Tätigkeiten ausübten, die - im Wettbewerb mit ihnen - auch von Privaten nach einer privatrechtliehen Regelung oder 91 Die Auffassung Langes [UR 2000, 1 (9)], der EuGH habe bewusst den Regelungsspielraum des jeweiligen nationalen Gesetzgebers bzw. die Gestaltungsmöglichkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts respektieren wollen, ist mE. nicht überzeugend. Der EuGH legt vielmehr lediglich Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie aus. Die Vorschrift selbst ist so ausgestaltet, dass die einzelnen Mitgliedstaaten entscheiden können, was unter Ausübung öffentlicher Gewalt zu verstehen ist.

309

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

auch auf Grund von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen ausgeübt werden könnten. Die Ausführung des EuGH deuten somit darauf hin, dass er potentielle Wettbewerbsverzerrungen für ausreichend hält. Diese Frage ist in der Literatur umstritten. Für die Literaturansicht, dass es auf eine tatsächliche Wettbewerbslage ankommen soll, spricht, wie STADIE ausführt, der Wortlaut des Art 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie, der darauf abstellt, ob die Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. 92 Demgegenüber weist HUSCHENS zutreffend darauf hin, dass es für die Besteuerung der öffentlichen Hand keinen Unterschied machen darf, ob im konkreten Fall die öffentliche Einrichtung mit einem privaten Allbieter konkurriert (Steuerbarkeit) oder ob kein privater Konkurrent zu dem öffentlichen Allbieter existiert (keine Steuerbarkeit). Gleichartige Leistungen müssen nach dem Prinzip der Werteneutralität der Umsatzsteuer gleich behandelt werden. 93 Es kann für das Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsverzerrung nur darauf ankommen, ob Wettbewerb zwischen einer Einrichtung des öffentlichen Rechts und einem privaten Unternehmer abstrakt möglich ist. Dabei genügt es jedoch nicht dass die öffentliche Aufgabe in tatsächlicher Hinsicht ebenso von einem privaten Unternehmer ausgeführt werden könnte, da kaum eine Aufgabe vorstellbar ist, die hypothetisch nicht auch von einem privaten Unternehmer erledigt werden kann, so dass bei dieser Betrachtungsweise buchstäblich immer eine Wettbewerbssituation gegeben wäre. Eine Wettbewerbsverzerrung läge regelmäßig vor, und Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie liefe praktisch ins Leere. Von einer Wettbewerbssituation ist denmach aber dann auszugehen, wenn die Aufgabe der öffentlichen Hand rechtlich, d.h. im Rahmen eigens dafür geltender Regelungen, auch von einem privaten Unternehmer wahrgenommen werden darf. 94 Folglich ist dem EuGH in dieser Frage zuzustimmen. Kritisch ist jedoch zur EuGH-Rechtsprechung anzumerken, dass der EuGH keinerlei Anhaltspunkte gibt, was unter "größeren Wettbewerbsverzerrungen" zu verstehen ist. STADrES Ansicht, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie könne nur im Hinblick auf Art. 93 EG interpretiert werden, so dass größere Wettbe-

92 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 807; ähnlich Forster, UR 1996, 73 (82). 93 Vgl. Huschens, UR 2000,525 (526). 94 So auch Huschens, UR 2000, 525 (526).

310

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie werbsverzerrungen nur dann gegeben sein könnten, wenn dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes gefährdet werden könnte95 , ist zu eng. Zutreffend legt LANGE dar, dass der Zweck des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie die Sicherung der Steuerneutralität ist. Entsprechend diesem Zweck kann eine Verletzung dieses Prinzips durch eine konkrete und spürbare Beeinträchtigung privater Wirtschaftsteilnehmer im Bereich des Sitzes oder des Wirkungsbereichs des Trägers öffentlicher Gewalt - etwa einer Gemeinde - nicht mit dem Hinweis darauf verneint werden, dadurch werde aber nicht das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt. 96 Vielmehr ist der Auffassung beizupflichten, der Wettbewerbsbegriff sei als unbestimmter Rechtsbegriff anband der allgemeinen Grundsätze und Ziele des EG-Vertrages auszulegen. Zur Klärung des Begriffs des Wettbewerbs sollte auf die vom (europäischen) Kartellrecht entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Da der Begriff der "Wettbewerbsverzerrungen" jedoch ein autonom europarechtlich auszulegender Terminus ist, verbietet sich einen Rückgriff auf§ 65 Nr. 3 AO. LANGE ist zuzustimmen, dass eine ,,größere Wettbewerbsverzerrung" - auch wenn das Wort "größere", wie SIEGEL ausfUhrt, "wegen seiner Unbestimmtheit unpraktikabel ist" 97 - ein höheres Maß an Auswirkungen auf den Wettbewerb erfordert als etwa eine bloße "Wettbewerbsbeeinträchtigung". Als quantitative Untergrenze kann man die fiir Kleinunternehmer nach Art. 24 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie geltende Grenze von 5.000 € (entspricht 5.000 ECU98 ) EU-einheitlich99 ansetzen. Wenn dem Kleinunternehmer in dieser Höhe eine (persönliche) Steuerbefreiung gewährt werden kann- und dies nicht gegen den Grundsatz der Steuerneutralität verstößt -, darf Entsprechendes ebenfalls im Rahmen von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie gelten. 100 Demzufolge kann man annehmen, dass es nur dann zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen kann, wenn der Jahresumsatz der Einrichtung des öffentlichen Rechts 5.000 € überschreitet.

Vgl. Stadie, UR 1997,262 (263). Vgl. Lange, UR 1999,385 (387). Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 294. Nach Art. 2 Abs. I Satz I der Verordnung Nr. II 03/97 des Rates vom 17.6.1997 (ABI. EG 1997, L 162) wird jede Bezugnahme in einem Rechtsinstrument auf die ECU durch eine Bezugnahme auf den EURO zum Kurs von I EURO fiir I ECU ersetzt. 99 Dann greift auch nicht der Einwand Siegels (Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 294) durch, die Festlegung von Umsatzgrenzen widerspreche dem Harmonisierungsziel. 100 So auch Lange, UR 1999,385 (390); Wagner, UR 1993,301 (304); Sorgenfrei, DStR 95 96 97 98

1993, 1893 (1899).

311

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Ebenso wie bei Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist es - wie der EuGH zu Recht herausstellt - nicht erforderlich, dass die Mitgliedstaaten die Vorschrift des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie wörtlich in ihr nationales Recht übernehmen oder quantitative Grenzen festlegen. Dies folgt aus Art. 249 Abs. 3 EG. Der Mitgliedstaat ist jedoch gehalten, eine Umsetzung zu wählen, die mit seiner Verfassung im Einklang steht.

c)

Ausübung von Tätigkeiten i.S. des Anhangs D der 6. EGRichtlinie

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i. V.m. Anhang D der 6. EGRichtlinie wird von Rechtsprechung und Literatur zutreffend ausgelegt: Für den Fall, dass eine Tätigkeit i.S. des Anhangs D der 6. EG-Richtlinie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt wird, ist in Unterabsatz 3 eine Unterausnahme zu Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie zu sehen. Der Zweck der Regelung besteht darin, sicherzustellen, dass bestimmte Tätigkeiten, deren Bedeutung sich aus dem Gegenstand ergibt, nicht von der Mehrwertsteuer freigestellt werden, weil sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ausgeübt werden. Vielmehr sollen diese Tätigkeiten in allen Mitgliedstaaten gleich behandelt werden. Darüber hinaus ermächtigt Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie wie der EuGH zutreffend herausstellt - die Mitgliedstaaten, die in Anhang D der 6. EG-Richtlinie genannten Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer freizustellen, sofern der Umfang der Tätigkeit unbedeutend ist. Die Mitgliedstaaten sind jedoch nicht verpflichtet, diese Freistellung umzusetzen. Insofern besteht auch keine Verpflichtung, eine untere Besteuerungsgrenze festzusetzen. Wenn eine Einrichtung des öffentlichen Rechts somit eine Tätigkeit i.S. des Anhangs D der 6. EG-Richtlinie in unbedeutendem Umfang ausübt, so ist diese Tätigkeit dann befreit, falls das nationale Recht von der Befugnis Gebrauch gemacht hat.

d)

Steuerbefreite Tätigkeiten als Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt

Nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach Art. 13 oder 28 der 6. EG-Richtlinie von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.

312

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

Fraglich ist, wie diese Vorschrift, die von WEiß' 101 mit einer gewissen Berechtigung kritisiert wird, auszulegen ist. In diesem Zusammenhang ergeben sich vier Probleme:

Zunächst wird in der Rechtssache "Marktgemeinde Weiden" die Frage aufgeworfen, ob zu den steuerbefreiten Tätigkeiten i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie auch solche Tätigkeiten gehören, bei denen der Steuerpflichtige entsprechend Art. 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie zur Steuerpflicht optieren kann. Der EuGH geht auf diese Frage nicht ein. Offensichtlich nimmt er an, dass die Optionsmöglichkeit in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt. 102 STADIE ist der Auffassung, der EuGH sei zu Recht nicht auf diese Frage eingegangen. Auch er geht davon aus, dass die Optionsmöglichkeit für Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6.EG-Richtlinie unerheblich ist. Fraglich ist, ob diese Ansicht zutreffend ist. Hier überzeugt die Argumentation von Generalanwalt LA PERGOLA: Er führt aus, der Umstand, dass der Betroffene bei einigen der nach Art. 13 der 6. EG-Richtlinie von der Steuer befreiten Tätigkeiten für deren Besteuerung optieren könne, sei völlig unerheblich. Eine solche Möglichkeit beruhe nämlich auf der Voraussetzung, das der Betroffene "Steuerpflichtiger" i.S. der 6. EG-Richtlinie sei und sich somit auf die betreffende Bestimmung berufen könne. Wenn der Wirtschaftsteilnehmer jedoch nicht zu den Steuerpflichtigen gehöre, könne von der Möglichkeit, für die Besteuerung zu optieren, keine Rede sein. 103 Folglich ist die genannte Auffassung zutreffend. Es ist unerheblich, ob der Handelnde zur Steuerpflicht optieren kann. Eine solche Option kommt nur in Betracht, wenn der Handelnde "Steuerpflichtiger" ist. Dies wird jedoch durch Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie gerade ausgeschlossen. Folglich ist der Umstand, dass in einzelnen Fällen für die Steuerpflicht optiert werden kann, für Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie ohne Belang: Auch diejenigen Tätigkeiten, für deren Steuerpflicht optiert werden kann, können als Tätigkeiten behandelt werden, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Weiter wird in der gleichen Rechtssache die Frage gestellt, ob die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie auch Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige behandeln können, die

101 Vgl. Weiß, UR 1997,347 (348); siehe oben, S. 312. 102 In diese Richtung argumentiert jedenfalls der Generalanwalt in der Rechtssache "Marktgemeinde Weiden"; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola vom 24.10.1996, EuGHE 1997, I-781 (783, FN 3). 103 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola vom 24.10.1996, EuGHE 1997, I-781 (783, FN 3).

313

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

nach Art. 13 der 6. EG-Richtlinie befreite Tätigkeiten in gleicher Weise ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Hier überzeugt die Argumentation des EuGH: Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie unterscheidet nicht zwischen Tätigkeiten, die öffentliche Einrichtungen innerhalb der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen ausüben und solchen, die sie in gleicher Weise ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Folglich können die Mitgliedstaaten die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach Art. 13 der 6. EG-Richtlinie von der Steuer befreite Tätigkeiten ausüben, auch dann als Nichtsteuerpflichtige behandeln, wenn sie diese in gleicher Weise ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. 104 Würde Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie nur die steuerbefreiten Tätigkeiten erfassen, die von den Einrichtungen des öffentlichen Rechts innerhalb der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen ausgeübt werden, so wäre die Vorschrift überflüssig, da die im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübten Tätigkeiten bereits unter Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie fallen würden. In diesem Fall wäre es nicht erforderlich, auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie zurückzugreifen. 105 In der Rechtssache ,,Fazenda Publica" fragt das vorlegende Gericht, ob es für die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie relevant ist, dass bestimmte Tätigkeiten von der Steuerbefreiung des Art. 13 der 6. EG-Richtlinie ausgenommen werden. Hier führt der EuGH zutreffend aus, dass solche Tätigkeiten nicht gern. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EGRichtlinie als Tätigkeiten behandelt werden können, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. 106 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EGRichtlinie: Nur solche Tätigkeiten können als im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt behandelt werden, die nach Art. 13 oder 28 der 6. EGRichtlinie "von der Steuer befreit sind". Tätigkeiten, die ausdrücklich von der Steuerbefreiung ausgenommen sind, sind nicht "von der Steuer befreit" und fallen somit nicht unter Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie. Dies beeinflusst jedoch nicht die Auslegung des Unterabsatzes 1: Wenn eine Tätigkeit nach den o.a. Grundsätzen von einer öffentlichen Einrichtung im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt wird, so ist Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie einschlägig. Wie der EuGH zutreffend erläutert, 104 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997- Rs. C-247/95 (Marktgemeinde Weiden), EuGHE 1997, 1-779 (792, Rdnr. 20). 105 So auch Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola vom 24.10.1996, EuGHE 1997, 1-781 (783). 106 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000- Rs. C-446/98 (Fazenda Pllblica), EuGHE 2000, 111435 (11476 f., Rdnr. 42 ff.).

314

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

bezweckt Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie nicht eine Beschränkung der Befreiung nach Unterabsatz 1. Vielmehr ermöglicht diese Vorschrift den Mitgliedstaaten die Befreiung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie auf weitere (nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübte) Tätigkeiten zu erstrecken. Dies macht der Wortlaut des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie deutlich: Die Mitgliedstaaten können befreite Tätigkeiten als Tätigkeiten behandeln, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Wenn die Tätigkeiten bereits im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werden, bedarf es der Anwendung des Unterabsatzes 4 nicht. Im Gegenzug kann Unterabsatz 4 auch nicht Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie einschränken. Somit ist die EuGH-Rechtsprechung auch in dieser Frage zutreffend. Schließlich wird im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EGRichtlinie die Frage kontrovers diskutiert, ob Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie auch auf Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts Anwendung finden kann, die von der Steuer befreit sind und lediglich von den Mitgliedstaaten als Tätigkeiten behandelt werden, die den Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Der EuGH bejaht diese Frage und prüft im Anschluss an Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EGRichtlinie, ob die Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger zu "größeren Wettbewerbsverzenungen" führt. Diese Vorgehensweise wird von WAGNER gebilligt, während STADIE die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie kritisiert. Welche Auffassung ist also zutreffend? Für eine grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie spricht das System des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie: Die Mitgliedstaaten können steuerbefreite Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Tätigkeiten behandeln, die diesen Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Wenn diese Tätigkeiten nun als Tätigkeiten behandelt werden, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, so gelten die Einrichtungen gern. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie insoweit nicht als Steuerpflichtige. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 steht jedoch unter dem Wettbewerbsvorbehalt des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie: Die Einrichtungen gelten für diese Tätigkeiten als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" führen würde. Folglich ist davon auszugehen, dass nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 auch Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu prüfen ist. Insofern ist dem EuGH und WAGNER zuzustimmen.

315

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Dennoch ist auch die Auffassung STADIES plausibel: Wenn die 6. EGRichtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, Steuerpflichtige bezüglich gewisser Tätigkeiten zur Steuerpflicht optieren zu lassen, so kommt es zu Wettbewerbsnachteilen für Konkurrenten in Nachbarstaaten, die die Optionsmöglichkeit nicht eiuräumen. Da Art. 13 Teil C jedoch keine Einschränkung enthält, dass bei größeren Wettbewerbsverzerrungen ein nationaler Alleingang bei der Einführung der Option unzulässig ist, ist erst recht davon auszugehen, dass auch im Fall des Wettbewerbs auf rein nationaler Ebene nach der Wertung der 6. EG-Richtlinie keine größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie vorliegen können. 107 Dies spricht sicherlich dafür, dass hinsichtlich der Tätigkeiten des Art. 13 der 6. EG-Richtlinie, für deren Besteuerung optiert werden kann, regelmäßig keine "größeren Wettbewerbsverzerrungen" vorliegen. Für die übrigen Tätigkeiten des Art. 13 der 6. EG-Richtlinie kann dies jedoch kein Argument gegen die Prüfung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie sein. Daher ist davon auszugehen, dass Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie auch im Anschluss an Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie zu prüfen ist. Jedoch wird es bei steuerbefreiten Tätigkeiten, für deren Steuerpflicht nach Art. 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie optiert werden kann, regelmäßig nicht zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" kommen. Unabhängig davon, ob die Einrichtung des öffentlichen Rechts eine Tätigkeit ausübt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt, oder ob sie eine steuerbefreite Tätigkeit ausübt, die gern. Unterabsatz 4 als Tätigkeit behandelt wird, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt, gilt der Wettbewerbsvorbehalt des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie. Die EuGH-Rechtsprechung ist somit auch in diesem Punkt zutreffend.

e)

Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 5 der 6.EGRichtlinie?

Schließlich stellt sich die Frage, ob sich Eiurichtungen des öffentlichen Rechts auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie berufen können. Zur Klärung dieser Frage sind die Gnmdsätze zur unmittelbaren Anwendung von EG-Richtlinien darzustellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, die auch die Zustimmung des Schrifttums findee 08 , können sich die Einzelnen in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaß107 Vgl. Stadie, UR 1997,262 (263). 108 Vgl. Herdegen, Europarecht, 2002, Rdnr. 183; Oppermann, Europarecht, 1999, Rdnr. 466; Bleckmann, Europarecht, 1997, Rdnr. 431 ff.; Bleckmann, RIW 1984,774.

316

Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

nahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen innerstaatlichen nicht richtlinienkonformen Vorschriften berufen. Einzelne können sich auch auf diese Bestimmungen berufen, soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können. 109 Dies gilt nicht nur, wenn die Bestimmung einer Richtlinie bei Ablauf der für ihre Durchführung gesetzten Frist nicht durchgeführt worden ist, sondern auch in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. 110 Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist - für sich betrachtet - unbedingt und hinreichend genau: Soweit Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden, gelten sie nicht als Steuerpflichtige. Etwas anderes könnte sich jedoch aus den Ausnahmen zu Unterabsatz 1 ergeben. Es stellt sich die Frage, ob Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie auf Grund der in den Unterabsätzen 2 und 3 festgelegten Ausnahmen "bedingt" ist. Hier kann man jedoch davon ausgehen, dass Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie jedenfalls insoweit unbedingt ist, als bestimmte Tätigkeiten, die von dieser Vorschrift erfasst werden, in keinem Fall in den Anwendungsbereich der Ausnahmen fallen können. Dies ist der Fall bei einer Tätigkeit, die gleichzeitig in keinem Fall zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann, da sie durch Gesetz ausschließlich den Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorbehalten ist und die nicht in der Liste der Tätigkeiten in Anhang D der 6. EG-Richtlinie aufgeführt ist. 111 Wenn eine Einrichtung des öffentlichen Rechts eine solche Tätigkeit ausübt, gilt sie für diese Tätigkeit als Nichtsteuerpflichtiger. In diesem Fall ist die Vorschrift des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie unbedingt und hinreichend bestimmt. Dies spricht für die vom EuGH vertretene Auffassung, Einrichtungen des öffentlichen Rechts könnten sich auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie berufen. Fraglich ist jedoch, ob die Auffassung STADIES zutreffend ist. Er führt aus, das vom EuGH postulierte Berufungsrecht stehe im Widerspruch zur - m.E. zutreffenden - Interpretation des Unterabsatzes 1 durch den EuGH. Der Gerichtshof überlasse es den Mitgliedstaaten zu entscheiden, wann Tätigkeiten steuerfrei seien, indem sie festlegten, ob die Einrichtungen ihre Leistungen nach den Regeln des privaten oder des öffentlichen Rechts erbringen. Wenn 109 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.1.1982- Rs. 8/81 (Becker), EuGHE 1982, 53 (71, Rdnr. 25); Urt. v. 26.2.1986- Rs. 152/84 (Marshall), EuGHE 1986, 723 (748, Rdnr. 46). 110 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.2.1986- Rs. 152/84 (Marshall), EuGHE 1986,723 (748, Rdnr. 46). 111 So auch Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 15.3.1989, EuGHE 1989, 3251 (3253 f.).

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

die Mitgliedstaaten festlegen könnten, dass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts nach den Regeln des Privatrechts tätig werde und damit stets der Besteuerung unterliege, so müssten sie auch bestimmen können, dass die Einrichtung des öffentlichen Rechts zwar nach den Regeln des öffentlichen Rechts tätig werde, aber gleichwohl besteuert werden solle. 112 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zunächst einmal sind die Mitgliedstaaten nicht gänzlich frei in der Entscheidung, ob die Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts der Steuer unterfallen oder nicht. Dieser EntScheidungsspielraum ist jedenfalls in zwei Richtungen eingeschränkt. 113 Der Grund für diese unzureichende Harmonisierung liegt in dem unterschiedlichen Verständnis der Mitgliedstaaten von dem Begriff der "öffentlichen Gewalt". Wenn nun als quasi "kleinster gemeinsamer Nenner" von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie vorgegeben wird, dass unter Ausübung im Rahmen der öffentlichen Gewalt diejenigen Tätigkeiten zu verstehen sind, die von den öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der eigens für sie geltenden Regeln ausgeübt werden, so kann daraus gerade nicht gefolgert werden, dass die Regelungen der Mitgliedstaaten für die Einordnung als Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt völlig irrelevant ist. Vielmehr ist der Mitgliedstaat, der festlegt, dass bestimmte Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt erbracht werden, an diese Festlegung auch den Einrichtungen des öffentlichen Rechts gegenüber gebunden. Daher ist die Auffassung STADIES abzulehnen. Folglich ist die EuGH-Rechtsprechung zur unmittelbaren Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. I der 6. EG-Richtlinie zutreffend: Eine Einrichtung des öffentlichen Rechts kann sich vor den nationalen Gerichten auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. l der 6. EG-Richtlinie berufen, um sich der Anwendung einer nationalen Vorschrift zu widersetzen, nach der sie in Bezug auf eine Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, die nicht in Anhang D der 6. EGRichtlinie aufgeführt ist und deren Ausübung ausschließlich den Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorbehalten ist (deren Nichtbesteuerung also nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann). Damit stellt sich die weiter gehende Frage, ob sich Einrichtungen des öffentlichen Rechts auch auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie berufen können, ob also Einrichtungen des öffentlichen Recht, die Tätigkeiten im Rahmen der öffentliche Gewalt ausüben bzw. nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie so behandelt werden, geltend machen können, ihre Tätigkeit unterliege der Steuerpflicht, da die Nichtbesteuerung (und so 112 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 814. 113 Siehe oben, S. 306 ff.

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Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie

die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug) zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Hinsichtlich dieses Problems könnte man zunächst einmal die Frage aufwerfen, ob Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ,,himeichend bestimmt" ist. Unabhängig von dieser Frage ist jedoch das von der hL vorgebrachte Argument durchschlagend: Der Sinn von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist es nicht, der öffentlichen Hand den Weg in eine wirtschaftliche Betätigung durch Verschaffung des Vorsteuerabzugs zu ebnen. Vielmehr liegt der Sinn dieser Vorschrift darin, die Privatwirtschaft vor der Konkurrenz einer unbesteuerten öffentlichen Hand zu schützen. Die Bestimmung dient somit dem Schutz privater Wirtschaftsteilnehmer gegenüber Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Ein Berufungsrecht der Eimichtungen des öffentlichen Rechts ist mithin abzulehnen. Somit ist die EuGH-Rechtsprechung in diesem Punkt unzutreffend: Einrichtungen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie berufen. Eine unmittelbare Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist folglich abzulehnen.

4.

Zusammenfassung

1.

Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 ist eine Ausnahmevorschrift zu Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie und als solche eng auszulegen. Für die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie müssen zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: Die Tätigkeit muss (1) durch eine öffentliche Einrichtung (2) im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werden.

2.

Der Begriff ,,Eimichtung des öffentlichen Rechts" ist weit auszulegen und umfasst die juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

3.

Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" sind solche Tätigkeiten, die die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben; ausgenommen sind Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Wenn der nationale Gesetzgeber bestimmte Tätigkeiten der öffentlichen Hand als "Verwaltungsaufgaben" bezeichnet, kann dies ein Indiz dafür sein, dass bestimmte Tätigkeiten auf Grund einer Regelung des öffentlichen Rechts ausgeübt werden. Auch spricht die Tatsache, dass die Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst, für eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Es 319

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

ist den Mitgliedstaaten überlassen, die geeignete Rechtsetzungstechnik zu wählen, um Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EGRichtlinie in nationales Recht umzusetzen. 4.

Zweck des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist die Gewährleistung der Steuerneutralität Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeiten der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn diese Tätigkeiten - im Wettbewerb mit ihnen - rechtlich auch von privaten Unternehmern ausgeübt werden können und ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Dabei ist die Frage der Wettbewerbsverzerrungen rein sachlich anband der vom europäischen Kartellrecht entwickelten Kriterien zu bestimmen. Eine "größere Wettbewerbsverzerrung" erfordert ein höheres Maß an Auswirkungen auf den Wettbewerb als eine bloße "Wettbewerbsbeeinträchtigung". Als quantitative Untergrenze kann man parallel zur Regelung des Art. 24 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie eine Grenze von 5.000 € ansetzen: Es kann nur dann zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" kommen, wenn der Jahresumsatz der Einrichtung 5.000 € übersteigt. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die geeignete Rechtsetzungstechnik zu wählen, um Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EGRichtlinie in nationales Recht mnzusetzen. Der Mitgliedstaat ist jedoch gehalten, eine Umsetzung zu wählen, die mit seiner Verfassung im Einklang steht.

5.

Wenn Eiurichtungen des öffentlichen Rechts eine in Anhang D aufgeführte Tätigkeit ausüben oder einen dort aufgeführten Umsatz tätigen, ist eine unbedeutende Tätigkeit oder ein entsprechender Umsatz von der Mehrwertsteuer befreit, sofern das nationale Recht von der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Befugnis Gebrauch gemacht hat. Falls die in Anhang D aufgeführte Tätigkeit in nicht unbedeutendem Umfang ausgeübt wird bzw. der Mitgliedstaat nicht von der Befreiungsbefugnis Gebrauch gemacht hat, ist die Einrichtung des öffentlichen Rechts Steuerpflichtiger. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, das Kriterium des nicht bedeutenden Umfangs als Voraussetzung für die Besteuerung der in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten in ihr Steuerrecht zu übernehmen.

6.

Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten, die in Art. 13 und Art. 28 der 6. EG-Richtlinie aufgezählten steuerbefreiten Tätigkeiten bei Einrichtungen des öffentlichen

320

Die deutsche Umsetzung

Rechts als Tätigkeiten zu behandeln, die diesen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Für die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie ist es unerheblich, ob die Mitgliedstaaten für die Tätigkeit i.S. des Art. 13 der 6. EG-Richtlinie eine Besteuerungsoption vorsehen dürfen oder ob die Einrichtungen des öffentlichen Rechts die Tätigkeit in gleicher Weise ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Das Unterbleiben der Steuerbefreiung für bestimmte Tätigkeiten gern. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EGRichtlinie verhindert nicht, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die diese Tätigkeit ausüben, für sie nicht mehrwertsteuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen in den Unterabsätzen 1 und 2 des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie erfüllt sind. Falls die Tätigkeit so behandelt wird, als werde sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt, ist im Anschluss daran Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu prüfen. Hinsichtlich der steuerbefreiten Tätigkeiten, für die die Mitgliedstaaten ein Optionsrecht zur Besteuerung vorsehen dürfen, wird es regelmäßig nicht zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" kommen. 7.

B.

Eine Einrichtung des öffentlichen Rechts kann sich auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie berufen, um sich der Anwendung einer nationalen Vorschrift zu widersetzen, nach der sie für eine ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, die nicht in Anhang D aufgeführt ist und deren Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Ein Berufungsrecht auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist jedoch abzulehnen.

Die deutsche Umsetzung

Fraglich ist, ob die deutsche Regelung zur Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie ist. Dazu ist sind deutschen Vorschriften zunächst darzustellen und im Anschluss daran auszulegen.

I.

§ 2 Abs. 3 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG

§ 2 Abs. 3 UStG lautet:

"Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes) und ihrer land- oder forstwirtschaftliehen Betriebe gewerblich o321

Die deutsche Umsetzung

Rechts als Tätigkeiten zu behandeln, die diesen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Für die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie ist es unerheblich, ob die Mitgliedstaaten für die Tätigkeit i.S. des Art. 13 der 6. EG-Richtlinie eine Besteuerungsoption vorsehen dürfen oder ob die Einrichtungen des öffentlichen Rechts die Tätigkeit in gleicher Weise ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer. Das Unterbleiben der Steuerbefreiung für bestimmte Tätigkeiten gern. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EGRichtlinie verhindert nicht, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die diese Tätigkeit ausüben, für sie nicht mehrwertsteuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen in den Unterabsätzen 1 und 2 des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie erfüllt sind. Falls die Tätigkeit so behandelt wird, als werde sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt, ist im Anschluss daran Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu prüfen. Hinsichtlich der steuerbefreiten Tätigkeiten, für die die Mitgliedstaaten ein Optionsrecht zur Besteuerung vorsehen dürfen, wird es regelmäßig nicht zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" kommen. 7.

B.

Eine Einrichtung des öffentlichen Rechts kann sich auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie berufen, um sich der Anwendung einer nationalen Vorschrift zu widersetzen, nach der sie für eine ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, die nicht in Anhang D aufgeführt ist und deren Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Ein Berufungsrecht auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist jedoch abzulehnen.

Die deutsche Umsetzung

Fraglich ist, ob die deutsche Regelung zur Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie ist. Dazu ist sind deutschen Vorschriften zunächst darzustellen und im Anschluss daran auszulegen.

I.

§ 2 Abs. 3 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG

§ 2 Abs. 3 UStG lautet:

"Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes) und ihrer land- oder forstwirtschaftliehen Betriebe gewerblich o321

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

der beruflich tätig. Auch wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht gegeben sind, gelten als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes 1. (weggefallen)

2. die Tätigkeit der Notare im Landesdienst und der Ratschreiber im Land Baden-Württemberg, soweit Leistungen ausgeführt werden, für die nach der Bundesnotarordnung die Notare zuständig sind; 3. die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung; 4. die Leistungen der Vermessungs- und Katasterbehörden bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters mit Ausnahme der Amtshilfe; 5. die Tätigkeit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, soweit Aufgaben der Marktordnung, der Vorratshaltung und der Nahrungsmittelhilfe wahrgenommen werden." Nach § 1 Abs. 1 KStG sind unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig "die folgenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben: [ ... ]

6. Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts." § 4 KStG lautet: "(1) Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 sind vorbehaltlich des Absatzes 5 alle

Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich. (2) Ein Betrieb gewerblicher Art ist auch unbeschränkt steuerpflichtig, wenn er selbst eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. (3) Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen. (4) Als Betrieb gewerblicher Art gilt die Verpachtung eines solchen Betriebs. 322

Die deutsche Umsetzung

(5) Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe). Für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- oder Monopolrechte nicht aus."

II.

Auslegung

Um zu klären, ob § 2 Abs. 3 UStG i. V.m. den Regelungen des KStG eine zutreffende Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie ist, sind die Normen mit Hilfe der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten auszulegen.

1.

Verhältnis von § 2 Abs. 3 zu § 2 Abs. 1 UStG

Zunächst stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie das Verhältnis des § 2 Abs. 3 zu § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen ist. Soweit ersichtlich hat sich der BFH bislang noch nicht direkt zu dieser Fragestellung geäußert. Einer Ansicht im Schrifttum zufolge ist § 2 Abs. 3 UStG gegenüber § 2 Abs. 1 UStG lex specialis. Die Unternehmereigenschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts sei nicht nach § 2 Abs. 1 UStG sondern ausschließlich nach § 2 Abs. 3 UStG zu bestimmen. 114 Eine andere Meinung sieht in § 2 Abs. 3 UStG eine Einschränkung der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand. Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand werde nicht durch § 2 Abs. 3 UStG begründet, sondern sei grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 UStG zu bestimmen. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts schränke Absatz 3 lediglich die Vorschrift des § 2 Abs. 1 UStG ein. 115 Fraglich ist, welcher der Auffassungen zu folgen ist.

114 Vgl. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 77; Forster, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, 1997, S. 115; Forster, UR 1996, 73 (76); Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 66; Raudszus!Weimann, DStR 1995, 1373 (1374); Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz 1, Rdnr. 902. 115 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 780 f.; Frenz, DStZ 2000, 505 (506 f.); Lange, UR 2000, I (4 ff.); Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 40; Ramme, Betriebe gewerblicher Art und Ausübung öffentlicher Gewalt, 1970, s. 2.

323

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Für eine die Steuerpflicht begründende Funktion des § 2 Abs. 3 UStG könnte sprechen, dass mit der Bezugnahme auf den Betrieb gewerblicher Art i.S. des KStG ein eigenständiger Anknüpfungspunkt geschaffen wurde. 116 Dagegen spricht jedoch der Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG. Die Vorschrift bestimmt, dass die juristischen Personen des öffentlichen Rechts ,,nur" unter bestimmten Voraussetzungen "gewerblich oder beruflich" tätig sind. Daraus allein ergibt sich keine abgeschlossene Defmition des Begriffs des umsatzsteuerrechtlichen Unternehmers für diese Personen. Vielmehr nimmt § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG mit den Worten ,,nur" sowie "gewerblich oder beruflich" in einem einschränkenden Sinn Bezug auf§ 2 Abs. 1 UStG, wo diese Begriffe als Tatbestandsmerkmale der Unternehmereigenschaft verwendet werden. 117 Für diese Auslegung spricht ferner § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG. Danach gelten bestimmte einzeln aufgezählte Tätigkeiten "als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes", "auch wenn die Voraussetzungen des Satzes l nicht gegeben sind". Auch diese Bezugnahme auf§ 2 Abs. 1 UStG spricht dafür, dass in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG die gewerbliche und berufliche Tätigkeit für juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht abschließend, sondem im Verhältnis zu § 2 Abs. 1 UStG einschränkend definiert wird. 118 Daneben spricht der Zweck des § 2 Abs. 3 UStG für den einschränkenden Inhalt der Vorschrift. Dieser besteht in der Abgrenzung der untemehmerischen Tätigkeit der öffentlichen Hand von der nichtunternehmerischen (im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübten) Tätigkeit der öffentlichen Hand, wie sich aus der Entwicklung der Vorschrift ergibt 119 : Bereits das WUStG 1916 erfasste ausdrücklich auch Leistungen öffentlicher Körperschaften. Die Gewerbsmäßigkeit sollte insoweit also nicht entfallen. In der Begründung zum Regierungsentwurf zum UStG 1919 wurde darauf hingewiesen, dass man die öffentlichen Körperschaften nicht anders behandeln dürfe als andere Rechtssubjekte. Eine Befreiung sei nur bei Gemeinnützigkeit geboten. In der weiteren Entwicklung wurde die seit jeher vertretene Ansicht, dass die Ausübung hoheitlicher bzw. öffentlicher Gewalt nicht der Umsatzsteuer unterfallen sollte, in § 2 Abs. 3 UStG 1934 aufgenommen ("Die Ausübung der öffentlichen Gewalt ist keine gewerbliche oder berufli116 Dies fUhrt Frenz [DStZ 2000, 505 (506)] an, der sich jedoch flir die Gegenansicht entscheidet. 117 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (4); Frenz, DStZ 2000,505 (506 f.). 118 So auch Lange, UR 2000, 1 (6). 119 Siehe oben, S. 16 ff.

324

Die deutsche Umsetzung

ehe Tätigkeit."). Schließlich lässt sich dem Bericht des Finanzausschusses zu § 2 Abs. 3 UStG 1967 entnehmen, dass § 2 Abs. 3 UStG eine Abgrenzungsfunktion zukolll1llt: Danach war die Neuregelung mit der Bezugnahme auf den Begriff des Betriebs gewerblicher Art im KStG als "im Interesse einer besseren Trennung des Hoheitsbereichs vom unternehmerischen Bereich der Körperschaften des öffentlichen Rechts" 120 geboten. 121 Zuletzt lässt sich für die Auffassung, § 2 Abs. 3 sei eine Einschränkung zu § 2 Abs. 1 UStG, die dem § 2 UStG zu Grunde liegende Vorschrift des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie anführen: Wie oben ausgeführt ist in Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie eine Ausnahmevorschrift zu Art. 4 Abs. 1 der 6. EGRichtlinie zu sehen. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie nimmt Einrichtungen des öffentlichen Rechts hinsichtlich bestilll1llter Tätigkeiten von der Steuerpflicht aus. Diese Steuerpflicht bestimmt sich grundsätzlich nach Absatz 1. 122 Somit geht auch die 6. EG-Richtlinie von einem RegelAusnahme-Verhältnis aus. 123 Folglich ist in § 2 Abs. 3 UStG eine Einschränkung der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand zu sehen. Die Unternehmereigenschaft wird nicht durch § 2 Abs. 3 UStG begründet, sondern ist grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 UStG zu bestimmen. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts schränkt Absatz 3 die Vorschrift des § 2 Abs. 1 UStG ein.

2.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts

§ 2 Abs. 3 UStG bezieht sich auf "juristische Personen des öffentlichen Rechts". Dieser Begriff wurde durch das UStG 1980 eingeführt. In § 2 Abs. 3 UStG 1967 war von "Körperschaften des öffentlichen Rechts" die Rede. Eine Änderung der Rechtslage war mit dieser Änderung des § 2 Abs. 3 UStG jedoch nicht verbunden. 124

Ganz einhellig wird davon ausgegangen, dass § 2 Abs. 3 UStG nur dann anwendbar ist, wenn die Tätigkeit umnittelbar durch die juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeübt wird. Eine Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG auf sog. beliehene Unternehmer wird folglich abgelehnt. 125

120 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucks. 5/1581, S. 11 (zu § 2 Abs. 3). 121 Vgl. Frenz, DStZ 2000,505 (507); Lange, UR 2000, 1 (4 ff.). 122 Siehe oben, S. 306. 123 So auch Frenz, DStZ 2000, 505 (507). 124 Siehe oben, S. 19. 125 Vgl. BFH, Urt. v. 10.11.1977- V R 115174, BStBl. 1978 II, 80 (81); Urt. v. 25.3.1993 -V R 84/89, BFHINV 1994, 59 (60); Urt. v. 18.1.1995- XI R 71193, BStBI. 1995 II,

325

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Was unter "juristischen Personen des öffentlichen Rechts" zu verstehen ist, bestimmt sich nach allgemeinem Staats- und Verwaltungsrecht. 126 Dazu gehören insbesondere die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände 127), die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften128, die Innungen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie sonstige Gebilde, die auf Grund öffentlichen Rechts eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. 129 Fraglich ist, ob § 2 Abs. 3 UStG auch auf ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar ist. Nach hM ist die Vorschrift des § 2 Abs. 3 UStG auf ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts analog anzuwenden. 130 Die Regelung sei nicht direkt anwendbar, weil § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und damit nur auf unbeschränkt steuerpflichtige juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Geschäftsführung und Sitz im Inland verweiseY'

126 127 128 129

130

131

326

559 (561); Stadie, in: Rau/Dtirrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 795; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 237; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 145; Widmann, in: Pltickebaum/Malitzky, UStG, § 2 Abs. 3, Rdnr. 54; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 126; Forster, UR 1996, 73 (83); Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 145; Reiß, UR 1994, 388 (389); Forchhammer, UR 1991, 157 f. Vgl. Lange, UR 2000, 1 (3). Vgl. zu den Zweckverbänden: BFH, Urt. v. 8.1.1998- V R 32/97, BStBI. 1998 II, 410 (411 f.). Vertiefend: Schön, DStZ 1999, 701 ff. Vgl. Abschn. 23 Abs. I Sätze I und 2 UStR 2000; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 143; Widmann, in: Plückebaurn!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 3, Rdnr. 321; Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz 1, Rdnr. 957 ff.; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 250 ff.; Reiß, in: Reiß/Kraeuse!!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 135 f.; Sorgenfrei, DStR 1993, 1893 (1894); Wagner, DStJG 13 (1990), 59 (64 ff.). Vg1. Abschn. 23 Abs. 1 Satz 4 UStR 2000; Reiß, in: Reiß/Kraeuse!!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 138; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 255; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 68; Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz 1, Rdnr. 1045; Birkenfeld, OStHandbuch, I, Rdnr. 260; Birkenfeld, UR 1989, 1 (2). Vgl. Birkenfeld, in: Hartmann/Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz 1, Rdnr. 1045; Birkenfeld, OSt-Handbuch, I, Rdnr. 260; Reiß, in: Reiß/Kraeuse!!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 138.

Die deutsche Umsetzung

Nach einer anderen Auffassung werden von § 2 Abs. 3 UStG auch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts erfasst. 132 Die Gegenmeinung übersehe, dass § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts spreche, so dass es nicht zwingend sei, die im Eingangssatzteil erwähnte unbeschränkte Steuerpflicht miteinzubeziehen; dies gelte umso mehr, als die Ansässigkeit des Unternehmers kein Kriterium der inländischen Steuerbarkeit von Umsätzen sei (§ 1 Abs. 2 Satz 3 UStG). 133 M.E. ist die zweite Ansicht überzeugender: Wie oben erläutert ist die Ansässigkeit des Handelnden für die Unternehmereigenschaft nach dem UStG (ebenso wie nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie 134) unerheblich. Dies bringt § 1 Abs. 2 Satz 3 UStG zum Ausdruck. 135 Auch spricht § 2 Abs. 3 UStG lediglich von "juristischen Personen des öffentlichen Rechts" ohne auf den Sitz oder die Geschäftsleitung abzustellen. Die im Eingangssatzteil des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG erwähnte Ansässigkeit ist nur für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht von Belang: Nr. 6 spricht hingegen (ebenso wie § 4 KStG) nur von den Betrieben gewerblicher Art von "juristischen Personen des öffentlichen Rechts". Folglich ist davon auszugehen, dass § 2 Abs. 3 UStG auch auf ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar ist.

3.

Mangeblichkeit des Körperschaftsteuerrechts

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftliehen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Hinsichtlich des Begriffs der "Betriebe gewerblicher Art" verweist § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit das Körperschaftsteuerrecht maßgeblich für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand ist.

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, für die Frage, ob ein Betrieb gewerblicher Art vorliegt, seien die zu § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG von Rechtsprechung und Verwaltung für das Gebiet der Körperschaftsteuer entwickelten Grundsätze anzuwenden. 136 Die Verwaltung geht mithin von einer 132 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 835; Klenk, in: Sölch!Ring1eb, UStG, § 2, Rdnr. 236. 133 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 835. 134 Siehe oben, S. 47. 135 Siehe oben, S. 82. 136 Vgl. Abschn. 23 Abs. 4 UStR 2000.

327

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

bindenden Verweisung in§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf das Körperschaftsteuerrecht aus. Auch der BFH nimmt an, dass die Verweisung in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG bindend ist. Er verneint zwar die Übernahme der Umsatzgrenzen, die nach Auffassung der Verwaltung den Betrieb gewerblicher Art aus der sonstigen Tätigkeit der juristischen Personen des öffentlichen Rechts herausheben. 137 In seinem Vorlagebeschluss an den EuGH in der Rechtssache "Marktgemeinde Welden" 138 geht der BFH jedoch von der Maßgeblichkeil des Körperschaftsteuerrechts aus. So verneint er die Unternehmereigenschafteiner Gemeinde hinsichtlich der Verpachtung einer Gaststätte. Wegen der eindeutigen Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf die Regelung des § 4 KStG gelte die bloße Vermögensverwaltung nicht als Betrieb gewerblicher Art und sei somit keine unternehmefische Tätigkeit. 139 Auch die herrschende Auffassung im Schrifttum geht davon aus, dass der Verweis auf das KStG bindend ist. 140 Durch die unmissverständliche, keiner anderen Auslegung fähige Verweisung des § 2 Abs. 3 Satz 1 auf § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG ergebe sich für die subjektive Umsatzsteuerpflicht eine Abhängigkeit von der subjektiven Steuerpflicht nach dem KStG. 141 Demgegenüber vertritt LANGE die Auffassung, die Gesetzesverweisung auf § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG und damit die Anknüpfung an den Betrieb gewerblicher Art des Körperschaftsteuerrechts habe in diesem Zusammenhang nur indizielle, nicht bindende Wirkung. 142 Dies begründet er damit, eine "sklavische" Bindung an das Körperschaftsteuerrecht werde weder dem sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Zweck des § 2 Abs. 3 UStG (der Abgrenzung der hoheitlichen von der unternehmefischen Tätigkeit der öffentlichen Hand) noch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gerecht. 143 Fraglich ist, ob der Auffassung LANGES gefolgt werden kann. 137 Vgl. BFH, Urt. v. 11.1.1979 -V R 26n4, BStBl. 1979 II, 746 (748 f.); Urt. v. 25.10.1989- V R 111/85, BStBl. 1990 II, 868 (870 f.). 138 Siehe oben, S. 285. 139 Vgl. BFH, Beseht. v. 21.3.1995- XI R 33/94, BFHE 177, 534 (537). Hervorhebung nicht im Original. 140 Vgl. Reiß, in: Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 133; Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 847; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 146; Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 77; Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz 1, Rdnr. 1050; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 256; Birkenfeld, UR 1989, 1 f. 141 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 133. 142 Vgl. Lange, UR 2000, I (8). 143 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (8).

328

Die deutsche Umsetzung

Zutreffend stellt LANGE heraus, dass der Zweck des § 2 Abs. 3 UStG in der Abgrenzung der hoheitlieben Tätigkeit von der unternebmeriscben Tätigkeit der juristischen Personen des öffentlichen Rechts liegt. 144 Auch kann man die Frage aufwerfen, ob dieser Zweck durch eine bindende Verweisung des § 2 Abs. 3 UStG auf das Körperschaftsteuerrecht erreicht wird. Der Auffassung LANGES steht jedoch der Wille des Gesetzgebers entgegen: Nach dem schriftlichen Bericht des Finanzausschusses geschah die Neuregelung der Besteuerung der öffentlichen Hand in§ 2 Abs. 3 UStG 1967 im Interesse einer besseren Trennung des Hoheitsbereichs vom unternehmeriscben Bereich der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Anknüpfung an die nach den Begriffen des Körperschaftsteuerrechts abgrenzbaren Betriebe gewerblieber Art und land- oder forstwirtschaftliehen Betriebe sollte vor allem die Erfassung der abziehbaren Vorsteuern erleichtern. 145 Ob eine solche Erleichterung durch die Neuregelung eingetreten ist, ist sicherlich fraglich, jedoch in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Gesetzgeber bezweckte durch die Anknüpfung an das Körperschaftsteuerrecht die Trennung des Hoheitsbereichs vom unternehmerischen Bereich der öffentlichen Hand. Zur Zweckerreichung bedient sich der Gesetzgeber mitbin des Mittels der Anknüpfung an das Körperschaftsteuerrecht Folglich kann aus dem Zweck des § 2 Abs. 3 UStG nicht geschlossen werden, der Verweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG sei lediglich indiziell und nicht bindend. Darüber hinaus kann man die Frage stellen, ob eine bindende Gesetzesverweisung des § 2 Abs. 3 UStG auf § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG der Richtlinienvorgabe gerecht wird. Jedoch ist der Wortlaut des § 2 Abs. 3 UStG eindeutig: Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftliehen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Der Begriff des Betriebs gewerblicher Art richtet sich ausweislich des Klammerzusatzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG. Somit sind die Auslegungsgrundsätze des Körperschaftsteuerrechts zu § 4 KStG auch für den Betrieb gewerblicher Art des § 2 Abs. 3 UStG heranzuziehen. Es wäre nicht zulässig, den Begriff "Betrieb gewerblicher Art" zu ignorieren und § 2 Abs. 3 UStG gegen seinen eindeutigen Wortlaut nur i.S. des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Ricbtlinie auszulegen. Die Auffassung LANGES ist somit abzulehnen. Der Verweis in§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf das Körperschaftsteuerrecht bat folglich nicht indizielle sondern bindende Wirkung. 144 Siehe oben, S. 323 f. 145 Vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucks. 511581, S. 11 (zu§ 2 Abs. 3).

329

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

4.

"Betrieb gewerblicher Art"

Nachdem nun geklärt ist, dass die Gesetzesverweisung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf die Vorschriften des KStG bindend ist, stellt sich die weiter gehende Frage, wie der Begriff "Betrieb gewerblicher Art" i.S. der § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG auszulegen ist.

a)

Allgemeines

Nach der Definition des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG sind Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG vorbehaltlich des Absatzes 5 (Hoheitsbetriebe) alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind gern. Satz 2 nicht erforderlich. Wie dargelegt, handelt es sich bei § 2 Abs. 3 UStG um eine Einschränkung des § 2 Abs. 1 UStG. Somit sind die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 UStG vorrangig vor denen des§ 4 KStG zu prüfen. § 2 Abs. 1 UStG erfordert eine regelmäßig ausgeübte berufliche Tätigkeit oder eine dauernde Nutzungsüberlassung an Gegenständen 146 , also eine nachhaltige Tätigkeit. Somit ist es nicht erforderlich, dieses Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG gesondert zu prüfen. 147 Da jedoch nach der hier vertretenen Ansicht eine Einnahmenerzielungsabsicht für die beruflich ausgeübte Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht zwingend erforderlich (sondern nur typisch) ise 48 , ist dieses Erfordernis bei beruflich ausgeübten Tätigkeiten im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG eigens zu untersuchen. Diese Tatbestandsmerkmal ist jedoch weit auszulegen und erfordert kein umsatzsteuerliches Entgelt. Ohne umsatzsteuerliche Bedeutung ist § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG, da die dort als unbeachtlich genannten Merkmale (Gewinnerzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) schon nach dem allgemeinen Unternehmerbegriff nicht zwingend erforderlich sind. 149 Auch § 4 Abs. 146 Siehe oben, S. 186 f. 147 So auch Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 845. Auch Weich (Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 82) nimmt an, die "Nachha1tigkeit" des § 2 Abs. I UStG sei gleichbedeutend mit der "Nachhaltigkeit" des § 4 Abs. I KStG. 148 Siehe oben, S. 170 ff. 149 Siehe oben, S. 83, 182.

330

Die deutsche Umsetzung

2 KStG ist für die umsatzsteuerliche Würdigung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ohne Belang. 150 Somit ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 KStG zu klären, was unter einer "Einrichtung" zu verstehen ist, welche Tätigkeiten unter die Vorschrift fallen und wann sich die Eimichtung innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich heraushebt. Im Anschluss daran sind kurz die Versorgungsbetriebe (§ 4 Abs. 3 KStG) und die Verpachtungsbetriebe (§ 4 Abs. 4 KStG) zu behandeln, bevor eingehend auf die Hoheitsbetriebe des § 4 Abs. 5 KStG, der "Achillesferse der Definition des Betriebs gewerblicher Art" 151 , einzugehen ist.

b)

Einrichtung

Unklar ist, wie der Begriff "Einrichtung" i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG auszulegen ist. Eine eindeutige Umschreibung, welche Voraussetzung eine Einrichtung erfüllen muss, gibt es nicht. Insofern unterscheiden sich die in Verwaltung, Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen zur Bedeutung und zur Auslegung dieses Begriffs. Die Finanzverwaltung prüft die Eimichtung i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG als gesondertes Merkmal. Die Eimichtung könne sich aus einer besonderen Leitung, aus einem geschlossenen Geschäftskreis, aus der Buchführung oder aus einem ähnlichen, auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben. 152 Eine Eimichtung könne auch dann gegeben sein, wenn nicht organisatorische, sondern andere Merkmale vorlägen, die die wirtschaftliche Selbständigkeit verdeutlichten 153 oder, wenn der Jahresumsatz i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus der wirtschaftlichen Tätigkeit beträchtlich sei bzw. wegen des Umfangs der damit verbundenen Tätigkeit eine organisatorische Abgrenzung geboten erscheine. 154 Übersteige der Jahresumsatz den Betrag von 250.000 DM, so sei dies ein wichtiges Merkmal für die Selbständigkeit der ausgeübten Tätigkeit. 155

150 So Stadie (in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 845 f.), der auch die körperschaftsteuerliche Sinnhaftigkeit dieser Bestirnrnung anzweifelt. Ähnlich: Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 85; Streck, KStG, 1997, § 4,Anm 17. 151 Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 846. 152 Vgl. Abschn. 5 Abs. 4 Satz 1 KStR 1995. 153 Vgl. Abschn. 5 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995. 154 Vgl. Abschn. 5 Abs. 4 Satz 6 KStR 1995. 155 Vgl. Abschn. 5 Abs. 4 Satz 8 KStR 1995.

331

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Unklar sind die Aussagen der Rechtsprechung zum Begriff "Einrichtung". Bezugnehmend auf die Auffassung des RFH 156 nahm der BFH verschiedentlich an, dass unter "Betrieb gewerblicher Art" der Inbegriff fortdauernder wirtschaftlicher Verrichtungen zu verstehen ist, die unter einem einheitlichen Willen auf ein bestimmtes sachliches Ziel gerichtet sind, dadurch in sich wirtschaftlich zusammenhängen und eine funktionelle Einheit bilden, sich aber innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts als etwas besonderes herausheben. 157 Darauf aufbauend wurde entschieden, eine Einrichtung liege dann vor, wenn eine nachhaltige auf Einnahmenerzielung gerichtete Tätigkeit neben dem hoheitlichen Bereich entfaltet werde und sich von diesem als funktionelle Einheit mit wirtschaftlicher Selbständigkeit abhebe. 158 In einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 erwähnt der BFH den Begriff "Einrichtung" gar nicht mehr und stellt für den Betrieb gewerblicher Art nur auf die Tätigkeit ab. 159 Weiter ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH, dass ein Betrieb gewerblicher Art (und damit auch eine Einrichtung) nicht voraussetzt, dass die Tätigkeit im Rahmen einer im Verhältnis zur sonstigen Betätigung verselbständigteil Abteilung ausgeübt wird. Nicht erforderlich ist daher, dass die personellen und sachlichen Mittel vom Hoheitsbereich der juristischen Person des öffentlichen Rechts getrennt sind. Die wirtschaftlichen Tätigkeiten können auch vom Personal ausgeführt werden, das daneben auch hoheitlich tätig ist. Auch können die eingesetzten sachlichen Mittel beiden Tätigkeitsbereichen der juristischen Person des öffentlichen Rechts dienen. 160

156 Vgl. RFH. Urt. v. 22.10.1929- I Aa 644/29, RStBI. 1929, 666 (667). 157 Vgl. BFH, Urt. v. 13.3.1974- IR 7171, BStBI. 1974 II, 391 (394); Urt. v. 22.9.1976IR 102174. BStBI. 1976 II, 793 (794); Urt. v. 11.1.1979- V R 26/74, BStBI. 1979 II, 746 (748). 158 Vgl. BFH, Urt. v. 11.1.1979- V R 26/74, BStBI. 1979 Il, 746 (748). 159 Vgl. BFH, Urt. v. 14.4.1983- V R 3179, BStBI. 1983 II, 491 (493): "Ein solcher Betrieb gewerblicher Art ist jede nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit, welche der Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dient und sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts wirtschaftlich heraushebt." 160 Vgl. BFH, Urt. v. 13.3.1974- IR 7171, BStBI. 1974II, 391 (394); Urt. v. 11.1.1979V R 26/74, BStBI. 1979 II, 746 (748); Urt. v. 14.4.1983- V R 3179, BStBI. 1983 II, 491 (494). Unverständlich sind insofern die Aussagen des BFH im Urt. v. 30.11.1989 -IR 19/87, BStBI. 1990 II, 246 (247). Dort stellt der BFH für die Bejahung einer "Einrichtung" darauf ab, dass sie durch den Standort, die Art der Tätigkeit und die Organisation von den übrigen Tätigkeiten getrennt ist.

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Die deutsche Umsetzung

Insgesamt ist somit davon auszugehen, dass der BFH keine hohen Anforderungen an den Begriff "Einrichtung" stellt. Sofern er dieses Merkmal überhaupt prüft, versteht er darunter lediglich eine funktionelle Einheit personeller und sachlicher Mittel. Soweit sich das Schrifttum unabhängig von der Rechtsprechung äußert, vertritt es die Auffassung, jede nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen begründe eine ,,Einrichtung" i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG. 161 Da der Betrieb gewerblicher Art jedoch ohnehin eine nachhaltige Tätigkeit mit Einnahmenerzielungsabsicht erfordere, sei der Begriff der ,,Einrichtung" ohne rechtlichen Aussagewert Ihm sei letztlich keine gesonderte Bedeutung beizumessen. 162 Fraglich ist, welcher Auffassung zu folgen ist. Die Ansicht der Finanzverwaltung, eine Einrichtung könne dann vorliegen, wenn aus der wirtschaftlichen Tätigkeit ein beträchtlicher Jahresumsatz erreicht werde bzw. wegen des Umfangs eine organisatorische Abgrenzung geboten erscheine, ist abwegig. Ebenso sinnwidrig ist die Auffassung, ein Jahresumsatz von über 250.000 DM könne auf eine Einrichtung hindeuten. Es ist nicht einzusehen, was ein bestimmter Jahresumsatz mit der Frage zu tun hat, ob eine "Einrichtung" vorliegt. 163 Auch die Äußerungen der Finanzverwaltung, eine Einrichtung ergebe sich aus einer besonderen Leitung, aus einem geschlossenen Geschäftskreis, aus der Buchführung oder aus einem ähnlichen, auf eine Einheit hindeutenden Merkmal, ist so nicht haltbar. Die Aussagen des BFH, auf die die Verwaltung diese Auffassung stützt 164, beziehen sich nicht auf den Begriff der Einrichtung, sondern auf das wirtschaftliche Herausheben der Tätigkeit. Auch stellt das Gesetz nicht auf solche Merkmale ab, da es den Betrieb gewerblicher Art ausschließlich tätigkeitsbezogen beschreibt. Aus diesem Grund ist auch die weitere Aussage unzutreffend, eine Einrichtung könne auch dann gegeben sein, wenn nicht organisatorische, sondern andere Merkmale vorliegen, die die wirtschaftliche Selbständigkeit verdeutlichen. 165

161 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 849; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 147; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 245; Widmann, in: Plückebaurn!Malitzky, UStG, § 2 Abs. 3, Rdnr. 66. So auch BMFSchreiben v. 5.8.1975- IV Bn - S 2706- 35n5, BStBl. 1975 I, 934. 162 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 849. 163 So auch Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 852. 164 Vgl. BFH, Urt. v. 26.5.1977- V R 15n4, BStBl. 1977 II, 813 (814); Abschn. 4 Abs. 4 Satz 2 KStR 1995. 165 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 851, FN 7.

333

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Eine Einrichtung erfordert vielmehr lediglich, wie der BFH zutreffend ausführt, eine funktionelle Einheit personeller und sachlicher Mittel. Eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ausgeübte nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit setzt jedoch eine gewisse "funktionelle Einheit" bereits voraus 166 , so dass dem Begriff "Einrichtung" keine eigenständige Bedeutung zukommt. Auch der Vergleich mit § 14 AO, der hinsichtlich anderer Tatbestandsmerkmale zur Auslegung des § 4 KStG herangezogen wird 167 , deutet drauf hin, dem Begriff der "Einrichtung" keine gesonderte Bedeutung beizumessen. Der in dieser Vorschrift definierte "wirtschaftliche Geschäftsbetrieb" erfordert lediglich eine nachhaltige selbständige Tätigkeit. Eine selbständige Einrichtung wird hier nicht vorausgesetzt. 168 Folglich ist der im Schrifttum und teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung zuzustimmen: Der Begriff der Einrichtung ist ohne rechtlichen Aussagewert. Eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit ist stets eine "Einrichtung" i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG.

c)

Wirtschaftliche Tätigkeiten

Ein Betrieb gewerblicher Art ist somit nach richtiger Auslegung jede nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit, welche der Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dient und sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts wirtschaftlich heraushebt. 169 Was aber ist unter einer "wirtschaftlichen Tätigkeit" i.S. des § 4 KStG zu verstehen? Ist die wirtschaftliche Tätigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG deckungsgleich mit der Unternehmerischen Tätigkeit des UStG oder schränkt die körperschaftsteuerliche Vorschrift den Tatbestand des § 2 Abs. 1 UStG hinsichtlich der Tätigkeit ein?

aa)

Berufliche Tätigkeiten

Nach der Begründung zu§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG 1934 170 und der Rechtsprechung171 soll ein Betrieb gewerblicher Art vorliegen, wenn die Betätigung 166 So auch Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 852. 167 Vgl. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 83; siehe auch die Nachweise in FN 179. 168 So auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 852. 169 Ähnlich bereits BFH, Urt. v. 14.4.1983- V R 3/79, BStBI. 1983 II, 491 (493). 170 Vgl. Amtliche Begründung zu§ I KStG 1934, RStBI. 1935, 82. 171 Vgl. BFH, Urt. v. 22.9.1976- IR 102/74, BStBI. 1976 II, 793 (794); Urt. v. 11.1. 1979- V R 26/74, BStBI. 1979 II, 746 (748).

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Die deutsche Umsetzung

der öffentlichen Hand das äußere Bild eines Gewerbebetriebs bietet. 172 Dies legt die Frage nahe, ob auch (nicht gewerbliche) berufliche Tätigkeiten von § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG erfasst werden. Auch STADIE weist auf einen Widerspruch im Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG hin: Die Definition sei insofern problematisch, als die "gewerbliche Art" des Betriebs mit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit umschrieben werde. Von dieser Tätigkeit würden lediglich die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe ausgenommen. Wirtschaftliche Tätigkeiten seien jedoch nicht nur ihrer Art nach gewerbliche, sondern neben den ausdrücklich ausgeschlossenen land- und forstwirtschaftliehen auch noch weitere, ihrer Art nach - insbesondere den in § 18 EStG aufgezählten vergleichbare berufliche Tätigkeiten. 173 Trotz der Gesetzesbegründung bzw. des Widerspruchs in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG gehen Rechtsprechung und Literatur - soweit sie sich dazu äußern davon aus, dass auch (nicht gewerbliche) berufliche Tätigkeiten von § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG erfasst werden. 174 Diese Auffassung wird vor allem damit begründet, eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG dahin gehend, dass nur "gewerbliche" Tätigkeiten erfasst würden, verstoße gegen das Gebot der Wettbewerbsneutralität. 175 Demzufolge ist die "wirtschaftliche" Tätigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG inhaltsgleich mit der "gewerblichen oder beruflichen" Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG.

bb)

Vermögensverwaltung

Somit stellt sich die weiter gehende Frage, ob auch die Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG "wirtschaftlich" i.S. des KStG ist, ob also auch die Vermögensverwaltung unter § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG fiillt. Dies wird ganz einhellig abgelehnt. Die reine (nicht gewerbliche) 176 Vermögensverwaltung stelle keinen Betrieb gewerblicher Art dar und gehöre daher 172 Hervorhebung nicht im Original. 173 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 855. 174 Vgl. BFH, Urt. v. 30.6.1988- V R 79/84, BStBI. 1988 II, 910 (911); Urt. v. 30.11. 1989- I R 19/87, BStBI. 1990 II, 246 (24 7); Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 858; Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, s. 100. 175 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Fiick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 856 ff. 176 Sofern die Vermögensverwaltung gewerblich ausgeübt wird und somit unter § 2 Abs. I Satz I UStG bzw. unter Art. 4 Abs. 2 Satz I der 6. EG-Richtlinie fällt, ist die Tätigkeit als "wirtschaftlich" i.S. des § 4 KStG zu beurteilen. Ähnlich: Heidner, in Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 150; Birkenfeld, UR 1989, I (7).

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

nicht zum Unternehmensbereich der juristischen Person des öffentlichen Rechts. 177 Begründet wird dies überwiegend 178 damit, dass § 4 Abs. 1 KStG weitgehend deckungsgleich zu § 14 AO formuliert ist und dieser ausdrücklich die Vermögensverwaltung ausschließt. 179 Diese Auffassung wird durch einen Umkehrschluss aus § 4 Abs. 4 KStG bestätigt: Würde die Vermögensverwaltung unter § 4 Abs. 1 KStG fallen, so wäre § 4 Abs. 4 KStG, der die Vermietung eines Betriebs gewerblicher Art zu einem Betrieb gewerblicher Art erklärt, entbehrlich. Da die Verpachtung eines Betriebs aber gern. § 14 Abs. 3 AO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG Vermögensverwaltung ist, und als solche nicht unter § 4 Abs. 1 KStG fällt, ergibt § 4 Abs. 4 KStG einen Sinn: Für eine bestimmte vermögensverwaltende Tätigkeit wird der Betrieb gewerblicher Art fingiert. 180 Der Zweck dieser Fiktion besteht darin, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts die Körperschaftsteuerpflicht umgehen könnten, in dem sie den Betrieb gewerb-

177 Vgl. RFH, Urt. V. 28.10.1939- I 414/38, RStBI. 1940, 60 f.; Urt. V. 20.1.1942I 77/41, RStBI. 1942, 405; Urt. v. 14.10.1941- I 21141, RStBI. 1942, 609 (610); BFH, Urt. v. 13.3.1974- IR 7171, BStBI. 1974 II, 391 (394); Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 861; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. !50; Widmann, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 2 Abs. 3, Rdnr. 123; Birkenjeld, USt-Handbuch, I, Rdnr. 31 0; Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 238 ff.; Streck, KStG, 1997, § 4, Anm. 12; Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 107; Raudszus/Weimann, DStR 1995, 1373; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 262; Birkenjeld, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz I, Rdnr. 1132, 1160 ff.; Seer, DStR 1992, 1751 (1752 f.); Birkenjeld, UR 1989, I (7). Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Steuerfreistellung der vermögensverwaltenden Tätigkeit, vgl. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 240 ff. 178 Anders Bader (Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 107), der die Auffassung vertritt, die private Vermögensverwaltung falle wegen fehlender Wettbewerbsrelevanz nicht unter den Begriff der wi1tschaftlichen Tätigkeit i.S.v. § 4 Abs. I Satz I KStG. Dieser Ansicht widerspricht Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 247. 179 V gl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 861; Raudszus/Weimann, DStR 1995, 1373; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 262; Seer, DStR 1992, 1751 (1753). 180 So auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 861.

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Die deutsche Umsetzung

licher Art nicht selbst betreiben, sondern ihn an einen Dritten verpachten. 181 Diese Umgehungsmöglichkeit wird durch § 4 Abs. 4 KStG ausgeschlossen. Somit gehört die reine Vermögensverwaltung nicht zum unternehmefischen Bereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die Nutzungsüberlassung des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist keine wirtschaftliche Tätigkeit und kann keinen "Betrieb gewerblicher Art" begründen. Folglich unterfallen lediglich die von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG erfassten "gewerblichen oder beruflichen" Tätigkeiten, also die beruflich ausgeübten Tätigkeiten, der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG. Somit schränkt § 2 Abs. 3 UStG (i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) die Regelung des § 2 Abs. 1 UStG hinsichtlich der Tätigkeit ein.

cc)

Beteiligung an einer Personengesellschaft als unternehmerische Tätigkeit?

Nach körperschaftsteuerlicher Auslegung ist die Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an einer Mitunternehmerschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Personengesellschaft) ein "Betrieb gewerblicher Art", da das KStG mit § 4 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 KStG an die einkommensteuerliche Systematik anknüpft. 182 Fraglich ist, ob eine solche Mitunternehmerschaft (über § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG) auch die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts begründen kann. Ob die Beteiligung an einer Personengesellschaft eine unternehmensehe Betätigung ist, richtet sich nach § 2 Abs. 1 UStG. Da § 2 Abs. 3 UStG (i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) nach der hier vertretenen Auffassung eine Einschränkung zu § 2 Abs. 1 UStG ist 183 , kann § 4 KStG die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand gegenüber § 2 Abs. 1 UStG nicht erweitern. 184 Folglich ist die Frage, ob sich die juristische Person des öffentlichen Rechts durch die Beteiligung an einer Personengesellschaft unternehmefisch

181 Vgl. RFH, Urt. v. 23.8.1939- I 143/36, RFHE 47,220 (222 f.); Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenmacher, UStG, § 2Abs. 3 Satz 1, Rdnr. 1185. 182 Vgl. RFH, Urt. v. 8.11.1938- I 347/38, RStBL 1939, 301; BFH, Urt. v. 9.5.1984- IR 25/81, BStBL 1984 II, 726 (727); Abschn. 5 Abs. 2 Satz 7 KStR 1995; Stadie, in: Rau/Diirrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 876; Wagner, DStJG 13 (1990), 59 (72); Birkenfeld, UR 1989, I (7). 183 Siehe oben, S. 325. 184 Im Ergebnis ebenso: Wagner, DStJG 13 (1990), 59 (72). Anders Birkenfeld [UR 1989, I (7)], der jedoch der Auffassung ist,§ 2 Abs. 3 UStG sei gegenüber§ 2 Abs. 1 UStG 1ex specialis.

337

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

betätigt, an§ 2 Abs. 1 UStG zu messen. Falls nach dieser Vorschrift die Unternehmereigenschaft zu bejahen ist, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sich aus der Einschränkung des § 2 Abs. 3 UStG etwas anderes ergibt. Daher kann auch bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft, die nach autonom körperschaftsteuerlicher Auslegung einen Betrieb gewerblicher Art darstellt, eine unternehmefische Betätigung der öffentlichen Hand i.S. v. § 2 Absätze 1 und 3 UStG zu verneinen sein.

d)

Wirtschaftliches Herausheben innerhalb der Gesamtbetätigung

Weiterhin ist Voraussetzung des Betriebs gewerblicher Art, dass sich die Tätigkeit iunerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts wirtschaftlich heraushebt. Wie dieses "wirtschaftliche Herausheben" zu verstehen ist, darüber enthält das Gesetz keine Anhaltspunkte. Nach Ansicht der Finanzverwaltung muss die Tätigkeit von einigem Gewicht sein. Dabei sei in der Tatsache, dass der Jahresumsatz i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 60.000 DM nachhaltig übersteige, ein wichtiger Anhaltspunkt dafür zu sehen, dass die Tätigkeit wirtschaftlich bedeutend sei. In der Regel könne deshalb bei diesem Jahresumsatz davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit von einigem Gewicht sei. Werde ein nachhaltiger Umsatz von über 60.000 DM im Einzelfall nicht erreicht, so sei ein Betrieb gewerblicher Art nur dann anzunehmen, wenn hierfür besondere Gründe vorgetragen würden. Solche Gründe seien insbesondere gegeben, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihrer Tätigkeit zu anderen Unternehmern unmittelbar in Wettbewerb trete. 185 Dieneuere Rechtsprechung geht einhellig davon aus, dass das Anknüpfen an feste Umsatz- oder Gewinngrenzen weder mit dem Wortlaut noch mit dem Gesetzesziel zu vereinbaren ist. 186 Wie stattdessen das "wirtschaftliche Herausheben" zu bestimmen ist, wird von der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt. In einigen Entscheidungen wird herausgestellt, die Frage, ob sich eine Tätigkeit innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentli185 Vgl. Abschn. 5Abs. 5 Sätze 1-7 KStR 1995. 186 Vgl. BFH, Urt. v. 11.1.1979 - V R 26/74, BStBJ. 1979 II, 746 (748 f.); Urt. v. 2.3.1983 - IR 100179, BStBl. 1983 II, 386 (389); Urt. v. 25.10.1989 -V R 111185, BStBJ. 1990, 868 (870); FG Nürnberg, Urt. v. 24.1.1984- II 15/80, EFG 1984, 415; Urt. v. 24.1.1984 - II 45/80, EFG 1984, 416; FG Münster, Urt. v. 10.2.1988 - V 303/85 U, EFG 1988, 442; Niedersächsisches FG, Urt. v. 23.7.1998- V 333/91, EFG 2000, 455 (456); FG Düsse1dorf, Urt. v. 29.9.1999-5 K 1480/96 U, UVR 2000, 262.

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Die deutsche Umsetzung

chen Rechts wirtschaftlich heraushebe, könne nur unter Berücksichtigung sämtlicher - qualitativer und quantitativer - Umstände des Einzelfalls entschieden werden. 187 Für die (quantitative) Beurteilung des wirtschaftlichen Gewichts wird auf das Verhältnis der Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit zum betroffenen Bereich der Verwaltung abgestellt. 188 Dabei wurde von zwei Finanzgerichten entschieden, den Umsatzzahlen komme nur insoweit Bedeutung zu, als bei völlig unbedeutenden Umsätzen eine wirtschaftlich relevante Heraushebung aus der Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu verneinen sei. 189 Daneben wurde teilweise angenommen, in qualitativer Hinsicht hebe sich die Tätigkeit von der Gesamtbetätigung der öffentlichen Hand ab, wenn sich die Körperschaft mit einer privatwirtschaftliehen Betätigung, die mit den eigentlichen öffentlichen Aufgaben nichts zu tun habe, am wirtschaftlichen Verkehr beteilige.J9o

In anderen Urteilen wird für die Frage, ob sich eine Tätigkeit aus der Ge-

samtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts heraushebt, auf die Wettbewerbsrelevanz der Tätigkeit abgestellt. 191 Für das wirtschaftliche Herausheben sei ein tatsächlicher Wettbewerb jedoch nicht erforderlich. Entscheidend sei, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts Tätigkeiten ausführe, wie sie auch von einem privaten Unternehmer ausgeführt werden könnten. 192 Das Schrifttum stimmt der Auffassung des BFH zu, die von der Verwaltung erarbeiteten Umsatzgrenzen seien zur Beurteilung der Frage, ob sich eine

187 Vgl. BFH, Urt. v. 11.1.1979- V R 26/74, BStBI. 1979 II, 746 (749); FG Dtisse1dorf, Urt. v. 29.9.1999-5 K 1480/96 U, UVR 2000, 262. 188 Vgl. BFH, Urt. v. 14.4.1983 -V R 3179, BStBI. 1983 II, 491 (494); Urt. v. 2.7.1986 IR 38/80, BFH/NV 1987, 810 (811); so auch FG München, Urt. v. 7.11.1996- 14 K 1749/96, UVR 1997, 174 (175). In zwei vorangegangen Urteilen hatte der BFH auf vergleichende Betrachtungen mit dem Umfang der Gesamtverwaltung [vgl. BFH, Urt. v. 11.1.1979- V R 26/74, BStBI. 1979 II, 746 (749)] bzw. des Gesamthaushalts der Körperschaft [BFH, Urt. v. 2.3.1983- IR 100/79, BStBI. 1983 II, 386 (389)] abgestellt. 189 Vgl. FG Nürnberg, Urt. v. 24.1.1984- Il 15/80, EFG 1984, 415; Urt. v. 24.1.1984- II 45/80, EFG 1984, 416; FG Düsseldorf, Urt. v. 29.9.1999 - 5 K 1480/96 U, UVR 2000,262. 190 Vgl. FG Nümberg ,Urt. v. 24.1.1984 - II 45/80, EFG 1984, 416; FG Münster, Urt. v. 10.2.1988 - V 303/85 U, EFG 1988, 442. 191 Vgl. BFH, Urt. v. 25.10.1989 - V R 111/85, BStBI. 1990 II, 868 (871); Urt. v. 24.2.1994 - V R 25/92, BFH/NV 1995, 353 (354); Niedersächsisches FG, Urt. v. 23.7.1998- V 333/91, EFG 2000, 455 (456). 192 Vgl. BFH, Urt. v. 24.2.1994- V R 25/92, BFH/NV 1995, 353 (354).

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Tätigkeit wirtschaftlich heraushebt, nicht heranzuziehen. 193 Wann ein wirtschaftliches Herausheben jedoch zu bejahen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach WEiß' Ansicht ist für jeden Einzelfall zu entscheiden, ob sich die wirtschaftliche Tätigkeit innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts wirtschaftlich heraushebt. Dies sei gegeben bei einer laufenden privatwirtschaftliehen Betätigung, mit der sich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts am wirtschaftlichen Verkehr beteilige. Für eine solche, auf wirtschaftlichen Erfolg gerichtete Tätigkeit sei kennzeichnend, dass sie mit der eigenen öffentlichen Aufgabe nichts zu tun habe. Hierdurch hebe sie sich in qualitativer Hinsicht von der Gesamtbetätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts ab. Die Umsatzzahlen dieser Einrichtung seien bei dieser Bewertung nur insofern von Bedeutung als bei völlig unbedeutenden Einnahmen eine wirtschaftlich relevante Abhebung von der Gesamtbetätigung nicht bejaht werden könne. Die Höhe der Einnahmen könne jedoch auch von Bedeutung sein: Wenn sich wirtschaftliche Tätigkeit aus organisatorischen und anderen Gtünden nicht eindeutig abhebe, seien die erzielten Einnahmen ein ergänzendes Indiz für einen Betrieb gewerblicher Art. 194 HEIDNER zufolge ist das wirtschaftliche Herausheben der Einrichtung innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts das entscheidende zusätzliche Abgrenzungsmerkmal der Betriebe gewerblicher Art gegenüber dem allgemeinen Untemehmerbegriff. Es handele sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der schwer zu konkretisieren sei. Zur Bestimmung des (quantitativen) wirtschaftlichen Heraushebens billigt er die Auffassung des BFH, auf das Verhältnis der Einnahmen abzustellen. Neben der relativen Gesamtbetrachtung fordert er jedoch gewisse Obergrenzen, weil Einnahmen von einer bestimmten Größenordnung an für sich gesehen so beträchtlich seien, dass sie sich hervorheben. Eine ausschließlich relative Betrachtung würde seiner Auffassung nach dazu führen, dass die großen Gebietskörperschaften sich mit sehr hohen Umsätzen am Wirtschaftsverkehr beteiligen könnten, ohne dass diese Tätigkeit als Betrieb gewerblicher Art unternehmefisch wäre. 195 STADIE hingegen vertritt die Ansicht, das Merkmal des wirtschaftlichen Heraushebens sei eine LeerformeL Das noch am ehesten nahe liegende Abstellen auf das wirtschaftliche Gewicht in Gestalt der Höhe der Umsätze verbie193 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 148; Widmann, in: P1ückebaum!Ma1itzky, UStG, § 2 Abs. 3, Rdnr. 76; Weiß, UR 1979, 85 (86). 194 Vgl. Weiß, UR 1979, 85 (86). 195 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 148.

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Die deutsche Umsetzung

te sich, weil die juristische Person des öffentlichen Rechts zu Beginn der Tätigkeit für ihre Preisgestaltung wissen müsse, ob ihre wirtschaftliche Betätigung der Umsatzsteuer unterliege und ob sie in der Vorbereitungsphase, in der überhaupt noch keine Umsätze erzielt würden, zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Ebenso müsse sie im Hinblick auf § 14 Abs. 3 UStG (jetzt: § 14c Abs. 2 UStG) wissen, ob sie Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erteilen dürfe. Das Merkmal des wirtschaftlichen Heraushebens sei vielmehr überflüssig. Eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit hebe sich per se innerhalb der Gesamtbetätigung wirtschaftlich heraus. Der Gesetzgeber wolle mit dem Betrieb gewerblicher Art eine Tätigkeit erfassen, die das äußere Bild eines Gewerbebetriebs biete. Das sei bei einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit stets der Fall, wenn der Begriff ,,nachhaltig" zutreffend interpretiert werde und im Kontext mit dem Typusbegriff der unternehmerischen Tätigkeit gesehen werde. Eine wirtschaftliche Tätigkeit, die das äußere Bild eines Gewerbebetriebs biete, hebe sich stets innerhalb der Gesamtbetätigung wirtschaftlich ab, ohne dass es weiterer Merkmale bedürfe.t96 Fraglich ist, welcher dieser Auffassungen zu folgen ist. Zunächst einmal ist der Rechtsprechung und der Literatur insoweit zuzustimmen, als sie die von der Finanzverwaltung angenommene Umsatzgrenze ablehnen. M.E lassen sich dem Gesetz keine Anhaltspunkte entnehmen, weshalb gerade eine Grenze von 60.000 DM maßgebend sein soll. Diese Festlegung erscheint vielmehr willkürlich. 197 Auch das Abstellen der Finanzverwaltung und Teilen der Rechtsprechung auf eine Wettbewerbssituation mit privaten Anbietern ist sachfremd: Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG erfordern Betriebe gewerblicher Art, dass die Einrichtungen "sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben". Es ist nicht nachvollziehbar, was die Tatsache, dass Wettbewerb mit anderen Unternehmen (ob tatsächlich oder potentiell) besteht, mit der Frage zu tun hat, ob sich die Betätigung innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich heraushebt. 198 WEiß und mit ihm Teile der Rechtsprechung messen dem wirtschaftlichen Abheben in qualitativer Hinsicht eine besondere Bedeutung bei. In qualitativer Hinsicht hebe sich die Tätigkeit von der Gesamtbetätigung der öffentli196 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 888. 197 So auch Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 86. 198 So auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 883; Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 231.

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

eben Hand ab, wenn sich die Körperschaft mit einer privatwirtschaftliehen Betätigung, die mit den eigentlichen öffentlichen Aufgaben nichts zu tun habe, am wirtschaftlichen Verkehr beteilige. Wenn das Merkmal des "wirtschaftlichen Heraushebens" jedoch auf diese Weise ausgelegt wird, ist es überflüssig, da die wirtschaftliche Tätigkeit selbst Tatbestandsmerkmal des Betriebs gewerblicher Art ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG). Darüber hinaus nimmt § 4 Abs. 5 KStG die Hoheitsbetriebe ausdrücklich vom Begriff "Betrieb gewerblicher Art" aus. Folglich ist davon auszugehen, dass ein qualitatives Herausheben der Betätigung neben den genannten Tatbestandsmerkmalen nicht zu prüfen ist. Somit stellt sich die Frage, ob ein Abstellen auf ein quantitatives Herausheben in Gestalt der Höhe der Umsätze zutreffend ist. STADIE verneint dies mit dem Argument, die juristische Person des öffentlichen Rechts müsse im Hinblick auf ihre Preisgestaltung und die Regelung des § 14 Abs. 3 UStG Getzt § 14c Abs. 2 UStG) zu Beginn der Tätigkeit wissen, ob ihre wirtschaftliche Betätigung der Umsatzsteuer unterliege. Dieser Einwand ist hinsichtlich der Umsatzsteuer durchaus zutreffend. Es wurde jedoch bereits ausgeführt, dass der Verweis des § 2 Abs. 3 UStG auf die körperschaftsteuerliehen Vorschriften bindend ist. Insofern führt STADIE (an anderer Stelle) zutreffend aus: "Die Anknüpfung an den körperschaftsteuerliehen Begriff des Betriebes gewerblicher Art verbietet es, diesen Begriff umsatzsteuerlich auszulegen. Maßgebend ist allein, wie dieser Begriff nach ertragsteuerlicher Teleologie und Gesetzessystematik zu verstehen ist." 199 Somit argumentiert STADIE widersprüchlich: Einerseits verneint er (zutreffend) die Zulässigkeit einer umsatzsteuerlichen Auslegung des Betriebs gewerblicher Art, andererseits legt er das Tatbestandsmerkmal des wirtschaftlichen Heraushebens umsatzsteuerlich aus. 200 Daher kann sein Einwand gegen das Abstellen auf ein quantitatives Herausheben nicht durchgreifen. Vielmehr ist der Rechtsprechung und Teilen der Literatur Recht zu geben: Das wirtschaftliche Herausheben ist nach dem Verhältnis der Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit zum betroffenen Bereich der Verwaltung zu beurteilen. Dabei sind an das wirtschaftliche Herausheben jedoch keine zu großen Anforderungen zu stellen. Vielmehr ist darunter eine Art Bagatell-

199 Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 847. 200 Diese Inkongruenz zwischen umsatzsteuerlicher und körperschaftsteuerlicher Auslegung kann mE. als weiteres Argument für die durch den Gesetzesverweis auftretende "Vergewaltigung wesensbestirnn1ender Unterschiede, die die Einzelsteuergesetze jeweils charakterisieren" [Weiß, UR 1979, 85 (86)], angesehen werden.

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Die deutsche Umsetzung

grenze zu verstehen 201 : Wenn die Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit im Verhältnis zum betroffenen Bereich der Verwaltung völlig unbedeutend sind, ist ein wirtschaftliches Herausheben und damit ein Betrieb gewerblicher Art i.S. v. Art. 4 KStG zu verneinen.

e)

Versorgungsbetriebe

Nach § 4 Abs. 3 KStG gehören zu den Betrieben gewerblicher Art auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen. § 4 Abs. 3 KStG ist nach ganz überwiegender Auffassung lex specialis zu § 4 Abs. 5 KStG, mithin sind die darin aufgezählten Versorgungsbetriebe Betriebe gewerblicher Art, ohne dass dargelegt werden muss, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 KStG erfüllt sind und die des § 4 Abs. 5 KStG (Hoheitsbetrieb) nicht erfüllt sind. 202 Das bedeutet, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts zwingend als Unternehmer im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art tätig werden, wenn sie einen Versorgungsbetrieb i.S. des§ 4 Abs. 3 KStG unterhalten. 203 f)

Verpachtungsbetriebe

Nach§ 4 Abs. 4 KStG gilt als Betrieb gewerblicher Art der juristischen Person des öffentlichen Rechts auch die Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art an einen Pächter. In Abgrenzung zur Vermögensverwaltung, die grundsätzlich keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des § 4 Abs. 1 KStG istz04 , muss ein "Betrieb" verpachtet werden, d.h. es dürfen nicht einzelne Sachen oder Rechte Gegenstand des Pachtvertrags sein. Mit der Fiktion wird die Verpachtung eines solchen Betriebes zum Betrieb gewerblicher Art. Ein 201 Ähnlich: Seer, DStR 1992, 1751 (1756); Ramme, UR 1991, 80 (81). A.A. - wenn auch ohne nähere BegrUndung - Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 86 f. 202 Vgl. BFH, Urt. v. 28.1.1988- V R 112/86, BStBI. 1988 11, 473 (476); Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 88; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 274; Birkel!{eld, OSt-Handbuch, I, Rdnr. 278; Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz I, Rdnr. 1147; Birkenfeld, UR 1989, I (4). Ähnlich: Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 154. Stadie (in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 930), der der Auffassung ist, § 4 Abs. 3 KStG sei nur eine Klarstellung, dass keine Ausübung öffentlicher Gewalt vorliege, kommt auch zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des Absatz 1 nicht zu prlifen sind. Vertiefend zu § 4 Abs. 3 KStG: Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 155 ff. 203 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 154. 204 Siehe oben, S. 335 f.

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

"Betrieb" wird nach ganz überwiegender Ansicht dann verpachtet, wenn die Betrachtung ergibt, dass die juristische Person einen Betrieb gewerblicher Art unterhielte, würde sie die Pachtgegenstände so benutzen, wie sie es dem Pächter gestattet hat. Bei Bettieben, zu deren Fühtung größeres Inventar erforderlich ist, liegt eine Betriebsverpachtung nur vor, wenn auch das Inventar mitverpachtet wird. 205

g)

Hoheitsbetriebe

Nicht zu den Betrieben gewerblicher Art gehören gern. § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG die Hoheitsbettiebe. Dies sind nach der Legaldefmition Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen. Der Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt ist weder im KStG noch im UStG erläutert. Somit stellt sich die Frage, wann Betriebe der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen und wann die Ausübung öffentlicher Gewalt überwiegt.

aa)

Ausübung öffentlicher Gewalt

Hinsichtlich der Frage, wann die Ausübung öffentlicher Gewalt zu bejahen ist, besteht lediglich insoweit (weitgehend) Einigkeit, dass keine Ausübung öffentlicher Gewalt gegeben ist, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts in den Formen des Privatrechts tätig wird. 206 Wann hingegen die Ausübung öffentlicher Gewalt zu bejahen ist, wird von der Rechtsprechung und dem Schrifttum uneinheitlich beurteilt. 207

205 Vgl. BFH, Urt. v. 20.11.1969- IR 204/67, BStBI. 1970 II, 151 f.; Urt. v. 13.3.1974I R 7171, BStBJ. 1974 II, 391 (394); Urt. v. 25.10.1989- V R 111/85, BStBJ. 1990 II, 868 (870); Abschn. 5 Abs. 5 Satz 8, Abs. 6 Satz 1 KStR 1995; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 1038 ff.; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 149; Klenk, in: Sölch!Ringleb, UStG, § 2, Rdnr. 255 (Stichwort "Vermietung und Verpachtung"); Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 277; Birkenfeld, USt-Handbuch, I, Rdnr. 281; Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 167; Birkenfeld, UR 1989, 1 (4). Kritisch: Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, s. 256 ff. 206 Vgl. RFH, Urt. v. 16.6.1920- II A 120/20, RFHE 3, 95 f.; Urt. v. 24.11.1921- VA 119/21, RFHE 7, 275 (276); Urt. v. 27.4.1923- VA 84/23, RFHE 12, 130 f.; BFH, Urt. V. 18.8.1966- V 21/64, BStBJ. 1967 III, 100 (101); Urt. V. 30.6.1988- V R 79/84, BStBI. 1988, 910 (912); Beschl. v. 16.12.1992 - V B 74/92, BFH/NV 1993, 696; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 900; Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 158; Birkenfeld, UR 1989, 1 (6). A.A. Laule, DStZ 1988, 183 (189); Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 195. 207 Eine ausführliche Darstellung des Streitstands findet sich bei Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 121 ff.

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Die deutsche Umsetzung

(1)

Rechtsprechung

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (und des RFH208 ) wird öffentliche Gewalt i.S. des § 4 Abs. 5 KStG durch Tätigkeiten ausgeübt, die den juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Träger öffentlicher Gewalt "eigentümlich und vorbehalten" sind. 209 Diese Voraussetzungen seien gegeben, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts ihr gesetzlich zugewiesene Aufgaben durchführe, die von privatrechtliehen Unternehmern nicht erfüllbar seien. Bei der Wertung, ob die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts "eigentümlich und vorbehalten" sei, sei ein strenger Maßstab anzulegen, den der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in besonderem Maße verlange. Der private Unternehmer dürfe nicht durch den Wettbewerb mit Körperschaften des öffentlichen Rechts benachteiligt werden. Übernehme eine juristische Person des öffentlichen Rechts Aufgaben, wie sie auch von Personen des Privatrechts ausgeübt werden, und trete sie dadurch - und sei es auch ungewollt - in Wettbewerb zu privatwirtschaftliehen Unternehmern, sei die Tätigkeit nicht mehr der öffentlichen Hand eigentümlich und vorbehalten, also keine hoheitliche Tätigkeit.210 Dabei stellt der BFH seit dem Urteil vom 30.6.1988 211 darauf ab, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts Tätigkeiten ausübt, die auch ein privater Unternehmer ausüben könnte. Wie sich aus § 4 Abs. 5 Satz 2 KStG ergebe, komme es nicht auf einen tatsächlich vorhandenen Wettbewerb an, ein möglicher (potentieller) Wettbewerb reiche aus. 212

208 Vgl. RFH, Gutachten v. 9.7.1937- V D 1/37, RStBl. 1937, 1306 (1307); Gutachten v. 2.7.1938- GrSD 5/38, RStBL 1938,743 f. 209 Vgl. BFH, Urt. v. 9.2.1953- V 84/52 U, BStBl. 1953 III, 86; Urt. v. 18.8.1966- V 21164, BStBl. 1967 III, 100 (101); Urt. v. 17.2.1972- V R 55169, BStBl. 1972 Il, 555 (556); Urt. V. 22.9.1976- IR 102/74, BStBl. 1976 II, 793 (794); Urt. V. 14.4.1983- V R 3179, BStBl. 1983 II, 491 (492); Urt. v. 2.7.1986- IR 38/80, BFH/NV 1987, 810; Urt. v. 30.6.1988- V R 79/84, BStBl. 1988 Il, 910 (911); Urt. v. 21.9.1989- V R 89/85, BStBL 1990 II, 95 (97); Urt. v. 14.3.1990 - IR 156/87, BStBl. 1990 II, 866 (867); Urt. V. 27.6.1990- IR 166/85, BFH/NV 1991,628 (629); Urt. V. 23.10.1996IR 1-2/94, BStBl. 1997 II, 139 (140 f.). 210 Vgl. BFH, Urt. v. 13.4.1961 - V 120/59 U, BStBl. 1961 III, 298 (299); Urt. v. 18.8.1966- V 21/64, BStBl. 1967 Ill, 100 (101); Urt. v. 17.2.1972- V R 55169, BStBl. 1972 II, 555 (556); Urt. v. 30.6.1988- V R 79/84, BStBl. 1988 II, 910 (911); Urt. v. 14.3.1990- IR 156/87, BStBl. 1990 II, 866 (867); Urt. v. 23.10.1996- IR 12/94, BStBl. 1997 Il, 139 (141). 211 BFH, Urt. v. 30.6.1988 -V R 79/84, BStBL 1988 II, 910. 212 Vgl. BFH, Urt. v. 30.6.1988- V R 79/84, BStBl. 1988 II, 910 (912); Urt. v. 21.9.1989 - V R 89/85, BStBl. 1990 Il, 95 (97); Beschl. v. 26.1.1995 -V R 122/93, BFH/NV 1996, 86 f.

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Abweichend von dieser Rechtsprechung entschieden die für die Umsatzsteuer zuständigen Senate des BFH vereinzelt in den 90er Jahren. So ging der XL Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 21.3.1995 nicht mehr der Frage nach, ob eine Ausübung der öffentlichen Gewalt gern. § 4 Abs. 5 KStG vorliegt. Bezugnehmend auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH führt der BFH aus, dass es für die Unternehmereigenschaft nicht darauf ankomme, ob es sich um eine der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümliche und ihr vorbehaltene Tätigkeit handele. Ausschlaggebend sei vielmehr, in welcher Weise sie tätig werde. Unterlägen ihre Leistungen nicht den Regeln des Zivilrechts, so seien sie (sofern sie nicht unter die Ausnahmen von Art. 4 Abs. 5 Unterabsätze 2 und 3 der 6. EG-Richtlinie fielen) nicht steuerbar. 213 Diese Betrachtungsweise wurde vom BFH jedoch wieder aufgegeben: In seiner Entscheidung vom 8.1.1998 stellt der V. Senat wieder allein auf das nationale Recht ab und beurteilt den Hoheitsbetrieb des § 4 Abs. 5 KStG entsprechend der oben geschilderten Rechtsprechung danach, ob die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts "eigentümlich und vorbehalten" ist. 214

(2)

Literatur

Die Literatur beurteilt die Frage, wann die Ausübung öffentlicher Gewalt zu bejahen ist bzw. ob dieser Begriff überhaupt zu definieren ist, unterschiedlich. JAKOB und ihm folgend KLENK kritisieren die ständige Rechtsprechung des BFH. Die Abgrenzungsversuche seien nur hinsichtlich des Begriffskerns evident und in den Randzonen häufig "Glücksache". 215 Eine alternative Methode, wie die hoheitliche Tätigkeit stattdessen zu bestimmen ist, schlagen jedoch beide nicht vor.

213 Vgl. BFH, Beschl. v. 21.3.1995- XI R 33/94, BFHE 177, 534 (538). Auch der V. Senat hatte zeitweilig, ohne sich mit § 4 Abs. 5 KStG auseinanderzusetzen, unter Hinweis auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie festgestellt, dass die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts jedenfalls deswegen untemebrnerisch sei, weil die Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen fUhren würde; vgl. BFH, Urt. v. 10.12.1992 - V R 3/88, BStBl. 1993 II, 380 (381); Beschl. v. 31.5.1994 - V B 136/93, UR 1995, 393 (394 f.). Ähnlich FG MUnchen, Urt. v. 1.3.2001 - 14 K 541/01, UR 2001, 343 (344 f.). 214 Vgl. BFH, Urt. v. 8.1.1998- V R 32/97, BStBl. 1998 II, 410 (411). 215 Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, 1998, S. 56; Klenk, in: Sö1ch!Ring1eb, UStG, § 2, Rdnr. 250.

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Die deutsche Umsetzung WAGNER vertritt die Auffassung, eine inhaltliche Abgrenzung des Begriffs der öffentlichen Gewalt sei wohl nicht möglich. 216 Dies sei damit zu begründen, dass nach der Struktur des Umsatzsteuergesetzes nur der untemehmerische Bereich definierbar sei. Der nichtunternehmerische Bereich sei das "Abfallprodukt". Steuerbefreiungen aller Art müssten - als Ausnahme vom System- exakt vom Gesetz umschrieben werden. 217 Auch STADIE bestimmt nicht positiv, was unter Ausübung öffentlicher Gewalt zu verstehen ist. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbiete jedoch, dass durch Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand Wettbewerbsnachteile für konkurrierende Private eintreten oder eintreten könnten. § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 KStG müsse deshalb verfassungskonform ausgelegt werden. Eine Ausübung der öffentlichen Gewalt dürfe aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht angenommen werden, wenn private Unternehmer auf demselben Gebiet tätig seien oder tätig sein könnten. Auch wenn tatsächlich keine Wettbewerber vorhanden seien, verlange Art. 3 Abs. 1 GG eine Besteuerung, damit nicht durch die Nichtbesteuerung das Entstehen von privater Konkurrenz erschwert werde und Marktzutrittsschranken errichtet würden. Insoweit sei auch der potentielle Wettbewerb zu schützen. 218 Diese wettbewerbsorientierte Auslegung sieht STADIE allerdings im Widerspruch zu § 4 Abs. 5 Satz 2 KStG: Wettbewerbsverzerrungen könnten nur eintreten, wenn (potentieller) Wettbewerb bestehe, d.h. wenn private Unternehmer mit der juristischen Person des öffentlichen Rechts konkurrierten oder konkurrieren könnten. Nach § 4 Abs. 5 Satz 2 KStG reichten jedoch für die Annahme eines Hoheitsbetriebs Monopolrechte nicht aus. Aus dieser Vorschrift folge mithin, dass auch dann, wenn durch Gesetz der juristischen Person des öffentlichen Rechts das alleinige Recht zustehe, bestimmte Leistungen zu erbringen, und damit private Wettbewerber ausgeschaltet seien, ein Betrieb gewerblicher Art vorliegen könne. Insofern sei der Gesetzgeber über das Ziel, die juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität zu besteuern, hinausgegangen. 219 Zusammenfassend vertritt er die Ansicht, dass das Merkmal "Ausübung der öffentlichen Gewalt" letztlich überflüssig ist. § 4 Abs. 5 KStG komme entgegen dem Passus in § 4 Abs. 1 KStG keine eingrenzende Funktion zu, da eine wirtschaftliche 216 Vgl. Wagner, UR 1993, 301 (302); Wagner, DSUG 13 (1990), 59 (74 f.). 217 Vgl. Wagner, DSUG 13 (1990), 59 (74 f.). 218 Vgl. Stadie, in: Rau!DUrrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 893. Ebenso Küffner, UR 2001, 345 (346). Ähnlich Seer [DStR 1992, 1751 (1756)]: Die Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts falle dann nach § 4 Abs. 5 KStG in deren

Hoheitsbereich, wenn die Tätigkeit keinen oder einen geringen, nur untergeordneten Wettbewerbscharakter besitzt. 219 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 913. 347

Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Tätigkeit i.S. v. § 4 Abs. 1 KStG keine Ausübung öffentlicher Gewalt sein könne. Ob ein Betrieb gewerblicher Art vorliege, bestimme sich ausschließlich positiv anhand der Merkmale "wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen". 220 Eine weitere Möglichkeit der Auslegung bietet LANGE. Er vertritt die Auffassung, der Gesetzesverweis in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf das KStG habe nur indizielle, nicht bindende Wirkung221 und legt den Begriff der öffentlichen Gewalt somit entsprechend der EuGH-Rechtsprechung umsatzsteuerlieh aus: Eine Tätigkeit werde im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt, wenn die Tätigkeit gegenüber dem Leistungsempranger im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen und nicht unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer ausgeübt werde. Dies beurteile sich nach allgemeinem Verwaltungsrecht Nicht maßgeblich sei, ob die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Recht "eigentümlich und vorbehalten" sei. Handele es sich in diesem Sinne um eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt, sei sie gleichwohl steuerbar, wenn es andernfalls zu größeren Wettbewerbsverzerrungen käme. 222 Zustimmung findet die ständige BFH-Rechtsprechung durch REm. 223 Der BFH beschreibe den Ausschluss einer auch nur potentiellen Wettbewerbssituation damit, dass Ausübung öffentlicher Gewalt i.S. des § 4 Abs. 5 KStG nur vorliege, wenn von der juristischen Person des öffentlichen Rechts Tätigkeiten bewirkt würden, die ihr als Träger der öffentlichen Gewalt "eigentümlich und vorbehalten" seien. Obwohl es in den Randbereichen gerade kritisch sei, ob eine Tätigkeit ihrer Art nach auch von Privaten erbracht werden könne oder der öffentlichen Hand eigentümlich und vorbehalten sei, kritisiert REiß die Ansicht JAKOBS, die zutreffende Einordnung als "Glücksache" zu bezeichnen. Klar aus dem Bereich der Ausübung öffentlicher Gewalt seien mit der Formel zunächst einmal alle Tätigkeiten auszuscheiden, die die juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit den Mitteln des Privatrechts durchführten. Umgekehrt liege die Ausübung öffentlicher Gewalt immer dann vor, wenn eine öffentlich-rechtliche Aufgabenzuweisung an die juristische Person des öffentlichen Rechts erfolgt sei und diese nur 220 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 918. Ebenso Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 116 f. Ähnlich sieht dies Bader (Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 95 ff.), der das Wettbewerbskriteriumbereits bei der "wirtschaftlichen Tätigkeit" prtlft. 221 Siehe oben, S. 327 f. 222 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (13). 223 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 158 f.; Reiß, UR 1994, 388 (389).

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Die deutsche Umsetzung

mit den Mitteln des öffentlichen Rechts erfüllt werden könne. Problematisch seien daher nur die Tätigkeiten, die auf Grund einer Aufgabenzuweisung an die juristischen Personen des öffentlichen Rechts von dieser mit den spezifischen Mitteln des öffentlichen Rechts wahrgenommen würden. Diese Tätigkeiten seien dann als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen, wenn sie von der juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht mit den Mitteln des Privatrechts wahrgenommen werden dürften oder tatsächlich nicht wahrgenommen werden könnten. Außerdem müsse hinzukommen, dass gleichartige Leistungen von privaten Anbietern nicht erbracht werden dürften.Z24 (3)

Stellungnahme

Da die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen zur Bestimmung des Begriffs der öffentlichen Gewalt differieren, ist zu klären, wie die genannten Auffassungen zu bewerten sind. Zunächst einmal ist der Auffassung zuzustimmen, dass Ausübung öffentlicher Gewalt jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn die juristische Person des öffentlichen Recht mit Mitteln des Privatrechts handelt. Wenn sich die öffentliche Hand auf die Ebene der Gleichordnung begibt, ist die Annahme der Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit ausgeschlossen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob - wie LANGE dies annimmt - im Umkehrschluss die Ausübung öffentlicher Gewalt bereits dann zu bejahen ist, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts innerhalb der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung, also mit Mitteln des öffentlichen Rechts handelt. Wie bereits dargelegt, enthält § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG einen bindenden (und nicht lediglich indiziellen) Verweis auf das Körperschaftsteuerrecht.225 Somit ist eine isoliert umsatzsteuerliche Interpretation des Begriffs der öffentlichen Gewalt, der von § 2 Abs. 3 UStG gar nicht genannt wird, unzulässig. Eine richtlinienkonforme Interpretation widerspricht dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG. Eine unmittelbare Anwendung kommt jedoch nur soweit in Betracht, als § 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie unzutreffend umgesetzt wurde. Dies steht jedoch gerade in Frage. Somit kann nicht auf Grund des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie die Ausübung öffentlicher Gewalt bejaht werden, wenn die öffentliche Hand innerhalb der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen tätig wird. Fraglich ist jedoch, ob eine solche Auslegung auch autonom körperschaftsteuerlich zu begründen wäre. Hier ist jedoch der Zweck der Besteue224 V gl. Reiß, in: Reiß!Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 158 f. 225 Siehe oben, S. 327 f.

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

rung der öffentlichen Hand zu beachten. Wie oben ausgeführt liegt dieser Zweck alleine in der Herstellung der Wettbewerbsneutralität Gegen diesen Grundsatz würde jedoch verstoßen, wenn die Ausübung öffentlicher Gewalt ausschließlich danach beurteilt würde, ob die juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit Mitteln des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts handeln. Es sind Tätigkeiten denkbar, die von der öffentlichen Hand (innerhalb der eigens für sie geltenden Rechtsvorschriften) ausgeübt werden, die jedoch auch von Privatpersonen ausgeübt werden können. In diesem Zusammenhang sei auf die Rechtsfigur des beliehenen Unternehmers verwiesen, der nicht unter die Befreiung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG fällt. 226 Die Steuerbefreiung der Tätigkeit durch die öffentliche Hand würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Folglich kann der Begriff der öffentlichen Gewalt i.S. v. § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG nicht alleine danach bestimmt werden, in welcher Form die juristische Person des öffentlichen Rechts handelt. 227 Fraglich ist, ob der vom BFH vertretenen Auffassung, die hoheitliche Tätigkeit sei dann zu bejahen, wenn die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts "eigentümlich und vorbehalten" ist, zugestimmt werden kann. Unabhängig davon, ob die Begriffe "eigentümlich und vorbehalten" vom Wortsinn betrachtet exakt sind 228 , stellt sich die Frage, ob mit dieser Formel eine zutreffende Abgrenzung erfolgen kann. Nach der Rechtsprechung des BFH sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts ihr gesetzlich zugewiesene Aufgaben durchführt, die von privatrechtliehen Unternehmern nicht erfüllbar sind. Der Begriff "eigentümlich" bedeutet mithin, dass die Aufgabe der öffentlichen Hand gesetzlich zugewiesen ist. Obgleich die gesetzliche Zuweisung einer Aufgabe an die öffentliche Hand alleine sicherlich nicht ausreichend ist, um eine hoheitliche Tätigkeit zu kennzeichnen, ist jedoch die Ausübung öffentlicher Gewalt ohne gesetzliche Zuweisung nicht vorstellbar. Somit ist alleine anhand des Begriffs "eigentümlich" sicherlich keine Grenzziehung zwischen hoheitlicher und unternehmerischer Tätigkeit möglich, doch ist dies eine unerlässliche Voraussetzung für die Annahme der Ausübung öffentlicher Gewalt. Darüber hinaus muss nach Auffassung des BFH die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts "vorbehalten" sein. Mit diesem Begriff schließt der BFH alle Tätigkeiten, mit denen die öffentliche Hand potentiell 226 Siehe oben, S. 325. 227 So auch Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 94. 228 Kritisch dazu: Lange, UR 2000, I (II f., FN 121).

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Die deutsche Umsetzung

im Wettbewerb mit privaten Unternehmern steht, von der Ausübung öffentlicher Gewalt aus. Fraglich ist, ob eine solche wettbewerbsorientierte Auslegung des Begriffs der öffentlichen Gewalt i.S. v. § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG zulässig ist. Dies verneint STADIE mit dem Hinweis auf § 4 Abs. 5 Satz 2 KStG. Aus § 4 Abs. 5 Satz 2 KStG folge, dass auch dann, wenn durch Gesetz oder ähnliches der juristischen Person des öffentlichen Rechts das alleinige Recht zustehe, bestimmte Leistungen zu erbringen, und damit private Wettbewerber ausgeschaltet seien, ein Betrieb gewerblicher Art vorliegen könne. 229 Diese zutreffende Folgerung widerspricht jedoch nicht der Auffassung, dass die Ausübung öffentlicher Gewalt nur dann zu bejahen ist, wenn kein Wettbewerb mit privaten Anbietern möglich ist. Ein Betrieb gewerblicher Art kann z.B. dann vorliegen, wenn die öffentliche Hand als Monopolist mit Mitteln des Privatrechts handelt. Nichts anderes besagt § 4 Abs. 5 Satz 2 KStG: Für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- oder Monopolrechte alleine nicht aus. Vielmehr müssen auch die übrigen Voraussetzungen der "Ausübung öffentlicher Gewalt" vorliegen. Diese Auffassung wird durch die Regierungsbegründung zu § 4 Abs. 5 KStG gestützt: Danach dient § 4 Abs. 5 Satz 2 KStG dem Zweck, klarstellend zum Ausdruck zu bringen, dass Zwangs- und Monopolrechte für die Annahme eines Hoheitsbetriebs nicht ausreichen. Ob eine Einrichtung einen Hoheitsbetrieb oder einen Betrieb gewerblicher Art darstellt, sei nach den allgemeinen Abgrenzungsmerkmalen zu beurteilen. Allein auf die Zwangs- und Monopolrechte könne nicht abgestellt werden. 230 Insofern ist der Gesetzgeber auch nicht - wie STADIE annimmt- über das ursprüngliche Ziel, die juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität zu besteuern, hinausgegangen. Folglich kann der Einwand STADIES nicht überzeugen. Vielmehr ist das Kriterium des potentiellen Wettbewerbs durchaus eine Möglichkeit, dem Begriff der öffentlichen Gewalt Konturen zu verleihen. Somit ist davon auszugehen, dass die Ausübung öffentlicher Gewalt dann zu bejahen ist, wenn die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts "eigentümlich und vorbehalten" ist. Diese Formel führt auch nicht dazu - wie JAKOB und ihm folgend KLENK ausführen -, dass die Abgrenzung "Glücksache" ist. Vielmehr legt REiß zutreffend dar, dass aus dem Bereich der Ausübung öffentlicher Gewalt zunächst einmal alle Tätigkeiten ausscheiden, die die juristische Person des öf229 Vgl. Stadie, in: Rau!Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 913. 230 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 7/1470, 203 (336 f.). Hervorhebung nicht im Original.

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

fentlichen Rechts mit Mitteln des Privatrechts durchführt, wie z.B. fiskalische Tätigkeiten oder Aufgaben der Daseinsvorsorge, die mit den Mitteln des Privatrechts durchgeführt werden. Umgekehrt liegt die Ausübung öffentlicher Gewalt immer dann vor, wenn eine öffentlich-rechtliche Aufgabenzuweisung an die juristische Person des öffentlichen Rechts besteht und die Aufgabe nur mit Mitteln des öffentlichen Rechts erfüllt werden kann. Das ist regelmäßig bei der Eingriffsverwaltung gegeben, aber auch dort, wo etwa Überwachungs- und Genehmigungstätigkeiten ausgeübt werden. Problematisch sind somit nur Tätigkeiten, die auf Grund einer Aufgabenzuweisung an die juristische Person des öffentlichen Rechts von dieser mit Mitteln des öffentlichen Rechts wahrgenommen werden. Diese Tätigkeiten sind dann als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen, wenn sie von den juristischen Personen des öffentlichen Recht nicht mit Mitteln des Privatrechts vorgenommen werden dürfen oder tatsächlich nicht wahrgenommen werden können. Darüber hinaus muss hinzukommen, dass gleichartige Tätigkeiten von privaten Anbietern nicht erbracht werden dürfen. 231 Somit ist auch die Kritik WAGNERS zurückzuweisen. Richtig verstanden ist der Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt sehr wohl zu definieren: Wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Mitteln des öffentlichen Rechts eine Tätigkeit ausführen, die ihnen gesetzlich zugewiesen ist, die sie nicht mit Mitteln des Privatrechts ausüben können oder dürfen, und mit der sie nicht im potentiellen Wettbewerb zu privaten Anbietern stehen, so ist eine hoheitliche Tätigkeit zu bejahen.

bb)

Überwiegen

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG gehören zu den Betrieben gewerblicher Art "nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen" 232 • Die Rechtsprechung, ihr folgend die Finanzverwaltung und die herrschende Ansicht in der Literatur gehen von einer quantitativen Bedeutung des Begriffs "überwiegend" aus. Grundsätzlich seien die verschiedenen Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts getrennt für sich zu beurteilen. Lasse sich eine Tätigkeit jedoch nicht klar dem hoheitlichen oder dem wirtschaftlichen Bereich zuordnen, so sei auf die überwiegende Zweckbestimmung abzustellen. Eine überwiegende hoheitliche Zweckbestimmung liege nur vor, wenn die beiden Tätigkeitsbereiche derart ineinander griffen, dass eine genaue Abgrenzung nicht möglich oder nicht zumutbar 231 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusei/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 158 f. 232 Hervorhebung nicht im Original.

352

Die deutsche Umsetzung

sei, wenn also die wirtschaftliche Tätigkeit unlösbar mit der hoheitlichen Tätigkeit verbunden sei und eine Art Nebentätigkeit im Rahmen der einheitlichen, dem Wesen nach hoheitlichen Tätigkeit darstelle. 233

5.

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe

Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören nicht die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Sie werden in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG ausdrücklich ausgenommen. Dennoch sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer land- und forstwirtschaftliehen Betriebe untemehmerisch tätig, da § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG dies eindeutig bestimmt. Die Tätigkeiten, die als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten, sind in § 24 Abs. 2 UStG aufgeführt.234 Auch der land- und forstwirtschaftliche Betrieb ist entsprechend dem § 2 Abs. 3 UStG zu Grunde liegenden Rechtsgedanken235 nur dann der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn es sich nicht um einen Hoheitsbetrieb handelt.236 Die Abgrenzung spieltjedoch keine besondere Rolle: Da die Produkte auf zivilrechtlicher Grundlage veräußert werden, ist die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit regelmäßig untemehmerisch. 237

233 Vgl. BFH, Urt. v. 10.7.1962 - I 164/59 S, BStBI. 1962 III, 448 (449); Urt. v. 26.5.1977 -V R 15n4, BStBI. 1977 II, 813 (814); Abschn. 5 Abs. 3 KStR 1995; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 168; Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 98 f.; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 169; Birkenfeld, USt-Handbuch, I, Rdnr. 319 ff.; Birkenfeld, in: Hartmann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz 1, Rdnr. 1303; Birkenfeld, UR 1989, 1 (7 f.). A.A. Stadie (in Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 920 ff.), der jedoch- mE. zu Unrecht - die Auffassung vertritt, das Merkmal "Ausübung öffentlicher Gewalt" sei überflüssig. 234 V gl. Abschn. 23 Abs. 5 UStR 2000. 235 Siehe oben, S. 323 f. 236 So auch: FG Nümberg, Urt. v. 2.4.1974- II 153n1, EFG 1974, 499; BMF-Schreiben v. 18.3.1970 - IV N2 - S 7106 - 31/69, UR 1970, 285 f.; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 281; Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr. 170; a.A. Heidner (in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 169) und Weich (Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 91), die alleine auf den Wortlaut des § 2 Abs. 3 UStG abstellen, welcher hinsichtlich land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nicht auf § 4 Abs. 5 KStG verweist. 237 So auch Stadie, in: Rau!Dürrwächter!Flick/Geist, UStG, § 2, Rdnr. 1052.

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Die übrigen Einschränkungen des § 4 KStG gelten nicht für die land- und forstwirtschaftliehen Betriebe, so dass ein wirtschaftliches Herausheben aus der Gesamtbetätigung nicht erforderlich ist. 238

6.

Die Sondertätigkeiten des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 UStG

Die in§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 UStG bezeichneten Tätigkeiten gelten als unternehmerische Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Da das Gesetz Wettbewerbsverzerrungen mit in ähnlicher Weise privatrechtlich tätigen Unternehmen ausschalten will, werden die in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG bezeichneten Tätigkeiten als unternehmerisch fingiert, obwohl sie ihrer Art nach (teilweise) hoheitliche Tätigkeiten sind. Durch die Fiktion gelten die juristischen Personen des öffentlichen Rechts selbst dann als unternehmerisch tätig, wenn die Voraussetzungen eines Betriebs gewerblicher Art oder eines land- und forstwirtschaftliehen Betriebs nicht vorliegen. 239

7.

Zusammenfassung

1.

Die Unternehmereigenschaft wird nicht durch § 2 Abs. 3 UStG begründet, sondern ist grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 UStG zu bestimmen. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts schränkt Absatz 3 die Vorschrift des § 2 Abs. 1 UStG ein.

2.

§ 2 Abs. 3 UStG ist nur dann anwendbar, wenn die Tätigkeit unmittelbar durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeübt wird. Der Sitz der juristischen Person ist für die Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG irrelevant.

3.

Der Gesetzesverweis in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf das KStG ist bindend und nicht lediglich indiziell. Daher ist die körperschaftsteuerliche Auslegung des "Betriebs gewerblicher Art" auch für das Umsatzsteuerrecht bindend.

238 So auch Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 2003, § 2, Rdnr. 169; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick!Geist, UStG, § 2, Rdnr. 1051; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 90; ähnlich Abschn. 23 Abs. 5 UStR 2000, wonach Umsatzgrenzen nicht maßgeblich sind. A.A. Schuhmann, in: HundtEßwein!Schuhmann, UStG, 2000, § 2, Rdnr. 148. 239 Vgl. Abschn. 23 Abs. 6 Satz 1 UStR 2000; Radeisen, in: Vogel/Schwarz, UStG, § 2, Rdnr. 283; Birkenfeld, USt-Handbuch, I, Rdnr. 344 f.; Birkenfeld, in Hartrnann!Metzenrnacher, UStG, § 2 Abs. 3 Satz 2, Rdnr. 1800 f. Ähnlich Reiß, in: Reiß!Kraeusel/Langer, UStG, § 2, Rdnr. 171. Etwas anders sieht dies Stadie (in Rau!Dürrwächter/Flick!Geist, UStG, § 2, Rdnr. 1058), der der Ansicht ist, dass es sich bei § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG nur um Klarstellungen handelt. Ein Unterschied ergibt sich daraus jedoch im Ergebnis mE. nicht.

354

Die deutsche Umsetzung

4.

Der Begriff der "wirtschaftlichen Tätigkeit" i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG ist deckungsgleich mit der "gewerblichen oder bemflichen" Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG. Dagegen gehört die (nicht bemflich ausgeübte) Vermögensverwaltung nicht zur "wirtschaftlichen Tätigkeit" i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG. § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 KStG kann als Einschränkung des § 2 Abs. 1 UStG dessen Allwendungsbereich nicht erweitern. Daher kann auch bei der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft), die nach autonom körperschaftsteuerlicher Auslegung einen Betrieb gewerblicher Art darstellt, eine unternehmerische Betätigung der öffentlichen Hand i.S.v. § 2 Absätze 1 und 3 UStG zu verneinen sein.

5.

Der Begriff der Einrichtung ist ohne rechtlichen Aussagewert Eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit ist stets eine "Einrichtung" i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG. Das wirtschaftliche Herausheben aus der Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts ist nach dem Verhältnis der Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit zum betroffenen Bereich der Verwaltung zu beurteilen. Dabei sind an das wirtschaftliche Herausheben jedoch keine zu großen Anfordemngen zu stellen. Wenn die Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit im Verhältnis zum betroffenen Bereich der Verwaltung völlig unbedeutend sind, ist ein wirtschaftliches Herausheben und damit ein Betrieb gewerblicher Art i.S. v. Alt. 4 KStG zu verneinen.

6.

§ 4 Abs. 3 KStG ist lex specialis zu § 4 Abs. 5 KStG. Daher sind die darin aufgezählten Versorgungsbetriebe Betriebe gewerblicher Art, ohne dass dargelegt werden muss, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 KStG erfüllt sind und die des § 4 Abs. 5 KStG (Hoheitsbetrieb) nicht erfüllt sind.

7.

§ 4 Abs. 4 KStG enthält die Fiktion, dass die Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art ein Betrieb gewerblicher Art i.S.v. § 4 KStG ist. In Abgrenzung zur sonstigen Vermögensverwaltung muss ein "Betrieb" verpachtet werden, d.h. es dürfen nicht einzelne Sachen oder Rechte Gegenstand des Pachtvertrags sein. Ein "Betrieb" wird dann verpachtet, wenn die Betrachtung ergibt, dass die juristische Person einen Betrieb gewerblicher Art unterhielte, würde sie die Pachtgegenstände so benutzen, wie sie es dem Pächter gestattet hat.

8.

Nicht zu den Betrieben gewerblicher Art gehören gern. § 4 Abs. 5 KStG Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen. Die Ausübung öffentlicher Gewalt ist dann zu bejahen,

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts mit Mitteln des öffentlichen Rechts handelt und die Tätigkeit der öffentlichen Hand "eigentümlich und vorbehalten" ist. Dies ist dann der Fall, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Mitteln des öffentlichen Rechts eine Tätigkeit ausführen, die ihnen gesetzlich zugewiesen ist, die sie nicht mit Mitteln des Privatrechts ausüben können oder dürfen, und mit der sie nicht im potentiellen Wettbewerb zu privaten Anbietern stehen. Grundsätzlich sind die verschiedenen Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts getrennt für sich zu beurteilen. Lässt sich eine Tätigkeit jedoch nicht klar dem hoheitlichen oder dem wirtschaftlichen Bereich zuordnen, so ist auf die überwiegende Zweckbestimmung abzustellen. Eine überwiegende hoheitliche Zweckbestimmung liegt nur vor, wenn die beiden Tätigkeitsbereiche derart ineinander greifen, dass eine genaue Abgrenzung nicht möglich oder nicht zurnutbar ist, wenn also die wirtschaftliche Tätigkeit unlösbar mit der hoheitlichen Tätigkeit verbunden ist und eine Art Nebentätigkeit im Rahmen der einheitlichen, dem Wesen nach hoheitlichen Tätigkeit darstellt. 9.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind gern. § 2 Abs. 3 UStG im Rahmen ihrer land- und forstwirtschaftliehen Betriebe unternehmerisch tätig Die Tätigkeiten, die als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten, sind in § 24 Abs. 2 UStG aufgeführt.

10.

Die in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 UStG bezeichneten Tätigkeiten gelten als unternehmerische Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, auch wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nicht vorliegen.

C.

Zwischenergebnis

Sowohl Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie als auch § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind keine Spezialvorschriften zur Bestimmung der Steuerpflichtigen- bzw. Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand. Vielmehr sind sie Ausnahmevorschriften zu den Grundtatbeständen der wirtschaftlichenlunternehmerischen Tätigkeit des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bzw. § 2 Abs. 1 UStG. Beide Vorschriften beziehen sich inhaltlich auf juristische Personen des öffentlichen Rechts unabhängig von deren Ansässigkeit. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie regelt die Steuerpflichtigeneigenschaft konzeptionell anders als § 2 Abs. 3 UStG: Grundsätzlich ist jedes unterneh-

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts mit Mitteln des öffentlichen Rechts handelt und die Tätigkeit der öffentlichen Hand "eigentümlich und vorbehalten" ist. Dies ist dann der Fall, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Mitteln des öffentlichen Rechts eine Tätigkeit ausführen, die ihnen gesetzlich zugewiesen ist, die sie nicht mit Mitteln des Privatrechts ausüben können oder dürfen, und mit der sie nicht im potentiellen Wettbewerb zu privaten Anbietern stehen. Grundsätzlich sind die verschiedenen Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts getrennt für sich zu beurteilen. Lässt sich eine Tätigkeit jedoch nicht klar dem hoheitlichen oder dem wirtschaftlichen Bereich zuordnen, so ist auf die überwiegende Zweckbestimmung abzustellen. Eine überwiegende hoheitliche Zweckbestimmung liegt nur vor, wenn die beiden Tätigkeitsbereiche derart ineinander greifen, dass eine genaue Abgrenzung nicht möglich oder nicht zurnutbar ist, wenn also die wirtschaftliche Tätigkeit unlösbar mit der hoheitlichen Tätigkeit verbunden ist und eine Art Nebentätigkeit im Rahmen der einheitlichen, dem Wesen nach hoheitlichen Tätigkeit darstellt. 9.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind gern. § 2 Abs. 3 UStG im Rahmen ihrer land- und forstwirtschaftliehen Betriebe unternehmerisch tätig Die Tätigkeiten, die als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten, sind in § 24 Abs. 2 UStG aufgeführt.

10.

Die in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 UStG bezeichneten Tätigkeiten gelten als unternehmerische Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, auch wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nicht vorliegen.

C.

Zwischenergebnis

Sowohl Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie als auch § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind keine Spezialvorschriften zur Bestimmung der Steuerpflichtigen- bzw. Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand. Vielmehr sind sie Ausnahmevorschriften zu den Grundtatbeständen der wirtschaftlichenlunternehmerischen Tätigkeit des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bzw. § 2 Abs. 1 UStG. Beide Vorschriften beziehen sich inhaltlich auf juristische Personen des öffentlichen Rechts unabhängig von deren Ansässigkeit. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie regelt die Steuerpflichtigeneigenschaft konzeptionell anders als § 2 Abs. 3 UStG: Grundsätzlich ist jedes unterneh-

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Zwischenergebnis

merfahige Gebilde unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. I der 6. EGRichtlinie Steuerpflichtiger. Davon macht Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie für den Fall eine Ausnahme, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird. Falls öffentliche Gewalt ausgeübt wird, ist die Steuerpflicht zu verneinen, es sei denn, (a) die Nichtbesteuerung führt zu größeren Wettbewerbsverzerrungen oder (b) es wird eine Tätigkeit i.S.v. Anhang D der 6. EG-Richtlinie in nicht unbedeutendem Umfang ausgeübt. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten bestimmte steuerbefreite Tätigkeiten als Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt betrachten. Wenn man die Sonderregelungen des Art. 4 Abs. 5 Unterabsätze 3 und 4 der 6. EG-Richtlinie außer Betracht lässt, kann man das Grundkonzept des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie folgendermaßen zusammenfassen: Grundsätzlich ist die Steuerpflicht unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zu bejahen, außer die öffentliche Hand übt die Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt aus. Etwas anderes ergibt sich hingegen dann, wenn eine Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Konzeptionell anders ist die Besteuerung der öffentlichen Hand im deutschen UStG umgesetzt. Hier bestimmt sich die Unternehmereigenschaft grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 UStG. Die jmistischen Personen des öffentlichen Rechts sind jedoch nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftliehen Betriebe unternehmerisch tätig. Es ist also die wirtschaftliche Tätigkeit des Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie 1nit der einen Betrieb gewerblicher Art begründenden Tätigkeit (ergänzt dmch die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit) zu vergleichen. Nm wenn diese Gegenüberstellung eine Deckungsgleichheit ergibt, ist die Richtlinienkonformität bezüglich der Tätigkeit zu bejahen. Hinsichtlich den beruflich ausgeübten Tätigkeiten ist grundsätzlich eine Kongruenz gegeben: Wenn eine jmistische Person des öffentlichen Rechts eine "wirtschaftliche Tätigkeit" i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EGRichtlinie ausübt, ist sie auch wirtschaftlich i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG (oder land- bzw. forstwirtschaftlich i.S. v. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG) tätig. Wie dargestellt kommt dem Kriterium der "Einrichtung" i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG keine gesonderte Bedeutung zu. Im Unterschied zm deutschen Regelung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG) erfordert Art. 4 der 6. EG-Richtlinie für die Besteuerung der öffentlichen Hand jedoch kein "wirtschaftliches Heraushe-

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

ben" i.S. einer Bagatellgrenze. Diese Voraussetzung widerspricht der 6. EGRichtlinie. 240 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die deutsche Umsetzung hinsichtlich der Behandlung der nichtberuflichen Nutzungsüberlassung richtlinienkonform ist. Nach der 6. EG-Richtlinie ist die dauerhafte nichtberufliche Nutzungsüberlassung eine wirtschaftliche Tätigkeit, die die Steuerpflichtigeneigenschaft der öffentlichen Hand begründen kann. Nach deutschem Recht (und der bindenden Verweisung des § 2 Abs. 3 UStG auf das KStG) ist die Nutzungsüberlassung (als vermögensverwaltende Tätigkeit) lediglich im Fall der Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art eine Tätigkeit, die die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts begründen kann. Dies spricht dafür, dass die Behandlung der vermögensverwaltenden Tätigkeit der öffentlichen Hand im deutschen Recht (als nicht umsatzsteuerbar) richtlinienwidrig ist. Etwas anderes könnte sich jedoch aus der Regelung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie ergeben: Diese Vorschrift gestattet den Mitgliedstaaten, bestimmte steuerbefreite Tätigkeiten, wie die Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken, als Tätigkeiten zu behandeln, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen; d.h. die Mitgliedstaaten haben ein Wahlrecht, diese Tätigkeiten zur Ausübung öffentlichen Gewalt zu rechnen oder nicht. Nur wenn die Mitgliedstaaten ihr Wahlrecht dahin ausüben, bestimmte steuerbefreite Tätigkeiten als Ausübung öffentlicher Gewalt zu behandeln, sind die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie erfüllt. Fraglich ist also, ob der deutsche Gesetzgeber die nach Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie steuerfreie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken als Tätigkeit behandelt, die der öffentlichen Hand im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt. Diese Frage ist zu verneinen: Es lässt sich nicht feststellen, dass der deutsche Gesetzgeber den Willen hatte, irgendeine steuerbefreite Tätigkeit als Ausübung öffentlicher Gewalt zu behandeln. Dagegen spricht auch, dass § 4 KStG die gesamte vermögensverwaltende Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als nicht steuerbar behandelt und nicht nur die nach Art. 13 oder Art. 28 der 6. EG-Richtlinie steuerbefreiten Tätigkeiten. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass der

240 Ähnlich Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 17 f.; Reiß, UR 1994, 388 (389). Dem lässt sich auch nicht entgegen halten, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie erfordere eine "größere" Wettbewerbsverzerrung. Nach Art. 4 Abs. I der 6. EG-Richtlinie ist die öffentliche Hand mit jeder (auch noch so unbedeutenden) Tätigkeit grundsätzlich wirtschaftlich tätig.

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Zwischenergebnis

deutsche Gesetzgeber die gesamte vermögensverwaltende Tätigkeit als Ausübung öffentlicher Gewalt ansehen wollte, zumal er sich damit richtlinienwidrig verhalten hätte. Hinzu kommt, dass im nationalen Recht von jeher die vermögensverwaltende Tätigkeit nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt angesehen wurde. Daher kann man nicht im Wege der Auslegung § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 KStG einen Sinn beigeben, der ihm nach dem klar feststellbaren Willen des nationalen Gesetzgebers nicht zukommen sollte. 241 Folglich ist eine Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie im deutschen Recht nicht erfolgt. 242 Somit widerspricht die deutsche Umsetzungsvorschrift hinsichtlich der dauerhaften, nichtberuflichen Nutzungsüberlassung der Richtlinienvorgabe. 243 Fraglich ist weiterhin, ob die europäische Vorgabe und die deutsche Umsetzung hinsichtlich der Regelung des nichtunternehmerischen, hoheitlichen Bereichs der juristischen Personen des öffentlichen Rechts übereinstimmen. Die Ausübung der öffentlichen Gewalt ist im europäischen Recht etwas weiter definiert als im deutschen Recht: Ausübung öffentlicher Gewalt ist bereits dann zu bejahen, wenn die öffentliche Hand im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung agiert. Diese Voraussetzung enthält das deutsche Recht ebenfalls. Darüber hinaus ist im deutschen Recht jedoch die Ausübung öffentlicher Gewalt nur dann zu bejahen, wenn die Aufgabe der öffentlichen Hand gesetzlich zugewiesen ist und ein potentieller Wettbewerb mit privatrechtliehen Unternehmern ausgeschlossen ist. Hinsichtlich der Bestimmung der Ausübung öffentlicher Gewalt ist die deutsche Umsetzung somit enger als die Vorgabe. Es ist jedoch zu beachten, dass nach Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie- auch wenn öffentliche Gewalt ausgeübt wird - die Steuerpflicht dennoch zu bejahen ist, wenn es zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen könnte. Der Wettbewerbsvorbehalt, der im deutschen Recht bereits in der Definition der öffentlichen Gewalt beinhaltet ist, wird 241 Vgl. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 296, FN 95 mw.N., S. 298 f. 242 So auch Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 295 ff. A.A. wohl - wenn auch ohne nähere BegrUndung- BFH, Urt. v. 11.6.1997- XI R 33/94, BStB!. 1999 II, 418 (419 f.); Raudszus!Weimann, DStR 1995, 1373 (1375). M.E. war die erste Vorlagefrage des BFH in der Rechtssache "Marktgemeinde Weiden", durch die geklärt werden sollte, ob eine Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie im konkreten Fall zulässig war (siehe oben, S. 285) aus diesem Grund neben der Sache liegend. 243 So auch Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 299; Forster, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, 1997, S. 131 f.; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 170; Reiß, UR 1994, 388 (389); Wagner, DStJG 13 (1990), 59 (71 f.).

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Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

im europäischen Recht somit eigens erwähnt. Auch das Erfordernis der gesetzlichen Zuweisung der Tätigkeit an die öffentliche Hand ist kein Merkmal, das die deutsche Vorschrift gegenüber der europäischen weiter eingrenzt, da kaum Tätigkeiten denkbar sind, die nicht der öffentlichen Hand gesetzlich zugewiesen sind, von dieser jedoch im Rahmen der Regelungen des öffentlichen Rechts ausgeübt werden können. Somit ist davon auszugehen, dass die Ausübung öffentlicher Gewalt im deutschen Recht und im europäischen Recht (i. V.m. dem Wettbewerbsvorbehalt) übereinstimmend geregelt wird. 244 Auch ist davon auszugehen, dass die in § 4 Abs. 5 KStG enthaltene "Überwiegens"-Regel richtlinienkonform ist. Obgleich grundsätzlich die verschiedenen Tätigkeiten der öffentlichen Hand nach europäischem ebenso wie nach deutschem Recht getrennt für sich zu beurteilen sind, ist auf die überwiegende Zweckbestimmung abzustellen, wenn eine klare Zuordnung nicht möglich ist. Wenn die wirtschaftliche Tätigkeit unlösbar mit der hoheitlichen Tätigkeit verbunden ist, jedoch nur eine Art Nebentätigkeit im Rahmen der einheitlichen, dem Wesen nach hoheitlichen Tätigkeit darstellt, liegt eine überwiegende hoheitliche Zweckbestimmung vor. Auch die weiteren Bestimmungen des§ 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 KStG sind eine zutreffende Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie: § 4 Abs. 2 KStG hat - wie erläutert - keine eigenständige Bedeutung. Die Behandlung der Versorgungsbetriebe als unternehmensehe Betätigung gern.§ 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 Abs. 3 KStG steht im vollem Einklang mit Art. 4 der 6. EG-Richtlinie: Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie bestimmt, dass öffentlich-rechtliche Einrichtungen bezüglich der in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten in jedem Fall als Steuerpflichtige gelten. Dazu gehören die Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität und thermischer Energie sowie die Beförderung von Personen und Dienstleistungen in Häfen und auf Flughäfen. 245 Allerdings enthält Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EGRichtlinie für die Mitgliedstaaten die Befugnis, Tätigkeiten dieser Art von

244 Ähnlich Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, 1997, S. 91; a.A. Weich (Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 173), der- mE. wenig überzeugend - in der Eingrenzung des Begriffs der öffentlichen Gewalt durch das Wettbewerbskriterium im deutschen Recht einen inhaltlichen Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung sieht. Ähnlich Forster, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, 1997, S. 141. 245 So auch Siegel, Betrieb gewerblicher Art, 1999, S. 300 f. A.A. Wagner [UR 1993, 301 (302)], der offensichtlich die Regelung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m Anhang D der 6. EG-Richtlinie übersieht.

360

Zwischenergebnis

unbedeutendem Umfang nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Davon ist im deutschen Recht zulässigerweise nicht Gebrauch gemacht worden. 246 Auch in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG ist, da das Gesetz Wettbewerbsverzerrungen mit in ähnlicher Weise privatrechtlich tätigen Unternehmen ausschalten will, eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie zu sehen.

246 So auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel!Langer, UStG, § 2, Rdnr.l56.

361

Zusammenfassung I.

Die Umsatzsteuer ist seit dem Systemwechsel 1967 als AllphasenNetto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug ausgestaltet. Durch die 6. EG-Richtlinie werden die Umsatzsteuergesetze der EUMitgliedstaaten angeglichen. Als indirekte Verbrauchsteuer wird die Umsatzsteuer maßgeblich vom Grundsatz der Wettbewerbsneutralität geprägt. Schlüsselbegriff des deutschen Umsatzsteuerrechts ist der in§ 2 UStG kodifizierte "Unternehmer".

2.

In allen Regelungen der 6. EG-Richtlinie bzw. des deutschen UStG, die auf den "Steuerpflichtigen" bzw. den "Unternehmer" Bezug nehmen, ist die Definitionsnorm des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie bzw. des § 2 UStG heranzuziehen.

3.

Die Unternehmerfähigkeit wird im deutschen Recht übereinstimmend mit der 6. EG-Richtlinie geregelt: Neben natürlichen und juristischen Personen sind (nach außen auftretende) Personengesellschaften unternehmerfähig. Entgegen der national hM besitzen Bruchteilsgemeinschaften nicht die Fähigkeit Unternehmer zu sein.

4.

Die Steuerpflichtigen- bzw. Unternehmereigenschaft ist ausschließlich anband der Tätigkeit zu beurteilen: Der Niederlassungsort des Steuerpflichtigen/Unternehmers und der Zweck der Tätigkeit (insbesondere eine eventuelle Gesetz- oder Sittenwidrigkeit) sind für die subjektive Umsatzsteuerpflicht unerheblich. Die Unternehmereigenschaft darf nicht alleine auf Grund des Ergebnisses der Tätigkeit bzw. wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht verneint werden.

5.

Entgegen der EuGH- und BFH-Rechtsprechung sowie der herrschenden Literatur erfordern weder der "Steuerpflichtige" der 6. EG-Richtlinie noch der "Unternehmer" des UStG das Ausfuhren entgeltlicher Umsätze. Die 6. EG-Richtlinie, die durch Art. 17 Abs. 2 den Vorsteuerabzug im Fall der Nichtausführung steuerbarer Umsätze ausschließt, wurde in diesem Punkt nicht zutreffend ins deutsche Recht umgesetzt. Die von der national hM vorgenommene einengende Auslegung des Unternehmerbegriffs kommt daher im Ergebnis der unmittelbaren Anwendung einer Richtlinienvorschrift zu Lasten des Einzelnen gleich. Eine solche unmittelbare Anwendung ist jedoch unzulässig.

363

Zusammenfassung

6.

§ 2 Abs. 1 UStG setzt, die Frage der unternehmerischen Tätigkeit betreffend, Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie richtlinienkonform um. Sowohl Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie als auch § 2 Abs. 1 UStG beschreiben zwei unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Tatbestände der wirtschaftlichenlunternehmerischen Tätigkeit. Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG und in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie aufgeführte beruflich ausgeübte Tätigkeit ist typologisch zu bestimmen und erfordert eine regelmäßige Leistungstätigkeit Demgegenüber wird die nichtberufliche Tätigkeit von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie und § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG abstrakt klassifikatorisch definiert: Nur die dauerhafte, in der Absicht der Einnahmenerzielung ausgeübte Nutzungsüberlassung begründet die Unternehmereigenschaft Der zu weite Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist insoweit richtlinienkonform einzuschränken. Die nichtberufliche Nutzungsüberlassung an Kapital begründet weder auf der Ebene der 6. EG-Richtlinie noch im deutschen Umsatzsteuerrecht die Unternehmereigenschaft.

7.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie, welche die Mitgliedstaaten ermächtigt, auch Personen, die gelegentlich tätig sind, als Steuerpflichtige zu betrachten, wurde vom deutschen Gesetzgeber nicht umgesetzt. Daher kann eine gelegentlich ausgeübte Leistungstätigkeit keine Unternehmereigenschaft begründen.

8.

Die deutsche Umsetzungsvorschrift ist in der Frage des Beginns der wirtschaftlichen Tätigkeit richtlinienkonform: Die wirtschaftliche/unternehmerische Tätigkeit setzt grundsätzlich das Erbringen von Leistungen voraus. Daher beginnt die Tätigkeit jedenfalls mit der Aufnahme der Leistungstätigkeit Art. 4 der 6. EG-Richtlinie ist jedoch ebenso wie§ 2 UStG dahingehend auszulegen, dass die wirtschaftliche/unternehmerische Tätigkeit bereits mit der ersten Vorbereitungshandlung beginnt, die in der nachgewiesenen Absicht der späteren Leistungstätigkeit ausgeführt wird. Somit ist auch der sog. "erfolglose Unternehmer" Umsatzsteuerpflichtiger. Wenn der Handelnde gegenüber dem Finanzamt bei der Erklärung, eine bestimmte wirtschaftliche/unternehmerische Tätigkeit ausüben zu wollen, falsche Angaben macht, kann das Finanzamt die Einstufung als Steuerpflichtiger nachträglich berichtigen und einen zu Unrecht gewährten Vorsteuerabzug zurückfordern.

9.

Die die Selbständigkeit natürlicher Personen betreffende Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist keine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Sowohl die 6.

364

Zusammenfassung

EG-Richtlinie als auch das UStG bestillllllen die Selbständigkeit negativ: Derjenige ist selbständig tätig, der nicht im konkreten Fall als Unselbständiger handelt. Anders als im europäischen Recht ist die Unselbständigkeit natürlicher Personen im deutschen Recht nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut ausschließlich nach dem Innenverhältnis zu bestimmen. Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EGRichtlinie ist demgegenüber nur derjenige unselbständig, dessen Betätigung im Innen- und Außenverhältnis als unselbständig zu beurteilen ist. Dieser abweichende Beurteilungsmodus führt z.B. bei Arbeitnehmern, die nach außen im eigenen Namen auftreten, zu Unterschieden: Während nach der 6. EG-Richtlinie die Selbständigkeit zu bejahen wäre (keine Unselbständigkeit im Außenverhältnis), müsste nach dem UStG die Selbständigkeit wegen der Unselbständigkeit im Innenverhältnis negiert werden. Unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie wäre die Steuerpflichtigeneigenschaft des Handelnden zu bejahen, während die Unternehmereigenschaft i.S.v. § 2 UStG abzulehnen wäre. 10.

Die Organschaftsregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG hält sich im Rahmen der Ermächtigung der Richtlinienvorgabe. Die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie erforderliche Konsultation ist erfolgt. Der deutsche Gesetzgeber hat die ihm von der 6. EGRichtlinie eröffneten Möglichkeiten, bestimmte "Personen" zusammenzufassen, nicht vollständig ausgeschöpft. Über die deutsche Regelung hinaus hätte die 6. EG-Richtlinie auch die Zusammenfassung nebengeordneter Gesellschaften und die Eingliederung von Personengesellschaften in das Unternehmen des Organträgers zugelassen. Vor der Begründung der Organschaft muss der Organträger auf Grund einer eigenen Tätigkeit Steuerpflichtiger bzw. Unternehmer sein; eine Zurechnung der wirtschaftlichen/unternehmerischen Tätigkeit der Tochtergesellschaft(en) ist somit nicht möglich. Seit der Einfügung der Sätze 2 bis 4 in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entspricht die deutsche Regelung der europäischen Vorgabe auch hinsichtlich der Beschränkung auf im Inland ansässige Personen.

11.

Sowohl Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie als auch§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG schränken die Grundtatbestände des Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie und des § 2 Abs. 1 UStG ein. Beide Normen beziehen sich auf juristische Personen des öffentlichen Rechts unabhängig von deren AnsässigkeiL Die Vorschriften stillllllen den Inhalt der beruflich ausgeübten Tätigkeit betreffend überein. Beruflich ausgeübte Tätigkeiten können nach deutschem Recht gern. § 2 Ab-

365

Zusammenfassung

sätze I und 3 UStG (i.V.m. § 4 Abs. I KStG) ebenso wie nach europäischem Recht gern. Art. 4 Absätze I und 5 der 6. EG-Richtlinie die Unternehmer- bzw. Steuerpflichtigeneigenschaft der öffentlichen Hand begründen. Dennoch kann§ 2 Abs. 3 Satz I UStG i.V.m. § 4 KStG nicht als vollständig richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie angesehen werden: Im Vergleich zur Richtlinienvorgabe regelt § 2 Abs. 3 UStG die Unternehmerische Tätigkeit enger: So erfordert § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 Abs. I KStG bei beruflich ausgeübten Tätigkeiten (Ausnahme: Land- und Forstwirtschaft) ein "wirtschaftliches Herausheben" der Tätigkeit innerhalb der Gesamtbetätigung der öffentlichen Hand, während nach europäischem Recht jede (auch geringfügige) wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 Satz I der 6. EG-Richtlinie die Steuerpflichtigeneigenschaft der öffentlichen Hand begründen kann. 12.

Augenfalliger ist die Diskrepanz zwischen europäischer Vorgabe und deutscher Umsetzung hinsichtlich der vermögensverwaltenden Tätigkeit der öffentlichen Hand: Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie ist die dauerhafte nichtberufliche Nutzungsüberlassung eine wirtschaftliche Tätigkeit, die die Steuerpflichtigeneigenschaft der öffentlichen Eimichtungen begründen kann. Im deutschen Umsatzsteuerrecht (mit der bindenden Verweisung auf das KStG) kann demgegenüber die Vermögensverwaltung - außer im Ausnahmefall der Betriebsverpachtung - die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand nicht begründen. In der grundsätzlichen Nichtbesteuerung vermögensverwaltender Tätigkeiten durch die öffentliche Hand ist dabei keine Umsetzung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-Richtlinie zu sehen.

13.

Soweit eine juristische Person des öffentlichen Rechts hoheitlich tätig ist, ist eine wirtschaftliche bzw. Unternehmerische Tätigkeit zu verneinen. Dabei wird die Ausübung öffentlicher Gewalt im deutschen Recht und im europäischen Recht (i.V.m. dem Wettbewerbsvorbehalt des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie) übereinstimmend geregelt. Auch die weiteren Bestimmungen des § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 KStG halten sich im Rahmen der Richtlinienvorgabe.

366

Fazit Wie die Zusammenfassung der Ergebnisse im vorangegangenen Kapitel zeigt, ist der in § 2 UStG kodifizierte Unternehmerbegriff in wesentlichen Teilen eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie. Auf Grund der dargestellten Diskrepanzen sind jedoch folgende Forderungen an den Gesetzgeber zu stellen: 1.

Bruchteilsgemeinschaften besitzen nicht die Fähigkeit, Unternehmer i.S. des § 2 UStG zu sein. Demgegenüber verleiten die § 4 Nr. 14 Satz 2 und§ 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG zu der Annahme, der Gesetzgeber habe den Gemeinschaften die Unternehmerfähigkeit verleihen wollen. So werden in§ 4 Nr. 14 Satz 2 UStG bestimmte Leistungen von Gemeinschaften steuerfrei gestellt. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG spricht von Lieferungen und sonstigen Leistungen, die Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens ausführen. Diese Vorschriften sind klarstellend zu berichtigen.

2.

Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie wird durch § 15 UStG nicht zutreffend umgesetzt. § 15 UStG ist dahin gehend zu konigieren, dass der Unternehmer nur berechtigt ist, die Vorsteuer hinsichtlich der Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die für Zwecke seiner besteuerten Umsätze (nicht lediglich "für sein Unternehmen") verwendet werden. Die Anpassung des § 15 UStG an die Richtlinienvorgabe, würde die von der ganz hM zu Unrecht vertretene einengende Auslegung des § 2 UStG entbehrlich machen: Die Unternehmereigenschaft erfordert - ebenso wie die Steuerpflichtigeneigenschaft- keine entgeltlichen Umsätze.

3.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG sollte korrigiert werden: Bei oberflächlicher Lesart suggeriert der Wortlaut, dass die "gewerbliche oder berufliche" Tätigkeit durch "jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" definiert wird. Beide Sätze bezeichnen hingegen unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Tatbestände der Unternehmerischen Tätigkeit. Ferner sollte klargestellt werden, dass nicht jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen unternehmerisch ist, sondern nur die Nutzungsüberlassung an körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen. Schließlich sollte die Neufassung des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG die teleologische Reduktion des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie hinsichtlich der nicht beruflichen Nutzungsüberlassung an Kapital berücksichtigen. Folglich

367

Fazit

sollten an Stelle des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG folgende Sätze eingefügt werden: "Als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit gilt auch die Nutzungsüberlassung an körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen; dies gilt nicht für die nichtberufliche Überlassnng von Kapital gegen Zinsen. Die Unternehmereigenschaft ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird." 4.

Die (Un-)Selbständigkeit natürlicher Personen ist ausweislich des Wortlauts des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausschließlich anband des Innenverhältnisses zu beurteilen. Dies widerspricht Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Zur Herstellnng der Richtlinienkonformität wäre die Vorschrift wie folgt zu formulieren: "Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind, und - sofern sie Dritten gegenüber handeln - in fremdem Namen auftreten." Auf diese Art würde auch die oben erwähnte Problematik der Prüfung des Innenverhältnisses durch den Vertragspartner des Dritten 1 entfallen: Falls der Auftragnehmer nach außen hin in eigenem Namen auftritt, ist er - mangels Unselbständigkeit im Außenverhältnis - als Selbständiger zu behandeln. Darüber hinaus würde bei einer solch kombinierten Betrachtungsweise des Innen- und Außenverhältnisses der falsus procurator - da nicht unselbständig im Innenverhältnis - als Selbständiger behandelt werden. Folglich würde bei der hier vorgeschlagenen Betrachtungsweise auch der o.a. Kritikpunkt hinsichtlich der Beurteilung der Selbständigkeit ausschließlich nach dem Außenverhältnis2 entfallen.

5.

Das Rechtsinstitut der umsatzsteuerliehen Organschaft sollte im deutschen Umsatzsteuerrecht abgeschafft werden. 3 Seit der Einführung des Allphasen-Netto-Systems mit Vorsteuerabzug wird die Neutralität der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette durch den Vorsteuerabzug hergestellt, so dass dieses Rechtsinstitut zur Vermeidung der Umsatzsteuerkumulation überflüssig geworden ist. Darüber hinaus kann durch die Organschaftsregelungen nicht die Un-

2 3

Siehe oben. S. 238 f. Siehe oben, S. 238 ff. Ebenso Steppert, UR 1994, 343 (345 f.).

368

Fazit

ternehmereigenschaft des selbst nicht unternehmerisch tätigen Organträgers begründet werden, da der Organträger nach deutschem (ebenso wie nach europäischem) Recht vor der Begründung der Organschaft selbst Steuerpflichtiger bzw. Unternehmer sein muss. Eine Zurechnung der Tätigkeiten der Tochtergesellschaft(en) kommt mithin nicht in Betracht. Durch eine Abschaffung der Organschaft, die von der 6. EG-Richtlinie nicht zwingend gefordert wird, würde auch der unter Gleichheitsaspekten fragwürdige Zustand beseitigt, dass nur Kapitalgesellschaften Organe sein können. Schließlich würde die Abschaffung der umsatzsteuerliehen Organschaft zu einer Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts beitragen. 6.

Hinsichtlich der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand ist zur Herstellung der Richtlinienkonformität die Bindung des Umsatzsteuerrechts an das Körperschaftsteuerrecht zu lösen. 4 § 2 Abs. 3 UStG sollte in Anlehnung an Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie folgendermaßen formuliert werden: "Juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Unternehmer, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Unternehmer, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen fuhren könnte. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts gelten in jedem Fall als Unternehmer in Bezug auf die folgenden Tätigkeiten: [Es folgt eine dem Anhang D der 6. EG-Richtlinie entsprechende Liste]."

7.

Zusammenfassend wäre die Regelung folgendermaßen richtlinienkonform zu formulieren:

§ 2 Unternehmer, Unternehmen

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit gilt auch die Nutzungsüberlassung an körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen; dies gilt nicht für die nichtberufliche Überlassung von Kapital gegen Zinsen. Die Unternehmereigenschaft ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil die Absicht,

4

So auch Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, 1996, S. 181 f.

369

Fazit

Gewirm zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. (2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind und - sofern sie Dritten gegenüber handeln in fremdem Namen auftreten. (3) Juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Unternehmer, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Unternehmer, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen körmte. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts gelten in jedem Fall als Unternehmer in Bezug auf die folgenden Tätigkeiten: 1.

Fernmeldewesen,

2.

Lieferung von Gas, Wasser, Elektrizität und thermischer Energie,

3.

Beförderung von Gütern,

4.

Dienstleistungen in Häfen und auf Flughäfen,

5.

Beförderung von Personen,

6.

Lieferung von zum Verkauf bestimmten neuen Fertigwaren,

7.

Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anwendung der Verordnungen über eine gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden,

8.

Veranstaltung von Messen und Ausstellungen mit gewerblichem Charakter,

9.

Lagerhaltung,

10.

Tätigkeiten gewerblicher Werbebüros,

11.

Tätigkeiten der Reisebüros,

12.

Umsätze von betriebseigenen Kantinen, Verkaufsstellen und Genossenschaften und ähnlichen Einrichtungen,

13.

Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten mit gewerblichem Charakter.

370

Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen "Aardappelenbewaarplaats "Entscheidung 65 f., 72, 88 Aktien 121 ff., 153 ff. Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer 6 f., 10 f., 26 Allphasen-Netto-Umsatzsteuer 6 f., 10 f. anbietende Tätigkeit am Markt 113, 169, 175 Anleihen 131, 140 ff., 150 Ansässigkeit im Inland 257 ff. Anstalt 326 f., 306 f. "Apple an Pear Development"Entscheidung 70 f., 75, 80 Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes 175 ff., 184 Arbeitgeber 225 ff., 232 ff., 244 f. Arbeitnehmer 226 ff., 231 ff., 244 ff. Arbeitsgemeinschaft 175 ff., 184 Auftraggeber 230 ff. - Eingliederung 234 - Weisungsgebundenheit 234 Auftragnehmer 230 ff. ausschließlich wirtschaftliche Nutzung 132 Außengesellschaften 45 Außenverhältnis 231, 236 ff. Ausübung öffentlicher Gewalt 344 "Ayuntamiento de Sevilla"Entscheidung 226 ff., 245, 247 ff. Baugrundstücke 94, 119, 150 ff. bebautes Grundstück 94, 119, 150 ff., 190 f.

Begirm - der Unternehmerischen Tätigkeit 214 ff. - der wirtschaftlichen Tätigkeit 188 ff. berufliche Tätigkeiten 104 ff., 112, 116 f., 162 berufliche Vermögensverwaltung 103 Besitz von Schuldverschreibungen 131, 140 ff., 150 Besteuerungsverfahren 45 Bestimmungslandprinzip 10 Beteiligtenfähigkeit - öffentlich-rechtliche 43 Beteiligung am Markt 113, 165, 169, 175 Beteiligungen 121 ff., 142, 153 ff. Beteiligungspapiere 121 ff., 142, 153 ff. Betrieb gewerblicher Art 285, 330 ff. Betriebsstätten 258 ff., 272 ff. Beweislast - objektive 212 f., 223 "Breitsohl"-Entscheidung 195 ff., 202, 204 ff., 211 ff. Bruchteilsgemeinschaft 42 ff. Brutto-Umsatzsteuer 7 Bundespost 302 "Comune di Carpaneto Piacentino"Entscheidung 284 f., 298 Dauermoment 113, 169, 175 Dauerschuldverhältnisse 138, 150

371

Stichwortverzeichnis

"Denkavit Dienstbetoon"Entscheidung 247 f., 250 ff., 260 f. "DFDS"-Entscheidung 249 f., 254 f., 257 f. Dienstleistung 71, 99, 109 Eigenbelliebe 296 Eigenverbrauch 5 "Einberger I"-Entscheidung 50 "Einberger !!''-Entscheidung 50 f. Einfuhrumsatzsteuer 4 f., 10, 50, 56 Eingliederungsmerkmale 260 ff., 269 ff. - fmanzielle 269 f. - organisatorische 270 - wirtschaftliche 270 Einheitlichkeit - des Unternehmerbegriffs 31 ff. - des Steuerpflichtigenbegriffs 29 ff. Einkommenserzielung 8 Einkommensverwendung 4, 8 Einnahmeerzielungsabsicht 116 f., 144, 161, 180, 187 ff., 330 ff. Einräumung eines Erbbaurechts 119 f., 132, 138, 144 ff. Einrichtung - des öffentlichen Rechts 278 ff., 295 ff., 306 ff., 319 - funktionelle Einheit 332 ff. Einzelhandelssteuer 6 f Endabnehmer - private 25 Endverbrauch 168 Endverbraucher 5, 88, 90 "Enkler"-Entscheidung 61 f., 85, 95 ff., 109, 123 ff., 135, 138, 144 ff., 154 Entgelt 7, 113 372

- Erforderlichkeit 64 ff., 86 ff. - umsatzsteuerliches 7 - zivilrechtliches 7 Entgeltliche Tätigkeit - Erforderlichkeit 64 ff., 86 ff. Erforderlichkeit einer Gewinnerzielungsabsicht 61 ff., 84 ff., 113, 169 ff. Ergebnis der Tätigkeit 61 ff., 83 ff. Fälligkeitssteuer 3 "Fazenda Publica"-Entscheidung 289 ff., 314 f. "Floridienne"-Entscheidung 128 f., 136, 139 ff. Forderungspapiere 142 Fremdversarger 88 Fusionsrichtlinie 258 "Gabalfrisa"-Entscheidung 194 f., 201, 210 ff. Gaststätte 285 f. Gebietskörperschaften 326 Geeignetheit zur Überschusserzielung 113, 169, 175 Gegenstandsnutzung - berufliche 99 ff. -private 99ff.,118ff.,136ff. Geldanlagen 123 gelegentliche Leistungserbringung 115 ff., 150 ff. gelegentliche Tätigkeit 115 ff., 150 ff., 176 ff. "Gemeente Emmen "-Entscheidung 151 f. Gemeindeverbände 327 Gemeinschaftsteuer 4 Gerichtsvollzieher 105 f., 278 f. Gesamtsteuerbelastung 9 Geschäfte

StichwoJtverzeichnis

- illegale 49 ff., 82 f., 92 f. geschäftliche Tätigkeit 113, 169, 172, 175 Geschäftsbetrieb 113, 169, 175 Gesellschaftsanteile 130 f., 149 Gesetzeswidrigkeit 92 f., 49 ff., 82 f. Gewerbebetrieb 335, 341 gewerbsmäßiger Wertpapierhandel 108 Gewinnerzielungsabsicht - Erforderlichkeit 61 ff., 84 ff., 113, 169 ff. gleichgestellte Berufe 111 ff. grammatikalische Auslegung 35 f. Grundsatz der steuerlichen Wertneutralität 52, 54

Indirekte Steuer 3 inländische Betriebsstätten - ausländischer Gesellschaften 258 f. Innengesellschaften 42, 45 Innenverhältnis 232 ff., 238 ff. Innergemeinschaftlicher Erwerb 24 f. Innergemeinschaftliche Lieferungen 24f.,l84 Innungen 326 Intensität des Tätigwerdens 133, 165 Investitionsausgaben 190 ff., 203 ff. "INZO"-Entscheidung 191 ff., 199 ff., 204 ff.

Halten von Schuldverschreibungen 136, 141 Halten von Wertpapieren 131, 140 ff., 150 Handwerkskammer 326 "Happy family"-Entscheidung 51 Harmonisierungsziel 301 "Harnas & Helm"-Entscheidung 126 ff., 136, 142 f. "Heerma"-Entscheidung 34, 228 ff., 250 f., 255 f. Historische Auslegung 37 f., 267 f. Höhe der Einnahmen 62, 85, 166 Hoheitsbetriebe 344 ff. Holdinggesellschaften 88 ff., 120 ff., 128 ff., 132 ff., 139 ff. - geschäftsleitende 133 f., 139 ff. - rein verwaltende 132 ff., 139 ff. "Hong Kong Trade"- Entscheidung 66 ff., 72 f., 74 ff. "Horvath"-Entscheidung 49 f.

juristische Person 19, 256 f. - Unselbstständigkeit 247 ff., 264 ff. - Unternehmerfähigkeit 33 f., 41 juristische Personen des öffentlichen Rechts 325 ff. - ausländische 326 f. ,,!(/Frankreich"-Entscheidung 287 f. ,,K/Niederlande''-Entscheidung 105 f., 226, 278 f. Kapital gegen Zinsen 123, 141 f., 146 ff. Kapitalgesellschaften 40, 250 keine private Tätigkeit 118, 175 "Kerrut"-Entscheidung 151 klassifikatorischer Begriff 153 f. Kleinunternehmer 301, 311 Konsultation 247, 274 Kooperation 270 Körperschaft 325 f.

illegale Tätigkeit 49 ff., 82 f., 92 f. 373

Stichwortverzeichnis

Körperschaften des öffentlichen Rechts 325 f. Körperschaftsteuerrecht - Maßgeblichkeit 327 ff. Körperschaftsteuerreformgesetz 20 Kreditgewährung 141 f. land- und forstwirtschaftliche Betriebe 353 ff. "Lange"-Entscheidung 54, 58, 60 Leistungsaustausch 4 f., 88 f. Leistungsbegriff 89 Leistungserbringung - Absicht 205 f., 210 f., 217 f. - gegen Entgelt 86 ff. - gelegentliche 150 ff. - regelmäßige 115 ff., 175 f. Leistungsfähigkeitsprinzip 8 f. Leistungstätigkeit 162 Liebhaberei 63 f., 84 Marktbeteiligung 113, 165, 169, 175 "Marktgemeinde Welden"Entscheidung 285 ff., 302 f., 313, 328 Maut 287 f. Mehrjährige Tätigkeit 165 Mehrwert 7 Mehrwertsteuer 6 Mehrwertsteuersystem 21 f. Missbrauchsgefahr 193 f., 201, 212 Mitunternehmerschaft 337 "Mol"-Entscheidung 51 ff. Muttergesellschaft 254 f., 268 Nachholwirkung 9 Nachhaltigkeit 85, 102, 112, 115, 144 f., 163 ff., 180 f. Nachweispflicht 212, 223

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Natürliche Personen 33, 35, 238, 246 Netto-Umsatzsteuer 7 Nichtselbstständiger Amtsträger 231 Nichtsteuerbare Innenumsätze 271 Niederlassungsort 48 f., 82, 92 Notare 278 f., 105 f., 226 Nutzung körperlicher Gegenstände 93, 99 ff., 118 ff., 136 ff. Nutzung von Beteiligungen 139 Nutzung von Kapital 136 Nutzungsüberlassung 93, 99 ff., 118 ff., 136 ff. Objektsteuer 3 öffentliche Einrichtungen 17 öffentliche Gewalt 277, 293 - steuerbefreite Tätigkeiten 302, 312 - Tätigkeiten 319 - wesentliche Merkmale 280 Optionsscheine 143 Organgesellschaft 261 organisatorische Eingliederung 270 organisatorische Verbundenheit 261 Organschaft 246 ff. - Beschränkung aufs Inland 271 f. - grenzüberschreitende 271 f. organschaftsähnliches Verhältnis 243 ff., , 265 Organträger 252 ff., 260 ff., 266 ff. - Erforderlichkeit eigener untemehmerischer Tätigkeit 266 ff. Ortsunabhängigkeit 48 f., 82, 92 Parkmöglichkeiten 289 Parkplätze 289 Periodensteuer 3

Stichwortverzeichnis

Personenhandelsgesellschaften 45, 245 Personenvereinigung 35 ff., 182 f. "Polysar"-Entscheidung 29 f., 95 ff., 120 ff., 132 ff., 139, 248 f., 252 ff., 256 ff., 262 privater Anleger 108 f., 117, 129 private Vermögensverwaltung 97, 102 ff., 180 f. Planmäßigkeit 113, 117 f., 178 f. Rahmenbedingungen der unternehmefischen Tätigkeit 4 7 ff. Rechnung 7, 24, 39 Rechtsfähigkeit 34, 38 ff. regelmäßige Leistungserbringung 115 ff., 156, 175 ff. "Regie dauphinoise"-Entscheidung 122 f., 134, 141 f. Regressionseffekt 9 Regressionswirkung 9 Religionsgemeinschaften 326 "Rompelman"-Entscheidung 95, 189 ff., 198 f., 203 f. Schuldverschreibung 140 ff., 142, 150 Selbstständigkeit 225 ff. - juristischer Personen 246 ff. - natürlicher Personen 225 ff. - Typusbegriff 233 f. Sittenwidrigkeit 92 Sondervermögen 44, 39 f. Sparbuch 146 ff. Spareinlage 141 f. Steuerbefreiung 229, 278, 281, 285,293 - Verzicht 24 Steuereinnehmer 24, 227 f. Steuereinsammler 24 Steuergerechtigkeit 8

steuerliche Prinzipien 8 ff. Steuerneutralität 12, 32, 109, 206, 282, 299 ff. Steuerobjekt 88 f. Steuerschuldner 1, 3, 35, 90 Steuersubjekt 3, 14, 23, 33, 88 f. Steuervoranmeldung 3 f., 24, 43, 196 Stiftung 306, 326 Subjektssteuer 9 systematische Auslegung 38 ff. Tätigkeit berufliche 104 ff., 170 ff., 334 f. gewerbliche 170 ff. gelegentlich wirtschaftliche 115 ff., 150 ff., 176 ff. nachhaltige 85, 102, 112, 115, 144 f., 163 ff., 180 f. regelmäßige 115 ff., 156, 175 ff. von Personenvereinigungen 182 f. - Vorbereitungshandlungen 192 f., 204 ff., 213 ff. teleologische Auslegung 36 f. teleologische Reduktion 146 ff. Tochtergesellschaft 139 ff. Typenvergleich 156 Typusbegriff - wirtschaftliche Tätigkeit 153 ff. - Selbständigkeit 233 ff. - unternehmensehe Tätigkeit 168 ff. Überschreitung der Vermögensverwaltung 117 Überschusserzielungsabsicht 169 f. Über-Unterordnungsverhältnis 261, 265, 274 f. "Ufficio distrettuale"-Entscheidung 279 ff. 375

Stichwortverzeichnis

Umsatzbesteuerung - der öffentlichen Hand 277 ff. Umsatzkette 88, 91, 193 Umsatzsteuer - Bemessungsgrundlage 5, 7, 59 - Funktionsweise 6 ff. - Harmonisierung 10 f., 20 ff. - Kostenneutralität 10, 24, 203 Umsatzsteueranteil 8 Umsatzsteuerausweis 24 Umsatzsteuerbelastung 8, 10 f. umsatzsteuerliche Organschaft 246 ff. Umsatzsteuerpflicht - beschränkte 48, 82, 92 - von Nichtunternehmen 25 f. Umsatzsteuerschuld 90 Umsatzsteuervoranmeldung 3 f., 24,43,196 - von Nichtunternehmern 25 unselbstständige Betriebsstätten 272 Unterhalten eines Geschäftsbetriebes 156 Unterhalten eines Geschäftslokals 165 Unternehmenseinheit 266 Unternehmensteile 253, 264, 271 ff. Unternehmer - beliehener 231, 296, 325, 350 - Einheitlichkeit 29 ff. - erfolgloser 188 ff., 204 ff., 218 ff. - erfolgreicher 203 f., 218 ff. - Funktion im Umsatzsteuerrecht 23 - ohne Umsatz 86, 88, 90 - Ortsunabhängigkeit 48 f., 82, 92 Unternehmereigenschaft - Beginn 214 ff. 376

- der öffentlichen Hand 277 ff. - Vorbereitungshandlungen 192 f., 204 ff., 213 ff. Unternehmereinheit 15, 252, 261 unternehmerfähige Gebilde 256 Unternehmerfähigkeit 33 ff. - Bruchteilsgemeinschaften 42 ff. - Personengesellschaften 41 f. - juristische Personen 41 - natürliche Personen 41 unternehmefische Tätigkeit 162 ff.. - Beteiligung an einer Personengesellschaft 337 f. Unterordnungsverhältnis 261, 265, 274 ff. "Van Paassen"-Entscheidung 247 f., 251 f., 260 f. "Van Tiem"-Entscheidung 119 f., 132, 138 Veräußerungen von Beteiligungen 122, 131, 134, 139 Veranlagungssteuer 3 Verbrauchsteuer 4 ff. Verbrauchsteuergedanke 12, 75, 87, 141,221 Verbrauchsteuergesichtspunkte 114,200 Verfahrensrecht 211 ff. Verkehrsteuer 4 ff. Vermietung und Verpachtung von Grundstücken 119, 160 f., 358 Vermietung von Freizeitgegenständen 63, 123 ff., 135 Vermögensumschichtung 171, 180 Vermögensverwaltende Holdings 132 ff., 139 ff. Vermögensverwaltung 97, 102 ff., 335 ff. Vermögensverwendung 4

Stichwortverzeichnis

Verpachtungsbetriebe 343 f. Versorgungsbetriebe 343 Verwaltung der Gesellschaft 131 Voranmeldung 3 f., 24, 42, 196 Vorbereitungshandlung 192 f., 204 ff.' 213 ff. Vorsteuerabzug 7 f. Vorsteuererstattung 7, 167 Vorsteuerpauschalierung 26 Wandelschuldverschreibungen 143 Warenumsatzstempelgesetz 13, 16 Weisungsgebundenheit 231 f., 234 "Wellcome Trust"-Entscheidung 107 ff.,' 122, 134, 139 ff. Wertpapiere 142 f., 107 ff., 126 f. Wettbewerbsbeeinträchtigung 301, 311 Wettbewerbsgleichheit 11 Wettbewerbsneutralität - der Besteuerung der öffentlichen Hand 11 f. - Grundsatz 9 ff. - im Inland 10 - im Außenhandel 10 f. - der Umsatzsteuer 310 wettbewerbsorientierte Auslegung 297,347,351

Wettbewerbsrelevanz - der Tätigkeit 298, 339 Wettbewerbsverzerrungen - größere 298 ff., 309 ff. wirtschaftliche Eingliederung 270 wirtschaftliche Einheit 270 wirtschaftliches Herausheben 338 ff., 354 wirtschaftliche Tätigkeit - Beginn 188 ff. - Inhalt 104 ff. - Planmäßigkeit 113, 117 f. - Selbstständigkeit 225 ff. wirtschaftliche Verbundenheit 261 "Witzemann"-Entscheidung 53 f., 58,60 Wohnsitz 48, 81 f., 258 "Wolf"-Entscheidung 50 Zahl der Kunden 165 Zinsen für Geldanlagen 123, 126 ff., 131, 141, 146, 148, 150 Zoll 50 Zwangsvollstreckung 40, 44 Zweck der Tätigkeit 82 f. Zweckverbände 327

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