Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes: Band 4 Vom Frankfurter Fürstentag bis zur Auflösung des Deutschen Bundes 1863–1866 9783110532623, 9783110527902

The volume documents the final years of the German Confederation, covering 1863 to 1866. It focuses on the negotiations

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Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes: Band 4 Vom Frankfurter Fürstentag bis zur Auflösung des Deutschen Bundes 1863–1866
 9783110532623, 9783110527902

Table of contents :
Vorwort der Herausgeber
Inhalt
Einleitung
Zur Edition
Chronologisches Verzeichnis der Dokumente
Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz
Dokumente
1. Beust an Bose – 37. König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph
38. Artikel des Freiherrn Philipp von Künßberg-Mandel1 zum Fürstentag – 73. Großherzog Friedrich I. von Baden an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich
74. Protokoll Nr. 10 der Frankfurter Fürstenkonferenz – 110. Leitartikel in der Leipziger Zeitung
111. Aufruf des 36er-Ausschusses – 166. Pfordten an Schrenk
167. Artikel in der Constitutionellen Zeitung – 239. Protokoll der Deutschen Bundesversammlung
Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Abbildungsnachweis
Konkordanz der Archivsignaturen
Register

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Vom Frankfurter Fürstentag bis zur Auflösung des Deutschen Bundes 1863–1866

Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes Für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ­herausgegeben von Lothar Gall und Andreas Fahrmeir Abteilung III

Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes 1850–1866 Band 4

Vom Frankfurter Fürstentag bis zur Auflösung des Deutschen Bundes 1863–1866 Bearbeitet von Jürgen Müller

ISBN 978-3-11-052790-2 eISBN (PDF) 978-3-11-053262-3 eISBN (EPUB) 978-3-11-053023-0 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort der Herausgeber Mit diesem Band wird die Abteilung III des 1988 begonnenen Editionsprojekts zur Geschichte des Deutschen Bundes zum Abschluß gebracht. Für die Zeit von der Wiedererrichtung des Deutschen Bundes nach der gescheiterten Revolution von 1848/49, die auf der Dresdener Konferenz 1850/51 erfolgte, bis zur Auflösung des Bundes im Sommer 1866 hat der Bearbeiter nunmehr zusammen mit den drei bereits publizierten Bänden ein umfangreiches Korpus von Quellen vorgelegt, das 681 Dokumente auf über 3250 Druckseiten umfaßt. Für die Bundesgeschichte der 1850er und 1860er Jahre liegt damit erstmals ein systematisch edierter, auf umfassender Archivrecherche basierender Fundus an Quellen vor, der die zentralen Themen der inneren Bundespolitik dokumentiert: 1. die wiederholten und sehr intensiv betriebenen Versuche, den Deutschen Bund beziehungsweise seine Verfassung zu reformieren, mit dem Ziel, die föderative Ordnung den politischen, sozialen und ökonomischen Gegebenheiten und Erfordernissen der nachrevolutionären Ära anzupassen und so seine Fortexistenz als politischen Ordnungsrahmen Deutschlands zu sichern; 2. das Bestreben, den Deutschen Bund als kon­ servativen Ordnungsfaktor gegen revolutionäre, liberal-demokratische und nationale Bewegungen und Absichten zu festigen, indem reaktionäre Maß­ nahmen gegen die politische Opposition in den deutschen Einzelstaaten, aber auch auf gesamtdeutscher Ebene ergriffen wurden; 3. die zahlreichen Initia­ tiven zur Vereinheitlichung beziehungsweise Harmonisierung der Gesetzgebung im Deutschen Bund, die vor allem darauf abzielten, die wirtschaftlichen Austauschprozesse zwischen den Staaten des Deutschen Bundes zu fördern und die individuelle wie auch institutionelle Rechtsunsicherheit zu überwinden, die aber auch den Vorteil zu bieten schienen, Fortschritte auf dem Gebiet der nationalen Einheit zu erreichen, ohne zuvor die äußerst schwierige Frage der politischen Bundesreform lösen zu müssen; 4. den sich immer deutlicher ausprägenden politischen und wirtschaftlichen Gegensatz zwischen den beiden deutschen Großmächten Österreich und Preußen, die sich, anders als im Vormärz, seit 1850 nicht mehr auf eine einvernehmliche deutsche Politik im Bund einigen konnten, sondern statt dessen in zentralen innen- und außenpolitischen Fragen unterschiedliche Ziele verfolgten. Da alle die genannten Aspekte inhaltlich und auch prozedural, das heißt in der Beschlußfassung und Durchführung auf der Ebene der Bundesversammlung und ihrer Gremien, eng miteinander verbunden waren, und da andererseits nicht nur die allgemeinen bundespolitischen, sondern auch die jeweiligen einzelstaatlichen Absichten und Ziele gegensätzlich und widersprüchlich waren, war die innere Entwicklung des Deutschen Bundes seit 1850 mit

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Vorwort der Herausgeber

e­ inem schier unlösbaren Bündel von Problemen belastet. Der Bearbeiter der Abteilung III hat diese Problematik in seiner bereits 2005 erschienenen Habilitationsschrift ausführlich behandelt.1 In dieser Studie wird jedoch auch ­darauf verwiesen, daß das schließliche Scheitern des Deutschen Bundes historisch nicht alternativlos war. Es gab zwischen 1850 und 1866 im Deutschen Bund Fortschritte, es kamen wichtige Reformen zustande, die von den Einzelstaaten akzeptiert und von der deutschen Öffentlichkeit begrüßt ­wurden. Das wird auch im abschließenden Band der Abteilung III in vielen ­Dokumenten deutlich. Selbst als die politischen Antagonismen sich 1865/66 bedrohlich zuspitzten, wurden wichtige Projekte einer einheitlichen Bundesgesetzgebung weiter vorangetrieben und teilweise sogar zum Abschluß gebracht. Gleichwohl scheiterte der Deutsche Bund 1866, doch er ging nicht deshalb zugrunde, weil etwa die Mehrheit seiner Mitglieder sein Ende herbeigesehnt oder gar aktiv herbeigeführt hätte. Der Bund wurde auch nicht, wie 1848, durch eine revolutionäre Volksbewegung beseitigt, wenn er auch in der deutschen Öffentlichkeit seit 1863 nahezu jegliches Renommee verloren hatte. Der Deutsche Bund scheiterte vielmehr an der rücksichtslosen Durchsetzung von Machtinteressen und daran, daß die deutschen Großmächte Österreich und Preußen nicht mehr bereit oder in der Lage waren, ihre jeweiligen politischen Ansprüche auf dem Weg von Verhandlungen und Kompromissen auszugleichen. Um das so oft als ungeeignet und machtlos beurteilte föderative Gebilde des Deutschen Bundes historisch zu überwinden, bedurfte es am Ende eines Krieges. Wie bei jedem Krieg war dessen Ausgang nicht vorherbestimmt, und von daher war auch das Ende des Bundes nicht logisch, sondern zufällig. Die letzte Etappe auf diesem Weg zum Ende dokumentiert der vorliegende Band mit seiner reichhaltigen Auswahl an Quellen, die einen facettenreichen Einblick in die komplexen Entwicklungen der Jahre 1863 bis 1866 ermöglichen. Die auf den Bund und seine Politik konzentrierte Edition geht damit weit über das Bild hinaus, das die bisherigen, zumeist älteren Quellensammlungen aus einzelstaatlicher Perspektive ergeben. Lothar Gall / Andreas Fahrmeir

1 Jürgen Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation 1848–1866. (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 71.) Göttingen 2005.

Inhalt Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Zur Edition 1. Zu diesem Band. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXXIII 2. Allgemeine Leitsätze zur Gestaltung der Edition „Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes“. Von Jürgen Müller und Eckhardt Treichel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXXVIII Chronologisches Verzeichnis der Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . LXXXVI Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz. . . . . . . . . . . . XCIX Dokumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ungedruckte Quellen (Archivalien). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Akten, Protokolle, Werkausgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitungen und Zeitschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Politische Schriften, Flugschriften und Darstellungen bis 1866. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Memoiren und Tagebücher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Adreß- und Staatshandbücher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bibliographien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Biographische Nachschlagewerke und Lexika . . . . . . . . . . . . . 6. Internetressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Konkordanz der Archivsignaturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register 1. Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Länder- und Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung 1. Der Bund von 1863 bis 1866: Zwangsläufigkeit des Scheiterns? Seit der Veröffentlichung des dritten Bandes der Abteilung III dieser Edition im Jahr 2012 sind über den Deutschen Bund und seine Entwicklung in den letzten Jahren seines Bestehens keine neueren Studien erschienen, die sich speziell und eingehend mit der Bundespolitik beschäftigen. Auch das Jubi­ läumsjahr 2016, in dem sich das Ende des Deutschen Bundes zum 150. Mal jährte, hat in der Forschung – wie auch in der medialen Öffentlichkeit – nur eine sehr verhaltene Resonanz gefunden. Neue grundlegende wissenschaft­ liche Studien zum Ende des deutschen Staatenbundes sind nicht erschienen. Das einstmals als Jahr der Entscheidung in der deutschen und europäischen Geschichte1 oder gar als „Schicksalsjahr“2 apostrophierte Jahr 1866 wird of­ fensichtlich derzeit nicht als besonders bedeutsam wahrgenommen. Lediglich zwei wissenschaftliche Publikationen haben sich neuerdings mit den Ereig­ nissen von 1866 in Deutschland beschäftigt, wobei der Fokus weniger auf dem Deutschen Bund als auf der militärischen Konfrontation der Großmächte Österreich und Preußen liegt. Die Darstellung von Klaus-Jürgen Bremm über „Bismarcks Krieg gegen die Habsburger“ widmet dem Deutschen Bund ein kurzes einführendes Kapitel unter der Überschrift „Eine vertane Chance“, doch werden die „Chancen“ einer föderativen Gestaltung Deutschlands ­nirgends ausgelotet. Statt dessen werden undifferenziert alte Klischees repro­ duziert: der Bund sei eine „Trutzburg der politischen Reaktion“, seine Wie­ dererrichtung 1851 eine „Totgeburt“ gewesen.3 Von der inneren Politik des Deutschen Bundes erfährt man jenseits der Reaktionsmaßnahmen nichts, und seine Rolle im Vorfeld des Krieges von 1866 wird gänzlich ignoriert. In der gleichfalls 2016 erschienenen Darstellung von Helmut Neuhold, die unter dem Titel „1866 Königgrätz“ den „Deutschen Krieg“ als Kampf um die Vor­ macht in Deutschland behandelt, wird der Vorgeschichte etwas mehr Raum gegeben, doch findet auch hier keine eingehendere Auseinandersetzung mit der Politik des Deutschen Bundes statt, was auch darauf zurückzuführen sein

1 Schieder, Das Jahr 1866 in der deutschen und europäischen Geschichte; von Groote/von Gersdorff (Hrsg.), Entscheidung 1866. 2 Wandruszka, Schicksalsjahr 1866. 3 Bremm, 1866, S. 15–26, Zitate S. 15 u. 25.

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Einleitung

dürfte, dass der Autor einschlägige neuere Studien offenbar nicht herangezo­ gen hat.4 Im Hinblick auf den allgemeinen Stand der Forschung ist deshalb den Aus­ führungen in der Einleitung zu Band 3 dieser Quellenedition kaum etwas hin­ zuzufügen.5 Die Themen, die von 1863 bis 1866 die Bundespolitik beherrsch­ ten – allen voran der Bundesreformprozess mit seinem Höhepunkt auf dem Frankfurter Fürstentag und die Auseinandersetzung um Schleswig-Holstein – sind von der älteren Forschung sowohl in großen Überblicksdarstellungen als auch in Spezialuntersuchungen vielfach behandelt worden, wobei allerdings selten eine genuin bundespolitische Perspektive eingenommen wurde. Zu­ meist wurde die deutsche Politik aus der Sicht der Großmächte Österreich und Preußen, teilweise auch aus jener der wichtigeren Mittelstaaten geschil­ dert. Als Akteur und Zentrum deutscher Politik wurde dabei der Deutsche Bund in der Regel nicht gesehen oder gewürdigt. Er erschien vielmehr als Kampfzone im Machtkonflikt zwischen Österreich und Preußen, als Spielball in der nationalen und internationalen Politik, als Adressat von Vorwürfen und Anklagen seitens der Öffentlichkeit. Wie in der älteren Forschung wird auch in manch neuerer Studie die Aus­ weglosigkeit der Bundespolitik proklamiert und eine historische Zwangsläu­ figkeit des Scheiterns postuliert. Ein eklatantes Beispiel dafür ist die 1993 veröffentlichte Dissertation von Norbert Wehner über die deutschen Mittel­ staaten auf dem Frankfurter Fürstentag. Dort heißt es gleich auf der ersten Seite apodiktisch, auf dem Fürstentag sei „die Entscheidung gegen das Ver­ bleiben Österreichs im Deutschen Bund“ gefallen, der „ergebnislose Verlauf des Kongresses“ habe Preußen „den Weg zum föderalistischen Nationalstaat ohne Österreich“ geöffnet, das Mißlingen des österreichischen Reformplans habe bedeutet, daß die österreichische Regierung „künftig nicht mehr in der Lage [gewesen sei], den Deutschen Bund zu erhalten“.6 Diese Darlegungen sind ein Beispiel dafür, wie Historiker/innen der Ver­ suchung erliegen, aus dem Wissen um die weitere Entwicklung historische Schlußfolgerungen abzuleiten, die man als krasse Fehlurteile bezeichnen muß, da sie sowohl der geschichtswissenschaftlichen Methodik als auch der allgemeinen Logik widersprechen: Gewiß wurde 1863 entschieden, daß es 4 Neuhold, 1866 Königgrätz. – Im Verzeichnis der Quellen und Literatur fehlen etwa maßgeb­ liche Autoren wie Ernst Rudolf Huber, Dieter Langewiesche, Wolfram Siemann, Thomas ­Nipperdey und Hans-Ulrich Wehler, um nur die prominentesten zu nennen. 5 Jürgen Müller, Einleitung, in: QGDB III/3, S. XI–XV. Zu diesem Band siehe auch: ders., Der Deutsche Bund in der nationalen Herausforderung 1859–1862; ferner: ders., Der Deutsche Bund 1815–1866, S. 51–88; Doering-Manteuffel, Die Deutsche Frage, S. 53–118; Fehrenbach, Verfassungsstaat und Nationsbildung, S. 71–119. 6 Wehner, Die deutschen Mittelstaaten auf dem Frankfurter Fürstentag, S. 1.

Einleitung

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keine Bundesreform gemäß dem österreichischen Plan geben würde; das war aber auch alles. Weder wurde eine Entscheidung über den Verbleib Öster­ reichs im Deutschen Bund noch über die Gründung des kleindeutsch-preußi­ schen Nationalstaats noch über das Ende des Deutschen Bundes getroffen. All das wurde erst 1866 entschieden, und zwar durch einen innerdeutschen Krieg, dessen Ausgang und Folgen keineswegs von vorneherein absehbar wa­ ren.7 Kein Zeitgenosse wusste, was zwischen 1863 und 1866 passieren würde – weder ein handelnder Politiker wie Bismarck, der unstreitig darauf hinar­ beitete, den Deutschen Bund zu beseitigen, noch Kaiser Franz Joseph I. von Österreich, der sein ganzes Prestige in die Waagschale warf, um den groß­ deutschen Staatenbund zu erhalten, noch die mittelstaatlichen und kleinstaat­ lichen Minister, die zwar vieles am Bund auszusetzen hatten, aber dennoch seine even­tuelle Auflösung als politische Kalamität betrachteten, noch die na­ tional und liberal gesinnte deutsche Öffentlichkeit, die den Bund für schwach und un­zureichend hielt, aber mit Sicherheit davor zurückschreckte, ihn durch einen innerdeutschen Krieg zu beseitigen. Die politische Situation in Deutschland – und auch in Europa – war 1863 noch offen in dem Sinne, daß weder das Ende des Bundes im Krieg von 1866 noch der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 oder gar der Deutsch-Französi­ sche Krieg von 1870/71 unausweichlich waren. Sie waren es genausowenig, wie die russische Oktoberrevolution von 1917 schon bei Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 feststand oder wie die „Machtergreifung“ der Nationalso­ zialisten 1933 schon mit der Reichstagswahl von 1930 entschieden war. In seiner 2011 veröffentlichten Darstellung „Gründerzeit und Nationsbildung 1849–1871“ hat Christian Jansen diese Offenheit der Situation für die deut­ sche Politik in den 1860er Jahren betont und festgestellt, daß die deutsche Geschichte keineswegs „zwangsläufig auf die großpreußische Lösung“ hin­ auslief. Ökonomisch sei die Reichsgründung nicht „notwendig“ gewesen, und „auch politisch lassen sich realistische Alternativen ausmachen und wur­ den von den Zeitgenossen auch heiß diskutiert“.8 Ein solcher historiographischer Ansatz greift Erklärungsmuster und Thesen auf, die vor etwa zwanzig Jahren entwickelt und vor allem von Dieter Lange­ wiesche in mehreren Publikationen vorgetragen und im Konzept der „födera­ 7 Das betont sogar Hans-Ulrich Wehler, der die föderativen Bundesreformbestrebungen für illu­ sionäre „Wunschträume“ hält und der preußisch-kleindeutschen Lösung der deutschen Frage „eine gewisse Folgerichtigkeit“ attestiert: „Dennoch blieb der Kampf um die Vorherrschaft in ,Deutschland‘ offen, bis bei Königgrätz die Entscheidung fiel. Weder die preußische Industrie noch die Berliner Wirtschaftspolitik noch das Talent Bismarcks, sondern allein das späte Schlachtenglück gab dabei den Ausschlag.“ Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 333 f. 8 Jansen, Gründerzeit und Nationsbildung, S. 10.

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Einleitung

tiven Nation“ zusammengefaßt wurden.9 In der immer noch sehr spärlichen neueren Spezialforschung zum Deutschen Bund findet dieses Konzept inzwi­ schen teilweise Beachtung und führt zu neuen Fragestellungen. Anknüpfend an ältere, vor allem rechtsgeschichtlich ausgerichtete Untersuchungen zur Harmonisierung des innerdeutschen Rechtswesens wird dabei in neueren Stu­ dien verstärkt der „Integration durch Standardisierung“ nachgespürt.10 Oder es wird die „Formierung transnationaler Strafrechtsregime“ im Rahmen des Deutschen Bundes erforscht, wobei die zwischenstaatliche Interaktion in Form von Verhandlungen, Konferenzen, Verträgen, Expertendiskursen und institutionellen Kooperationen im Blickpunkt steht.11 Oder es werden im Rahmen einer multiperspektivischen Kulturgeschichte der inneren Verwal­ tung des Deutschen Bundes die personalen Strukturen und die Arbeit der Kommissionen und Ausschüsse des Bundes12 mit dem Ziel untersucht, die Implementierung und Legitimierung der föderativen Ordnung des Deutschen Bundes sowie die damit verbundenen politischen und gesellschaftlich-kultu­ rellen Aushandlungsprozesse herauszuarbeiten. Auf diese Weise soll die kon­ krete Bundespolitik in ihren vielfältigen Aspekten und Wirkungen analysiert werden, um über die traditionelle dichotomische Betrachtungsweise hinaus­ zugelangen, die den Bund als eine zum Scheitern verurteilte Institution im Antagonismus zwischen konservativ-reaktionärer Regierungspolitik und libe­   9 Langewiesche, Reich, Staat und Nation; ders., Föderativer Nationalismus; ders., Deutschland und Österreich; und vor allem ders./Schmidt (Hrsg.), Föderative Nation. Vgl. dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 24 ff. 10 Groß, Integration durch Standardisierung, zum Deutschen Bund hier S. 277–368; unter den neueren Arbeiten siehe auch Schöler, Deutsche Rechtseinheit sowie die zahlreichen Studien von Elmar Wadle vor allem zum Urheberrecht. 11 Tyrichter, Politische Kriminalität (Promotionsprojekt); die Arbeit entsteht im Rahmen des Forschungsprojekts „Die Formierung transnationaler Strafrechtsregime“, das vom MaxPlanck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte durchgeführt wird, siehe dazu: http://www. rg.mpg.de/die_formierung_transnationaler_strafrechtsregime (aufgerufen am 26. 5. 2016); Härter, Die Formierung transnationaler Strafrechtsregime; ders., Security; ferner: Tagungs­ bericht „International Security, Political Crime, and Resistance: The Transnationalisation of Normative Orders and the Formation of Criminal Law Regimes in the 19th and 20th Century, October 16–17, 2014, Max-Planck-Institute for European Legal History (Frankfurt/Main)“, URL: http://www.rg.mpg.de/817311/tagungsbericht_international_security_political_crime_ and_resistance.pdf. 12 Abgesehen von der Bundesmilitärkommission (Keul, Die Bundesmilitärkommission; Wienhöfer, Das Militärwesen; Angelow, Von Wien nach Königgrätz), der Mainzer Zentraluntersu­ chungskommission (Weber, Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission) und den mit rechtsvereinheitlichenden Maßnahmen beauftragten Ausschüssen und Kommissionen (vgl. dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation mit Literatur) sind diese Gremien bislang wenig erforscht. Einen ersten Zugang bieten die Aufsätze von Siemann, Wandel der Politik, Treichel, Die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung (54 Kommissionen für die Zeit von 1816 bis 1820), Müller, Der Deutsche Bund und die ökonomische Nationsbildung.

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ralen gesellschaftlichen Bewegungskräften einerseits sowie als ohnmächtigen Spielball im Machtkonflikt von Österreich und Preußen andererseits wahr­ nimmt. Statt dessen soll der Deutsche Bund als ernstzunehmender politischer Akteur in einer sich rasch transformierenden Gesellschaft neu verortet wer­ den.13 Die hier nur knapp skizzierten aktuellen Forschungsansätze und -projekte beleben nicht nur die „Bundesforschung“, die in den letzten Jahrzehnten ­einen sehr geringen Stellenwert in der deutschen und internationalen Ge­ schichtswissenschaft hatte.14 Sie werden auch in den nächsten Jahren zu ­neuen Erkenntnissen führen, die jener tiefverwurzelten Auffassung vom Gang der deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert widersprechen, die James ­Sheehan als nachträgliche „construction of the national past“ bezeichnet hat und die Dieter Langewiesche als bewußt konstruierten Mythos kritisiert, der ­darauf abzielte, mittels einer „Geschichtskonstruktion“ eine „radikale Um­ deutung der deutschen Geschichte“ herbeizuführen, um auf diese Weise die Legitimität der kleindeutsch-preußischen Reichsgründung von 1871 historio­ graphisch zu untermauern.15 Die Quellenedition zum Deutschen Bund geht nicht nur in der Abteilung III, sondern auch in den anderen Abteilungen, für die mittlerweise drei um­ fangreiche Bände vorliegen16, nicht von vermeintlichen historischen Folge­ 13 Dies geschieht derzeit in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Pro­ jekt „Gesellschaftliche Erwartungen und bürokratische Experten: Die Kommissionen und Ausschüsse des Deutschen Bundes als Foren politischer Aushandlungsprozesse (1816– 1848)“, das unter der Leitung von Jürgen Müller mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Marko Kreutzmann (Jena) durchgeführt wird. Quellengrundlage sind dabei die bislang kaum beachteten Akten der Ausschüsse und Kommissionen des Deutschen Bundes, die über 2600 im Untersuchungszeitraum an die Bundesversammlung gelangten Eingaben und die gedruck­ ten Protokolle der Deutschen Bundesversammlung, die von der Forschung bislang nicht sy­ stematisch ausgewertet worden sind. 14 Dies hat auch bis heute Einfluß auf die Gewichtung des Deutschen Bundes und seiner Politik in manchen Überblicksdarstellungen. So spielt der Bund in dem Band „Industrielle Revolu­ tion und Nationalstaatsgründung“ von Friedrich Lenger, der 2003 als Band 15 der Neubear­ beitung des Gebhardt Handbuchs der deutschen Geschichte erschienen ist, nur eine marginale Rolle, es dominieren vielmehr die ökonomischen Kräfte und die preußische Politik, die beide von der nationalen Bewegung wichtige Impulse erhielten, während föderative Entwicklungs­ potentiale und Aktivitäten nur wenig beachtet werden. Im Gegensatz dazu behandelt der 2010 erschienene Band 14 des Gebhardt von Hans-Werner Hahn und Helmut Berding die bundes­ politische Dimension sehr ausführlich. 15 Sheehan, German History, S. 914; ders., What is German History, S. 3; Langewiesche, Was heißt ,Erfindung der Nation‘, S. 610–615. 16 Abt. I: Die Entstehung des Deutschen Bundes 1813–1815 (2000); Organisation und innere Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1815–1819 (2015), beide bearb. v. Eckhardt Treichel; Abt. II: Reformpläne und Repressionspolitik (2003), bearb. v. Ralf Zerback. Eckhardt Trei­ chel bereitet derzeit einen weiteren Band über die Zeit von 1819 bis 1823 vor. Jürgen Müller

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richtigkeiten oder gar Legitimitäten aus, sondern dokumentiert vielmehr auf der Grundlage eines breiten Quellenfundus – der zum großen Teil erstmals umfassend erschlossen wurde – die Prozesshaftigkeit und Vielfältigkeit der inneren Bundespolitik. Die Edition schließt dabei keinen Entwicklungspfad a priori als unrealistisch oder „illusionär“ aus, sondern bildet die politischen Debatten und Verhandlungen mit den daraus folgenden konkreten Entschei­ dungen ab, ohne dabei eine Unausweichlichkeit oder Alternativlosigkeit zu konstatieren. Die Quellen verweisen vielmehr darauf, daß in vielen Situatio­ nen andere als die tatsächlich erfolgten Weichenstellungen angestrebt wurden und auch möglich waren. Dies belegen auch die in diesem Band abgedruck­ ten Dokumente zur bundespolitischen Entwicklung in den Jahren 1863 bis 1866, einer Zeit, in der sich mehrere politische Probleme überlagerten und zu einer unruhigen, krisenhaften Lage im Deutschen Bund, zum Teil in einzel­ nen deutschen Staaten (allen voran Preußen mit seinem langanhaltenden Ver­ fassungskonflikt im Zuge der Heeresreform) sowie auch im Hinblick auf die ­nationale Grenzziehung im Norden „Deutschlands“ führten. Auf diese Pro­ blemlagen soll im Folgenden näher eingegangen werden, wobei aufgrund der Fülle des Materials, der Komplexität der Probleme und der Vielfalt der Mei­ nungsäußerungen keine auch nur annähernd erschöpfende Analyse vorge­ nommen werden kann. Vielmehr werden die wichtigsten bundespolitischen Entwicklungslinien in den Jahren 1863 bis 1866, die wechselnden politischen Konstellationen und die zur schließlichen Auflösung des Bundes führenden Faktoren skizziert.

2. Das Jahr 1863: Bundesbruch oder Bundesreform? Als das Jahr 1863 begann, war die politische Lage in Deutschland äußerst angespannt. In der Bundesversammlung stand im Januar eine wichtige Ab­ stimmung bevor, deren Ausgang unkalkulierbar war. Es ging dabei um den von Österreich und den Mittelstaaten am 14. August 1862 vorgelegten An­ trag, im Deutschen Bund eine dauerhafte Versammlung aus Delegierten der einzelstaatlichen Landtage einzurichten, die über „gemeinsame Gesetze für das gesammte deutsche Bundesgebiet“ beraten sollte.17 Konkret bezog sich wendet sich nach dem Abschluß der Abteilung III der Fortführung von Abteilung I zu und wird dabei den Zeitraum von 1824 bis 1830 bearbeiten. Zum Projekt siehe: Müller/Treichel, Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes. Ein Forschungsprojekt der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 17 QGDB III/3, Dok. 140, Zitat S. 731. Siehe dazu und zum Folgenden Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 337–346; Flöter, Beust und die Reform des Deutschen Bundes, S. 381–399; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 415–420.

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der Antrag zunächst nur auf die Gesetzentwürfe für eine allgemeine deutsche Zivilprozeßordnung und ein allgemeines deutsches Obligationenrecht, mit deren Ausarbeitung die Bundesversammlung am 6. Februar 1862 gegen die ausdrückliche „Verwahrung“ der preußischen Regierung zwei Kommissionen beauftragt hatte.18 Der österreichisch-mittelstaatliche Antrag zielte ausdrück­ lich darauf ab, daß die Delegiertenversammlung „nicht etwa bloß als Aus­ kunftsmittel für einen einzelnen Fall, sondern auch dauernd in die Organisa­ tion des Deutschen Bundes übergehe“. Aus dieser „organische[n] Einfügung eines repräsentativen Elementes in die deutsche Bundesverfassung“ ergebe sich, so hieß es im Antrag, die Notwendigkeit, auch die Bundesexekutive an­ ders zu gestalten.19 Der Versuch, mit einem zunächst auf einen bestimmten Gegenstand gerich­ teten Antrag die Tür zu einer umfassenderen und „organischen“, das heißt verfassungsändernden Bundesreform zu öffnen, stieß auf den energischen Widerstand Preußens. Eine solche Maßnahme wie die Schaffung einer Dele­ giertenversammlung könne, so argumentierte der preußische Bundestagsge­ sandte mit Bezug auf die Bundesgrundgesetze, in der Bundesversammlung keinesfalls mit einer Stimmenmehrheit gefaßt werden, sondern bedürfe der „Stimmeneinhelligkeit“, also der Zustimmung aller im Bund vertretenen Re­ gierungen.20 Mit dem Antrag vom 14. August 1862 wurde somit ein Grundsatzkonflikt ausgelöst, bei dem sich die Bundespräsidialmacht Österreich und seine mit­ telstaatlichen Verbündeten auf der einen und Preußen auf der anderen Seite gegenüberstanden. Zum offenen Austrag kam dieser Konflikt in der Bundes­ versammlung erst im Herbst, da unmittelbar nach der Antragstellung die Bun­ desferien begannen, die bis zum 9. Oktober andauerten. Erst danach nahm der mit der Prüfung des Antrags beauftragte Ausschuß21 seine Beratungen auf. Diese wurden kontrovers geführt und endeten in einer Spaltung des Aus­ schusses, der sich nicht auf ein gemeinsames Gutachten einigen konnte. Wäh­ 18 QGDB III/3, Dok. 111; siehe zu diesen Gesetzentwürfen und der Arbeit der Kommissionen Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 421–435, ferner: Laufke, Der Deutsche Bund und die Zivilgesetzgebung; Hedemann, Der Dresdner Entwurf von 1866; Schubert, Die Entstehung des Entwurfs einer allgemeinen Civilprozeßordnung für die deutschen Bundes­ staaten; ders., Die Entstehung eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnis­ se; Schöler, Deutsche Rechtseinheit, S. 301–308. 19 QGDB III/3, S. 734. 20 Ebd., S. 734–737. 21 Es war dies der schon 1851 eingerichtete Ausschuß für die Errichtung eines Bundesgerichts, dem 1862 die Bundestagsgesandten von Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Baden, Großherzogtum Hessen, Braunschweig und Nassau, Mecklenburg und Liechtenstein angehörten. Vgl. ProtDBV 1851, S. 265; ProtDBV 1859, S. 855.

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rend sich die Mehrheit dem Entwurf des mit der Ausarbeitung des Ausschuß­ votums beauftragten bayerischen Bundestagsgesandten von der Pfordten an­ schloß, der die Einrichtung der Delegiertenversammlung befürwortete, protestierte der preußische Gesandte dagegen, diese Maßnahme „gegen das Votum einer Minorität“ zu ergreifen, denn das sei „dem Charakter des Bun­ des, dem Geiste und Wortlaute der Bundesgesetze völlig zuwider“.22 Auch das ­badische Ausschußmitglied erklärte es in seinem Separatvotum für „un­ zulässig“, eine solche Institution durch einen Mehrheitsbeschluß einzufüh­ ren.23 Die Bundesversammlung setzte sich über diese Voten hinweg und setz­ te am 18. Dezember 1862 die Abstimmung über den österreichisch-mittel­ staatlichen Antrag auf den 22. Januar 1863 fest. Die Brisanz dieser Entscheidung zeigte sich unverzüglich, denn der preußi­ sche Ministerpräsident (und frühere langjährige Bundestagsgesandte) Otto von Bismarck, der sein Amt am 22. Oktober 1863 angetreten und durch seine un­ nachgiebige Haltung in der Frage der preußischen Heeresreform den Konflikt mit dem preußischen Abgeordnetenhaus eskaliert hatte24, war entschlossen, bei der Delegiertenversammlung das Vorgehen der Bundestagsmehrheit kei­ nesfalls hinzunehmen. „Das aggressive Verfahren“, so schrieb er am 23. De­ zember 1862 an den preußischen Gesandten in Karlsruhe, „welches die Majo­ rität der Bundesregierungen in dieser Angelegenheit gegen uns beobachtet, setzt uns in die unerwünschte Alternative, entweder die Interpretation der Bundesverträge, welcher wir uns gegenüber befinden, durch unsere Fügsam­ keit und Passivität als berechtigt anzuerkennen, oder das Verfahren unserer Gegner als einen Bundesbruch anzusehen und zu behandeln. Seine Majestät der König haben Sich für die letztere Auffassung entscheiden.“ Sollte die Ma­ jorität in Frankfurt wirklich den Beschluß zur Schaffung einer Delegierten­ versammlung fassen, so werde Preußen „diesen Bundesbruch amtlich und öf­ fentlich“ konstatieren, den Bundestagsgesandten abziehen und sich von allen Verbindlichkeiten freisprechen, „welche wir vermöge der Bundesverträge übernommen haben“.25

22 QGDB III/3, Dok. 155, Zitate S. 841. 23 Ebd., S. 851. 24 Zu Bismarck siehe neben den Standardbiographien von Gall, Bismarck und Pflanze, Bis­ marck jetzt auch die neuen Biographien von Nonn, Bismarck und Kraus, Bismarck. Zu ­Bismarcks Haltung gegenüber dem Deutschen Bund und der Bundesreform siehe Müller, Bismarck und der Deutsche Bund, dort S. 34 auch eine kritische Zurückweisung der Bewer­ tung der angeblichen „Bundesreformprojekte“ Bismarcks in den Arbeiten von Kaernbach, Bismarcks Konzepte, ders., Bismarcks Bemühungen, und Kronenberg, Bismarcks Bundesre­ formprojekte. 25 QGDB III/3, Dok. 156, Zitate S. 861 f.

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Das Wort vom drohenden „Bundesbruch“ machte in den folgenden vier Wochen in den diplomatischen Korrespondenzen und auch in der deutschen Öffentlichkeit die Runde. Nach jahrelangen, letztlich auf die 1851 in Dresden geführten Verhandlungen über eine große Bundesreform zurückgehenden Bundesreformbemühungen26 mündete der Versuch, den Bund zu reformieren jetzt in eine offene Konfrontation in der Bundesversammlung, die den Be­ stand des Bundes als solchen in Frage stellte. Nicht nur die preußische Re­ gierung, sondern auch die Befürworter des österreichisch-mittelstaatlichen Antrags ließen es jetzt darauf ankommen. So schrieb der sächsische Außen­ minister Beust, der sich seit der Dresdener Konferenz am nachdrücklichsten für eine Bundesreform eingesetzt hatte27, am 2. Januar an den sächsischen Ge­ sandten in München, man dürfe den preußischen Drohungen nicht nachgeben und müsse die Abstimmung durchführen.28 Andere mittelstaatliche Minister waren etwas zurückhaltender und suchten in den ersten Januarwochen nach Wegen, um die Konfrontation zu vermeiden, ohne allerdings die an­gesetzte Abstimmung selbst in Frage zu stellen. Beusts württembergischer Amtskolle­ ge Hügel plädierte dafür, Preußen in der deutschen Öffentlichkeit ins Unrecht zu setzen und es zu zwingen, „vor dem Angesicht der Nation“ die Verantwor­ tung für das Gelingen oder Scheitern der Bundesreform zu übernehmen.29 Die bayerische Regierung stellte Mitte Januar 1863 beunruhigt fest, daß die Aussicht auf eine Mehrheit für den Reformantrag zu schwinden begann30, doch notierte der bayerische König, man könne nicht anders als auf dem frü­ heren Votum zu beharren, da man sich schon so tief eingelassen habe, „selbst auf die Gefahr hin, daß jetzt Preussen austritt“31. Die politischen Vertreter derjenigen Staaten, die bei der Antragstellung vom 14. August 1862 nicht beteiligt gewesen waren, äußerten sich ausgespro­ chen negativ über das Delegiertenprojekt. Der bremische Senatssyndikus Smidt bezeichnete es als „Humbug“, für den sich die Bürgerschaft kaum her­ 26 Siehe dazu: QGDB III/1; Flöter/Wartenberg (Hrsg.), Die Dresdener Konferenz (mit umfas­ sender Bibliographie); Schoeps, Von Olmütz nach Dresden; Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 55–69. 27 Dazu vor allem: Flöter, Beust und die Reform des Deutschen Bundes; ferner: Rumpler, Die deutsche Politik des Freiherrn von Beust; Müller, Reform statt Revolution. Eine moderne Biographie von Beust ist ein Desiderat. Neben der zeitgenössischen, wissenschaftlich nur bedingt verwertbaren Biographie von Ebeling, Beust, und den Artikeln in biographischen Sammelwerken (ADB, NDB, ÖBL, Artikel von Jonas Flöter in der Sächsischen Biographie [online]) ist auf das neuere Portrait von Matzerath, Beust, hinzuweisen. 28 Dok. 1. 29 Dok. 4, Zitat S. 15. 30 Dok. 16. 31 Dok. 17, Zitat S. 75.

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geben werde32; Staatsminister Oertzen von Mecklenburg-Schwerin hielt es grundsätzlich für bedenklich, dem Bund ein „Organ der gesammten deut­ schen Volksvertretungen“ hinzuzufügen33; der hannoversche Außenminister Platen war der Meinung, daß Preußen im Recht sei und die Delegiertenver­ sammlung nur einstimmig beschlossen werden könne; würde Preußen im Fal­ le einer Abstimmungsniederlage seinen Gesandten aus Frankfurt abberufen, so sei dies ein „Unglück“ für Deutschland: „Es wäre damit das erste Beispiel gegeben, daß sich ein Staat vom Bunde […] selbst entbinden kann.“34 Auch in der deutschen Öffentlichkeit wurde die drohende Spaltung des Deutschen Bundes mit großer Sorge diskutiert. Die Karlsruher Zeitung schrieb am 11. Januar, der Bund müsse trotz seiner Unzulänglichkeit erhalten werden „als letzter Zusammenhalt unseres Volkes“35, und selbst die der öster­ reichisch-mittelstaatlichen Position zugetane Augsburger Allgemeine Zeitung sah zwar den Antrag als bundesrechtlich zulässig an, warnte aber davor, Preu­ ßen einen Vorwand für den Austritt aus dem Bund zu liefern.36 Auf der anderen Seite gab es auch Stimmen, die die bevorstehende Ab­ stimmung über den Bundesreformantrag zum Anlaß nahmen, grundsätzliche Kritik am Deutschen Bund zu üben und Reformmaßnahmen zu fordern, die über den vorliegenden Antrag weit hinausgingen. In der kurhessischen Stän­ deversammlung stellte der Abgeordnete Wippermann den Antrag, der Ein­ führung einer Delegiertenversammlung entgegenzutreten, da diese völlig un­ genügend sei. Statt dessen solle sich die Kammer für die bundesstaatliche Einheit Deutschlands und die Einberufung eines frei gewählten deutschen Parlaments einsetzen.37 Damit wurde der Deutsche Bund als staatenbündi­ scher Ordnungsrahmen gänzlich in Frage gestellt. Auf plastischere Weise als in den kultivierten Kammerdebatten fand diese Auffassung ihren Ausdruck in einem Gedicht, das bei einer Versammlung des Frankfurter Arbeiterbildungs­ vereins am 18. Januar, wenige Tage vor der Abstimmung in der Bundesver­ sammlung, vorgetragen wurde. Darin wurde der Deutsche Bund als „Bau der Tyrannei“ und als „Cerberus“ bezeichnet, der die Macht der Fürsten schütze und die Völker knechte.38 Die zunehmend angespannte Stimmung sowohl in der öffentlichen Debatte als auch in den diplomatischen Kanälen veranlaßte die Regierung des Groß­ 32 Dok. 2, Zitat S. 10. 33 Dok. 7, Zitat S. 27. 34 Dok. 15, Zitate S. 70. 35 Dok. 6, Zitat S. 22. 36 Dok. 14. 37 Dok. 10. 38 Dok. 18.

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herzogtums Baden dazu, am 15. Januar in der Bundesversammlung einen Vermittlungsvorschlag vorzulegen, um die drohende Zerreißung des Bundes zu verhindern. Der badische Bundestagsgesandte regte an, die Abstimmung über das Delegiertenprojekt auszusetzen. Statt dessen solle der Ausschuß für das Bundesgericht beauftragt werden, über einen neuen Vorschlag Bericht zu erstatten, der dahin lautete, einer „eigens dazu gewählten“ Versammlung von „Bevollmächtigten der deutschen Ständeversammlungen“ die Bewilligung der Matrikularbeiträge für Bundeszwecke und die Festsetzung der Kontin­ gentsätze des Bundesheers zu übertragen.39 Die badische Initiative zielte ei­ nerseits darauf ab, Zeit zu gewinnen und den drohenden Bundesbruch vorerst zu verhindern. Andererseits sollte sie sowohl der Absicht Österreichs und der Mittelstaaten nach Einführung einer Delegiertenversammlung entsprechen als auch dem Verlangen der nationalen Öffentlichkeit und Preußens nach wirkli­ cher parlamentarischer Mitwirkung durch eine gewählte und mit beschließen­ den Kompetenzen ausgestattete Volksvertretung entgegenkommen. Für diesen Vorschlag gab es Sympathien bei jenen Regierungen, die vor allem Zeit gewinnen wollten, doch beharrte Österreich darauf, daß die „föde­ rativen Höfe“ in der Reformfrage einig blieben und die Abstimmung über den Antrag wie geplant vonstatten ging.40 So kam es dann am 22. Januar 1863 in der Bundesversammlung zu einer langen und intensiven Debatte über den Antrag zur Schaffung einer Delegiertenversammlung und zur Abstimmung darüber.41 Es wurden in dieser Debatte noch einmal die gegensätzlichen Standpunkte dargelegt. Österreich beharrte darauf, daß die vorgeschlagene Reform in sachlicher und formaler Hinsicht im Einklang mit dem Bundes­ recht stehe, während Preußen weiterhin bestritt, daß ein Mehrheitsbeschluß über die Delegiertenversammlung bundesrechtlich zulässig sei, und zudem auf die „materielle Untauglichkeit und Halbheit der Vorschläge“ verwies, da die Delegiertenversammlung „eine praktisch ganz unbedeutende Einrichtung“ sein werde. Nur in einer direkt von der Bevölkerung gewählten Vertretung könne „die deutsche Nation das berechtigte Organ ihrer Einwirkung auf die gemeinsamen Angelegenheiten finden“.42 Auch die übrigen Gesandten gaben im Verlauf der Sitzung zum Teil aus­ führliche Stellungnahmen für ihre jeweiligen Regierungen ab. Als es zur Ab­ stimmung kam, stimmten neben Österreich die Gesandten von Bayern, Sach­ sen, Württemberg, Großherzogtum Hessen und der 16. Kurie (Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Homburg) für die An­ 39 Dok. 13, Zitate S. 50. 40 Dok. 19, Zitat S. 77. 41 Dok. 20. 42 Ebd. S. 84.

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nahme des Reformantrags, damit insgesamt also nur 6 der 17 Stimmen des Engeren Rates der Bundesversammlung. Gegen den Antrag votierten die Re­ gierungen von Preußen, Hannover, Baden, Kurhessen, Dänemark, der Nieder­ lande, der Großherzoglich und Herzoglich sächsischen Häuser, Mecklenburg, die 15. Kurie (Oldenburg, Anhalt, Schwarzburg) und die 17. Kurie (freie Städte), die 13. Kurie (Nassau und Braunschweig) gab kein Votum ab. Neben der Tatsache, daß damit der österreichisch-mittelstaatliche Antrag mit deut­ licher Mehrheit abgelehnt wurde, war besonders bemerkenswert, daß mit Hannover, Kurhessen und Nassau nun drei Staaten dem Delegiertenprojekt ihre Zustimmung verweigerten, die im August 1862 an dem Antrag für diese Reform ­beteiligt gewesen waren. Diese Kehrtwende war auf den intensiven diploma­tischen Druck zurückzuführen, den die preußische Regierung seit dem Jahreswechsel 1862/63 insbesondere auf Hannover und Kurhessen aus­ geübt hatte.43 Mit dem Ergebnis der Abstimmung über das Delegiertenprojekt war zu­ nächst die unmittelbar drohende Gefahr des Bundesbruchs beseitigt, denn Bismarck hatte ja in den diplomatischen Korrespondenzen und Gesprächen im Dezember und Januar wiederholt erklärt, bei einem Mehrheitsbeschluß zugunsten des Antrags den preußischen Bundestagsgesandten abzuberufen. Was dies für den Deutschen Bund und die politische Entwicklung in Deutsch­ land bedeutet hätte, ist kaum abzuschätzen. Ob Österreich in diesem Fall ­bereit gewesen wäre, seine Politik mit der Bundesversammlung weiter fort­ zuführen, selbst auf die Gefahr einer politischen und möglicherweise militäri­ schen Eskalation, ist ebenso ungewiß wie die weiteren Maßnahmen Preußens. Wäre Bismarck, der innenpolitisch unter heftigem Beschuß stand44, bereit und in der Lage gewesen, den vollständigen Bruch mit Österreich und dem Deutschen Bund zu vollziehen, der ja kaum auf friedlichem Wege hätte erfol­ gen können? Was den Deutschen Bund betrifft, so ist es sehr wahrscheinlich, daß die Könige von Dänemark und den Niederlanden einen Rückzug des preußischen Vertreters aus der Bundesversammlung zum Anlaß genommen hätten, auch ihre Gesandten aus Frankfurt abzuziehen und sich vom Bund loszusagen. Die Möglichkeit, daß Deutschland durch eine Zustimmung zum Bundesre­ formantrag Österreichs und der süddeutschen Mittelstaaten in ein politisches Chaos gestürzt wäre, war im Januar 1863 jedenfalls sehr real. Es war wahr­ 43 Siehe QGDB III/3, Dok. 157, sowie zur Kurhessen Goebel, Die Bundes- und Deutschland­ politik Kurhessens, S. 214–223, hier besonders 218 f. 44 Zum Konflikt zwischen der preußischen Regierung und dem Abgeordnetenhaus über die Heeresreform siehe ausführlich Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 305–369; Lenger, Industrielle Revolution, S. 298–317.

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scheinlich auch die Furcht vor einer solchen Zerreißprobe, die gerade die kleineren Staaten dazu bewegte, den Antrag abzulehnen. Hinzu kam, daß an­ ders als drei Jahre später von preußischer Seite kein politisches und militä­ risches Szenario vorbereitet worden war, um auf den Zerfall des Bundes zu reagieren und zu einer neuen politischen Gestaltung Deutschlands unter der Führung Preußens und mit Unterstützung der nationalen Bewegung zu gelan­ gen. Dennoch betrieben sowohl Preußen als auch Österreich zu Jahresbeginn 1863 eine Risikopolitik mit unkalkulierbaren Folgen. Daran zeigte sich, wie verhärtet die Fronten im Deutschen Bund inzwischen waren. Während viele Mittel- und Kleinstaaten offen oder insgeheim erleichtert waren, daß das Delegiertenprojekt in der Bundesversammlung gescheitert war, hielt die österreichische Regierung zunächst daran fest. Außenminister Rechberg war der Auffassung, daß man den Plan einer Delegiertenversamm­ lung schon deshalb nicht einfach aufgeben dürfe, weil man damit „der preu­ ßischen Idee das Feld räumen“ werde, also jenen „Bundesstaats-Ideen“, die vom Nationalverein propagiert und mit dem preußischen Vorschlag einer ge­ wählten Volksvertretung zu „ein[em] gefährlichen Zunder […] für den über ganz Deutschland verbreiteten Sprengstoff“ werden könnten. Deshalb forder­ te Rechberg die bayerische Regierung dazu auf, gemeinsam mit Österreich und den anderen „föderativ gesinnten Regierungen“ die Beratungen über die Einführung der Delegiertenversammlung fortzuführen und sie eventuell, wenn sich dafür im Bund keine Mehrheit finden lasse, auf dem Weg der frei­ en Vereinbarung nur für einen Teil der deutschen Staaten einzuführen.45 Es gelte, so der österreichische Außenminister, nicht eine „bloß abwartende Hal­ tung“ anzunehmen, nötig sei vielmehr ein „aktives Vorgehen in der Reform­ frage“: „Ich kann daher nur wiederhohlen [sic], daß wir es verhältnißmäßig für sicherer halten, die Reformbestrebungen auf allen jetzt noch offenen We­ gen entschieden weiter zu verfolgen, als sich ruhig in die durch die Abstim­ mung vom 22ten Jänner erlittene Niederlage zu ergeben.“46 Einen anderen Weg schlug der sächsische Außenminister Beust in einem Memorandum vor, das er Anfang Februar 1863 an Rechberg übermittelte.47 Für ihn war nicht die Niederlage in der Bundesversammlung der entscheiden­ de Punkt, sondern die geringe Unterstützung, die der Reformantrag in der deutschen öffentlichen Meinung gefunden hatte. Eine Bundesreform könne nicht erfolgreich sein, wenn sie nicht die Zustimmung der Bevölkerung ge­ wänne, und deshalb müsse ein anderer Weg als der bisher eingeschlagene ­betreten werden: „Anstatt damit anzufangen, in Frankfurt Anträge auf Zu­ 45 Dok. 22 und 24, Zitate S. 117 f. 46 Zitate Dok. 24, S. 125–127. 47 Dok. 23.

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lassung gewisser Modalitäten von Vertretung der Kammern beim Bunde ein­ zubringen, muß man zunächst des Einverständnisses und der Mitwirkung der Letzteren für einen Reformvorschlag sich versichern.“48 Zu diesem Zweck schlug Beust die baldige Einberufung einer Konferenz der beteiligten Regie­ rungen „unter Zuziehung von Vertrauensmännern aus ihren Kammern“ vor.49 Dieser Vorschlag war – im Hinblick auf die Haltung der deutschen Re­ gierungen – ein Novum in der Bundesreformdebatte. Bisher war stets da-­ von ausgegangen worden, daß sich die Regierungen auf eine Bundesreform ­verständigten. Eine Einbeziehung von Volksvertretern in den Beratungs- und Entscheidungsprozeß über eine Reorganisation der Bundesverfassung hatte niemals zur Debatte gestanden, weder 1851 auf der Dresdener Konferenz noch in den nachfolgenden Diskussionen und Plänen. Gewählte oder dele­ gierte Volksvertreter sollten erst aktiv werden können, wenn die Regierungen sich über die Art und die Form ihrer Beteiligung an den Bundesangelegenhei­ ten verständigt hatten. Was Beust nun vorschlug, lief demgegenüber auf die Vereinbarung eines Reformkonzepts zwischen Regierungs- und Volksvertre­ tern auf gesamtdeutscher Ebene hinaus. Die österreichische Regierung sprach sich zwar nicht kategorisch gegen die Hinzuziehung von Vertrauensmännern aus den einzelstaatlichen Kam­ mern aus, doch beharrte sie darauf, daß sich zunächst die Regierungen über ein nachhaltiges Reformprojekt einigen müßten, bevor dieses den Vertrauens­ männern zur Beratung überwiesen würde. Andernfalls, so Rechberg in einem Erlaß an den österreichischen Gesandten in Dresden, würden die Regierun­ gen „faktisch die Initiative in der Reformfrage an die Vertrauensmänner abtreten“.50 Damit war der sächsische Vorschlag blockiert, denn es war Beust ja gerade darum gegangen, einen neuen Bundesreformvorschlag mit den Kammervertretern zu vereinbaren anstatt ihnen lediglich ein Regierungskon­ zept vorzulegen. Auch in Württemberg beschäftigte sich die Regierung im Februar 1863 weiter mit der Frage einer großen Bundesreform. Der Vortragende Rat im Außenministerium, Graf von Taube, verfaßte einen detaillierten Reformplan in 17 Artikeln, den die Regierung nach Wien übermittelte.51 Darin wurde ne­ ben der Erweiterung der Bundeszwecke die Einführung „neuer organischer Einrichtungen“52 vorgeschlagen, und zwar eines „Vollziehungsrats“, einer „ständischen Vertretung am Bunde“ mit 200 oder 300 Abgeordneten und 48 Ebd., S. 123. 49 Ebd. 50 Dok. 27, Zitat S. 151. 51 Dok. 26. 52 Ebd., S. 136.

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­eines „Bundesgerichts“. Sobald sich die Bundesregierungen über die Grund­ züge einer Bundesreform verständigt haben würden, sollte zudem „eine Revi­ sion der Bundesgrundgesetze vorgenommen und ein neues umfassendes Bun­ desgrundgesetz entworfen [werden], welches einer hienach zu berufenden ständischen Vertretung am Bunde zur Annahme vorzulegen wäre“.53 Einige Bestimmungen des Taube’schen Entwurfs, den die württembergi­ sche Regierung als eine „Privatarbeit“ bezeichnete, stießen in Wien auf Be­ denken, so vor allem die Frage des Vorsitzes in den Bundesbehörden, die der Entwurf offenließ, sowie die angeregte Ausdehnung des Verteidigungsauf­ trags des Bundes auf das Gesamtgebiet Österreichs und Preußens.54 Zudem gingen, wie der bayerische Gesandte in Wien am 15. März nach München berichtete, der österreichischen Regierung die der ständischen Vertretung zu­ gewiesenen Befugnisse zu weit.55 Der intensive Gedankenaustausch über das weitere Vorgehen in der Frage der Bundesreform, der zwischen den süddeutschen Mittelstaaten und Öster­ reich nach der Abstimmung vom 22. Januar geführt wurde, kam Mitte März abrupt zum Erliegen. Die sächsischen und württembergischen Vorschläge ­waren in Wien reserviert aufgenommen worden, und Bayern hatte die ihm angetragene aktive Rolle abgelehnt und war lediglich bereit, sich an weiteren Beratungen mit Österreich und anderen gleichgesinnten Regierungen zu be­ teiligen. Da schon mit den drei engsten Verbündeten eine Verständigung nicht einfach war, entschloß sich die Regierung in Wien offenbar Mitte März dazu, ein umfassendes Bundesreformprojekt zu entwerfen, ohne dieses vorerst mit den mittelstaatlichen Ministerien im einzelnen abzustimmen oder zu diskutie­ ren. Mit der Ausarbeitung wurde der Ministerialrat Ludwig von Biegeleben beauftragt, der am 12. März 1863 eine erste Denkschrift mit dem Titel „Grund­züge einer Reformakte des Deutschen Bundes“ vorlegte. Es folgten in der Zeit bis Ende Juni/Anfang Juli weitere Denkschriften und Vorlagen, die im vorliegenden Band nicht erneut ediert werden, da sie schon in der Edition von Heinrich Ritter von Srbik enthalten sind.56 Die Minister der süddeutschen Mittelstaaten wußten zwar, daß man in Wien an einem Plan für eine Bundesreform arbeitete, aber sie waren weder über das Ausmaß noch die Details der Reform informiert. Es war deshalb auch für sie eine große Überraschung, als Kaiser Franz Joseph I. von Öster­ reich am 31. Juli 1863 persönlich die deutschen Monarchen und die Vertreter 53 Dok. 26, Art. XVII, S. 149. 54 Dok. 29. 55 Dok. 28. 56 Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 115–124, 160–167, 215– 219, 222–225.

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der freien Städte für den 16. August nach Frankfurt einlud, um über eine Re­ form der Bundesverfassung zu beraten.57 Das war ein in der bisherigen Bun­ desgeschichte einmaliger Schritt, den niemand für möglich gehalten oder vor­ hergesehen hatte. Niemals zuvor seit 1815 hatten sich die Monarchen selbst zusammengefunden, um über das Schicksal Deutschlands zu verhandeln. Alle wichtigen bundespolitischen Beschlüsse, ob in Karlsbad 1819, in Wien 1820 und 1834 sowie in Dresden 1850/51 waren in Ministerberatungen und -kon­ ferenzen verhandelt und verabschiedet worden. Daß der Kaiser von Öster­ reich nun vorschlug, im Kreise seiner Mitfürsten in der „Bundesstadt“ über die „Reorganisation des Bundes“ und die „Kräftigung des Bundesprincips“58 zu verhandeln, bedeutete eine enorme Aufwertung der Bundesreformfrage, die bis dahin zwar immer wieder eine wichtige Rolle in der ministeriellen und öffentlichen politischen Diskussion gespielt, die aber niemals den Rang eines symbolträchtigen nationalen Ereignisses erlangt hatte. Die Einberufung eines Fürstenkongresses durch Kaiser Franz Joseph I. machte die Bundesre­ form zur absoluten politischen Priorität in Deutschland, was der Sache nach sicherlich gerechtfertigt war, gleichzeitig aber ein hohes politisches Risiko darstellte. Ein solcher Kongreß unter Führung des hochrangigsten deutschen Monarchen mußte hohe Erwartungen auf einen substantiellen Fortschritt in der deutschen Frage wecken, die ja nun schon seit Jahren ohne greifbare Er­ folge diskutiert worden war. Ein Bundesreformversuch auf einer solch promi­ nenten Ebene mußte ein großer Wurf werden, der den nationalen Wünschen nach größerer Einheit und Macht Deutschlands weit entgegenkam und der gleichzeitig das politische Gleichgewicht zwischen den deutschen Staaten so austarierte, daß die vorhandenen Konflikte ausgeglichen wurden. Das war eine anspruchsvolle Aufgabe, die – retrospektiv betrachtet – als die Quadratur des Kreises angesehen werden könnte. Doch war das Unter­ nehmen wirklich von vornherein aussichtslos? Die österreichische Regierung und allen voran der Kaiser waren gewiß nicht so naiv zu glauben, daß es leicht sein würde, die vielfältigen Schwierigkeiten zu überwinden und in Frankfurt zu einer Einigung über die Bundesreform zu gelangen. Wenn sie aber von der Aussichtslosigkeit ihres Versuches überzeugt gewesen wären, warum hätten sie ihn dennoch unternehmen sollen? Daß sie das Prestige des Kaisers, dessen persönlicher Einsatz nicht von ungefähr sogleich Reminis­ zenzen an das alte deutsche Reich und seine Reichstage erweckte59, für eine „vaterländische“ Sache einsetzten, legt vielmehr das Kalkül nahe, durch ein symbolträchtiges Ereignis eine politische Dynamik auszulösen, mit der sich 57 Dok. 32. 58 Dok. 32, S. 185. 59 Siehe Dok. 44.

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die deutschlandpolitische Blockade durchbrechen ließ. Der Frankfurter Für­ stentag war ein Versuch, mit monarchischem Pomp praktische Politik zu ­machen und kann somit als ein herausragendes Beispiel für die zahlreichen inszenierten Monarchenbegegnungen des 19. Jahrhunderts gedeutet werden.60 Materiell war die Frankfurter Fürstenzusammenkunft gut vorbereitet wor­ den. Die österreichische Regierung hatte den Entwurf einer Reformakte des Deutschen Bundes ausgearbeitet, der in 36 zum Teil umfangreichen Artikeln eine umfassende Reorganisation des Bundes beinhaltete.61 Der Bundeszweck sollte erweitert werden und künftig die „Förderung der Wohlfahrt der deut­ schen Nation und Vertretung ihrer gemeinsamen Anliegen“ sowie die „Ge­ meinsamkeit der Gesetzgebung“ im Bund umfassen.62 Als neue Bundes­ organe sollten ein Direktorium zur Leitung der Bundesangelegenheiten, ein Bundesrat aus Regierungsbevollmächtigten, eine Abgeordnetenversammlung, eine Fürstenversammlung und ein Bundesgericht geschaffen werden.63 Insti­ tutionell würde mit diesen Einrichtungen der Bund erheblich ausgebaut wer­ den, und dies im Hinblick auf die Exekutive, die Legislative und die Judika­ tive. Von dem Bundesgericht abgesehen, das in Anknüpfung an frühere Re­ formentwürfe64 als unabhängige höchste Gerichtsinstanz im Deutschen Bund und gleichzeitig als Schiedsgericht fungieren sollte65, waren die im Entwurf formulierten Regelungen für die Bundesexekutive und die Bundesgesetzge­ bung sehr komplex. In beiden Fällen wollte die österreichische Regierung nicht einem Gremium allein die Verantwortung beziehungsweise die Kompe­ tenzen übertragen, sondern es war jeweils eine Kontrollinstanz vorgesehen. Die vollziehende Gewalt sollte von einem fünfköpfigen Direktorium (dem die Monarchen von Österreich, Preußen und Bayern sowie zwei weitere gewählte Souveräne angehören sollten) ausgeübt werden. Dabei war aber in manchen Fällen die Genehmigung des Bundesrats, der in Anlehnung an den bisherigen Engeren Rat, jedoch mit auf 21 erhöhter Stimmenanzahl formiert werden sollte, erforderlich. Bei manchen Maßnahmen des Direktoriums war zudem die Zustimmung der Abgeordnetenversammlung und der Fürstenversamm­ lung nötig.66 Die Abgeordnetenversammlung, bestehend aus 300 aus den ein­ zelstaatlichen Landtagen gewählten Vertretern (und somit eine Neuauflage 60 Vgl. dazu Paulmann, Pomp und Politik. 61 Dok. 48. 62 Art. 1, ebd. S. 239. 63 Art. 2, S. 240. 64 Siehe dazu die bisherigen Bände der Edition QGDB III/1–3 sowie Wyduckel, Die Diskussion um die Einführung eines Bundesgerichtes; Müller-Kinet, Die höchste Gerichtsbarkeit im Deutschen Staatenbund. 65 Art. 26–34, S. 251–255. 66 Art. 3–15, S. 240–246.

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der Delegiertenversammlung), hatte beratende und beschließende Befugnisse bei der Bundesgesetzgebung, das heißt der Einführung gemeinsamer Gesetze, aber auch – und das war neu – bei der Abänderung der Bundesverfassung und der Verabschiedung des Bundeshaushalts. Diese Kompetenzen waren aber in­ sofern eingeschränkt, als die Fürstenversammlung, die aus den „persönlich erscheinenden Souveräne[n]“67 oder ihren Vertretern und zwei Vertretern der Standesherren bestehen sollte, die „endgiltigen Beschlüsse“ über die Anträge der Abgeordnetenversammlung zu fassen hatte.68 Die Doppelgleisigkeit bei der Gestaltung der Exekutive und der Legislative des Bundes war ein komplizierter Mechanismus, der zum einen die Bewe­ gungsfreiheit der Volksvertretung einschränken und verhindern sollte, daß diese sich als Bundes- oder Nationalparlament mit unbeschränkter Gesetzge­ bungskompetenz etablierte. Zum anderen sollte den Fürsten in personam das letzte Wort sowohl bei der Gesetzgebung als auch bei der Vollziehung wichti­ ger Bundesbeschlüsse gesichert werden. In dieser Konstruktion zeigt sich nicht nur die monarchische Ablehnung einer parlamentarischen Gesetzge­ bung im Deutschen Bund, sondern auch der tiefsitzende Vorbehalt gegenüber eigenständigen Bundesorganen, selbst wenn diese, wie das Direktorium aus den Fürsten selbst beziehungsweise aus von diesen ernannten Bevollmächtig­ ten oder wie der Bundesrat aus den Bundestagsgesandten bestanden. Die monarchischen Souveräne sollten im Bund das letzte Wort behalten. Es ist hier nicht der Ort, um eine ausführliche Analyse der Bundesre­ formakte vorzunehmen, denn dazu wäre eine umfangreichere Studie nötig.69 Statt dessen werden im Folgenden die Reaktion der deutschen Regierungen und der Öffentlichkeit auf die kaiserliche Einladung, der Gang der Verhand­ lungen und die Ergebnisse des Fürstentages skizziert. Die meisten deutschen Regierungen nahmen die Einladung nach Frankfurt umgehend an, auch wenn sie, wie der bayerische Bundestagsgesandte von der Pfordten schrieb, vom Schritt des Kaisers von Österreich „überrascht“ wa­

67 Art. 23, S. 250. 68 Art. 25, S. 251. 69 Verwiesen sei hier auf das Werk von Wehner, Die deutschen Mittelstaaten auf dem Frankfur­ ter Fürstentag, das auf der Auswertung der mittelstaatlichen Archive in Karlsruhe, München, Hannover, Darmstadt, Marburg, Stuttgart und Dresden beruht und eine dichte Schilderung des Konferenzverlaufs bietet, wobei auch ausführlich auf die Reformakte eingegangen wird (S. 90–103). Weitere monographische Studien zum Fürstentag liegen nicht vor. Abrisse der Verhandlungen finden sich in Sybel, Die Begründung des Deutschen Reiches, Bd. 1, S. 581– 595; Srbik, Deutsche Einheit, Bd. 4, S. 39–77; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 421–435, dort S. 427–432 eine Analyse der Bundesreformakte; Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 348–355.

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ren70 oder, wie der bremische Senat, „gewisse Bedenken“ hatten und sich auf „keine bindenden Verpflichtungen“ einlassen wollten71. Einen großen Rück­ schlag bedeutete es indessen, daß König Wilhelm I. von Preußen, den Kaiser Franz Joseph I. am 2. August 1863 persönlich in Gastein aufgesucht hatte, um ihn nach Frankfurt einzuladen und ihm ein ausführliches Promemoria zu überreichen72, schon am 3. und 4. August und noch einmal am 7. August sei­ ne Teilnahme verweigerte73, weil er sich nicht davon überzeugen könne, „daß der eingeschlagene Weg der zum Ziele führende sei“74. Auch ein Brief der in Frankfurt versammelten Fürsten vom 17. Juli 1863, der dem preußischen Kö­ nig von König Johann von Sachsen persönlich überbracht wurde und in dem die Monarchen Wilhelm I. baten, doch noch in ihrer Mitte zu erscheinen und sich an den Beratungen zu beteiligen75, hatte keinen Erfolg. Der preußische König, der schwankend geworden war, wurde von seinem Ministerpräsiden­ ten Bismarck sogar mit dem Mittel der Rücktrittsdrohung dazu gedrängt, die erneute Einladung nach Frankfurt auszuschlagen.76 Bismarck wollte sich auf keine Bundesreformverhandlungen einlassen, über die nicht vorher eine di­ plomatische Verständigung mit Preußen stattgefunden hatte. Es entspreche, so schrieb er am 14. August an den Gesandten in Wien, nicht der Würde des Königs von Preußen, sich nach Frankfurt „zur Entgegennahme von Vorschlä­ gen in Bundesangelegenheiten zu begeben, über welche der Rath Preußens nicht vorher gehört ist, und deren volle Tragweite Seiner Majestät dem König erst in Frankfurt eröffnet werden soll“.77 Im übrigen bezweifelte Bismarck, daß die österreichischen Vorschläge geeignet seien, „eine befriedigende Neu­ gestaltung der politischen Verfassung der deutschen Nation“ herbeizufüh­ ren.78 Der ausschlaggebende Punkt für Bismarck waren aber nicht die inhalt­ lichen Bestimmungen der Reform, sondern das Verfahren an sich. Wie in der Bundesversammlung beim Streit um das Delegiertenprojekt erblickte er auch in einem allgemeinen Fürstenkongreß die Gefahr einer Majorisierung Preu­ ßens durch Österreich und seine Verbündeten. Auf konkrete Reformverhand­ lungen wollte er sich nur einlassen, wenn eine von den Großmächten vorab vereinbarte Grundlage gewonnen war. Hierin lag ein grundsätzliches Problem 70 Dok. 40, S. 207. 71 Dok. 41, S. 211. 72 Dok. 43 und 33 (Promemoria). 73 Dok. 34, 35, 37. 74 Dok. 37, S. 201. 75 Dok. 47. 76 Gall, Bismarck, S. 287 f. 77 Dok. 43, Zitat S. 216. 78 Ebd., S. 218.

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aller Bundesreformbestrebungen seit 1851: Niemals gelang es Österreich und Preußen, ein gemeinsames Reformprogramm zu formulieren, über das dann auf Bundesebene oder auch in einer allgemeinen Minister- oder Fürstenkon­ ferenz hätte beraten und entschieden werden können. Die Reformpläne der 1850er Jahre waren immer von den Mittelstaaten ausgegangen und waren weder bei Preußen noch bei Österreich auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Die Anträge und Entwürfe zur Umgestaltung des Bundes, die von 1862 bis 1866 vorgelegt wurden, stammten entweder von Österreich (und einigen Mit­ telstaaten) oder von Preußen, und sie enthielten Vorschläge, die für die je­ weils andere Seite kaum annehmbar waren. An sich war die Initiative Öster­ reichs, die Reformblockade aus einer Konferenz der deutschen Fürsten zu durchbrechen, weder illegitim noch von vorneherein illusionär. Die Voraus­ setzung für einen Erfolg auf diesem Weg war allerdings, daß vor allem die beiden Großmächte zu einem Interessenausgleich in Deutschland bereit und in der Lage gewesen wären. Dies war jedoch, wie der Fürstentag nun auch in aller Öffentlichkeit zeigen sollte, nicht der Fall. Bei aller Skepsis, mit der die Presse, die nationalen Vereine und die deut­ schen Kammern nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre im Hinblick auf eine einvernehmliche Bundesreform auf die überraschende Einladung zum Fürstentag reagierten, gab es indessen auch die Hoffnung auf einen Fort­ schritt in der deutschen Frage. Der Freiherr Philipp von Künßberg-Mandel, ein Mitglied des großdeutschen Reformvereins, schrieb in einem Zeitungsar­ tikel, das bevorstehende „Epoche machende Ereigniß“ habe „alle Schichten des Volkes, bis herab in die einfache Kneipe der Arbeiter [und] alle Gemüther in Bewegung gesetzt und die Verzagenden mit neuem Muth und neuer Hoff­ nung belebt“.79 Das liberale Frankfurter Journal bezeichnete die Idee des Kai­ sers von Österreich, die deutschen Fürsten auf dem neutralen Boden der alten Wahl- und Krönungsstadt Frankfurt zu vereinigen, als einen „glücklichen“ Gedanken, wenn es auch ungewiß sei, ob „ein nationales Pfingsten“ über sie kommen werde.80 Das konservativ-katholische Mainzer Journal meinte sogar, mit dem Fürstentag gehe „der sehnsüchtigste Wunsch des deutschen Volkes“ in Erfüllung und die Fürsten könnten – wenn auch Preußen nicht vertreten sei – „nicht resultatlos von Frankfurt in ihre Residenzen zurückkehren“.81 Und auch der deutsche Abgeordnetentag, der sich 1862 in Weimar konstituiert hat­ te und am 21. und 22. August 1863 parallel zu den Fürsten in Frankfurt eine Konferenz mit 319 Teilnehmern abhielt, würdigte in einer einstimmig verab­ schiedeten Resolution die Einladung zum Fürstentag als „ein erfreuliches 79 Dok. 38, S. 202. 80 Dok. 39, S. 205. 81 Dok. 44, Zitate S. 219 und 220.

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Zeugniß der allerwärts siegreichen Ueberzeugung von der Unzulänglichkeit der bestehenden Bundesverfassung“, verband damit aber die Forderung nach einer bundesstaatlichen Einheit, die im Zusammenwirken mit einer gewählten Nationalversammlung herbeizuführen sei.82 Als „einen geschichtlich denk­ würdigen Augenblick“ beurteilten liberale und nationale Blätter in Österreich und anderen deutschen Staaten den Fürstentag, bei dem über das Schicksal der deutschen Nation und vielleicht auch der deutschen Fürsten entschieden werde.83 Unter diesen Auspizien begannen am 17. August im Palais des Fürsten von Thurn und Taxis, dem Sitz der Bundesversammlung, die Verhandlungen des Fürstentags unter dem Vorsitz des gerade einmal 33 Jahre alten Kaisers Franz Joseph I.84 und in Anwesenheit von fast allen deutschen Fürsten sowie der Vertreter der freien Städte. Nicht zugegen waren lediglich der König von Preußen und der König von Dänemark, die eine Teilnahme grundsätzlich ab­ gelehnt hatten. Einige andere regierende Fürsten waren nicht persönlich an­ gereist und ließen sich vertreten: der König von Württemberg (vertreten vom Kronprinzen), der König der Niederlande (vertreten vom Prinzen und Statt­ halter des Großherzogtums Luxemburg), der Fürst von Reuß älterer Linie (vertreten vom König von Sachsen) und der Herzog von Anhalt-Dessau und Köthen (vertreten vom Erbprinzen).85 Ferner fehlte der Fürst zu Lippe-Det­ mold, der sich für sein Fernbleiben entschuldigte, aber seine Bereitschaft er­ klärte, allen Beschlüssen zuzustimmen.86 In seiner Eröffnungsansprache appellierte der Kaiser an die versammelten „Häupter der deutschen Nation“87, auf der Grundlage des von ihm vorgeleg­ ten Bundesreformentwurfs den Deutschen Bund „im Geiste Unserer Epoche“ zu erneuern, „ihn durch die Theilnahme Unserer Völker mit frischer Lebens­ kraft zu erfüllen, und ihn dadurch zu befähigen, Deutschland in Ehre und Macht, in Sicherheit und Wohlfahrt als ein unzertrennliches Ganze[s] zusam­ 82 Dok. 55, Zitat S. 267. – Zum Abgeordnetentag siehe Biefang, Politisches Bürgertum, S. 240– 247, 280–287. 83 Dok. 58, Zitat S. 277. 84 Der Kaiser war einer der jüngsten Monarchen und führte den Vorsitz über eine Fürstenver­ sammlung, bei der die meisten Teilnehmer eine Generation älter waren. Die „Jugendlichkeit“ Franz Josephs trug sicherlich dazu bei, in der Öffentlichkeit Hoffnungen auf eine neue Bewe­ gung im festgefahrenen Reformprozeß zu wecken. Inwiefern sich sein Alter auf die Verhand­ lungen mit den anderen Fürsten positiv oder negativ auswirkte, wäre einer Untersuchung wert. Zu Franz Joseph siehe neben den Standardbiographien von Herre und Palmer jetzt die neueren Biographien von Unterreiner, Höbelt, Vocelka/Vocelka und Schmetterer. 85 Dok. 45. 86 Dok. 60, Anlage 2. 87 Dok. 45, S. 225.

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menzuhalten bis in die spätesten Tage“.88 Die Reformakte biete die Möglich­ keit, die Verfassungszustände des Bundes „in immer vollständigeren Einklang mit allen begründeten Anforderungen zu setzen“. Um dies zu erreichen, soll­ ten aber nicht „weitaussehende Berathungen“ eröffnet werden, sondern „in einem raschen und einmüthigen Entschluße der deutschen Fürsten“ eine Lö­ sung für die Zukunft Deutschlands gefunden werden.89 Bevor in die Beratungen eingetreten wurde, beschlossen die Fürsten in der zweiten, am Nachmittag des 17. August stattfindenden Sitzung, eine kollekti­ ve Note an den preußischen König zu verfassen und diese von König Johann von Sachsen nach Baden-Baden zu Wilhelm  I. bringen zu lassen, um ihn doch zur Teilnahme am Fürstentag zu bewegen.90 Erst als die Antwort König Wilhelms I. eintraf, in der die Ablehnung noch einmal bekräftigt wurde91, ging der Fürstentag in der dritten Sitzung vom 22. August zur Beratung der Bundesreformakte über.92 In den fünf Tagen von der Eröffnung bis zum eigentlichen Beginn der in­ haltlichen Verhandlungen wurden hinter den Kulissen intensive Gespräche geführt. Die Fürsten und Minister einiger mindermächtiger Staaten (Baden, Sachsen-Weimar, Oldenburg, Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha, ­Waldeck, Lübeck, Bremen und Hamburg) konferierten schon am Sonntag, dem 18. Au­ gust, im Domizil des Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha in der Neuen Mainzerstraße 32.93 Sie waren sich einig, daß eine „En bloc-Annahme“ der Reformakte, wie sie die Rede des Kaisers nahegelegt hatte, unmöglich sei. Andererseits dürfe man nicht ohne Resultat auseinandergehen und müsse „die Erwartungen des deutschen Volkes wenigstens einigermaßen“ befriedigen.94 Es wurde deshalb der Vorschlag formuliert, die Reformakte in den „wesent­ lichen Grundzügen“ anzunehmen, gleichzeitig aber eine Ministerkonferenz einzuberufen, die über die zu stellenden Amendements beraten und den Ent­ wurf vorläufig feststellen solle. Über diesen Entwurf sollten dann die Fürsten „vorbehältlich der landesverfassungsmäßigen Erledigung“ beschließen.95 Der Vorschlag ließ einerseits erkennen, daß sich die beteiligten Regierun­ gen keineswegs zu einem raschen Schritt hinreißen lassen wollten, sondern sich vorbehielten, ihre jeweiligen Änderungsvorschläge einzubringen, was unweigerlich zu einer unabsehbaren zeitlichen Verlängerung und inhaltlichen 88 Ebd., S. 226. 89 Ebd. 90 Dok. 46 und 47. 91 Dok. 54. 92 Dok. 60. 93 Dok. 50. 94 Ebd., S. 258. 95 Dok. 51, Zitate S. 259.

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Komplizierung der Beratungen führen mußte. Zum anderen war er ein kaum verschleierter Ausdruck der Tatsache, daß es im Kreis der Mindermächtigen – aber nicht nur da – „so viel verschiedene Meinungen [gab] als Personen zugegen waren“, wie der bremische Bürgermeister Duckwitz an den Senat der Hansestadt berichtete.96 Selbst bei den österreichisch gesinnten Ministern seien „eine ganze Menge amendements [sic] ersonnen“ worden, wodurch die ganze Sache wohl „sehr kraus“ werde.97 Die Atmosphäre in Frankfurt war nach der Schilderung von Duckwitz in diesen Tagen sehr hektisch: „Die vie­ len Conferenzen, Etiquetten, Festlichkeiten, erdrückende Masse von Besu­ chen, die man empfängt und machen muß, die Besprechungen, die Hitze und der Zugwind sind übrigens sehr angreifend, man kommt aus dem Rumor gar nicht heraus, und schreibe ich dieses vor dem Frühstück, weil ich später nicht dazu kommen würde.“98 Als am 22. August 1863 die Fürsten zur ihrer dritten Sitzung zusammen­ kamen, waren von den verschiedenen Staaten schon zahlreiche Änderungs­ anträge zu den einzelnen Artikeln des Bundesreformentwurfs diskutiert und zum Teil auch schon schriftlich fixiert worden.99 Der Großherzog vom Meck­ lenburg-Schwerin stellte in der Sitzung sogleich einige Änderungsanträge im Hinblick auf die Bildung des Bundesdirektoriums, dessen Befugnisse, die Ausdehnung der Bundesgesetzgebung und die Organisation und Kompeten­ zen der Bundesabgeordnetenversammlung.100 Bevor in die Einzelberatung der Bundesreformakte eingetreten wurde, ließ Kaiser Franz Joseph I. das Ant­ wortschreiben des preußischen Königs101 auf die von den Fürsten an ihn ge­ richtete Bitte, sich doch noch in Frankfurt einzufinden, vorlesen. Daraufhin wurde beschlossen, auch ohne die Beteiligung des preußischen Monarchen die Verhandlungen fortzusetzen und die Hauptbestimmungen der Reformakte „einer vollkommen freien Beratung“ zu unterziehen.102 Einige Monarchen legten besonderen Wert darauf, daß es auf die „freie Zustimmung Aller“ an­ komme103 und daß man sich nicht generell und im Voraus zur Anerkennung der Majoritätsmeinung verpflichten könne. Der Kaiser betonte allerdings, daß die Schlußabstimmung über die gesamte Reformakte „eine vollkommen bin­ dende Wirkung“ haben müsse. Dieser Punkt wurde aber weder völlig ausdis­   96 Dok. 52, Zitat S. 260.   97 Ebd., S. 261.   98 Ebd., S. 262.   99 So vom Herzog von Sachsen-Meiningen, Dok. 53. Siehe ferner die Dokumente in Wehner, Die deutschen Mittelstaaten auf dem Frankfurter Fürstentag, S. 430–433. 100 Dok. 60, Anlage 3. 101 Dok. 54. 102 Dok. 60, S. 284. 103 Ebd.

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kutiert noch von allen Anwesenden ausdrücklich anerkannt, so daß eine klare Regelung über den Modus der abschließenden Beschlußfassung und ihre Ver­ bindlichkeit nicht vereinbart wurde. Statt dessen begannen die Fürsten und Vertreter der freien Städte mit der Beratung der einzelnen Artikel der Reformakte. Dabei zeigte sich schon bei den ersten Artikeln, daß es keine einhellige Billigung gab; es wurden viel­ mehr von einzelnen Fürsten inhaltliche Vorbehalte geäußert, andere behielten sich ihre Erklärung vor, andere wiederum brachten Änderungsanträge ein, worauf die Beratung über den betreffenden Artikel vorerst ausgesetzt wurde. Schon in diesen ersten Verhandlungen wurde somit deutlich, daß die von Österreich gewünschte rasche Annahme und Verabschiedung seiner Reform­ vorschläge unrealistisch war. Zwar wurde die Reformakte zehn Tage später, am 1. September verabschiedet, doch es stimmten nicht alle Monarchen zu oder es wurden Vorbehalte erhoben, welche die Durchführung der Reform in Frage stellten. Die sieben Sitzungen der Fürstenkonferenz, die nach der dritten Sitzung vom 22. August zwischen dem 24. August und dem 1. September noch ab­ gehalten wurden104, und die parallel dazu ablaufenden diplomatischen Ver­ handlungen zeigen deutlich, wie schwierig die angestrebte Einigung auf eine Bundesreform sich gestalteten, und welche Meinungsverschiedenheiten und Gegensätze dabei zutage traten. So lehnte die Regierung des Großherzogtums Baden unmittelbar im Anschluß an die Sitzung vom 22. August in einer Note an den österreichischen Außenminister Rechberg die Form der „geschäftli­ chen Behandlung“ der Bundesreformakte ab und wies darauf hin, daß eine verbindliche Annahme der Reformakte der „Zustimmung der constitutionel­ len Körperschaften“ bedürfe.105 Am gleichen Tag teilte auch die Regierung von Sachsen-Altenburg mit, daß sie keine bindenden Verpflichtungen einge­ hen könne und daß ohne die Beteiligung Preußens ein erfolgreiches Verhan­ deln über die Bundesreform nicht möglich sei.106 Und wenige Tage später berichtete der oldenburgische Minister Rössing über die Abneigung einer Reihe von mittleren und kleineren Staaten, ohne Preußen zu verhandeln und über die Zweifel an einem Resultat der Konferenz.107 Selbst bei jenen Staaten, welche dem österreichischen Vorgehen und den vorgeschlagenen Reformmaßnahmen im Prinzip zustimmten, gab es, sobald es um die Einzelheiten ging, zahlreiche Meinungsunterschiede. Besonders die 104 4. Sitzung am 24. August (Dok. 64), 5. Sitzung am 25. August (Dok. 65), 6. Sitzung am 26. August (Dok. 69), 7. Sitzung am 27. August (Dok. 70), 8. Sitzung am 28. August (Dok. 71), 9. Sitzung am 29. August (Dok. 72) und 10. Sitzung am 1. September (Dok. 74). 105 Dok. 62, Zitate S. 295 u. 297. 106 Dok. 63. 107 Dok. 68.

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Zusammensetzung des Direktoriums war umstritten. Der österreichische Vor­ schlag, dem bayerischen König neben den Monarchen von Österreich und Preußen dort einen permanenten Sitz zu geben, rief den Widerstand der an­ deren Königreiche gegen die „Bevorzugung“ Bayerns hervor, der König von Württemberg sprach gar von einem „Unrecht gegen die anderen Könige“.108 Wie schon 1851 auf der Dresdener Konferenz löste die Frage der Gestaltung der Bundesexekutive Rangstreitigkeiten unter den Mittelstaaten aus. Wie sehr die Auffassungen auseinandergingen, zeigte sich in der vierten Konferenzsitzung, als von Baden, Sachsen, Oldenburg und Nassau zu den Ar­ tikeln 2 bis 6 der Bundesreformakte, in denen die Bildung und die Kompeten­ zen von Bundesdirektorium und Bundesrat geregelt wurden, abweichende Voten und Änderungsvorschläge eingereicht wurden.109 In der fünften Sit­ zung wurden gar 19 Amendements eingebracht110, in der sechsten Sitzung waren es 15111, und auch in den folgenden Sitzungen gab es immer noch ­Änderungswünsche und Vorbehalte. Um die divergierenden Vorschläge und Voten zu den Einzelbestimmungen der Bundesreformakte auszugleichen und konsensfähige Regelungen herbeizuführen, wurden mehrere Vermittlungs­ komitees gebildet. Diese legten revidierte und ergänzte Fassungen einzelner Artikel vor, über die dann wiederum ausführlich diskutiert wurde. In zähen Verhandlungen gelang es auf diese Weise, über viele Artikel des österreichischen Entwurfs eine Einigung zu erzielen, manche Bestimmungen blieben jedoch bis zuletzt umstritten und fanden keine allgemeine Billigung. Gleichwohl wurde auf Drängen des Kaisers und einiger Mittelstaaten in der Sitzung vom 1. September 1863112 den Konferenzteilnehmern eine modi­ fizierte Fassung der Bundesreformakte zur Schlußabstimmung vorgelegt.113 Die große Mehrheit der anwesenden Monarchen und Vertreter der freien Städte stimmte der Akte zu und erklärte ihre Bereitschaft, „die künftige Ver­ fassung Deutschlands nach Maßgabe der hier gefaßten Beschlüsse […] zu vollenden und ins Leben zu führen“.114 Diese Abschlußerklärung sah aber auch vor, daß mit den nicht in Frankfurt vertretenen Bundesfürsten „ins­ besondere dem Könige von Preußen, eine allseitige Verständigung auf dem Grunde jener Beschlüsse anzustreben“ sei.115 Mit dieser Formulierung wurde die praktische Umsetzung der gerade verabschiedeten Reformakte von der 108 Dok. 67. 109 Dok. 64 mit Anlagen 1–8. 110 Dok. 65, Anlage 1–19. 111 Dok. 69, Anlage 1–15. 112 Dok. 74. 113 Dok. 74, Anlage 16. 114 Dok. 74, Anlage 14, S. 438. 115 Ebd., S. 439.

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Einigung mit Preußen abhängig gemacht und damit eine Hürde für das Bun­ desreformwerk aufgebaut, die kaum zu überwinden war, denn die preußische Regierung beziehungsweise König Wilhelm I. hatten ja im Vorfeld der Kon­ ferenz mehrfach erklärt, daß sie den von Österreich eingeschlagenen Weg nicht mitgehen wollten. Einige Fürsten wollten sich noch nicht einmal auf diese Vorbehaltsklausel einlassen und verweigerten der Reformakte grundsätzlich ihre Zustimmung. Dazu gehörte der Großherzog von Baden, der von Anfang an den Reformplan als Ganzes und viele Einzelbestimmungen kritisiert hatte und in seiner Schlußerklärung den „Entwurf im Ganzen“ ablehnte, da er nicht „den gerech­ ten Ansprüchen des badischen Landes und des Deutschen Volkes“ entspreche und da ohne eine vorherige Verständigung der beiden deutschen Großmächte das Reformwerk nur zu „einer neuen Schwächung des Deutschen Bundes“ führen werde.116 Daß ohne die Zustimmung Preußens eine Bundesreform nicht möglich sei, war auch das Argument der Großherzöge von Mecklen­ burg-Schwerin und Sachsen-Weimar sowie der Fürsten von Waldeck und Reuß jüngere Linie, mit dem sie ihre Weigerung begründeten, der Reform­ akte zuzustimmen.117 Für die Niederlande erklärte Prinz Heinrich, „gegen das Ganze des Reform-Entwurfs stimmen zu müssen“.118 Die Mehrheit der Fürsten ging über diese ablehnenden Voten hinweg und übermittelte mit einem am Schlußtag der Fürstenkonferenz verfaßten und von den zustimmenden Teilnehmern unterzeichneten Schreiben an König Wil­ helm I. von Preußen diesem den Entwurf einer Reformakte des Deutschen Bundes. Darin hieß es: „Wir [sind] unter Uns über denselben vollkommen einig geworden und werden es als ein hohes Glück für Uns Alle und für Un­ sere Völker betrachten, wenn nunmehr in der Brust Eurer Majestät, Unseres mächtigen und wohlgesinnten Bundesgenossen, Entschließungen reifen wer­ den, durch welche Deutschland, Dank dem Einverständnisse seiner Fürsten, auf der bundesgesetzlichen Grundlage an das Ziel einer heilsamen Reform seiner Verfassung gelangen wird.“119 Es gab zu dieser Zeit durchaus noch Hoffnungen, daß Preußen die Re­ formakte nicht grundsätzlich ablehnen, sondern sich zu Verhandlungen über eine Bundesreform einlassen würde. Für den eher wahrscheinlichen Fall der Ablehnung gab es bei den Befürwortern der Reformakte noch kein klares Szenario. Wie Rechberg am 13. September an die kaiserlichen Gesandten bei den mittelstaatlichen Höfen und in Frankfurt schrieb, hatte Österreich sich 116 Dok. 74, Anlage 7, Zitate S. 433. 117 Dok. 74, Anlage 8, 9, 11, 12. 118 Dok. 74, Anlage 10. 119 Dok. 75, S. 457 f.

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beim Abschluß des Fürstentags mit „einem ganz allgemein gehaltenen Ver­ sprechen der Fürsten, für die Durchführung der Reformakte zu wirken, be­ gnügen“ müssen, ohne schon die Frage besprechen zu können, was „im Falle fortgesetzter Negation Preußens“ zu tun sei. Dies war auch deshalb unterlas­ sen worden, um nicht den Anschein zu erwecken, als wolle Österreich einen „Bund im Bunde“ gegen Preußen herbeiführen. Aus diesem Grund müsse man die Antwort des Königs von Preußen abwarten, bevor weitere Schritte unternommen werden könnten.120 Die preußische Antwort wurde in einem ausführlichen Bericht des preußi­ schen Staatsministeriums formuliert, der am 15. September 1863 dem König vorgelegt wurde.121 Darin wurde genau jener Vorwurf aufgegriffen, den Rechberg in seiner Weisung zu zerstreuen versucht hatte. Die Umstände der Einberufung des Fürstentags, hieß es, erweckten den Eindruck, als sei das Ziel Österreichs „nicht die Betheiligung Preußens an dem gemeinsamen Wer­ ke, sondern die Verwirklichung des Separat-Bündnisses“ gewesen.122 Was die inhaltliche Seite des Reformentwurfs betreffe, so sei dieser für Wilhelm „we­ der als König von Preußen noch als Deutscher Fürst annehmbar“.123 Im ­Folgenden wurden einige Grundbedingungen für eine Mitwirkung Preußens bei der Umgestaltung des Deutschen Bundes formuliert: jede der beiden deut­ schen Großmächte müsse ein Veto gegen Kriegserklärungen haben, solange nicht das Bundesgebiet angegriffen werde; Preußen müsse eine „vollkomme­ ne Gleichheit“ bei der Leitung des Bundes erlangen; und schließlich müsse statt einer Delegiertenversammlung eine aus direkten Wahlen hervorgehende Nationalvertretung gebildet werden. Die Ablehnung der Reformakte durch Preußen und die drei Bedingungen für eine „durchgreifende Reform der bestehenden Bundesverträge“ wurden Kaiser Franz Joseph I. und den deutschen Fürsten durch gleichlautende Schreiben des preußischen Königs vom 22. September 1863 übermittelt.124 Die österreichische Regierung reagierte darauf umgehend mit dem Vorwurf, Preußen wolle sich gar nicht ernsthaft auf eine Bundesreform einlassen, son­ dern sei nur bestrebt, „durch Aufstellung unannehmbarer Bedingungen den Zweck der Ausbildung der Bundesverfassung zu vereiteln“.125 Mit den wechselseitigen Vorwürfen, jeweils nur Eigeninteressen zu verfol­ gen und nicht eine der Gesamtheit zuträgliche Ausbildung des Deutschen Bundes anzustreben, war der Plan einer Bundesreform wiederum – wie schon 120 Dok. 77, Zitate S. 461. 121 Dok. 78. 122 Ebd., S. 465. 123 Ebd. 124 Dok. 79. 125 Dok. 81, Zitat S. 476.

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mehrmals seit 1851 – an einen toten Punkt gelangt. Von Ende September bis Ende Oktober wurde die verfahrene Situation in der diplomatischen Korre­ spondenz und in der deutschen Öffentlichkeit kritisch kommentiert, ohne daß sich ein Ausweg aus dem Dilemma zeigte. Zwischen den Regierungen wur­ den die gegensätzlichen Standpunkte ausgetauscht, wobei es an teilweise hef­ tigen Vorwürfen nicht mangelte. Österreich versuchte erfolglos, die Mittelstaaten und einige Kleinstaaten auf eine gemeinsame Linie zu bringen, um das Reformvorhaben auch gegen den Widerstand Preußens weiter zu verfolgen. Auf einer Ministerkonferenz in Nürnberg am 23. und 24. Oktober 1863, an der die Vertreter von Österreich, den vier Königreichen, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Nassau, SachsenCoburg, Sachsen-Meiningen und Schaumburg-Lippe teilnahmen, scheiterte der Vorschlag, die preußischen Bedingungen für eine Bundesreform entschie­ den zurückzuweisen, am Widerstand der Kleinstaaten, während der hanno­ versche Außenminister Platen sein Veto gegen eine Beantwortung der preußi­ schen Vorschläge durch identische Noten einlegte und ebenso entschieden den Antrag des sächsischen Außenministers Beust zurückwies, die Bundes­ reformakte sämtlichen einzelstaatlichen Kammern zur Annahme vorzulegen, wobei er von einigen anderen Ministern unterstützt wurde. Auch der Vor­ schlag Rechbergs zu einer „partiellen Durchführung des Reformwerks“ fand keine Zustimmung, so daß die Konferenz ergebnislos abgebrochen wurde.126 Fast zeitgleich mit der Nürnberger Konferenz konstatierte der Geschäftsträger der Hansestädte in Berlin, daß das österreichische Reformprojekt „als tot“ zu bezeichnen sei.127 Eine Woche später wandte sich Rechberg noch einmal nach Berlin, indem er dem dortigen österreichischen Gesandten Károlyi ein Memorandum über­ mittelte, in welchem er die preußischen Vorbedingungen abermals zurück­ wies und gleichzeitig die Hoffnung aussprach, daß Preußen sich doch noch ohne Vorbedingungen auf Verhandlungen über die Bundesreformakte ein­ lassen werde.128 Aber auch dieser Appell fand in Berlin keine positive Reso­ nanz. Damit kam die Bundesreformdebatte Ende Oktober 1863 an ihr vor­ läufiges Ende, jedenfalls, was die Ebene der Verhandlungen zwischen den deutschen Regierungen betraf. Erst im Frühjahr 1866 sollten neue Bundesre­ formpläne vorgelegt, entsprechende Anträge gestellt und diese in der Bundes­ versammlung wie auch zwischen den Regierungen diskutiert werden. Der seit dem Sommer 1862 von Österreich eingeleitete Versuch einer umfassenden Reform des Deutschen Bundes war damit gescheitert, von seiten des Kaiser­ 126 Dok. 94, Zitat S. 541. 127 Dok. 92, Zitat S. 529. 128 Dok. 96.

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staates wie auch von seiten der Mittelstaaten wurden in der Folge auch keine weiteren Reformanträge mehr formuliert oder gar in die politische Diskussion eingebracht. Fast ironisch mutet es an, daß zur gleichen Zeit, als auf der diplomatischen Ebene die letzten Versuche versandeten, wenn nicht eine Einigung, so doch wenigstens eine Verhandlungsgrundlage für weitere Beratungen über eine Re­ form der Bundesverfassung zu erreichen, in der Bundesversammlung der Entwurf für eine Vereinbarung über einen einheitlichen Patentschutz im Deut­ schen Bund eingebracht und zur Abstimmung gestellt wurde.129 Der bundes­ weit einheitliche Schutz von Erfindungen war eine jener Materien, die seit Jahren in Bundesausschüssen und Sachverständigenkommissionen beraten worden war, und er gehörte zu jenen beabsichtigten Bundesgesetzen, zu ­deren Herbeiführung nach den österreichisch-mittelstaatlichen Plänen von 1862/63 die Delegiertenversammlung eingeführt werden sollte, um diese Maßnahmen nicht nur als Produkt der Verhandlungen eines von den Regierungen beauf­ tragten bürokratischen Gremiums erscheinen zu lassen, sondern ihm auch die Zustimmung von Abgeordneten und damit eine nationale Sanktion zu ver­ schaffen. Es war insofern vorhersehbar, daß Preußen es ablehnte, die vorge­ legten Vereinbarungen über die Gewährung des Patentschutzes und über die gegenseitige Geltung der erteilten Patente überhaupt zur Abstimmung zu stel­ len. Nur wenige Regierungen erklärten sich in den folgenden Monaten zur Annahme der Vereinbarungen bereit, während etliche sich ablehnend und fast ebenso viele gar nicht äußerten. Auch andere bundesgesetzliche Harmonisierungsvorhaben wurden auf Bundesebene, das heißt in den dafür eingerichteten Ausschüssen und einberu­ fenen Sachverständigenkommissionen in den Jahren 1863 bis 1866 weiter be­ trieben.130 Einige dieser Projekte gediehen bis zu fertig ausgearbeiteten, teil­ weise umfangreichen Rechtskodifikationen, so der Gesetzentwurf zum Schutz der literarischen und künstlerischen Urheberrechte vom 1. September 1864131, die Allgemeine deutsche Maß- und Gewichtsordnung vom 8. Februar 1866132, der Gesetzentwurf über die Rechtsgeschäfte und Schuldverhältnisse vom 7. Juni 1866133 und der Entwurf einer allgemeinen deutschen Zivilprozeßord­ nung vom 21. Juni 1866134. Zu einer allseitigen Annahme der Entwürfe durch die deutschen Regierungen und zur praktischen Umsetzung der Maßnahmen 129 Dok. 87. Vgl. dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 496–511, hier S. 507– 509. 130 Siehe dazu ausführlich ebd., S. 391 ff.; Schöler, Deutsche Rechtseinheit, S. 287 ff. 131 Dok. 130. 132 Dok. 172. 133 Dok. 214. 134 Dok. 229.

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kam es aber nicht. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang noch der Vor­ schlag zu einem „deutschen Heimatrecht“ mit einheitlichen Regelungen für die Niederlassung, den Aufenthalt, die Gewerbeausübung, die Anerkennung von schulischen, beruflichen und akademischen Abschlüssen und die Zu­ lassung zum öffentlichen Dienst, um so die „Theilnahme jedes Deutschen“ an der deutschen „Rechts- und Verkehrsgemeinschaft“ zu ermöglichen. Dieser Vorschlag wurde im Mai 1863 vom württembergischen Abgeordneten und späteren leitenden Minister Varnbüler in einer Artikelserie in der Presse und 1864 auch als Broschüre veröffentlicht.135 Varnbüler knüpfte damit an die ­Bestrebungen zur Einführung eines bundesweiten Heimatrechts beziehungs­ weise eines „Bundesbürgerrechts“ an, die seit 1856 Gegenstand eines eigens dazu berufenen Bundesausschusses waren.136 Diese Bemühungen waren 1861 steckengeblieben, und auch Varnbülers Initiative stieß bei den deutschen Re­ gierungen nicht auf Resonanz. Mit Bundesreformen wollte sich nach den Erfahrungen von 1863 seit dem Herbst dieses Jahres für längere Zeit keine deutsche Regierung mehr beschäf­ tigen. Auch in der deutschen Öffentlichkeit rückte das Thema Bundesreform in der Folgezeit in den Hintergrund. Die nationale Frage blieb gleichwohl ei­ nes der intensiv diskutierten politischen Probleme, sowohl in der Presse (in konservativen wie auch liberalen Organen), in den einzelstaatlichen Landta­ gen, auf Abgeordnetentagen und in den nationalen Vereinen. Die Frage, wie Deutschland politisch organisiert sein solle, verband sich seit Ende 1863 mit einem internationalen und bundespolitischen Problem, das seit 1848 mehr­ fach aufgebrochen war, ohne daß es zu einer dauerhaften Lösung gekommen wäre: Es war dies die Frage der nationalen Zugehörigkeit der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, die in Personalunion mit der dänischen Krone verbunden waren, von denen aber nur zwei (Holstein und Lauenburg) dem Deutschen Bund angehörten. Als die dänische Regierung im Sommer 1863 abermals den Versuch unternahm, die verfassungsrechtliche Stellung der Herzogtümer zu verändern, sah die Bundesversammlung darin einen Ver­ stoß gegen das Bundesrecht und drohte eine Bundesexekution in Holstein an.137 Diese wurde am 1. Oktober 1863 tatsächlich beschlossen, um Däne­ mark zur Erfüllung mehrerer Bundesbeschlüsse in Bezug auf die Herzog­ 135 Dok. 30. 136 Siehe dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 512–564, hier S. 542–551. 137 Zum Schleswig-Holstein-Problem siehe Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 450–515; Steefel, The Schleswig-Holstein Question; Daebel, Die Schleswig-HolsteinBewegung; Hewitson, Nationalism in Germany, S. 291–344. Eine neuere, umfassende Stu­ die zur Schleswig-Holstein-Frage liegt nicht vor; aus britischer Sicht: Sandiford, Great Bri­ tain and the Schleswig-Holstein Question.

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tümer Holstein und Lauenburg zu zwingen. Mit der Exekution wurden die Regierungen von Österreich, Preußen, Sachsen und Hannover beauftragt. Die beiden letztgenannten Staaten sollten je einen Zivilkommissar ernennen, der im Auftrag des Deutschen Bundes die Verwaltung der Herzogtümer überneh­ men sollte.138 Eine besondere bundes- und nationalpolitische Brisanz erhielt die schles­ wig-holsteinische Angelegenheit zusätzlich dadurch, daß nach dem Tod des dänischen Königs, der als Friedrich VII. Karl Christian zugleich Herzog von Schleswig, Holstein und Lauenburg gewesen war, ein Thronfolgestreit in den Elbherzogtümern ausbrach. Der Nachfolger auf dem dänischen Thron, König Christian IX., beanspruchte gemäß dem Londoner Protokoll von 1852 auch die Herrschaft in den Herzogtümern. Diese wurde jedoch von Erbprinz Fried­ rich von Augustenburg bestritten, der selbst die Erbfolge beanspruchte und am 19. November 1863 seinen Regierungsantritt als Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein erklärte. Die Bundesversammlung beschloß darauf­ hin die Suspendierung der holstein-lauenburgischen Stimme in der Bundes­ versammlung und ergriff damit indirekt Partei für den augustenburgischen Thronprätendenten.139 Mit diesem Schritt, der die dänische Regierung brüs­ kieren mußte, stellte sich der Deutsche Bund auf die Seite der nationalen Be­ wegung, die den liberalen Augustenburger unterstützte und sich die völlige Loslösung von Holstein, Lauenburg und Schleswig vom Königreich Däne­ mark und die Eingliederung dieser Gebiete in den Deutschen Bund als auto­ nomes Herzogtum Schleswig-Holstein erhoffte. Die komplizierte SchleswigHolstein-Frage wurde damit zu einem bundespolitischen Problem, das in der Folgezeit die politische Agenda dominierte und aus dem sich schließlich eine politische Konfrontation zwischen Österreich und Preußen entwickelte, wel­ che im Jahr 1866 zur Spaltung des Bundes, zum Krieg und zur Auflösung des Deutschen Bundes führte.

3. Das Jahr 1864: Schleswig-Holstein und der Bund Im Herbst 1863 hatte der „Kampf um Deutschland in Schleswig-Holstein“ begonnen.140 Nachdem bereits am 1. Oktober 1863 der Beschluß zu einer Bundesexekution gegen Dänemark gefallen war, beauftragte die Bundesver­ sammlung am 7. Dezember die Regierungen von Österreich, Preußen, Sach­

138 Dok. 86. 139 ProtDBV 1863, § 286, S. 575–580. 140 Hewitson, Nationalism in Germany, S. 291.

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Einleitung

sen und Hannover mit dem sofortigen Vollzug der Exekution.141 Eine Woche später, am 14. Dezember, genehmigte die Bundesversammlung die Instruk­ tion für die nach Holstein und Lauenburg zu entsendenden Kommissare. Diese sollten die Verwaltung der Herzogtümer übernehmen und die landesherr­ lichen Rechte so lange führen, „bis durch einen anderweiten Beschluß der deutschen Bundesversammlung die Beendigung des angeordneten Verfahrens bestimmt sein wird“. Für den Fall eines gewaltsamen Widerstandes gegen das Exekutionsverfahren waren die Bundeskommissare berechtigt, Truppen anzu­ fordern und einzusetzen.142 Die Bundesexekution hatte rein rechtlich betrachtet nur das Ziel, die Aus­ führung der im Hinblick auf die Verhältnisse in Holstein und Lauenburg seit 1858 gefaßten Bundesbeschlüsse zu sichern, mit denen die von Dänemark angestrebte Einbeziehung Schleswigs in die dänische Gesamtstaatsverfassung und die daraus folgende verfassungsrechtliche Trennung der Herzogtümer Schleswig und Holstein vereitelt werden sollte. Innerhalb der Bundesver­ sammlung, in den deutschen Landtagen, in der Presse und auf dem gesamt­ deutschen Abgeordnetentag wurden aber seit Dezember 1863 viel weiter ge­ hende Forderungen formuliert. In der Bundesversammlung hatten am 7. Dezember mehrere mittelstaatli­ che Regierungen, unter ihnen Bayern, Württemberg und Baden, erklärt, daß sich durch den Tod des Königs von Dänemark die Sachlage „vollständig ver­ ändert“ habe. Daraus würden dem Bund „Rechte und Pflichten zur Sicherung der rechtmäßigen Erbfolge, sowie aller Rechte der Herzogthümer überhaupt und zum Schutze der Bevölkerungen gegen das Vorgehen der Königlich-­ Dänischen Regierung“ erwachsen.143 Insbesondere die süddeutschen Mittel­ staaten gingen davon aus, daß die Erbansprüche des Prinzen von Augusten­ burg begründet seien und leiteten daraus, wie es der bayerische König formu­ lierte, die Konsequenz ab, „mit allen Kräften für die Durchführung der hiedurch bedingten Politik, für die Rechte der Herzogthümer und Deutsch­ lands einzu­stehen“.144 Dies bedeutete die Infragestellung der dänischen Herr­ schaftsrechte in Holstein und Lauenburg und letztlich auch in Schleswig, das nicht zum Deutschen Bund gehörte. Die Mittelstaaten schlugen mithin im Bund einen Kurs ein, der auf die Anerkennung des Erbprinzen von Augusten­ burg als ­neuer Souverän von Schleswig-Holstein und damit die Konstituie­ rung eines neuen (Mittel-)Staates innerhalb des Deutschen Bundes abzielte.

141 Dok. 97. 142 Dok. 98, Zitat S. 576. 143 Dok. 97, Zitate S. 558 f. und 561. 144 Dok. 99.

Einleitung

XLI

In der deutschen Öffentlichkeit löste der Konflikt zwischen dem Deutschen Bund und Dänemark seit Dezember 1863 eine umfassende nationalpolitische Mobilisierung aus. Am 22. Dezember 1863 setzte der deutsche Abgeordne­ tentag, zu dem sich etwa 500 Abgeordnete eingefunden hatten, einen 36-köp­ figen Ausschuß ein, der „als Mittelpunkt der gesetzlichen Thätigkeit der deut­ schen Nation“ für die Wahrung der Rechte Schleswig-Holsteins sorgen soll­ te.145 Es gehe darum, den bedrängten Schleswig-Holsteinern zu Hilfe zu eilen und „deutsche Länder von der Fremdherrschaft zu befreien“. Man dürfe dabei nicht auf die deutschen Großmächte und den Deutschen Bund vertrauen, son­ dern müsse zum Mittel der „freiwillige[n] Selbstbesteuerung“ greifen: Überall in Stadt und Land sollten „Hilfsausschüsse“ gegründet werden, ferner sollten Freiwillige für ein schleswig-holsteinisches Heer angeworben werden, und schließlich sollten die einzelnen deutschen Staaten von den Landesvertretun­ gen aufgefordert werden, sich an einer Anleihe zu beteiligen, um finanzielle Mittel für die Regierung des Prinzen von Augustenburg aufzubringen.146 Vergeblich versuchten Österreich und Preußen den Bundestag zur Auf­ lösung des „ungesetzlichen“ 36er-Ausschusses zu drängen.147 Parallel dazu beantragten sie, die militärische Besetzung Schleswigs durch Bundestruppen zu beschließen, sofern Dänemark die angekündigte Einverleibung Schleswigs in den dänischen Staat zum 1. Januar 1864 durchführen und das Grundgesetz für Schleswig nicht zurücknehmen werde.148 Das Jahr 1864 begann somit genauso spannungsgeladen wie das Jahr 1863. Statt des Bundesbruchs wie im Vorjahr drohte nun ein Bundeskrieg mit unab­ sehbaren internationalen Verwicklungen. Diesmal standen sich auf Bundes­ ebene allerdings nicht die beiden deutschen Großmächte Österreich und Preu­ ßen gegenüber, sondern es bildete sich ein Gegensatz zwischen diesen beiden auf der einen und einer Mehrheit von Mittel- und Kleinstaaten auf der an­ deren Seite heraus. Diese in der Bundesgeschichte seltene Konstellation lag darin begründet, daß die Regierungen in Wien und Berlin im Schleswig-Hol­ stein-Konflikt, der ja aufgrund der Londoner Abkommen von 1850/52 eine europäische, völkerrechtliche Dimension hatte, als europäische Großmächte agieren und ihre Politik gegenüber Dänemark weder von den Forderungen der deutschen Nationalbewegung noch von einer pro-augustenburgischen Bundestagsmehrheit abhängig machen wollten. Während viele Mittel- und 145 Zum Abgeordnetentag und zum 36er Ausschuß siehe ausführlich Biefang, Politisches Bür­ gertum, S. 221–247, 334–356; Jansen, Einheit, Macht und Freiheit, S. 445–464; Hewitson, Nationalism in Germany, S. 294. 146 Dok. 101, Zitate S. 593. 147 Dok. 102–104, 106. 148 Dok. 105.

XLII

Einleitung

Kleinstaaten in der Anerkennung des Prinzen von Augustenburg als Herzog von Holstein und Schleswig die rechtliche Voraussetzung für ein (auch mili­ tärisches) Vorgehen gegen Dänemark erblickten, wollten Österreich und Preußen sich strikt an die Vorgaben der Londoner Vereinbarungen halten, um einerseits auf der europäischen Ebene nicht als vertragsbrüchig zu erscheinen und andererseits dem Druck der deutschen Nationalbewegung nach sofortiger Einverleibung Schleswig-Holsteins in den Deutschen Bund auszuweichen. In der Debatte, die am 14. Januar 1864 in der Bundesversammlung über den österreichisch-preußischen Antrag zur sogenannten „Pfandbesetzung“ Schles­ wigs stattfand, brachte dies der großherzoglich-hessische Bundestagsgesandte folgendermaßen auf den Punkt: „Der vorliegende Antrag der höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen unterscheidet sich von dem Seitens der Großherzoglichen ­Regierung gestellten Antrage149 wesentlich dadurch, daß der letztere die Sicherstellung der Rechte Deutschlands in Bezug auf das Herzogthum Schleswig für alle Eventualitäten bezweckt, während der erstere nur die­ jenigen Rechte im Auge hat, welche aus den bekannten Vereinbarungen von 1851/52 herzuleiten sind, keineswegs aber auch für die Sicherstel­ lung derjenigen Rechte Fürsorge trifft, welche der Bund dann zu verthei­ digen haben wird, wenn demnächst die Entscheidung in der Hauptfrage gegen die Fortdauer der bisherigen Personalunion der Herzogthümer Schleswig und Holstein mit dem Königreich Dänemark ausfallen sollte.“150 Weder der Antrag der Großmächte noch derjenige des Großherzogtums Hessen fanden in der Abstimmung in der Bundesversammlung eine Mehrheit. Zwar traten die Mittelstaaten Bayern, Sachsen, Württemberg und Kurhessen dem Antrag von Österreich und Preußen, wenn auch mit Vorbehalten, bei, doch versagten Hannover, Baden, Großherzogtum Hessen und zahlreiche weitere Staaten ihre Zustimmung. Die Gründe dafür waren unterschiedlich. In mehreren Voten wurde bemängelt, daß der österreichisch-preußische Vor­ schlag „keinen anderen Erfolg haben könne, als die Verwirklichung des Lon­ doner Tractats“151, das vom Deutschen Bund niemals anerkannt worden war. Hannover plädierte dafür, vor einer Einleitung von militärischen Maßnahmen 149 Der Antrag war in der Bundestagssitzung vom 14. Dezember 1863 gestellt worden und lau­ tete dahin, zum „Schutze aller Rechte“, deren Wahrung dem Deutschen Bund obliege, „die einstweilige Besetzung Schleswigs durch Bundestruppen bis zur Erledigung der jetzt schwe­ benden Fragen anzuordnen“. ProtDBV 1863, § 314, S. 615. 150 Dok. 108, Zitat S. 615. 151 Ebd., S. 618.

Einleitung

XLIII

zuerst die Erbfolgefrage „am Bunde“ zu erledigen152; und Baden hoffte auf eine friedliche Lösung und wollte der „Anwendung von Gewaltmitteln“ nicht zustimmen153, ebenso wie die Niederlande, die alles vermeiden wollten, „was zu einem Kriege führen könnte“154. Österreich und Preußen reagierten auf die Ablehnung ihres Antrags umge­ hend mit der Ankündigung, die Geltendmachung ihrer sich aus den Londoner Vereinbarungen ergebenden Rechte „in ihre eigenen Hände zu nehmen“155, das heißt die Besetzung Schleswigs auch ohne Zustimmung des Bundes vor­ zunehmen. Die Mehrheit der Bundestagsgesandten sah darin eine Mißach­ tung des Bundesverhältnisses und reagierte mit einer förmlichen Verwahrung gegen die Erklärung der Großmächte. Von beiden Seiten, den beiden Großmächten sowie der ablehnenden Mehr­ heit, aber auch von der deutschen Öffentlichkeit wurden die Vorgänge in der Bundestagssitzung vom 14. Januar 1864 als eine sehr bedrohliche Entwick­ lung beurteilt. Die Leipziger Zeitung, das Organ der sächsischen Regierung, konstatierte in einem Leitartikel vom 21. Januar eine existenzbedrohende Krise des Deutschen Bundes, die durch Österreich und Preußen verursacht worden sei. Diese müßten ihre Großmachtinteressen hintanstellen und auf den Boden des Bundes zurückkehren, ansonsten drohe Deutschland in den Abgrund zu stürzen.156 Der österreichische Außenminister Rechberg wies die Schuld Bayern und einigen anderen Staaten zu, die durch einen „staatsstreich­ ähnlichen Mißbrauch des Majoritätsrechtes“ einen Riß in der Bundesver­ sammlung erzeugt hätten, der „sich bis zur völligen Sprengung“ des Deut­ schen Bundes erweitern könne.157 Das öffentliche Echo auf das Vorgehen Österreichs und Preußens war fast einhellig negativ. In Kassel warf der Ausschuß für Schleswig-Holstein in ­einer Adresse an das kurhessische Ministerium den Großmächten vor, sich gegen die Souveränität der übrigen Bundesstaaten aufzulehnen und damit ­einen „Bürgerkrieg“ in Deutschland zu riskieren.158 In der württembergischen Kammer der Abgeordneten wurde die Regierung aufgefordert, auf das bun­ deswidrige Vorgehen der beiden Großmächte zu reagieren und sich für ein festes Bündnis der Mittel- und Kleinstaaten mit einer gemeinsamen Volks­ vertretung einzusetzen.159 Der am 22. Dezember 1863 eingesetzte 36er-Aus­ 152 Ebd., S. 611. 153 Ebd., S. 614. 154 Ebd., S. 617. 155 Ebd., S. 619. 156 Dok. 110. 157 Dok. 115, Zitate S. 637 f. 158 Dok. 109, Zitat S. 621. 159 Dok. 114.

XLIV

Einleitung

schuß der deutschen Abgeordneten griff in einem am 24. Januar 1864 veröf­ fentlichten Aufruf Österreich und Preußen wegen ihrer „offenen Widerset­ zung gegen das Recht des Bundes, der Bundesstaaten und der Nation“ scharf an. Gegen „den gewaltsamen Bruch der Bundesordnung“ müsse nicht nur protestiert, sondern von den Regierungen und dem Volk gehandelt werden.160 Bemerkenswert an der politischen Entwicklung während der ersten Monate des Jahres 1864 ist, daß sich etliche Regierungen im Deutschen Bund dafür einsetzten, diesen für eine nationale Politik in der Schleswig-Holstein-Frage einzusetzen und dabei auch nicht vor dem Konflikt mit den Großmächten zu­ rückschreckten. Bemerkenswert ist ferner, daß die nationale Bewegung den Bund als legitimen Vertreter der deutschen Nationalinteressen in SchleswigHolstein würdigte und das „Recht des Bundes“ gegen die Machtpolitik der Großmächte setzte. Die schleswig-holsteinische Krise schien somit für den Deutschen Bund und damit auch für die deutschen Regierungen die Möglich­ keit zu eröffnen, sich als Sachwalter der nationalen Interessen Deutschlands zu profilieren und damit an Ansehen und Zustimmung in der Öffentlichkeit zu gewinnen.161 Daß diese Möglichkeit nicht wahrgenommen wurde, lag an den beiden deutschen Großmächten, deren Antagonismus in den vergangenen Jahren bundespolitische Fortschritte verhindert hatte, und die nun – erstmals seit 1850 – in einer wichtigen politischen Frage gemeinsam handelten und sich gegen die Mehrheit der Bundesversammlung stellten. Sie taten dies, weil sie ihre eigenen europäischen Großmachtinteressen über die nationalen Wün­ sche der Mehrheit der deutschen Regierungen und der Öffentlichkeit stellten. Gegen alle Proteste setzten Österreich und Preußen seit Ende Januar 1864 ihren Plan zur Besetzung Schleswigs um. Zunächst marschierten ihre Trup­ pen in Holstein ein, wo ja gerade die vom Bund bestellten Bundeskommissa­ re die Bundesexekution gegen Dänemark durchführten, dann überschritten sie am 1. Februar die Grenze zu Schleswig, womit der Krieg gegen Dänemark begann.162 Dieser Krieg, der in heftigen Gefechten zu Land und zu Wasser geführt wurde, zog sich bis zum Herbst 1864 hin. Weder militärisch noch ­politisch erlangte der Deutsche Bund in dieser Zeit Einfluß auf die Entwick­ lungen, obwohl er unerläßlich versuchte, seine Position zur Geltung zu brin­ gen. Mehrfach wurde der Versuch unternommen, in der Bundesversammlung einen Beschluß zur Anerkennung des Prinzen von Augustenburg als Herzog von Holstein herbeizuführen.163 Darin sahen sich die Regierungen von der Nationalbewegung unterstützt, die vielfach in öffentlichen Verlautbarungen 160 Dok. 112, Zitate S. 630, 631. 161 Vgl. auch Hewitson, Nationalism in Germany, S. 301. 162 Zum Verlauf siehe ausführlich Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 471 ff. 163 Dok. 116, 120, 121, 122, 123.

Einleitung

XLV

auf die Trennung der Herzogtümer Holstein und Schleswig von Dänemark und die Berufung des Prinzen von Augustenburg als Thronfolger drängte. Die Entscheidung über das weitere Schicksal von Schleswig-Holstein wollte man weder den deutschen Großmächten noch der Londoner Konferenz überlassen, die am 25. April 1864 auf Initiative Großbritanniens zusammentrat, um den Krieg zwischen Dänemark und Österreich/Preußen zu beenden.164 Diese Angelegen­heit dürfe „ohne und wider“ den Willen der deutschen Nation nicht entscheiden werden, hieß es in den Protesturkunden, die von 1381 Abgeord­ neten der deutschen Landtage im April 1864 an den Bevollmächtigten des Deutschen Bundes bei der Londoner Konferenz, den sächsischen Außenmini­ ster Beust, geschickt wurden.165 Ebenso wandte sich der Deutsche Reform­ verein im Mai an Beust und erklärte, „daß die deutsche Nation, in so lange sie sich selbst achtet, jede Lösung der schleswig-holstein’schen Frage, die ­gegen das Recht der Herzogthümer ohne Zustimmung ihrer gesetzlichen Ver­ treter und ihres Fürsten erfolgt, von sich weist“.166 Daß mit Beust ein renommierter deutscher Minister als Bevollmächtigter des Bundes zu der Londoner Konferenz eingeladen und entsandt wurde167, weckte in der Bundesversammlung und auch in der Öffentlichkeit noch ein­ mal die Hoffnung, den nationalen Standpunkt bei der Lösung des SchleswigHolsteins-Problems zur Geltung bringen zu können. Allerdings nahmen die Verhandlungen in London für alle Beteiligten einen enttäuschenden Verlauf. Weder gelang es den europäischen Großmächten, eine Einigung im Konflikt zwischen Dänemark sowie Österreich und Preußen herbeizuführen, noch war der Bundesbevollmächtigte in der Lage, den Vorstellungen der Bundestags­ mehrheit Eingang zu verschaffen. Immerhin gelang es Beust, auf der Konfe­ renz am 28. Mai 1864 eine gemeinsame Erklärung mit den Bevollmächtigten von Österreich und Preußen zu Protokoll zu geben, worin verlangt wurde, die Herzogtümer Schleswig und Holstein vollständig von Dänemark zu trennen und sie zu einem Staat unter der Souveränität des Erbprinzen von Augusten­ burg zu vereinigen. Diese Erklärung wurde am 2. Juni 1864 von der Bundes­ versammlung förmlich gebilligt.168 Für die europäischen Großmächte kam eine solche Lösung jedoch nicht in Frage, und so wurde die Londoner Konferenz am 25. Juni 1864 ohne Er­ gebnis geschlossen. Der Bundesbevollmächtigte Beust äußerte sich in seinem 164 Baumgart, Europäisches Konzert, S. 373 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 478–482. 165 Dok. 117. 166 Dok. 118, Zitat S. 646. 167 ProfDBV 1864, Separatprotokoll § 58, S. 190b–190g; Flöter, Beust und die Reform des Deutschen Bundes, S. 448–456. 168 Staatsarchiv, Bd. 7, S. 23 f.; ProtDBV 1864, S. 214a, 275.

XLVI

Einleitung

Bericht an die Bundesversammlung enttäuscht über die Haltung der neutralen Mächte und Großbritanniens und plädierte dafür, nun im Bund die „unver­ weilte Anerkennung“ des Herzogs von Augustenburg und den Eintritt des Deutschen Bundes in den Krieg gegen Dänemark zu bewirken.169 Die Aus­ weitung des Konflikts zum Bundeskrieg war indessen ganz und gar nicht im Sinne von Österreich und Preußen, die befürchteten, daß eine militärische Beteiligung des Bundes den lokalen Konflikt ausweiten und den europäischen Frieden bedrohen könnte. Zudem waren Rechberg und Bismarck der Auf­ fassung, daß eine Kriegserklärung des Bundes den eigenen „speciellen Intere­ ßen“ entgegenstünde.170 Überhaupt stießen die Darlegungen Beust in seinem Abschlußbericht und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen nicht nur bei den deutschen Großmächten auf harsche Kritik171, sondern auch bei der ­bayerischen Regierung, die empört darüber war, daß Beust in seinem Bericht auf die Notwendigkeit der Bundesreform und eines deutschen Parlaments hingewiesen hatte.172 Während der bayerische Außenminister Schrenk seinen sächsischen Kolle­ gen für seine „Popularitätssucht“ kritisierte173, erntete Beust zumindest in der sächsischen Öffentlichkeit geradezu hymnische Lobeshymnen für seinen Ein­ satz in London. Bei seiner Rückkehr nach Dresden wurde er von einer großen Volksmenge empfangen, die mit einem Fackelzug unter dem Absingen patrio­ tischer Lieder durch die Stadt zog. In den Festansprachen wurde der Minister als „unerschrockener Vorkämpfer“ und „mannhafter Vertheidiger deutschen Rechts und deutscher Ehre“ gepriesen.174 In der offiziösen Leipziger Zeitung wurde die „Sonderpolitik“ der deutschen Großmächte kritisiert, die den Deut­ schen Bund nur als „Deckmantel“ für die Durchsetzung ihrer eigenen Pläne benutze und vor „Rechtsbruch und Gewaltthat“ nicht zurückscheue.175 Auch in den deutschen Landtagen wurde offen ausgesprochen, daß Österreich und Preußen eine „Gewaltthat“ gegen den Bund begangen hätten, als sie die schleswig-holsteinische Sache in die eigene Hand nahmen.176 Die Großmächte reagierten auf diese Kritik mit Vorwürfen gegen die Mit­ telstaaten und den Bund. Rechberg beklagte die falsche Richtung, die der „Volksgeist in Mittel-Deutschland“ genommen habe177, und Bismarck lehnte 169 Dok. 122. 170 Dok. 124, Zitat S. 656. 171 Vgl. Dok. 126 und 129. 172 Dok. 125. 173 Ebd., S. 657. 174 Dok. 127, Zitat S. 662. 175 Dok. 128, Zitate S. 667 f. 176 Dok. 132, Zitate S. 694. 177 Dok. 131, Zitat S. 691.

Einleitung

XLVII

es am Jahresende 1864 abermals rundheraus ab, an die Schleswig-HolsteinFrage den Maßstab des Bundesrechts anzulegen, wobei er an die österreichi­ sche Warnung vom Frühjahr 1864 erinnerte, daß der Versuch, in der Bundes­ versammlung in dieser Angelegenheit Beschlüsse gegen Österreich und Preu­ ßen durchzusetzen, „zur völligen Sprengung“ des Bundes führen könne178. Die Äußerung Bismarcks fiel in eine Phase, als der Krieg gegen Dänemark schon beendet war. Im Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864 hatte Däne­ mark auf seine Herrschaftsrechte in Holstein, Lauenburg und auch Schleswig zugunsten des Kaisers von Österreich und des Königs von Preußen verzich­ tet. Die drei Herzogtümer wurden anschließend unter die gemeinsame Ver­ waltung von österreichischen und preußischen Zivilkommissaren gestellt. Damit war zwar die Abtrennung von Dänemark erreicht, aber die Frage der Thronfolge und der künftigen staatsrechtlichen Stellung der Herzogtümer blieb immer noch offen. Während Bismarck ihre Annexion durch Preußen oder zumindest ihre Unterstellung unter preußische Vorherrschaft anstrebte, versuchte der Nachfolger Rechbergs, Graf Mensdorff, die seit Jahresbeginn praktizierte enge Anbindung der österreichischen an die preußische Politik zu lösen und den Deutschen Bund wieder ins Spiel zu bringen. In einem Erlaß an den österreichischen Gesandten in Berlin vom 21. Dezember 1864 riet Mensdorff davon ab, die Herzogtümer zu einer Gebietsvergrößerung der Großmächte zu verwenden und warnte: „Wie mächtig auch der vereinte Entschluß der beiden Großstaaten sein möge, er reicht nicht aus, um die Regierungen Deutschlands zu stum­ men Zuschauern zu machen, Falls [sic] erstere die Lande, deren Tren­ nung von Dänemark sie unter Berufung auf Recht u. Interesse des ge­ sammten Bundes erkämpft haben, als Material für eigenen Machtzuwachs verwenden wollten. Das oeffentliche Gewissen in Deutschland ist tief erregt. Nicht lange mehr, u. viele unserer Bundesgenossen werden sich nicht mehr abhalten lassen, ihren Widerstand gegen die Absichten, die ihre Besorgnisse erregen, in die Form bestimmter Anträge zu kleiden.“179 Die Schleswig-Holstein-Frage müsse deshalb auf dem Boden der Bundes­ verfassung gelöst werden. Damit nahm die österreichische Regierung nach einem Jahr, in dem sie im gemeinsamen Vorgehen mit Preußen alle Versuche der Bundesversammlung, ein tatsächliches Mitspracherecht bei der Lösung des Schleswig-Holstein-Konflikts zu erlangen, blockiert hatte, eine der preu­ ßischen Auffassung diametral entgegengesetzte Haltung ein. In der deutschen Politik und damit auch im Deutschen Bund trat damit seit Jahresbeginn 1865 178 Dok. 134, Zitat S. 700. 179 Dok. 136, Zitat S. 711 f.

XLVIII

Einleitung

wieder jene Konstellation ein, die schon 1863 bestanden hatte. Auf der einen Seite stand Preußen, das dem Bund einen Einfluß auf die aktuell wichtigste politische Frage nicht gestatten wollte, auf der anderen standen Österreich und die Mittelstaaten, die diese Frage auf dem Boden der Bundesverfassung in der Bundesversammlung verhandeln und entscheiden wollten. Auf mittelstaatlicher Seite hatte die österreichisch-preußische Politik im Laufe des Jahres erhebliche Unzufriedenheit hervorgerufen. Die Mittelstaa­ ten, vor allem Bayern, Sachsen und das Großherzogtum Hessen, vertraten weiterhin das Konzept einer „föderative[n] Einigung“, wie es der bayerische Außenminister von der Pfordten am 12. Dezember 1864 formulierte, der sich damit ausdrücklich gegen „einen dualistischen Bund der Macht gegen das Recht“ wandte. Man müsse die Bestrebungen Preußens, Österreich aus Deutschland hinauszudrängen und sich die übrigen Staaten zu unterwerfen, bekämpfen, denn dies würde die „Mediatisirung der Mittelstaaten“ und da­ mit auch „finis Germaniae“ bedeuten. Um das zu verhindern, müsse Bayern auf Österreich einwirken, das vom Bunde abgewichen sei und sich gleich­ zeitig mit den Mittelstaaten „zum gemeinschaftlichen Handeln“ vereinigen.180 Nur wenige Tage später entwarf von der Pfordten eine „Skizze“ zu Beratun­ gen mit Beust und anderen mittelstaatlichen Ministern über eine Bundesre­ form. Er plädierte darin, wie schon mehrmals in den vorhergegangenen Jah­ ren, für die Vereinigung der Staaten des sogenannten „Dritten Deutschland“ zu einer eigenen Gruppe innerhalb des Deutschen Bundes. Diese Gruppe sol­ le sich in periodischen Ministerkonferenzen über alle wichtigen Fragen ver­ ständigen. Dazu gehörten die Schleswig-Holstein-Frage, die Bundeskriegs­ verfassung, die gemeinsame Gesetzgebung im Deutschen Bund sowie das „Festhalten an der Reform des Bundes mit Volksvertretung, eventuell letztere auch ohne Oesterreich und Preußen“.181 Konzise faßte von der Pfordten in seinem Entwurf noch einmal all jene Punkte zusammen, die die deutsche Po­ litik und den Deutschen Bund seit Jahren beschäftigten. Sein Versuch zur Re­ aktivierung des Triasgedankens182 verlief Ende 1864 aber im Sande, es kam in den folgenden Monaten weder zu mittelstaatlichen Ministerkonferenzen noch zu einem abgestimmten Handeln der Mittelstaaten in bundespolitischen Fragen. 180 Dok. 133, Zitate S. 696. 181 Dok. 135, Zitat S. 705. 182 Zum Triasgedanken grundlegend: Burg, Die deutsche Trias; ders., Triaspolitik; für die 1850er und 1860er Jahre: Flöter, Beust und die Reform des Deutschen Bundes; Gruner, Die Würzburger Konferenzen; Müller, Einleitung, in: QGDB III/2, S. LXI–LXV, sowie die dort abgedruckten Dokumente Nr. 140–194; aus der älteren Forschung: Greve, Die Politik der deutschen Mittelstaaten; Fuchs, Die deutschen Mittelstaaten.

Einleitung

XLIX

4. Das Jahr 1865: Die Blockadepolitik der Großmächte Die Frage, wie sich die Verhältnisse in den von Österreich und Preußen ok­ kupierten Herzogtümern Schleswig, Holstein und Lauenburg weiterentwic­ keln würden, blieb im Jahr 1865 das zentrale Problem der deutschen Politik. Allerdings verhärteten sich die Fronten zwischen den beiden Großmächten zunehmend, weil ihre Vorstellungen über das weitere Schicksal der Elbher­ zogtümer immer mehr auseinandergingen. Während das Wiener Kabinett der preußischen Regierung vorwarf, die Regelung des künftigen Status der Her­ zogtümer verschleppen zu wollen, und argwöhnte, man strebe in Berlin die Annexion ganz Schleswig-Holsteins an183, lehnte Bismarck das österreichi­ sche Drängen auf eine baldige Lösung ab und beharrte darauf, daß dem Deutschen Bund kein Recht auf Einmischung in Schleswig-Holstein zuste­ he184. Österreich hingegen setzte auf eine „bundesgemäße Lösung“, denn „in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit würde jede Lösung, die sich nicht auf das von Europa anerkannte Recht des deutschen Bundes stützte, den materiellen Frieden gefährden und den moralischen von vornherein un­ möglich machen“.185 Nachdem die beiden Großmächte 1864 eine Einflußnahme der Bundesver­ sammlung auf die Entwicklung in Schleswig-Holstein blockiert hatten, sollte diese nun wieder das Forum werden, in dem über den Konflikt verhandelt und entschieden werden sollte. In diese Richtung zielte auch ein Antrag, den die Regierungen von Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen Ende März 1865 in die Bundesversammlung einbrachten.186 Danach sollte die Bundes­ versammlung beschließen, dem Erbprinzen von Augustenburg das Herzogtum Holstein in „eigene Verwaltung“ zu übergeben, um damit dem Recht wie den Erwartungen der Nation zu entsprechen.187 Der preußische Bundestagsgesand­ te kündigte sogleich an, daß seine Regierung gegen den Antrag stimmen wer­ de, da sie die Erbansprüche des Augustenburgers nicht für erwiesen erachte. Zugleich verwahre sie sich „im Voraus gegen einen ­beschlußmäßigen Aus­ spruch der Bundesversammlung über bestrittene Fra­gen“.188 Als es eine Woche später zur Abstimmung über den Antrag kam, stimmte aber nicht nur Preußen dagegen, sondern auch Österreich erklärte, daß es ­seinen „Besitztitel“ in Holstein nicht aufgeben werde, „bis eine den eigenen 183 Dok. 143. 184 Dok. 140. 185 Dok. 143, Zitate S. 733. 186 Dok. 146. 187 Ebd., S. 741. 188 Ebd., S. 748.

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Einleitung

Ueberzeugungen und den Interessen des Deutschen Bundes entsprechende Lösung erzielt sein wird“.189 Daß die Mehrheit der Bundesversammlung den Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen annahm, war inso­ fern ein wirkungsloser Beschluß, als Preußen und Österreich sich nicht einig waren und Österreich vor einer Durchsetzung der Bundesbeschlüsse gegen Preußen noch zurückschreckte. Die Mittelstaaten spielten aber mit dem Ge­ danken, die Angelegenheit voranzutreiben, indem die Bundesversammlung der Herzog von Augustenburg anerkannte und ihm eine Vertretung in der Bundesversammlung gewährte, was faktisch die Aufnahme von Holstein als Bundesmitglied bedeutet hätte.190 Das wäre ein Affront gegen Preußen gewe­ sen, und Bismarck erklärte auch umgehend, eine solche „directe Provoka­ tion“ nicht hinzunehmen und im Falle eines Majoritätsbeschlusses sein Recht „factisch zur Geltung zu bringen“.191 Der Bundesbruch rückte damit abermals in den Bereich des Möglichen, was sowohl bei Österreich als auch bei den Mittelstaaten Alarmstimmung auslöste. Die österreichische Regierung folgte dem Rat ihres Gesandten in München, die schleswig-holsteinische Angelegenheit dilatorisch zu behan­ deln und die Bundesferien abzuwarten.192 Der bayerische Außenminister von der Pfordten dementierte in einem Erlaß nach Berlin die Absicht, einen An­ trag auf Anerkennung des Augustenburgers in der Bundesversammlung zu stellen. Er hoffte auf eine baldige Einigung zwischen Österreich und Preußen und zog sich auf die Formel zurück, „daß die definitive Gestaltung der ­Zukunft dieses Landes [Holstein] ohne Mitwirkung der Bundesversammlung rechtlich doch nicht möglich“ sei.193 Im Sommer 1865 versuchten Bayern, Sachsen und das Großherzogtum Hessen ein weiteres Mal in einem gemeinsamen Antrag die Bundesversamm­ lung ins Spiel zu bringen. Dieser Antrag, der am 27. Juli 1865 gestellt wurde, war allerdings sehr vorsichtig formuliert, indem an die beiden deutschen Großmächte die Anfrage gerichtet wurde, welche Schritte sie zur definitiven Lösung der Schleswig-Holstein-Frage getan hätten oder zu tun beabsichtig­ ten. Ferner sollten sie ersucht werden, auf die Aufnahme des Herzogtums Schleswig in den Deutschen Bund hinzuwirken. Zur Begründung wurde auf die früheren Bundesbeschlüsse hingewiesen, doch war keine Rede mehr von einer Abstimmung im Bund über Schleswig-Holstein.194 189 Dok. 148, Zitate S. 781. 190 Dok. 150. 191 Dok. 151, Zitate S. 789 f. 192 Dok. 149. 193 Dok. 152, Zitat S. 794. 194 Dok. 155.

Einleitung

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Wenig später verständigten sich Österreich und Preußen in der Gasteiner Konvention vom 14. August 1865 darauf, das bisherige Kondominium in Schleswig-Holstein zu beenden. Fortan sollte das Herzogtum Holstein unter österreichischer und das Herzogtum Schleswig unter preußischer Verwaltung stehen. Das Herzogtum Lauenburg wurde von Österreich für 2,5 Millionen dänische Taler kurzerhand an die preußische Krone verkauft.195 Der Bundes­ versammlung wurde diese bilaterale Übereinkunft, die keine definitive Lö­ sung war, aber wichtige Weichenstellungen traf, am 24. August 1865 mitge­ teilt – und die große Mehrheit stimmte ihr zu. Die Entwicklung seit Jahres­ beginn hatte gezeigt, daß alle Versuche erfolglos geblieben waren, der in der Bundesversammlung vereinten Gesamtheit der deutschen Staaten einen ef­ fektiven Einfluß bei der Regelung der Schleswig-Holstein-Frage zu verschaf­ fen. Preußen lehnte dies rigoros ab und drohte für den Fall, daß der Bund entsprechende Beschlüsse gegen seinen Willen faßte, mit dem Bundesbruch. Österreich fürchtete eben diesen Bruch und die daraus folgenden Konsequen­ zen und suchte deshalb die Verständigung mit Preußen. Eine solche Verständigung kam indessen nicht zustande, weil die Interes­ sen der Großmächte in Schleswig-Holstein immer deutlicher auseinander­ gingen. Die Frage, was mit den seit nunmehr fast zwei Jahren besetzten Elb­ herzogtümern weiter geschehen sollte, sorgte nicht nur in der deutschen ­Öffentlichkeit für anhaltende Diskussionen und eine entschieden national­ politische Agitation. Auch die süddeutschen Mittelstaaten, allen voran die mehrfachen Antragsteller Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen, woll­ ten die Angelegenheit nach dem Gasteiner Abkommen nicht einfach ruhen­ lassen. Sie wiesen deshalb am 4. November 1865 in der Bundesversammlung darauf hin, daß der Antrag vom 27. Juli „in keiner Weise erledigt“ sei, „und daß es eben so sehr im Rechte und Interesse der hohen Bundesversammlung selbst als der Herzogthümer und ihres erbberechtigten Fürsten liegt, daß über jenen Antrag baldmöglichst Beschluß gefaßt werde“.196 Das durch die Gastei­ ner Übereinkunft herbeigeführte Provisorium – die Verwaltung Schleswigs durch Preußen und Holsteins durch Österreich – weiche von „dem Grund­ satze der untheilbaren Zusammengehörigkeit beider Lande ab“, und überdies sei auch in der Konvention nicht „die mindeste Andeutung“ über eine „Betei­ ligung der Bevölkerung und ihrer Vertreter an der endgültigen Regelung“ der Verhältnisse enthalten. Um die Rechte des Bundes wie auch der schleswigholsteinischen Bevölkerung zu wahren, stellten die drei Regierungen deshalb den Antrag, „baldigst eine aus freien Wahlen hervorgehende allgemeine Ver­ 195 Dok. 156. Zur Gasteiner Konvention ausführlich: Sybel, Die Begründung des Deutschen Reiches, Bd. 2, S. 333–350; Srbik, Deutsche Einheit, Bd. 4, S. 269–291. 196 Dok. 168, Zitat S. 840.

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tretung des Herzogthums Holstein [zu] berufen“ und „auf die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund hin[zu]wirken“.197 Dieser neuerliche Versuch, die Lösung der Schleswig-Holstein-Frage unter Einbeziehung der Bundesversammlung voranzutreiben, wurde von Österreich und Preußen in der gleichen Weise blockiert, wie das mit allen diesbezüg­ lichen Anträgen seit Jahresbeginn geschehen war. In der Bundestagssitzung vom 18. November 1865 gaben die beiden Großmächte in einer gemein­ samen Erklärung zu Protokoll, daß sie den gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für geeignet hielten, die Ständeversammlung in Holstein einzuberufen. Und was die beantragte Aufnahme des Herzogtums Schleswig in den Deutschen Bund betraf, so sahen sich Österreich und Preußen nicht in der Lage, „in eine ein­ gehende Erörterung dieser Frage für jetzt einzutreten“.198 Die Mehrheit der Bundesversammlung schloss sich dem österreichisch-preußischen Vorschlag an, den Antrag Bayerns, Sachsens und Hessen-Darmstadts zur weiteren Be­ ratung an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangele­ genheit zu verweisen.199 Die drei Regierungen protestierten gegen diesen ­Beschluß und wiesen darauf hin, daß schon Schritte geschehen seien, um „die nationale Frage von Schleswig-Holstein einem thatsächlichen Abschlusse zu­ zuführen, ohne die Stimme des erbberechtigten Fürsten, der Herzogthümer selbst und des Deutschen Bundes zu hören und zur Geltung kommen zu ­lassen“. Wenn sich die Mehrheit der Bundesversammlung diesem Verfahren gegenüber „billigend“ oder zumindest „stillschweigend“ verhalte, sei dies zu beklagen. Da aber durch den Beschluß der Mehrheit „alle ihnen nach der Bundesverfassung zu Gebote stehenden Mittel erschöpft“ seien, müßten sie erklären, „daß sie ihre Aufgabe und Thätigkeit in dieser Angelegenheit inner­ halb der Bundesversammlung als abgeschlossen betrachten und sich auf eine laute und entschiedene Verwahrung gegen jeder dieser Grundlage [des Rech­ tes] fremde Abmachung beschränken werde“.200 Das kam einem Abgesang auf ein rechtliches Verfahren auf der Grundlage der bundesgesetzlichen Normen gleich und war zugleich eine kaum verhoh­ 197 Ebd., S. 840 f. 198 ProtDBV 1865, § 205, S. 476. 199 Für eine Abstimmung über den bayerisch-sächsisch-hessischen Antrag stimmten neben den antragstellenden Regierungen Baden, die großherzoglich und herzoglich sächsischen Häu­ ser, Braunschweig und Nassau, sowie die 16. und 17. Kurie, mithin 8 von 17 Stimmen im Engeren Rat. Dagegen sprachen sich Österreich, Preußen, Hannover, Württemberg, Kurhes­ sen, Mecklenburg und die 15. Kurie aus. Die Niederlande enthielten sich der Stimme. Die dänische Stimme für Holstein war auf die deutschen Großmächte übergegangen, so daß „technisch“ eine Mehrheit von 9 zu 8 Stimmen gegen den Antrag zustande kam. Ebd., S. 476 f. 200 Ebd., S. 479.

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lene Anprangerung der rein machtpolitischen Behandlung der Schleswig-Hol­ stein-Frage durch die beiden Großmächte. Diese hatten es vermocht, einen Mehrheitsbeschluß gegen ihre Politik in der Bundesversammlung zu verhin­ dern, wenn auch nur knapp. Die Bundesversammlung zeigte sich tief gespal­ ten, auch unter den Mittelstaaten, ja nicht einmal bei den vier Königreichen Bayern, Sachsen, Hannover und Württemberg, die sich ja in den vorherge­ gangenen Jahren mehrfach zu gemeinsamen bundespolitischen Initiativen zu­ sammengeschlossen hatten, gab es eine einheitliche politischen Linie. Die meisten deutschen Regierungen resignierten vor den Machtansprüchen der beiden Großmächte und wollten es nicht auf eine Konfrontation zwischen ei­ ner Majorität in der Bundesversammlung und Österreich und Preußen an­ kommen lassen. Die beiden Letztgenannten wehrten im Herbst 1865 nicht nur den An­ spruch des Bundes auf Mitsprache bei der Lösung der Schleswig-HolsteinFrage ab, sondern sie versuchten, die Bundesversammlung beziehungsweise die Regierung der Bundeshauptstadt Frankfurt zusätzlich unter Druck zu ­setzen. Der Anlaß dazu war der in Frankfurt geplante Zusammentritt des Deutschen Abgeordnetentags am 1. Oktober 1865. Diese Versammlung, so schrieb der österreichische Außenminister an seinen diplomatischen Vertreter bei der Stadt Frankfurt, verfolge „revolutionaire Zwecke in ausgesprochenem Kampfe gegen die ersten Bundesmächte“. Deshalb solle der Frankfurter ­Senat aufgefordert werden, die Versammlung der Abgeordneten zu verbie­ ten.201 Als der Senat die Durchführung des Abgeordnetentags trotzdem gewähren ließ, erntete er dafür heftige Vorwürfe von seiten Österreichs und Preußens, die damit drohten, selbst einzugreifen, um derartige „gemeinschädliche poli­ tische Projecte“ künftig zu unterbinden, „um vom Sitze der deutschen Bun­ des-Versammlung in Zukunft die bisherigen ungesetzlichen Bestrebungen ferne zu halten“.202 Dieser massive Einschüchterungsversuch wurde aller­ dings mit bemerkenswerter Deutlichkeit zurückgewiesen, und zwar sowohl vom Frankfurter Senat, der die Intervention der Großmächte als den „Funda­ mentalgesetzen des Bundes“ widersprechendes rechtswidriges Verhalten brandmarkte203, als auch von der bayerischen Regierung, die Österreich und Preußen vorwarf, sie hätten alles getan, „um den Bund mundtodt zu machen“ und wollten ihn nun „als Organ einer Polizei-Maßregel“ benutzen.204 Der bayerische Außenminister von der Pfordten ging sogar so weit, den bayeri­ 201 Dok. 159, Zitat S. 815. 202 Dok. 161 und 162, Zitate S. 820 und 822. 203 Dok. 164. 204 Dok. 163, Zitat S. 824.

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schen Truppenkommandanten in Frankfurt, der unter dem Befehl des Bun­ desoberkommandos in der Stadt stand, anzuweisen, jedem Befehl zur Ge­ waltanwendung gegen die Stadt Frankfurt den Gehorsam zu verweigern.205 Auch in der deutschen Öffentlichkeit sorgte das Vorgehen der beiden Groß­ mächte für helle Empörung. Die Constitutionelle Zeitung schrieb, die preu­ ßisch-österreichischen Noten an den Frankfurter Senat seine im „echt Metter­ nichschen Geist“ geschrieben, es liege ihnen „das neue großmächtliche Pro­ gramm für die innere deutsche Politik“ zugrunde, wonach an die Stelle des Gesetzes die Willkür trete: „Dem öffentlichen Leben und der öffentlichen Meinung soll der Hals gebrochen werden.“ Das Bundesrecht bestehe fortan aus dem einfachen Satz, „daß in den öffentlichen Angelegenheiten Deutsch­ lands blos noch die Willkür der beiden Großmächte gilt“; der Bundestag solle zur „Dekretirmaschine“ gemacht werden, in der allein der Wille der Groß­ mächte zähle.206 Die Situation schien sich weiter zuzuspitzen, als Bismarck erklärte, es sei für Preußen unmöglich, in der Frankfurter Angelegenheit nachzugeben und er werde allein vorgehen, wenn Österreich sich nicht anschließen würde. Dem nationalen Vereinswesen „müsse ein Ende gemacht werden, auch auf die Ge­ fahr hin, daß der Bund in Stücken [sic] gehe“.207 Gegenüber dem österreichi­ schen Außenminister Mensdorff sprach Bismarck gar davon, daß die Groß­ mächte angesichts der Schwäche des Bundes berechtigt seien, „ihre Dictatur an die Stelle der unwirksamen Bundesverfassung zu setzen“.208 Angesichts dieser Brachialrhetorik ging nun die österreichische Regierung auf Distanz zu Preußen, indem sie feststellte, daß es in den „deutschen Zukunftsfragen“ kei­ ne Gemeinsamkeit zwischen Wien und Berlin gebe und daß von daher auch keine Basis für ein gewaltsames Eingreifen gegen die Stadt Frankfurt und den Deutschen Bund bestehe. Es bestehe ein großer „Unterschied zwischen einer Maßregelung Frankfurts, bei welcher Preußen in Allem freie Hand behält, und einem gemeinsamen Beschlusse der deutschen Regierungen, die Grund­ lagen der Bundesverfassung vor den Angriffen der politischen Vereine zu schützen“.209 In diese Richtung zielte auch ein Memoire der Regierung von Hannover, das im Dezember 1865 an die preußische Regierung übermittelt wurde.210 Darin hieß es, man müsse zwar gegen die politischen Vereine vorgehen, dabei 205 Dok. 166. 206 Dok. 167, Zitate S. 834, 836, 837, 838. 207 Dok. 169, Zitat S. 842. 208 Dok. 170, Zitat S. 845 f. 209 Ebd., S. 846. 210 Dok. 171.

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müsse aber vermieden werden, daß in die Selbständigkeit und Unabhängig­ keit eines einzelnen Bundesstaates eingegriffen werde. Es müsse vielmehr ­gegen die Untertanen von allen Bundesstaaten vorgegangen werden, die in politischen Vereinen gegen die Regierungen und den Bund agitierten. Dazu bedürfe es nicht einmal eines neuen Bundesbeschlusses, sondern man könne auf das Bundesvereinsgesetz von 1854 zurückgreifen, wonach nationale po­ litische Vereine „unstatthaft“ waren.211 Der Vorschlag der hannoverschen ­Regierung ging demnach dahin, „daß die Bundesversammlung selbst, Kraft ihres unzweifelhaften und anerkannten Rechtes zunächst gegen die Centralisation der politischen Vereine und die politischen Versammlungen von Angehörigen aller Bundesländer in Frankfurt die erforderlichen Maßregeln treffe, und dann erwäge, in wie weit die Bundesbeschlüsse von 1854 überhaupt ­gegen das Vereinswesen aller Bundesländer, auf gleiche Weise aufrecht zu halten oder zu modificiren seien“.212 Der Bundesbeschluß von 1854 war niemals konsequent umgesetzt worden, da längst nicht alle Staaten den Beschluß übernommen und in Kraft gesetzt hatten, dazu gehörten auch die drei größten Staaten Österreich, Preußen und Bayern.213 Schon von daher ging der hannoversche Vorstoß an den politi­ schen Realitäten vorbei. Nicht nur Preußen hatte 1865 keinerlei Interesse dar­ an, in der Bundesversammlung über eine gemeinsame Politik im Hinblick auf die nationalen Vereine und Organisationen zu verhandeln, seine Absicht war es ja gerade, den Deutschen Bund als politische Instanz auszuschalten. Auch unter den Mittelstaaten gab es Regierungen, die den Bundesbeschluß von 1854 außer Kraft setzen wollten, wie Baden dies 1862214 und Sachsen im ­Januar 1865 beantragt hatten215, oder die den Beschluß nicht mehr für zeit­ gemäß hielten, wie der württembergische Bundestagsgesandte Reinhard216. Insgesamt hatte sich im Verlauf des Jahres 1865 gezeigt, daß sich auf Bun­ desebene keine gemeinsame Position mehr in wichtigen politischen Fragen finden ließ. Im Hinblick auf die Situation in Schleswig-Holstein war der Bund tief gespalten, weil einerseits die Großmächte jeden Versuch blockier­ ten, die Bundesversammlung mit der Lösung des Problems zu befassen, und weil andererseits auch unter den Mittel- und Kleinstaaten keine einheitliche Linie herzustellen war. Ähnlich war es bei der Frage, wie mit der nationalpo­ 211 QGDB III/2, S. 244. 212 Dok. 171, S. 851. 213 Siehe dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 131–139; Druck des Beschlus­ ses in: QGDB III/2, Dok. 52. 214 QGDB III/3, Dok. 133. 215 Dok. 141. 216 Dok. 142.

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litischen Agitation umgegangen werden sollte. Einige wollten unter Berufung auf alte, aber ineffektive Bundesbeschlüsse ein Eingreifen des Bundes herbei­ führen, andere wollten gerade diese Beschlüsse aufheben, während die Groß­ mächte zunächst mit militärischen und politischen Zwangsmaßnahmen gegen Frankfurt und die Bundesversammlung drohten, sich dann aber wiederum entzweiten, weil es ihnen ja letztlich nicht um eine gemeinsame Politik in Deutschland ging, sondern darum, ihre jeweiligen eigenen Machtinteressen durchzusetzen. Die Bundesversammlung war somit handlungsunfähig geworden und konnte im Hinblick auf die nationale Frage, die sich seit 1864 mit dem Schleswig-Holstein-Konflikt und den daraus entstehenden Problemen ver­ quickt hatte, nur noch eine abwartende, passive Rolle einnehmen. Auf die Politik der beiden deutschen Großmächte hatte die Bundesversammlung ­keinen Einfluß mehr, und in der deutschen Öffentlichkeit verfestigte sich der Eindruck, daß der Staatenbund paralysiert war und deshalb nur durch eine völlige Umgestaltung der deutschen Verhältnisse die nationalpolitischen Ziele erreicht werden könnten. Dabei war allen Seiten – den Großmächten, den Mittel- und Kleinstaaten, der deutschen Öffentlichkeit – klar, daß die poli­ tische Situation in Deutschland immer instabiler und ein Zerbrechen des Deutschen Bundes immer wahrscheinlicher wurde. Aber auch auf diese be­ drohliche Entwicklung hatte die Bundesversammlung nahezu keinen Einfluß mehr. Dies zeigte sich ganz deutlich in der ersten Hälfte des Jahres 1866. Der Blockade des Bundes folgten der Bruch des Bundes und schließlich der Bundes­krieg, der zum gewaltsamen Ende der föderativen Ordnung von 1815 führte.

5. Das Jahr 1866: Bundesbruch und Bundeskrieg Die Rede vom drohenden Krieg in Deutschland machte seit Jahresanfang in den diplomatischen Korrespondenzen und in der öffentlichen Diskussion die Runde.217 Ein Krieg zwischen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes war zwar nach Artikel 11 der Bundesakte nicht statthaft, denn dort war festgelegt, daß die Bundesglieder sich verpflichteten, „einander unter keinerley Vorwand 217 Zur Entwicklung im Jahr 1866 siehe: Sybel, Die Begründung des Deutschen Reiches, Bd. 2, S. 405 ff.; Srbik, Deutsche Einheit, Bd. 4, S. 292 ff.; Lutz, Zwischen Habsburg und Preußen, S. 452 ff.; Sheehan, German History, S. 899 ff.; Siemann, Vom Staatenbund zum National­ staat, S. 415 ff.; Jansen, Gründerzeit und Nationsbildung, S. 185 ff.; zum preußisch-deut­ schen Krieg: Craig, Königgrätz; Wawro, The Austro-Prussian War; Bremm, 1866; Neuhold, 1866 Königgrätz.

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zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bey der Bundesversammlung anzubringen“.218 Demnach war der Deutsche Bund in dem Moment als aufgelöst zu betrachten, wenn „die beiden Groß­ mächte dazu gelangten, ihre Streitigkeit mit Waffen in der Hand zum Austrag zu bringen“, wie der bayerische Außenminister von der Pfordten Ende Fe­ bruar 1864 im Gespräch mit dem österreichischen Gesandten in München er­ klärte.219 Ein österreichisch-preußischer Konflikt sei „eine solche Calamität für Deutschland, daß man Alles aufbieten müsse ihn durch zweckmäßige Vor­ stellungen in Berlin abzuwenden“.220 Gleichzeitig dürfe Österreich nicht ein­ seitig gegen Preußen vorgehen und auch keine Separatbündnisse anstreben, sondern müsse auf dem bundesgemäßen Weg vorgehen und dort seine ­Ansprüche vorbringen. Der Bund werde dann dem Teil Recht gegeben, der Recht habe, und wenn sich etwa Preußen einem entsprechenden Bundesbe­ schluß nicht fügen werden, dann trete die Exekution ein, „die einzige Gattung von Krieg, welche Bundesstaaten unter einander gestattet ist“.221 Auf diesen Weg wollte sich die österreichische Regierung aber nicht ein­ lassen, denn man könne die Frage, ob die übrigen deutschen Staaten mit Österreich gegen Preußen kämpfen würden, nicht „von spitzfindigen Erörte­ rungen über Bundesparagraphen“ abhängig machen, sondern müsse rasch und entschlossen handeln, wenn Preußen Ultimaten stelle oder gar Österreich angreife.222 Der bayerische Außenminister, der gleichzeitig auch von Bismarck mit dem Plan einer Revision der Bundesverfassung umworben wurde223, blieb ­indessen bei seiner Position, wonach ein Krieg zwischen Österreich und Preußen „im völkerrechtlichen Sinne“ unmöglich sei und der Konflikt in der Bundesversammlung beraten und entschieden werden müsse. Diese Entschei­ dung müsse dann gegebenenfalls mit Gewalt durchgesetzt werden, aber dies sei dann kein völkerrechtlicher Krieg, sondern eine Bundesexekution gegen ein bundesbrüchiges Mitglied.224 Diese Auffassung ließ von der Pfordten Mitte März 1866 in einer dreiteili­ gen Artikelserie in der Bayerischen Zeitung veröffentlichen.225 Darin wurden ausführlich die bundesrechtlichen Bestimmungen erörtert, die einen Krieg zwischen Österreich und Preußen „rechtlich unmöglich“ machten. Beide 218 QGDB III/1, S. 1512. 219 Dok. 173, Zitat S. 857. 220 Ebd., S. 857 f. 221 Ebd., S. 857. 222 Dok. 174, Zitat S. 859. 223 Dok. 175. 224 Dok. 176, Zitat S. 866. 225 Dok. 179.

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Staaten würden, „wenn sie gleichwohl mit Umgehung des Bundes zum Krieg schreiten wollten, den Bund brechen“.226 Gleichwohl mußte auch die bayeri­ sche Regierung einräumen, „daß das rechtlich Unmögliche gleichwohl fac­ tisch sehr möglich sein kann“.227 Die „Kriegsgefahr“ sei in der Tat sehr real, und es liege an den beiden deutschen Großmächten, dieses „Nationalunglück“ zu vermeiden, indem sie auf den „Bundesweg“ zurückkehrten und dort eine Lösung ihres Konflikts versuchten. Wenn auch der Bund reformbedürftig sei und die „Sympathien des Volkes“ verloren habe, so habe er doch „einen in der ganzen deutschen Geschichte unbekannten Segen begründet“: „fünfzig Jahre ohne inneren Krieg und ohne das Betreten deutschen Bodens durch fremde Kriegsschaaren. Schon darum sollte man sich bedenken, ehe man eine Institution über Bord wirft, deren Reformbedürftigkeit uns wahrlich nicht zweifelhaft ist, für welche wir aber im Augenblicke keinen erreichbaren Er­ satz wissen, als die Auflösung der Nation.“228 Dieser eindringliche Appell an die Großmächte, den jahrzehntelangen in­ neren und äußeren Frieden in Deutschland nicht aufs Spiel zu setzen, konnte allerdings die Dynamik der Eskalation nicht bremsen. Beide Seiten, die öster­ reichische und die preußische, warfen in der Folgezeit einander vor, „feind­ selige Absichten“ zu verfolgen229, militärische Rüstungen zu betreiben230 und damit die Gefahr des Kriegsausbruchs zu erhöhen. In der Tat waren beide Regierungen bereits seit Ende Februar 1866 fest entschlossen, von ihren ge­ gensätzlichen Standpunkten in der Schleswig-Holstein-Frage, die ja gleich­ zeitig ihre nationale wie europäische Stellung betraf, nicht abzurücken, be­ ziehungsweise, wie es die österreichische Regierung formulierte, sich nicht „ohne Schwertstreich an Ehre, Einfluß und Ansehen verkleinern“ zu lassen.231 Im preußischen Kronrat war am 28. Februar festgestellt worden, daß ein Krieg praktisch unvermeidbar sei und nun die konkreten diplomatischen Vor­ bereitungen für den militärischen Konflikt beginnen müssten.232 Diese diplomatischen Vorbereitungen begannen dann – speziell im Hin­ blick auf den Deutschen Bund – zeitgleich am 24. März 1866. An diesem Tag informierte Bismarck die preußischen Gesandten bei den deutschen Regie­ rungen darüber, daß Österreich Vorbereitungen „zu einem großen Kriege“ treffe, so daß Preußen nun seinerseits Rüstungen anordnen müsse, um sich zu 226 Ebd., S. 878. 227 Ebd., S. 879. 228 Ebd., S. 883. 229 Dok. 180, S. 885. 230 Ebd., S. 886. 231 Mensdorff an Károlyi, 1. März 1866, in: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Öster­ reichs, Bd. 5, S. 233. 232 Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 611 ff. Vgl. dazu Gall, Bismarck, S. 343 f.

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verteidigen. Die Krise habe ferner gezeigt, daß der Deutsche Bund „in seiner gegenwärtigen Gestalt“ nicht ausreichend sei, „um Deutschland an einer acti­ ven, nationalen und erfolgreichen Politik Theil nehmen zu lassen“. Notwen­ dig sei deshalb „eine den realen Verhältnissen Rechnung tragende Reform des Bundes“.233 Der österreichische Außenminister Mensdorff schrieb am glei­ chen Tag an den Gesandten in München und regte nun doch eine Einschal­ tung der Bundesversammlung auf Grund von Artikel 11 der Bundesakte an, „um dem Berliner Hofe den Friedensbruch zu erschweren, und den deutschen Bund in gewichtvoller Weise wieder in die Reihe der machtgebenden Facto­ ren einzuführen“.234 Beide deutsche Großmächte zielten seit Ende März offensichtlich darauf ab, den Deutschen Bund im für unvermeidbar gehaltenen militärischen Kon­ flikt in Stellung zu bringen. Die österreichische Regierung griff dabei – nach langem Widerstreben – auf das Bundesrecht zurück und wollte insbesondere die Mittelstaaten verpflichten, bei einem Bruch des Bundesfriedens ihre poli­ tischen und militärischen Kräfte der österreichischen Seite zur Verfügung zu stellen. Die preußische Regierung stellte eine umfassende Bundesreform in Aussicht, um „Deutschland“ zu retten, sondierte aber gleichzeitig bei einzel­ nen Staaten, wie sie sich im Falle eines Krieges verhalten würden.235 In der deutschen Öffentlichkeit wurden die Bekundungen Österreichs und Preußens weder als Zeugnisse einer bundeskonformen noch gar einer natio­ nalen Politik beurteilt. In einer Erklärung des Deutschen Abgeordnetentags vom 7. April 1866 wurde in beschwörenden Worten vor der Gefahr eines Bürgerkriegs gewarnt. Das „rechtswidrige Verfügen“ der deutschen Groß­ mächte über die von dänischer Herrschaft befreiten Elbherzogtümer führe „Verwirrung und Verderben über Deutschland herauf“, und wenn jetzt Pläne zu einer Bundesreform lanciert würden, so geschehe dies lediglich in der ­Absicht „Bundesgenossen im Bürgerkriege zu werben“.236 Der großdeutsch orientierte Reformverein veröffentlichte zwei Tage später ein Flugblatt, in dem Österreich und Preußen ebenfalls vorgeworfen wurde, in der SchleswigHolstein-Frage das Bundesrecht ignoriert und eine „Vormachts-Politik“ be­ trieben zu haben. Insbesondere Preußen suche einen casus belli und man ­stehe „an der Schwelle des Bruderkrieges“.237 Das Flugblatt endete mit dem emphatischen Aufruf:

233 Dok. 181, Zitate S. 889–891. 234 Dok. 182, Zitat S. 893. 235 Dok. 184 u. 186. 236 Dok. 187, S. 907 f. 237 Dok. 188, Zitate S. 908.

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„Kein Krieg zwischen Bundesgenossen: treue Beachtung und Uebung von Bundesrecht und Bundespflicht im Streite Oestreichs und Preußens sowohl als in dem der Herzogthümer, keine bundesverrätherische und Deutschland verderbende lahme und feige Neutralität, Bundesreform, wäre es vorerst auch nur Volksvertretung am Bunde, – das sei das Lo­ sungswort jedes deutschen Mannes, das fordre das deutsche Volk vom Rhein bis zur Oder, von den Alpen bis zur Nordsee – und der Gott, der Recht und Sittlichkeit schützt und erhält, wird es erhören!“238 Am gleichen Tag, als dieses Flugblatt erschien, ergriff die preußische Re­ gierung, die sich in den Jahren zuvor allen Vorschlägen zu einer Reform des Bundes verweigert hatte, in der Bundesversammlung die Initiative und stellte einen „dringlichen“ Antrag auf Reform der Bundesverfassung.239 Diese sollte „sofort“ damit in Angriff genommen werden, „daß zur Mitwirkung für die Neugestaltung der Verfassung durch Bundesbeschluß eine allgemeine deut­ sche Versammlung von gewählten Vertretern berufen werde“.240 Anders als in der österreichischen Bundesreformakte von 1863 sollte diese Volksvertretung nicht aus Delegierten der einzelstaatlichen Landtage gebildet werden, son­ dern aus einer „directen Volkswahl“ nach „allgemeinem Stimmrecht“ hervor­ gehen.241 Für die Berufung dieses nationalen Parlaments sollte ein fester Ter­ min bestimmt werden, um zu verhindern, „daß die Verhandlungen zwischen den Regierungen über die zu machenden Reformvorschläge“ sich wieder in die Länge ziehen würden, wie das bei vorherigen Bundesreformversuchen der Fall gewesen war.242 Kaum jemand in Deutschland – weder die liberale und nationale Öffent­ lichkeit noch die Regierungen – nahm diesen Antrag ernst.243 Ausgerechnet der preußische Ministerpräsident, „der die beschworenen Rechte der gesetz­ lich bestehenden Volksvertretung seines eigenen Landes thatsächlich mit ­Füßen tritt“, bringe jetzt ein gesamtdeutsches Parlament ins Spiel, schrieb die liberale Zeitung „Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik“. Dieser „wunderliche Vorschlag“ sei kaum ernstgemeint, Bismarck wolle das Parla­ ment „nur zum Scheine“ haben.244 In der Bundesversammlung und bei den Regierungen löste der preußische Antrag Verwirrung und Empörung aus. In den diplomatischen Korrespondenzen wurde der Reformvorschlag als „un­ 238 Ebd., S. 918 f. 239 Dok. 189. 240 Ebd., S. 923. 241 Ebd. 242 Ebd., S. 924. 243 Siehe dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 378 ff. 244 Dok. 190, Zitate S. 925 f.

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geheuerlich“, dreist und irrational bezeichnet, er diente, so die weitverbreitete Meinung, nicht dem Frieden, sondern war eine „Appellation an die Revolu­ tion“.245 Die Bundesversammlung versuchte Zeit zu gewinnen und trat erst zwölf Tage nach dem „dringlichen“ preußischen Antrag wieder zusammen. In der Beratung über die geschäftliche Behandlung des Antrags folgten die meisten Staaten dem Vorschlag des österreichischen Präsidialgesandten, einen Aus­ schuß einzusetzen, der sich mit dem Antrag befassen sollte.246 Zwar erkann­ ten alle Regierungen die Notwendigkeit einer Bundesreform an, doch wurde in den Voten der Bundesgesandten mehrfach darauf hingewiesen, daß der ge­ genwärtige Zeitpunkt nicht geeignet sei, um eine Umgestaltung der Bundes­ verfassung in Angriff zu nehmen. Vielmehr würde die aktuelle Spannung zwischen Österreich und Preußen, „so lange sie nicht ihre Lösung im Geiste der Bundesverträge und in aufrichtiger Anerkennung der Gesammtinteressen Deutschlands gefunden habe, die Möglichkeit einer erfolgreichen Verhand­ lung über Revision der Bundesverfassung“ suspendieren.247 „Die strenge ­Beachtung der bestehenden Verfassung“, so die sächsische Regierung, war die Voraussetzung für jeden Reformversuch, und dazu gehöre vor allem auch, daß vor Aufnahme von Reformverhandlungen „eine Einstellung aller und je­ der kriegerischen Vorbereitungen“ erfolgen müsse.248 Auch der kurhessische Gesandte erklärte, daß die beiden Großmächte vor Beginn der Reformver­ handlungen „ihre Rüstungen oder Truppenansammlungen“ einstellen müß­ ten.249 Schließlich wurde darauf hingewiesen, daß von preußischer Seite kon­ krete Vorschläge vorgelegt werden müßten, über die dann der einzusetzende Ausschuß zu beraten habe. Unmittelbar nach dem Beschluß der Bundesversammlung vom 21. April, einen besonderen Ausschuß mit der Beratung des preußischen Antrags zu ­beauftragen, trafen sich am 22. und 23. April die Außenminister von Bayern, Sachsen, Württemberg, Großherzogtum Hessen, Baden, Nassau, SachsenWeimar, Sachsen-Coburg und Gotha und Sachsen-Meiningen in Augsburg, um eine gemeinsame Position im Hinblick auf den Umgang mit dem preußi­ schen Antrag zu finden.250 Man einigte sich über die zu erstrebende Zusam­ mensetzung des zu berufenden Ausschusses und eine Instruktion für dessen Mitglieder, die dahin ging, daß Preußen aufgefordert werden sollte, seinen 245 Zitate nach Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 379. 246 Dok. 192. 247 Ebd., S. 931 (österreichisches Votum). 248 Ebd., S. 934. 249 Ebd., S. 936. 250 Dok. 193.

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Antrag vom 9. April durch „weitere Vorlagen“ zu ergänzen, auf deren Grund­ lage dann die Ausschußberatungen zu führen seien: „Es ist vor Allem erforderlich, zu wissen, welche Aenderungen der Bundes­verfassung die Preußische Regierung beantragen will, und nach welchen Grundsätzen in Bezug auf aktives und passives Wahlrecht, auf Wahlart und auf die Zahl der Vertheilung der Mitglieder das beantragte Parlament zu wählen wäre.“251 Diese Aufforderung wurde von Preußen umgehend zurückgewiesen. Bis­ marck schrieb am 27. April in einem Runderlaß, er werde erst dann konkrete Reformvorschläge vorlegen, „wenn der Zusammentritt des Parlaments zu ­einem bestimmten Termin gesichert ist“. Ohne diese „selbstauferlegte Nöthi­ gung“ werde eine Verständigung unter den Regierungen „auch nur über die allernothwendigsten Reformen“ nicht zu erreichen sein. Wenn die Festset­ zung eines Termins für die Parlamentseröffnung abgelehnt werde, wäre da­ mit auch „die ernstliche Behandlung der Bundesreform […] thatsächlich abgelehnt“.252 Österreich seinerseits wies diese preußische Bedingung am 4. Mai 1866 zurück253, so daß es schon in der Frage, wie die Bundesreform­ frage zu behandeln sei, zu einem unüberwindbaren Dissens zwischen Öster­ reich und der großen Mehrheit der deutschen Staaten auf der einen und ­Preußen auf der anderen Seite kam. Hier wiederholte sich unter umgekehrten Vorzeichen die Konstellation von 1863, als es ebenfalls zu unvereinbaren Auffassungen über das Reformprozedere gekommen war. So wie damals eine Verhandlung im Kreis der deutschen Monarchen und Regierungsvertreter ohne Vorbedingungen nicht möglich gewesen war, so war auch jetzt eine Be­ ratung in der Bundesversammlung ohne Vorbedingungen nicht möglich. Der Ausschuß für die Verhandlung über den preußischen Antrag vom 9. April wurde gleichwohl am 26. April eingesetzt. Ihm gehörten die neun Bundestagsgesandten von Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden, Großherzogtum Hessen und den sächsischen Häusern an, so daß das österreichisch-mittelstaatliche Lager klar in der Mehrheit war.254 Am Tag der Einsetzung des Ausschusses unternahm der österreichi­ sche Außenminister Mensdorff einen erneuten Vermittlungsversuch in der Schleswig-Holstein-Frage, um die Gefahr eines militärischen Konfliktes zwi­ schen den Großmächten zu bannen. Er schlug eine gemeinsame Erklärung in der Bundesversammlung vor, wonach Österreich und Preußen die im Wiener 251 Ebd., S. 940. 252 Dok. 195, Zitate S. 947 f. 253 Dok. 196. 254 ProtDBV 1866, § 113, S. 129.

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Friedensvertrag mit Dänemark von 1864 gemeinsam erworbenen Rechte auf denjenigen Prätendenten übertragen wollten, „welchem der deutsche Bund die überwiegende Berechtigung der Erbfolge im Herzogtum [Holstein] zuer­ kennen würde“.255 Diesen Vorschlag, der darauf hinauslief, die Entscheidung über die Elbherzogtümer dem Deutschen Bund zu überlassen, wies Bismarck am 7. Mai kategorisch zurück. Preußen könne „keine Competenz des Bundes zur Entscheidung in dieser Frage anerkennen“.256 Wie bei der Bundesreform­ frage verhärteten sich auch im Hinblick auf die Lösung des schleswig-hol­ steinischen Problems die Fronten. Die beiden politischen Fragen, die durch Bismarcks Reformantrag vom 9. April miteinander verknüpft worden waren, erschienen durch die seit Anfang April 1866 erfolgten Stellungnahmen der einzelnen Regierungen wie auch der Bundesversammlung vollends unlösbar geworden zu sein. Unter diesen wenig verheißungsvollen Umständen begann der Neuneraus­ schuß am 11. Mai mit den Beratungen über den preußischen Reformantrag.257 Der preußische Bundestagsgesandte Savigny kam dabei dem Drängen der ­übrigen Ausschußmitglieder auf eine Konkretisierung der Reformvorschläge insofern nach, als er in einer vertraulichen mündlichen Mitteilung die „Grund­ ideen“258 der beabsichtigten Reform skizzierte. Demnach sollte eine peri­ odisch tagende Nationalvertretung „in den Organismus des Bundes“ ­eingefügt werden. Deren Kompetenz sollte sich auf die Bundesgesetzgebung erstrec­ ken, wozu insbesondere die schon bisher von Bundeskommissionen behan­ delten „gemeinnützigen Anordnungen“ über das Maß-, Münz- und Gewichts­ wesen, die Zivilprozeßordnung, die Patentgesetzgebung und das Wechsel­ recht gehörten. Des weiteren sollte die Nationalvertretung bei der Regulierung des Verkehrswesens, der Telegraphie, des Postwesens, der Zölle, der Freizü­ gigkeit, des Heimatrechts und der Auswanderung aktiv werden. Zum Bereich ihrer Tätigkeit sollten ferner die allgemeine Zoll- und Handelsgesetzgebung, der Schutz des deutschen Handels im Ausland und der Schiffahrt, die Grün­ dung einer deutschen Kriegsmarine und die Revision der Bundeskriegsver­ fassung zählen.259 Erst am 23. Mai legte der preußische Bundestagsgesandte auf Drängen ­seiner Kollegen dem Ausschuß diese Mitteilung in schriftlicher Form vor. Der Ausschuß kam aber wegen der bedrohlichen Zuspitzung der politischen Situation seit Anfang Juni, die am 14. Juni zum Austritt Preußens aus dem 255 Dok. 194, Zitat S. 944. 256 Dok. 197, Zitat S. 951. 257 Dok. 198. 258 Ebd., S. 953. 259 Dok. 199.

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Deutschen Bund führte, nach eigener Aussage „nicht mehr dazu, weitere Be­ rathungen zu pflegen“.260 Mit dieser Formulierung wurde im Ausschußvor­ trag, der am 9. Juli 1866 – das heißt sechs Tage nach der Schlacht bei König­ grätz – erstattet wurde, das definitive Scheitern der Bundesreformverhandlun­ gen protokolliert. Auf den Gang der Entwicklung hatte die Bundesreformfrage keinen Einfluß: Es gab von Anfang an keine tragfähige Basis für Verhandlun­ gen, geschweige denn für eine Verständigung. Der preußische Antrag vom 9. April war lediglich ein Mittel, um die Handlungsunfähigkeit des Bundes zu demonstrieren und die öffentliche Meinung zu beeindrucken, und er diente darüber hinaus als ein Anlaß für den Austritt Preußens aus dem Bund. Viel wichtiger aber als die fruchtlosen Debatten über die Bundesreform wurde seit Mitte Mai 1866 die Frage der militärischen Vorbereitungen. Am 14. Mai ließ Bismarck den Senaten der Hansestädte mitteilen, daß Preußen das Bundesverhältnis lösen und auf seine eigene Sicherheit bedacht nehmen müsse, falls die anderen Bundesstaaten „eine feindliche Haltung“ gegen Preu­ ßen und die von ihm vertretenen nationalen Bestrebungen einnähmen.261 Die Mittelsaaten unter Führung Bayerns setzten wenige Tage später die „Wahrung des Bundesfriedens“ offiziell auf die Tagesordnung der Bundesversammlung, indem sie beantragten, daß die Bundesversammlung „alle diejenigen Bundes­ glieder, welche militärische, über den Friedensstand hinausgehende Maßnah­ men oder Rüstungen vorgenommen haben“, ersuchen sollte, „in der nächsten Sitzung der Bundesversammlung zu erklären, ob und unter welchen Voraus­ setzungen sie bereit seien, gleichzeitig und zwar von einem in der Bundesver­ sammlung zu vereinbarenden Tage an die Zurückführung ihrer Streitkräfte auf den Friedensstand anzuordnen“.262 Dieser Antrag wurde schon fünf Tage später, am 24. Mai, einstimmig angenommen263, doch war dies nur scheinbar ein Erfolg, denn in der Sitzung kam es zu heftigen gegenseitigen Vorwürfen, die das politische Klima weiter vergifteten. Die preußische Behauptung, daß Österreich und Sachsen „zuerst gerüstet und dadurch den Anstoß zu der ­Reihe von Rüstungen gegeben“ hätten264, wiesen diese Staaten entschieden zurück. Eine Woche später kam es dann in der Bundestagsitzung vom 1. Juni voll­ ends zum Eklat, als der österreichische Präsidialgesandte Preußen vorwarf, es wolle seine „unberechtigten Forderungen [mit] gewaltsamen Mitteln“ durch­ setzen, wogegen der preußische Gesandte sich verwahrte und zugleich erklär­ te, „daß der Bund in seiner gegenwärtigen Gestalt seiner Aufgabe nicht ge­ 260 Dok. 233, Zitat S. 1064. 261 Dok. 201. 262 Dok. 204, Zitat S. 962 f. 263 Dok. 205. 264 Ebd., S. 975.

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wachsen sei“ und Preußen deshalb dieses Faktum seinen weiteren Entschlie­ ßungen zugrundelegen müsse.265 Es war dies eine kaum verhüllte Drohung, sich aus dem Bund zurückzuziehen und insofern ein Novum, als bislang noch keine Regierung in der Bundesversammlung förmlich zu Protokoll gegeben hatte, daß sie möglicherweise den Bund nicht mehr als Organ der deutschen Politik anerkennen könne. Die beiderseitigen militärischen Vorbereitungen und die verbale Aufrü­ stung hatten inzwischen einen Punkt erreicht, an dem es keiner der beiden Großmächte noch möglich war, ohne Ansehens- und Prestigeverlust von ih­ ren jeweiligen Positionen abzurücken. Zumindest die preußische Regierung wollte dies auch gar nicht mehr, obwohl Bismarck weiterhin die preußische „Versöhnlichkeit und Friedensliebe“ beteuerte und dem kaiserlichen Kabinett in Wien vorwarf, es wolle den „Krieg um jeden Preis“. Die Bundestagsitzung vom 1. Juni habe gezeigt, daß Österreich den Wunsch habe, „den Bruch [mit Preußen] und den Krieg zu erzwingen“.266 In Wahrheit hatte Bismarck das Drehbuch für den „Prexit“, den Austritt Preußens aus dem Deutschen Bund, längst geschrieben und setzte es in der ersten Junihälfte planvoll um. Wenige Tage nach der Konfrontation in der Bundesversammlung wurde die Beset­ zung Holsteins durch preußische Truppen angeordnet, was einen Verstoß ge­ gen die Gasteiner Konvention vom Vorjahr darstellte und auch gegen das Bundesrecht verstieß, denn Preußen hatte damit, wie es der österreichische Gesandte am 11. Juni in der Bundesversammlung formulierte, in einem Bundes­land zur „Selbsthülfe“ gegriffen.267 Gegen dieses „gewalthätige Vor­ gehen“ und zum Schutz der „inneren Sicherheit Deutschlands“ beantragte die österreichische Regierung die Mobilisierung der außerpreußischen Bundes­ armeekontingente. Die Abstimmung über diesen Antrag, der auf eine Bundesexekution gegen Preußen hinauslief, fand am 14. Juni statt. Schon vor der Sitzung instruierte Bismarck den preußischen Bundestagsgesandten telegraphisch, auch für den Fall, daß der österreichische Antrag nicht die Mehrheit erhielt, den Bundes­ vertrag für „hinfällig“ zu erklären und den preußischen Reformplan „in Form letztwilliger Erklärung und als künftige Basis [eines] neuen Bundes“ zu hin­ terlassen.268 In der Abstimmung am 14. Juni wurde mit 9 zu 5 Stimmen269 im Engeren Rat der Bundesversammlung der Beschluß gefaßt, die Bundesarmeekorps VII 265 Dok. 208, Zitat S. 986. 266 Dok. 210, Zitate S. 993, 994, 995. 267 Dok. 216, Zitat S. 1011. 268 Dok. 219. 269 Vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 541.

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bis X zu mobilisieren, nachdem Österreich erklärt hatte, daß die von ihm ge­ stellten Bundesarmeekorps I bis III schon mobil gemacht seien. Der preußi­ sche Gesandte erklärte daraufhin „den bisherigen Bundesvertrag für gebro­ chen“ und seine Tätigkeit für beendet.270 Er hinterließ lediglich die „Grund­ züge einer neuen Bundesverfassung“271, denen zufolge Österreich und die Niederlande aus dem Bund ausscheiden, eine direkt gewählte Nationalver­ sammlung gebildet, ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet geschaffen und eine Bundeskriegsmarine unter preußischem Oberbefehl gegründet werden sollten. Der bisherige Bund, so telegraphierte Bismarck am Abend des 14. Juni an Savigny in Frankfurt, „existirt für uns nicht mehr“, und er fügte hinzu: „Hier allgemeine Freude über Erlösung vom Bund. Dank für präcise Ausführung.“272 Die Bundesversammlung erklärte den Austritt Preußens aus dem Bund um­ gehend für ungültig273, und die bundestreuen Regierungen betrachteten den wenige Tage später ausbrechenden Krieg als einen „Kampf des Bundes gegen den Bundesbruch“, wie es der bayerische Außenminister Pfordten in einem Erlaß an den bayerischen Gesandten in Wien formulierte. Die Ziele dieses Krieges seine die Lösung der schleswig-holsteinischen und der deutschen Verfassungsfrage.274 Die Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Ziele war zunächst ein militärischer Sieg über Preußen, und es war ja keineswegs von vornherein ausgemacht, welche Seite im Krieg die Oberhand behalten würde. Von daher hing die Existenz des Deutschen Bundes in der Tat vom militärischen Aus­ gang des Konflikts ab. Ein Sieg der Waffen war allerdings nicht hinreichend, um das Weiterbestehen des Bundes zu gewährleisten. Es kam vielmehr auch darauf an, die öffentliche Meinung beziehungsweise „das öffentliche Gewis­ sen von Deutschland“275 für die Sache des Deutschen Bundes zu gewinnen, und dies war nur dadurch zu erreichen, daß die deutsche Frage zur Zufrieden­ heit der nationalen Bewegung gelöst wurde. Dazu würde „die einfache Wie­ derherstellung der bisherigen Bundesverfassung“ nach einem gewonnenen Krieg nicht ausreichen, es mußte vielmehr der allgemeine Wunsch nach einer deutschen Volksvertretung erfüllt werden.276

270 Dok. 220, Zitat S. 1032. 271 Dok. 221. 272 Dok. 222. 273 Dok. 224. 274 Dok. 232, Zitat S. 1059. 275 Ebd. 276 Ebd., S. 1061.

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Diese Forderung nach einem nationalen Parlament war seit der Zuspitzung der politischen Lage seit April 1866 in mehreren deutschen Landtagen, von Verbänden und in der Presse mit Nachdruck erhoben worden. Der Deutsche Abgeordnetentag, der sich am 20. Mai 1866 erneut in Frankfurt versammelt hatte, verurteilte einerseits die preußische Annexionspolitik in SchleswigHolstein und den drohenden, nur der „dynastischen Selbstsucht“ dienenden Bürgerkrieg, und er forderte andererseits eine konstituierende Nationalvertre­ tung, der sich alle deutschen Regierungen unterordneten.277 Die Wiesbadener Handelskammer forderte am 6. Juni die nassauische Regierung auf, der „Be­ rufung eines deutschen Parlaments auf Grund des Reichswahlgesetzes vom Jahre 1849“ zuzustimmen.278 In der bayerischen Kammer der Abgeordneten wurde eine Adresse an den König vorgelegt, in der es hieß: „Deutschlands Zukunft kann nur durch […] eine Bundesverfassung ge­ sichert werden, welche der Nation die volle Antheilnahme an der Rege­ lung ihrer Geschicke und ihrer gemeinsamen Angelegenheiten in einem Parlamente einräumt […]. Die möglichst beschleunigte Einberufung ­einer aus freien Volkswahlen hervorgegangenen Versammlung der Ver­ treter des deutschen Volkes mit der Aufgabe, bei Neugestaltung der ­Bundesgrundgesetze mitzuwirken und die allseitige Verständigung zu erleichtern, verdient der förderlichsten Unterstützung Eurer Königlichen Majestät dringend empfohlen zu werden.“279 Ähnliche Anträge wurden am 14. Juni in der kurhessischen Ständever­ sammlung gestellt.280 Dort beklagte der Abgeordnete Zuschlag die Mängel der Bundesverfassung und die Unmöglichkeit, zu einer Reform des Bundes zu gelangen. Deshalb müsse ein deutsches Parlament in der Verfassungsfrage die Initiative ergreifen und über „die bundesstaatliche Verfassung Deutsch­ lands“ beraten und beschließen. Der Abgeordnete Rübsam erblickte ebenfalls in einem Parlament den „Einigungspunkt für die dermalen in Deutschland herrschenden Gegensätze“, doch könne dies nur „ein solches Parlament sein, in welchem sämmtliche deutsche Staaten vertreten sind“.281 Die deutschen Abgeordneten erwarteten allerdings nicht, daß der Deutsche Bund – selbst nach einem gewonnenen Krieg – in der Lage sein würde, die nationale Frage auf dem Weg einer umfassenden Reform zu lösen. Diesen Weg sahen lediglich einige mittelstaatliche Minister wie von der Pfordten und 277 Dok. 203, Zitat S. 969. 278 Dok. 213, Zitat S. 1002. 279 Dok. 215, S. 1003, Anm. 1. 280 Dok. 218. 281 Ebd., S. 1020.

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Beust als eine Möglichkeit an. Letzterer regte am 14. Juni an, daß die Regie­ rungen sich bald über ein Wahlgesetz einigen und die Wahlen ausschreiben sollten: „Es wird hierdurch der Beweis gegeben, daß man das Parlament auf­ richtig und bald in’s Leben rufen will.“282 Große Teile der Öffentlichkeit erblickten in derartigen Verlautbarungen aber nur „Versprechungen und Vertröstungen“, wie der Wetterauer Bote, das Organ der hessischen Fortschrittspartei, am 17. Juni schrieb.283 Die Zeitung kritisierte heftig die Unterstützung der großherzoglich hessischen Regierung für Österreich, denn ein Sieg Österreichs im Krieg gegen Preußen bedeute „die Verewigung der kleinstaatlichen Zersplitterung und des bundestäglichen Elends“.284 Ähnlich argumentierte der Abgeordnete Rückert im Gemein­ schaftlichen Landtag der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha am 25. Juni. Sollte Österreich im Krieg gegen Preußen siegen, so würde das „im besten Fall die Conservirung der Bundesverfassung und der Deutschen Zer­ rissenheit, im schlimmeren das Begräbniß der Nationaleinheit und eine Reac­ tion und Versumpfung“ bedeuten.285 Auch unter den deutschen Regierungen gab es keine einheitliche Haltung zu den Folgen der Ereignisse in der Bundesversammlung am 14. und 16. Juni 1866. Der Lübecker Bürgermeister Curtius empörte sich darüber, daß das Bundesrecht politischen Rücksichten geopfert worden sei, es herrsche Chaos und „die ganze Misère der Bundesverfassung“ sei zutage getreten. Die Han­ sestadt müsse zwar solange wie möglich an der Unauflöslichkeit des Bundes festhalten, sei aber faktisch wegen der preußischen Drohungen außerstande, den Bundesbeschluß vom 14. Juni auszuführen.286 Keine Einigkeit gab es auch bei einer Konferenz der Minister der thüringischen Staaten, die am 19. Juni in Weimar stattfand. Während einige der Meinung waren, daß der Bund trotz des Austritts noch bestehe, gleichzeitig aber hofften, daß Preußen ihre Neutralität respektieren werde, sahen andere den Bund als aufgelöst an und erklärten sich bereit, das von Preußen angebotene Bündnis anzuneh­ men.287 Der Herzog von Sachsen-Altenburg erklärte in einer Proklamation an sein Volk, die am 23. Juni veröffentlicht wurde, die alte Bundesverfassung liege „zerbrochen danieder“ und das Herzogtum müsse sich auf die Seite Preußens stellen, denn ohne dieses sei „kein mächtiges blühendes Deutsch­ land“ möglich.288 282 Dok. 217, Zitat S. 1015. 283 Dok. 226, Zitat S. 1045. 284 Ebd., S. 1046. 285 Dok. 231, S. 1055. 286 Dok. 223, Zitat S. 1039. 287 Dok. 228. 288 Dok. 230, Zitate S. 1051.

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Zu dieser Zeit hatte der innerdeutsche Krieg schon begonnen. In diesem standen sich dreizehn bundestreue Staaten – dazu zählten vor allem die ­größeren Mittelstaaten, die sich dem österreichischen Oberkommando unter­ stellten – auf der einen und siebzehn Staaten, die sich Preußen anschlossen, auf der anderen Seite gegenüber.289 Die militärischen Aktionen begannen am 16. Juni 1866 mit dem Einmarsch preußischer Truppen in Kurhessen. Am 21. Juni erfolgte die Kriegserklärung Preußens an Österreich, und am glei­ chen Tag überschritten preußische Truppen die Grenze zu Böhmen. Ebenfalls am 21. Juni begann die faktische Auflösung des Bundes, indem einige nord­ deutsche Staaten ihre Bundestagsgesandten anwiesen, ihre Tätigkeit einzu­ stellen oder gar erklärten, der Bund sei aufgelöst. Bis Anfang Juli folgten weitere Regierungen und beriefen ihre Bundestagsgesandten aus Frankfurt ab. Der Deutsche Bund befand sich somit Ende Juni/Anfang Juli 1866, wie es Ernst Rudolf Huber formuliert hat, „in voller Auflösung“.290 Die Trennung vollzogen zunächst die norddeutschen, mit Preußen verbündeten Kleinstaa­ ten, nach der kriegsentscheidenden Niederlage Österreichs in der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 beriefen auch einige der bis dahin bundestreuen Regierungen ihre Gesandten ab und erklärten den Bund für erloschen. Die Bundesversammlung mußte am 14. Juli die Stadt Frankfurt verlassen und ihren Sitz nach Augsburg verlegen.291 Die bisherige Bundeshauptstadt wurde, wie auch das Herzogtum Nassau sowie einige nördliche Landesteile von Hessen-Darmstadt und Bayern, am 16. Juli von preußischen Truppen ­besetzt.292 In Augsburg hielt die Bundesversammlung, in der am Ende nur noch neun Staaten vertreten waren, in den folgenden Wochen noch einige ­Sitzungen ab, die aber keinerlei politische Relevanz mehr hatten. Der Bestand des Bundes war, wie es in einem Vortrag des badischen Staatsministeriums an Großherzog Friedrich I. vom 31. Juli 1866 hieß, „zur rechtlichen Fiktion ge­ worden“, denn er hatte sich bereits „thatsächlich und stückweise aufgelöst“.293 Die durch die militärische Entwicklung geschaffenen Fakten wurden schon Ende Juli auch völkerrechtlich anerkannt. In den Friedenspräliminarien, die am 26. Juli 1866 in Nikolsburg zwischen Österreich und Preußen vereinbart wurden, erkannte der Kaiser von Österreich „die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes“ an und gab seine Zustimmung „zu einer neuen Gestal­ tung Deutschlands ohne Betheiligung des Österreichischen Kaiserstaates“.294 289 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 558. 290 Ebd., S. 565 f., Zitat S. 566. 291 Dok. 234. 292 Forstmann, Frankfurt am Main in Wilhelminischer Zeit, S. 351. 293 Dok. 238, Zitate S. 1074 f. 294 Dok. 237.

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Diese Bestimmung wurde in den Prager Friedensvertrag vom 23. August 1866 übernommen, womit das Ende des Deutschen Bundes völkerrechtlich besiegelt wurde. Einen Tag nach dem Abschluß des Friedensvertrages hielt die Bundesversammlung in Stuttgart ihre letzte kurze Sitzung ab. Anwesend waren dabei die Gesandten von Österreich, Bayern, Sachsen, Württemberg, Hannover, Kurhessen, Großherzogtum Hessen sowie der 13. und der 16. Ku­ rie. Auf Antrag des Bundespräsidialgesandten wurde beschlossen, „nachdem in Folge der Kriegsereignisse und der Friedensverhandlungen der Deutsche Bund als aufgelöst betrachtet werden muß“, die Tätigkeit der Bundesver­ sammlung zu beenden und eine Kommission einzusetzen, um die Rechte und Ansprüche der Einzelstaaten im Hinblick auf das gemeinsame Bundeseigen­ tum zu liquidieren.295 Der Deutsche Bund, der 1815 aus dem Bedürfnis der Sicherung Deutsch­ lands und Mitteleuropas gegen expansionistische Bestrebungen anderer euro­ päischer Mächte und gegen nationalrevolutionäre Tendenzen gegründet wor­ den war, ging 1866 an eben diesen beiden Faktoren zugrunde: Er fiel dem preußischen Expansionsstreben sowie dem nationalen Verlangen nach einem deutschen Bundesstaat zum Opfer. Gleichzeitig wurde er zum Kampfplatz, auf dem die beiden deutschen Großmächte ihren Hegemonialkonflikt austru­ gen. Im innerdeutschen Krieg fiel der „Friedensstaat von Europa“296, der ein halbes Jahrhundert lang den Krieg aus Deutschland ferngehalten hatte, aus­ einander. An seine Stelle trat ein Nationalstaat, der unter preußischer Hege­ monie und nach drei äußeren und inneren Kriegen (1864, 1866, 1870/71) als neues Deutsches Reich etabliert wurde. Der deutsche Staatenbund war in Deutschland nie populär gewesen, weil er die Wünsche der liberalen Nationalbewegung ignoriert und vielfach auch ak­ tiv blockiert hatte – von den 1820er bis in die 1840er Jahre und auch wieder in den 1850er Jahren. Seine nationalpolitischen Defizite waren seit seiner Wiederrichtung nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 offenkundig, und der Wunsch nach einer umfassenden Reform des Deutschen Bundes wur­ de nicht nur von seiten der deutschen Öffentlichkeit, sondern immer wieder auch von den Regierungen zahlreicher deutscher Staaten geäußert. Die Bun­ desreform wurde zu einem der wichtigsten politischen Themen der 1850er und 1860er Jahre, und gerade in den letzten Jahren vor seinem Ende waren sich nahezu alle Regierungen darin einig, daß der Bund umgestaltet werden mußte. Aber es gab weder über den Weg der Reform noch über die Inhalte 295 Dok. 239, Zitat S. 1076. 296 Heeren, Der Deutsche Bund in seinen Verhältnissen zu dem Europäischen Staatensystem, S. 14. Zur „Friedenssicherungsrolle“ des Deutschen Bundes siehe Gruner, Der Deutsche Bund – Modell für eine Zwischenlösung?

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eine Übereinstimmung. Statt dessen wurde die Bundesreform zum politischen Zankapfel, ja zum politischen Werkzeug, mit dem jede der beiden deutschen Großmächte die jeweils andere auszumanövrieren versuchte. Die Unfähigkeit und der Unwille, auf föderativem Weg den Bund weiter­ zuentwickeln, ihn im nationalen Sinne zu reformieren, führten in die die poli­ tische und schließlich militärische Konfrontation, an der der Bund zerbrach. Die Zerstörung der staatenbündischen Ordnung des Deutschen Bundes war allerdings keine historische Notwendigkeit oder gar alternativlos. „Ein stärker föderalistisches Deutschland ohne ein preußisch möbliertes nationalstaatli­ ches Gehäuse und verbunden mit der Habsburgermonarchie hätte auch in den Möglichkeiten der Zeit gelegen.“297 Im Rahmen der Bundesverfassung wäre es durchaus möglich gewesen, mehr Freiheit und mehr nationale Gemeinsam­ keit herbeizuführen – die in diesem und den vorhergehenden Editionsbänden abgedruckten Dokumente zeigen dies zur Genüge. Was die Bundesverfassung dagegen nicht ermöglichte, war ein höheres Maß an Machtstaatlichkeit: Deutschland konnte als Staatenbund keine europäische Großmacht werden. Das war der Preis für die innere Sicherheit und den äußeren Frieden. Der Weg zum machtvollen Nationalstaat wurde erst frei, indem der Deutsche Bund gewaltsam zerstört wurde. Das kleindeutsch-preußische Reich, das ihm folgte, war zwar eine europäische Großmacht, die innerhalb weniger Jahr­ zehnte auch zur ökonomisch führenden Macht Europas aufstieg. Im Inneren brachte das Deutsche Reich aber weder größere Freiheit noch größere Einig­ keit hervor als der Deutsche Bund, und nach außen hin entwickelte sich das Reich innerhalb von zwei Generationen zu einem Risikofaktor der internatio­ nalen Politik. Dies war der Deutsche Bund niemals gewesen. Er war vielmehr von Anfang an konzipiert als ein Faktor der Konfliktvermeidung sowohl im Hinblick auf die Rivalitäten zwischen den europäischen Mächten als auch im Hinblick auf die innerdeutschen Interessengegensätze zwischen den einzel­ nen Mitgliedsstaaten. Als er zerbrach, wurden Kräfte freigesetzt, die sich mit­ tel- und langfristig als äußerst destruktiv erweisen sollten. Am Deutschen Bund zeigt sich, welche Folgen eintreten können, wenn ein Staatenbund zer­ stört oder aufgelöst wird, weil seine Mitgliedsstaaten ihren partikularen In­ teressen den Vorzug geben, statt den mühsamen Weg der föderativen Verstän­ digung weiterzugehen. Nicht 2016, sondern schon 1997 hat Lothar Gall, der die umfangreiche Quellenedition zum Deutschen Bund auf den Weg gebracht und als Herausgeber betreut hat, diesen Aspekt angesprochen: „Daß Staatenbünde mit einem wachsenden Kernbestand von gemeinsa­ men Institutionen und Ordnungen diese Konflikte [zwischen den Staa­ 297 Langewiesche, Reich, Nation und Staat in der jüngeren deutschen Geschichte, S. 369.

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ten] wenn nicht überwinden, so doch mildern können, war die Hoffnung, die sich einst bei seinen Schöpfern und Verteidigern auf den Deutschen Bund richteten. Seine Geschichte ist nicht zuletzt von daher für die Ge­ genwart in vieler Hinsicht lehrreich.“298

298 Gall, Der Deutsche Bund in Europa, S. 28.

Zur Edition 1. Zu diesem Band Mit diesem Band wird die Abteilung III des Editionsprojektes „Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes“ abgeschlossen. Er schließt nahtlos an den 2012 erschienenen vorherigen Band an, der den Deutschen Bund in der natio­ nalen Herausforderung von 1859 bis 1862 behandelt hat. Im Zentrum steht der Konflikt über die innere Ausgestaltung der Bundesverfassung, der schon seit der Wiedererrichtung des Deutschen Bundes im Jahr 1850/51 eine Grund­ konstante der Bundespolitik war und durch die von Österreich und die Mittel­ staaten im Sommer 1862 eingeleitete Initiative zur Schaffung einer Delegier­ tenversammlung eine neue Dynamik und Zuspitzung erhalten hatte. Aus dem Plan einer Delegiertenversammlung, der Ende 1862 und Anfang 1863 zur scharfen Konfrontation auf Bundesebene führte, entwickelte sich dann ein weit umfassenderes Bundesreformprojekt, zu dessen Umsetzung im Sommer 1863 erstmals seit 1815 in der Bundeshauptstadt Frankfurt fast alle Monarchen und Regierungen der im Bund vertretenen Staaten zusammenka­ men. Die Akten dieses „Frankfurter Fürstentags“ werden im vorliegenden Band erstmals vollständig mit allen Anlagen und Beiakten auf der Grundlage der im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv verwahrten Originalprotokolle ediert. Wie im Fall der Dresdener Konferenz von 1850/51, die den inhaltli­ chen Schwerpunkt des ersten Bandes der Abteilung III bildete, ist damit nun auch der große Kongreß von 1863 – der sowohl inhaltlich als auch auf sym­ bolpolitischer Ebene den Höhepunkt der Bundespolitik bildet – umfassend und in allen Einzelheiten dokumentiert. Zugleich wird der Fürstentag, wie auch die nachfolgenden Entwicklungen bis 1866, in den Zusammenhang der öffentlichen Diskussion über die deut­ sche Frage eingeordnet, indem zahlreiche entsprechende Presseartikel, publi­ zistische und wissenschaftliche Texte, Parlamentsdebatten und nationalpoli­ tische Proklamationen im vorliegenden Band abgedruckt werden. Von den 239 Dokumenten sind 146, also 61 Prozent, diplomatische Korrespondenzen, von denen ein erheblicher Teil erstmals ediert wird. In noch stärkerem Maße als in den vorhergehenden Bänden werden die Verhandlungen der Bundesver­ sammlung berücksichtigt, was sich dadurch rechtfertigt, daß in diesem zen­ tralen Gremium des Bundes im Editionszeitraum eminent wichtige Debatten über die innere und vor allem auch die äußere Bundespolitik geführt wurden. Diese Beratungen und die teilweise daraus hervorgehenden wichtigen Bun­ desbeschlüsse sind in 30 zum Teil längeren Auszügen aus den Protokollen der Deutschen Bundesversammlung dokumentiert. Zwar stehen diese Protokolle,

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die früher nur in wenigen Exemplaren in den deutschen Staatsarchiven und einigen Bibliotheken in gedruckter Form zu finden waren, nunmehr zum größten Teil in digitalisierter Form zur Verfügung1, doch erschien es bei dem Umfang der Protokollbände von je etwa 1000 Seiten pro Jahrgang sinnvoll, die maßgeblichen bundespolitischen Debatten und Beschlüsse auszuwählen und im vorliegenden Band abzudrucken. Häufiger als zuvor wurden in den Jahren ab 1863 die Bundespolitik bezie­ hungsweise die großen Fragen der nationalen Politik zum Thema von Ver­ handlungen in den einzelstaatlichen Parlamenten. Dieser gesteigerten Auf­ merksamkeit trägt die Edition durch den Abdruck von insgesamt 12 Reden und Adressen aus den Landtagen Rechnung. In welchem Maße bundespoliti­ sche Themen auch in der Öffentlichkeit behandelt wurden, belegen die 19 Artikel aus Presseorganen sowie die 14 Proklamationen und anderen öffentli­ chen Verlautbarungen von Vereinen, Abgeordnetenversammlungen und poli­ tischen Aktionsbündnissen wie der sogenannten Schleswig-Holstein-Bewe­ gung. Während in den letztgenannten Dokumenten naturgemäß eine überwie­ gend kritische Haltung gegenüber den deutschen Regierungen und dem Deutschen Bund zum Ausdruck kommt, stammen die Zeitungsartikel sowohl aus offiziösen, die Regierungspolitik bejahenden Organen (Dresdner Journal, Karlsruher Zeitung, Bayerische Zeitung) als auch aus unabhängigen, libera­ len Zeitungen (Frankfurter Reform, Constitutionelle Zeitung), die sich für eine nationale und liberale Politik in Deutschland aussprachen. Die ausge­ wählten Artikel stammen vor allem aus Zeitungen, die in den süddeutschen Mittelstaaten erschienen (Bayern, Baden, Hessen-Darmstadt, Sachsen), wo die Bundespolitik am intensivsten in der Tagespresse behandelt wurde. Für die maßgeblichen mittelstaatlichen Politiker, die sich immer wieder mit Vor­ schlägen zur Bundesreform beschäftigten, scheinen diese Presseveröffentli­ chungen eine besonders wichtige Rolle gespielt zu haben, da sie immer wie­ der als Ausrisse den diplomatischen Korrespondenzen beigelegt wurden und somit die Meinungsbildung innerhalb der Regierungen wie auch in der zwi­ schenstaatlichen Kommunikation beeinflussten. Wie in den vorhergehenden Bänden wurde angestrebt, eine möglichst brei­ te Palette von Stimmen zu Wort kommen zu lassen, um das Meinungsspek­ trum in seiner Vielfalt abzubilden. 190 Dokumente sind mittelstaatlicher (151) oder kleinstaatlicher (39) Provenienz, während die beiden großen Staa­ ten Österreich und Preußen „nur“ mit 83 Dokumenten vertreten sind; hinzu kommen noch 15 Quellen, deren Urheber unbekannt sind oder die von Kol­ 1 Die Digitalisierung erfolgt durch das Münchener Digitalisierungszentrum (MDZ), die Proto­ kolle sind erschließbar durch die Webseite http://www.digitale-sammlungen.de oder über den OPAC der Bayerischen Staatsbibliothek: https://opacplus.bsb-muenchen.de/.

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lektivorganen wie dem Abgeordnetentag stammen.2 Die hohe Anzahl der mittel- und kleinstaatlichen Quellen erklärt sich daraus, daß deren politische Vertreter sich bei den Verhandlungen des Frankfurter Fürstentages mit zahl­ reichen Stellungnahmen und Anträgen zu Wort meldeten und so einen er­ heblichen Einfluß auf die Beratungen nahmen. Zudem beteiligten sich auch die Landtage der mittleren und kleinen Staaten in zahlreichen Debatten, von denen im vorliegenden Band nur einige exemplarisch berücksichtigt werden konnten, an der bundespolitischen Diskussion. Von den 239 Dokumenten sind etwa die Hälfte bereits zuvor in zeitgenös­ sischen Publikationen gedruckt3 oder seither ediert worden. Das betrifft ne­ ben den Bundesprotokollen und den Hauptprotokollen des Frankfurter Für­ stentags in erster Linie die diplomatischen Aktenstücke der beiden deutschen Großmächte, welche in den einschlägigen Editionen und Werkausgaben ver­ öffentlicht wurden.4 Allerdings sind in vielen Fällen die Dokumente nicht vollständig abgedruckt, so vor allem die umfangreichen Anlagen zu den Pro­ tokollen des Frankfurter Fürstentags, die einen genauen Einblick in den Gang der Verhandlungen und die widerstreitenden Interessen ermöglichen. Bei den Standardeditionen zur deutschen Politik Österreichs (Srbik) und Preußens (Die auswärtige Politik Preußens) sind etliche Dokumente nach den Konzep­ ten ediert und nicht nach den tatsächlich versandten Ausfertigungen. Andere Dokumente fehlen in diesen Editionen ganz oder sind nur in Regestenform wiedergegeben. Teilweise konnten auch Schreibfehler korrigiert werden. Auch die Gesammelten Werke von Bismarck enthalten manche der in dieser Edition abgedruckten Depeschen und Berichte nicht, so daß auch hier Lücken geschlossen werden können. Insgesamt bietet die vorliegende Edition in zahl­ reichen Fällen vollständigere und korrektere Textfassungen auf der Grundla­ ge besserer beziehungsweise höherwertigerer Vorlagen. Bei schon zuvor ver­ öffentlichten Dokumenten sind die Druckorte soweit wie möglich angegeben, doch wird auf bloße Schreibvarianten und andere unerhebliche Abweichun­ gen nicht eigens aufmerksam gemacht. Dies erscheint auch deshalb legitim, weil bei der Edition der Dokumente der Grundsatz der vorlagengetreuen Wie­ dergabe des Quellenmaterials angewendet wurde. Inhaltlich relevante Unter­ schiede der in diesem Band edierten Texte zu früheren Druckfassungen wer­ den indessen im Kommentar erläutert. 2 Bei dieser Zählung sind auch die zahlreichen Anlagen zu den Protokollen des Fürstentags be­ rücksichtigt worden, so daß die Gesamtzahl wesentlich höher ist als die Dokumentenzählung der Edition. 3 Vor allem im „Staatsarchiv“ und im „Europäischen Geschichtskalender“ von Schulthess. 4 Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs 1859–1866 (5 Bde.); Die auswärtige Politik Preußens 1858–1871 (12 Bde.); Bismarck, Die gesammelten Werke.

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Die andere Hälfte der in diesem Band abgedruckten Dokumente wird hier erstmals veröffentlicht. Wie in den vorhergehenden Bänden handelt es sich dabei vor allem um die Quellen aus den deutschen Mittel- und Kleinstaaten, für die bisher fast überhaupt keine wissenschaftlichen Editionen vorliegen.5 Zu den Erstveröffentlichungen zählen ferner einige Adressen und Aufrufe, die seit 1863 im Zusammenhang mit der schleswig-holsteinischen Frage von Hilfsausschüssen an die deutschen Regierungen und die allgemeine Öffent­ lichkeit gerichtet wurden. Thematisch konzentriert sich der Band wiederum auf die innere Bundespo­ litik und die Bestrebungen zur Reform der Bundesverfassung, die ja in den Beratungen auf dem Frankfurter Fürstentag 1863 kulminierten. Zu den Re­ formbemühungen zählten auch die schon in den 1850er Jahren eingeleiteten Maßnahmen zur Rechtsvereinheitlichung im Bundesgebiet, die seit Beginn der 1860er Jahre nach langjährigen Verhandlungen zu konkreten Ergebnissen führten. Diese bis zum Abschluß gediehenen Projekte werden ebenfalls in ei­ nigen zentralen Aktenstücken dokumentiert. Seit dem Jahresende 1863 kam ein neues Element in der Bundespolitik zum Tragen, das die weitere Entwicklung bis 1866 entscheidend beeinflußte. Es war dies die Schleswig-Holstein-Frage, bei der es einerseits um die staats­ rechtliche und damit auch nationale Zugehörigkeit der zum Königreich Däne­ mark gehörigen Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg ging, wäh­ rend dieses Problem andererseits auch die Stellung der beiden Großmächte im Deutschen Bund und die innere Verfassungsstruktur des Bundes berührte. Die komplexen Verhandlungen und Auseinandersetzungen über die Schles­ wig-Holstein-Frage werden in dem Band, soweit sie den Deutschen Bund ­direkt betrafen, mit zahlreichen Quellen dokumentiert. Schließlich führte das Schleswig-Holstein-Problem in den Jahren 1865 und besonders 1866 unmit­ telbar in die politische und dann auch militärische Konfrontation, die am Ende zur Auflösung des Deutschen Bundes führte. Dieser Zerfallsprozeß, der sich seit dem Frühjahr 1866 rasant beschleunigte, bildet neben dem Fürsten­ tag einen zweiten zeitlichen Schwerpunkt der Edition, der besonders dicht und ausführlich mit Quellen belegt wird. Die Anordnung der Dokumente erfolgt in diesem Band rein chronologisch, abgesehen von einigen wenigen Anlagen zu den Verhandlungen des Fürsten­ tags, die im Anschluß an die Protokolle abgedruckt sind. Der chronologischen Folge wurde deshalb der Vorzug gegeben, weil die verschiedenen Aspekte der inneren und im Hinblick auf die Schleswig-Holstein-Frage auch der äuße­ 5 Eine Ausnahme bildet nach wie vor das Großherzogtum Baden, dessen deutsche Politik in der älteren Edition von Hermann Oncken dokumentiert ist: Oncken (Hrsg.), Großherzog Fried­ rich I. von Baden und die deutsche Politik von 1854–1871 (2 Bde.).

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ren Bundespolitik zumeist im Zusammenhang verhandelt und diskutiert wur­ den. Die Edition spiegelt somit auch die Komplexität und Vielschichtigkeit der bundespolitischen Entwicklung in den letzten Jahren des Bestehens des Deutschen Bundes wider. Für vielfältige Unterstützung bei der Vorbereitung des Bandes danke ich meiner studentischen Hilfskraft Julia Mücke und meiner wissenschaftlichen Hilfskraft Isabella Heil. Frau Heil hat auch bei der Erstellung des Personen­ registers mitgewirkt.

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2. Allgemeine Leitsätze zur Gestaltung der Edition ­„Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes“ Von

Jürgen Müller und Eckhardt Treichel A. Kriterien für die Auswahl der Quellentexte Das für die Edition zur Verfügung stehende Material ist aus mehreren Grün­ den außerordentlich umfangreich. Zum einen bestand der Deutsche Bund aus bis zu 41 Einzelstaaten, die alle mehr oder minder große Archivbestände (Ka­ binetts- und Ministerialakten, Korrespondenzen und politische Nachlässe) hinterlassen haben. Hinzu kommt, daß sich neben den Regierungen auch die Landesparlamente und die Öffentlichkeit intensiv mit der deutschen Frage beschäftigten. Auf allen diesen Ebenen gab es ein breites Meinungsspektrum, das zumindest in seinen Grundzügen dokumentiert werden soll. Zum anderen zeichnet sich die Geschichte des Deutschen Bundes aber nicht nur durch eine Vielfalt der Interessen und Perspektiven, sondern auch durch ein großes Spektrum von thematischen Aspekten aus. Dazu gehören die allgemeine politische Organisation des Bundes, sein Verhältnis zum Ausland, die Probleme der wirtschaftlichen Integration, die Frage der inneren Ausge­ staltung der Bundesverfassung, das Verhältnis der Einzelstaaten zum Deut­ schen Bund und die zahlreichen speziellen politischen Konfliktlagen mit ih­ ren Rückwirkungen auf den Bund. Die ganze Fülle des Materials in der Edition auszubreiten, wäre weder praktikabel noch sinnvoll. Das Ziel des Projekts ist es vielmehr, eine sachlich motivierte Auswahl von besonders aussagekräftigen Texten zu präsentieren. Hierzu gehören zunächst und in erster Linie die formellen Schlußakten und Grundsatzbeschlüsse des Deutschen Bundes, ferner die Protokolle der großen Konferenzen einschließlich der wichtigsten Beschlußvorlagen. Hinzu ­kommen die Situationsanalysen in Form von Denkschriften sowie die deutschlandpoli­ tischen Programme der Regierungen, Kammern, Parteien und Vereine in Form von Instruktionen, Proklamationen, Anträgen, Presseveröffentlichungen und Flugschriften. Aus diesen Quellengattungen soll ein möglichst repräsen­ tativer Querschnitt von Texten zum Abdruck kommen, um die unterschied­ lichen Zielvorstellungen, Sichtweisen und Argumente deutlich werden zu ­lassen. Da viele relevante Texte bereits teilweise oder vollständig im Druck vor­ liegen, läßt sich nicht vermeiden, schon früher veröffentlichtes Material in die Edition aufzunehmen. Im Falle von zeitgenössischen Zeitungsartikeln, Flug­ schriften und Broschüren erscheint dies unproblematisch, da diese oftmals

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schwer zugänglich sind. Ähnlich verhält es sich mit den Verhandlungen der einzelstaatlichen Kammern, die sich meist nur in den jeweils zuständigen ­Archiven und Landesbibliotheken befinden. Überdies ist die deutsche Frage in den umfangreichen Kammerprotokollen nur einer von vielen Gegen­ ständen, und ein Auffinden der diesbezüglichen Texte bereitet oft erhebliche Mühe. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, die bedeutendsten Debattenbei­ träge und Anträge in die Edition aufzunehmen. Größere Zurückhaltung wird dagegen geübt beim Abdruck von Verhandlungen der Frankfurter Bundesver­ sammlung, deren Protokolle in vielen Bibliotheken vorhanden sind. Selbst­ verständlich werden besonders wichtige Bundestagsverhandlungen und Bun­ desbeschlüsse in die Dokumentation aufgenommen. Zu edieren sind ­natürlich auch etwa vorhandene unveröffentlichte Protokolle. Bei bereits edierten handschriftlichen Akten und gedruckten, aber nicht pu­ blizierten Vorlagen entscheidet grundsätzlich die sachliche Relevanz, ob ein Wiederabdruck erfolgt. Eine Edition zur Geschichte des Deutschen Bundes kann nicht auf die Wiedergabe der entscheidenden Texte verzichten, auch wenn diese schon im Druck vorliegen sollten. Dies ist im übrigen auch des­ halb geboten, weil viele ältere Editionen (z. B. Klüber, Acten des Wiener Congresses) erhebliche Mängel aufweisen. Es versteht sich von selbst, daß bei der Neuedition auf die Originalvorlagen zurückgegriffen wird. Besonde­ res Augenmerk ist dabei auf die Qualität der Vorlage zu richten. Wo immer möglich, soll die endgültige Fassung eines Dokuments herangezogen werden. Daraus ergibt sich eine Präferenz der Ausfertigung vor der Abschrift, welche wiederum dem Konzept vorgezogen wird. Gravierende inhaltliche Abwei­ chungen in den verschieden Überlieferungsformen werden kollationiert und als Variante in den textkritischen Apparat aufgenommen. Um eine vorlagengetreue Wiedergabe der Quellentexte zu gewährleisten, wird auf Kürzungen weitgehend verzichtet. Von diesem Grundsatz wird nur in Ausnahmefällen abgewichen, wenn etwa bei extrem langen Texten um­ fangreiche Passagen sich mit Gegenständen beschäftigen, die mit dem Edi­ tionsthema in keinem Zusammenhang stehen. Etwaige Auslassungen werden in Form von Zwischenregesten resümiert. B. Grundsätze der editorischen Bearbeitung Für die editorische Bearbeitung historischer Dokumente liegen die von Jo­ hannes Schultze veröffentlichten „Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte“ vor.6 Diese 6 In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 102, 1966, S. 1–10.

LXXX

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Richtlinien enthalten viele sinnvolle Anregungen, geben aber in einer Kern­ frage zu kritischen Einwänden Anlaß. Die von Schultze empfohlene weitge­ hende Modernisierung von Orthographie und Interpunktion ist mit Nachteilen verbunden. Zum einen ist, wie Winfried Baumgart in der Krimkriegsedition hervorgehoben hat, Sprache immer in der Entwicklung begriffen, so daß „heute modernisierte Texte in 50 oder 150 Jahren wieder modernisiert werden müßten“.7 Darüber hinaus dürfte es wissenschaftlichen Anforderungen am ehesten entsprechen, wenn Quellentexte weitgehend vorlagengetreu abge­ druckt werden. Auf eine sprachliche Modernisierung wird deshalb grundsätz­ lich verzichtet. Konkret bedeutet dies, daß orthographische Besonderheiten und Abweichungen von der heutigen Norm sowie die Zeichensetzung der Vorlagen beizubehalten sind. Nachteilige Folgen für das Verständnis und die Lesbarkeit sind kaum zu befürchten, da die sprachliche Beschaffenheit der Texte aus dem 19. Jahrhundert im allgemeinen nur geringfügig vom gegen­ wärtigen Sprachgebrauch abweicht. Mit Ausnahme der stillschweigenden Einfügung bzw. Tilgung von fehlen­ den oder überflüssigen Satzzeichen und der Ausschreibung elidierter Wörter werden alle Eingriffe des Bearbeiters in den Quellentext kenntlich gemacht. Dies geschieht entweder durch entsprechende Markierungen im Text oder durch textkritische Anmerkungen im Anschluß an den Text. Die Sachanmerkungen beschränken sich im allgemeinen auf die Erläute­ rung von Personen, Sachen und Begriffen. Hinzu kommen Querverweise auf abgedruckte oder nichtpublizierte Aktenstücke sowie gegebenenfalls sach­ liche und bibliographische Zusatzinformationen. Auf interpretierende Er­ läuterungen soll dagegen grundsätzlich verzichtet werden, zumal inhaltliche Bezüge in den ins Auge gefaßten begleitenden Monographien aufgezeigt ­werden können. Die Dokumente werden nach thematischen Gesichtspunkten gruppiert und innerhalb eines Themenblocks (in der Regel) in chronologischer Reihenfolge, basierend auf dem Ausstellungs- bzw. Auslaufdatum, angeordnet. Fehlt ein Ausstellungsdatum, so bildet das Einlaufdatum des Empfängers die Grund­ lage für die Datierung.

7 Akten zur Geschichte des Krimkriegs. Hrsg. v. Winfried Baumgart. Serie I: Österreichische Akten zur Geschichte des Krimkriegs. Bd. 1. Bearb. v. Ana María Schop Soler. München/ Wien 1980, S. 12.

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C. Richtlinien zur editorischen Bearbeitung8 1. Allgemeines 1.1.

Die Überlieferungsformen (z. B. Konzept, Ausfertigung, Abschrift, Metallographie, Druck) werden mitgeteilt. Ebenso werden die betei­ ligten Schreiber – etwa bei Eigenhändigkeit – oder deren Wechsel, falls inhaltlich relevant, genannt. Fundort, Signatur mit Blatt- bzw. Seitenzahlen werden – auch bei Drucken – angegeben. 1.2. Liegt ein Dokument in mehrfacher Originalüberlieferung vor, werden alle Fundorte mitgeteilt, es sei denn, es handelt sich um gedruckte oder metallographierte Vorlagen oder um identische Abschriften. Va­ rianten werden nur festgehalten, wenn es sich dabei um sachlich oder sprachlich bedeutsame Abweichungen handelt. 1.3. Kanzleivermerke und dergleichen werden wiedergegeben, wenn ih­ nen Informationswert zukommt. Dasselbe gilt für Hervorhebungen und Streichungen. 1.4. Unsichere, aber wahrscheinliche Lesungen werden durch < > kennt­ lich gemacht. 1.5. Unleserliche Wörter werden durch , unleserliche Textpassagen durch kenntlich gemacht. 1.6. Lücken in der Handschrift werden durch *** wiedergegeben. 1.7. Zusätze des Bearbeiters werden stets in eckige Klammern [ ] gesetzt, Auslassungen des Bearbeiters durch […] gekennzeichnet. 1.8. Abkürzungen werden nicht aufgelöst, sondern in der vorliegenden Form abgedruckt. Ist eine Abkürzung nicht ohne weiteres zu erschlie­ ßen, wird sie in einer textkritischen Anmerkung erklärt. Alle in der Edition vorkommenden Abkürzungen werden in einem beigefügten Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen mit ihrer vollen Bedeutung aufgelöst. 1.9. Im Unterschied zu den echten Abkürzungen, hinter denen meist ein Punkt steht, werden Elisionen und Kontraktionen immer aufgelöst. – “ steht „mm“, für „ud“ steht „und“, für „Coon“ steht „Com­ Für „m mission“; elidierte Endungen (-ung) werden ausgeschrieben. 1.10. In Geheimschrift abgefaßte Texte oder Passagen werden nach Möglichkeit anhand zeitgenössischer Transkriptionen in Klarschrift wiedergegeben. Die ursprünglich chiffrierten Texte oder Abschnitte – 8 Wir folgen hier in vielen Punkten den „Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte“, die vom Arbeitskreis „Editionsprobleme der frühen Neuzeit“ zusammengestellt wurden und abgedruckt sind in: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland 1980, S. 85–96.

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1.11. 1.12. 1.13. 1.14.

1.15.

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auch Textteile, die in Konzepten zur Chiffrierung bestimmt erscheinen – werden markiert und in den Sachanmerkungen erklärt. Liegen keine Dechiffrierungen vor, löst der Bearbeiter die Geheimschrift auf. Ist dies nicht möglich, wird, soweit dies typographisch machbar ist, der ursprüngliche Chiffrentext wiedergegeben. Diakritische Zeichen werden wiedergegeben, sofern sie nicht reine Lesehilfen sind. Es wird nicht festgehalten, wenn z. B. Punkte über i und j fehlen. e e o Hochgestellte Buchstaben bei Umlauten (z. B. „a“, „o“, „u“) werden in die Zeile heruntergezogen („ae“, „oe“, „uo“). Schriftwechsel in der Textvorlage – z. B. lateinische Schrift (statt deutscher Schrift) bei fremdsprachigen Wörtern oder Passagen – wer­ den in der Transkription nicht wiedergegeben. Hervorhebungen in der Vorlage werden durch Kursivdruck wiederge­ geben, wenn nötig, wird die Art der ursprünglichen Hervorhebung in einer textkritischen Anmerkung erläutert (etwa bei doppelter oder dreifacher Unterstreichung). Bei fremdsprachlichen (insbesondere französischen) Vorlagen werden fehlende Akzente ergänzt und falsche Akzente korrigiert, sofern dies für das Verständnis erforderlich ist. 2. Textgrundlage

2.1.

2.2.

2.3.

Bei Mehrfachüberlieferung sollte einer einzigen gefolgt werden. Die Entscheidung für die Vorlage ist besonders zu begründen, wenn das Alter der Vorlage, die Genese des Textes, die Überlieferungsgeschich­ te, die Wirkungsgeschichte oder der Erhaltungszustand es erfordern. Offensichtliche Fehler in der Vorlage werden mit Hilfe anderer Über­ lieferungen emendiert. Die Schreibweise folgt dabei der herangezo­ genen Überlieferung. Bei Verbesserungen von Textversehen wird die fehlerhafte Variante in einer textkritischen Anmerkung angegeben. Unumgängliche Textverbesserungen (Konjekturen) sind in der Regel in den Text aufzunehmen, jedoch zu kennzeichnen. Auf unheilbare verderbte Textstellen (Korruptelen) wird mit [!] hingewiesen. 3. Anmerkungsapparat

3.1. 3.2.

Im Anmerkungsapparat wird einerseits Textkritik und andererseits Sprach- wie Sachkommentar geboten. Die Angaben im Apparat werden durch Exponenten (arabische Zif­ fern) vorgenommen. Die Anmerkungen stehen am Fuß jeder Seite in normaler Petitschrift, lediglich Autorennamen werden kursiv gesetzt. Die Zählung beginnt bei jedem Dokument wieder von vorne.

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3.3. 3.3.1.

3.3.2. 3.3.3.

3.3.4.

3.4. 3.4.1.

3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.4.5.

LXXXIII

N.B.: Originalanmerkungen aus den Vorlagen werden nicht in den Anmerkungsapparat integriert, sondern in normaler einzeiliger Schrift unter den Text gesetzt. Ihre Kennzeichnung erfolgt durch *, †, ‡. Text und eventuelle Originalanmerkungen werden durch einen Trennstrich vom Anmerkungsapparat getrennt. Textkritische Anmerkungen Marginalien werden, soweit sie nicht am Rand belassen oder in den Text eingefügt werden können, in den Anmerkungsapparat aufge­ nommen. Erforderliche Erläuterungen werden in eckigen Klammern hinzugefügt. Sind Entstehungsvarianten vorhanden, etwa in Konzepten, werden diese in den Anmerkungsapparat aufgenommen, sofern sie inhaltlich relevant sind. Überlieferungsgeschichtliche Varianten sollen in den Anmerkungsap­ parat nur dann aufgenommen werden, wenn dadurch die Veränderun­ gen des Sinnes dokumentiert werden (lexikalische oder syntaktische Varianten: Wortwahl, Wortbildung, Wortfolge, Kasus, Numerus, Tem­ pus). Orthographische und sprachliche Varianten werden in der Regel nicht einzeln verzeichnet; sie können summarisch in der Einleitung erfaßt werden. Wurde ein Text mehrfach redigiert, kann es sich als notwendig erwei­ sen, die verschiedenen Fassungen nacheinander oder in Kolumnen zu drucken, um den Anmerkungsapparat zu entlasten, der in jedem Fall so knapp wie möglich gehalten sein sollte. Sprachliche und sachliche Erläuterungen Veraltete und untergegangene Wörter, gegebenenfalls auch semanti­ sche Verschiebungen, werden erläutert, wenn ihre Bedeutung nicht aus dem Kontext erkennbar ist. Auch syntaktische und sonstige sprachliche Schwierigkeiten werden gegebenenfalls erläutert. Unter Umständen kann sich die Zusammenfassung der lexikalischen Erläuterungen in einem Glossar empfehlen. Zitate und gegebenenfalls Zitatanklänge werden soweit wie möglich nachgewiesen. Zur Kennzeichnung im Text sind die verschiedenen Formen der Anführungszeichen zu verwenden. Im Text vorkommende Personen und geographische Namen werden nach Möglichkeit identifiziert. Sachen, Begriffe und Ereignisse sind nur soweit zu erläutern, wie es das Verständnis erfordert. Dabei angeführte Veröffentlichungen sind bibliographisch eindeutig anzugeben, gegebenenfalls durch Beifü­ gung eines Literaturverzeichnisses.

LXXXIV

Zur Edition

4. Die Edition der Texte 4.1. 4.2. 4.3. 4.4.

4.5.

4.6. 4.7. 4.8.

Eigennamen werden entsprechend der Vorlage wiedergegeben. Groß- und Kleinschreibung wird entsprechend der Vorlage verwen­ det. Hingegen werden Eigennamen, Satzanfänge sowie Titel und de­ ren Abkürzung generell groß geschrieben. Die Getrennt- und Zusammenschreibung folgt der Vorlage, sofern diese eindeutig ist. Falls dadurch Verständnisschwierigkeiten entste­ hen, empfiehlt sich die Anbringung einer erläuternden Anmerkung. Zahlzeichen werden im laufenden Text vorlagengetreu wiederge­ geben, es sei denn, daß gewichtige Gründe für eine Auflösung spre­ chen. Bei Ordnungszahlen wird stets ein Punkt hinzugefügt, bei Kardinal­zahlen hingegen Punkte bzw. Kommata (z. B. „100 000“ für „100,000“) generell fortgelassen. Dienen Zahlzeichen und Buchsta­ ben der Gliederung des Textes, findet eine Vereinheitlichung im oben genannten Sinne statt. Die Interpunktion folgt im allgemeinen der Vorlage. Fehlende Satz­ zeichen, insbesondere Kommata, werden, wenn nötig, ergänzt, ­während überflüssige Satzzeichen in der Regel beibehalten werden. ­Lediglich Gedankenstriche nach einem Punkt zur Markierung eines Absatzes entfallen; Gedankenstriche und Semikola zur Markierung des Satzendes werden durch einen Punkt ersetzt. Anstelle des doppelten Trennungs- und Bindestrichs wird einheitlich der einfache Trennungs- und Bindestrich verwendet. Das eine Einfügung kennzeichnende /: :/ wird durch eine runde Klammer ( ) ersetzt. Datumsangaben in den Texten werden vorlagengetreu wiedergegeben. D. Präsentation der editierten Dokumente

Jedem Dokument wird ein Kopf vorangestellt. Dieser besteht aus: 1.1. Der Nummer des Dokuments innerhalb der Edition. 1.2. Dem Aussteller und Empfänger 1.1. und 1.2. werden hintereinander, halbfett und zentriert gedruckt. 2.1. Angaben zum Fundort: Archivsigle, Bestand, Nr., fol. oder Seite. 2.2. Art der Vorlage: Bericht, Note, Denkschrift etc. 2.3. Überlieferungsform: (Eigenhändige) Ausfertigung, Abschrift, Ent­ wurf, Metallographie, Druck usw. 2.4. Praesentatum oder sonstigen Eingangsvermerken des Empfängers; Expeditionsvermerke werden nur angegeben, wenn sie eine von der Datierung der Vorlage (Konzept) abweichende Angabe enthalten.

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2.5. 3. 4.

5. 6.

LXXXV

Für die Eingangs- bzw. Auslaufvermerke werden die standardisierten Abkürzungen „Praes.“ und „Exped.“ verwendet. Das Datum wird ebenfalls in standardisierter Form (Tag, Monat, Jahr) wiedergegeben. Druckort. Diese Angaben erfolgen in der Reihenfolge 2.1.–2.5. hintereinander und werden in Petitschrift gedruckt. Dem Kopfregest mit kurzen Angaben zum Gegenstand des Doku­ ments. Dem Kopfregest folgt mit dreizeiligem Abstand das Dokument. In der ersten Zeile steht linksbündig, falls vorhanden, die Aktennummer des Ausstellers und ein eventueller Vertraulichkeitsvermerk. Ausstel­ lungsort und -datum stehen in der gleichen Zeile rechtsbündig in der standardisierten Form: Ort, Tag, Monat (ausgeschrieben), Jahr. Anrede- und Grußformeln werden unverändert beibehalten. Die Unterschrift des Ausstellers steht rechtsbündig am Ende des Tex­ tes. Fehlt die Unterschrift (etwa in Abschriften und Konzepten), so wird sie in eckigen Klammern und normaler Schrift ergänzt, sofern der Aussteller unstrittig ist.

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

 1  2  3

Dresden [Bremen] Karlsruhe

2. Januar 1863 2. Januar 1863 7. Januar 1863

9 10

Stuttgart Berlin Karlsruhe Schwerin Stuttgart Berlin Kassel

10. Januar 1863 10. Januar 1863 11. Januar 1863 12. Januar 1863 12. Januar 1863 13. Januar 1863 13. Januar 1863

13 17 20 24 28 31 32

Wien Stuttgart

14. Januar 1863 [Januar] 1863

39 43

Frankfurt Augsburg Hannover

15. Januar 1863 15. Januar 1863 15. Januar 1863

48 51 58 59

Frankfurt [München]

15. Januar 1863 17. Januar 1863

71 74

[Frankfurt] Wien Frankfurt

18. Januar 1863 20. Januar 1863 22. Januar 1863

75 77 77

Frankfurt Wien

28. Januar 1863 29. Januar 1863

108 116

[Dresden] Wien [Frankfurt]

[3. Februar 1863] 12. Februar 1863 12. Februar 1863

119 124 129

Stuttgart

Februar 1863

134

Wien Wien

17. Februar 1863 15. März 1863

149 153

 4  5  6  7  8  9 10 11 12 13 14 15

16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Beust an Bose Smidt an Curtius Depesche der badischen Regierung an die ­deutschen Regierungen Hügel an Ow Bismarck an Sydow Artikel in der Karlsruher Zeitung Oertzen an Roggenbach Hügel an Dusch Marschall an Roggenbach Antrag des Abgeordneten Wippermann in der kurhessischen Ständeversammlung auf Ein­ berufung eines deutschen Parlaments Edelsheim an Roggenbach Artikel von Heinrich Zoepfl in der Deutschen Vierteljahrs-Schrift Erklärung Badens in der Bundesversammlung Artikel in der Augsburger Allgemeinen ­Zeitung Platen an Knesebeck [Anlage] Gründe der Königlichen Regierung ­gegen das Gutachten der Majorität des Aus­ schusses über die Delegirten-Versammlung Pfordten an König Maximilian II. von Bayern Aufzeichnung König Maximilans II. von ­Bayern Bundeskritisches Gedicht Rechberg an Karnicki Abstimmung über den Antrag Österreichs und der Mittelstaaten zur Einsetzung einer Dele­ giertenversammlung Mohl an Roggenbach Bray-Steinburg an König Maximilian II. von Bayern Memorandum Beusts zur Bundesreformfrage Rechberg an Schönburg Polizeibericht über die Frankfurter Karnevals­ gesellschaft der „Bittern“ Reformentwurf des württembergischen Staats­ rats Graf Taube Rechberg an Werner Bray-Steinburg an Schrenk

3

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

LXXXVII

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

29 30

Stuttgart Stuttgart

18. März 1863 14.–26. Mai 1863

155 159

Frankfurt Wien

12. Juli 1863 31. Juli 1863

180 185

[Gastein]

[3. August 1863]

186

Gastein

3./4. August 1863

195

Gastein

4. August 1863

197

Wien

6. August 1863

198

Gastein

7. August 1863

199 201

[Nürnberg]

[August] 1863

202

Frankfurt Frankfurt Bremen Gastein Gastein Mainz Frankfurt

7. August 1863 9. August 1863 11. August 1863 13. August 1863 14. August 1863 15. August 1863 17. August 1863

205 206 211 212 214 219 222

Greiz

13. August 1863

233

Frankfurt

17. August 1863

234

Frankfurt

17. August 1863

237

[Frankfurt]

[17. August 1863]

239

[Frankfurt] [Frankfurt]

[18. August 1863] 18. August [1863]

256 257

[Frankfurt]

[19. August 1863]

259

Frankfurt [Frankfurt]

19. August 1863 [19. August 1863]

260 262

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

46 47 48 49 50 51 52 53

Hügel an Ow Friedrich Karl Freiherr Varnbüler: Über die ­Frage eines deutschen Heimatrechtes Pfordten an Pfistermeister Einladung Kaiser Franz Josephs von Österreich zum Fürstentag in Frankfurt Österreichisches Promemoria für König ­Wilhelm I. von Preußen Promemoria König Wilhelms I. von Preußen über die von Kaiser Franz Joseph gemachten Reformvorschläge König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph Kaiser Franz Joseph an König Wilhelm I. von Preußen [Promemoria] König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph Artikel des Freiherrn Philipp von KünßbergMandel zum Fürstentag Artikel im Frankfurter Journal Pfordten an Pfistermeister Protokoll des Senats von Bremen Bismarck an Werther Bismarck an Werther Artikel im Mainzer Journal Protokoll Nr. 1 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Beilage: Fürstin Caroline von Reuß älterer ­Linie an König Johann von Sachsen] Protokoll Nr. 2 der Frankfurter Fürsten­ konferenz Die deutschen Fürsten und Bürgermeister der freien Städte an König Wilhelm I. von Preußen Entwurf einer Reformakte des Deutschen ­Bundes Plakat zum Fürstentag Aufzeichnung Seebachs über eine Versamm­ lung der Fürsten und Minister mindermächtiger ­Staaten Vorschlag von Herzog Ernst von Sachsen-­ Coburg und Gotha an Kaiser Franz Joseph I. Duckwitz an Smidt Bemerkungen des Herzogs von Sachsen-Mei­ ningen zum Entwurf einer Bundesreformakte

LXXXVIII

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

54

Baden-Baden

20. August 1863

264

Frankfurt

21. August 1863

266

Frankfurt Frankfurt Dresden Baden-Baden Frankfurt

21. August 1863 21. August 1863 21. August 1863 21. August 1863 22. August 1863

268 274 276 280 282

ohne Ort

20. August 1863

288

Detmold

11. August 1863

288

ohne Ort

ohne Datum

289

Frankfurt Frankfurt Frankfurt Frankfurt

22. August 1863 22. August 1863 22. August 1863 24. August 1863

291 294 298 300

ohne Ort

ohne Datum

307

ohne Ort ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum ohne Datum

307 311 312 312

ohne Ort

ohne Datum

313

ohne Ort

ohne Datum

314

ohne Ort ohne Ort ohne Ort ohne Ort Frankfurt

ohne Datum ohne Datum ohne Datum ohne Datum 25. August 1863

314 315 317 319 319

ohne Ort

ohne Datum

328

ohne Ort

ohne Datum

330

ohne Ort

ohne Datum

330

55 56 57 58 59 60

61 62 63 64

65

König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph I. Beschluß des Deutschen Abgeordnetentages zur Bundesreform Artikel in der Frankfurter Reform Österreichisches Promemoria Artikel in der Constitutionellen Zeitung Bismarck an Sydow Protokoll Nr. 3 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage Nr. 1: Schreiben König Wilhelms I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich] [Anlage Nr. 2: Fürst Leopold III. zu Lippe an Kaiser Franz Joseph I.] [Anlage] Nr. 3: [Änderungsanträge von] Meck­ lenburg-Schwerin Sydow an Bismarck Roggenbach an Rechberg Larisch an Rechberg Protokoll Nr. 4 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: [Erklärung des Großherzogs von Baden] [Anlage Nr. 1 a:] Baden. Erklärung zu Art. I [Anlage Nr. 1 b:] Baden. Erklärung zu Art. II [Anlage Nr. 1 c] Baden. Erklärung zu Art. IV [Anlage] No 2: [Erklärung von Heinrich Prinz der Niederlande] [Anlage] No 3: [Vorschlag von] Sachsen [zum Direktorium] [Anlage] No 4: [Vorschlag von] Oldenburg [zum Direktorium] [Anlage] No 5: Antrag von Nassau [Anlage] No 6: Baden. Erklärung zu Art. 3 [Anlage] No 7: Baden. Erklärung zu Art. 5 [Anlage] No 8: Baden. Erklärung zu Art. 6 Protokoll Nr. 5 der Frankfurter Fürstenkonfe­ renz [Anlage] No 1: Combinirter Sächsisch Nassau­ ischer Antrag [Anlage] No 2: Erklärung des Großherzogs von Baden zu Artikel 3 [Anlage] No 3: Schlußerklärung des Groß­ herzogs von Baden zu Artikel 3

LXXXIX

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

65

ohne Ort

ohne Datum

331

ohne Ort

ohne Datum

331

ohne Ort

ohne Datum

333

ohne Ort

ohne Datum

334

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

335 336

ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum

336 337 337

ohne Ort

ohne Datum

339

ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum

341 341 342

ohne Ort

ohne Datum

342

ohne Ort

ohne Datum

343

ohne Ort

ohne Datum

344

ohne Ort Frankfurt Stuttgart

ohne Datum 25. August 1863 26. August 1863

344 345 348

Frankfurt Frankfurt

26. August 1863 26. August 1863

348 349

ohne Ort

ohne Datum

356

ohne Ort

ohne Datum

356

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

357 359

ohne Ort

ohne Datum

360

ohne Ort

ohne Datum

360

66 67 68 69

[Anlage] No 4: [Erklärung von] Sachsen-­ Weimar [Anlage] No 5: Baden. Erklärung zu Artikel 7 und 8 [Anlage] No 6: Sachsen-Weimar und Olden­ burg. Antrag zu Artikel 8 [Anlage] No 6a: [Antrag von] Coburg-Gotha [zu Artikel 8] [Anlage] No 7: Baden. Erklärung zu Art. XIV [Anlage] No 8: Sachsen-Weimar. Antrag zu ­Artikel 14 [Anlage] No 9: Oldenburg. Antrag zu Art. 14 [Anlage] No 10: Sachsen-Coburg. Zu Art. 14 [Anlage] No 11: Baden. Erklärung zu Artikel XVI [Anlage] No 12: Amendement des Herzogs von Sachsen Coburg und Gotha [zu Artikel 16] [Anlage] No 13: [Erklärung von] Waldeck [Anlage] No 14: Baden. Erklärung zu Art. XI [Anlage] No 15: [Antrag von] MecklenburgSchwerin [Anlage] No 16: Sachsen-Weimar. Antrag zu Art. 11 [Anlage] No 17: Baden. Erklärung zu Art. XVIII [Anlage] No 18: Sachsen-Weimar. Antrag zu Art. 18, al. 1 [Anlage] No 19: Coburg-Gotha. Zu Art. 18 Beust an Roggenbach König Wilhelm von Württemberg an König ­Georg V. von Hannover Rössing an Berg Protokoll Nr. 6 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: [Neue Redaktion des Artikels 14] [Anlage] No 2: Kurhessen. Artikel 3 des ­Entwurfes [Anlage] No 3: Baden. Erklärung zu Art. IX [Anlage] No 4: Mecklenburg-Schwerin. Zum Artikel 9 [Anlage] No 5: Sachsen-Weimar. Antrag zu ­Artikel 9 [Anlage] No 6: Oldenburg. Antrag zu Artikel 9

XC

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

69

ohne Ort

ohne Datum

360

ohne Ort

ohne Datum

361

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

362 363

ohne Ort ohne Ort ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum ohne Datum 25. August 1863

363 365 365 366 368

Frankfurt

27. August 1863

370

ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum

377 377 378

ohne Ort

ohne Datum

378

ohne Ort

ohne Datum

379

ohne Ort

ohne Datum

380

Frankfurt

28. August 1863

381

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

385 386

ohne Ort

ohne Datum

387

ohne Ort

ohne Datum

388

ohne Ort

ohne Datum

389

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

390 392

ohne Ort

ohne Datum

393

ohne Ort

ohne Datum

393

ohne Ort

ohne Datum

394

ohne Ort

ohne Datum

394

70

71

[Anlage] No 7: Coburg-Gotha. Zu Art. 9 ­ Alinea 2 [Anlage] No 8: Mecklenburg-Schwerin. [Antrag zu Artikel 9] [Anlage] No 9: Baden. Erklärung zu Artikel 20 [Anlage] No 10: Sachsen-Weimar. Antrag zu Artikel 20 [Anlage] No 11: Hannover. Zu Artikel 20 [Anlage] No 12: Baden. Erklärung zu Artikel 21 [Anlage] No 13: Baden. Erklärung zu Artikel 22 [Anlage] No 14: Baden. Erklärung zu Artikel 23 [Anlage] No 15: [Erklärung von Heinrich Prinz der Niederlande] Protokoll Nr. 7 der Frankfurter Fürstenkonfe­ renz [Anlage] No 1: Artikel 9 [neue Fassung] [Anlage] No 2: [Zusatz] zu Artikel 23 [Anlage] No 3: Mecklenburg-Schwerin. ­[Amendement zu Artikel 11 und 20] [Anlage] No 4: Oldenburg. Zum Antrag von Hannover zu Artikel 20 [Anlage] No 5: Hannover. [Antrag zu Artikel 20] [Anlage] No 6: Hannover und Braunschweig. [Antrag zu Artikel 27 und 28] Protokoll Nr. 8 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: Bayern. [Antrag zu Artikel 11] [Anlage] No 2: Coburg-Gotha. Motivirung ge­ gen das Amendement Hannovers ec. zu Art. 20 [Anlage] No 3: Hannover. [Antrag zur Abge­ ordnetenversammlung] [Anlage] No 4: Württemberg. Zu Artikel 28 ­dritter Satz [Anlage] No 5: Baden. Erklärung zu Art. 28, Abs. 3 [Anlage] No 6: Baden. Erklärung zu Artikel 26 [Anlage] No 7: Baden. Erklärung zu Art. 27 Abs. 3 [Anlage] No 8: Baden. Nachträgliche Erklärung zu Art. 14 [Anlage] No 9: Coburg-Gotha. [Änderungsvor­ schlag zu Artikel 23] [Anlage] No 10: Coburg-Gotha. Eventueller Vorschlag zu Art. 23 [Anlage] No 11: Baden. Bemerkung zu Artikel 36

XCI

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

72

Frankfurt

29. August 1863

395

ohne Ort

ohne Datum

402

ohne Ort

ohne Datum

403

ohne Ort

ohne Datum

404

ohne Ort

ohne Datum

407

[Frankfurt]

[28. August 1863]

408

ohne Ort

ohne Datum

410

Frankfurt

29. August 1863

411

Frankfurt

1. September 1863

416

ohne Ort

ohne Datum

426

[Frankfurt]

[28. August 1863]

427

ohne Ort

ohne Datum

427

ohne Ort

ohne Datum

427

ohne Ort

ohne Datum

428

ohne Ort

ohne Datum

429

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

429 434

ohne Ort

ohne Datum

434

ohne Ort

ohne Datum

435

ohne Ort

ohne Datum

436

ohne Ort

ohne Datum

436

ohne Ort

ohne Datum

436

Frankfurt

1. September 1863

438

73 74

Protokoll Nr. 9 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: Comité-Antrag [zu Artikel 11 und 20] [Anlage] No 2: Motive des Komitees zu den Änderungsanträgen betreffend Artikel 11 und 20 [Anlage] No 3: Hannover, Württemberg, Kur­ fürstentum und Großherzogtum Hessen. [Ände­ rungsantrag zur Bildung des Direktoriums] [Anlage] No 4: Coburg Gotha. [Änderungsan­ trag zu Artikel 14] [Anlage] No 5: Promemoria [des Kaisers von Österreich] [Anlage] No 6: [Antrag von] MecklenburgSchwerin Großherzog Friedrich I. von Baden an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich Protokoll Nr. 10 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: Herzog von Sachsen-Coburg u. Gotha. Zu Art. 5 Alinea 1 des Entwurfs [Anlage] No 2: Promemoria [des Kaisers von Österreich] [Anlage] No 3: Hannover und Braunschweig. [Antrag zu Artikel 23, 27 und 28] [Anlage] No 4: Oldenburg. [Bedenken gegen das Bundesgericht] [Anlage] No 5: Erklärung des Herzogs von Sachsen Meiningen [Anlage] No 6: Großherzog von Mecklenburg Strelitz. [Zustimmung zur Reformakte] [Anlage] No 7: Baden. Schlußerklärung [Anlage] No 8: Mecklenburg-Schwerin [ver­ weigert Zustimmung zur Reformakte] [Anlage] No 9: [Sachsen-Weimar verweigert Zustimmung zur Reformakte] [Anlage] No 10: Erklärung für Luxemburg [stimmt gegen die Reformakte] [Anlage] No 11: Waldeck [stimmt dem Re­ formentwurf nicht zu] [Anlage] No 12: Reuß jüngere Linie [verwei­ gert Zustimmung zur Reformakte] [Anlage] No 13: Comité-Bericht. [Vorschlag für eine Schlußerklärung] [Anlage] No 14: Erklärung [der deutschen ­Fürsten und Vertreter der freien Städte]

XCII

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

74

Frankfurt

1. September 1863

439

ohne Ort

ohne Datum

439

ohne Ort ohne Ort Frankfurt

ohne Datum ohne Datum 1. September 1863

456 456 457

Wilhelmsthal

5. September 1863

458

Wien

13. September 1863 460

Berlin

15. September 1863 462

Berlin Berlin Wien

22. September 1863 471 22. September 1863 473 26. September 1863 475

Frankfurt Dresden Altenburg

29. September 1863 477 30. September 1863 479 1. Oktober 1863 482

Frankfurt Frankfurt

1. Oktober 1863 1. Oktober 1863

491 494

Frankfurt

8. Oktober 1863

499

Wien

8. Oktober 1863

511

München Mainz Schwerin

9. Oktober 1863 10. Oktober 1863 13. Oktober 1863

518 520 522

Berlin Dresden

20. Oktober 1863 20./21. Oktober 1863 24. Oktober 1863

527 529

92 93

[Anlage] No 15: Die deutschen Fürsten und Bürgermeister der freien Städte an König ­Wilhelm I. von Preußen [= Dok. 75] [Anlage] No 16: Entwurf einer Reformakte des deutschen Bundes [Abschlußfassung] [Anlage] No 16[a]: Baden. Erklärung [Anlage] No 17: Baden. Erklärung Die deutschen Fürsten und Bürgermeister der freien Städte an König Wilhelm I. von Preußen Großherzog Karl Alexander von Sachsen-­ Weimar an König Wilhelm I. von Preußen Rechberg an die kaiserlichen Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, ­Kassel, Darmstadt, Frankfurt und Leipzig Bericht des preußischen Staatsministeriums an König Wilhelm I. König Wilhelm I. an Kaiser Franz Joseph I. Bismarck an Sydow Rechberg an die kaiserlichen Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, ­Kassel, Darmstadt, Wiesbaden, Frankfurt, ­Leipzig und Berlin (für beide Mecklenburg) Artikel in der Frankfurter Postzeitung Artikel in der Constitutionellen Zeitung Gutachten des Ministeriums von Sachsen-­ Altenburg an Herzog Ernst I. von Sachsen-­ Altenburg Artikel in der Frankfurter Postzeitung Bundesbeschluß zur Einleitung einer Bundes­ exekution gegen Dänemark Vereinbarungen über einen einheitlichen ­Patentschutz im Deutschen Bund Zirkulardepesche Rechbergs an die kaiserlichen Gesandtschaften in Dresden, Hannover, Stutt­ gart, Kassel, Darmstadt, Frankfurt und Leipzig Knesebeck an König Georg V. von Hannover Aufruf des Deutschen Reformvereins Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklen­ burg-Schwerin an König Wilhelm I. von ­Preußen Geffcken an Curtius Rantzau an Bismarck

94

Platen an König Georg V. von Hannover

75 76 77 78 79 80 81

82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

Nürnberg

535

XCIII

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

  95 Programm der Großdeutschen Versammlung zu Frankfurt am Main   96 Rechberg an Károlyi   97 Bundesbeschluß zur Durchführung der Bundes­ exekution gegen Dänemark   98 Bundesbeschluß zur Durchführung der Bundes­ exekution gegen Dänemark   99 König Maximilian II. von Bayern an Schrenk 100 Platen an Reitzenstein 101 Aufruf des Deutschen Abgeordnetentags 102 Bismarck an Sydow 103 Rechberg an Kübeck 104 Sydow an Bismarck 105 Antrag von Österreich und Preußen zur ­Wahrung der Rechte des Deutschen Bundes in Schleswig 106 Zirkularerlaß Bismarcks an die preußischen Gesandtschaften in Karlsruhe, Kassel, Darm­ stadt, Dresden, Frankfurt, Den Haag, Hamburg, ­Hannover, München, Stuttgart, Weimar, Wien und Kopenhagen 107 Artikel in der Karlsruher Zeitung 108 Abstimmung über den Antrag von Österreich und Preußen zur Besetzung des Herzogtums Schleswig 109 Adresse des Kasseler Ausschusses für ­Schleswig-Holstein 110 Leitartikel in der Leipziger Zeitung 111 Aufruf des 36er-Ausschusses 112 Adresse des Hilfsausschusses für SchleswigHolstein an Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen 113 König Maximilian II. von Bayern an BraySteinburg 114 Die württembergische Kammer der Abgeordne­ ten an König Wilhelm von Württemberg 115 Erlaß Rechbergs an die österreichischen ­Gesandten in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Kassel und Darmstadt 116 Schrenk an Quadt 117 Protesturkunden von 1381 Abgeordneten der deutschen Landesvertretungen 118 Beschluß des Ausschusses des Deutschen ­Reformvereins

Frankfurt

28. Oktober 1863

542

Wien Frankfurt

30. Oktober 1863 7. Dezember 1863

544 556

Frankfurt

14. Dezember 1863 570

München Hannover Frankfurt Berlin Wien Frankfurt Frankfurt

17. Dezember 1863 18. Dezember 1863 22. Dezember 1863 23. Dezember 1863 26. Dezember 1863 27. Dezember 1863 28. Dezember 1863

Berlin

31. Dezember 1863 603

Karlsruhe Frankfurt

3. Januar 1864 14. Januar 1864

605 609

Kassel

16. Januar 1864

620

Leipzig [Frankfurt] Kassel

21. Januar 1864 [24. Januar 1864] 31. Januar 1864

623 630 633

München

28. Februar 1864

635

Stuttgart

3. März 1864

635

Wien

4. März 1864

637

München Stuttgart

21. März 1864 April 1864

640 644

Nürnberg

8. Mai 1864

645

578 580 591 595 596 597 600

XCIV

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

119 Erlaß Rechbergs an die österreichischen ­Gesandten in Dresden, Hannover, Stuttgart, Darmstadt und Berlin (für Mecklenburg) 120 Schrenk an Bray-Steinburg 121 Falkenstein an Nostitz 122 Bericht des Bundesbevollmächtigten Beust von der Londoner Konferenz 123 Falkenstein an Bose 124 Rechberg an Kübeck 125 Arnim an Bismarck 126 Rechberg an Werner 127 Artikel im Dresdner Journal 128 Artikel in der Leipziger Zeitung 129 Beust an Lindenau 130 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der literari­ schen und künstlerischen Urheberrechte 131 Rechberg an Reyer 132 Das Komitee der württembergischen Landes­ versammlung an den ständischen Ausschuß 133 Pfordten an Niethammer 134 Bismarck an Ladenberg 135 Skizze Pfordtens zu Beratungen über Bundes­ reformen 136 Mensdorff an Károlyi 137 Varnbüler an Reinhard 138 Thienen-Adlerflycht an Wittgenstein 139 Blome an Mensdorff 140 Bismarck an Werther 141 Erklärung Sachsens in der Bundesversammlung 142 Reinhard an Varnbüler 143 Mensdorff an Károlyi 144 Rede des Abgeordneten Ludwig August ­Oesterlen in der Haushaltsdebatte der württem­ bergischen Kammer der Abgeordneten 145 Heinrich VII. Reuß an Bismarck 146 Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzog­ tum Hessen in der Bundesversammlung 147 Debatte im gemeinschaftlichen Landtag der Herzogtümer Coburg und Gotha 148 Bundesbeschluß zur Übergabe der Verwaltung des Herzogtums Holstein an den Erbprinzen von Augustenburg 149 Blome an Mensdorff

Wien

30. Mai 1864

646

München Dresden London

7. Juni 1864 12. Juni 1864 27. Juni 1864

647 650 652

Dresden Wien München Wien Dresden Leipzig Dresden Frankfurt

2. Juli 1864 2. Juli 1864 7. Juli 1864 8. Juli 1864 12. Juli 1864 9. August 1864 23. August 1864 1. September 1864

654 655 657 658 660 666 668 676

Wien Stuttgart

3. September 1864 28. Oktober 1864

689 692

München Berlin München

12. Dezember 1864 695 13. Dezember 1864 697 16. Dezember 1864 703

Wien Stuttgart Wien München Berlin Frankfurt Frankfurt Wien Stuttgart

21. Dezember 1864 1. Januar 1865 8. Januar 1865 11. Januar 1865 26. Januar 1865 26. Januar 1865 27. Januar 1865 4. Februar 1865 18. Februar 1865

706 714 716 719 722 726 729 731 735

München Frankfurt

2. März 1865 27. März 1865

737 739

Gotha

5. April 1865

749

Frankfurt

6. April 1865

753

München

15. April 1865

782

XCV

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

150 151 152 153

München Berlin München Coburg

29. April 1865 13. Mai 1865 19. Mai 1865 10. Juni 1865

785 788 791 795

Dresden Frankfurt

26. Juli 1865 27. Juli 1865

797 800

Gastein

14. August 1865

803

Frankfurt

24. August 1865

807

München Wien Dresden Berlin Wien München Frankfurt Biarritz München Dresden Frankfurt

9. September 1865 22. September 1865 27. September 1865 6. Oktober 1865 8. Oktober 1865 17. Oktober 1865 20. Oktober 1865 23. Oktober 1865 24. Oktober 1865 28. Oktober 1865 4. November 1865

810 814 816 820 821 823 825 827 831 834 838

Frankfurt Wien [Hannover] Frankfurt

6. November 1865 23. November 1865 [Dezember 1865] 8. Februar 1866

841 845 847 851

München Wien Berlin München

24. Februar 1866 28. Februar 1866 8. März 1866 8. März 1866

856 858 861 865

München München München Berlin

14. März 1866 17. März 1866 17.–19. März 1866 19. März 1866

870 872 876 884

154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180

Pfordten an Bray-Steinburg Bismarck an Schulenburg Pfordten an Montgelas Rede des Abgeordneten Feodor Streit im ­gemeinschaftlichen Landtag von Coburg und Gotha Schulenburg an Bismarck Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzog­ tum Hessen zur Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund Gasteiner Konvention zwischen Österreich und Preußen Erklärung von Österreich und Preußen in der Bundesversammlung zur schleswig-holsteini­ schen Frage Pfordten an Fugger Mensdorff an Franckenstein Artikel in der Constitutionellen Zeitung Thile an Wentzel Mensdorff an Franckenstein Reuß an Bismarck Gwinner an Wentzel Bismarck an Thile Pfordten an Schrenk Artikel in der Constitutionellen Zeitung Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzog­ tum Hessen in der Bundesversammlung Mohl an Edelsheim Mensdorff an Chotek Memoire der Regierung von Hannover Allgemeine deutsche Maß- und Gewichts­ ordnung Blome an Mensdorff Mensdorff an Blome Bismarck an Reuß Zirkularerlaß Pfordtens an die Gesandtschaften in Dresden, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt und Wiesbaden Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Artikelserie in der Bayerischen Zeitung Montgelas an Pfordten

XCVI

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

181 Zirkulardepesche Bismarcks an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen 182 Mensdorff an Blome 183 Pfordten an Montgelas 184 Platen an Stockhausen 185 Pfordten an Bray-Steinburg 186 Varnbüler an Linden 187 Erklärung des Deutschen Abgeordnetentags 188 Flugblatt des Deutschen Reformvereins 189 Antrag Preußens auf Reform der Bundes­ verfassung 190 Artikel in den Neuesten Nachrichten 191 Pfordten an Beust, Varnbüler, Edelsheim, ­Dalwigk und Wittgenstein 192 Abstimmung über den preußischen Reform­ antrag 193 Aufzeichnung Pfordtens über die Verhandlun­ gen der Augsburger Ministerkonferenz [Anlage] Entwurf für die an die Ausschuß-­ Mitglieder zu ertheilende Instruction 194 Mensdorff an Károlyi 195 Runderlaß Bismarcks an die preußischen ­Missionen bei den deutschen Höfen 196 Mensdorff an Károlyi 197 Bismarck an Werther 198 Bose an Beust 199 Vertrauliche Mitteilung des preußischen ­Bundestagsgesandten Savigny 200 Aufzeichnung Pfordtens über die Bamberger Ministerberatungen [Anlage: Antragsentwurf] 201 Bismarck an Richthofen 202 Pfordten an Bray-Steinburg 203 Antrag von 40 Mitgliedern des Deutschen ­Abgeordnetentags 204 Antrag der Mittelstaaten in der Bundesver­ sammlung auf Rücknahme der militärischen Maßnahmen einiger Bundesstaaten 205 Bundesbeschluß zur Wahrung des Bundes­ friedens 206 Runderlaß Bismarcks an die preußischen ­Missionen 207 Runderlaß Mensdorffs

Berlin

24. März 1866

887

Wien München Hannover München Stuttgart Frankfurt Jena Frankfurt

24. März 1866 24. März 1866 28. März 1866 31. März 1866 5. April 1866 7. April 1866 9. April 1866 9. April 1866

892 895 899 901 904 907 908 919

München München

12. April 1866 17. April 1866

925 926

Frankfurt

21. April 1866

928

Augsburg

22./23. April 1866

938

ohne Ort

ohne Datum

940

Wien Berlin

26. April 1866 27. April 1866

941 946

Wien Berlin Frankfurt [Frankfurt]

4. Mai 1866 7. Mai 1866 11. Mai 1866 11. Mai 1866

948 950 952 957

Bamberg

13./14. Mai 1866

960

ohne Ort Berlin München Frankfurt

ohne Datum 14. Mai 1866 17. Mai 1866 18. Mai 1866

962 965 966 969

Frankfurt

19. Mai 1866

971

Frankfurt

24. Mai 1866

974

Berlin

27. Mai 1866

978

Wien

29. Mai 1866

980

XCVII

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

208 Erklärungen Österreichs und Preußens in der Bundesversammlung 209 Protokoll der Deutschen Bundesversammlung 210 Bismarck an Savigny 211 Bismarck an Savigny 212 Kammerrede des württembergischen Abgeord­ neten Oesterlen 213 Antrag der Wiesbadener Handelskammer auf Berufung eines deutschen Parlaments 214 Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsge­ schäfte und Schuldverhältnisse 215 Rede Pfordtens in der bayerischen Kammer der Abgeordneten 216 Antrag Österreichs in der Bundesversammlung 217 Beust an Bose 218 Anträge in der kurhessischen Ständeversamm­ lung auf Berufung eines deutschen Parlaments 219 Bismarck an Savigny 220 Protokoll der Bundesversammlung 221 Preußischer Bundesreformentwurf 222 Bismarck an Savigny 223 Curtius an Geffcken [Anlage] 224 Beschluß der Bundesversammlung 225 Proklamation der preußischen Regierung 226 Artikel im Wetterauer Boten 227 Runderlaß Mensdorffs an die Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Karlsruhe, Kassel, Hamburg, Frankfurt und Leipzig 228 Protokoll über eine Besprechung der Minister der thüringischen Staaten 229 Entwurf einer allgemeinen deutschen Zivil­ prozeßordnung 230 Proklamation des Herzogs von Sachsen-­ Altenburg 231 Rede des Abgeordneten Rückert im Gemein­ schaftlichen Landtag der Herzogtümer Sach­ sen-Coburg und Gotha 232 Pfordten an Bray-Steinburg 233 Vortrag des Ausschusses für die Reform der Bundesverfassung 234 Kübeck an Mensdorff

Frankfurt

1. Juni 1866

982

Frankfurt Berlin Berlin Stuttgart

1. Juni 1866 4. Juni 1866 5. Juni 1866 6. Juni 1866

988 992 995 996

Wiesbaden

6. Juni 1866

1001

Frankfurt

7. Juni 1866

1002

München

8. Juni 1866

1002

Frankfurt Dresden Kassel

11. Juni 1866 14. Juni 1866 14. Juni 1866

1010 1013 1016

Berlin Frankfurt [Frankfurt] Berlin Lübeck ohne Ort Frankfurt Berlin Butzbach Wien

14. Juni 1866 14. Juni 1866 [14. Juni 1866] 14. Juni 1866 15. Juni 1866 ohne Datum 16. Juni 1866 16. Juni 1866 17. Juni 1866 17. Juni 1866

1021 1021 1035 1039 1039 1040 1041 1043 1044 1047

Weimar

19. Juni 1866

1049

Frankfurt

21. Juni 1866

1051

Altenburg

23. Juni 1866

1051

Gotha

25. Juni 1866

1053

München Frankfurt

30. Juni 1866 9. Juli 1866

1058 1062

Augsburg

17. Juli 1866

1065

XCVIII

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

235 236 237 238

Karlsruhe Augsburg Nikolsburg Karlsruhe

21. Juli 1866 25. Juli 1866 26. Juli 1866 31. Juli 1866

1067 1070 1073 1074

Stuttgart

24. August 1866

1076

Adresse der badischen Abgeordnetenkammer Kübeck an Mensdorff Friedenspräliminarien von Nikolsburg Vortrag des badischen Staatsministeriums an Großherzog Friedrich I. 239 Protokoll der Deutschen Bundesversammlung

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz I. Akten und Protokolle der Bundesversammlung und ihrer Ausschüsse Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

 13 Erklärung Badens in der Bundesversammlung  20 Abstimmung über den Antrag Österreichs und der Mittelstaaten zur Einsetzung einer Delegier­ tenversammlung  86 Bundesbeschluß zur Einleitung einer Bundes­ exekution gegen Dänemark   87 Vereinbarungen über einen einheitlichen Patent­ schutz im Deutschen Bund   97 Bundesbeschluß zur Durchführung der Bundes­ exekution gegen Dänemark   98 Bundesbeschluß zur Durchführung der Bundes­ exekution gegen Dänemark 105 Antrag von Österreich und Preußen zur Wah­ rung der Rechte des Deutschen Bundes in Schleswig 108 Abstimmung über den Antrag von Österreich und Preußen zur Besetzung des Herzogtums Schleswig 130 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der literari­ schen und künstlerischen Urheberrechte 141 Erklärung Sachsens in der Bundesversammlung 146 Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzog­ tum Hessen in der Bundesversammlung 148 Bundesbeschluß zur Übergabe der Verwaltung des Herzogtums Holstein an den Erbprinzen von Augustenburg 155 Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzog­ tum Hessen zur Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund 157 Erklärung von Österreich und Preußen in der Bundesversammlung zur schleswig-holsteini­ schen Frage 168 Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzog­ tum Hessen in der Bundesversammlung 172 Allgemeine deutsche Maß- und Gewichtsord­ nung 189 Antrag Preußens auf Reform der Bundesverfas­ sung

Frankfurt Frankfurt

15. Januar 1863 22. Januar 1863

48 77

Frankfurt

1. Oktober 1863

494

Frankfurt

8. Oktober 1863

499

Frankfurt

7. Dezember 1863

556

Frankfurt

14. Dezember 1863 570

Frankfurt

28. Dezember 1863 600

Frankfurt

14. Januar 1864

609

Frankfurt

1. September 1864

676

Frankfurt Frankfurt

26. Januar 1865 27. März 1865

726 739

Frankfurt

6. April 1865

753

Frankfurt

27. Juli 1865

800

Frankfurt

24. August 1865

807

Frankfurt

4. November 1865

838

Frankfurt

8. Februar 1866

851

Frankfurt

9. April 1866

919

C

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

192 Abstimmung über den preußischen Reforman­ trag 204 Antrag der Mittelstaaten in der Bundesver­ sammlung auf Rücknahme der militärischen Maßnahmen einiger Bundesstaaten 205 Bundesbeschluß zur Wahrung des Bundes­ friedens 208 Erklärungen Österreichs und Preußens in der Bundesversammlung 209 Protokoll der Deutschen Bundesversammlung 214 Entwurf eines Gesetzes über die Rechts­ geschäfte und Schuldverhältnisse 216 Antrag Österreichs in der Bundesversammlung 220 Protokoll der Bundesversammlung 221 Preußischer Bundesreformentwurf 224 Beschluß der Bundesversammlung 229 Entwurf einer allgemeinen deutschen Zivil­ prozeßordnung 233 Vortrag des Ausschusses für die Reform der Bundesverfassung 239 Protokoll der Deutschen Bundesversammlung

Frankfurt

21. April 1866

928

Frankfurt

19. Mai 1866

971

Frankfurt

24. Mai 1866

974

Frankfurt

1. Juni 1866

982

Frankfurt Frankfurt

1. Juni 1866 7. Juni 1866

988 1002

Frankfurt Frankfurt [Frankfurt] Frankfurt Frankfurt

11. Juni 1866 14. Juni 1866 [14. Juni 1866] 16. Juni 1866 21. Juni 1866

1010 1021 1021 1041 1051

Frankfurt

9. Juli 1866

1062

Stuttgart

24. August 1866

1076

II. Konferenzprotokolle und Beilagen 45

46 48 57 60

Protokoll Nr. 1 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Beilage: Fürstin Caroline von Reuß älterer ­Linie an König Johann von Sachsen] Protokoll Nr. 2 der Frankfurter Fürsten­ konferenz Entwurf einer Reformakte des Deutschen ­Bundes Österreichisches Promemoria Protokoll Nr. 3 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage Nr. 1: Schreiben König Wilhelms I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich] [Anlage Nr. 2: Fürst Leopold III. zu Lippe an Kaiser Franz Joseph I.] [Anlage] Nr. 3: [Änderungsanträge von] ­Mecklenburg-Schwerin

Frankfurt

17. August 1863

222

Greiz

13. August 1863

233

Frankfurt

17. August 1863

234

[Frankfurt]

[17. August 1863]

239

Frankfurt Frankfurt

21. August 1863 22. August 1863

274 282

ohne Ort

20. August 1863

288

Detmold

11. August 1863

288

ohne Ort

ohne Datum

289

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

CI

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

64

Frankfurt

24. August 1863

300

ohne Ort

ohne Datum

307

ohne Ort ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum ohne Datum

307 311 312 312

ohne Ort

ohne Datum

313

ohne Ort

ohne Datum

314

ohne Ort ohne Ort ohne Ort ohne Ort Frankfurt

ohne Datum ohne Datum ohne Datum ohne Datum 25. August 1863

314 315 317 319 319

ohne Ort

ohne Datum

328

ohne Ort

ohne Datum

330

ohne Ort

ohne Datum

330

ohne Ort

ohne Datum

331

ohne Ort

ohne Datum

331

ohne Ort

ohne Datum

333

ohne Ort

ohne Datum

334

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ohne Datum ohne Datum

335 336

ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum

336 337 337

ohne Ort

ohne Datum

339

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

341 341

65

Protokoll Nr. 4 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: [Erklärung des Großherzogs von Baden] [Anlage Nr. 1a:] Baden. Erklärung zu Art. I [Anlage Nr. 1b:] Baden. Erklärung zu Art. II [Anlage Nr. 1c] Baden. Erklärung zu Art. IV [Anlage] No 2: [Erklärung von Heinrich Prinz der Niederlande] [Anlage] No 3: [Vorschlag von] Sachsen [zum Direktorium] [Anlage] No 4: [Vorschlag von] Oldenburg [zum Direktorium] [Anlage] No 5: Antrag von Nassau [Anlage] No 6: Baden. Erklärung zu Art. 3 [Anlage] No 7: Baden. Erklärung zu Art. 5 [Anlage] No 8: Baden. Erklärung zu Art. 6 Protokoll Nr. 5 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: Combinirter Sächsisch Nassau­ ischer Antrag [Anlage] No 2: Erklärung des Großherzogs von Baden zu Artikel 3 [Anlage] No 3: Schlußerklärung des Groß­ herzogs von Baden zu Artikel 3 [Anlage] No 4: [Erklärung von] Sachsen-­ Weimar [Anlage] No 5: Baden. Erklärung zu Artikel 7 und 8 [Anlage] No 6: Sachsen-Weimar und Olden­ burg. Antrag zu Artikel 8 [Anlage] No 6a: [Antrag von] Coburg-Gotha [zu Artikel 8] [Anlage] No 7: Baden. Erklärung zu Art. XIV [Anlage] No 8: Sachsen-Weimar. Antrag zu ­Artikel 14 [Anlage] No 9: Oldenburg. Antrag zu Art. 14 [Anlage] No 10: Sachsen-Coburg. Zu Art. 14 [Anlage] No 11: Baden. Erklärung zu Artikel XVI [Anlage] No 12: Amendement des Herzogs von Sachsen Coburg und Gotha [zu Artikel 16] [Anlage] No 13: [Erklärung von] Waldeck [Anlage] No 14: Baden. Erklärung zu Art. XI, 4.

CII

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

Nr. Dokument

69

70

[Anlage] No 15: [Antrag von] MecklenburgSchwerin [Anlage] No 16: Sachsen-Weimar. Antrag zu Art. 11 [Anlage] No 17: Baden. Erklärung zu Art. XVI­ II. [Anlage] No 18: Sachsen-Weimar. Antrag zu Art. 18, al. 1 [Anlage] No 19: Coburg-Gotha. Zu Art. 18 Protokoll Nr. 6 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: [Neue Redaktion des Artikels 14] [Anlage] No 2: Kurhessen. Artikel 3 des ­Entwurfes [Anlage] No 3: Baden. Erklärung zu Art. IX [Anlage] No 4: Mecklenburg-Schwerin. Zum Artikel 9 [Anlage] No 5: Sachsen-Weimar. Antrag zu ­Artikel 9 [Anlage] No 6: Oldenburg. Antrag zu Artikel 9 [Anlage] No 7: Coburg-Gotha. Zu Art. 9 Alinea 2 [Anlage] No 8: Mecklenburg-Schwerin. [Antrag zu Artikel 9] [Anlage] No 9: Baden. Erklärung zu Artikel 20 [Anlage] No 10: Sachsen-Weimar. Antrag zu ­Artikel 20 [Anlage] No 11: Hannover. Zu Artikel 20 [Anlage] No 12: Baden. Erklärung zu Artikel 21 [Anlage] No 13: Baden. Erklärung zu Artikel 22 [Anlage] No 14: Baden. Erklärung zu Artikel 23 [Anlage] No 15: [Erklärung von Heinrich Prinz der Niederlande] Protokoll Nr. 7 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: Artikel 9 [neue Fassung] [Anlage] No 2: [Zusatz] zu Artikel 23 [Anlage] No 3: Mecklenburg-Schwerin. ­[Amendement zu Artikel 11 und 20] [Anlage] No 4: Oldenburg. Zum Antrag von Hannover zu Artikel 20 [Anlage] No 5: Hannover. [Antrag zu Artikel 20] [Anlage] No 6: Hannover und Braunschweig. [Antrag zu Artikel 27 und 28]

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite ohne Ort

ohne Datum

342

ohne Ort

ohne Datum

342

ohne Ort

ohne Datum

343

ohne Ort

ohne Datum

344

ohne Ort Frankfurt

ohne Datum 26. August 1863

344 349

ohne Ort

ohne Datum

356

ohne Ort

ohne Datum

356

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

357 359

ohne Ort

ohne Datum

360

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

360 360

ohne Ort

ohne Datum

361

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

362 363

ohne Ort ohne Ort ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum ohne Datum 25. August 1863

363 365 365 366 368

Frankfurt

27. August 1863

370

ohne Ort ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum ohne Datum

377 377 378

ohne Ort

ohne Datum

378

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

379 380

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

CIII

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

71

Frankfurt

28. August 1863

381

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

385 386

ohne Ort

ohne Datum

387

ohne Ort

ohne Datum

388

ohne Ort

ohne Datum

389

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

390 392

ohne Ort

ohne Datum

393

ohne Ort

ohne Datum

393

ohne Ort

ohne Datum

394

ohne Ort

ohne Datum

394

Frankfurt

29. August 1863

395

ohne Ort

ohne Datum

402

ohne Ort

ohne Datum

403

ohne Ort

ohne Datum

404

ohne Ort

ohne Datum

407

[Frankfurt]

[28. August 1863]

408

ohne Ort

ohne Datum

410

Frankfurt

1. September 1863

416

ohne Ort

ohne Datum

426

[Frankfurt]

[28. August 1863]

427

ohne Ort

ohne Datum

427

72

74

Protokoll Nr. 8 der Frankfurter Fürstenkonfe­ renz [Anlage] No 1: Bayern. [Antrag zu Artikel 11] [Anlage] No 2: Coburg-Gotha. Motivirung ge­ gen das Amendement Hannovers ec. zu Art. 20 [Anlage] No 3: Hannover. [Antrag zur Abgeord­ neten-versammlung] [Anlage] No 4: Württemberg. Zu Artikel 28 ­dritter Satz [Anlage] No 5: Baden. Erklärung zu Art. 28, Abs. 3 [Anlage] No 6: Baden. Erklärung zu Artikel 26 [Anlage] No 7: Baden. Erklärung zu Art. 27 Abs. 3 [Anlage] No 8: Baden. Nachträgliche Erklärung zu Art. 14 [Anlage] No 9: Coburg-Gotha. [Änderungsvor­ schlag zu Artikel 23] [Anlage] No 10: Coburg-Gotha. Eventueller Vorschlag zu Art. 23 [Anlage] No 11: Baden. Bemerkung zu Artikel 36 Protokoll Nr. 9 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: Comité-Antrag [zu Artikel 11 und 20] [Anlage] No 2: Motive des Komitees zu den Änderungsanträgen betreffend Artikel 11 und 20 [Anlage] No 3: Hannover, Württemberg, Kur­ fürstentum und Großherzogtum Hessen. [Ände­ rungsantrag zur Bildung des Direktoriums] [Anlage] No 4: Coburg Gotha. [Änderungsan­ trag zu Artikel 14] [Anlage] No 5: Promemoria [des Kaisers von Österreich] [Anlage] No 6: [Antrag von] MecklenburgSchwerin Protokoll Nr. 10 der Frankfurter Fürsten­ konferenz [Anlage] No 1: Herzog von Sachsen-Coburg u. Gotha. Zu Art. 5 Alinea 1 des Entwurfs [Anlage] No 2: Promemoria [des Kaisers von Österreich] [Anlage] No 3: Hannover und Braunschweig. [Antrag zu Artikel 23, 27 und 28]

CIV

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

Nr. Dokument [Anlage] No 4: Oldenburg. [Bedenken gegen das Bundesgericht] [Anlage] No 5: Erklärung des Herzogs von ­Sachsen Meiningen [Anlage] No 6: Großherzog von Mecklenburg Strelitz. [Zustimmung zur Reformakte] [Anlage] No 7: Baden. Schlußerklärung [Anlage] No 8: Mecklenburg-Schwerin [ver­ weigert Zustimmung zur Reformakte] [Anlage] No 9: [Sachsen-Weimar verweigert ­Zustimmung zur Reformakte] [Anlage] No 10: Erklärung für Luxemburg [stimmt gegen die Reformakte] [Anlage] No 11: Waldeck [stimmt dem Refor­ mentwurf nicht zu] [Anlage] No 12: Reuß jüngere Linie [verweigert Zustimmung zur Reformakte] [Anlage] No 13: Comité-Bericht. [Vorschlag für eine Schlußerklärung] [Anlage] No 14: Erklärung [der deutschen Für­ sten und Vertreter der freien Städte] [Anlage] No 15: Die deutschen Fürsten und Bürgermeister der freien Städte an König ­Wilhelm I. von Preußen [= Dok. 75] [Anlage] No 16: Entwurf einer Reformakte des deutschen Bundes [Abschlußfassung] [Anlage] No 16[a]: Baden. Erklärung [Anlage] No 17: Baden. Erklärung

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite ohne Ort

ohne Datum

427

ohne Ort

ohne Datum

428

ohne Ort

ohne Datum

429

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

429 434

ohne Ort

ohne Datum

434

ohne Ort

ohne Datum

435

ohne Ort

ohne Datum

436

ohne Ort

ohne Datum

436

ohne Ort

ohne Datum

436

Frankfurt

1. September 1863

438

Frankfurt

1. September 1863

439

ohne Ort

ohne Datum

439

ohne Ort ohne Ort

ohne Datum ohne Datum

456 456

III. Diplomatische Korrespondenzen und Ministerialakten  1  2  3  4  5  7  8  9 11 15

Beust an Bose Smidt an Curtius Depesche der badischen Regierung an die ­deutschen Regierungen Hügel an Ow Bismarck an Sydow Oertzen an Roggenbach Hügel an Dusch Marschall an Roggenbach Edelsheim an Roggenbach Platen an Knesebeck [Anlage] Gründe der Königlichen Regierung gegen das Gutachten der Majorität des Aus­ schusses über die De-legirten-Versammlung

Dresden [Bremen] Karlsruhe

2. Januar 1863 2. Januar 1863 7. Januar 1863

3 9 10

Stuttgart Berlin Schwerin Stuttgart Berlin Wien Hannover

10. Januar 1863 10. Januar 1863 12. Januar 1863 12. Januar 1863 13. Januar 1863 14. Januar 1863 15. Januar 1863

13 17 24 28 31 39 58 59

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

CV

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

16 17

Frankfurt [München]

15. Januar 1863 17. Januar 1863

71 74

Wien Frankfurt Wien

20. Januar 1863 28. Januar 1863 29. Januar 1863

77 108 116

[Dresden] Wien [Frankfurt]

[3. Februar 1863] 12. Februar 1863 12. Februar 1863

119 124 129

Stuttgart

Februar 1863

134

Wien Wien Stuttgart Frankfurt Wien

17. Februar 1863 15. März 1863 18. März 1863 12. Juli 1863 31. Juli 1863

149 153 155 180 185

[Gastein]

[3. August 1863]

186

Gastein

3./4. August 1863

195

Gastein

4. August 1863

197

Wien

6. August 1863

198

Gastein

7. August 1863

199 201

Frankfurt Bremen Gastein Gastein Frankfurt

9. August 1863 11. August 1863 13. August 1863 14. August 1863 17. August 1863

206 211 214 219 237

[Frankfurt]

18. August [1863]

257

[Frankfurt]

[19. August 1863]

259

Frankfurt

19. August 1863

260

19 21 22 23 24 25 26 27 28 29 31 32 33 34 35 36 37 40 41 42 43 47 50 51 52

Pfordten an König Maximilian II. von Bayern Aufzeichnung König Maximilans II. von ­Bayern Rechberg an Karnicki Mohl an Roggenbach Bray-Steinburg an König Maximilian II. von Bayern Memorandum Beusts zur Bundesreformfrage Rechberg an Schönburg Polizeibericht über die Frankfurter Karnevals­ gesellschaft der „Bittern“ Reformentwurf des württembergischen Staats­ rats Graf Taube Rechberg an Werner Bray-Steinburg an Schrenk Hügel an Ow Pfordten an Pfistermeister Einladung Kaiser Franz Josephs von Österreich zum Fürstentag in Frankfurt Österreichisches Promemoria für König ­Wilhelm I. von Preußen Promemoria König Wilhelms I. von Preußen über die von Kaiser Franz Joseph gemachten Reformvorschläge König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph Kaiser Franz Joseph an König Wilhelm I. von Preußen [Promemoria] König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph Pfordten an Pfistermeister Protokoll des Senats von Bremen Bismarck an Werther Bismarck an Werther Die deutschen Fürsten und Bürgermeister der freien Städte an König Wilhelm I. von Preußen Aufzeichnung Seebachs über eine Versammlung der Fürsten und Minister mindermächtiger ­Staaten Vorschlag von Herzog Ernst von Sachsen-­ Coburg und Gotha an Kaiser Franz Joseph I. Duckwitz an Smidt

CVI

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

53

[Frankfurt]

[19. August 1863]

262

Baden-Baden

20. August 1863

264

Baden-Baden Frankfurt Frankfurt Frankfurt Frankfurt Stuttgart

21. August 1863 22. August 1863 22. August 1863 22. August 1863 25. August 1863 26. August 1863

280 291 294 298 345 348

Frankfurt Frankfurt

26. August 1863 29. August 1863

348 411

Frankfurt

1. September 1863

457

Wilhelmsthal

5. September 1863

458

Wien

13. September 1863 460

Berlin

15. September 1863 462

Berlin Berlin Wien

22. September 1863 471 22. September 1863 473 26. September 1863 475

Altenburg

1. Oktober 1863

482

Wien

8. Oktober 1863

511

München Schwerin

9. Oktober 1863 13. Oktober 1863

518 522

92 93

Bemerkungen des Herzogs von Sachsen-Mei­ ningen zum Entwurf einer Bundesreformakte König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph I. Bismarck an Sydow Sydow an Bismarck Roggenbach an Rechberg Larisch an Rechberg Beust an Roggenbach König Wilhelm von Württemberg an König ­Georg V. von Hannover Rössing an Berg Großherzog Friedrich I. von Baden an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich Die deutschen Fürsten und Bürgermeister der freien Städte an König Wilhelm I. von Preußen Großherzog Karl Alexander von Sachsen-­ Weimar an König Wilhelm I. von Preußen Rechberg an die kaiserlichen Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, ­Kassel, Darmstadt, Frankfurt und Leipzig Bericht des preußischen Staatsministeriums an König Wilhelm I. König Wilhelm I. an Kaiser Franz Joseph I. Bismarck an Sydow Rechberg an die kaiserlichen Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, ­Kassel, Darmstadt, Wiesbaden, Frankfurt, ­Leipzig und Berlin (für beide Mecklenburg) Gutachten des Ministeriums von Sachsen-­ Altenburg an Herzog Ernst I. von Sachsen-­ Altenburg Zirkulardepesche Rechbergs an die kaiserlichen Gesandtschaften in Dresden, Hannover, Stutt­ gart, Kassel, Darmstadt, Frankfurt und Leipzig Knesebeck an König Georg V. von Hannover Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklen­ burg-Schwerin an König Wilhelm I. von ­Preußen Geffcken an Curtius Rantzau an Bismarck

Berlin Dresden

527 529

94 96

Platen an König Georg V. von Hannover Rechberg an Károlyi

Nürnberg Wien

20. Oktober 1863 20./21. Oktober 1863 24. Oktober 1863 30. Oktober 1863

54 59 61 62 63 66 67 68 73 75 76 77 78 79 80 81

84 88 89 91

535 544

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

CVII

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

  99 100 102 103 104 106

München Hannover Berlin Wien Frankfurt Berlin

17. Dezember 1863 18. Dezember 1863 23. Dezember 1863 26. Dezember 1863 27. Dezember 1863 31. Dezember 1863

578 580 595 596 597 603

München

28. Februar 1864

635

Wien

4. März 1864

637

München Wien

21. März 1864 30. Mai 1864

640 646

München Dresden London

7. Juni 1864 12. Juni 1864 27. Juni 1864

647 650 652

Dresden Wien München Wien Dresden Wien München Berlin München

2. Juli 1864 2. Juli 1864 7. Juli 1864 8. Juli 1864 23. August 1864 3. September 1864 12. Dezember 1864 13. Dezember 1864 16. Dezember 1864

654 655 657 658 668 689 695 697 703

Wien Stuttgart Wien München Berlin Frankfurt Wien München München

21. Dezember 1864 1. Januar 1865 8. Januar 1865 11. Januar 1865 26. Januar 1865 27. Januar 1865 4. Februar 1865 2. März 1865 15. April 1865

706 714 716 719 722 729 731 737 782

113 115 116 119 120 121 122 123 124 125 126 129 131 133 134 135 136 137 138 139 140 142 143 145 149

König Maximilian II. von Bayern an Schrenk Platen an Reitzenstein Bismarck an Sydow Rechberg an Kübeck Sydow an Bismarck Zirkularerlaß Bismarcks an die preußischen ­Gesandtschaften in Karlsruhe, Kassel, Darm­ stadt, Dresden, Frankfurt, Den Haag, Hamburg, Hannover, München, Stuttgart, Weimar, Wien und Kopenhagen König Maximilian II. von Bayern an BraySteinburg Erlaß Rechbergs an die österreichischen ­Gesandten in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Kassel und Darmstadt Schrenk an Quadt Erlaß Rechbergs an die österreichischen ­Gesandten in Dresden, Hannover, Stuttgart, Darmstadt und Berlin (für Mecklenburg) Schrenk an Bray-Steinburg Falkenstein an Nostitz Bericht des Bundesbevollmächtigten Beust von der Londoner Konferenz Falkenstein an Bose Rechberg an Kübeck Arnim an Bismarck Rechberg an Werner Beust an Lindenau Rechberg an Reyer Pfordten an Niethammer Bismarck an Ladenberg Skizze Pfordtens zu Beratungen über Bundes­ reformen Mensdorff an Károlyi Varnbüler an Reinhard Thienen-Adlerflycht an Wittgenstein Blome an Mensdorff Bismarck an Werther Reinhard an Varnbüler Mensdorff an Károlyi Heinrich VII. Reuß an Bismarck Blome an Mensdorff

CVIII

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

150 151 152 154 158 159 161 162 163 164 165 166 169 170 171 173 174 175 176

München Berlin München Dresden München Wien Berlin Wien München Frankfurt Biarritz München Frankfurt Wien [Hannover] München Wien Berlin München

29. April 1865 13. Mai 1865 19. Mai 1865 26. Juli 1865 9. September 1865 22. September 1865 6. Oktober 1865 8. Oktober 1865 17. Oktober 1865 20. Oktober 1865 23. Oktober 1865 24. Oktober 1865 6. November 1865 23. November 1865 [Dezember 1865] 24. Februar 1866 28. Februar 1866 8. März 1866 8. März 1866

785 788 791 797 810 814 820 821 823 825 827 831 841 845 847 856 858 861 865

München München Berlin Berlin

14. März 1866 17. März 1866 19. März 1866 24. März 1866

870 872 884 887

Wien München Hannover München Stuttgart München

24. März 1866 24. März 1866 28. März 1866 31. März 1866 5. April 1866 17. April 1866

892 895 899 901 904 926

Augsburg

22./23. April 1866

938

ohne Ort

ohne Datum

940

Wien Berlin

26. April 1866 27. April 1866

941 946

Wien

4. Mai 1866

948

177 178 180 181 182 183 184 185 186 191 193

194 195 196

Pfordten an Bray-Steinburg Bismarck an Schulenburg Pfordten an Montgelas Schulenburg an Bismarck Pfordten an Fugger Mensdorff an Franckenstein Thile an Wentzel Mensdorff an Franckenstein Reuß an Bismarck Gwinner an Wentzel Bismarck an Thile Pfordten an Schrenk Mohl an Edelsheim Mensdorff an Chotek Memoire der Regierung von Hannover Blome an Mensdorff Mensdorff an Blome Bismarck an Reuß Zirkularerlaß Pfordtens an die Gesandtschaften in Dresden, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt und Wiesbaden Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Montgelas an Pfordten Zirkulardepesche Bismarcks an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen Mensdorff an Blome Pfordten an Montgelas Platen an Stockhausen Pfordten an Bray-Steinburg Varnbüler an Linden Pfordten an Beust, Varnbüler, Edelsheim, ­Dalwigk und Wittgenstein Aufzeichnung Pfordtens über die Verhandlun­ gen der Augsburger Ministerkonferenz [Anlage] Entwurf für die an die Ausschuß-­ Mitglieder zu ertheilende Instruction Mensdorff an Károlyi Runderlaß Bismarcks an die preußischen ­Missionen bei den deutschen Höfen Mensdorff an Károlyi

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

CIX

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

197 Bismarck an Werther 198 Bose an Beust 199 Vertrauliche Mitteilung des preußischen ­Bundestagsgesandten Savigny 200 Aufzeichnung Pfordtens über die Bamberger Ministerberatungen [Anlage: Antragsentwurf] 201 Bismarck an Richthofen 202 Pfordten an Bray-Steinburg 206 Runderlaß Bismarcks an die preußischen ­Missionen 207 Runderlaß Mensdorffs 210 Bismarck an Savigny 211 Bismarck an Savigny 217 Beust an Bose 219 Bismarck an Savigny 222 Bismarck an Savigny 223 Curtius an Geffcken [Anlage] 227 Runderlaß Mensdorffs an die Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Karlsruhe, Kassel, Hamburg, Frankfurt und Leipzig 228 Protokoll über eine Besprechung der Minister der thüringischen Staaten 232 Pfordten an Bray-Steinburg 234 Kübeck an Mensdorff 236 Kübeck an Mensdorff 238 Vortrag des badischen Staatsministeriums an Großherzog Friedrich I.

Berlin Frankfurt [Frankfurt]

7. Mai 1866 11. Mai 1866 11. Mai 1866

950 952 957

Bamberg

13./14. Mai 1866

960

ohne Ort Berlin München Berlin

ohne Datum 14. Mai 1866 17. Mai 1866 27. Mai 1866

962 965 966 978

Wien Berlin Berlin Dresden Berlin Berlin Lübeck ohne Ort Wien

29. Mai 1866 4. Juni 1866 5. Juni 1866 14. Juni 1866 14. Juni 1866 14. Juni 1866 15. Juni 1866 ohne Datum 17. Juni 1866

980 992 995 1013 1021 1039 1039 1040 1047

Weimar

19. Juni 1866

1049

München Augsburg Augsburg Karlsruhe

30. Juni 1866 17. Juli 1866 25. Juli 1866 31. Juli 1866

1058 1065 1070 1074

IV. Landtagsverhandlungen 10

Antrag des Abgeordneten Wippermann in der kurhessischen Ständeversammlung auf Ein­ berufung eines deutschen Parlaments 114 Die württembergische Kammer der Abgeordne­ ten an König Wilhelm von Württemberg 117 Protesturkunden von 1381 Abgeordneten der deutschen Landesvertretungen 132 Das Komitee der württembergischen Landes­ versammlung an den ständischen Ausschuß

Kassel

13. Januar 1863

32

Stuttgart

3. März 1864

635

Stuttgart

April 1864

644

Stuttgart

28. Oktober 1864

692

CX

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

144 Rede des Abgeordneten Ludwig August ­Oesterlen in der Haushaltsdebatte der württem­ bergischen Kammer der Abgeordneten 147 Debatte im gemeinschaftlichen Landtag der Herzogtümer Coburg und Gotha 153 Rede des Abgeordneten Feodor Streit im ­gemeinschaftlichen Landtag von Coburg und Gotha 212 Kammerrede des württembergischen ­Abgeordneten Oesterlen 215 Rede Pfordtens in der bayerischen Kammer der Abgeordneten 218 Anträge in der kurhessischen Ständeversamm­ lung auf Berufung eines deutschen Parlaments 231 Rede des Abgeordneten Rückert im Gemein­ schaftlichen Landtag der Herzogtümer SachsenCoburg und Gotha 235 Adresse der badischen Abgeordnetenkammer

Stuttgart

18. Februar 1865

735

Gotha

5. April 1865

749

Coburg

10. Juni 1865

795

Stuttgart

6. Juni 1866

996

München

8. Juni 1866

1002

Kassel

14. Juni 1866

1016

Gotha

25. Juni 1866

1053

Karlsruhe

21. Juli 1866

1067

V. Zeitungsartikel  6 Artikel in der Karlsruher Zeitung 14 Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung 38 Artikel des Freiherrn Philipp von KünßbergMandel zum Fürstentag 39 Artikel im Frankfurter Journal 44 Artikel im Mainzer Journal 56 Artikel in der Frankfurter Reform 58 Artikel in der Constitutionellen Zeitung 82 Artikel in der Frankfurter Postzeitung 83 Artikel in der Constitutionellen Zeitung 85 Artikel in der Frankfurter Postzeitung 107 Artikel in der Karlsruher Zeitung 110 Leitartikel in der Leipziger Zeitung 127 Artikel im Dresdner Journal 128 Artikel in der Leipziger Zeitung 160 Artikel in der Constitutionellen Zeitung 167 Artikel in der Constitutionellen Zeitung 179 Artikelserie in der Bayerischen Zeitung 190 Artikel in den Neuesten Nachrichten 226 Artikel im Wetterauer Boten

Karlsruhe Augsburg [Nürnberg]

11. Januar 1863 15. Januar 1863 [August] 1863

20 32 202

Frankfurt Mainz Frankfurt Dresden Frankfurt Dresden Frankfurt Karlsruhe Leipzig Dresden Leipzig Dresden Dresden München München Butzbach

7. August 1863 205 15. August 1863 219 21. August 1863 268 21. August 1863 276 29. September 1863 477 30. September 1863 479 1. Oktober 1863 491 3. Januar 1864 605 21. Januar 1864 620 12. Juli 1864 660 666 9. August 1864 27. September 1865 816 28. Oktober 1865 834 17. März 1866 876 12. April 1866 925 17. Juni 1866 1044

Verzeichnis der Dokumente nach ihrer Provenienz

CXI

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungs­datum Seite

 12 Artikel von Heinrich Zoepfl in der Deutschen Vierteljahrs-Schrift  30 Friedrich Karl Freiherr Varnbüler: Über die ­Frage eines deutschen Heimatrechtes 225 Proklamation der preußischen Regierung 230 Proklamation des Herzogs von Sachsen-­ Altenburg

Stuttgart

[Januar] 1863

Stuttgart

14.–26. Mai 1863

Berlin Altenburg

16. Juni 1866 23. Juni 1866

VI. Proklamationen, Publizistik, Broschüren und ­Flugschriften

43 159 1043 1051

VII. Statuten, Aufrufe und Reden der nationalen Bewegung  18 Bundeskritisches Gedicht   49 Plakat zum Fürstentag   55 Beschluß des Deutschen Abgeordnetentages zur Bundesreform   90 Aufruf des Deutschen Reformvereins   95 Programm der Großdeutschen Versammlung zu Frankfurt am Main 101 Aufruf des Deutschen Abgeordnetentags 109 Adresse des Kasseler Ausschusses für Schles­ wig-Holstein 111 Aufruf des 36er-Ausschusses 112 Adresse des Hilfsausschusses für SchleswigHolstein an Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen 118 Beschluß des Ausschusses des Deutschen Re­ formvereins 187 Erklärung des Deutschen Abgeordnetentags 188 Flugblatt des Deutschen Reformvereins 203 Antrag von 40 Mitgliedern des Deutschen Ab­ geordnetentags 213 Antrag der Wiesbadener Handelskammer auf Berufung eines deutschen Parlaments

[Frankfurt] [Frankfurt] Frankfurt

18. Januar 1863 [18. August 1863] 21. August 1863

75 256 266

Mainz Frankfurt

10. Oktober 1863 28. Oktober 1863

520 542

Frankfurt Kassel

22. Dezember 1863 591 16. Januar 1864 620

[Frankfurt] Kassel

[24. Januar 1864] 31. Januar 1864

630 663

Nürnberg

8. Mai 1864

645

Frankfurt Jena Frankfurt

7. April 1866 9. April 1866 18. Mai 1866

907 908 969

Wiesbaden

6. Juni 1866

1001

VIII. Sonstige 156 Gasteiner Konvention zwischen Österreich und Gastein Preußen 237 Friedenspräliminarien von Nikolsburg Nikolsburg

14. August 1865 26. Juli 1866

803 1073

Dokumente



Nr. 1

Dresden, 2. Januar 1863

3

1. Beust1 an Bose2

HStA Dresden, Bestand 10722 Sächsische Gesandtschaft für Bayern, München, Nr. 51. Depe­ sche. Behändigte Ausfertigung mit Nachschrift. Praes.: 5. Januar 1863.

Obwohl die sächsische Regierung mit dem Verlauf der Verhandlungen über die Delegiertenversammlung keineswegs vorbehaltlos zufrieden ist, hält sie doch am Antrag der Ausschußmehrheit fest. Selbst der „Schein eines Nachgebens“ gegen die preußischen Drohungen muß vermieden werden, weil sonst der Bund völlig lahmgelegt würde. Noch ist zweifelhaft, ob der Antrag in der Bundesversammlung eine Mehrheit findet. Bei weitem schlimmer als eine fehlende Majorität für den Antrag wäre es, wenn eine der antragstellenden Regierungen nicht für den Antrag stimmen würde, das wäre eine „moralische Niederlage“. Sollte der Antrag eine Mehrheit finden, so glaubt Beust, daß es möglich sein wird, Preußen von der Ausführung der angedrohten Maßregeln (d. h. dem Bundesaustritt) abzubringen. Sucht Preußen dennoch den Konflikt, so darf man ihm nicht bei der ersten Gelegenheit aus dem Weg gehen. In der Nachschrift beklagt Beust die ängstliche Haltung Bayerns und bezweifelt, daß Bismarck zu „sehr extremen Schritten“ die nötige Unterstützung von oben erhalten würde.

Dresden, 2. Januar 1863 In Verfolg Ew. Hochwohlgeboren Berichts vom 28. vorigen Monats will ich nicht anstehen, Sie mit den Ansichten der königlichen Regierung über die schwebende Bundesfrage bekannt zu machen. Der Verlauf der in Wien gepflogenen Berathungen3 über einen beim Bun­ de einzubringenden Antrag, wegen einer Delegirtenversammlung, entsprach keinesweges unsren Wünschen und Erwartungen. Dies war in so hohem Gra­ de der Fall, daß noch vor dem Schlusse jener Berathungen der königliche Gesandte Weisung erhielt, die Ansicht zu vertreten, daß es vielleicht besser sein werde, von der Einbringung jedes Antrags abzusehen, als einen solchen einzubringen, von dem wir uns ein erfolgreiches Resultat kaum versprechen konnten. Diese Weisung traf aber zu spät ein und die königliche Regierung nahm, um der Einigkeit nicht Abbruch zu thun, nicht Anstand, das inmittelst Vereinbarte zu genehmigen. Die Erwartung aber hielten wir nunmehr für umso berechtigter, daß fortan das, was mit Rücksicht auf mannichfache, von andrerseits aufgestellte Bedenken, in so beschränkter Weise solchergestalt ge­ meinsam aufgestellt worden war, von Seite aller Betheiligten fest und unbe­ irrt werde vertreten und weiter geführt werden. 1 Friedrich Ferdinand Freiherr von Beust (1809–1886), 1849–1866 sächsischer Außenminister; ADB, Bd. 46, S. 494–532; NDB, Bd. 2, S. 198–200. 2 Carl Gustav Adolf von Bose (1817–1893), 1850–1864 sächsischer Ministerresident in München, 1864–1866 sächsischer Bundestagsgesandter; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 356. 3 Beust bezieht sich auf die Besprechungen Österreichs und der Mittelstaaten, die in Wien am 7. Juli und 10. August 1862 stattgefunden hatten; siehe QGDB III/3, Dok. 132 und 137.

4

Beust an Bose

Nr. 1

An dieser Erwartung halten wir noch heute fest und schon deshalb unter­ liegt es für uns keinem Zweifel, daß der königliche Bundestagsgesandte für den Antrag der Majorität des Ausschusses zu stimmen haben wird. Wir finden uns aber auch noch aus andern Gründen dazu veranlaßt. Zunächst ist es die Rücksicht auf die betreffende Ausschußmajorität, deren Mitglieder den in vieler Beziehung schwierigen Vortrag nicht blos aus eige­ ner Eingebung, sondern unter wiederholter Rückfrage ihrer Regierungen zu Stande gebracht haben.4 Ein Fallenlassen derselben würde uns nicht ge­ rechtfertigt und sehr geeignet scheinen, für die Zukunft ähnliche Arbeiten zu erschweren, ja wir würden in solchem Falle eine vollständige Entmuthigung der Bundestagsgesandten sehr verzeihlich finden. Hinzu kommt daß, so eingeschränkt immer der vorliegende Antrag, vom Standpunkte der Reform aus, sein mag, wir doch mit uns selbst und unsern wiederholt ausgesprochenen Absichten in Widerspruch zu treten befürchten müßten, wollten wir die Hand dazu bieten, daß auch dieser schwache Versuch im Keime erstickt werde. Endlich aber, und das ist nicht das mindest wichtige Motiv, halten wir der Consequenzen wegen es dringend geboten, selbst den Schein eines Nachge­ bens gegen eine Drohung zu meiden, welcher wir die Berechtigung vollstän­ dig absprechen müssen und deren Wiederholung den Bund völlig lahm legen müßte. Der Antrag, welchen die in Wien vertreten gewesenen Regierungen einbrachten, war unzweifelhaft etwas Erlaubtes, die Bundesversammlung war, indem sie denselben einem Ausschusse zur Berichtserstattung überwieß, in ihrem Rechte, der Ausschuß wiederum überschritt nicht die Grenzen seiner Zuständigkeit, indem er in seiner Majorität den Antrag befürwortete. Die ­Abstimmung darüber steht in dem freien Ermessen jeder Regierung und die Ankündigung einer bedrohlichen Maßregel von Seiten einer dagegen stim­ menden Regierung ist daher unter allen Umständen mindestens etwas Vor­ zeitiges und völlig Unzulässiges. Ebendeshalb sind wir der Meinung, daß die Frage, ob ein im Sinne des Majoritätsgutachtens gefaßter Bundesbeschluß bundesverfassungsmäßig gül­ tig und in Ausführung zu bringen sei? für jetzt noch gar nicht zur Entschei­ dung vorliegt und ein Zweifel daran zu einem Einspruche in gegenwärtigem Stadium gar nicht berechtigt. Denn selbst in den Fällen, wo ein UnanimitätsBeschluß zweifellos erforderlich ist, muß der Versuch der Herbeiführung ei­ nes solchen unbehindert sein und der entschiedenste Widerspruch kann für diejenigen Regierungen, welche gemeint sind, im bejahenden Sinne zu stim­ 4 Gemeint ist der vom Ausschuß für das Bundesgericht in der Bundestagssitzung vom 18. De­ zember 1862 vorgelegte Bericht über den österreichisch-mittelstaatlichen Antrag zur Bildung einer Delegiertenversammlung; vgl. QGDB III/3, Dok. 155.

Nr. 1

Dresden, 2. Januar 1863

5

men, die Möglichkeit und die Hoffnung nicht ausschließen, daß der opponi­ rende Theil seinen Widerspruch doch noch aufgiebt. Ueberdies sind wir über die Zulässigkeit des Majoritätsbeschlusses und seiner Ausführung nicht in Zweifel. Die Einberufung der Fachcommission für Maß und Gewicht5, für Patentgesetzgebung6, für Civilproceß und Obliga­ tionenrecht7 würde ebenso anfechtbar sein, wie der jetzt zu fassende Be­ schluß, der so wenig die dissentirenden Bundesglieder in irgendeiner Weise vinculirt, als die Landesvertretungen der zustimmenden Staaten. Nach dem uns vorliegenden Berichte des k. Bundestagsgesandten8 er­ scheint es überhaupt zweifelhaft, ob die Majorität der Bundesversammlung sich für den Majoritätsantrag entscheiden werde. Fällt dagegen die Majorität aus, so werden wir uns dessen bescheiden und für die sehr bedauerliche Er­ folglosigkeit mannichfacher Anstrengungen immerhin einen Ersatz in dem Vermeiden eines drohenden Conflicts erblicken. Bei Weitem ernster aber müßten wir es beklagen, wenn eine oder die andere der antragstellenden Re­ gierungen dem befürwortenden Ausschußgutachten ihre Stimme versagen wollte. Dies wäre, unserer Überzeugung nach, eine moralische Niederlage, die nicht ohne die bedenklichste Rückwirkung bleiben könnte. Es wäre Dies seit der Zeit, wo die Mittelstaaten sich enger an einander geschlossen, mit ei­ nem Worte seit 1850, der erste Fall, wo dieselben am Bunde selbst eine ge­ meinsam eingenommene Position aufgäben und sich von einander trennten. Sollte dagegen ein Majoritätsbeschluß, im Sinne des Majoritäts-Ausschuß­ gutachtens wirklich zu Stande kommen, so würden wir noch gerechten Grund haben, die Hoffnung nicht aufzugeben, daß die preußische Drohung nicht zur Ausführung kommen werde. Je weniger das Objekt des Beschlusses etwas 5 Die Bundesversammlung hatte am 28. Juni 1860 gegen die Stimmen Preußens, Braunschweigs, Reuß’ jüngerer Linie und Lippes die Einsetzung einer Sachverständigenkommission zur Aus­ arbeitung einer allgemeinen deutschen Maß- und Gewichtsordnung beschlossen und diese Kommission am 22. November 1860 einberufen. Vgl. Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 443–445. Zur Maß- und Gewichtsordnung siehe unten Dok. 172. 6 Ebenfalls gegen den Widerstand Preußens hatte die Bundesversammlung am 24. Juli 1862 eine Sachverständigenkommission zur Vereinheitlichung des Patentwesens berufen. Vgl. Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 507. Zum Patentrecht siehe unten Dok. 87. 7 Die Kommissionen zur Ausarbeitung einer allgemeinen deutschen Zivilprozeßordnung und ei­ nes Gesetzes über die Rechtsgeschäfte und Schuldverhältnisse waren am 17. Juli bzw. 13. No­ vember 1862 eingesetzt worden. Vgl. Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 429 u. 432. Die Weichen dazu waren mit dem Bundesbeschluß vom 6. Februar 1862 gestellt worden (vgl. QGDB III/3, Dok. 111), der dann in der Folge zum Ausgangspunkt für den Plan einer Delegiertenversammlung wurde. 8 Julius Gottlob von Nostitz und Jänckendorf (1797–1870), von 1840–1848 und 1850–1864 sächsischer Bundestagsgesandter. Vgl. Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 351; Fiedler/ Fiedler, Lebensbilder aus der Oberlausitz, S. 195.

6

Beust an Bose

Nr. 1

gegen Preussen Feindliches in sich schließt, je weitaussehender die Stadien seiner Ausführung sein würden, umsomehr ist zu erwarten, daß die Stimmung in Preußen, die schon jetzt der kategorischen Haltung der dasigen Regierung gegenüber sehr kalt und theilnahmslos geblieben ist, sich noch nüchterner er­ weisen und von der Regierung nicht unbeachtet bleiben werde. Es darf hier­ auf besonders dann gerechnet werden, wenn, was ja auf Seiten aller, bei der eventuellen Majorität betheiligten Regierungen vorauszusehen wäre, man bei der Ausführung mit Schonung und Ruhe, nicht mit demonstrativer Hast ver­ führe, sofern nämlich diesfallsige beruhigende Verständigungen die preußi­ sche Regierung von Ergreifung compromittirender Maßregeln abhalten wür­ den. Müßten wir aber auf diese Hoffnung verzichten, wäre es unzweifelhaft, daß um einer so ungenügenden Ursache willen eine Trennung Preußens zu erwarten stehe, dann würden wir glauben, nicht einer augenblicklichen Con­ junktur, sondern einem Zustande gegenüber zu stehen, der früher oder später einen gleichen Conflict mit Sicherheit erwarten läßt. In einer solchen Lage aber halten wir es der Ehre, wie der Einsicht entsprechend, zwar nicht den Conflict herauf zu beschwören, ihm aber auch nicht, wenn er von anderer Seite geboten wird, bei der ersten Gelegenheit aus dem Wege zu gehen. Ew. Hochwohlgeboren wollen in diesem Sinne gegen Herrn Freiherrn von Schrenk9 Sich äußern. Beust Nachschrift. Es unterliegt keinem Bedenken daß Euere Hochwohlgeboren dem Freiherrn von Schrenk meine heutige Depesche falls er es wünschen sollte, in Händen lassen. Dagegen ist die gegenwärtige Nachschrift lediglich für Sie bestimmt und Sie werden jede Mittheilung derselben zu unterlassen haben. Die ängstliche Haltung Bayerns hat mich gerade in dieser Frage doppelt überrascht und zwar deshalb, weil die dortige Regierung, obschon sie der Bundesreform von Haus aus keine große Sympathie zugewendet, doch mehr als jede der übrigen betheiligten Regierungen eine moralische Verpflichtung wegen Durchführung der Sache überkommen [sic] hatte und zwar dadurch, daß von einer zahlreichen und gewichtigen Vertretung der bayerischen Kam­ mern bei der Frankfurter Versammlung10 dem Unternehmen offene Unter­   9 Karl Ignaz Freiherr Schrenk von Notzing (1806–1884), 1850–1859 und 1864–1866 bayeri­ scher Bundestagsgesandter, 1859–1864 bayerischer Staats- und Außenminister; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 27. 10 Die großdeutsche Versammlung von Abgeordneten der einzelstaatlichen Kammern in Frank­ furt am Main vom 28./29. Oktober 1862. Siehe dazu QGDB III/3, Dok. 148–150.

Nr. 1

Dresden, 2. Januar 1863

7

stützung gewährt worden war. Frage ich nach der Ursache dieser Haltung, welche mit der hierseits sofort und sogar in der Presse eingenommenen ent­ schiedenen Stellung so arg contrastirt, so glaube ich nicht zu irren, wenn ich, zum Theil, die Erklärung dafür in der Frage des französischen Handelsver­ trags finde.11 Die Stellung der süddeutschen Regierungen in dieser letztern ist, soweit meine Nachrichten gehen, nicht mehr so sicher und zuversichtlich den eigenen Bevölkerungen gegenüber, als dies noch vor einigen Monaten der Fall war, und meine wiederholt ausgesprochene Ansicht, daß diese Regie­ rungen durch Unterlassung rechtzeitiger Berufung an ihre Kammern einen großen Fehler begingen, dürfte sich nur zu sehr bewahrheiten. Hieraus würde sich allerdings erklären, daß die süddeutschen Regierungen Scheu tragen, Preußen in einer neuen Frage scharf entgegenzutreten. Es ist Dies für uns eine große, aber traurige Genugthuung. Hätte man unserm Beispiele und Rathe gefolgt, hätte man sofort über Mo­ dificationen verhandelt, die man damals mit leichter Mühe erlangt haben wür­ de, so wäre nicht allein diese heikele Frage entfernt, so wäre zugleich der Fortbestand des Zollvereins im Voraus sichergestellt, die Beunruhigungen der Bevölkerungen in der materiellen Frage wären beseitigt und mit voller Frei­ heit und Sicherheit könnten jetzt die Mittelstaaten, im Verein mit Oesterreich, den angebotenen Kampf auf dem Bundesboden aufnehmen! Doch Geschehenes ist nicht mehr zu ändern. Beherzigen möchte man aber in München, daß auch noch jetzt nichts mehr geeignet sein würde, Preußen in 11 Im März 1862 hatte die preußische Regierung mit Frankreich einen Handelsvertrag abge­ schlossen, der umfassende Zolltarifsenkungen vorsah. Die Zollvereinsstaaten waren darüber im Vorfeld kaum informiert worden und sahen sich unvermittelt einem Vertragswerk gegen­ über, das mit seinen freihändlerischen Bestimmungen erhebliche Auswirkungen auch auf die Handels- und Wirtschaftspolitik insbesondere der süddeutschen Mittelstaaten hatte. In Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Nassau gab es erhebliche Widerstände gegen die Über­ tragung des Vertrags auf das Zollvereinsgebiet. Auch die österreichische Regierung lehnte den preußisch-französischen Handelsvertrag ab, weil sie befürchtete, der Vertrag werde die han­ delspolitische Trennung Österreichs vom übrigen Deutschland perpetuieren. Der Streit um den Handelsvertrag zog sich bis 1864 hin, am Ende stimmten die widerstrebenden süddeutschen Regierungen aus wirtschaftlichen Gründen und wegen des öffentlichen Druckes von seiten der Presse, der Kammern und der Interessenverbände einer Erneuerung des Zollvereins und den damit verbundenen tarifpolitischen Veränderungen zu. Der erneuerte Zollverein schloß am 11. April 1865 mit Österreich lediglich einen Handelsvertrag ab, der die von der Habsburger­ monarchie erstrebte allgemeine deutsche Zollunion auf unbestimmte Zeit verschob und somit die wirtschaftspolitische Hegemonie Preußens im Zollverein und damit im kleindeutschen Rahmen festschrieb. Vgl. dazu Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 165–180; ders., Mitteleuropäische oder kleindeutsche Wirtschaftsordnung, S. 208–214; Franz, Der Ent­ scheidungskampf, S. 159–403; ders.; Die Entstehungsgeschichte des preußisch-französischen Handelsvertrages; Böhme, Deutschlands Weg zur Großmacht, S. 107–182; zur österreichi­ schen Perspektive siehe jetzt Hagen, Österreichs Mitteleuropa, S. 323–332.

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Beust an Bose

Nr. 1

der Bundesfrage vollständig zu isoliren, als ein Entgegenkommen in der Han­ delsfrage. Die von Herrn von Schrenk ausgesprochenen Befürchtungen theile ich nicht vollständig. Herrn von Bismarks12 Charakter mag von ihm richtig ge­ würdigt sein. Allein abgesehen davon, daß bei allem seinem kecken Auftreten eine entscheidende That weder nach Innen, noch nach Außen bisher zu ver­ zeichnen war, so stelle ich mir die Alternative: Entweder wir haben es mit Herrn von Bismark’s Person allein zu thun, so ist nicht zu vergessen, daß er wohl allerdings das vollste Vertrauen seines königlichen Herrn und der Kreuzzeitungspartei genießt, aber sonst im eigenen Lande wenig oder keine Unterstützung findet und es sich noch sehr fragt, ob er unter solchen Umstän­ den immer und zu sehr extremen Schritten die nöthige Unterstützung von Oben finden werde. Oder wir haben es mit einem preußischen Zustande, mit einem preußischen Gedanken zu thun, so ist dann zu erwarten, daß dieser Gedanke früher oder später zum Durchbruch kommt, und zu beachten ist dann, daß die gegenwärtigen inneren Verhältnisse Preußens und dessen voll­ ständige Isolirung in Deutschland Umstände sind, die den Widerstand er­ leichtern und sich zu einer spätern Zeit schwerlich in gleicher Maße wieder­ holen werden. Ob es Herrn von Bismark gelingen wird, den König zu einer französischen Allianz zu bewegen, bleibe dahingestellt. Die Erfahrungen die Fürst Gortschakoff13 mit der französischen Entente gemacht, dürften aber auch ihm blühen, zumal in einer Zeit, wo die Verwickelungen in Mexico und in Italien14, in Paris großes Entgegenkommen und eine Neigung zu gewalti­ gen Unternehmungen in Deutschland nicht erwarten lassen. Trotz dieser et­ was weniger schwarzen Anschauung der Dinge sind wir weit entfernt auf ei­ 12 Otto [seit 1865: Graf; seit 1871: Fürst] von Bismarck (1815–1898), 1851–1859 preußischer Bundestagsgesandter, 1859–1862 preußischer Missionschef in St. Petersburg, seit 8. Oktober 1862 preußischer Ministerpräsident und Außenminister; ADB, Bd. 46, S. 571–775; NDB, Bd. 2, S. 268–277; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. XXII, 69, 307, 308, 315, 328, 330. 13 Aleksandr Michajlowitsch Fürst Gortschakow (1798–1883), seit 1817 im russischen diplo­ matischen Dienst, 1854–1856 russischer Botschafter in Wien, 1856–1882 russischer Außen­ minister, seit 1866 russischer Reichskanzler; WBIS Online. 14 Beust bezieht sich einerseits auf die Intervention Frankreichs in Mexiko, wo französische Truppen 1861 in den Bürgerkrieg eingegriffen hatten, was zu Spannungen mit den USA führte, andererseits auf die Ereignisse in Italien, wo sich nach der nationalen Einigung die neue ­italienische Regierung bemühte, die noch außerhalb des Nationalstaats liegenden Gebiete (Venetien und das Patrimonium Petri) zu inkorporieren. Frankreich war bei diesen Auseinan­ dersetzungen politisch und militärisch involviert, wurde dadurch aber von der „deutschen Frage“ abgelenkt, was bei den deutschen Klein- und Mittelstaaten für Beruhigung sorgte, während Preußen unter der Führung Bismarcks das französische Engagement in Italien für seine eigenen deutschlandpolitischen Pläne ausnutzte. Siehe Baumgart, Europäisches Kon­ zert, S. 361 f., 438–442; Gall, Europa auf dem Weg in die Moderne, S. 46–56.

Nr. 2

Bremen, 2. Januar 1863

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nen Conflict und dessen Consequenzen hinzuwirken. Sollte, was nach den uns vorliegenden Berichten aus Wien bis jetzt nicht den Anschein hat, Oester­ reich ein Einlenken oder gar ein Fallenlassen in Rücksicht auf die allgemein politischen Verhältnisse für angezeigt erachten, so werden wir einer Agitation dagegen uns sicherlich enthalten. Für jetzt aber genügt es den Standpunkt klar zu bezeichnen, den wir für unsern Theil einnehmen. Ich überlasse es Ihrer Umsicht diese Betrachtungen in Ihrem Gespräch mit Herrn von Schrenk zu verwerthen. Beust

2. Smidt1 an Curtius2

StA Bremen, 2–M.4.i. Schreiben. Abschriftlicher Auszug.

Bremen wird voraussichtlich dem Antrag auf Einrichtung einer Delegiertenversammlung nicht beitreten. Prinzipiell hat Bremen nichts einzuwenden gegen unerläßliche nationale Einheitsbestrebungen unter der Autorität des Bundes oder in Form von ständischen und bürgerschaftlichen Delegierten. Aber dazu gehören weder die Zivilprozeßordnung noch das Obligationenrecht. Zentralgewalt und Nationalrepräsentation ohne scharfbegrenzte Kompetenz für die ihnen ausschließlich zu überweisenden Einheitsaufgaben werden entweder jedes Sonderleben verschlingen oder selbst zur Ohnmacht verurteilt sein.

[Bremen,] 2. Januar 1863 Hauptzweck seines letzten Schreibens ist offenbar die am Schluß gestellte Frage Mercks3: „Was beabsichtigt man bei Ihnen wegen der Delegirtenver­ sammlung zu thun? Beitreten wird man hier, soweit ich es beurtheilen kann, gewiß nicht, aber die Form der Ablehnung scheint mir nicht ganz leicht.“ Diese Frage hätte er, mehr als an uns, jetzt an das stimmführende Lübeck zu richten Ursache gehabt (wenn dies nicht vielleicht doch noch geschehen sein sollte) und ich will sie event. für ihn, sowie jedenfalls für mich, auch meiner­ seits an Sie gestellt haben. Unser hiesiger Standpunct zur Sache, soweit ich 1 Heinrich Smidt (1806–1878), 1843—1849 Senatssyndikus in Bremen, 1849–1878 Senator in Bremen, 1874–1877 Mitglied der Senatskommisson für auswärtige Angelegenheiten; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 58; Bremische Biographie, S. 459 f. 2 Theodor C. Curtius (1811–1889), seit 1846 Senator in Lübeck, 1848 Bundestagsgesandter, seit 1853 Mitglied der Kommission für auswärtige Angelegenheiten, 1869/70, 1873/74, 1877/78 regierender Bürgermeister von Lübeck. Vgl. ADB, Bd. 47, S. 602–606; NDB, Bd. 3, S. 448 f. 3 Das Schreiben des hamburgischen Syndikus Merck liegt nicht in der Akte. – Karl Hermann Merck (1809–1880) war seit 1843 Senatssekretär in Hamburg und leitete ab 1847 als Syndikus die auswärtigen Angelegenheiten der Hansestadt. Vgl. ADB, Bd. 21, S. 405 f.

10

Depesche der badischen Regierung

Nr. 3

die Ansichten kenne, ist nicht der Preußische, eher der Badische. Der Majori­ tät wird man voraussichtlich auch hier nicht beitreten wollen, andrerseits aber scheint es mir in dieser Sache geboten, die Verneinung der Zweckmäßigkeits­ frage mit selbstständigen, unserer eigenen Stellung in und zu Deutschland entnommenen, Gründen zu motiviren. Platt gesprochen, würden wir weder gegen vom Bunde aus und unter seiner Autorität betriebene Einheitsbestre­ bungen in Dingen, für welche die Nation die Einheit als unerläßlich anerkennt, noch auch gegen die Form von Delegirten der Ständeversammlungen resp. Bürgerschaften, zur Mitwirkung hiebei, principiell etwas einzuwenden haben. Aber zu diesen Dingen gehört weder Proceßordnung noch Obligatio­ nenrecht und die Form ist, hierauf allein angewandt, ein Humbug, zu dem sich auch unsere Bürgerschaften schwerlich hergeben werden, – oder wenn als praecedens für künftige, durch ein solches Quasiparlament zu erledigende Nationalanliegen hingestellt, keineswegs als ein sonderliches Lockmittel gra­ de für uns Städte zu betrachten, die wir dabei nicht gewogen, sondern nur gezählt werden. Dazu kommt – wenigstens für mich persönlich – daß ich ein abgesagter Feind der Aufstellung noch so schöner Formen, ohne vorgängige Präcisirung ihres Inhalts, nach welchem eben die Formen zu bemessen sind, bin; Centralgewalt und Nationalrepräsentation ohne scharfbegrenzte Compe­ tenz für die ihnen ausschließlich zu überweisenden Einheitsaufgaben werden, je nach der Strömung der Zeit, entweder jedes Sonderleben verschlingen, oder selbst zur Ohnmacht verurtheilt sein. – Dieß, wie gesagt, ein platter und mit meiner individuellen Ansicht getränkter Ausdruck des vorl. Austausches der Meinungen über den fragl. Gegenstand in unserer ausw. Commission. Sind Sie dort schon weiter gediehen und namentl. schon zu einer festeren Entschließung über das Was und das Wie des abzugebenden Votums am Bun­ destage gelangt, so bitte ich sehr um baldige vertraul. Mittheilung.

3. Depesche der badischen Regierung an die deutschen ­Regierungen

GLA Karlsruhe, 48/1526, fol. 80 f. Reinschrift. – Von Roggenbach an den oldenburgischen Mini­ sterpräsidenten Rössing gerichtete behändigte Ausfertigung der Depesche in: NLA Oldenburg, 31–15–16–30 I, fol. 425–427; von Roggenbach behändigte Metallographie an das sächsische Au­ ßenministerium: HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 939, fol. 169–171.

Um den drohenden Konflikt in der Bundesversammlung wegen der bevorstehenden Abstimmung über das Delegiertenprojekt zu umgehen, macht die badische Regierung einen Kompromißvorschlag: Den Delegierten der deutschen Ständeversammlungen soll die Bewilligung der Matrikularbeiträge der Einzelstaaten und der sonstigen finanziellen Lasten, die aus den militärischen Verpflichtungen im Bund entstehen,

Nr. 3

Karlsruhe, 7. Januar 1863

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übertragen werden. Damit würde die Delegiertenversammlung nicht auf dem schwierigen Feld der allgemeinen Rechtskodifikation tätig, sondern in einer zweifellos schon bestehenden organischen Bundeseinrichtung. Die Abstimmung über das österreichisch-mittelstaatliche Delegiertenprojekt könnte in diesem Fall ausgesetzt werden.

Karlsruhe, 7. Januar 1863 Die Großherzogliche Regierung hat in dem Separatvotum ihres Gesandten, zu dem Vortrage des Bundestags-Ausschusses über den von mehreren Regie­ rungen gestellten Antrag wegen Einberufung von Delegirten-Versammlungen zu bestimmten legislatorischen Arbeiten, die formellen und materiellen Grün­ de niedergelegt, welche ihr die bedingungslose Zustimmung zu den Anträgen der Mehrheit jenes Ausschusses unmöglich machen.1 Die gegen Letztere von einem hervorragenden Bundesgliede eingenommene entschiedene Stel­ lung, deren Consequenzen die künftigen Beziehungen der im Bunde verein­ ten Regierungen und eine weitere gedeihliche Thätigkeit dieses selbst auf das ernsteste zu gefährden droht, läßt die Weiterführung dieser Angelegenheit auf dem betretenen Wege äußerst bedenklich erscheinen und die Großherzogliche Regierung, auch absehend von den innern Einwürfen gegen die Sache, ver­ möchte, bei ihrem aufrichtigen Bemühen, Conflikte vermieden zu sehen, wel­ che das Bestehen des Bundes in Frage stellen, zu einem weiteren Vorgehen ihrerseits nur widerstrebend mitzuwirken. Von dem Wunsche durchdrungen, den Eventualitäten zu begegnen, welche bei der dermaligen Lage eine sofortige Abstimmung über die Ausschußan­träge vom 18. Dezember v. Js. befürchten läßt, würde sie in der Einbringung eines Antrages, welcher das von einer Mehrzahl der Bundesregierungen ­gewünschte Institut der Delegirten für eine andere, der Bundescompetenz unzweifelhaft unterworfene Materie fordert, ein Mittel erblicken, unter Beseitigung der strei­ tigen Formfrage über den Beschließungsmodus, die schroffe Darlegung unlös­ barer Gegensätze unter den Verbündeten im Schooße des Bundes selber zur Zeit wenigstens zu umgehen. Die Großherzogliche Regierung, nach mehrfa­ chen Erfahrungen, wünscht zur Zeit noch Umgang nehmen zu können, einem derartigen Vorschlage die Form eines Antrags zu geben, würde indessen einem solchen beizutreten bereit sein, der dahin gerichtet wäre: Die Bewilligung sämmtlicher bisher von der Bundesversammlung be­ schlossener Matrikularbeiträge für Bundeszwecke2 und die Verände­ 1 Die badische Regierung bezieht sich auf die Beratung in der Bundesversammlung am 18. De­ zember 1862, siehe QGDB III/3, Dok. 155, das badische Separatvotum ebd., S. 847–858. 2 Zur Deckung der finanziellen Bedürfnisse des Deutschen Bundes wurden Beiträge der Mit­ gliedsstaaten erhoben, die auf der Basis der Einwohnerzahl errechnet wurden. Die Bundes­ matrikel wurde erstmals 1818 festgestellt und dann in unregelmäßigen Abständen erneuert und

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Depesche der badischen Regierung

Nr. 3

rungen und Erhöhung der Contingentsätze des Bundesheeres, woraus den Einzelstaaten finanzielle Lasten erwachsen, einer Versammlung von Bevollmächtigten und mit dem Rechte definitiver Beschlußfassung aus­ gerüsteten Delegirten der Deutschen Ständeversammlungen zu übertra­ gen. Ohne in einer solchen Bestimmung des vorgeschlagenen Instituts irgend eine ernstliche Anbahnung eines ersten Schrittes für eine Bundes-Reform er­ blicken zu können oder zu glauben, daß damit ein auch nur auf kurze Zeit ausreichendes Surrogat derselben geschaffen werde, und weit entfernt die Bedenken zu verkennen, welche der Einrichtung der Delegirten überhaupt und insbesondere wegen des Mangels einer kräftigen und einheitlichen Exe­ cutive entgegenstehen, würde die Großherzogliche Regierung die gerügten Uebelstände doch gerade in solcher Anwendung geringer anschlagen, wenn die Mitwirkung der Delegirten stricte auf dies finanzielle Bewilligungsrecht beschrankt [sic] bliebe. Vor allem wäre der formelle Geschäftsgang für das Bundesorgan ein einfacher, durchführbarer: die Bundesversammlung berei­ tet ihren, finanzielle Auflage[n] begründenden Beschluß vor und bringt ihn an die Delegirten, die ihn einfach anzunehmen oder abzulehnen haben: Die­ ses Verfahren bietet nicht die Nachtheile des complicirten und in seinem Er­ gebnisse so vielfach angegriffenen Vorgehens des Bundes auf dem Gebiete der allgemeinen Codification und es wird dem gewichtigen Uebelstande ­abgeholfen, daß in Fällen solcher Bundesbeschlüsse bisher das ständische Votum der Einzelkammern fast illusorisch gewesen; die Quelle vielfachen Zwiespaltes zwischen Regierungen und Ständen über Erhöhung der Contin­ gentsätze und Größe der Matrikular-Umlagen und ein bedauerlicher Wider­ spruch zwischen der constitutionellen Regierungsform der Einzelstaaten und dem Anspruche absoluter Rechtskräftigkeit der Bundesbeschlüsse würde ge­ hoben. dabei an die Bevölkerungsentwicklung angepasst. Die Summe betrug anfänglich 6000 Gulden, seit 1821 30 000 Gulden und seit 1832 60 000 Gulden, die in unregelmäßigen Zeiträumen be­ willigt wurden. Aus den Mitteln der Bundesmatrikularkasse wurden die Verteidigungsanstalten des Bundes finanziert, also der Bau und die Ausrüstung von Bundesfestungen und Magazinen, Stationierungskosten und andere militärische Ausgaben für das Bundesheer. Im Kriegsfall sollte die Bundesmatrikularkasse die Kriegskasse des Bundes bilden. Der insbesondere für die Festungsbauten erforderliche finanzielle Aufwand stieg seit den 1850er Jahren stark an, so daß die Matrikularbeiträge bei weitem nicht ausreichten. Zusätzliche Mittel flossen in die Matriku­ larkasse aus diversen Fonds, die nach 1815 aus der französischen Kriegsentschädigung gebil­ det worden waren und vom Bankhaus Mayer Amschel Rothschild & Söhne verwaltet wurden. So erzielte die Bundesmatrikularkasse im Jahr 1860 Einnahmen in Höhe von 6,34 Mio. Gul­ den, davon kamen 3,56 Mio. Gulden aus den Bundesfonds. Vgl. dazu Müller, Der Deutsche Bund (1848–1866), im Druck; Schnabl, Die Kriegs- und Finanzverfassung des Deutschen Bundes, S. 61–83.

Nr. 4

Stuttgart, 10. Januar 1863

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Das gewünschte Delegirten-Institut würde in einer, in seiner Nützlichkeit für die gewählte Materie wohl von keiner Seite zu beanstandenden Weise ein­ geführt und das Wesen dieser Materie, zweifellos eine organische Bundesein­ richtung betreffend, müßte die Beschlußfassung über die Controverse hin­ sichtlich der Form hinwegführen, indem die Nothwendigkeit der Stimmen­ einhelligkeit dann wohl nicht beabredet werden könnte. Die Großherzogliche Regierung glaubt diesem Gedanken vor der Abstim­ mung über die Ausschußanträge Ausdruck geben zu sollen, indem sie in einer der nächsten Bundestagssitzungen ihre Bereitwilligkeit zur Zustimmung zu einem solchen Antrage, wenn derselbe von irgend einer Seite aufgenommen werden wollte, aussprechen wird.3 Derselbe, welcher an den Ausschuß für das Bundesgericht zur Begutachtung zu verweisen sein würde, wäre wohl ge­ nügend, die Abstimmung über jene Ausschußanträge aussetzen zu lassen und die Berathungen des Ausschusses über einen zur allseitigen Annahme geeig­ neten neuen Vorschlag würde der Ausgangspunkt einer Vermittelung sein können.4

4.

Hügel1

an

Ow2

  Stuttgart, 10. Januar 1863

HStA Stuttgart, E 70 b, Büschel 361. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 12. Januar 1863.

Die bundestreuen Regierungen können nicht darauf rechnen, bei einem Bundesbruch wegen der Abstimmung über das Delegiertenprojekt die Öffentlichkeit auf ihrer Seite zu haben. Es stellt sich die Frage, ob es nicht ein Gebot der politischen Klugheit sei, der preußischen Regierung die Möglichkeit zu nehmen, wegen einer bundesrecht­ lichen Kontroverse über die Abstimmungsmodalitäten den Bundesbruch herbeizufüh3 Dies geschah in der Bundestagssitzung vom 15. Januar 1863; siehe Dok. 13. 4 In der an das sächsische Außenministerium gerichteten Depesche folgt anschließend die Pas­ sage: „Wir verfehlen nicht Einem Königlich Sächsischen Ministerium von dieser Absicht Kenntniß zu geben und glauben hoffen zu dürfen, daß auch die Königlich Sächsische Regie­ rung aus unserer in Frankfurt abgegebenen Erklärung die Ueberzeugung schöpfen werde, wie die Großherzogliche Regierung in dieser ganzen hochwichtigen Angelegenheit lediglich durch den Wunsch, einen in seinen Folgen unübersehbaren Gegensatz der Anschauungen nicht zum förmlichen Ausbruche gelangen zu lassen, geleitet ist. Zugleich benützen wir auch diesen An­ laß zur erneuerten Versicherung unserer ausgezeichnetsten Hochachtung.“

1 Karl Eugen Freiherr von Hügel (1805–1870), seit 1832 im württembergischen diplomatischen Dienst, 1850 Gesandter in Berlin, 1851/52 Gesandter in Den Haag, 1852–1855 Gesandter in Wien, 1855–1864 württembergischer Außenminister; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 420; von Koenig-Warthausen, Hügel. 2 Adolf Freiherr von Ow-Wachendorf (1818–1873), 1855–1866 württembergischer Gesandter in Wien, 1867–1871 Gesandter in Bern und Florenz; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 426.

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Hügel an Ow

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ren. Hügel regt bei der österreichischen Regierung an, statt dessen im Bund den Antrag zu stellen, die Delegiertenversammlung als organische Einrichtung des Bundes einzuführen und damit Preußen zu zwingen, „vor dem Angesicht der Nation“ die Verantwortung für das Gelingen oder Scheitern der Bundesreform zu übernehmen. Hügel weist weiter auf die Position der großdeutschen Vertreter hin, die ihm in einem Brief des Tübinger Professors Schaeffle dargelegt worden ist. Schließlich wäre es auch deshalb ratsam, die Abstimmung über das Delegiertenprojekt zu verschieben, um zu sehen, welche Haltung die preußischen Kammern, die am 14. Januar zusammentreten, in der Angelegenheit einnehmen.

Stuttgart, 10. Januar 1863 Hochwohlgeborener Freiherr! Im Verfolge meiner seitherigen Mittheilungen in Betreff der bevorstehenden Ab­ stimmung am Bunde über die Ausschuß Anträge v. 18. v. Mts., betreffend die Einberufung einer Delegirtenversammlung3 beehre ich mich, Euer Hochwohlge­ boren zu benachrichtigen, daß der Entwurf der diesseitigen Abstimmung ausge­ arbeitet ist, dessen schließliche Redaktion demnächst festgestellt werden wird. Hiebei muß sich nun die K. Regierung selbstverständlich durch die von Preußen aus Veranlassung dieser Angelegenheit angenommene drohende ­Haltung veranlaßt finden, nicht nur die bundesrechtliche, sondern auch die politische Seite der Sache in die sorgfältigste Erwägung zu nehmen. Die K. Regierung muß sich hiezu um so ernstlicher verpflichtet fühlen, als ihr nicht entgeht, wie insbesondere in Württemberg die Stimmung im Allgemeinen dem Project einer blosen Delegirtenversammlung ad hoc sehr wenig günstig ist, und wie bei einem aus Veranlassung dieses Projects erfolgenden Bundes­ bruche die bundestreuen Regierungen nicht darauf rechnen könnten, die öf­ fentliche Meinung auf ihrer Seite zu haben. So unzweifelhaft mir das Recht der Bundesversammlung erscheint, die vor­ liegenden Ausschußanträge durch Stimmenmehrheit zum Beschluß zu erhe­ ben, so mußte sich doch bei einer Betrachtung der Sache vom politischen Ge­ sichtspunkte aus die Erwägung nahe legen, ob es nicht dringendes Gebot der Klugheit sei, der K. Preußischen Regierung die Möglichkeit zu nehmen, einen Bundesbruch aus Veranlassung einer bundesrechtlichen Controverse über eine Frage herbeizuführen, welche an sich wenig Sympathie in der Meinung auch der den bundestreuen Regierungen geneigten Partheien hat? ob es nicht ge­ rathener sei, diese Controverse ganz zu umgehen, und sofort mit demjenigen Antrag hervorzutreten, welchen die bei dem Collektiv Antrag vom 14. August v. J.4 betheiligten Regierungen bereits in Aussicht gestellt haben, welcher des 3 Siehe QGDB III/3, Dok. 155. 4 Siehe QGDB III/3, Dok. 140.

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unbedingten Beifalls der Mehrheit der Nation sicher sein kann, und bei wel­ chem die jetzt angeregte und von Preußen als Vorwand zum Bundesbruche gesuchte bundesrechtliche Controverse nicht möglich ist, weil über diesen An­ trag unzweifelhaft nur mit Stimmeneinhelligkeit am Bunde Beschlüsse gefaßt werden können. Ich meine den Antrag auf Einführung einer Delegirtenver­ sammlung (ständische Vertretung) als organische Einrichtung am Bunde. Tre­ ten die bundestreuen Regierungen mit diesem Antrag hervor, so entfällt der K. Preußischen Regierung die Möglichkeit, ihr Widerstreben gegen eine Bundes­ reform hinter formellen Rechtsfragen zu verschanzen, und den bundestreuen Regierungen den Vorwurf einer Verletzung des Bundesrechts zuzuschieben; sie ist vielmehr in die Lage versetzt sich entschieden für oder gegen diesen Antrag auszusprechen und damit vor dem Angesicht der Nation die Verant­ wortung für das Gelingen oder Scheitern eines Antrags zu übernehmen, wel­ cher den vollen Ernst der Absicht auf eine den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechende Bundesreform außer Zweifel stellt, und eben darum den diesen Antrag stellenden Regierungen den vollen Beifall der Nation sichert. Ich habe nicht unterlassen, diesen Erwägungen bei dem kaiserl. österreichi­ schen Gesandten Ausdruck zu geben, weil ich dringend wünschte, daß das Wiener Kabinet, welches in der Bundesreform die ihm gebührende Initiative mit so viel Umsicht und so glücklichem Erfolg genommen hat, diese Erwä­ gungen in weitere Betrachtung ziehen möchte. Indem ich vorstehende Mittheilung Euer Hochwohlgeboren zunächst in der Absicht mache, Dieselben über die diesseitigen Auffassungen genau zu ori­ entiren, und dadurch in die Lage zu setzen, dieselben bei dem Grafen Rech­ berg5, falls derselbe mit Ihnen darüber sprechen sollte, zu bevorworten, ­finde ich mich zugleich veranlaßt, Ihnen beifolgend die Abschrift eines Schreibens zu übersenden, welches Professor Schaeffle in Tübingen6 an mich gerichtet 5 Johann Bernhard Graf von Rechberg und Rothenlöwen (1806–1899), seit 1829 im österreichi­ schen diplomatischen Dienst, 1833 Geschäftsträger in Darmstadt, 1837–1839 Gesandter in Brüssel, 1841 Legationsrat in Stockholm, 1843–1847 Gesandter in Rio de Janeiro, 1849 Be­ vollmächtigter bei der provisorischen Reichszentralgewalt, 1850 Bundeszivilkommissar für Kurhessen, 1851 Internuntius in Konstantinopel, 1853–1855 Chef der Zivilverwaltung Lom­ bardo-Venetiens, 1855–1859 Bundespräsidialgesandter, 1859–1864 Außenminister. Vgl. ÖBL, Bd. 9, S. 4 f.; Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 416. 6 Albert Eberhard Friedrich Schaeffle (1831–1903), bedeutender Nationalökonom, Soziologe und Publizist, 1848/49 Studium der Theologie, 1849 Beteiligung am badischen Aufstand, 1850–1860 Redakteur des Schwäbischen Merkur, 1856 Promotion zum Dr. oec. publ., 1860– 1868 Professor an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, 1868 Profes­ sor für Politikwissenschaft in Wien, 1862–1865 Mitglied der württembergischen Kammer der Abgeordneten, 1868 Mitglied des Zollparlaments, 1871 österreichischer Handels- und Acker­ bauminister; 1860–1903 Herausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“; NDB, Bd. 22, S. 522 f.; Raberg, Biographisches Handbuch, S. 766 f.

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Hügel an Ow

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hat.7 Euer Hochwohlgeboren werden darin eine Bestätigung dafür finden, wie wenig günstig die Stimmung hier in Württemberg dem Delegirtenprojekt ad hoc ist; Sie werden auch meine oben dargelegten Anschauungen über die poli­ tische Seite der Angelegenheit in der Hauptsache getheilt finden. Ohne daß ich mit dem darin mitgetheilten Vorschlag des Professors Kuhn8, welcher zu nahe an eine Parlamentsberufung streift9, einverstanden wäre, finde ich doch die in diesem Briefe ausgesprochene Ansicht der beiden, mir als sehr einsichtsvolle, gemäßigte u. muthige Vertreter der großdeutschen Richtung bekannten Män­ ner[,] so beherzigenswerth, daß ich mich für verpflichtet halte, dieselbe dem Wiener Kabinet mitzutheilen. Dasselbe wird hierin vielleicht einen weiteren Grund finden, die ihm bereits durch den Freiherrn von Handel10 bekannt ge­ wordene diesseitige Anschauung in geneigte Erwägung zu ziehen. Dabei glaube ich noch besonders hervorheben zu sollen, wie eine Verschie­ bung der auf den 22. ds. Mts. festgesetzten Abstimmung über die Ausschuß Anträge auch aus andern Gründen sich empfehlen dürfte, worunter nament­ lich der, daß es doch vielleicht sich als gerathen darstellen möchte, zu sehen, welche Haltung die am 14. ds. Mts. zusammentretenden Preußischen Kam­ mern einnehmen, und wie weit sie namentlich das Verhalten des Preußischen Ministerpräsidenten in der Frage äußerer Politik und besonders der deutschen Bundes Angelegenheiten unterstützen, und in wie weit sich die Stellung des dermaligen Ministeriums als haltbar erweisen werde; zumal diese Ergebnisse nicht ohne Einfluß auf die Entschließung einzelner Bundesregierungen be­ züglich der vorliegenden Ausschußanträge sein werden; für welche ohnehin die Majorität am Bunde noch nicht gesichert erscheinen dürfte.   7 Schaeffle an Hügel, Tübingen, 8. Januar 1863, HStA Stuttgart, E 70 b, Büschel 361. In dem Schreiben warnt Schaeffle vor dem drohenden Scheitern des ad hoc-Projekts der Delegiertenver­ sammlung. Ebenso verhängnisvoll wäre aber auch „ein einfacher Verzicht auf alle Reform“. Schaeffle rät davon ab, das Delegiertenprojekt am Bunde mit einer Mehrheit durchsetzen zu wollen, da dies Bismarck den Anlaß zu einer gewaltsamen Politik bieten könnte. Statt dessen soll am Bund ein Antrag auf „organische Repräsentation“ gestellt werden. Sollte Preußen diesen ablehnen, so würde es sich „die ganze Verantwortlichkeit für Ablehnung wirklicher Bundesre­ form“ zuziehen, ohne aber einen „formellen Vorwand zu irgendeinem Gewaltschritt“ zu haben.   8 Johannes Evangelist von Kuhn (1806–1887), katholischer Theologe, 1832 Professor in Gießen, ab 1837 Professor in Tübingen, 1848–1856 Mitglied der württembergischen Kammer der Ab­ geordneten, ab 1857 Mitglied des Staatsgerichtshofs, 1862 Gründungsmitglied des Deutschen Reformvereins, 1868–1887 Mitglied der Kammer der Standesherren in Württemberg; ADB, Bd. 51, S. 418–420; NDB, Bd. 13, S. 263 f.; Raberg, Biographisches Handbuch, S. 485 f.   9 Schaeffles Kollege Kuhn schlug vor, den Reformdruck zu erhöhen, indem die den Antrag auf organische Reform stellenden Regierungen „als modus procedendi den weiteren formellen Antrag stellen würden: sämmtliche Bundesregierungen zur Entsendung von Delegirten der Landtage zur Feststellung der Bundesreform nach den oben erwähnten Vorschlägen“ aufzu­ fordern; Schaeffle an Hügel, Tübingen, 8. Januar 1863, HStA Stuttgart, E 70 b, Büschel 361. 10 Maximilian Freiherr von Handel (1809–1885), 1848–1866 österreichischer Gesandter in Stuttgart; Matsch, Der auswärtige Dienst, S. 140.

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Berlin, 10. Januar 1863

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Empfangen Euer Hochwohlgeboren bei diesem Anlasse die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. Hügel11

5. Bismarck an Sydow1

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 284. Vertrauliche Depesche an die preußischen Gesandt­ schaften in Deutschland. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 12. Januar 1863. Druck: Die auswärti­ ge Politik Preußens, Bd. 3, S. 178 f.

Bismarck berichtet über seine Gespräche mit dem österreichischen Diplomaten Graf Thun über das Delegiertenprojekt, in denen über Vermittlungsversuche gesprochen wurde. Die Vorschläge Bismarcks laufen alle auf die Verhinderung eines Majoritätsbeschlusses zugunsten der Delegiertenversammlung in der Bundesversammlung hinaus. Bismarck beklagt sich über die böswillige Darstellung seiner Äußerungen gegenüber dem österreichischen Gesandten Károlyi in der Presse. Die aggressive Politik Österreichs und der „Würzburger“ hat Preußen seine Stellung im Bund verleidet. Preußen wird aber die Bundesverträge so lange halten, wie sie ihm gegenüber gehalten werden, es ist aber nicht verpflichtet, am Bund festzuhalten, wenn sein Protest gegen die willkürliche Verletzung der Grundverträge unbeachtet bleibt.

Vertraulich! Auf besonderm Wege.

Berlin, 10. Januar 1863

Der Kaiserlich Oesterreichische Gesandte am Russischen Hofe, Graf Thun2, hat sich, wie Eurer Excellenz bereits bekannt sein wird, auf der Rückreise nach St. Petersburg einige Tage hier aufgehalten und diese Gelegenheit den Intentionen des Grafen Rechberg entsprechend benutzt, um sich mit mir über 11 In Anlage beigefügt ist der württembergische Entwurf für die Organisation der Delegierten­ versammlung nebst Erläuterungen, den von Hügel am 14. September 1862 an die bayerische Regierung übermittelt hatte und worin mit Nachdruck dafür plädiert worden war, bei der Be­ rufung der Delegiertenversammlung für den speziellen Zweck der Gesetze über Zivilprozeß und Obligationenrecht „die künftige ständische Vertretung am Bunde stets im Auge zu be­ halten“ und entsprechend die Delegiertenversammlung so einzurichten, daß sie „auch für das künftige repräsentative Bundesorgan als geeignet und brauchbar erscheine“; vgl. QGDB III/3, Dok. 143, Zitate S. 769 u. 773.

  1 Rudolf Carl Curt von Sydow (1805–1872), seit 1831 im preußischen diplomatischen Dienst, 1831–1835 Legationssekretär bei der preußischen Botschaft beim Vatikan, 1836–1845 preu­ ßischer Resident in der Freien Stadt Frankfurt, 1837 Geschäftsträger in Brüssel, 1846/47 Ge­ sandter in Brüssel, 1847–1850 und 1852–1856 Gesandter in Bern, 1859–1862 Gesandter in Kassel, 1863–1864 preußischer Bundestagsgesandter in Frankfurt; Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 419, 445, 454, 466, 490.   2 Friedrich Graf von Thun und Hohenstein (1810–1881), seit 1835 im österreichischen diplo­ matischen Dienst, 1850–1852 Bundestagsgesandter, 1852–1854 Gesandter in Berlin, 1859– 1863 Gesandter in St. Petersburg; Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 54, S. 48 f.; ­Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 903, Anm. 27; ÖBL, Bd. 14, S. 324.

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Bismarck an Sydow

Nr. 5

die dermalige Lage der Delegirten-Angelegenheit confidentiell und einge­ hend zu besprechen. Graf Thun sprach sich beim Beginn und im weiteren Verlaufe dieser Unterredungen wiederholt dahin aus, daß das Oesterreichi­ sche Cabinet und Seine Majestät der Kaiser persönlich das allergrößte Ge­ wicht darauf lege, jene so überaus ernst gewordene Frage im Sinne des Frie­ dens und der Versöhnung gelöst zu sehen. Ich habe dem oesterreichischen Diplomaten nicht allein die stete Bereitwil­ ligkeit der Königlichen Regierung ausgesprochen, auf jede derartige Ausglei­ chung, Falls dieselbe mit unserm guten Recht nur irgend vereinbar wäre einzu­ gehen, sondern habe ihm von dieser Bereitwilligkeit sofort den thatsächlichsten Beweis gegeben, indem ich mich zu verschiedenen, theils vom Grafen Thun, theils von mir vorgeschlagenen Vermittlungs-Versuchen bereit erklärte. Eurer Excellenz ermangele ich nicht dieselben nachstehend zu bezeichnen. Unserer Ansicht nach könnte das Kaiserliche Cabinet: 1. die Angelegenheit durch den K. K. Praesidial-Gesandten einfach von der Tagesordnung absetzen und demnächst auf unbestimmte Zeit hin ruhen lassen. Diesen Ausweg erklärte Graf Thun für unannehmbar. Man könnte: 2. die beiden Punkte des Majoritäts-Antrages in der Abstimmung theilen und nachdem über den ersten derselben eine Majorität aber keine Unanimität sich herausgestellt, würde eine Praesidial-Erklärung dahin erfolgen, daß, da die nöthige Stimmeneinhelligkeit über die Hauptfrage hiernach nicht in Aus­ sicht stehe, die Angelegenheit den Regierungen zur weiteren Verhandlung ­unter einander anheimgegeben bleibe. Graf Thun schien diesen Modus der Erledigung für den thunlichsten zu halten. 3. Abstimmung über beide Punkte und Schlußziehung auf Ablehnung we­ gen mangelnder Unanimität. Endlich könnte: 4. Oesterreich unter der Hand auf eine Majorität gegen sein Votum hinar­ beiten und sich demgemäß überstimmen lassen. Wir überlassen, wie gesagt, dem Wiener Cabinet sich für eins dieser Aus­ kunftsmittel zu entscheiden und sind bereit zu jedem Versuche einer Verstän­ digung unter annehmbaren Bedingungen die Hand zu bieten. In gleich versöhnlichem Sinne hatte ich mich schon früher in einer vertrau­ lichen Unterredung gegen Graf Karolyi3 geäußert.4 Diese Besprechung ist 3 Aloys Graf von Károlyi (1825–1889), 1859–1866 und 1871–1878 österreichischer Gesandter in Berlin; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 288; ÖBL, Bd. 3, S. 246. 4 Siehe dazu QGDB III/3, Dok. 152. In dieser Unterredung, die am 13. Dezember 1862 statt­ fand, hatte Bismarck für den Fall einer Majorisierung Preußens in der Bundesreformfrage mit dem Austritt aus dem Deutschen Bund gedroht. Vgl. dazu Gall, Bismarck, S. 267–271.

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Berlin, 10. Januar 1863

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durch die uns feindselige Presse zu einer Reihe böswilliger Erfindungen be­ nutzt worden, denen jedoch einzelne richtige Daten eingestreut sind, ein Um­ stand, der zu unserem Leidwesen eine Connivenz des Wiener Cabinettes bei jenen Zeitungsartikeln verräth. Meine Eröffnungen an Graf Karolyi waren auf eine Verständigung mit ­Oesterreich gerichtet, indem ich die für beide Cabinette unerwünschten F ­ olgen einer zunehmenden gegenseitigen Entfremdung hervorhob. Ton und Inhalt des Gespräches war diesem Streben angemessen und sind von Graf Karolyi, mir gegenüber, auch nicht anders aufgefaßt worden. Die agressiven und dem Geiste der Bundeseinrichtungen widerstrebenden Tendenzen der Oesterreichisch-Würzburger Politik5 haben mit Erfolg gethan, was sie vermochten um uns unsere Stellung im Bunde zu verleiden. Wir constatiren diese Thatsache mit Bedauern, da wir sie für Deutschland als nachtheilig erachten. Die Königliche Regierung wird die Bundesverträge so lange halten, als sie ihr gegenüber gehalten werden, doch fühlt sie weder das Bedürfniß noch die Verpflichtung, am Bunde festzuhalten, wenn ihre Ab­ mahnungen von willkürlichen und einseitigen Ueberschreitungen der Grund­ verträge unbeachtet bleiben.6 Euere Excellenz finden in den vorstehenden, lediglich zu Ihrer eignen Kenntnißnahme bestimmten Andeutungen den Standpunkt veranschaulicht, den wir, der in Rede stehenden Angelegenheit gegenüber, eingenommen ha­ ben und festhalten. v. Bismarck

5 Mit dem Begriff „Würzburger“ wurden die Mittelstaaten bezeichnet, die im November 1859 auf einer Konferenz in Würzburg über mögliche Bundesreformen beraten hatten. An der Kon­ ferenz hatten die Minister von Bayern, Sachsen, Württemberg, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Nassau, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Altenburg teilge­ nommen. Vgl. dazu QGDB III/3, Dok. 32–36; Gruner, Die Würzburger Konferenzen; Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 301–307. 6 Die nach dem Konzept im Geheimen Staatsarchiv edierte Fassung in der Sammlung „Die aus­ wärtige Politik Preußens“ endet hier. Hinzugefügt ist noch der chiffrierte Zusatz an Sydow: „Graf Thun wies den Vorschlag ad 4 als völlig unannehmbar zurück. Doch scheint es mir nicht unmöglich, daß derselbe doch noch stillschweigend akzeptiert werden könnte. Unsere neue­ sten Nachrichten verraten eine Geneigtheit Hannovers, mit uns zu stimmen. Darmstadt schwankt.“ Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 179. In der Ausfertigung an Sydow ist dieser Zusatz nicht enthalten.

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Artikel in der Karlsruher Zeitung

Nr. 6

6. Artikel in der Karlsruher Zeitung1

Karlsruher Zeitung Nr. 9 v. 11. Januar 1863.

Das Delegiertenprojekt kann keinen einzigen der politischen Schäden heilen, unter denen Deutschland leidet. Was Deutschland fehlt, ist politische Macht in der europäischen Völkerfamilie, diesem Mangel können gemeinsame Gesetze nicht abhelfen. Eine Delegiertenversammlung zur Begutachtung einzelner Gesetzentwürfe ist politisch völlig wertlos, denn es fehlt ihr jede reelle Macht. Ohne Steuerbewilligungsrecht ist jede Volksvertretung ein wesenloses Phantom. Ein echter Konstitutionalismus ist mit einer Gesandtenkonferenz wie dem Bundestag unmöglich. Nur ein auf unmittelbarer Volkswahl beruhendes Parlament kann die Einigung des deutschen Volkes bewirken und erhalten. Es ist nicht klug, wegen des Delegiertenprojekts einen Zwiespalt im Bund hervorzurufen, aber auch die preußische Drohung mit dem Austritt aus dem Bund ist nicht gerechtfertigt. Unabhängig von allem positiven Recht besteht das ursprüngliche und unveräußerliche Recht des Volkes auf nationale Einigung. Der Bund muß erhalten werden „als letzter Zusammenhalt unseres Volkes“. Eine Modifikation des Bundestags kann aber keine irgendwie genügende Reform bewirken; nur die Umwandlung des Staatenbundes in den parlamentarischen Bundesstaat bringt wirkliche Hilfe. Die Anhänger des Delegiertenprojekts dürfen dem Bund nicht durch unzulässige Mehrheitsbeschlüsse eine Kompetenz für gemeinsame deutsche Gesetze zuweisen. Die Delegierten dürfen nur zu einer solchen Tätigkeit berufen werden, die in der Zuständigkeit des Bundes liegt, zum Beispiel die Festsetzung der Matrikularumlagen und Bundesarmeekontingente der Einzelstaaten.

Karlsruhe, 11. Januar 1863 Die Delegiertenversammlung Bei der ersten offiziellen Ankündigung des Planes einer für Gesetzgebung an den Bundestag zu berufenden Versammlung von Delegirten aus den Einzel­ kammern haben wir uns mit aller Entschiedenheit gegen einen Versuch aus­ gesprochen, welcher nach unserer Ueberzeugung keinen einzigen der politi­ schen Schäden, unter welchen Deutschland leidet, zu heilen vermag, dagegen bestehende und im Ganzen für ihre Aufgabe genügende Institutionen zu ver­ wirren droht. Was uns fehlt, ist politische Macht, um uns zu vertheidigen und in der europäischen Völkerfamilie die Achtung zu gewinnen, deren Mangel unser zu reiferem Selbstbewußtsein erwachtes Volk mit jedem Tage ungedul­ diger empfindet. Gemeinsame Gesetze, deren Werth wir durchaus nicht unter­ schätzen, können diesem Grundübel nicht im mindesten abhelfen; sie lassen sich andererseits in einem Staatenbund nicht improvisiren ohne die Gefahr einer allgemeinen Verwirrung. Das Gesetzgebungsrecht, das selbst im Bun­ 1 Die Karlsruher Zeitung erschien von 1758 bis 1810 und von 1817 bis 1933 und war das amtli­ che Regierungsblatt von Baden. Vgl. Dokumente aus geheimen Archiven, Bd. 5, S. 428, Anm. 476.

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desstaat den Einzelstaaten als Regel belassen werden muß, können dieselben im Staatenbund noch weniger missen; ein von Bundes wegen den Einzel­ gesetzgebungen auferlegter Stillstand würde schon nach wenigen Jahren als unerträglich sich erweisen. Eine Delegirtenversammlung, je nach Gelegenheit zur Begutachtung einzelner Gesetzentwürfe berufen, ist politisch völlig werthlos, denn es fehlt ihr alle und jede reelle Macht, und würde ihr fehlen, selbst wenn man das ihr zugedachte Konsultativvotum zu einem entscheiden­ den erhöhte. Ohne Steuerbewilligungs-Recht ist jede Volksvertretung ein we­ senloses Phantom; kann man sich mit ihr über ein neues Gesetz nicht einigen, so bleibt es schlimmsten Falls bei dem alten; würden die Delegirten einen Entwurf des Bundestages ablehnen, so bliebe überdies noch die Möglichkeit, in jedem Einzelstaate in vielleicht diametral entgegengesetzten Richtungen neue Gesetze zu erlassen. Eine Delegirtenversammlung zu lediglich legislato­ rischen Zwecken kann nicht einmal als Keim betrachtet werden, aus welchem eine wirkliche und wirksame Vertretung der deutschen Nation erwachsen könnte. Und wäre sie nicht schon an und für sich zur Bedeutungslosigkeit verurtheilt, so müßte diese aus ihrer Zusammenstellung mit dem Bundestag sich ergeben; ein dem echten Konstitutionalismus auch nur ähnliches Ver­ hältniß ist mit einer nach Instruktionen handelnden Gesandtenkonferenz, in welcher möglicher Weise die Auftraggeber einzelner Mitglieder ein Scheitern einer Gesetzvorlage wünschen, geradezu unmöglich. Nur die Schattenseite der Repräsentativverfassungen, das bisweilen mühsame Zusammenwirken von einander unabhängiger Faktoren, bliebe übrig, und würde in Ermange­ lung jedes zur Einigung nöthigenden Verhältnisses voraussichtlich in kurzer Frist zu völligem Stillstand der ganzen komplizirten Maschinerie hinführen. Nur gegenüber einer einheitlichen Regierung sind parlamentarische Institu­ tionen möglich; nur ein auf unmittelbarer Volkswahl beruhendes Parlament kann die Einigung des deutschen Volkes bewirken und erhalten; nur in ­unserer wahrhaftigen politischen Einigung, in einheitlicher Zentralgewalt und Parlament finden wir die Befriedigung des die ganze Nation beseelenden Dranges nach einer würdigeren Existenz. Wird unser früheres ungünstiges Urtheil über die Delegirtenversammlung bei erneuter Prüfung nur bestätigt, so scheint uns doch die Angelegenheit zu einem Punkt gediehen zu sein, auf welchem die dringendsten vaterländischen Interessen mehr als eine bloße Kritik erheischen. Preußen hat sich auf das entschiedenste gegen jeden Versuch einer gemeinsamen deutschen Gesetzge­ bung durch den Bundestag und eine Delegirtenversammlung erklärt, und für den Fall, daß ein solcher dennoch gemacht werde, gedroht, den Bundestag nicht mehr als Organ des Bundes anzuerkennen. Halten wir den preußischen Standpunkt, nach welchem für jeden Schritt schon in dem Vorbereitungs­ stadium Stimmeneinhelligkeit erforderlich sein soll, bundesrechtlich nicht

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Artikel in der Karlsruher Zeitung

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b­ egründet, so ist es doch andererseits über alle Zweifel erhaben, daß jeder endliche Bundesbeschluß in der in Frage stehenden Materie Stimmenein­ helligkeit voraussetzt, und es scheint uns weder klug noch bundesfreundlich gehandelt, in einem Falle, in welchem, wie die Dinge nun einmal liegen, die Erreichung eines materiellen Ziels rechtlich und thatsächlich unmöglich ist, über eine unter solchen Umständen ganz bedeutungslose Vorfrage einen ver­ derbendrohenden Zwiespalt im Bunde hervorzurufen. Ein noch schlimmerer Mißgriff erschiene es uns aber, wenn die preußische Drohung des Austritts aus dem Bunde verwirklicht werden sollte, die wir selbst dann nicht gerecht­ fertigt fänden, wenn die Majorität mit ganz offenbarer Verletzung des Bun­ desrechts eine Delegirtenversammlung berufen und mit ihr Bundesbeschlüsse über gemeinsame deutsche Gesetze fassen wollte. Unabhängig von allem ­positiven Recht besteht das ursprüngliche und unveräußerliche Recht unseres Volkes auf nationale Zusammengehörigkeit und Einigung zu einem politi­ schen Ganzen. Wie im Anfang des Jahrhunderts die rettungslose Versunken­ heit des Reichs keine Entschuldigung war für den Abfall von der nationalen Sache, schwer und hart gebüßt von allen Theilen: so können wir heute selbst in der unzweifelhaftesten Rechtsverletzung des Einen nicht einen Rechtfer­ tigungsgrund für den Andern finden, das, wenn auch noch so ungenügende Band zu zerreißen, welches alle Glieder unseres Volkes zusammenhält. Ja, weit über das preußische Votum hinausgehend, glauben wir, daß selbst Der­ jenige, welcher die Rechtsbeständigkeit des restaurirten Bundestags läugnet und nur als Thatsache ihn anerkennt, wenigstens diese Thatsache, als letzten Zusammenhalt unseres Volkes, heilig halten muß wie ein höchstes Recht. Eine Zerreißung des Bundes würde an Allen auf das bitterste sich rächen, nicht minder an Denen, die sie veranlaßten, wie an Denen, die sie ausführten, und die zürnende Geschichte würde die eitle Mühe verschmähen, zu unter­ suchen, ob die Schuld Dieser oder Jener um ein Quentchen leichter oder schwerer sei. Angesichts einer gefahrdrohenden Katastrophe fragen wir, gibt es kein Mittel, ihr vorzubeugen? Wir denken, es ist eines zu finden. Erfaßt man, von dem einzelnen Streitfalle abstrahirend, den prinzipiellen Gegensatz zwischen Oesterreich und seinen Verbündeten einer- und Preußen andererseits, so be­ steht derselbe darin, daß Jene eine, dem nationalen Bedürfniß entsprechende Reform auf der Grundlage des bestehenden Bundes für möglich halten und jedenfalls nur eine solche zulassen wollen, während dieses eine Aenderung der Grundlage für nothwendig und, solange sie unverändert besteht, Umge­ staltungen für unzulässig hält, welche nach seiner Auffassung damit im Wi­ derspruch stehen. Wir haben uns zu oft und zu nachdrücklich für die letztere Ansicht erklärt, als daß wir es nochmals zu wiederholen brauchten. Nur die Umwandlung des Staatenbundes in den parlamentarischen Bundesstaat bringt

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wirkliche Hilfe; wir vermögen in keinerlei Modifikation des Bundestags eine irgend genügende Reform zu erblicken. Aber so lange die Vertreter einer durchgreifenden Reform im nationalen Sinn nicht in der Lage sind, für ihre Forderung zu handeln, sehen wir keinen Grund, die Gegenpartei an ihren Ver­ suchen, die alte Bundesverfassung zu verbessern, rein negativ zu verhindern. Bis uns ausführbare Vorschläge von wirklichem Inhalt gemacht sind, glauben wir nicht an diese Möglichkeit; gegen den Versuch können wir aber um so weniger einwenden, als er selber die Richtigkeit unserer entgegenstehenden Ansicht bestätigen wird. An einer Bedingung aber müssen wir freilich festhalten, wenn wir dafür sprechen, den Anhängern des Delegirtenplanes freie Bahn für ihre Versuche zu gönnen, an der Bedingung nämlich, daß, wenn sie die Bundesverfassung durch den Bundestag auf der bestehenden Grundlage verbessern wollen, sie auch innerhalb der Grenzen des Bundesrechts sich halten; daß sie nicht durch offenbar unzulässige Majoritätsbeschlüsse dem Bundestag eine Kompetenz zu Beschlüssen über gemeinsame deutsche Gesetze zuweisen, die er positivrechtlich nicht hat und nach der Natur der bestehenden Verhältnisse als bloßer Staatenbund, außer in konkreten Fällen kraft allgemeiner Uebereinstimmung, unmöglich haben kann. Die Regierungen, welche die bestehende Bundesver­ fassung durch die Einrichtung von Delegirtenversammlungen zu verbessern suchen, kommen mit ihrem eigenen Standpunkt in Widerspruch, wenn sie ­jenen Bestimmungen eine bundesverfassungsmäßig entschieden unstatthafte Anwendung geben wollen; dieselben wären vielmehr zur Theilnahme an ei­ ner solchen Thätigkeit des Bundestags zu berufen, welche unzweifelhaft in dessen Kompetenz gelegen ist. Das badische Separatvotum deutet eine derar­ tige Verwendung der Delegirten an. Die Matrikularbeiträge zur Bundeskasse und die Festsetzung der Militärkontingente zum Bundesheer erfolgen jetzt durch Beschlüsse des Bundestags; die ungehemmte Wirksamkeit dieser Be­ schlüsse in den einzelnen Bundesstaaten ist, im Widerspruch mit den konsti­ tutionellen Verfassungen derselben, nur um den Preis zu erkaufen, daß das freie ständische Bewilligungsrecht rechtlich negirt oder thatsächlich darauf verzichtet wird. Glaubt man überhaupt durch eine mit dem Bundestag in Ver­ bindung gesetzte Versammlung von Delegirten der Einzelkammern die Bun­ desverfassung verbessern zu können, so ist die natürlichste Funktion einer solchen Versammlung offenbar die, durch sie die Matrikularbeiträge und Mi­ litärkontingente endgiltig bewilligen zu lassen. Der Widerspruch zwischen den konstitutionellen Einzelverfassungen und dem absolutistischen Bundes­ tag wird dadurch wenigstens etwas gemildert; die Einfachheit des Gegenstan­ des macht eine erfolgreiche Verhandlung zwischen den beiden zahlreichen und vielgetheilten Körperschaften des Bundestags und der Delegirtenver­ sammlung verhältnißmäßig leicht; die letztere hat in dem ihr eingeräumten

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Oertzen an Roggenbach

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Zustimmungsrecht zu unentbehrlichen, periodisch wiederkehrenden Be­ schlüssen des Bundestages so viel reelle Macht, daß sie nicht wie in dem Falle, wenn sie lediglich auf legislatorische Arbeiten beschränkt wäre, Gefahr läuft, daß ihr Votum spurlos im Wind verwehe. Eine Delegirtenversammlung zur Bewilligung der Matrikularbeiträge und der Militärkontingente ist nach unserm Urtheil nicht entfernt eine dem nationalen Bedürfniß entsprechende Reform; sie wäre aber immerhin eine, wenn gleich sehr mäßige, Verbesse­ rung der bestehenden Bundesverfassung, ohne Alterirung ihrer Grundlage, so daß sich von diesem Standpunkte aus nichts dagegen einwenden ließe. Durch eine Vereinigung über eine derartige Reform könnte der drohende Zwiespalt am Bundestag, möglicher Weise ein furchtbarer Riß in unsere nationale Exi­ stenz, vermieden werden; die Anhänger des Delegirtenplanes hätten das We­ sentliche ihrer Absicht erreicht, einen Versuch zu machen, ob durch Aende­ rungen der Bundesverfassung auf der bisherigen Grundlage wirksame Hilfe zu schaffen sei; die Vertreter der entgegengesetzten Ansicht könnten, und so hoffen wir, würden auch nicht Einsprache dagegen erheben, da der Versuch sich streng innerhalb des Bundesrechtes bewegte. Wie es auch komme, Gott walte über dem Vaterlande, daß es sich nicht selbst zerreiße.

7. Oertzen1 an Roggenbach2

GLA Karlsruhe, 48/1526, fol. 98–102. Depesche. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 14. Januar 1863. Entwurf im LHA Schwerin, MdaA, Nr. 99.

Die Regierung von Mecklenburg-Schwerin kann auf den badischen Vermittlungsvorschlag vom 7. Januar 1863 nicht eingehen. Der badische Vorschlag ist noch bedenklicher als derjenige, der damit beseitigt werden soll. Aus föderativer Sicht kann er nicht zu einer Kräftigung des Bundes führen, sondern eher zu Übelständen, wie sie derzeit bei anderen heterogenen Nationen wie den USA oder Italien zutage treten. Die Übertragung der parlamentarischen Regierungsform auf den Deutschen Bund würde zur Unterordnung aller Einzelregierung unter einen einheitlichen Willen und zur absoluten Majoritätenherrschaft über die Interessen und Bedürfnisse der Einzelstaaten führen, der Staatenbund würde sich in einen Bundesstaat verwandeln. Dies 1 Jasper Joachim Bernhard Wilhelm von Oertzen auf Leppin (1801–1874), seit 1822 im Staats­ dienst von Mecklenburg-Schwerin, 1850–1858 Bundestagsgesandter der beiden Mecklenburg, 1858–1869 Staatsminister von Mecklenburg-Schwerin; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 266; Oertzen, Leben. 2 Franz Freiherr von Roggenbach (1825–1907), 1848 Sekretär im Reichsministerium des Aus­ wärtigen in Frankfurt, 1849 badischer Legationssekretär in Berlin, seit 1859 Ratgeber Groß­ herzog Friedrichs I. von Baden, 1861–1865 badischer Außenminister; NDB, Bd. 21, S. 756 f.; DBE, Bd. 8, S. 366; Einhaus, Franz von Roggenbach.

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würde den wahren Wünschen der deutschen Nation zuwiderlaufen. Anstatt dem Bund ein Organ der deutschen Volksvertretungen hinzuzufügen, müssen die monarchischen Regierungen von aller Beschränkung und Lähmung durch ihre eigenen Volksvertretungen befreit werden. Statt mit neuen Verfassungsformen zu experimentieren, kommt es zunächst auf eine „feste und wirklich föderative Handhabung der bestehenden Bundesorganisation“ an.

Schwerin, 12. Januar 1863 Die Regierung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Mecklen­ burg-Schwerin bedauert, auf den Gedanken nicht eingehen zu können, der in dem geehrten Schreiben des hochlöblichen Großherzgl. Badischen Ministe­ riums des Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten vom 7. d. M.3, be­ treffend die Berufung einer Delegirten-Versammlung am Bunde enthalten ist. Blos formell betrachtet würde der Antrag, den die Großherzoglich Badi­ sche Regierung zwar nicht zu stellen wünscht, dem sie aber sich anzuschlie­ ßen bereit sein würde, nämlich „die Bewilligung sämmtlicher bisher von der Bundesversammlung beschlossenen Matricular-Beiträge für Bundeszwecke und die Veränderungen und Erhöhung der Contingentsätze des Bundesheeres, woraus den Einzelstaaten finanzielle Lasten erwachsen, einer Versammlung von Bevollmächtigten und mit dem Rechte definitiver Beschlußfassung aus­ gerüsteten Delegirten der deutschen Ständeversammlungen zu übertragen,“ die damit beabsichtigte Hinausschiebung der bevorstehenden Abstimmung über das bisherige Delegirtenproject nach der bestehenden Geschäftsordnung schwerlich herbeiführen. Jedenfalls scheint es uns zur Erreichung dieses an sich wünschenswerthen Zweckes, der, wenn die antragstellenden Regierun­ gen wirklich dazu geneigt sein sollten, auf viel einfacheren Wegen zu realisi­ ren ist, nicht erforderlich zu sein, ein neues Project einzubringen, welches viel tiefer in die bestehenden Bundesverhältnisse eingreift, und in noch viel höherm Grade bedenklich ist, als dasjenige, welches damit beseitigt werden soll. Das Großherzoglich Badische hochlöbliche Ministerium äußert nun zwar selbst in dem erwähnten Schreiben, daß es in dem neuen Projecte irgend eine ernstliche Anbahnung eines ersten Schrittes für eine Bundes-Reform nicht er­ blicken könne, auch nicht glaube, daß damit ein auch nur auf kurze Zeit aus­ reichendes Surrogat derselben geschaffen werde, und weit entfernt sei, die Bedenken zu verkennen, welche der Einrichtung der Delegirten überhaupt und insbesondere wegen des Mangels einer kräftigen und einheitlichen ­Executive entgegenstehen. Wenn gleichwohl die gerügten Uebelstände dem ­neuen Projecte gegenüber geringer angeschlagen werden, theils um die bis­ 3 Siehe Dok. 3.

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Oertzen an Roggenbach

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herige absolute Rechtskräftigkeit der finanziellen Bundesbeschlüsse aufzuhe­ ben und den Anforderungen der constitutionellen Regierungsform unterzu­ ordnen, theils aber auch um durch den angeregten Gedanken, der in der Aus­ führung mancherlei Modalitäten gestatte, den Schein eines blos negirenden Verhaltens in der Bundes-Reformfrage abzuwenden, so halten wir es unserer­ seits für eine föderative Pflicht, offen die Ueberzeugung auszusprechen, daß in dieser Richtung eine heilsame Kräftigung des deutschen Bundes nicht zu erreichen ist. Der deutsche Bund ist nicht blos nach den bestehenden europäischen Ver­ hältnissen und nach seinen Grundgesetzen ein Staatenbund, sondern er wird auch nach innerer Nothwendigkeit ein solcher bleiben, theils weil er zwei ­europäische Großmächte zu seinen Mitgliedern zählt, theils weil die berech­ tigten Interessen und Bedürfnisse auch seiner übrigen Mitglieder von einan­ der sehr verschieden sind. Jede Verkennung oder gewaltsame Unterdrückung dieser Verschiedenheiten muß zu denselben Uebelständen führen, deren ­consequente Entwickelung die Geschichte anderer aus heterogenen Bestand­ theilen zusammengesetzter großer Nationen, in neuester Zeit vorzugsweise das Schicksal der nordamerikanischen Union und Italiens, in einem beklagens­ werthen Bilde vor Augen stellt. Nun aber wird von keiner Seite geleugnet wer­ den, daß, wenn auch in den kleinern Verhältnissen einzelner deutscher Bun­ desstaaten dem Constitutionalismus, wie er sich aus den deutschen landständi­ schen Verhältnissen herausgebildet hat, seine Berechtigung nicht abzusprechen sein mag, doch die Uebertragung der parlamentarischen Regierungsform auf den deutschen Bund nicht blos zu einer einheitlichen Regierungsgewalt, also zu einer formell organisirten Unterordnung aller Bundes-Regierungen unter einen einheitlichen Willen, sondern auch zu einer absoluten Majoritäten-Herr­ schaft über die Interessen und Bedürfnisse aller Bestandtheile der deutschen Nation führen muß, so daß der Staatenbund in einen Bundesstaat sich verwan­ delt. Wie sehr ein solches Bestreben den wahren Wünschen der deutschen Na­ tion zuwiderläuft, beweist der Ausgang des Versuches, die Frankfurter Reichs­ verfassung vom Jahre 1849 zur Geltung zu bringen. Wenn aber unter allen Mitteln, den Parlamentarismus zur Herrschaft über die deutschen Bundes­ verhältnisse zu bringen, die Einräumung des Rechts zur Bewilligung der Geld­ bedürfnisse des Bundes an eine Versammlung von Delegirten sämmtlicher deutscher Volksvertretungen als das wirksamste anerkannt werden muß, so wird es einer weiteren Ausführung der Bedenken nicht bedürfen, welche dem neuen Delegirten-Projecte entgegen stehen. Wir glauben indessen, um nicht lediglich zu negiren, auch den Weg andeu­ ten zu sollen, auf welchem allein unter den gegebenen thatsächlichen Verhält­ nissen eine wahre Kräftigung des deutschen Bundes zu erreichen sein dürfte. Wie sehr auch unter den Mitgliedern des Bundes die Ansichten darüber diffe­

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riren mögen, ob neue Institutionen nothwendig oder wünschenswerth sind, um die Bundespraxis den Anforderungen irgend eines Regierungssystems mehr und mehr anzupassen, oder eine uniforme Codification des Privatrech­ tes zu befördern, oder auf anderen Gebieten gleichmäßige Gesetze für ganz Deutschland zu Stande zu bringen, darin werden doch alle Regierungen unter einander und mit den wahren Wünschen, mit dem vollkommen berechtigten Verlangen der deutschen Nation übereinstimmen, daß der Bund die innere und äußere Sicherheit Deutschlands und die Unabhängigkeit und Unverletz­ barkeit der einzelnen deutschen Staaten kräftig bewahren soll. An der reellen Macht zur Erfüllung dieser höchsten Zwecke fehlt es dem deutschen Bund nicht. Was ihn zu lähmen und zu schwächen droht, ist die in particularen ­Interessen liegende Schwierigkeit, von der vorhandenen Macht, insbesondere von der militairischen, nach einem einheitlichen Willen energischen Ge­ brauch zu machen. Wenn es nun in der Natur der Sache liegt, daß ein einheit­ licher Wille unter mehreren Staaten um so leichter zu erreichen ist, je weniger Factoren bei der Bildung derselben concurriren und je unabhängiger diese Factoren sich entschließen können, so spricht dies zunächst entscheidend ge­ gen jedes Bestreben, die Zahl der Factoren zur Bildung eines einheitlichen Willens dadurch zu vermehren, daß man den bestehenden noch ein mächti­ ges, seiner Natur nach aber wechselndes und eben deshalb schwankendes Or­ gan der gesammten deutschen Volksvertretungen hinzufügt, wie denn auch zu allen Zeiten die Erhöhung politischer Macht in Zeiten der Noth nicht durch größere Theilung der Gewalt, sondern durch Concentrirung derselben, durch die Dictatur erstrebt ist. Es folgt hieraus auch die Nothwendigkeit, die Reprä­ sentanten des Willens der einzelnen Staaten mindestens da, wo es auf eine kräftige Handhabung der Macht des deutschen Bundes[,] besonders der mili­ tairischen ankommt, möglichst unabhängig zu stellen. In dieser Richtung müssen die Mitglieder des deutschen Bundes[,] die monarchischen vorzugs­ weise, zunächst einzeln wieder frei werden von aller Beschränkung und Läh­ mung durch ihre eigene Volksvertretung, mehr aber noch müssen sie in ihrer Gesammtheit gesichert werden gegen die Schwächung, die überhaupt in der doppelten Vertretung eines Staatsorganismus durch zwei von einander unab­ hängige Organe (Regierung und Stände) unvermeidlich liegt. Diese Befrei­ ung der Mitglieder des Bundes und des Bundes selbst von schwächenden Einflüssen ist für diejenigen Gebiete, wo auf eine energische einheitliche Ac­ tion Alles ankommt, zweifellos durch verfassungsmäßige Bundesbeschlüsse erreichbar. Sie würde aber zugleich den wichtigen Erfolg haben, daß die ­Einigkeit unter den Bundesgliedern durch eine wahrhaft föderative Praxis am Bunde erleichtert würde und befördert werden könnte, während erfahrungs­ mäßig alle Versuche mit neuen Verfassungsformen zu experimentiren, immer nur zu neuen Zerwürfnissen geführt haben, so lange es an wahrer Einigkeit

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Hügel an Dusch

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gefehlt hat. Auf eine feste und wirklich föderative Handhabung der bestehen­ den Bundesorganisation kommt es also zunächst an. Sie wird auf der einen Seite der beste Schutz sein gegen das Vordrängen des undeutschen Dualis­ mus, insofern er nach formeller Anerkennung strebt, auf der andern Seite bie­ tet sie aber auch die Mittel, der berechtigten Stellung der beiden deutschen Mächte jede Anerkennung widerfahren zu lassen, welche mit der Einheit Deutschlands und mit der Unabhängigkeit der einzelnen deutschen Staaten verträglich ist, um so im höchsten Interesse Aller beide Mächte geneigter zu machen, sich in bestimmten, auch den eignen Interessen förderlichen Bezie­ hungen einem höheren einheitlichen Willen unterzuordnen, eine Unterord­ nung, die freilich bis auf einen gewissen Grad von allen Bundesgliedern ge­ fordert werden muß, denn ohne sie ist überhaupt kein Vertrag, kein Bund, keine Staatsordnung, kein Recht möglich. Das unterzeichnete Ministerium benutzt mit Vergnügen diesen Anlaß, das hochlöbliche Großherzoglich Badische Ministerium des Hauses und der aus­ wärtigen Angelegenheiten wiederholt seiner vorzüglichen Hochachtung zu versichern. Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. v. Oertzen

8. Hügel an Dusch1

GLA Karlsruhe, 48/1526, fol. 123 f. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 13. Januar 1863.

Württemberg hat den lebhaften Wunsch, eine Spaltung am Bund zu vermeiden und betrachtet den badischen Vermittlungsvorschlag als einen schätzenswerten Beitrag zu einer eingehenden Erörterung der Reformfrage in der Bundesversammlung. Sollten die übrigen Regierungen, die den Antrag vom 14. August 1862 eingebracht haben, sich dafür aussprechen, den badischen Vorschlag im Bund zur Verhandlung zu bringen und die Abstimmung über die Ausschußanträge vom 18. Dezember 1862 auszusetzen, so würde Württemberg sich diesem Vorgehen anschließen. Hügel bezweifelt aber, daß die preußische Regierung dem badischen Vorschlag zustimmen und die Mitwirkung einer ständischen Vertretung am Bund in militärischen Angelegenheiten zulassen wird.

Stuttgart, 12. Januar 1863 Mittelst geehrtester Zuschrift vom 10. d. Mts ist es Seiner Hochwohlgeboren dem Großherzoglich Badischen Minister-Residenten Herrn Legationsrath von 1 Ferdinand Freiherr von Dusch (1819–1889), 1853–1872 außerordentlicher Gesandter und be­ vollmächtigter badischer Minister in Stuttgart; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 25.

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Stuttgart, 12. Januar 1863

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Dusch gefällig gewesen, im Auftrage der Großherzoglichen Regierung eine auf die dermalen am Bunde schwebenden Verhandlungen über den Collectiv­ antrag vom 14. August v. Js auf Einberufung einer Delegirtenversammlung bezügliche Mittheilung hieher gelangen zu lassen. Die Königliche Regierung hat von dieser schätzbaren Mittheilung der so nahe benachbarten Bundesregierung mit dem lebhaften Interesse Kenntniß genommen, welches schon durch die Wichtigkeit der Angelegenheit, um welche es sich hiebei handelt, geboten ist und sie wird nicht unterlassen, den in jener Mittheilung angeregten materiellen Vorschlag in die sorgfältig­ ste Erwägung zu nehmen. Inzwischen beeilt sich der Unterzeichnete, dem von dem Großherzoglichen Herrn Minister-Residenten ausgedrückten Wun­ sche nach einer beschleunigten Rückäußerung in Nachstehendem zu ent­ sprechen. Zuvörderst hat der Unterzeichnete die Ehre, Seine Hochwohlgeboren zu versichern, wie die Königliche Regierung von dem lebhaftesten Wunsche durchdrungen ist, daß dem Ausbruche einer Spaltung am Bunde, wie solcher aus Anlaß der über den erwähnten Collectivantrag vom 14. August v. Js in den bezüglichen Ausschußanträgen vom 18. Decbr v. Js hervorgetretenen Meinungsverschiedenheit befürchtet werden muß, in jeder thunlichen Weise vorgebeugt werden möge. Es wird daher auch der ferneren Versicherung kaum bedürfen, daß die Königliche Regierung dem von der Großherzoglich Badischen Regierung kundgegebenen Bestreben, das Ihrige zur Vermeidung des drohenden Conflicts beizutragen, volle Anerkennung zollt. Auch verkennt die Königliche Regierung keineswegs, daß der Gedanke, welchem die Groß­ herzoglich Badische Regierung im Schooße der Bundesversammlung dem­ nächst einen formellen Ausdruck zu geben beabsichtigt, geeignet seyn dürfte, in formeller Richtung zu Erreichung des von derselben gewünschten Zwec­ kes beizutragen. Schon bei Einbringung des gemeinsamen Antrags vom 14. August v. Js ist die Königliche Regierung von dem Wunsche beseelt ge­ wesen und sie ist es auch noch heute, daß der in diesem Antrage in Anregung gebrachte Vorschlag der Zuziehung von Delegirten aus den deutschen Stän­ dekammern zu den Verhandlungen am Centralpuncte des Bundes nach allen Seiten hin auf das Gründlichste erwogen und zum Gegenstand erschöpfender Berathungen am Bunde gemacht werden möge, indem sie von der Ueberzeu­ gung ausgeht, daß eine eingehende Erörterung des Vorschlags im Schooße der Bundesversammlung am ehesten geeignet seyn dürfte, eine Ausgleichung der über diesen besonderen Gegenstand wie in der Bundesreformfrage über­ haupt jetzt noch hervortretenden Gegensätze und schließlich vielleicht eine Verständigung der Bundesgenossen in der für Alle so hochwichtigen Angele­ genheit der Gestaltung der inneren politischen Verhältnisse Deutschlands zu ermöglichen.

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Hügel an Dusch

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Als einen schätzenswerthen Beitrag zu einer eingehenden Erörterung der durch den Collectivantrag vom 14. August v. Js angeregten Fragen betrachtet die Königliche Regierung auch den gefällig hieher mitgetheilten Vorschlag der Großherzoglich Badischen Regierung und wenn daher die Großherzog­ liche Regierung mit der beabsichtigten Erklärung am Bunde hervortreten und diejenigen Bundesregierungen, mit welchen die Königliche Regierung in der Reformfrage seither in gleichem Schritt gegangen ist, die Ansicht kundgeben würden, daß diese Erklärung zum Gegenstande geschäftlicher Behandlung am Bunde gemacht und daß, im Hinblick darauf, insbesondere die Abstim­ mung über die Ausschußanträge vom 18. Decbr v. Js vorerst ausgesetzt wer­ den solle, so wird die Königliche Regierung gerne bereit sein, sich dieser An­ sicht anzuschließen. Dabei glaubt übrigens die Königliche Regierung den Ausdruck ihres Zwei­ fels darüber nicht zurückhalten zu sollen, ob der von der Großherzoglich Ba­ dischen Regierung angeregte Vorschlag sich seitens der Königlich Preußi­ schen Regierung einer günstigeren Aufnahme zu erfreuen haben werde, als sie dem Collectivantrage vom 14. August v. Js zu Theil geworden ist, indem die Betrachtung der Differenzen, welche vor Kurzem in Preußen anläßlich der militärischen Organisationsfrage und der damit zusammenhängenden ­financiellen Fragen hervorgetreten sind2, zu dem Schlusse berechtigt, daß die Königlich Preußische Regierung wenig geneigt seyn werde, in solchen ­Fragen die eingreifende Mitwirkung einer ständischen Vertretung am Bunde zuzulassen. Indem der Unterzeichnete Seine Hochwohlgeboren ersucht, diese Rück­ äußerung gefällig zur Kenntniß der Großherzoglichen Regierung bringen zu wollen, benützt er zugleich mit Vergnügen diesen Anlaß, um Denselben die Versicherung seiner besonders ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern. Hügel

2 Hügel bezieht sich auf den Streit, der in Preußen zwischen der Regierung Bismarck und dem Abgeordnetenhaus wegen der geplanten Heeresreform entstanden war. Als Bismarck die Re­ form und die damit verbundenen Ausgaben ohne parlamentarische Zustimmung durchzuführen begann, eskalierte die Auseinandersetzung seit Ende 1862 zum Verfassungskonflikt. Vgl. dazu ausführlich Gall, Bismarck, S. 199–292.

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Berlin, 13. Januar 1863

9. Marschall1 an Roggenbach

GLA Karlsruhe, 48/1526, fol. 121 f. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 14. Januar 1863.

Preußen kann den badischen Vermittlungsvorschlag nicht übernehmen. Wenn die Verhältnisse sich so gestalten, daß es sein Programm in der nationalen Frage darlegen wird, wird Preußen zu viel weitergehenden Vorschlägen kommen müssen. Im übrigen könne der ganz neue Vorschlag Badens eine vorbereitete Abstimmung nicht aufhalten.

Berlin, 13. Januar 1863 Hochwohlgeborner Freiherr, Hochzuverehrender Herr Präsident! Anknüpfend an meinen gehorsamsten Bericht vom Gestrigen No 6 beehre ich mich Euer Hochwohlgeboren in Kenntniß zu setzen, daß Herr von Thiele2 mir heute im Namen des Herrn Ministerpräsidenten bemerkte, das Preußische Cabinet sei Euer Hochwohlgeboren sehr dankbar für die in der an mich ge­ richteten Depesche vom 7. d. M.3 N. 2 enthaltenen Mittheilung. Es erkenne darin einen weiteren sehr erfreulichen Beweis der freundlichen Gesinnungen der Großh. Regierung gegen Preußen und ihres Bestrebens, mit diesem ge­ meinsam zum allgemeinen Wohle mitzuwirken. Den Vorschlag der Creïrung einer beschließenden Delegirtenversammlung zur Feststellung über Matricularbeiträge und Contingentsätze könne die Kö­ nigl. Regierung aber nicht zu ihrem Antrage erheben, indem sie zu weit tiefer gehenden und durchgreifenderen Vorschlägen kommen müßte, sobald die Verhältnisse sich so gestalteten, daß sie zur Darlegung ihres Programmes über dasjenige, was ihr nöthig erscheine, um den nationalen Wünschen entge­ genzukommen, übergehen könne. Auch einen Ausgangspunkt zur Vermittlung könne sie, bei der Stimmung, welche in Frankfurt herrsche, in dem Vorschlage der Großh. Regierung nicht erkennen, und sich daher keine Vortheile von demselben versprechen. Zudem sei bereits von anderer Seite bemerkt worden, daß der Vorschlag als ein ganz neuer zu betrachten sei, der eine vorbereitete Abstimmung nicht aufhalten könne. Uebrigens war Herr von Thiele nicht dazu zu bringen, sich bestimmt darüber zu erklären, ob die Königl. Regierung die Geltendmachung des Ge­ dankens der Großh. Regierung bei den Berathungen in der Bundesversamm­ 1 Adolf Freiherr Marschall von Bieberstein (1806–1891), 1856–1864 badischer Gesandter in Berlin und Dresden; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 20. 2 Carl Hermann von Thile (1812–1889), 1862–1866 Unterstaatssekretär im preußischen Mini­ sterium der auswärtigen Angelegenheiten; Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 399. 3 Siehe Dok. 3.

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Antrag in der kurhessischen Ständeversammlung

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lung immerhin genehm, oder unangenehm oder gleichgültig ist. Im Ganzen schien es mir, sie lege weder auf das Vorbringen noch auf das Unterlassen Werth. Herr von Thiele bemerkte mir, daß der Vorschlag der Großh. Regierung bereits Gegenstand vielfacher Besprechungen sei; denn das Königl. Ministe­ rium habe gerade heute von verschiedenen seiner Gesandten Berichte erhal­ ten über Unterredungen, die sie deßfalls mit dem Minister des Hofes hatten, bei welchem sie accreditirt sind. Das Wesentliche meiner hier bezeichneten Unterredung mit Herrn von Thiele habe ich mir, bei der Dringlichkeit der Sache, erlaubt, Euer Hochwohl­ geboren bereits heute Mittag 2 Uhr telegraphisch zugehn zu lassen. Verehrungsvoll verharrend Marschall   Antrag in der kurhessischen Ständeversammlung 

10. Antrag des Abgeordneten Wippermann1 in der kurhessischen Ständeversammlung auf Einberufung eines deutschen Parlaments

StA Marburg, Bestand 9a, Nr. 641, fol. 22 f. Beilage 26 zu Nr. 107 der Protokolle der Ständever­ sammlung. Separatdruck. Abdruck in: Beilagen zu den Verhandlungen des Kurhessischen Land­ tags vom 27. October 1862 bis 31. October 1863. Landtagsperiode 1861–1863. Kassel 1863, Beilage 26, Sp. 1–8. Behändigter Entwurf in: StA Marburg, Bestand 73, Nr. 475, Bd. 3.

Der Abgeordnete Wippermann hegt die Besorgnis, daß die kurhessische Regierung dem Antrag auf Einberufung einer Delegiertenversammlung zustimmt und damit einen Beschluß herbeiführt, den die Ständeversammlung niemals akzeptieren könne. Wippermann stellt den Antrag, die Ständeversammlung solle die Regierung ersuchen, den Bestrebungen zur Einführung einer Delegiertenversammlung entgegenzutreten. Vom Gesichtspunkt der Bundesreform betrachtet, ist die Delegiertenversammlung völlig ungenügend, denn in ihr kann „nicht einmal die winzigste Abschlagszahlung auf die großen und gerechten Forderungen der Nation“ gefunden werden. Die beabsichtigte Rechtsvereinheitlichung ist von untergeordneter Bedeutung, wenn man die übrigen Mängel der Verfassung Deutschlands betrachtet. Nötig sind vor allem eine starke Zentralgewalt nach außen und eine freiheitliche Volksvertretung im Innern. Die bundesstaatliche Einheit Deutschlands kann nur herbeigeführt werden durch die Einberufung eines frei gewählten deutschen Parlaments.

1 Carl Ferdinand Liborius Wippermann, gen. von der Wipper (1831–1911) studierte Jura in Mar­ burg und wurde 1856 in Göttingen promoviert. Er arbeitete als Publizist und war von 1861 bis 1872 Redakteur der „Hessischen Morgenzeitung“ in Kassel. Von 1861–1866 war Wippermann Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Lengemann, MdL Hessen, S. 414 f.; Grothe (Hrsg.), Die Abgeordneten der kurhessischen Ständeversammlungen, S. 129 f.

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Kassel, 13. Januar 1863

Kassel, 13. Januar 1863 Antrag des Abgeordneten Wippermann, wegen Einführung einer Delegirtenver­ sammlung am deutschen Bunde Hohe Ständeversammlung! Das Verlangen des deutschen Volkes nach einer besseren Gesammtverfassung ist in den letzten Jahren wieder so dringend geworden, daß selbst der neue Bundestag sich der Einsicht nicht hat verschließen können, daß Reformen durchaus unvermeidlich sind. Statt aber die rechten Wege zu einer gründli­ chen Umbildung einzuschlagen, hat er dem allgemein laut gewordenen Wun­ sche, dem Rufe nach Einheit, dadurch entsprechen zu können geglaubt, daß er auf Einführung gleicher Maße und Gewichte, auf Errichtung eines ständi­ gen Bundesgerichts und auf Erlaß gemeinsamer Gesetze bedacht gewesen ist.2 Insbesondere hat er am 6. Februar v. J. beschlossen, wegen Ausarbei­ tung einer allgemeinen Civilproceßordnung, sowie eines gemeinschaftlichen Obligationenrechts Einleitung zu treffen.3 Doch konnte den Regierungen das Ungenügende solcher Bestrebungen nicht entgehen. Am 14. August v. J. versuchte man, noch einen Schritt weiter zu thun. Die Regierungen von ­Oesterreich, Baiern, Sachsen, Hannover, Würtemberg, Kurhessen, HessenDarmstadt und Nassau stellten den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle sich durch einen Ausschuß die näheren Vorschläge über die Art der Zusammensetzung und Einberufung einer aus den einzelnen deutschen Ständekammern durch Delegation hervor­ gehenden Versammlung erstatten lassen, welcher zunächst die laut Bun­ desbeschlusses vom 6. Februar v. J. auszuarbeitenden Gesetzentwürfe über Civilproceß und Obligationenrecht zur Berathung vorzulegen sein werden.4

2 Wippermann bezieht sich auf die diversen Bundes- und Sachverständigenkommissionen, die sich seit Mitte der 1850er Jahre mit Entwürfen für einheitliche Gesetze im Deutschen Bund befassten; vgl. dazu ausführlich Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation. Die Schaffung eines Bundesgerichts als höchste richterliche Instanz im Deutschen Bund war schon bei der Bundesgründung 1814/15 Gegenstand der Diskussion gewesen und war damals am Wider­ stand der Mittelstaaten gescheitert. Auf der Dresdener Konferenz 1851 wurde erneut intensiv über ein Bundesgericht beraten, doch es kam wieder nicht zu einer Einigung. In der Folgezeit gab es verschiedentlich Initiativen zur Einführung des Bundesgerichts, die aber alle im Sande verliefen. Vgl. dazu Wyduckel, Die Diskussion um Errichtung eines Bundesgerichtes; MüllerKinet, Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund. 3 Siehe QGDB III/3, Dok. 111. 4 Siehe QGDB III/3, Dok. 140, S. 734. Die nachfolgenden Zitate ebd.

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Antrag in der kurhessischen Ständeversammlung

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Nach der Begründung des Antrags soll diese Delegirtenversammlung zu­ nächst dazu dienen, den Ständen der Einzelstaaten die Möglichkeit zu geben, auf die Abfassung der fraglichen Gesetze einen gewissen Einfluß zu üben; es soll dem Uebelstande abgeholfen werden, daß die einzelnen Ständeversamm­ lungen entweder, „das außerhalb ihres Wirkungskreises entstandene Werk ohne eigene Prüfung genehmigen, mithin auf ihren verfassungsmäßigen Beruf der Mitwirkung zur Gesetzgebung in weitem Umfange thatsächlich verzichten müssen“, oder aber in Gefahr kommen, durch selbstständige Berathung und dergleichen die erstrebte Gleichmäßigkeit wieder zu stören. Die von den Land­ tagen abgeordneten Mitglieder der beabsichtigten Versammlung, meint man, würden durch ihre Thätigkeit in derselben, sowie durch ihr Ansehen dafür bür­ gen, daß in jeder einzelnen Ständeversammlung den „am Bunde, gleichsam mit den Gesetzgebungsausschüssen der einzelnen Kammern“ berathenen und festgestellten Gesetzentwürfen „die noch nothwendige verfassungsmäßige Zu­ stimmung dieser Kammern nicht fehlen werde“. Die Antragsteller „stimmen sodann in der Ansicht und dem Wunsche überein“, daß der gemachte Vor­ schlag „nicht etwa blos ein Auskunftsmittel“ für den einzelnen Fall sein, son­ dern auch, wie es ausdrücklich heißt, „dauernd in die Organisation des deut­ schen Bundes übergehen“ werde. Dabei haben sie sich, wie weiter versichert wird, „vergegenwärtigt halten müssen, daß die organische Einfügung eines re­ präsentativen Elements in die Bundesverfassung mit Nothwendigkeit zugleich eine entsprechende veränderte Executive des Bundes bedinge.“ Der Antrag hat jedoch nicht bei allen Bundesgliedern Anklang gefunden. Insbesondere ist derselbe von der preußischen Regierung sofort bestritten worden, theils weil er auf eine Zuständigkeitserweiterung der Bundesgewalt „über den staatenbundlichen Character hinaus“ abziele, theils weil damit nicht „derjenige Weg betreten würde, welcher zu einer gedeihlichen Reform der Bundesverfassung als berechtigt und zweckmäßig erscheine.“ Zugleich ist die Ansicht geltend gemacht worden, daß selbst die sogenannte „vorläufi­ ge Frage“ über die sachlich eingehende Behandlung nur mit Stimmeneinhel­ ligkeit entschieden werden könne. Indessen hat sich die Mehrheit der Bundesversammlung durch diese Ein­ wendungen nicht abhalten lassen, die Sache einem Ausschusse zu überwei­ sen. Dieser hat in der Sitzung vom 18. December v. J. Bericht erstattet und seiner Mehrheit nach den folgenden Antrag gestellt: Hohe Bundesversammlung wolle beschließen, die Einführung der Dele­ girtenversammlung sei zweckmäßig und räthlich, und es sei mit der Er­ stattung näherer Vorschläge über die Zusammensetzung und Einberu­ fung dieser Versammlung der Bundesgerichtsausschuß zu beauftragen.5 5 QGDB III/3, Dok. 155, S. 840.

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Carl Ferdinand Liborius von der Wipper, gen. Wippermann (1831–1911)

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Dagegen sind zwei Minderheitsgutachten abgegeben worden: eins von dem Königl. Preußischen Ausschußmitgliede mit dem Antrage, dem Vorschlage vom 14. August v. J. keine Folge zu geben, ein anderes von dem Großherzogl. Badischen Gesandten mit dem Antrage, „von der Zusammensetzung und Be­ rufung der beantragten Delegirtenversammlung Umgang zu nehmen.“6 Zur Abstimmung und Beschlußfassung ist die Bundestagssitzung vom 22. d. M. bestimmt. Es hat zwar nach dem bisherigen Verlaufe der Sache nicht den Anschein, als werde irgend ein wirksames Ergebniß erzielt werden; indessen ist der Ge­ genstand doch wichtig genug, um die Aufmerksamkeit der einzelnen Landes­ vertretungen und insbesondere auch dieser hohen Versammlung in Anspruch zu nehmen. Ich habe mir unlängst erlaubt, eine darauf bezügliche Anfrage an Kurfürstliche Landtagscommission zu richten, um zu erfahren, welche Stel­ lung dermalen die hohe Staatsregierung zu der Angelegenheit einnimmt. Die Antwort ging dahin, die Delegirtenversammlung stehe zunächst nur im ­Zusammenhange mit der gewünschten und beabsichtigten Einigung über ein gemeinsames Obligationen- und Proceßrecht für Deutschland. Zu einer ­bestimmten Entscheidung und verpflichtenden Erklärung über die weitere Frage, ob daraus demnächst eine dauernde Einrichtung gemacht werden solle, habe es der Regierung bis jetzt an einer jeden Veranlassung gefehlt. Zwar scheint hiernach die Staatsregierung dem Gedanken an eine bleibende Bundeseinrichtung der fraglichen Art noch nicht näher zu stehen, als zur Zeit der Antragstellung, wo sie blos der „Ansicht und dem Wunsche“ beipflichtete, daß die nächst beabsichtigte Versammlung „dauernd in die Organisation des Bundes“ übergehen möge; allein die fortwährende Mitwirkung und Theilnahme an der Erreichung des nächsten Zieles ist doch nicht bestritten worden. Es bleibt vielmehr die Besorgniß, daß die Regierung dem Mehrheitsantrage des Bundes­ ausschusses beistimmen und so vielleicht einen Beschluß herbeiführen werde, dem die Ständeversammlung niemals irgend eine Folge zu geben vermöchte. Je ungewisser die Haltung der Staatsregierung ist, um so bestimmter und entschie­ dener sich auszusprechen dürfte die Ständeversammlung veranlaßt sein. Ich erlaube mir daher zu beantragen: Hohe Staatsregierung, mit der Erklärung, daß die Ständeversammlung jede Mitwirkung zur Herbeiführung einer Delegirtenversammlung der fraglichen Art versagen werde, zu ersuchen, allen deßfallsigen Anträgen und Bestrebungen entgegenzutreten. Zur näheren Begründung bemerke ich noch Folgendes: Die Einrichtung einer solchen Delegirtenversammlung am Bunde kann, ganz abgesehen von der Frage, ob die Bundesversammlung selbst zu Recht 6 Ebd., S. 858.

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besteht, durch bloße Stimmenmehrheit bundesrechtlich nicht beschlossen werden. Preußen und Baden haben dies auch mit gleicher Entschiedenheit geltend gemacht, wenn auch zum Theil aus verschiedenen Gründen. Preußen sieht in der Einrichtung eine Gesetzgebungsanstalt und in dieser eine solche Neuerung, welche über den Bundeszweck hinausgehe, also ohne Aenderung der Bundesgrundbestimmungen, beziehungsweise ohne Stimmeneinhelligkeit aller Bundesglieder nicht Statt finden könne. Das Badische Ausschußmitglied theilte zwar diese Anschauung nicht, betrachtete aber seinerseits die beab­ sichtigte Anstalt als eine „organische Einrichtung“, wozu wiederum nach ­Artikel 13 der Wiener Schlußacte Stimmeneinheit erforderlich ist. Die Aus­ schußmehrheit stützt sich dagegen auf Artikel 64 der Wiener Schlußacte; al­ lein die Anwendung dieses Artikels führt abermals zu demselben Ergebniß, so sehr auch das Mehrheitsgutachten dies zu verschleiern bestrebt gewesen ist und verstanden hat. Es rechnet nämlich die zu beschaffenden g­ emeinsamen Gesetze zu den „gemeinnützigen Anordnungen“, von denen im Artikel 64 wie folgt die Rede ist: „Wenn Vorschläge zu gemeinnützigen Anordnungen, deren Zweck nur durch die zusammenwirkende Theilnahme aller Bundesstaaten vollstän­ dig erreicht werden kann, von einzelnen Bundesgliedern an die Bundes­ versammlung gebracht werden, und diese sich von der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit solcher Vorschläge im Allgemeinen überzeugt, so liegt ihr ob, die Mittel zur Vollführung derselben in sorgfältige Erwä­ gung zu ziehen, und ihr anhaltendes Bestreben dahin zu richten, die zu dem Ende erforderliche freiwillige Vereinbarung unter den sämmtlichen Bundesgliedern zu bewirken.“7 Nun ist es zwar klar, erörtert das Mehrheitsgutachten, daß zur Vollführung einer gemeinnützigen Anordnung „freiwillige Vereinbarung“, also die einhel­ lige Zustimmung Aller erforderlich ist; allein die Vorfrage, ob ein Vorschlag der Art zweckmäßig und ausführbar erscheint, und die Bestimmung der „Mittel“, welche zur Herbeiführung der freiwilligen Vereinbarung zu versuchen seien, erfordert nur einen einfachen Mehrheitsbeschluß des engeren Raths; denn, wollte man, wie Preußen thut, auch für die Vorfrage Einstimmigkeit verlangen, so wäre gar kein beschlußmäßiger Versuch, kein „anhaltendes Be­ streben“ zur Herbeiführung der Vereinbarung denkbar. Da nun die Delegir­ tenversammlung das Mittel sein soll, die gemeinsamen Gesetze zu Stande zu bringen, so kann über deren Zweckmäßigkeit und Anwendung durch einfache Stimmenmehrheit beschlossen werden. Diese Erörterung und Schlußfolgerung hat offenbar etwas Bestechendes; bei näherer Betrachtung ergiebt sich aber leicht, daß eine Delegirtenversamm­ 7 Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 100.

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Antrag in der kurhessischen Ständeversammlung

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lung der beabsichtigten Art nicht als ein bloßes Mittel zur Herbeiführung ei­ ner gemeinnützigen Anordnung anzusehen ist, sondern daß ihre Einführung selbst unter den Begriff einer solchen Anordnung fällt, „deren Zweck“ die Beschaffung gemeinsamer Gesetze ist. Doch, will man auch von solchen formellen Bedenken absehen, so ist für die Versagung jeder ständischen Mitwirkung schon der Umstand entscheidend, daß die fragliche Einrichtung, mag sie nun vorübergehend oder dauernd sein sollen, durchaus unzweckmäßig und aus dem Gesichtspunkte einer Bundesre­ form betrachtet, auch völlig ungenügend erscheint. Jedermann weiß, wie we­ nig geeignet große Versammlungen sind, systematische Gesetzbücher im Ein­ zelnen zu berathen. Es liegt das so sehr in der Natur der Sache, daß weitere Ausführung nicht nöthig erscheint. Will man die Stände der einzelnen Kam­ mern bei solchen Ausarbeitungen und Berathungen mitwirken lassen, so wür­ de es zum Mindesten viel einfacher und wirksamer sein, sie an der Bestellung der sachverständigen Kommissionsmitglieder Theil nehmen zu lassen. Betrachtet man aber gar die Delegirtenversammlung als eine dauernde Ein­ richtung zum Zweck der Verbesserung der Bundesverfassung, so leuchtet ein, daß auch nicht einmal die winzigste Abschlagszahlung auf die großen und gerechten Forderungen der Nation darin gefunden werden kann. So wün­ schenswerth es auch ist, daß mehr Gleichheit des Rechts und der Gesetze in Deutschland herbeigeführt werde, so ist dies doch, zumal in Betreff des Civil­ verfahrens und des Obligationenrechts, ein sehr untergeordneter Gegenstand, wenn man die übrigen Mängel der jetzigen Verfassung Deutschlands in Be­ tracht zieht. Was vor Allem noth thut ist eine starke, einheitliche Centralge­ walt nach Außen und eine freiheitliche Volksvertretung im Innern; die Wehr­ kräfte, das Gesandtschaftswesen, die Ordnung der Handelsverhältnisse u. s. w. müssen einer bundesstaatlichen Obergewalt angehören, während gerade in den Beziehungen, welche der Bundestag vorzugsweise betrat, den einzelnen Ländern mehr Selbstständigkeit gelassen werden kann, ohne irgend das Heil des Ganzen wesentlich zu gefährden. Die in Rede stehenden Bestrebungen sind daher so wenig dazu angethan, die Bedürfnisse der Nation zu befriedi­ gen, daß sie vielmehr nur vom rechten Ziele und Wege ablenken. Dies ist auch längst von den verschiedensten Seiten anerkannt worden. Insbesondere hat eine große Versammlung von Mitgliedern deutscher Volksvertretungen, welche am 28. und 29. September v. J. in Weimar tagte, sich mit allen gegen 4 Stimmen in folgender Weise ausgesprochen: „1) Die bundesstaatliche Einheit Deutschlands, wie sie, unbeschadet der Selbstständigkeit der einzelnen deutschen Staaten in inneren Landes­ angelegenheiten in der deutschen Reichsverfassung vom 28. März 1849 ihren rechtlichen Ausdruck gefunden hat, ist eine politische Nothwen­ digkeit für die Selbsterhaltung und das Ansehen Deutschlands nach Au­

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ßen, sowie für die Begründung und Festhaltung der Freiheit und eines gesicherten Rechtszustandes nach Innen. Sie kann nur herbeigeführt werden durch Einberufung eines Parlaments. Die Herstellung eines sol­ chen für ganz Deutschland ist ein Recht des deutschen Volkes. Dessen Errichtung mit allen gesetzlichen Mitteln zu betreiben, ist die Pflicht ei­ nes jeden Deutschen, sowie aller deutschen Regierungen und Landtage. 2) Das deutsche Parlament muß aus freien Volkswahlen hervorgehen. Die projectirte Delegirtenversammlung aus den Kammern der einzelnen deutschen Länder ist nicht einmal als eine Abschlagszahlung anzusehen, sondern von den Kammern zurückzuweisen.“8 Nun, meine Herren, ich beantrage und wünsche, daß auch diese hohe Ver­ sammlung dies thun möge. K. Wippermann   Wien, 14. Januar 1863 

11. Edelsheim1 an Roggenbach

GLA Karlsruhe, 48/1526, fol. 130–134. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 17. Januar 1863 Nachmittags.

Rechberg informiert den badischen Gesandten über den Stand der Verhandlungen zwischen Wien und Berlin. Einen Dissens gebe es nur in der Vorfrage, ob eine Beratung und Berichterstattung durch einen Ausschuß über den Antrag zulässig sei. Österreich stimme aber mit Preußen darin überein, daß die definitive Annahme des Delegiertenprojekts nur einstimmig erfolgen könne. Eine Bundesreform gegen den Willen oder ohne Mitwirkung Preußens würde die größten Gefahren für Deutschland 8 Seit 1859 hatte es Pläne für einen gesamtdeutschen Abgeordnetenkongress gegeben. Im Früh­ jahr 1862 ergriff der Nationalverein die Initiative und berief eine Versammlung deutscher Ab­ geordneter für den 8. Juni 1862 in Frankfurt ein. An dieser „Pfingstversammlung“ beteiligten sich 37 Abgeordnete, die ganz überwiegend aus Südwestdeutschland stammten. Die Pfingst­ versammlung bereitete einen allgemeinen Deutschen Abgeordnetentag vor und lud dazu alle „gegenwärtigen und gewesenen Mitglieder deutscher Volksvertretungen“ ein, sofern sie die „Einigung und freiheitliche Entwicklung Deutschlands“ anstrebten. Die offizielle Einladung wurde am 10. September 1862 in mehreren Zeitungen veröffentlicht. Der Einladung folgten 210 Teilnehmer, die sich am 28. September 1862 in Weimar zum Deutschen Abgeordnetentag konstituierten. Abgeordnete aus Österreich waren nicht vertreten, so daß die Versammlung, die zu fast einem Viertel aus preußischen Vertretern bestand, einen dezidiert kleindeutschen Cha­ rakter hatte. Die Versammlung sprach sich unter Berufung auf die Reichsverfassung von 1849 mit überwältigender Mehrheit für eine bundesstaatliche Einigung Deutschlands und die Beru­ fung eines frei gewählten Parlaments aus. Vgl. dazu ausführlich Biefang, Politisches Bürger­ tum in Deutschland, S. 221–247, Zitat S. 232; ferner Real, Pfingstversammlung. 1 Ludwig Freiherr von Edelsheim (1823–1872), 1861–1864 badischer Ministerresident bzw. Ge­ sandter in Wien, 1864–1865 Gesandter in Dresden, 1865–1866 badischer Außenminister; ADB, Bd. 5, S. 640 f.; NDB, Bd. 4, S. 309 f.

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herbeiführen. Österreich wolle nicht unbedingt auf der gemachten Vorlage beharren, sondern sei bereit, über jeden Verbesserungsantrag zu verhandeln. Mit der Bundesreform dürfe nicht länger gezögert werden, man müsse den Bund befähigen, den Bedürfnissen und Erwartungen der Nation zu entsprechen. Sollte die Nation zu der Überzeugung kommen, daß eine Reform auf bundesgesetzlichem Weg unmöglich sei, so würde sie dies zur Revolution treiben. Preußen solle mit Österreich in Frankfurt den Antrag stellen, über die Bundesreform zu verhandeln, dann werde Österreich nicht weiter auf dem Delegiertenprojekt bestehen. Rechberg äußert Bedenken gegen den badischen Vermittlungsvorschlag.

Wien, 14. Januar 1863 Hochwohlgeborner Freiherr! Hochzuverehrender Herr Präsident! In Ergänzung meines vorläufigen Berichtes von gestern Abend beehre ich mich über die gestern Nachmittag dem Grafen von Rechberg gemachte Eröff­ nung des hohes Erlaßes vom 7. d. M.2, das Delegirten-Projekt betreffend, und die daraus hervorgegangene Unterredung nachstehende ausführliche Mitthei­ lung folgen zu laßen. Der Graf empfing mich auffallend heiter und zuvorkommend und bemerkte alsbald, er glaube von dem Gegenstand meiner zu machenden Eröffnung be­ reits oberflächliche Kenntniß zu haben, indem er einen Bericht des Herrn von Pilat3 über eine in den lezten Tagen mit Eurer Hochwohlgeboren gehabte Un­ terredung erhalten habe, welche ohne Zweifel denselben Gegenstand betrof­ fen habe. Nachdem ich hierauf die Depesche mitgetheilt, wobei Graf Rechberg sich den Vermittlungsvorschlag wörtlich nachschrieb, richtete derselbe an mich das bereits in meinem ergebensten Bericht von gestern gemeldete Ersuchen um Ueberlaßung einer Abschrift der Depesche. Nach vorläufiger Erledigung dieses Zwischenpunktes in der bereits gestern berührten Weise, äußerte der Graf: Was das Materielle meiner Mittheilung betreffe, so müße er sich natürlich die Antwort bis nach weiterer genauer Er­ wägung vorbehalten. Nur im Allgemeinen wolle er bemerken, „daß ihn die Mittheilung angenehm berührt habe“, da es ihm scheine, daß dem Vorschlage derselbe Zweck zu Grunde liege, den auch die kaiserliche Regierung verfolge, nemlich Preußen zu vermögen, aus seiner bloßen Negative herauszutreten und sich auf Verhandlungen bezüglich einer Bundesreform einzulaßen. 2 Siehe Dok. 3. 3 Friedrich Edler von Pilat, österreichischer Geschäftsträger in Karlsruhe; Matsch, Der auswärti­ ge Dienst, S. 143, 150.

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Was den Stand dieser Angelegenheit überhaupt und die Auffaßung dersel­ ben von Seiten des kaiserlichen Cabinets betreffe, so wolle er mir darüber in Nachstehendem einige Mittheilungen machen, müße jedoch bitten, dieselben sowohl selbst als ganz vertraulich zu betrachten, wie auch in meinem Be­ richte Euere Hochwohlgeboren ausdrücklich zu ersuchen, von denselben vorläufig nach keiner Seite Gebrauch machen zu wollen. „Was in der lezten Zeit bezüglich der deutschen Frage zwischen Wien und Berlin geschehen sei, könne kaum eine Verhandlung genannt werden; es sei eigentlich Nichts gewesen, als ein Austausch von Telegrammen, ein Versuch die Sache zu ­klären und Verhandlungen anzubahnen, ohne bisheriges Resultat. Die kaiser­ liche Regierung habe nach Berlin sich dahin ausgesprochen, daß sie den Conflikt seinem Wesen nach nicht für so sehr bedenklich und ernst auffaßen könne, indem sie in Bezug auf die definitive Annahme des Delegirten-Pro­ jekts ganz mit Preußen einverstanden sei, und vollständig zugebe, daß diese nur einstimmig erfolgen könne; nur in Bezug auf die Vorfrage bestehe ei­ gentlich zwischen den beiden Cabineten ein entschiedener Dissens, indem Oesterreich daran festhalte, daß jede Regierung, welche einen Antrag stelle, das Recht und die Möglichkeit haben müße, die andern von der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Antrags zu überzeugen, und dieß geschäftsord­ nungsmäßig nur im Wege der Be­rathung und Berichterstattung durch einen Ausschuß geschehen könne. Diese Controverse betreffe jedoch nur eine Vorfrage, in der Hauptfrage über die Behandlung des Delegirten-Projekts gebe das kaiserliche Cabinet, wie bereits bemerkt, vollständig4 zu, daß bundesrechtlich Einstimmigkeit nöthig sei. Ja das kaiserliche Cabinet gehe sogar noch weiter und räume wei­ ter ein, daß gemäß den realen Verhältnißen jede Einführung von Reformen bezüglich der Bundesorganisation gegen den Willen oder auch nur ohne Mit­ wirkung Preußens nothwendig die größten Gefahren für Deutschland herbei­ führen würde und daher unausführbar sei. Was das vorliegende Delegirten-Projekt speciell betreffe, so gebe das kai­ serliche Cabinet willig zu, daß dasselbe in mancher Beziehung mangelhaft und einer Verbeßerung fähig sei; der kaiserlichen Regierung liege es aber auch fern, unbedingt auf der Vorlage, wie sie gemacht worden sei, zu behar­ ren; im Gegentheil sie werde über jeden Verbeßerungs Antrag sehr gerne in Verhandlungen eintreten. Für sie stehe vorläufig nur fest, daß in Bezug auf die Reform des Bundes nicht länger mehr gezögert werden dürfe, sondern etwas geschehen müße, um den Bund zu befähigen, den Bedürfnißen und begründeten Erwartungen der Nation zu entsprechen. Dieß sei eine Aufgabe, deren ungesäumte Inangriff­ 4 Emendiert. Vorlage: vollstandig.

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nahme ebensosehr im Interesse der Regierungen wie der Nation liege, denn es sei klar, daß wenn in Folge der fortgesezten Uneinigkeit der Regierungen die Nation zur Ueberzeugung käme, daß jede Reform auf bundesgesezlichem Wege unmöglich sei, dieß sie zur Revolution treiben werde. Unmöglich könne das preußische Cabinet verkennen, daß ein ferneres Be­ harren auf dem Standpunkt der bloßen Negation in der Bundesreformfrage unfehlbar allmählig nach dieser Richtung hinführe, und gewiß werde dassel­ be nicht die Verantwortung für eine solche Wendung übernehmen wollen. Preußen solle daher gemeinschaftlich mit Oesterreich in Frankfurt den Antrag stellen, die Frage der Bundesreform dort in Verhandlung zu nehmen, dann werde Oesterreich auf dem vorliegenden Delegirtenprojekt nicht weiter bestehen, und zweifle nicht, daß auch die andern Antragsteller sich darin seinem Verhalten anschließen würden. Auf diesen Vorschlag sei bis jetzt von Berlin noch keine Antwort erfolgt.“ Dieß sei der gegenwärtige Stand der Sache, deren Mittheilung er, wie be­ reits bemerkt, als eine höchst vertrauliche zu betrachten und auch nur als solche an Euere Hochwohlgeboren zu übermitteln bitte. Der Graf kam nun nochmals auf den Vermittlungsvorschlag der Großh. Re­ gierung zurück und bemerkte darüber: Soviel er nach einmaligem Anhören darüber urtheilen könne, so scheine ihm der Vorschlag das Bedenken gegen sich zu haben, daß die proponirten Gegenstände der Versammlung viel zu wenig zu thun geben würden, indem, wie er aus Erfahrung wiße, die fraglichen Angelegenheiten rein formell und zwar in der Regel genau wie das vorige Mal5, oder in den ausnahmsweisen Abänderungsfällen genau nach den Anträgen der technischen Behörden sich erledigten. Ferner würde, um die Versammlung auch nur einigermaßen in Stand zu sezen, sich ein Urtheil zu bilden, die Vorlage detaillirter Begründun­ gen durchaus nöthig sein, während diese wiederum in vielen Fällen, wie z. B. Festungsbauten, Verproviantirungen, Armirungen u.s.w. wegen der daraus un­ vermeidlich sich ergebenden Bekanntwerdung der fraglichen Militärgeheim­ niße große Bedenken haben, ja für die Sicherheit Deutschlands entschieden gefährlich werde. Fragen von eigentlich principieller Bedeutung, wie etwa Contingents­ erhöhung6 und dergleichen, kämen höchst selten vor, und alles Andere seien Fragen, bei denen der Versammlung fast gar keine Möglichkeit einer Wahl und kein Spielraum des Ermeßens gegeben sein würde.

5 Emendiert. Vorlage: mal. 6 Emendiert. Vorlage: Contingentserhohung.

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Daher scheine es ihm äußerst unwahrscheinlich, daß der gemachte Vermitt­ lungsvorschlag von der Nation irgend als eine auch nur vorläufig befriedigen­ de Concession aufgenommen werden würde. Dieß seien Bedenken, welche ihm bei dem ersten Anhören des Vermitt­ lungsvorschlags sich aufdrängten, und die er gegen mich äußere, ohne jedoch natürlich irgend eine formelle Antwort geben zu wollen. Ich beehre mich Euerer Hochwohlgeboren hievon ergebenst Mittheilung zu machen. Verehrungsvoll verharrend Edelsheim   Stuttgart, [Januar] 1863 

12. Artikel von Heinrich Zoepfl1 in der Deutschen Vierteljahrs-Schrift2

Deutsche Vierteljahrs-Schrift, 26. Jahrgang, 1863. Erstes Heft, S. 138–142, 163 (Auszug).

Zoepfl beklagt „das systematische Widerstreben“ Preußens gegen das Zustandebringen gemeinnütziger Anordnungen durch die Bundesversammlung. Er weist die Auffassung zurück, daß sich Preußen „unter keinen Umständen“ bei Verhandlungen über gemeinnützige Anordnungen majorisieren lassen könne und kritisiert die Drohung, aus dem Bund auszutreten. Preußen tritt der Forderung des deutschen Volkes entgegen, daß der Bund die allgemeinen Interessen Deutschlands fördern solle. Das preußische Programm widerspricht der Wiener Schlußakte und auch dem Patent des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. vom 18. März 1848 und seinem Aufruf vom 21. März 1848, wonach Preußen fortan in Deutschland aufgehe. Seit 1851 strebt Preußen danach, den Bund in Ohnmacht zu halten und ihn der Nation gleichgültig zu machen. Bei seinem Verfall soll ein Teil der Trümmer Preußen in die Arme getrieben werden. Gleichzeitig fördert Preußen den Partikularismus der deutschen Ständeversammlungen. Die preußische Haltung ist bundesrechtlich unzulässig. Bei richtiger Auslegung des Artikels 64 der Wiener Schlußakte werden die Meinungsverschiedenheiten verschwinden, und die gewonnene Klarheit der Begriffe wird „der weiteren Entwicklung des deutschen Staatslebens zu Gute kommen“.

1 Heinrich Matthäus Zoepfl (1807–1877), seit 1839 Professor des Staatsrechts an der Universität Heidelberg, seit 1850 Mitglied der Ersten Kammer der Badischen Landstände. Zoepfl trat durch zahlreiche rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen hervor, darunter die „Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts“ (1841, 5. Aufl. 1863) sowie „Die deutsche Staatsund Rechtsgeschichte“ (1834–1836, 4. Aufl. 1871). Nach 1850 wurde Zoepfl zum „entschie­ denen Verteidiger des Deutschen Bundes“. Vgl. DBE, Bd. 10, S. 685; Schroeder, Heinrich ­Zoepfl. 2 Die Deutsche Vierteljahrs-Schrift erschien von 1838 bis 1870 im Verlag von Johann Georg Cotta (1796–1863) in Stuttgart und Tübingen. Im Jahr 1850 erreichte sie eine Auflage von 1200 Exemplaren. Vgl. Schneider, Deutsche Vierteljahrsschrift.

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Artikel von Heinrich Zoepfl

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Stuttgart, [Januar] 1863 Die preußischen Anschauungen über die Berechtigung der deutschen Bundesversammlung zur Beschlußfassung über die vorgeschlagene Delegirten­versammlung und gemeinnützige Anordnungen überhaupt. Ein Wort zur Verständigung. Vorwort. Der Verfasser der nachstehenden Blätter steht bereits länger als ein Jahrze­ hend aller praktischen Thätigkeit in der Politik völlig fern; er hat weder den Wunsch, noch die Aussicht, jemals wieder in einen solchen Wirkungskreis einzutreten: er ist auch weder Mitglied des Nationalvereins noch des Reform­ vereins3, hat sich aber nichts desto weniger ein warmes Herz für die Wohl­ fahrt seines Vaterlandes bewahrt. Wenn derselbe dießmal die Feder ergriffen hat, so geschah dieß nur aus dem Grunde, weil er es für Pflicht hält, da nicht zu schweigen, wo ein wohlgemeintes Wort vielleicht noch beitragen kann, Mißverständnisse aufzuklären, die bei steigender Schroffheit der Gegensätze zu einer noch größeren Lockerung, wo nicht zur Zerreißung des Bandes füh­ ren könnten, welches jetzt noch die deutschen Bundesstaaten, leider bereits kümmerlich genug, zusammenhält. Nebenbei lag es auch in Absicht, denjeni­ gen, welche der gegenwärtig am Bundestage schwebenden Frage ihre Theil­ nahme zuwenden, durch eine erschöpfende Zusammenstellung der Verhand­ lungen auf den Wiener Ministerialconferenzen von 1819 und 1820 über die gemeinnützigen Anordnungen die Bildung eines eigenen Urtheils zu erleich­ tern. I. Die neuesten in der Bundesversammlung am 18. December4 und fast gleich­ zeitig in dem officiellen Organ der königlich preußischen Regierung abgege­ benen Erklärungen über das Projekt einer deutschen Delegirtenversammlung sind von solcher tief in das gesammte deutsche Bundesverhältniß einschnei­ dender Natur, daß dieselben wohl nicht scharf genug von allen Seiten be­ leuchtet werden können. Es spricht sich darin nicht nur abermals die seit Jah­ ren höchst bedauerlicher Weise notorisch bestehende Abneigung und das sy­ stematische Widerstreben der königlich preußischen Regierung gegen das Zustandebringen gemeinnütziger Anordnungen durch die Bundesversamm­ 3 Der 1859 gegründete Deutsche Nationalverein setzte sich für eine kleindeutsch-bundesstaatli­ che Ordnung Deutschlands ein, während der 1862 gegründete Deutsche Reformverein eine großdeutsch-föderalistische Konzeption unter Einschluss Österreichs vertrat. Vgl. Biefang, Po­ litisches Bürgertum, S. 66 ff.; Real, Der Deutsche Reformverein. 4 Siehe QGDB III/3, Dok. 155.

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lung aus, sondern es will eine solche Thätigkeit des Bundes noch insbesonde­ re durch das Hinweisen auf die hierdurch angebahnte Erweiterung der Com­ petenz der Bundesversammlung, namentlich in Sachen der Gesetzgebung, als gefahrbringend für den Rechtszustand in Deutschland überhaupt dargestellt werden. Dabei wird besonders betont, daß sich Preußen eine Majorisirung am Bundestage unter keinen Umständen gefallen lassen könne; es wird geradezu erklärt, daß Preußen überhaupt, so lange das bestehende Stimmenverhältniß am Bunde nicht geändert sey, sich zur Mitwirkung an gemeinnützigen Anord­ nungen überhaupt nicht herbeilassen könne. Schließlich wird sogar ziemlich unverblümt eine Drohung mit dem Ausscheiden Preußens aus dem Bunde ausgesprochen und somit die Sprengung desselben in Aussicht gestellt, wenn Preußen weiter zur Theilnahme an Verhandlungen über ihm mißliebige ge­ meinnützige Anordnungen gedrängt werden sollte. Man kann es zunächst den preußischen Organen nur Dank wissen, daß sie so offen mit ihrer Ansicht hervortreten. Eine Täuschung darüber, was Deutschland von Preußen zu erwarten hat, ist hiernach wenigstens nicht mehr möglich. Geht man nun die obigen Hauptsätze des preußischen Programms im Einzelnen durch, so tritt also Preußen von vorneherein der seit der Grün­ dung des deutschen Bundes von Jahr zu Jahr lauter und allgemeiner geworde­ nen Forderung des deutschen Volkes, daß der Bund nicht nur sein Polizeiund Zuchtmeister seyn, sondern auch für seine allgemeinen Interessen wirk­ sam eintreten, sie fördern und pflegen solle, schnurstracks entgegen. Das preußische Programm ignorirt somit vollständig die Vorschrift in dem zwei­ ten Grundgesetze des Bundes, der Wiener Schlußakte Art. 64, wonach es das „anhaltende Bestreben“ der Bundesversammlung seyn soll, das Zustande­ kommen von gemeinnützigen Anordnungen zu bewirken. Es steht aber dieses Programm auch zugleich in offenem Widerspruch mit den Forderungen, ­welche der König Friedrich Wilhelm IV.5 in dem Patente vom 18. März 1848 selbst als die gerechten Forderungen des deutschen Volkes anerkannt, und im Angesichte von ganz Deutschland als das Ziel der preußischen Politik ver­ kündigt hatte; denn bekanntlich haben in diesem berühmten Patente die ge­ meinnützigen Anordnungen, wie ein Bundesgericht, allgemeiner deutscher Zollverband, gleiche Münze, Maß und Gewicht, allgemeines Heimathsrecht und Freizügigkeit wahrlich nicht die letzte Stelle eingenommen.6 War es 5 Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), 1840–1861 König von Preußen; NDB, Bd. 5, S. 563–566; Barclay, Anarchie. 6 Im Patent vom 18. März 1848 hatte der preußische König verlangt, „daß Deutschland aus ei­ nem Staatenbunde in einen Bundesstaat verwandelt werde“, wozu neben einer „Reorganisation der Bundesverfassung“ ausdrücklich auch die von Zoepfl angeführten Einheitsmaßnahmen ge­ hören sollten. Druck des Patents in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsge­ schichte, Bd. 1, S. 445 f.

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Artikel von Heinrich Zoepfl

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d­ emnach im Jahre 1848 das von königlichem Munde verkündigte Programm der preußischen Politik, daß von der Centralstelle des deutschen Bundesle­ bens den gemeinsamen Interessen des deutschen Volkes nicht nur Rechnung getragen werden, sondern sogar ein mächtiger Anstoß zur Befriedigung der Nation ausgehen solle, identificirte Preußen damals seine Interessen mit ­denen des ge­sammten Deutschlands in der Weise, daß der königliche Aufruf vom 21. März 1848 laut verkünden konnte: „Preußen geht fortan in Deutschland auf,“7 so zeigt das neue preußische Programm, in welchem Deutschland wahrlich kein erfreuliches Weihnachtsgeschenk sehen kann, von Allem das gerade Gegentheil. Es soll bei der unseligen, von Preußen seit dem Ausgang der Dresdener Conferenzen (Mai 1851) eingeschlagenen Politik verharrt wer­ den, alles zu hindern, was das Ansehen der Bundesversammlung in den Au­ gen der Nation wiederherstellen und heben könnte, nichts soll durch die Bun­ desversammlung, alles, was überhaupt geschieht, nur außerhalb derselben in sogenannten freien Conferenzen geschehen dürfen, und selbst diese verfallen einer mißliebigen Beurtheilung, wenn es nicht Preußen ist, von dem die An­ regung dazu ausgeht und das an ihrer Spitze steht. Die Bundesversammlung soll in der Ohnmacht erhalten werden, welche selbst wieder nur die Frucht des leidigen Antagonismus der beiden mächtigsten Bundesglieder ist; der Bund soll der Nation, wenn nicht verächtlich, doch gleichgültig gemacht wer­ den, damit sein im Hintergrunde lauernder Verfall wo möglich noch weniger einen Schmerzensschrei in der Nation hervorrufe, als ihrer Zeit die Auflösung des deutschen Reiches, und damit endlich ein Theil der Trümmer durch den allgemeinen Nothstand Preußen in die Arme getrieben werde, ohne daß es einen kühnen Griff zum Annectiren nöthig habe. In gleicher Richtung wird nun von preußischen Organen der Partikularismus der deutschen Ständeversammlungen aufgeregt, es wird ihnen als eine Schreckgestalt die Erweiterung der Competenz der Bundesversammlung, die dadurch entstehende Beeinträchtigung der partikulären legislativen Thätigkeit vorgehalten. Ob dieses Mittel dermal bei der Nation verfangen wird? Wir glauben es nicht; alle Anzeichen sprechen dagegen. Die Nation hat zu wohl begriffen und zu tief empfunden, von welchem großen Vortheil für sie die Einführung des allgemeinen deutschen Handelsrechtes ist, als daß nicht der Wunsch nach einem stetigen Fortschreiten auf der nun endlich einmal, und zwar mit Glück betretenen Bahn einer allgemeinen deutschen Gesetzgebung lebhafter als je, und in noch weiteren Kreisen als vorher, angeregt worden wäre. Eben die höchst beachtenswerthe und eben so hoch erfreuliche Erschei­ 7 Proklamation des preußischen Königs über die deutsche Politik Preußens vom 21. März 1848, in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 448 f., Zitat S. 448.

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nung, daß die sämmtlichen landständischen Körperschaften das ohne ihre Mitwirkung, nur von Regierungscommissarien zu Stande gebrachte Handels­ gesetzbuch mit patriotischer Ueberwindung aller Empfindlichkeit über ihre Nichtberufung zur Mitberathung dennoch ohne Widerspruch annahmen8, ist der schlagendste Beweis, wie sehr und allgemein die Zweckmäßigkeit einer gemeinsamen deutschen Rechtsgesetzgebung in dem nationalen Bewußtseyn zur Anerkennung gekommen ist. Eben hierin liegt auch die vollkommenste Rechtfertigung jener Regierungen, welche die gesteigerte Forderung einer weiteren Verfolgung der eingeschlagenen Bahn für eine wohlbegründete er­ kennen, und zur gewisseren Erreichung dieses Zieles auf die Eröffnung eines Weges bedacht sind, auf welchem dem berechtigten Verlangen der landstän­ dischen Körperschaften, ihre Theilnahme an der allgemeinen Gesetzgebung nicht zu einer bloßen Formalität gemacht zu sehen, billige Rechnung ge­ tragen und damit das Problem zu lösen versucht wird, die partikularistische Gesetzgebungsthätigkeit in ein richtiges Verhältniß zur Gesetzgebung für die Gesammtheit des deutschen Vaterlandes zu setzen. [Es folgt eine detaillierte bundesrechtliche Darlegung, mit der die preußische Auffassung widerlegt werden soll, wonach bei dem Widerspruch nur eines Bundesgliedes nicht einmal in die Vorberatung über eine gemeinnützige Anordnung eingetreten werden dürfe. Auch die preußische Drohung, bei einem Mehrheitsbeschluß über eine gemeinnützige Anordnung aus dem Deutschen Bund auszutreten, wird als bundesrechtlich unzulässig zurückgewiesen. Abschließend entwickelt Zoepfl eine Auslegung des Artikels 64 der Wiener Schlußakte, wonach einerseits definitive Bundesbeschlüsse über gemeinnützige Anordnungen nur durch Einstimmigkeit zu Stande kommen dürfen, während andererseits die Bundesversammlung das Recht hat, sich mit Vorschlägen über gemeinnützige Anordnungen ernsthaft zu befassen, ohne daß dabei die ­Majorität ein Bundesglied zur Teilnahme an der Durchführung nötigen darf.]

Wird man am Bundestage davon zurückkommen, an dem an sich klaren und insbesondere nach Vergleichung der Wiener Conferenzprotokolle un­ zweifelhaften Sinne des Art. 64 der Schlußakte nach rechts oder links deuteln zu wollen, so wird auch die dermalige Meinungsverschiedenheit verschwin­ den und die größere Klarheit der Begriffe, welche auch aus diesem, wie aus jedem Streite hervorgehen muß, der weiteren Entwicklung des deutschen Staatslebens zu Gute kommen. Das walte Gott! Z.

8 Das von einer 1857 eingesetzten Kommission erarbeitete Allgemeine Deutsche Handelsge­ setzbuch wurde am 31. Mai 1861 von der Bundesversammlung angenommen und in den fol­ genden Jahren in den meisten deutschen Staaten eingeführt. Siehe dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 412–418; Rumpler, Das „Allgemeine Deutsche Handelsgesetz­ buch“; Goldschmidt, Der Abschluß; ders., Handbuch des Handelsrechts, Bd. 1/1.

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Erklärung Badens in der Bundesversammlung

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13. Erklärung Badens in der Bundesversammlung ProtDBV 1863, S. 26–28. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 53–55.

Eine umfassende Reform des Deutschen Bundes ist ein dringendes Bedürfnis und ein berechtigter Anspruch der deutschen Nation. Die badische Regierung erblickt in der Vereinbarung zwischen Regierungen und Nation über eine neue Verfassung „den allein segenbringenden Weg“. Es ist an den deutschen Regierungen, auf der Grundlage der Reichsverfassung von 1849 einen Vorschlag zur Neugestaltung zu machen. Die badische Regierung kann sich den von der Mehrheit des Ausschusses über das Delegiertenprojekt gestellten Anträgen nicht anschließen und will bei der Weiterführung dieser Angelegenheit nicht mitwirken. Baden regt an, die bevorstehende Abstimmung in der Bundesversammlung über das österreichisch-mittelstaatliche Delegiertenprojekt auszusetzen und macht den Vorschlag, einer Delegiertenversammlung das Recht zu übertragen, die Matrikularbeiträge für Bundeszwecke und die Kontingentstärke des Bundesheeres festzusetzen.

2. Sitzung

Frankfurt am Main, 15. Januar 1863 § 18.

Zusammensetzung und Einberufung einer aus den einzelnen deutschen Ständekammern durch Delegation hervorgehenden Versammlung, zunächst zur Berathung der Gesetzentwürfe über Civilproceß und Obligationenrecht.

(43. Sitz. § 371 v. J. 1862.) Baden. Die Großherzogliche Regierung hat wiederholt ihre Ueberzeugung of­ fen und rückhaltlos bekannt, daß eine umfassende Reform der Verfassung des Deutschen Bundes ein dringendes Bedürfniß für das Wohl des gesammten Vaterlandes, ein berechtigter Anspruch der deutschen Nation, eine Pflicht deutscher Regierungen und eine nothwendige Ergänzung der seit 1815 viel­ fach veränderten Gleichgewichtsverhältnisse Europa’s ist. Sie hat es weder an Andeutungen über die nothwendige Richtung dieser Reform, noch an der Er­ klärung fehlen lassen, daß sie ihrerseits zu allen von dem Wohle des Ganzen geforderten Opfern bereit sei, welche nothwendig sein möchten, dieses Ziel unter Mitwirkung ihrer hohen Verbündeten zu erreichen. Das Bedürfniß dieser Reform hatte, wie auch neuerdings durch hohe Bun­ desregierungen wiederholt anerkannt worden ist, in ernsten Zeiten unter Zu­ stimmung aller Bundesglieder zu dem Versuche geführt, durch Berufung ei­ ner aus Abgeordneten aller deutschen Stämme gebildeten Nationalversamm­ lung den Entwurf einer neuen Reichsverfassung zu schaffen, die geeignet sein sollte, die würdige staatliche Form des deutschen Volkes zu sein. Dieser Entwurf hat allerdings nicht vermocht, die Zustimmung aller deut­ schen Regierungen zu gewinnen; als jedoch nach mannigfachen Wechselfäl­

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len zur aushülfsweisen Wiederherstellung der 1815 begründeten Verfassungs­ form geschritten wurde, geschah es nicht ohne gleichzeitige ausdrückliche Hervorhebung, daß damit das Bestreben, eine Umgestaltung der Bundesver­ fassung zu erreichen, nicht aufgegeben sein solle. Von Betretung des durch die geschäftliche Lage angezeigten Weges ist aber bis jetzt Umgang genommen worden, nämlich von Vorlage eines auf Grundlage der Reichsverfassungsurkunde von 1849 ausgearbeiteten Gegen­ entwurfes, sowie von erneuter Vereinbarung desselben mit den zu Mitwir­ kung vollberechtigten Gewalten, also der in Einzelkammern oder in einem eigens dazu bevollmächtigten Parlamente versammelten Abgeordneten des deutschen Volkes. Die Großherzogliche Regierung, welche in dieser Vereinbarung zwischen Regierungen und Nation den allein segenbringenden Weg zu einer Neugestal­ tung erblickt und nicht ansteht, zu bekennen, daß es an den deutschen Regie­ rungen in ihrer Gesammtheit ist, nach Ablehnung der 1849 zu Stande ge­ brachten Urkunde einen revidirten Gegenvorschlag zu machen, unterläßt es nur darum, ihrerseits einen solchen vorzulegen, weil sie sich nicht verhehlt, wie wenig Aussicht auf Erfolg ihre Anforderungen zur Zeit haben würden, welche nur von dem Maße der im nationalen Interesse nothwendigen Lei­ stungen begrenzt sind. Dagegen erkennt sie in den während den Ausschußberathungen über die Vorschläge der Regierungen von Oesterreich, Bayern, Königreich Sachsen, Hannover, Württemberg, Kurhessen, Großherzogthum Hessen und Nassau unter den hohen Bundesregierungen hervorgetretenen Gegensätzen eine so ernste Gefahr für die künftigen Beziehungen der im Bunde vereinten Regie­ rungen, daß sie im Bestreben, dieselbe zu vermindern und einer möglichen Annäherung die Wege zu ebnen, einen neuen Beweis entgegenkommender und bundesfreundlicher Gesinnung zu geben glaubt, wenn sie schon jetzt, der Abstimmung vom 22. Januar d. J. vorgreifend, folgende Erklärung abgibt. Die Großherzogliche Regierung vermag den im Ausschußberichte der Mehrheit gestellten Anträgen aus den im Separatvotum ihres Gesandten nie­ dergelegten formellen wie materiellen Gründen nicht beizupflichten.1 Außer­ dem würde sie es bei der entschieden ausgesprochenen gegentheiligen An­ sicht eines so hervorragenden Bundesgliedes, wie die Königlich-Preussische Regierung, deren Consequenzen nothwendig die gedeihliche Thätigkeit des Bundes zu bedrohen geeignet sind, für nicht vereinbar mit der von ihr stets bethätigten vaterländischen Gesinnung erachten, wollte sie, ganz abgesehen von jenen eigenen Bedenken, die Weiterführung dieser Angelegenheit emp­ fehlen und bei solcher ihrerseits mitwirken. 1 Siehe QGDB III/3, Dok. 155, S. 847–858.

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Erklärung Badens in der Bundesversammlung

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Dagegen würde sie, falls von der Mehrheit der hohen Bundesregierungen Umgang genommen würde, auf dem betretenen gefahrvollen Wege mit Durchführung der Vorschläge vom 14. August weiterzugehen und die bevor­ stehende Abstimmung über die Ausschußanträge ausgesetzt würde, bereit sein, um den auf Herstellung einer Delegirtenversammlung gerichteten Wün­ schen der Mehrheit entgegenzukommen, einem Vorschlage beizutreten und solchen, wenn er nach Durchlaufung der bundesverfassungsmäßigen Behand­ lung Bundesbeschluß geworden sein würde, seiner Zeit ihren Ständen zu ver­ fassungsmäßiger Genehmigung anheimzustellen, welcher dahin gerichtet wäre: 1)  Die Bewilligung sämmtlicher bisher von der Bundesversammlung be­ schlossenen Matrikularbeiträge für Bundeszwecke und die Veränderungen und Erhöhung der Contingentsätze des Bundesheeres von eigens dazu ge­ wählten und mit dem Rechte definitiver Beschlußfassung ausgerüsteten Bevollmächtigten der deutschen Ständeversammlungen zu übertragen. 2)  Den Ausschuß für das Bundesgericht2 zu beauftragen, über diesen Vor­ schlag Bericht zu erstatten und Antrag für demnächstige Beschlußfassung ho­ her Bundesversammlung zu stellen. Es versteht sich dabei von selbst, daß solche in vorliegendem Falle nur mit Einstimmigkeit erfolgen könnte. Die Großherzogliche Regierung würde, ohne im geringsten zu glauben, da­ durch einen ersten Schritt für eine Bundesreform gethan zu haben und ohne die Bedenken zu verkennen, welche dem Institut der Delegirten überhaupt und namentlich wegen des Mangels einer einheitlichen und kräftigen Execu­ tive entgegenstehen, doch bei der vorgeschlagenen concreten Anwendung die möglichen Mißstände niedriger anschlagen. Einmal sind die formellen Be­ denken geringer. Vor allem nämlich wäre die Aufgabe der Bundesversamm­ lung, nachdem sie einmal einen finanzielle Auflagen begründenden Beschluß vorbereitet und denselben einer solchen Versammlung vorgelegt hat, die den­ selben entweder anzunehmen oder zu verwerfen hätte, eine weit einfachere, als die Discussion von Gesetzbüchern, und deßhalb auch eher zulässig. So­ dann kann bei dem in Antrag gebrachten Gegenstande der Thätigkeit einer solchen Abgeordnetenversammlung kein Streit über die Zuständigkeit des Bundes bestehen. Zweitens aber würde die erwähnte Einrichtung materielle Vortheile gewähren. Wird dadurch auch das berechtigte Verlangen der Nation nach gesetzlicher Mitwirkung bei ihren politischen Zuständen in keiner Weise befriedigt werden, so würde doch mit dem gemachten Vorschlage dem beste­ henden Uebelstande abgeholfen werden, daß in Fällen solcher Bundesbe­ 2 Der Ausschuß für die Einsetzung eines obersten Bundesgerichts war am 8. Juli 1851 einge­ setzt worden; Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 577.

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schlüsse bisher das ständische Votum der Einzelkammern illusorisch gewesen ist, und würde die Anerkennung stattfinden, daß künftig ohne solche vor­ gängige unmittelbare oder durch gesetzlich ermächtigte Vertreter vermittelte Abstimmung weder eine Erhöhung der Contingentsätze eintreten, noch eine Matrikularumlage erhoben werden könnte. Damit aber wäre eine Quelle viel­ fachen Zwiespaltes mit den Ständen beseitigt und einem bedauerlichen Wi­ derspruche zwischen der constitutionellen Regierungsform der Einzelstaaten und dem Anspruche absoluter Rechtskräftigkeit der Bundesbeschlüsse ab­ geholfen. Auch bedarf es keiner Ausführung, daß an eine solche Competenz einer Abgeordnetenversammlung sich leichter und in vollständig gesetzlicher Weise weitere Entwickelungen anknüpfen ließen, als an den bloßen Auftrag zur Mitberathung von Gesetzen des bürgerlichen Rechtes. Wenn die Großherzogliche Regierung unterläßt, dieser Erklärung die Form eines Antrages zu geben, so würde sie doch jederzeit bereit sein, einem sol­ chen zuzustimmen, wenn derselbe von anderen, namentlich von Seiten einer der deutschen Großmächte aufgenommen werden wollte. Schließlich erklärt sich der Gesandte für ermächtigt, im Ausschusse an Ausarbeitung näherer Detailvorschläge in diesem Betreffe mitzuwirken.   Augsburg, 15. Januar 1863

14. Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung1

(Ausgburger) Allgemeine Zeitung Nr. 15 v. 15. Januar 1863, S. 229–231.

Juristisch gesehen ist das Vorgehen Österreichs und der Mittelstaaten in der Frage der Delegiertenversammlung bundesrechtlich zulässig. Ein Majoritätsvotum über Zweckmäßigkeit einer beantragten gemeinnützigen Maßregel und über zweckmäßige Mittel zu ihrer Vereinbarung unter den Bundesgliedern ist ein Recht, ja sogar eine Pflicht der Bundesversammlung, sofern die gemeinnützige Maßregel den Minderheitsvotanten nicht aufgenötigt werden soll. Wenn Preußen ein solches Votum als Bundesbruch betrachtet, so ist das nur ein Vorwand für den Austritt aus dem Bund. In politischer Hinsicht stellt sich die Frage, ob man Bismarck den Anlaß für den von ihm gesuchten Bundesbruch liefern soll. Zudem soll die Delegiertenversammlung nach dem Majoritätsbericht des Ausschusses nicht bloß ein Instrument für das Obligationenrecht, sondern der „Embryo einer Bundesvolksvertretung“ sein. Das aber ist bundespolitisch auf dem Weg eines Mehrheitsvotums nicht zulässig. Das sollten die Antragsteller eingestehen und gleichzeitig einen Schritt weiter gehen und eine Bundes­volksvertretung als neues Bundesorgan beantragen, um die deutsche Nation zu befriedigen. 1 Die (Augsburger) Allgemeine Zeitung, gegründet 1798 von Johann Friedrich Cotta (1764– 1832), erschien von 1810 bis 1882 in Augsburg: Vgl. Padrutt, Allgemeine Zeitung; Blumenauer, Journalismus; Breil, Die Augsburger „Allgemeine Zeitung“; Gebhardt, Die deutsche Politik.

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Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung

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Augsburg, 15. Januar 1863 Die bundesrechtliche Streitfrage über die Delegirtenversammlung Ueber diese Frage, welche sich dem äußeren Anschein nach zu einer bedenk­ lichen Krisis für ganz Deutschland erhebt, veröffentlicht eine der ersten ­publicistischen Autoritäten in dem Januarheft der Deutschen V. Jahrsschrift einen Artikel unter dem Titel „Die preußischen Anschauungen über die ­Berechtigung der deutschen Bundesversammlung zur Beschlußfassung über die vorgeschlagene Delegirtenversammlung und gemeinnützige Anordnungen überhaupt.“2 Er betitelt den Aufsatz „ein Wort zur Verständigung,“ und der­ selbe ist ein solches „ohne willkürliche Deutung des Bundesrechts nach rechts und nach links.“ Bekanntlich hat Preußen bei der obschwebenden Frage, wie bei früheren Anträgen auf gemeinnützige Anordnungen, unter Berufung auf Art. 14 der Wiener Schlußacte3 den Anspruch erhoben: daß bei solchen Anträgen schon über die Vorfrage, ob solche Einrichtungen unter obwaltenden Umständen nothwendig und zweckmäßig seyen, Stimmeneinhelligkeit erforderlich sey um weitere einleitende Schritte von Bundeswegen vornehmen zu können. Natürlich könnte hiebei gar nie etwas zu Stande kommen, es ließe sich kein besseres Mittel ersinnen um nie und in keiner Beziehung eine fruchtbare Bundesentwicklung zu Stande zu bringen, als dieser von Preußen ins Bundes­ recht hineingedeutete Sinn, daß man ohne Einhelligkeit vom ersten Moment an Anträge über gemeinnützige Einrichtungen nicht einmal weiter berathen dürfe. Allein gegen diese von der Politik der „Lahmlegung des Bundes“ er­ sonnene Auslegung spricht der klare Wortlaut des Bundesrechts; Art. 64 der Wiener Schlußacte4 begründet bezüglich der „gemeinnützigen Anordnun­ gen“ unzweideutig das Verhältniß welches auch der Natur des Bundes, wie er gegründet worden ist, entspricht, nämlich daß die bundesverfassungsmäßige Thätigkeit der Bundesversammlung in Bezug auf die gemeinnützigen Anord­ nungen in zwei wesentlich verschiedene Momente oder Stadien zerfällt. In dem ersten Stadium handelt es sich lediglich um die Prüfung der Vorfrage, und um eine Beschlußfassung darüber ob die Bundesversammlung sich von 2 Deutsche Vierteljahrs-Schrift, 26. Jahrgang 1863, Erstes Heft, S. 138–163 (siehe Dok. 12). Verfasser des Artikels war der Heidelberger Staatsrechtsprofessor Heinrich Zoepfl (1807– 1877). 3 Nach Artikel 14 der Wiener Schlußakte war bei Beratungen über organische Einrichtungen Einstimmigkeit erforderlich; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 93. 4 Nach Artikel 64 der Wiener Schlußakte war für „gemeinnützige Anordnungen“, die vom Bund angeregt wurden, die „freiwillige Vereinbarung unter den sämmtlichen Bundes-Gliedern“ er­ forderlich; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 100.

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der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit der Vorschläge überzeugt, und wel­ che Mittel sie zur Ausführung als zweckmäßig erkennt. In dem zweiten Stadi­ um dagegen handelt es sich darum die freiwillige Vereinbarung, d. h. die Stimmeneinhelligkeit, herbeizuführen, welche nach Art. 64 zur Ausführung der gemeinnützigen Maßregel als einer für alle Bundesglieder verbindlichen Institution erforderlich ist. Diese rechtliche Thatsache ist vom obengenannten Publicisten in schlagender Weise, namentlich aus den Acten der Feststellung der Wiener Schlußacte, nachgewiesen worden. Unter anderm lautet der zur Interpretation gültige Bericht der vereinigten Redactionscommission der Wie­ ner Conferenzen über Art. 64 so: „Der 64. Artikel in Betreff der gemeinnützi­ gen Anordnungen hat den 32. der Anträge des Competenzausschusses zur Grundlage, und es wird die gegenwärtige Fassung desselben schwerlich der Vorwurf treffen können daß sie Vorschläge zu gemeinnützigen Anordnungen von den Bundestagsverhandlungen auszuschließen geeignet wäre. Die Bun­ desversammlung hat vielmehr nach diesem Artikel nicht allein die Befugniß, sondern die Pflicht dergleichen Vorschläge von allen Seiten zu prüfen, und jedes zur Ausführung dienliche Mittel, insofern es die Rechte der einzelnen Bundesstaaten nicht verletzt, zum Gegenstand ihrer anhaltenden Berathungen zu machen. Uebrigens muß die Commission sich in Ansehung dieses ­Artikels auf das was im gegenwärtigen Vortrage bei Artikel 13 Nr. 3 erklärt worden ist ausdrücklich beziehen.“5 Letztere Erklärung betont nur daß die Ein- und Durchführung gemeinnütziger Einrichtungen als allgemein verbind­ lichen Bundesinstituts der Stimmeneinhelligkeit bedürfe. Nach diesen authen­ tischen Motiven zur Erklärung des Artikels 64 kann gar nicht zweifelhaft seyn was zulässig und nicht zulässig ist. Offenbar ist an und für sich ein ­Votum und daher auch ein Majoritätsvotum über Zweckmäßigkeit einer be­ antragten gemeinnützigen Maßregel und über zweckmäßige Mittel zu ihrer Vereinbarung unter den Bundesgliedern im vollsten Sinn ein Recht, ja eine Pflicht der Bundesversammlung, wenn nur die gemeinnützige Maßregel den Minderheitsvotanten nicht aufgenöthigt werden soll. Daß nun die Herstellung des Obligationenrechts unter den Begriff einer gemeinnützigen Maßregel fällt, bei welcher nicht schon von allem Anfang an „in der Vorfrage“ über die allgemeine Zweckmäßigkeit und die zweckmäßi­ gen Mittel der Einführung Stimmeneinhelligkeit vorhanden seyn muß, ist gar nicht zweifelhaft, und ein Majoritätsvotum in der Vorfrage kann so wenig ein „Bundesbruch“ oder gar gerechter Anlaß zum Bundesaustritt wegen Bundes­ bruchs genannt werden, daß vielmehr alle Willkürlichkeit der Deutung dazu 5 Vortrag der Redaktionskommission über den Entwurf der Wiener Schlußakte, Beilage A zur 22. Sitzung der Wiener Ministerialkonferenz am 15. April 1820, Druck: Ilse (Hrsg.), Protokol­ le der deutschen Ministerial-Conferenzen, S. 185–201, Zitat S. 200 f.

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Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung

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gehört um jene Drohung nur auszusprechen. Es hieße Vorwände zu dem Aus­ tritt aus dem bundesrechtlich „unauflöslichen Verein“ vom Zaune greifen, wenn Preußen bloß wegen der Thatsache eines Votums über die Zweckmä­ ßigkeit und über die zweckmäßigen Mittel zur Herbeiführung des Bundes­ rechts vom Bunde zurücktreten wollte. Ein Votum zu geben sind also die Re­ gierungen berechtigt, und von diesem Recht werden sie sich, es ist zu hoffen, durch keine Drohung abschrecken lassen. Die Frage ist nur ob sie die geringste Handlung begehen werden zu wel­ cher bundesrechtlich Stimmeneinhelligkeit gehört. Dieß wäre in verschiede­ ner Weise denkbar. Einmal, indem sie das im Widerspruch mit Baden und Preußen beschlosse­ ne Obligationenrecht oder die Delegirtenversammlung als ein Mittel hiefür auch diesen beiden Staaten wider Willen aufnöthigen wollten. Dieß wäre bundesrechtswidrig, obwohl es den Austritt Preußens aus dem völkerrechtlich für unauflöslich erklärten Bunde, d. h. einen schwereren Bruch des Bundes­ rechts, nicht entfernt begründen würde. Allein das wollen die acht Staaten natürlich nicht, und haben es zu allem Ueberfluß erklärt; die Drohung mit Bundesaustritt, welcher bei der Macht Preußens allerdings nicht verhindert werden könnte, von der andern Seite nicht zum Anlaß des Bürgerkriegs ge­ macht werden und die verbleibenden Staaten zur alleinigen Weitergestaltung des Bundesrechts legitimiren würde – jene Drohung hat also nach dieser Seite ebensowenig ein thatsächliches als ein rechtliches Fundament. Eine zweite Hinausschreitung über das Bundesrecht kann darin erblickt werden wenn auch ein definitiver Bundesbeschluß über die Vollführung ge­ meinnütziger Anordnungen durch bloße Stimmenmehrheit, jedoch ohne Ver­ pflichtung der nicht zustimmenden Minderheit zur Ausführung, begründet werden wollte. Diese letztere Auslegung hat in der Bundesversammlung Ver­ tretung gefunden. Wir halten diese Ansicht mit dem erwähnten Publicisten für eine irrige, und in der Anwendung für eine um so mehr zu vermeidende, als sie praktisch nicht bloß keine Vortheile verspricht, sondern sogar entschiede­ ne Inconvenienzen nach sich zu ziehen droht. Der praktische Sinn jener scharfsinnigen Auslegung des Art. 64 würde seyn: daß nur für einen Theil des Bundes vereinbarte Institutionen gleichwohl durch die Bundesversammlung in ihrer Gesammtheit zur Ausführung gebracht, beziehungsweise hinsichtlich ihrer Ausführung durch die zustimmenden Staaten von der Bundesversamm­ lung controlirt werden. Mit vollem Recht scheint uns der Publicist der Deut­ schen Vierteljahrsschrift zu bemerken daß es „dem juristischen Wesen, dem Begriff eines Vereinsbeschlusses, widerspricht nicht sämmtliche Mitglieder des Vereins binden zu wollen.“ Es läge darin aber auch eine Störung des Werks der Zustimmenden durch den Einfluß der Dissentirenden in der Bun­ desversammlung, und es wird in der Deutschen Vierteljahrsschrift ein Fall

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nachgewiesen wo die gegentheilige Auffassung geradezu zur Forderung von Unmöglichem6 führen würde. Warum man sich da nicht lieber sogleich auf den viel praktischeren, ungestörten Weg des Art. 11 der Bundesacte bege­ be7, welcher von Preußen selbst angenommen, die Ausführung einer Theilin­ stitution bloß unter den Theilnehmern, ohne das Organ der Bundesversamm­ lung, unbestritten zulasse?! Der Publicist weist aber auch aus den Acten über die Entstehung des Art. 64 nach: daß Beschlußfassung über gemeinnützige Einrichtungen behufs ihrer Durchführung durch die Bundesversammlung Einhelligkeit erfordere. Es kann, da die ängstliche bundesrechtliche Correctheit angesichts solcher nöthig ist welche den Vorwand zur Klage über Bun­ desrechtsverletzung suchen – und wären es Gracchi de seditione querentes8 – den Votanten bei der nächsten Abstimmung nicht dringlich genug gerathen werden einmüthig und ausdrücklich sich dagegen zu verwahren als ob man ihrer Abstimmung die Absicht zur Ausführung einer bloß theilweise adoptir­ ten Einrichtung (Obligationenrecht) durch die Bundesversammlung unterstel­ len dürfe; denn alsdann wird auch der gesuchteste Vorwand zum Bundesaus­ tritt nicht gegeben und nicht zu finden seyn. Die Dinge sind einmal auf eine Spitze gelangt, wo man jedes Pulverkorn der drohenden Explosion entziehen muß. Irgendein Rückzug vom Standpunkt im Majoritätsbericht wäre darin nicht enthalten; denn dieser enthält weder in seiner Motivirung noch in seinen beiden Resolutionsanträgen die Anmuthung einen Majoritätsbeschluß (Obli­ gationenrecht) für die Majoritätsvotanten durch die Bundesversammlung in ihrer Gesammtheit zur Ausführung zu bringen. Wenn nun von Seiten der acht Regierungen unzweifelhaft weder ein Be­ schluß auf Octroyirung eines fertigen Obligationengesetzbuchs, noch auf Durchführung desselben durch die Bundesversammlung auch nur für die Ma­ jorität der freiwillig Zustimmenden beabsichtigt ist, und die ausdrückliche Versicherung des Gegentheils erwartet werden darf, so ist nur die weitere und zunächst praktische Frage aufzuwerfen: wie es mit dem Antrag auf Berufung von Delegirten zur Fertigmachung eines Obligationenrechtsentwurfs sich verhält, welchen eventuell die Bundesversammlung weder octroyiren, noch selbst bei den Zustimmenden in der Durch- und Weiterführung überwachen, sondern nur als fertige Vorarbeit den zustimmenden Staaten zur privaten Durchführung unter sich übergeben würde. 6 Emendiert. Vorlage: unmöglichem. 7 Nach Artikel 11 der Bundesakte hatten die Mitgliedsstaaten des Bundes „das Recht der Bünd­ nisse aller Art“, solange diese nicht gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Mitglieds­ staaten gerichtet waren; QGDB I/1, S. 1512. 8 Zitat aus Juvenal, Satiren 2, 24: Quis tulerit Gracchos de seditione querentes? / Wer kann es ertragen, wenn die Gracchen sich über Aufruhr beklagen? – Demnach sind die von manchen vorgebrachten Klagen über Verletzungen des Bundesrechts heuchlerisch.

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Dieser Sinn liegt offenbar dem Majoritätsbericht und Antrag zu Grunde; der letztere geht 1) auf Erklärung der Zweckmäßigkeit und Räthlichkeit der Berufung von Delegationen über Civilproceß und Obligationenrecht, und 2) auf Herbeiführung von commissionellen Vorschlägen über die Art der Be­ rufung. Von einer Activirung der eventuell fertig gemachten Gesetzesvorschläge durch die Bundesversammlung als solche ist nicht die Rede. Juristisch betrachtet, handelt es sich also bei den Anträgen der Majorität lediglich um das Stadium der Vorfrage, um die Delegirtenversammlung als ein Mittel zur Herbeiführung von Rechtseinheitsgesetzvorschlägen, nicht um Activirung fertiger Vorschläge mit Hülfe der Bundesversammlung, und juri­ stisch kann über die Rechtmäßigkeit der Annahme und Activirung jener bloß vorbereitenden Anträge kaum ein Zweifel bestehen; denn Art. 64 der Schluß­ acte sagt: Wenn die Bundesversammlung „sich von der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit solcher (gemeinnützigen, „von den einzelnen Bundesgliedern angebrachten“) Vorschläge im allgemeinen überzeugt, so liegt ihr ob die Mittel zur Vollführung derselben in sorgfältige Erwägung zu ziehen, und ihr anhaltendes Bestreben dahin zu richten die zu dem Ende erforderliche freiwilli­ ge Vereinbarung unter den sämmtlichen Bundesgliedern zu bewirken.“ Allein die Sache hat auch ihre politische Seite, und darauf möchte vor der Abstimmung in Frankfurt denn doch die ernsteste Aufmerksamkeit zu ver­ wenden seyn. Ehe wir hierauf eingehen, kann eine Vorbemerkung nicht unterlassen wer­ den. Fragen wir: welcher Nachtheil würde sich, materiell und moralisch be­ trachtet, daraus ergeben wenn die acht Regierungen davon abstünden die Be­ rufung der Delegationen (bloß einmal für Obligationenrecht und Civilproceß) durch den Bund zu betreiben, und sofort bei der Abstimmung den Vorbehalt auszusprechen daß sie die unter sich durchzuführende Rechtseinheitsgesetz­ gebung durch für sich (ohne Bundesversammlung) berufene Delegationen be­ rathen lassen wollen, wofern ihre Stände, mit Rücksicht auf die Wahrung des constitutionellen Princips für so wichtige Gesetzgebungsacte, dieß verlangen? Wir behaupten: es würde sich daraus kein materieller und kein moralischer Nachtheil ergeben. Materiell nicht, wofern die Regierungen nur ein gutes Ob­ ligationenrecht, durch Fachmänner bearbeitet, der Nation bald bieten, und den Kammern der zustimmenden Staaten eine Vorberathung durch Delegirte als einen combinirten Gesetzgebungsausschuß anbieten; weiter bezweckte der August-Antrag materiell nichts; wird es erreicht, so hat man erreicht was man erreichen wollte. Eben deßhalb aber läge in dem oben hypothetisch ge­ setzten Verzicht auch kein moralischer Nachtheil; denn schließlich entschei­ den die wirklichen Einheitsleistungen. Wohl aber hätte man Hrn. v. Bismarck auch den geringsten scheinbarsten Anlaß zum gesuchten Bruch entzogen, wenn man diesem praktisch ohnehin irrelevanten, unter Wahrung der prin­

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cipiellen Berechtigung geschehenen Verzicht sofort beim bevorstehenden ­Votum Ausdruck gäbe. Dazu kommt nun aber ein weiteres. Ist denn die Delegirtenversammlung wirklich nur Mittel für die Herbeiführung des Obligationenrechts? Nach dem Buchstaben des Antrags und juristisch betrachtet – ohne allen Zweifel. Ist sie es aber auch politisch? Diese Frage ist berechtigt, denn in Bundessachen do­ minirt jetzt einmal thatsächlich die Politik; eine besondere und gefährliche Politik ist es für welche Hr. v. Bismarck bei der Frage Vorwände sucht. Und so die Frage gestellt, gewinnt sie nun doch ein wesentlich anderes Ansehen. Es tritt das Dilemma hervor: entweder ist die Delegirtenversammlung ein Keim zu einer organisch-repräsentativen Bundesinstitution, oder sie ist nicht einmal dieser Keim. Nur in letzterem Fall ist sie bloß Mittel für Obligationen­ recht, im andern ist sie der Anfang der Verwirklichung eines seiner Bedeu­ tung nach zehn Rechtseinheitsgesetze überragenden Selbstzwecks, der Anfang der organischen Bundeseinrichtung, über welche schon in der Vorfrage über einen nicht stimmeneinhelligen Beschluß nicht hinausgegangen werden dürf­ te. So liegt die Sache politisch betrachtet. Der Majoritätsbericht gesteht es aber nun an mehr als einer Stelle unverhohlen ein daß diese einmalige Beru­ fung der Delegation nicht bloß Instrument fürs Obligationenrecht, sondern Embryo einer Bundesvolksvertretung seyn soll. Und deßhalb – gebe man ei­ ner erfreulichen Wahrheit die Ehre, deren sich die Majorität nicht zu schämen hat – ist zwar die Weiterverfolgung der Delegation für die zwei Rechtsein­ heitsgesetze durch den Bund, auch ohne Einhelligkeit, streng juristisch zuläs­ sig. Aber politisch, oder vom Geist und Zweck der Maßregel aus, ist dieß nicht ganz der Fall. Wenn man dieß nun zugesteht, und zwar beim bevorstehenden Votum, was liegt moralisch erniedrigendes in diesem Zugeständniß? Es liegt darin das unver­hohlene Eingeständniß daß der Zweck der Ansetzung einer Bundes­ volksvertretung dem August-Antrag mit zu Grunde lag. Dieses Geständniß ist keine Schande, und kann in dem erforderlichen klaren Ausdruck gemacht werden; ja es ist dann das Gegentheil eines Rückzugs, wenn man nun einen entschiedenen Schritt weiter geht, wenn man die organische Bundesvolksvertretung mit unzweideutigem Ernst beantragt, wofür diese Blätter unlängst plädirt haben, und daneben die Vorbereitung der zwei bedeutsamen Gesetze, auch ohne Bundesberufung einer Delegirtenversammlung, betreiben zu wol­ len erklärt. Lasse man doch zwei Momente der deutschen Politik, ein vorübergehendes und ein bleibendes, nicht außer Auge; das vorübergehende ist: einem gesuch­ ten Zerwürfniß mit peinlicher Sorgfalt auch nur den entferntesten Schein­ grund darzubieten, und das bleibende: die deutsche Nation durch aufrichtige, alles thatsächlich Mögliche auch voll darbietende Anträge zu befriedigen. Je

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mehr das letztere geschieht, und je weniger man sich in den Sumpf der Sta­ gnation zurückführen läßt, desto leichter kann man in der querelle allemande, ob die beantragten Delegirten bloß Mittel für das Obligationenrecht seyen, und ob man darin von Bundeswegen über die Vorfrage hinausgehen dürfe, füglich und um so zweckmäßiger nachgeben, als eine zum theoretischen In­ teresse und zur Rechthaberei gar nicht im Verhältniß stehende Gefahr in ­Frage ist. Lösche man daher den Funken am Vorhang der begeisterungslosen delegatio ad hoc, und führe man in einem befriedigenden Antrag auf wirk­ liche Bundesreform so schnell als möglich, gestützt auf den Beifall aller Be­ sonnenen in der Nation, die Feuerwand auf, an welcher nach anfänglichem Sträuben bald auch die jetzigen Gegner eines Antrags auf organische Bundes­ reform mitbauen werden, werden mitbauen müssen. Der Antrag auf volle ­Reform erfordert allerdings Stimmeneinhelligkeit, aber die Ereignisse werden sie ihm bringen, und das Verdienst ihn gestellt, eine über einer secundären Nebenfrage drohende Krisis damit beschworen zu haben, wird andauern.

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NLA Hannover, Dep. 103, Best. VI, Nr. 429. Weisung mit Anlage. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 17. Januar 1863. Das Promemoria Platens wurde am 15. Januar gleichfalls an die sächsi­ sche Regierung nach Dresden übermittelt (NLA Hannover, Dep. 103, Best. VI, Nr. 663).

Hannover ist der Auffassung, dass die Delegiertenversammlung nicht durch „bloße Stimmenmehrheit“ in der Bundesversammlung beschlossen werden kann, und wendet sich damit gegen das Gutachten der Ausschußmajorität vom 18. Dezember 1862. Die Delegiertenversammlung kann nur durch Einstimmigkeit beschlossen werden, eine Mehrheitsentscheidung würde im Gegensatz zum Bundesrecht stehen. Gemeinnützige Einrichtungen können nach Artikel 64 der Wiener Schlußakte nur einstimmig beschlossen werden. Die vorgeschlagene Delegiertenversammlung wurde von Anfang an als eine Bundesreform aufgefaßt, und sie enthält in der Tat einen Antrag auf Änderung der Bundesverfassung. Nach Artikel 13 der Wiener Schlußakte ist dazu Stimmeneinhelligkeit erforderlich. Preußen ist in dieser Frage im Recht, und es droht damit, seinen Gesandten aus der Bundesversammlung abzuziehen. Dies wäre ein Unglück, das schwere Folgen für Deutschland haben würde. Es liegt nicht im Interesse der norddeutschen Regierungen, dass Preußen sich aus dem Bund zurückzieht. 1 Adolf Graf von Platen-Hallermund (1814–1880), seit 1845 im diplomatischen Dienst von Hannover, 1848–1852 Gesandter in Wien, 1852–1855 Geschäftsträger in Paris, 1855–1866 Außenminister von Hannover; NDB, Bd. 20, S. 511. 2 Ernst Julius Georg von dem Knesebeck (1809–1869), 1847–1865 hannoverscher Geschäfts­ träger bzw. Gesandter in München und Stuttgart, 1865/66 Gesandter in Wien; ADB, Bd. 16, S.  280 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 210 f.

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Hochwohlgeborener Herr Euer Hochwohlgeboren setze ich vertraulich davon in Kenntniß, daß die Kö­ nigliche Regierung zwar dem Antrage, welcher in der Bundestagssitzung vom 18. December v. J. in Betreff der Delegirten-Versammlung von der Majorität des Ausschusses gestellt worden ist, ihrerseits zustimmen wird, aber sich nicht damit einverstanden zu erklären vermag, daß das Institut durch bloße Stimmenmehrheit errichtet werden könne. Die Gründe für diese ihre Ansicht finden Ew. Hochwohlgeboren in dem in 3 Exemplaren anliegenden Schriftstücke verzeichnet, welches Sie der König­ lich Bayerschen und der Königlich Württembergischen Regierung vertraulich mittheilen und Sich zur Richtschnur für Ihre Sprache dienen lassen wollen. Empfangen Sie die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hoch­achtung. Platen-Hallermund [Anlage] Gründe der Königlichen Regierung gegen das Gutachten der Majorität des Ausschusses über die Delegirten-Versammlung. 1. Das Gutachten widerspricht den Verabredungen, welche in den vorjährigen Wiener Conferenzen3 zwischen den vereinbarten Regierungen getroffen wur­ den. Die Königliche Regierung machte dort den Satz geltend, daß die Delegir­ ten-Versammlung am Bundestage nur durch Stimmeneinhelligkeit beschlos­ sen werden könne, und dieses Princip wurde allseitig anerkannt und ange­ nommen. Von kaiserlich österreichischer Seite wurde in der Sitzung vom 7. Juli v. J. erklärt (Registratur S. 15): „Ob übrigens der Vorschlag der großherzoglich hessischen Regierung als auf eine organische Einrichtung oder auf eine gemeinnützige Anord­ nung im Sinne des Artikels 64 der Wiener Schlußacte gerichtet aufzu­ fassen sei, scheine nicht nöthig zu untersuchen, da in einem wie in dem andern Falle Stimmeneinhelligkeit zu einem Beschlusse erforderlich sei.“4 3 Platen bezieht sich auf die Besprechungen zwischen Österreich und den Mittelstaaten über eine Bundesreform, die am 7. Juli und 10. August 1862 in Wien stattfanden; siehe QGDB III/3, Dok. 132 und 137. 4 Ebd., S. 703.

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Kein Mitglied der Commission erhob Einwand wider diesen Ausspruch, und in der Sitzung vom 10. August v. J. gaben alle Gesandten das Einver­ ständniß ihrer Regierungen zu erkennen. Für den Fall, daß am Bundestage die Einstimmigkeit nicht erlangt würde, schlug außerdem Oesterreich vor, daß dann die zustimmenden Staaten auf Grund des Artikels XI der Bundesakte eine provisorische Delegirten-Ver­ sammlung außerhalb des Bundes als freie Vereinbarung gründen möchten. Das Princip dieses Vorschlages wurde von keiner Seite angefochten, doch von den meisten Mitgliedern die Erklärung über den Vorschlag selbst späterer Zeit vorbehalten. Jedenfalls ging daraus hervor, daß die Conferenz nicht meinte, es solle die Delegirten-Versammlung als Bundesinstitut auf Grund des Artikels 64 der Wiener Schlußakte festgehalten werden, wenn mehrere Regierungen in der Bundesversammlung gegen den Antrag stimmten. Auf diese Voraussetzungen gestützt und ausdrücklich in Absicht und An­ lage auf den ganzen Bund berechnet, wurde der bekannte Antrag in Wien ­vereinbart, welcher hierauf am 14. August v. J. in die Bundesversammlung gelangt ist5. Außerdem kam man überein, daß in Wien die vertraulichen ­Instructionen verabredet werden sollten, welche den Mitgliedern des Bundes­ tags-Ausschusses zu ertheilen wären, und der kaiserliche Herr Minister er­ klärte in der Sitzung vom 10. August v. J., „daß die kaiserliche Regierung es sich zur Pflicht machen werde, ihre Ansichten über die nunmehr dem begut­ achtenden Ausschusse in Frankfurt an die Hand zu gebenden näheren An­ leitungen ihren hohen Verbündeten bekannt zu geben.“6 Durch Erlaß an den Grafen Ingelheim7 vom 15. August v. J. theilte der Herr Graf Rechberg der königlichen Regierung Vorschläge für diese Instruction mit; darin deutete je­ doch kein Wort dahin, daß jenes verabredete Princip der Stimmeneinhellig­ keit vom Ausschusse bei Seite gesetzt werden solle. Das Gutachten der Mehrheit des Ausschusses hat indeß diesen Vereinba­ rungen nicht entsprochen. Es bringt die ganze Frage über die Einführung des Delegirten-Instituts auf den Satz, daß darüber von der Bundes-Versammlung durch Majorität beschlossen werden könnte – eine Grundlage, welche das ­directe Gegentheil des in Wien Angenommenen enthält. Außerdem ist im Mehrheits-Gutachten der Antrag wesentlich umgeändert worden, welchen die Regierungen in Wien vereinbart hatten und der dem Ausschusse durch 5 QGDB III/3, Dok. 140. 6 QGDB III/3, Dok. 137, S. 727. 7 Damian Friedrich Graf von Ingelheim (1807–1888), gen. Echter von und zu Mespelbrunn, nach dem Ort im Spessart, wo die Familie Ingelheim ein Wasserschloss besaß, österreichischer Diplomat, 1849–1851 Geschäftsträger in Athen, 1851–1855 Gesandter in Kassel, 1855–1866 Gesandter in Hannover, 1868–1870 Gesandter in München. Vgl. Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 294; Matsch, Der auswärtige Dienst, S. 138, 141, 142, 151, 266.

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Bundes­beschluß vom 14. August v. J. zugewiesen war. Nach ihm hatte der Ausschuß direct die Frage zu beantworten, ob das vorgeschlagene Institut der Delegirten-Versammlung empfehlenswerth sei und in welcher Form, und die Majorität mußte demnach ihren Antrag dahin richten, daß die Bundesver­ sammlung die demnächstige Berufung einer Delegirten-Versammlung be­ schließen möge. Statt dessen verwandelt künstlich die Majorität jene ent­ scheidende Frage in eine Vorfrage und legt sie der Bundesversammlung zum Beschluß vor, nämlich die Zweckmäßigkeit und Räthlichkeit der DelegirtenVersammlung, obgleich diese Erörterung Aufgabe des Ausschusses war und zur Motivirung für sein Gutachten gehört; wenigstens ist der Geschäftsgang in Frankfurt nicht so, daß wenn ein Theil des Ausschusses eine vorgeschlage­ ne Maßregel für zweckmäßig und räthlich erklärt, ein anderer dagegen sie für unzweckmäßig hält, die Anträge der beiden Theile dahin gehen, die Bundes­ versammlung wolle jene Maßregel als „zweckmäßig und räthlich resp. als ­unräthlich bezeichnen.“ 2. Nach diesseitiger Ansicht widerstreitet ferner die Aufstellung des Gut­ achtens der Ausschußmehrheit über Bundesbeschlüsse durch Stimmeneinhel­ ligkeit und Majorität klar und stark dem Bundesrechte. Die Bundes-Grundgesetze haben der Bundesversammlung das Recht bei­ gelegt, gemeinnützige Anstalten und Einrichtungen unter den ­Voraussetzungen und Bedingungen anzuordnen, welche Artikel 64 der Wiener Schluß-Akte vorschreibt. Daß die Gegenstände, welche die Anordnung betrifft, außerhalb der verfassungsmäßigen Botmäßigkeit des Bundes liegen und dem Bereiche der einzelnen Bundesstaaten angehören, ist deutlich im Artikel 64 angezeigt. Erst durch freie Vereinbarung der Bundesmitglieder sollen sie der Wirksam­ keit des Bundes übertragen werden, also müssen sie vorher jenen angehört haben; hätte der Bund bereits ein Anrecht darauf besessen, so würde freiwilli­ ge Vereinbarung der Staatensouverainitäten keinen Sinn haben. Im Unrechte ist also jene Behauptung, welche neuerdings im Bundestags-Ausschusse von der Minorität aufgestellt wurde, daß die gemeinnützigen Anordnungen nicht in das [sic] Bereich übergreifen dürften, welches den Einzelstaaten nach der Bundesverfassung gehört; vielmehr muß man behaupten, daß die Gegenstän­ de, welche die gemeinnützigen Anordnungen erfassen, stets aus dem Eigen­ thum der Bundesstaaten entnommen sind. Es ist kein denkbarer Grund zu ­finden, weshalb nicht auch Civil- und Criminal-Gesetzgebung unter die ge­ meinnützigen Anordnungen des Bundes fallen könnten, wenn den deutschen Staaten der Nutzen ihrer Gleichförmigkeit überwiegend erscheint, obgleich sie unbestreitbar an und für sich zu den Dingen gehören, welche die BundesGrundgesetze den Territorien lassen. Nachdem sich aber alle Bundesglieder freiwillig im Bundeswege verein­ bart haben, einen Gegenstand, der ursprünglich den Territorien gebührte, zu

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einer gemeinnützigen Anordnung des Bundes centralisiren zu lassen, und nachdem der Bundestag die Anordnung vermöge eines Beschlusses formell ausgesprochen hat, so wird der Gegenstand Bundessache und dem Bundes­ tage stehen in Bezug auf ihn dieselben executiven Befugnisse zu, wie er sie hinsichtlich anderer Beschlüsse besitzt, die er faßte. Er hat also das Recht, darüber zu wachen, daß jene Anordnung in allen Bundestaaten gehörig erfüllt und aufrecht erhalten wird, während den Regierungen die Ausführung der Anordnung in ihren Ländern verbleibt, so wie ihnen nach der Bundesverfas­ sung überhaupt die Vollziehung bei allen beschlossenen Maßregeln des Bun­ des gebührt, welche das Innere der Territorien betreffen. Eine Freiheit einzel­ ner Bundesstaaten, die beschlossene gemeinnützige Anordnung anzunehmen oder nicht, ist völlig unvereinbar mit dem Wortlaute und Sinne des Artikels 64. Er setzt ja vora[us,] daß eine gewisse Maßregel nur durch zusammenwir­ kende Theilnahme aller Bundesstaaten ausgeführt werden könne, und daß sämmtliche Bundesstaaten sich zu ihr vereinbart haben. Beide Erfordernisse sind also wesentliche Bestandtheile des Begriffes einer gemeinnützigen An­ ordnung des Bundes im Sinne des Artikels 64; wo sie fehlen ist jene Anord­ nung gar nicht vorhanden; und die Vereinbarung aller Bundesglieder im Bun­ deswege ergibt schon von selbst, daß für sie alle ei[ne] Verpflichtung theils gegenüber dem Bunde, theils unter einander vorhanden ist, die Anordnung in ihren Territorien zu erfüllen. Wie jede Regierung in ihrem Lande mit den Landständen fertig werden will, wenn z. B. die gemeinnützige Anordnung eine Gesetzgebung betrifft, zu welcher die Landschaft nach der Landesverfas­ sung das Recht der Concurrenz besitzt: das richtet sich nach denselben Re­ geln, wie die deutschen Regierungen überhaupt abgeschlossene Verträge [im] Lande ausführen, oder genau genommen, wie sie bundesmäßige Verpflichtun­ gen erfüllen (Artikel 58 der Wiener Schluß-Akte8). Denn die Bundesver­ fassung legt dem Bunde und den Regierungen das Recht bei, gemeinnützige Anordnungen zu beschließen; und wenn auch neuere Theorie und Praxis annimmt, daß sowohl der Bund als die Regierungen bei den bundesver­ ­ fassungsmäßigen Beschlüssen des Bundes, welche das Innere der Staaten be­ rühren, nicht über den territorialen ständischen Rechten ständen, so darf man doch nicht vergessen, daß die Schöpfer der Bundes-Grundgesetze diesen mo­ dernen Standpunkt nicht hatten, sondern davon ausgingen, die Souveraine seien allein Inhaber der gesetzgebenden Gewalt in den Territorien und wenn sich der Bund mit ihnen vereinbart hätte über einen territorialen Gegenstand, 8 Artikel 58 der Wiener Schlußakte lautet: „Die im Bunde vereinten souverainen Fürsten dürfen durch keine landständische Verfassung in der Erfüllung ihrer bundesmäßigen Verpflichtungen gehindert oder beschränkt werden.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsge­ schichte, Bd. 1, S. 99.

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welcher nach der damaligen Auffassung zur Disposition der Regierungen ge­ hörte, so wäre damit alles Nöthige geschehen. Die Unerläßlichkeit der Stimmeneinhelligkeit bei jener anordnenden Wirk­ samkeit des Bundes, welche der Artikel 64 der Wiener Schluß-Akte ihm als Attribut beilegt, ist natürlich ein großes Hinderniß, gemeinsame Maßregeln gemeinnütziger Natur im Bundeswege zu erreichen. Theils dieser Schwierig­ keit wegen, theils aus Gründen, die nicht weiter erörtert zu werden brauchen und welche hauptsächlich Preußen betreffen, suchte man daher einen leichtern Weg zu erlangen, namentlich in Bezug auf gemeinsame deutsche Gesetz­ gebung. Man fand ihn in der Supposition, daß der Bundestag in Bezug auf jene Gesetzgebung keine verfügende, sondern nur eine befördernde, vermittelnde, einwirkende oder vorbereitende Thätigkeit ausübe; daß bei ihr am Bundestage nicht Vereinbarung aller Bundesglieder erforderlich sei und we­ der Zwang noch Verpflichtung für die Einzelstaaten bestehe, sondern volle Freiheit bleibe, die am Bunde angeregten Gesetze anzunehmen oder nicht; und aus diesen Vordersätzen folgerte man, daß bei jener beschränkten Thätig­ keit ein Majoritätsbeschluß am Bundestage genüge. Doch leitete man auch sie aus Artikel 64 ab und brachte sie unter den Gesichtspunkt der gemeinnüt­ zigen Anordnungen. Es ist indeß nach diesseitiger Auffassung schwerlich zu verkennen, daß jene Annahme, welche auch im Gutachten der Majorität eine Rolle spielt, auf einer bloßen Fiction beruht. Der Artikel 64 hat dem Bundestage nur eine ­anordnende Thätigkeit unter gewissen Bedingungen beigelegt, aber keine Wirksamkeit in Bezug auf eine gemeinnützige Gesetzgebung, welche weder allen Bundesstaaten gemeinsam sein, noch schließlich vom Bundestage, son­ dern von den Einzelstaaten verfügt werden soll. Da nun auch keine andere Bestimmung der Bundes-Grundgesetze dem Bundestage jene vermittelnde, befördernde Aufgabe verleiht, so hätte er dieses nur durch einen Bundesbe­ schluß, gefaßt mit Stimmeneinhelligkeit, erwerben können; ein solcher Be­ schluß existirt aber nicht. Doch macht man diesseits Erinnerung dagegen, daß die Bundesversammlung schon seit längerer Zeit jene Thätigkeit factisch aus­ übt, wenn auch unter Widerstreit verschiedener Bundesglieder. Indeß ihre sehr precaire Natur mahnt wenigstens, sie mit großer Mäßigung wider die Gegner zu gebrauchen und sie nicht zum Ausgangspunkt so übergreifender Folgerungen zu machen, wie das Gutachten der Majorität es thut. Es schließt nämlich so: nicht blos jene befördernde, vorbereitende Thätigkeit der Bundesversammlung, sondern auch die hierfür dienlichen Mittel kön­ nen durch Stimmenmehrheit gewählt und in Thätigkeit gesetzt werden; die Delegirten-Versammlung wird nun für ein solches Mittel erklärt und behaup­ tet, daß bloßer Majoritätsbeschluß dazu ausreiche. Diese Annahme verläßt die Grundlage der Bundesverträge zu augenfällig.

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Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Beschaffenheit des Mittels, welches in Frage steht, in Betracht gezogen werden muß. Gehört dieses zu den Gegenständen, für welche die Bundesverfassung Einhelligkeit oder zwei Drittel Majorität festsetzt, so ist kein Beschluß gültig, der mit einfacher Ma­ jorität gefaßt war; jener Zweck – die befördernde oder vermittelnde Thätigkeit der Bundesversammlung – welcher ohnedieß an sich auf loser Grundlage ruht, vermag nicht über ausdrückliche Bestimmungen der Grundgesetze des Bundes hinwegzuhelfen. Die vorgeschlagene Delegirten-Versammlung wurde von Anfang an als eine theilweise Bundesreform aufgefaßt, und sie enthält in der That einen An­ trag auf Aenderung der Bundesverfassung. Das letztere thut sie in zweierlei Hinsicht. Durch sie soll eine Versammlung, welche die deutschen Landstände repräsentirt, ein Recht auf Mitwirkung bei der Thätigkeit bekommen, welche der Bund hinsichtlich gemeinsamer Gesetzgebung ausübt. Und es soll ferner durch sie der Bundestag berechtigt werden, durch das Medium einer land­ ständischen Repräsentation in das Innere der Einzelstaaten für den Zweck ge­ meinsamer Gesetze einzuwirken. Mag man die Wirksamkeit des Bundes in Bezug auf gemeinsame Gesetze als legislatorisch oder als blos fördernd oder vorbereitend auffassen, die deut­ schen Landstände besitzen nach der bestehenden Bundesverfassung keine Theilnahme daran. Die Bundesverfassung kennt überhaupt nur Theilnahme der Regierungen an der Ausübung der Bundesgewalt, keine ständische Mit­ wirkung. Soll daher die letztere eingeführt werden, so bedarf es eines Be­ schlusses, welcher das bestehende Grundprincip abändert. Und die Bundesverfassung enthält ferner das Princip, daß der Bund keine Einwirkung in die inneren Verhältnisse der Einzelstaaten hat, welche nicht ausdrücklich durch die Grundgesetze gestattet ist, namentlich besitzt er keine Befugniß in landständische Angelegenheiten einzuwirken (Art. 32, 53, 55 und 61 der Wiener Schlußakte9). Den Regierungen allein kömmt zu, mit ihren Landständen hinsichtlich der inneren Gesetzgebung fertig zu werden; selbst hinsichtlich der Ausführung von Beschlüssen des Bundes in wirklichen Bun­ 9 Artikel 32 der Wiener Schlußakte stellte im Hinblick auf Bundesexekutionsverfahren fest, daß der Bundesversammlung „eine unmittelbare Einwirkung auf die innere Verwaltung der Bun­ desstaaten nicht zusteht“; Artikel 53 garantierte die Unabhängigkeit der einzelnen Staaten und schloß „im Allgemeinen jede Einwirkung des Bundes in die innere Staats-Einrichtung und Staats-Verwaltung aus“; Artikel 55 überließ den souveränen Fürsten die Einrichtung der land­ ständischen Verhältnisse als „innere Landes-Angelegenheit“; Artikel 61 bestimmte, daß die Bundesversammlung nicht berechtigt war, „in landständische Angelegenheiten, oder in Strei­ tigkeiten zwischen den Landesherren und ihren Ständen einzuwirken“, solange es nicht zum Aufruhr gegen die Obrigkeit kam und diese den Bund um Hilfe ersuchte; Huber (Hrsg.), Do­ kumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 95, 98 f.

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dessachen sind es nur die Regierungen, welchen in den Territorien die Vollzie­ hung gebührt (Artikel 25, 32 der Wiener Schlußakte10). Soll jetzt eine Ausnah­ me von diesem Principe begründet, das Recht der Regierungen, allein mit den Ständen zu tractiren, geschmälert und der Bundestag befugt werden, nicht blos mit den Regierungen, sondern auch mit einer Vertretung der Landstände über gemeinschaftliche Gesetze zu verhandeln und Vereinbarung zu erwirken, so muß insoweit eine Aenderung der Bundes-Grundgesetze eintreten. Daß jede Abänderung der bestehenden Bundesverfassung einen einhelligen Beschluß fordert, steht unleugbar fest. Wenn dagegen eingewandt wird, blo­ ßer Majoritätsbeschluß sei hier genügend, weil die Delegirten-Versammlung nur als vorübergehendes Institut errichtet und auf wenige bestimmte Gesetze in ihrer jetzigen Anlage beschränkt werde, so darf man wohl erwiedern: ­Erstens paßt zeitweise und beschränkte Aenderung der Bundesprincipien nicht weniger unter den Begriff der Aenderung als dauernde; und Artikel 13 schreibt für „Abänderung der bestehenden Grundgesetze“ im Allgemeinen die Stimmeneinhelligkeit vor11; Zweitens, mag auch die Delegirten Versammlung provisorisch und in ihrem Zwecke sehr eingeengt sein, ihrer Einrichtung ste­ hen auch so überaus wichtige Bundesprincipe entgegen, deren Beschränkung zu Gunsten des neuen, wenn auch an sich nicht bedeutungsvollen Instituts schwerlich vor sich gehen darf, ohne den bundesverfassungsmäßigen Weg dabei innezuhalten. In den vorjährigen Wiener Conferenzen war man zwar der Meinung, daß die Delegirten-Versammlung außerhalb des Bundes provi­ sorisch errichtet werden könne; aber daß sie gegen den Dissens Preußens, also ohne Einstimmigkeit auch von Bundeswegen als zeitweises Institut ins Leben gerufen werden dürfte, davon war keine Rede. Man wendet ferner ein: wenn die Delegirten-Versammlung als organische Einrichtung des Bundes aufgestellt werden sollte, müßte allerdings einhelliger Beschluß erfolgen, sie ist aber kein organisches Institut. Den Vordersatz dieser Behauptung muß man als richtig anerkennen; wie die Delegirten-Ver­ sammlung vorgeschlagen ist, kann man sie wohl als eine organische Einrich­ tung in allgemeiner Bedeutung bezeichnen, aber nicht als ein solches Institut im technischen Sinne des Artikels 13 der Wiener Schlußakte12; denn es fehlen 10 In Artikel 25 der Wiener Schlußakte hieß es: „Die Aufrechthaltung der innern Ruhe und Ord­ nung in den Bundesstaaten steht allein den Regierungen zu.“ Ausnahmen waren nur zulässig bei Widersetzlichkeit der Untertanen, offenem Aufruhr oder gefährlichen Bewegungen in mehreren Bundesstaaten, die die innere Sicherheit des gesamten Bundes gefährdeten. Nach Artikel 32 oblag die Vollziehung der Bundesbeschlüsse den Einzelregierungen. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 94 f. 11 Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 92 f. 12 In Artikel 13 der Wiener Schlußakte werden organische Einrichtungen definiert als „bleiben­ de Anstalten, als Mittel zur Erfüllung der ausgesprochenen Bundeszwecke“; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 92.

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ihr die Eigenschaft der Dauer und der Bezug auf einen „ausgesprochenen Bundeszweck“, wenn man sie mit dem Majoritätsgutachten nur als Mittel zu einer vermittelnden Thätigkeit des Bundes auffassen will. Indessen der Schluß ist unrichtig, daß Majoritäts-Beschluß genüge, weil hier keine organi­ sche Anstalt in Frage stehe. Vielmehr gibt es noch andere Kategorien von Gegenständen, welche Einstimmigkeit nach den Vorschriften der Bundesver­ fassung verlangen, und die Delegirten-Versammlung fällt unter eine von ih­ nen, nämlich unter „Abänderung bestehender Grundgesetze“. Man vergleicht auch die Delegirten-Versammlung mit einer bloßen Fach­ commission und bezeichnet sie als deren Erweiterung, da sie nur consulta­ tives Recht bekommen soll, mit der Folgerung im Hintergrunde, daß dieses neue ständische Institut eben so durch Majoritätsbeschluß berufen werden dürfe, wie es mit den Fachcommissionen geschah. Indessen darin hat man Unrecht. Von den Fach-Commissionen unterscheidet sich die Delegirten-Ver­ sammlung gerade so, wie in den Einzelstaaten ein landständisches Corpus mit berathender Gerechtsame von einer Commission, welche der Regent aus sei­ nen Dienern oder Unterthanen zu irgend welchem Gutachten beruft. Das ­Institut der Delegirten soll mit eigenem Rechte zur Berathung ausgerüstet und seinem Beirath eine gewisse Maßgebung im Voraus bundesgesetzlich beige­ legt werden, während Fachcommissionen nichts weiter sind, als eine Zusam­ mensetzung von Sachverständigen, welche beliebig ausgewählt sind, nur ver­ möge Mandat des Bundestags oder ihrer Regierung ausarbeiten und wieder weggesandt werden dürfen, ohne daß man auf ihre Ausarbeitung das gering­ ste Gewicht zu legen braucht, wenn man dieß nicht will. Man sagt ferner: Majoritätsbeschluß ist zulässig, weil es sich ja um keinen Zwang und keine Verpflichtung der dissentirenden Bundesglieder handelt; es steht jeder Regierung frei, sich an dem Institute der Delegirten-Versammlung zu betheiligen oder nicht. Diese Argumentation möchte aber schwerlich Billi­ gung finden dürfen; sie verschiebt den eigentlichen Streitpunkt. Wenn es rich­ tig ist, daß die Delegirten-Versammlung eine Aenderung der Bundesverfas­ sung enthält, so liegt allerdings in der Behauptung und Durchführung eines bloßen Majoritätsbeschlusses ein unberechtigter Zwang, nur in etwas anderer Weise. Da nämlich das einzelne dissentirende Bundesglied das bundesverfas­ sungsmäßige Recht besitzt, durch seinen Dissens überhaupt zu verhindern, daß jenes Institut als Bundeseinrichtung entsteht, so verkürzt man ihm seine Befugniß, indem die Stimmen der Majorität von dieser so betrachtet und be­ handelt werden, als ob damit das Institut vom Bunde genehmigt sei. Die dis­ sentirenden Mitglieder nöthigen zu wollen, dem unrechtmäßig geschaffenen Institute selbst beizutreten und ihre Stände zur Delegirten-Versammlung zu senden, würde alles Maaß überschreiten: davon kann kaum im Ernste geredet werden. Die Entsagung dieses Zwanges genügt aber nicht: die beistimmende

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Majorität würde in diesem Falle auch unterlassen müssen, unter sich das In­ stitut als von Bundeswegen beschlossene und als Bundesinstitut dargestellte Einrichtung einzuführen. Auch ist für die Berechtigung, durch Majorität über die Delegirten-Ver­ sammlung zu beschließen, gesagt worden: nach Artikel 64 der Wiener SchlußAkte soll nur der Beschluß über die gemeinnützige Anordnung selbst (d. h. in vorliegendem Fall die Gesetze über den Civilproceß und das Obligationen­ recht) durch Stimmeneinhelligkeit erfolgen; um diese Anordnung handelt es sich aber nicht, sondern nur um die Mittel zur Vorbereitung derselben (Dele­ girten-Versammlung); diese ist die Majorität der Bundesglieder jedenfalls ­berechtigt zu beschließen und ihrer Seits in Wirksamkeit zu setzen und der Widerspruch der dissentirenden Minorität vermag das Zustandekommen nicht zu hindern. Indessen auch diese Auslegung des Artikels 64 kann man nicht zugeben. Wenn das Mittel zu denjenigen gehört, für welche die Bundesver­ fassung in irgend einer ihrer Bestimmungen eine andere Beschlußform vor­ schreibt, als Majorität, so muß jene Form angewandt werden, gleichviel ob das Mittel zur Vorbereitung oder zur Ausführung dient. Das Majoritäts-Gut­ achten selbst räumt ein, daß Stimmeneinhelligkeit Statt finden müßte, wenn die Delegirten-Versammlung als organische Anstalt berufen werden sollte, also wenn das Mittel unter den Begriff der No 2 des Artikels 13 der Wiener Schlußakte paßte; dieß ist nun freilich nicht der Fall, sondern es gehört unter die No 1 des Artikels 1313: indeß das Gutachten würde in einen schlimmen Widerspruch gerathen, wenn es für No 1 nicht gelten lassen wollte, was es für No 2 annimmt. Außerdem spricht der Artikel 64 nicht von Beschlüssen über die Mittel, sondern nur von „sorgfältiger Erwägung“ der Mittel, eine Operati­ on, die bekanntlich in den Ausschüssen geschieht und nicht mit der Anfrage an den Bundestag endigt, ob die Mittel zweckmäßig und räthlich seien, son­ dern mit bestimmten Vorschlägen. Auch geht es praktisch kaum, die Land­ stände in die Vorbereitung hineinzuziehen. Nach dem Standpunkte, welchen die bestehende Bundesverfassung und Artikel 64 hat, ist das Aufstellen und Beschließen von gemeinnützigen Anordnungen eine Angelegenheit, welche lediglich zwischen dem Bunde und den Regierungen läuft. Die Stände kom­ men also erst in Betracht, nachdem die Anordnung von allen Regierungen am Bunde vereinbart ist: und dann wird die Ausführung in den Territorien aus­ schließlich zwischen den Regierungen und den Ständen ohne Concurrenz des Bundes verhandelt. Wäre es daher jetzt am Bundestage Absicht, diese Ord­ 13 Artikel 13 der Wiener Schlußakte definierte die Gegenstände, über die nicht durch Stimmen­ mehrheit entschieden werden durfte. Dazu gehörte gemäß Nr. 1 die „Annahme neuer Grund­ gesetze, oder Abänderung der bestehenden“. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Ver­ fassungsgeschichte, Bd. 1, S. 92.

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nung abzuändern und die Stände zur Berathung zu rufen, ehe die gemeinnüt­ zige Anordnung beschlossen ist, so müßte vorher jene Ordnung, d. h. die Bundesverfassung abgeändert werden. Unmöglich ist aber statthaft, diese Ordnung mit dem bloßen Axiome umzukehren, daß die Delegirten-Versamm­ lung berufen werden könne im vorbereitenden Stadium, weil sie als Mittel zur Vorbereitung anzusehen sei. Endlich hat man noch die Sache so gewandt: die Bundesversammlung habe freilich nicht das Recht, durch Majoritätsbeschluß die Delegirten-Versamm­ lung einzuführen; aber sie besitze wenigstens die Befugniß, den Bundesglie­ dern eine solche Einrichtung zu empfehlen und es darauf ankommen zu las­ sen, wer darauf eingehen will, absehend von jedem Zwange gegen die dissen­ tirenden Mitglieder; nur eine solche Empfehlung habe die Majorität des Ausschusses gemacht und stehe jetzt zur Frage. Diesseits kann man auch hin­ sichtlich dieser Wendung nicht glauben, daß sie durch das Bundesrecht ge­ rechtfertigt wird. Erstens könnte sie sich nur auf den Passus in Artikel 64 der Wiener Schluß­ akte stützen, welcher der Bundesversammlung vorschreibt, die Mittel der ­Vollführung einer gemeinnützigen Anordnung in Erwägung zu ziehen. Indeß diese erwägende Operation geht nach der Geschäftsweise des Bundestags und nach der Natur nicht in der Bundesversammlung selbst vor sich, sondern in den Ausschüssen; diese erwägen, endigen die Erwägung nicht mit der An­ frage an den Bundestag, ob die Sache zweckmäßig und räthlich sei, sondern sie e­mpfehlen dann an oder rathen ab. Jedenfalls gibt es keine Bundes­ beschlüsse, in welchen ein Theil der Bundesglieder den Gutachter für die an­ deren spielt und ein Theil dem andern Maßregeln blos anempfiehlt – Empfeh­ lungen von Bundes­wegen, gerichtet von einer Majorität an die Minorität, sind unerhörte Dinge in der Bundesordnung, und es liegt eine Verletzung Preußens und aller dissentirenden Bundesglieder darin, wenn bei Gelegenheit eines Streites von der gereizten Art, wie er über die Majoritätsbeschlüsse seit ge­ raumer Zeit Statt findet, eine so abnorme Prozedur auf das Tapet gebracht wird. Zweitens, wenn wirklich lediglich empfehlende Beschlüsse des Bundestags zulässig oder üblich wären, so könnten sie unmöglich einen Einfluß auf die Einführung des anempfohlenen Mittel selbst ausüben, sondern sie würden nicht anders wirken, wie ein anempfehlendes Ausschußgutachten. Daß aber solche Empfehlung für die beistimmenden Bundesglieder eine Befugniß er­ zeugte, das empfohlene Mittel als beschlußmäßig sanctionirt aufzufassen und als unter der Autorität des Bunde stehendes Institut unter sich einzuführen, wie das Majoritäts-Gutachten offenbar annimmt: das ist eine Meinung, die man diesseits durchaus bestreiten muß. Jene Maßregel wird erst dann Bundes­ institut, nachdem sie der Bundestag ausdrücklich und geradezu in der Form

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dafür erklärt hat, welche je nach Beschaffenheit des Gegenstandes für sie durch die Bundesverfassung gefordert wird, im vorliegenden Falle durch Stimmeneinhelligkeit. Und eben so wenig vermag der empfehlende Beschluß an die Stelle der Uebereinkunft zu treten, durch welche die empfehlenden Bundesglieder berechtigt wären, jene Maßregel außerhalb des Bundes auf Grund des Artikels XI der Bundesakte zu errichten. Denn diese Arten von Vereinbarungen liegen außerhalb der Competenz des Bundestages und die Majorität besitzt kein Recht, sie gegen den Widerspruch der Minorität durch den Bundestag zu Stande zu bringen oder vorzubereiten, es sei denn, daß ei­ ner von den Fällen vorliegt, wo die Bundes-Grundgesetze die Vermittlung des Bundes ausdrücklich gestatten. Genug, diesseits steht die Ueberzeugung fest, daß die Delegirten-Ver­ sammlung unter die No 1 des Artikels 13 fällt, also nicht anders, als durch Einstimmigkeit beschlossen werden darf. Außerdem macht nach diesseitiger Ansicht noch ein zweiter Grund Stimmeneinhelligkeit nothwendig. Die De­ legirten-Versammlung ist nach ihrem Zwecke und Plane auf den ganzen Bund berechnet, sie soll die Gesammtheit der in den Bundesstaaten geglie­ derten deutschen Nation vertreten und Gemeinsamkeit gewisser Gesetze für ganz Deutschland vermitteln. Dazu wird aber erfordert, daß alle deutschen Landstände dazu berufen werden. Da nun aber die Berufung der Stände nicht angeht, deren Regierung nicht in die Delegirten-Versammlung einge­ willigt hat, so muß also Zustimmung aller Regierungen vorausgehen, wenn jener Zweck erfüllt werden soll, d. h. es muß einhelliger Beschluß vorlie­ gen, ehe man ernstlich an die Einführung der Delegirten-Versammlung als Bundesinstitut und in dem Plane denken kann, wie er in Wien aufgestellt wurde. 3. Die Wendung, welche das Gutachten der Ausschußmajorität in der Frage genommen hat, erscheint endlich als ein bedeutender politischer Fehler, wel­ cher noch folgenschwerer würde, wenn die conföderirten Regierungen die Basis jenes Gutachtens genehmigen wollten. Bisher wurde auf Seiten der föderativ gesinnten Regierungen aufrichtiges und festes Aufrechthalten des Inhaltes und Geistes der Bundesverfassung für ihre Fundamentalmaxime erachtet und bewahrt, und sie blieben sich stets be­ wußt, daß sie volle Ursache hätten, der preußischen Regierung keinen Anlaß zu der begründeten Anklage zu geben, daß sie sich über die Bundesverfas­ sung in dem Falle wegsetzen, wo ihrem Interesse die laxe Behandlung der Bundesvorschriften zu entsprechen scheint. Das vorliegende Majoritätsgut­ achten wird aber, glaube ich, nicht dazu beitragen, den Glauben an jene Treue im Bundesrechte zu verstärken. Bisher war ferner regelmäßig Preußen im Unrechte, wenn es Streit über die Bundesverfassung hatte; durch die Beweisführung jenes Gutachtens wird es

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Platen an Knesebeck

Nr. 15

von dieser unangenehmen Rolle erlöst und erscheint für diesmal im Rechte, nicht zum Nutzen der bundestreuen Seite. Preußen hat ferner die Aufstellung des Majoritätsgutachtens hoch aufge­ nommen [sic]. Ich glaube nicht, daß dieß bloße Affectation ist, sondern es liegt in der Natur der Sache, daß es sich durch die ausgesprochenen Grund­ sätze über die Zulässigkeit von Majoritätsbeschlüssen schwer bedroht halten muß. Nun würde es aber tief beklagt werden müssen, wenn an dieser Sache zwischen Preußen und den conföderirten Regierungen ein Conflict ausbräche. Preußen wäre dabei im entschiedenen Vortheile, denn es hätte den Schein des Rechtes und wahrscheinlich in Folge dessen die Beistimmung des Auslandes für sich. Dagegen könnten schwerlich die vereinten Regierungen mit der Ueber­zeugung in den Conflict gehen, daß sie in vollem Rechte wären. Und die geringe Bedeutung des Institutes der Delegirten-Versammlung, welche die entfernte Veranlassung des Streites ist, erzeugte gewiß keinen Enthusias­ mus und keine Opferfreudigkeit auf ihrer Seite. Gedieh wirklich der Streit so weit, daß Preußen seinen Gesandten von Frankfurt abberiefe, wie Herr von Bismark gedroht hat, so wäre dieß ein Un­ glück, dessen Folgen schwer auf Deutschland drücken würden, da sich die Verhältnisse seit 1850 stark verändert haben. Es wäre damit das erste Beispiel gegeben, daß sich ein Staat vom Bunde, oder wenigstens von der activen Theilnahme an den Rechten und Pflichten selbst entbinden kann. Vielleicht fände es schon jetzt oder bald Nachahmung bei Dänemark, welches schon lange daran gearbeitet hat, seine deutschen Herzogthümer aus dem Bunde zu ziehen.14 Jedenfalls würde der Bund lockerer. Und Preußen stände dann, be­ freit von den Pflichten und Rücksichten, welche das Bundes­verhältniß auf­ legt[,] vor den kleinen deutschen Staaten, ohne daß seine h­ egemonistischen 14 Es handelte sich um die sogenannten Elbherzogtümer Holstein und Lauenburg, die unter der Herrschaft des Königs von Dänemark standen und gleichzeitig zum Gebiet des Deutschen Bundes gehörten. Hinzu kam das Herzogtum Schleswig, das als dänisches Reichslehen eben­ falls dem König von Dänemark unterstand, aber nicht zum Deutschen Bund gehörte. Schon 1848 hatten die Bestrebungen der dänischen Krone, das Herzogtum Schleswig in die däni­ sche Gesamtstaatsverfassung zu integrieren, zum Krieg mit dem Deutschen Reich geführt, weil die deutsche Nationalbewegung ganz Schleswig-Holstein für den deutschen Bundesstaat reklamierte. In den 1850er Jahren beschäftigte die Schleswig-Holstein-Frage immer wieder die Bundesversammlung, weil Dänemark weiterhin danach strebte, die Territorien vollständig in den dänischen Staat zu integrieren, was nationalpolitischen Widerstand in den Herzogtü­ mern provozierte und zu schwierigen verfassungspolitischen und bundesrechtlichen Ausein­ andersetzungen führte. Der Konflikt eskalierte Ende 1863 und führte erneut zum Krieg zwi­ schen Dänemark auf der einen und Preußen und Österreich auf der anderen Seite. Der Streit um Schleswig-Holstein hatte in der Folgezeit gravierende bundespolitische Auswirkungen und bot schließlich den Anlaß zum innerdeutschen Krieg von 1866. Vgl. dazu ausführlich Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 449–509.

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Intentionen deshalb schwächer wären. Am allerwenigsten liegt es im Interes­ se der norddeutschen Staaten, wenn sich Preußen aus dem Bunde zieht, da es hierauf wider sie nothwendig verstärkt und verschärft andrängen muß, um sie vom Bunde zu entfernen und um sich zu gruppiren. Endlich ist auch jene Lehre des Majoritäts-Gutachtens von der Möglichkeit und Zulässigkeit der Majoritäts-Beschlüsse geeignet, den kleineren und mitt­ leren Staaten begründete Besorgnisse einzuflößen. Wenn Maßregeln und Ein­ richtungen im Bunde, die sonst Stimmeneinhelligkeit fordern, künftig durch bloße Majorität eingeführt werden können, sobald die Majorität sie für provi­ sorische Mittel zu einem gemeinnützigen Zwecke oder für Vorbereitung er­ klärt: so kann am Ende Alles im Bunde abgeändert werden, wenn eine herr­ schende Majorität dieß ihrem Interesse entsprechend findet. Die Majorität im Bundestage wechselt aber, und wir haben schon erlebt, daß Preußen sie hatte. Auch sind die deutschen Provisorien bekannt genug: sie währen gewöhnlich ewig.   Frankfurt am Main, 15. Januar 1863 

16. Pfordten1 an König Maximilian II.2 von Bayern

HStA München, MA 494. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 17. Januar 1863. Bleistift­ vermerk: Cito.

Die Aussichten auf Gewinnung der Mehrheit für den Antrag zur Bildung der Delegiertenversammlung beginnen zu schwinden. Der badische Vorschlag kann natürlich nicht dazu führen, die Abstimmung selbst auszusetzen, doch er könnte benutzt werden, um einen Bundesbeschluß auszusetzen und die Sache zurück an den Ausschuß zu verweisen. Zumal für die Mittelstaaten wäre es unbedenklich, den badischen Vorschlag anzunehmen und auszuführen. Es würde damit keines ihrer Souveränitäts­ rechte beschränkt, wohl aber ein Schutz gegen übermäßige Anforderungen der Großmächte an den Bund gewonnen. Pfordten hielte es für ein Glück, wenn die Delegiertenversammlung mit der von Baden bezeichneten Kompetenzerweiterung sofort ins Leben träte, denn damit wäre die ganze kleindeutsche Agitation beseitigt und die deutsche Revolution abgeschnitten. Jeder Zweifel an der Zustimmung der Mittel­ staaten zum badischen Vorschlag würde ihnen die Unterstützung der großdeutschen Partei entziehen und dem Nationalverein zum Sieg verhelfen. 1 Ludwig Freiherr von der Pfordten (1811–1880), nach Jurastudium und Promotion ab 1834 Professor an der Universität Würzburg, 1843–1848 Professor an der Universität Leipzig, 1847 Mitarbeiter der „Deutschen Zeitung“, vom 13. März 1848 bis zum 25. Februar 1849 sächsi­ scher Innen- und provisorischer Außenminister, 1849–1859 und 1864–1866 bayerischer Staats- und Außenminister, 1. Mai 1859 bis 4. Dezember 1864 bayerischer Bundestagsgesand­ ter; ADB, Bd. 25, S. 695–701; Schärl, Beamtenschaft, S. 107; Franz, von der Pfordten. 2 Maximilian II. Joseph (1811–1864), 1848–1864 König von Bayern; ADB, Bd. 21, S. 39–53; NDB, Bd. 16, S. 490–495.

72 Nro 19.

Pfordten an König Maximilian II. von Bayern

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Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König Allergnädigster König und Herr! Zur Zeit läßt sich mit Bestimmtheit noch nicht erkennen, wie die Abstim­ mung über die Ausschußanträge wegen der Delegirtenversammlung am 22ten d. Ms. ausfallen wird. Die Aussichten auf Gewinnung der Majorität für ­dieselben fangen aber an zu schwinden. Der Mecklenburgische Gesandte ist ­bereits angewiesen, dagegen zu stimmen, und Kurhessen wird wohl in Folge der in Cassel bestehenden Ministerkrisis3 ohne Instruktion seyn. Hannover scheint zwar zustimmen, aber das Recht der Schlußziehung per majora be­ streiten zu wollen. In der heutigen Sitzung hat nun der Badische Gesandte die hier anliegende vorläufige Abstimmung zu Protokoll gegeben4, auf welche von keiner Seite eine Bemerkung gemacht wurde. Die Großherzogliche Regierung scheint dieselbe zur Kenntniß der Regie­ rungen gebracht zu haben, und die Gesandten von Sachsen und Großherzog­ thum Hessen waren bereits im Besitze der von ihren Regierungen darauf ­gemachten Erwiederungen. Beide stimmen darin überein, daß sie in der ba­ dischen Aeusserung keinen Grund zur Aussetzung der Abstimmung oder zum Aufgeben ihrer Anträge fänden, lehnen jedoch den Badischen Gedanken ­wegen Erweiterung der Competenz der Delegirtenversammlung nicht ab, und die großherzoglich Hessische Regierung erklärt sich ganz ausdrücklich damit einverstanden. Es kann natürlich nicht die Rede davon seyn, um dieser Aeusserung, die nicht einmal einen bestimmten Antrag enthält, willen die Abstimmung selbst 3 In Kurhessen war es zur Jahreswende 1862/63 zu einer Regierungskrise gekommen, weil es zwischen dem Außenminister Jacob von Dehn-Rotfelser (1808–1881) und dem Kurfürsten unterschiedliche Auffassungen im Hinblick auf die Deutschlandpolitik gab. Während der ­ ­Außenminister zu einer versöhnlicheren Politik gegenüber Preußen tendierte und das öster­ reichisch-mittelstaatliche Delegiertenprojekt mit Skepsis betrachtete, wollte der Kurfürst den Reformanträgen zustimmen, was zu einer weiteren Belastung der wegen der verfassungspoliti­ schen Auseinandersetzungen in Kurhessen ohnehin angespannten Beziehungen zu Preußen ge­ führt hätte. Dehn-Rotfelser wurde am 10. Januar 1863 entlassen und am 14. Januar interimi­ stisch durch den Ministerialrat Philipp Koch ersetzt, der in der Bundesreformfrage eine ähnliche Position wie sein Vorgänger vertrat. Der intensive preußische Druck führte dann schließlich dazu, daß Kurhessen in der Abstimmung über den Reformantrag am 22. Januar in der Bundesversammlung gegen den Bundesreformantrag stimmte und dadurch maßgeblich zum Scheitern der österreichisch-mittelstaatlichen Pläne beitrug. Siehe dazu Goebel, Die Bun­ des- und Deutschlandpolitik Kurhessens, S. 215–220; Huber, Deutsche Verfassungsgeschich­ te, Bd. 3, S. 447–449. 4 Siehe Dok. 13.

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auszusetzen; wohl aber könnte sie dazu benutzt werden, nach erfolgter Ab­ stimmung die Schlußziehung auszusetzen, und die Sache an den Ausschuß zurückzuweisen. Der Gedanke jedoch müßte meines Erachtens von denjenigen Regierun­ gen, welche den Antrag vom 14. August v. Js. gestellt haben, gebilligt wer­ den, und zwar sofort, damit sie den Beweis liefern, daß es ihnen mit der von ihnen angedeuteten Fortbildung der Institution Ernst ist, und damit sie Preus­ sen in die Lage setzen, entweder auf die Sache einzugehen, oder das Odium des Scheiterns völlig und unzweideutig auf sich zu nehmen. Dabei halte ich es wirklich für unbedenklich, namentlich für die Mittelstaa­ ten, den Badischen Vorschlag anzunehmen und auszuführen. Es würde da­ durch keines ihrer Souveränitätsrechte beschränkt, wohl aber ein Schutz ge­ gen übermäßige Anforderungen der Großmächte an den Bund gewonnen. Man bedenke z. B. nur den Schutz der Seeküsten, wofür Preussen jetzt viele Millionen fordert5; eine Delegirtenversammlung wird da sofort die nöthigen Gränzen ziehen. Ich hielte es für ein Glück, wenn die Delegirtenversammlung nach dem Antrage vom 14. August v. Js. mit der von Baden bezeichneten Competenzer­ weiterung sofort in’s Leben träte. Damit wäre die ganze kleindeutsche Agita­ tion beseitigt, und die deutsche Revolution abgeschnitten. Ich bin aber überzeugt, daß Preussen auch diesen Vorschlag ablehnt, und dann ist ihm die Maske völlig abgerissen. Das Oesterreichische Cabinet denkt hierüber vielleicht anders. Aber ich bitte Euere Königliche Majestät ehrfurchtsvoll, Sich dadurch nicht abhalten zu lassen, sondern mich zu beauftragen, daß ich schon bei der Abstimmung am 22ten die Zustimmung Bayerns zu dem Badischen Vorschlage ausspreche. 5 Der militärische Schutz der deutschen Seeküsten stand seit Jahren auf der Tagesordnung der Bundesversammlung. Insbesondere die Anrainerstaaten an Nord- und Ostsee, allen voran Preu­ ßen, regten seit dem deutsch-dänischen Krieg von 1848 immer wieder an, den Bau von Befesti­ gungsanlagen an den Küsten aus Bundesmitteln zu finanzieren, weil dies eine nationale Aufgabe sei. Die diesbezüglichen Initiativen am Bund wurden seit 1859 intensiviert, was zu langwierigen und letztlich ergebnislosen Verhandlungen führte. Im Februar 1862 hatte der Militärausschuß des Bundes die Einsetzung einer Spezialkommission für die Küstenverteidigung beantragt (ProtDBV 1862, S. 79), die am 15. April 1862 unter dem Vorsitz des preußischen Bevollmäch­ tigten Helmuth Graf von Moltke (1800–1891) die Beratungen aufnahm und einen Gesamtplan der vom Bund zu errichtenden Küstenbefestigungen aufstellen sollte. Auf der Grundlage der Kommissionsverhandlungen sollte ein Vortrag zur Einbringung in die Bundesversammlung ent­ worfen werden, doch kam es in der Bundesmilitärkommisison nicht zu einer Einigung, weil „die meisten deutschen Regierungen […] der Verwendung von Bundesmitteln zur Küstenverthei­ digung […] entschieden abhold sind“, wie der lübeckische Bundestagsgesandte Peter Ludwig Elder (1798–1881) am 26. Juni 1863 in einem Brief an den Hamburger Senator Merck schrieb. Vgl. dazu Rogosch, Hamburg im Deutschen Bund, S. 59–88, Zitat S. 88 f.

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Aufzeichnung König Maximilians II. von Bayern

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Jeder Zweifel an dieser Zustimmung würde, wenn ich mich nicht ganz über die Lage täusche, den Mittelstaaten die Unterstützung der großdeutschen Parthei entziehen, und dem Nationalverein zum Siege helfen. In tiefster Ehrfurcht Euerer Königlichen Majestät allerunterthänigst treu gehorsamster v. d. Pfordten

17. Aufzeichnung König Maximilians II. von Bayern

HStA München, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 27 h. Reinschrift.

Eine Majoritätsabstimmung über das Delegiertenprojekt wäre strenggenommen zu vermeiden. Da Bayern sich aber so tief eingelassen hat, kann es nicht anders, als bei seinem früheren Votum zu beharren, auch auf die Gefahr hin, daß Preußen aus dem Bund austritt. Es wäre dann aber immer noch Zeit, die Hand zur Versöhnung zu ­reichen.

[München,] 17. Januar 1863 Die Delegirten-Versammlung betr. Gründe, aus welchen Ich den Antrag des Staatsministeriums des Äussern vom 3ten Januar l. J.1 „v. d. Pfordten zu ermächtigen, für Annahme des Ausschuß­ vorschlages vom 14ten August 1862 mit den übrigen s. g. Würzburger S ­ taaten in der Sitzung vom 22ten Jänner 1863 zu stimmen“ genehmigt habe. Ohne gegen das formelle Bundesrecht anzustossen, könnte man den Grundsatz aufrecht erhalten, daß eine einfache Majorität hinreiche, um über die Frage der Nützlichkeit oder Räthlichkeit der fraglichen Maßregel (Dele­ girten-Versammlung ad hoc) sich schlüssig zu machen. Da aber die Zeiten so aufgeregte sind, daß man befürchten muß, daß diese Bundesmaßregel, nämlich diese Erklärung am Bunde fast mit Nothwendig­ keit zu Weiterem führen wird, nämlich zu organischen Änderungen, die nur mit Stimmen-Einhelligkeit beschlossen werden können, so ist eigentlich auch diese Vorfrage, die mit Majorität beschlossen werden sollte, schon ge­ wissermassen präjudicirlich für das Spätere, daher streng genommen zu ver­ meiden. 1 Antrag von Außenminister Schrenk an König Maximilian II., München, 3. Januar 1863, HStA München, MA 494. Maximilian II. genehmigte am 17. Januar 1863 den Antrag mit der Maß­ gabe, der bayerische Bundestagsgesandte solle „sich streng an den Präsidialgesandten“ an­ schließen; ebd.

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Da wird uns aber schon so tief eingelassen haben, so können wir nicht2 anders, als auf unserm früheren Votum beharren, selbst auf die Gefahr hin, daß jetzt Preussen austritt, da wir immer noch zeitig die Hand zur Versöh­ nung bieten können.   Frankfurt am Main, 18. Januar 1863 

18. Bundeskritisches Gedicht

NLA Hannover, Dep. 103, Best. VIII, Nr. 93 I. Polizeibericht über eine Versammlung des Frank­ furter Arbeiterbildungsvereins vom 18. Januar 1863. Auszug: vom Versammlungsteilnehmer Kohler vorgetragenes Gedicht.1

Der Bund der Fürsten hat Deutschland um sein Recht betrogen, er ist ein „Bau der Tyrannei“, ein Zerberus, der die Macht der Fürsten bewacht und die Völker knechtet. Der Völkerbund soll den Bund der Fürsten beenden.

[Frankfurt am Main,] 18. Januar 1863 Kein Adler darf in Deutschlands Eichen horsten, Kein fremder Vogel in den heimischen Forsten, Sei er getragen von dem Gott des Krieges, Sei er gewappnet mit dem Blitz des Sieges, Mag Roms, mag Frankreichs Begier ihn tragen, Die Freiheit wird ihn stets zu Boden schlagen. Zieht sie nicht jetzt, die ach so lang verbannt Als Königin in unser Heimathland? Die Höhenfeuer in der Runde, Sinds Hochzeitsfackeln nicht dem neuen Bunde? Naht sie nicht stolz, die Göttin unserer Ahnen Zurück zu uns [zu] bringen die geraubten Fahnen? Bei Leipzig2 ward das höchste Gut errungen, Mit unserm Leben haben wir’s erkauft, Mit unserm Blute haben wir’s getauft, So sprecht ihr vor Begeisterung verblendet, 2 Emendiert. Vorlage: nichts.

1 Der Frankfurter Arbeiterbildungsverein wurde am 6. November 1861 unter Führung des ­großdeutsch-demokratisch gesinnten Rechtsanwalts und Schriftstellers Johann Baptist­von Schweit­zer-Allesina (1833–1875) gegründet. Vgl. ADB, Bd. 55, S. 197–203; Roth, Gewerk­ schaftskartell, S. 93; Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 365 f. Die genaue Identität des Ver­ sammlungsteilnehmers Kohler ließ sich nicht ermitteln. 2 Bezug auf die „Völkerschlacht“ bei Leipzig 1813, mit der die Niederlage Napoleons besiegelt und die französische „Fremdherrschaft“ über Deutschland beendet wurde.

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Bundeskritisches Gedicht

Und seht nicht, wie sich alles hat gewendet. Ihr habt die eine Fessel nicht ertragen, Und laßt euch jetzt in hundert Bande schlagen, Zum heil’gen Bunde hat man ihn gelogen, Den Bund, der uns um unser Recht betrogen, Den Bund der Fürsten, die sich eng verbünden, Um so den Bau der Tyrannei zu gründen. Sie zu ummauern stark mit Wall und Thürmen, Daß wetterfest sie trotzen allen Stürmen, Daß Freiheit mit des Wahnsinns Rausch im Hirn Daran zerschmettere ihre kecke Stirn. Der Cerberus des deutschen Bundes wacht, Vielköpfig an den Thoren dieser Nacht; Gehorsam müßt ihr nur den Willen Der irdischen Dreieinigkeit erfüllen, Sonst droht euch Preußens Soldateskenruthe Und Oesterreichs Stock und Kosakenknuthe. Ja selbst des Himmels Fluch wird auf euch lasten, Wenn ihr es wagt „Das Heilige“ anzutasten. Den Stamm von dort und die Gewalt von hier, Kein Gott durchbricht das eherne Spalier, Doch Völker rüttelt eure Ketten, Durchbrecht den Trost der Knechte, Dringt vor den Thron Und schafft man euch auch dort nicht eure Rechte, Dann Völker reichet euch die Hände, Daß Völkerbund den Bund der Fürsten ende, Das ist der Bund, der einzig echt, Gestützt auf Freiheit und auf heil’ges Recht.

Nr. 18

Nr. 19

Wien, 20. Januar 1863

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19. Rechberg an Karnicki1

StA Marburg, Bestand 9a, Nr. 641, fol. 28v. Dechiffriertes Telegramm. Abschrift. Praes.: 20. Ja­ nuar 1863, 10 Uhr Abends. Vom österreichischen Geschäftsträger dechiffriert und der kurhes­ sischen Regierung brevi manu mitgeteilt. Vermerk des interimistischen Außenministers Koch2: „21/1 63 Zu den Acten (Sr. K. H. dem Kurfürsten vorgelesen)“.

Das kaiserliche Kabinett kann unmöglich glauben, daß Kurhessen gegen seinen eigenen Reformantrag stimmt und sich von den föderativen Höfen trennt. Ein Majoritätsbeschluß wird nicht zum Austritt des preußischen Bundestagsgesandten führen.

Wien, 20. Januar 1863, 8 Uhr Abends. Theilen Sie der Kurfürstlichen Regierung mit, wie doch das Kaiserl. Cabinet unmöglich glauben könne, daß Kurhessen gegen seinen eignen Antrag stim­ men und daß Se Kgl. Hoheit der Kurfürst Sich in der Reformfrage von den föderativen Höfen trennen werde. Vertraulich können Sie zugleich darauf hinweisen, daß nicht im Geringsten zu besorgen sey, ein Majoritätsbeschluß werde den Austritt des Herrn von Sydow zur Folge haben. (gez.) Rechberg.   Abstimmung über die Delegiertenversammlung 

20. Abstimmung über den Antrag Österreichs und der Mittelstaaten zur Einsetzung einer Delegiertenversammlung

ProtDBV 1863, S. 72–93. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 30–53.

Die Bundesversammlung stimmt über den Antrag zur Einsetzung einer Delegiertenversammlung ab. Österreich ist der Auffassung, daß die vorgeschlagene Reform in sachlicher und formaler Hinsicht im Einklang mit dem Bundesrecht steht, und glaubt insbesondere, daß darüber eine Entscheidung mit Stimmenmehrheit zulässig ist. Preußen widerspricht dieser Auffassung und beharrt darauf, daß ein Majoritätsbeschluß die Bundesverträge verletzt. Inhaltlich hält Preußen die Delegiertenversammlung für untauglich, da nur eine „nach der Volkszahl bemessene Nationalvertretung“, ein gewähltes deutsches Parlament, als berechtigtes Organ für die gemeinsamen Angelegenheiten der Nation fungieren könne. Für den Antrag stimmen neben Österreich die Gesandten von Bayern, Sachsen, Württemberg, Großherzogtum Hessen und die 16. Kurie (Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck, Hessen-Homburg). Dagegen stimmen neben Preußen die Regierungen von Hannover, Baden, ­Kurhessen, Dänemark, Niederlande, die Großherzoglich und Herzoglich sächsischen Häuser, Mecklenburg, die 15. Kurie (Oldenburg, Anhalt, Schwarzburg) und die 1 Ladislaus Graf Karnicki von Karnice (1820–1883), 1857–1863 österreichischer Gesandter in Kassel; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 296. 2 Philipp Koch (gest. 1903), Ministerialrat, vom 14. Januar bis 2. Februar 1863 interimistischer Außenminister von Kurhessen; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 246.

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Abstimmung über die Delegiertenversammlung

Nr. 20

17. Kurie (freie Städte). Die 13. Kurie (Nassau, Braunschweig) gibt kein Votum ab. Damit ist der Antrag auf Einrichtung einer Delegiertenversammlung abgelehnt. Die österreichische Regierung und einige andere Regierungen behalten sich vor, auf den Antrag zurückzukommen und eine Bundesreform zu versuchen.

3. Sitzung

Frankfurt am Main, 22. Januar 1863

§ 31. Zusammensetzung und Einberufung einer aus den einzelnen deutschen Ständekammern durch Delegation hervorgehenden Versammlung, zunächst zur Berathung der Gesetzentwürfe über Civilprozeß und Obligationenrecht. (42. Sitz. § 371 v. J. 1862 u. 2. Sitz. § 18 v. J. 1863.)

Präsidium eröffnet das Protocoll zu den Abstimmungen über die in der letzten vorjährigen Sitzung (§ 371)1 von der Mehrheit des Ausschusses für Errichtung eines Bundesgerichtes bezüglich der Zusammensetzung und Einberufung ei­ ner aus den einzelnen deutschen Ständekammern durch Delegation hervor­ gehenden Versammlung, zunächst zur Berathung der Gesetzentwürfe über ­Civilprozeß und Obligationenrecht gestellten Anträge, sowie über die densel­ ben entgegenstehenden Anträge von zwei Mitgliedern dieses Ausschusses2. Oesterreich. Betheiligt an den Vorschlägen vom 14. August v. J.3 kann die Kaiserlich-Oesterreichische Regierung ihre Zustimmung zu den Anträgen der Mehrheit des Ausschusses nur als im voraus gegeben betrachten. Sie würde sich darauf beschränken, dieß auszusprechen, wenn sie sich nicht Angesichts der in den Verhandlungen des Ausschusses hervorgetretenen Meinungsver­ schiedenheiten für verpflichtet hielte, ihren hohen Bundesgenossen nochmals von den wesentlichsten Gesichtspunkten Rechenschaft zu geben, welche ihre Entschlüsse in dieser wichtigen Angelegenheit leiten. In doppelter Richtung haben sich im Ausschusse dieser hohen Versamm­ lung die Meinungen geteilt. Man hat den inneren Werth der beantragten Maß­ regel in Zweifel gezogen und man hat die Frage verschieden beurtheilt, ob eine Mehrheit von Stimmen genüge, um diese Maßregel durch einen Be­ schluß des Bundes in das Leben zu rufen. Weittragende Folgen sind an die Entscheidung dieser letzteren Frage geknüpft worden. Die Kaiserliche Regierung wird zuerst von der sachlichen Bedeutung des Mehrheitsantrages sprechen. Die Verfassung des Deutschen Bundes wird nach ihrer Ansicht nicht mehr auf die Dauer von dem Einflusse der volksthümlichen Staatseinrichtungen 1 Bundestagssitzung vom 18. Dezember 1862, siehe QGDB III/3, Dok. 155. 2 Separatvoten von Preußen, ebd. S. 840–847, und von Baden, ebd. S. 847–858. 3 QGDB III/3, Dok. 140.

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unberührt bleiben können, die nunmehr in allen deutschen Ländern herrschen. Zwischen der Bundesverfassung und den Verfassungen der Einzelstaaten wird die nothwendige Uebereinstimmung und ein lebendiger Zusammenhang hergestellt werden müssen. Gelänge dieß nicht, so müßten in Zukunft der Wirksamkeit des Bundes immer engere Schranken gezogen werden. Der Bund würde sich lockern, statt sich zu befestigen. Die Kaiserliche Regierung verschließt sich nicht dieser Erkenntniß, aber sie hegt zugleich die tiefe Ueber­zeugung, daß die Aufgabe zeitgemäßer Entwickelung der Gesammtver­ fassung Deutschlands an strenge Bedingungen gebunden ist, an Bedingun­ gen, die nicht ohne Gefahren von unberechenbarer Ausdehnung übertreten werden könnten. Das Wohl der Fürsten und Völker Deutschlands, ja der europäischen Ge­ sellschaft verlangt, daß diese Entwickelung allmählich und auf der sicheren Grundlage des bestehenden Vertrags- und Verfassungsrechtes fortschreite. Die Bestrebungen für Bundesreform dürfen nicht Wege einschlagen, noch sich in Formen kleiden, die sich für die eigenthümliche Natur und die Ver­ hältnisse des deutschen Staatenvereines nicht eignen. Sie müssen die ganze Nation in ihrer allein durch den Bundesvertrag erhaltenen und gewährleiste­ ten Einheit umfassen. Sie dürfen den Bundeskörper nicht verkleinern, kein Mitglied des Bundes dem anderen unterordnen, nicht das Wesen des Bundes als einer Vereinigung unabhängiger und zu freier Selbstbestimmung in glei­ chem Maße berechtigter Staaten zerstören oder untergraben. Sie dürfen end­ lich nicht plötzlich und gewaltsam in den regelmäßigen Gang des Verfas­ sungslebens der Einzelstaaten eingreifen. Entschlossen, diese Bedingungen unverrückt einzuhalten, sieht die Kaiser­ liche Regierung dieselben in dem Vorschlage vollkommen gewahrt, die Ent­ würfe gemeinsamer Gesetze für Deutschland einer Versammlung von Abge­ ordneten der deutschen Ständeversammlungen zur Berathung vorzulegen. Sie ist weit entfernt, durch diesen Vorschlag in seiner jetzigen Gestalt und in sei­ ner vorübergehenden Bestimmung die Aufgabe der Ausbildung der deutschen Bundesverfassung für erschöpft zu halten. Aber sie wird in dem von Deutsch­ lands Regierungen in wohlmeinender Absicht und in voller Freiheit gefaßten Beschlusse, zunächst für den bestimmten, gerade jetzt zu erreichenden Zweck zum ersten Male eine Versammlung von Mitgliedern deutscher Volksvertre­ tungen zu gemeinsamer Berathung zu berufen, einen bedeutsamen ersten Schritt und eine wohlberechnete Uebergangsmaßregel erblicken. Und sie ­vermag dem Einwande, daß eine Maßregel solchen Gewichtes dem wahren Bedürfnisse der Nation nicht entgegenkomme, irgend eine Berechtigung in so lange wenigstens nicht zuzugestehen, als diese Einrede weder auf eine klare Begriffsbestimmung gestützt, noch durch den Hinweis auf irgend einen Vor­ schlag bestärkt sein wird, welcher, eben so rechtmäßig in seiner Begründung,

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Abstimmung über die Delegiertenversammlung

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wie derjenige, welchen die Mehrheit des Ausschusses empfiehlt, denselben an innerem Gehalt und fördernder Wirkung übertrifft. Die Kaiserliche Regierung glaubt zu der Frage übergehen zu können, ob der Ausschuß mit Recht voraussetze, daß sein Antrag von dieser hohen Ver­ sammlung mit einfacher Stimmenmehrheit zum Beschlusse erhoben werden könne? Sie muß jedoch erklären, daß es ihr auch bei der genauesten Erwägung des Rechtspunktes, wie der thatsächlichen Sachlage unmöglich gewesen ist, sich jenen gesteigerten Grad von Wichtigkeit zu erklären, welcher dieser Frage von anderer Seite beigelegt worden ist. Die hohen Regierungen, welche sich zu den gemeinsamen Anträgen vom 14. August v. J. geeinigt haben, sind vom Anfange an auf das klarste der That­ sache bewußt gewesen, daß es sich in der hochwichtigen Frage der gesetzmä­ ßigen Ausbildung der Gesammtverfassung Deutschlands nicht um einen durch Mehrheitsbeschlüsse gegen einzelne Mitglieder des Bundes auszuübenden Zwang, sondern nur um das freiwillige Zusammenwirken Aller handeln könne. Sicher würden diese Regierungen einen Antrag nicht billigen, welcher auf Ver­ kennung einer so unläugbaren Wahrheit beruhte. Kann aber dieser Vorwurf mit Recht gegen die Anträge der Ausschußmehrheit gerichtet werden? Die Kaiser­ liche Regierung glaubt es nicht. Diese Mehrheit erklärt ausdrücklich, daß für diejenigen Mitglieder des Bundes, welche ihrem Antrage nicht zustimmen, kei­ ne Verbindlichkeit entstehe, sich an der beantragten Maßregel zu betheiligen. Welchen Zwang also wollen diese Anträge üben? Welches Recht eines Bundesgenossen wollen sie beugen oder beeinträchtigen? Welche neue Ver­ pflichtung oder Leistung will die Mehrheit der Minderheit auflegen? Nichts von dem Allem soll geschehen. Die Befugnisse des Bundes sollen nicht er­ weitert, die Freiheit seiner Mitglieder soll nicht beschränkt werden. Keine an­ dere Bedeutung soll in das Beschlußrecht der Mehrheit, wie es der Ausschuß­ bericht versteht, gelegt werden, als diejenige, daß die Bundesversammlung für sich selbst den Beruf in Anspruch nimmt, empfehlend, vermittelnd, fördernd auf die wichtigste der Bundesangelegenheiten einzuwirken, – an die Genossen des Bundes Vorschläge zu richten, welche anzunehmen oder nicht jedem einzelnen derselben vollkommen freisteht. Wie ist es irgend möglich, hierbei an eine Verletzung der Grundverträge der deutschen Nation auch nur zu denken? Wie können die Vorschriften dieser Verträge über Stimmeneinhelligkeit, – Vorschriften, welche einer strengen Auslegung unterliegen, – einer solchen bloß vermittelnden und Niemanden in seinen Rechten berührenden Thätigkeit des Organs des Willens und Handelns des Bundes hindernd entgegenstehen? Aber auch noch aus einer anderen Reihe von Betrachtungen ergibt sich nach der Auffassung der Kaiserlichen Regierung das Wesenlose des Einwan­

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des, daß die Bundesversammlung durch Annahme der Ausschußanträge sich einer Ueberschreitung der gesetzlichen Grenzen ihrer Wirksamkeit schuldig machen würde. Die Ausschußmehrheit hat den Vermittelungsberuf dieser hohen Versamm­ lung für den vorliegenden Fall aus dem Artikel 64 der Wiener Schlußacte4 abgeleitet. Die Kaiserliche Regierung zweifelt nicht daran, daß solches mit vollem Rechte geschehen konnte. Wiederholt hat die Bundesversammlung durch Mehrheitsbeschlüsse zum Zwecke der Ausarbeitung gemeinsamer Ge­ setze die Einberufung von Commissionen fachkundiger Regierungsbevoll­ mächtigter veranlaßt, obwohl nicht sämmtliche Bundesregierungen geneigt waren, sich an diesen Commissionen zu betheiligen. Jetzt handelt es sich um die Einberufung von Abgeordneten der Ständeversammlungen. Beide Maßre­ geln stehen im Zusammenhange, und die Kaiserliche Regierung sieht keinen Grund, warum die erste derselben unter allen Umständen ausschließlich unter den Gesichtspunkt einer „gemeinnützigen Anordnung“, die zweite eben so ausschließlich unter den Gesichtspunkt einer „organischen Einrichtung“ fallen müßte.5 Regelmäßig wiederkehrend und auf bestimmte gesetzliche Vorschrif­ ten gegründet, könnte auch die bloße Uebung, Regierungscommissionen mit der Vorbereitung gemeinsamer Gesetze zu beauftragen, einen organischen Charakter annehmen. Vorübergehend angewendet und auf einen einzelnen Fall beschränkt, läßt sich auch ein Zusammentritt von Ausschüssen der Volks­ vertretungen als ein bloßes Mittel zur Förderung einer gemeinnützigen ­Anordnung auffassen. Weder Wortlaut noch Geist des erwähnten Artikels 64 schließen dieß aus. Wäre dem aber auch anders, wäre die Berufung auf diesen Artikel ein Irrthum, ja wäre dieser Artikel nicht geschrieben, welches würde hiervon die Folge sein? Man wird auf diese Frage antworten müssen, daß als­ dann die Bundesversammlung vermöge anderer, unbestreitbarer und von ­Niemanden [sic] angefochtener Grundsätze des Bundesrechtes Aehnliches, ja, wenn man ein bloßes Wort, eine bloße Bezeichnung, einen bloßen Namen ändert, genau dasselbe beschließen könnte, was ihr jetzt der Ausschuß auf Grund des Artikels 64 zu beschließen vorschlägt. Allseitig ist anerkannt, daß diejenigen Regierungen, die mit den Anträgen der Ausschußmehrheit einver­ standen sind, sich in ihrem vollen Rechte befinden würden, wenn sie in freier Vereinbarung unter sich die Ausführung dieser Anträge für die eigenen Staa­ 4 Der Artikel betrifft die Herbeiführung „gemeinnütziger Anordnungen“ durch „freiwillige Ver­ einbarung“ unter den Mitgliedern des Bundes; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Ver­ fassungsgeschichte, Bd. 1, S. 100. 5 Als „organische Einrichtungen“ wurden gemäß Artikel 6 der Bundesakte und Artikel 14 der Wiener Schlußakte dauerhafte Bundesinstitutionen verstanden, die nur durch Einstimmigkeit beschlossen werden konnten; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschich­ te, Bd. 1, S. 86 u. 93.

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ten beschließen wollten. Eben so unzweifelhaft steht fest, daß diese Regie­ rungen sich ihrer Gesandten am Bundestage so gut wie jedes anderen Orga­ nes bedienen könnten, um eine solche freie Vereinbarung vorzubereiten und sich die näheren Vorschläge wegen deren Ausführung erstatten zu lassen. Und da endlich auch daran ein Zweifel nicht möglich ist, daß sie ihren sämmtlichen Bundesgenossen von ihren Schritten Nachricht geben, ihre Vor­ schläge anempfehlen und zu diesem Zwecke gleichfalls von der Vermittelung der Bundestags-Gesandten Gebrauch machen dürften, so liegt die Frage nahe, durch welches wesentliche Merkmal sich zuletzt ein solcher Vorgang von denjenigen unterscheiden würde, welche jetzt die Mehrheit des Ausschusses befürwortet? Würde nicht der ganze Unterschied im Grunde nur darin beste­ hen, daß derjenige Ausschuß, aus welchem ihre Vorschläge hervorzugehen hätten, nicht den Namen eines Bundestags-Ausschusses, sondern eines Aus­ schusses der Mehrheit der Bundesregierungen, – die Commissäre, welche demnächst in Ausführung der Vorschläge zu ernennen wären, nicht den ­Namen von Bundescommissären, sondern von Commissären der Mehrheit zu tragen hätten? Tief bedauert die Kaiserliche Regierung den Zwiespalt der Meinungen über das Wesen der Reformfrage, – dem Zwiespalte über die for­ melle Frage der Abstimmungsweise vermag sie, da die Freiheit der Minder­ heit nicht angetastet werden soll, die gleiche Wichtigkeit nicht beizulegen. Sie vermag nicht der Besorgniß Raum zu geben, daß eine Verschiedenheit der Rechtsauffassung, deren praktische Bedeutung sich fast der Wahrnehmung entzieht, ja sich in letzter Auflösung in eine bloße Verschiedenheit der Termi­ nologie verliert, jemals ernste und gefahrdrohende Folgen für den Frieden und den Bestand des Bundes nach sich ziehen könnte. Werth legt sie aber darauf, am Schlusse ihrer Erklärung auszusprechen, daß es ihr als ein tief berechtigtes Bestreben erscheint, für die in ihrer Natur und ihrem Ziele gemeinsame Frage der Entwickelung der Bundesverfassung so lange als irgend möglich auch die Form gemeinsamer Behandlung in der Mit­ te dieser hohen Versammlung beizubehalten. Denn so gewiß die Maßregel, die sie unter der Autorität des Bundes ausgeführt zu sehen wünscht, außer­ halb des Bundes durch ein freies Uebereinkommen der einverstandenen Re­ gierungen rechtmäßig verwirklicht werden könnte, so ist doch nimmermehr zu verkennen, daß ein Gegensatz, der sich durch den fortgesetzten Einfluß der Berathung im Kreise der sämmtlichen Bundesgenossen mildern und ausglei­ chen lassen kann, schärfer und gefährlicher in seinen Folgen hervortreten muß, sobald schon in der äußeren Form der Behandlung die Trennung der auseinander gehenden Bestrebungen in die Erscheinung tritt. Es ist sonach nur der Geist der Versöhnung, es ist der bundesfreundliche Wunsch, die Auf­ gabe der Reform in ununterbrochener Gemeinschaft mit allen ihren hohen Verbündeten zu fördern, welcher die Kaiserliche Regierung beseelt, indem sie

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hiermit den Anträgen der Mehrheit des Ausschusses ihre Zustimmung er­ theilt. Preussen. Der Standpunkt, welchen die Königliche Regierung dem vorlie­ genden Antrage gegenüber eingenommen hat und festhalten wird, ist durch den Königlichen Gesandten bereits in den gedruckten Ausschußverhandlun­ gen so klar und bestimmt bezeichnet6, daß sie sich gegenwärtig nur zu eini­ gen Schlußbemerkungen veranlaßt sehen kann. Dieselben betreffen zuvörderst die formelle Seite des in Rede stehenden Antrages. Die Königliche Regierung legt von vornherein dem Projecte einer zu berufenden Delegirtenversammlung in der angeregten Art an sich keine wesentliche Bedeutung bei, wohl aber gewinnt dasselbe, vermöge der darauf angewendeten bundeswidrigen Principien, einen ernsteren Charakter. Der Versuch, über eine Angelegenheit, wie die vorliegende, welche auch in ihrem gegenwärtigen Stadium nur durch Stimmeneinhelligkeit erledigt werden kann, durch Majorität zu entscheiden, bezweckt die Aufhebung der Garan­ tien, welche den Minoritäten in der Bundesversammlung durch die Bundes­ verträge gewährleistet worden sind. Sollten auf diesem Wege wesentliche Be­ stimmungen der Verträge verletzt und der Geist verkannt werden, in welchem dieselben gestiftet und früher gehandhabt wurden, so wird damit die Haltbar­ keit dieser Verträge auf eine harte Probe gestellt. Preussen konnte von Hause aus dem Bunde nur in dem Vertrauen beitreten, daß die verfassungsmäßige Gleichberechtigung der Bundesglieder dieselben nicht abhalten werde, den realen Machtverhältnissen Rechnung zu tragen, und daß der Königlichen Regierung im entgegengesetzten Falle wenigstens nicht werde zugemuthet werden, daß sie sich beliebigen Auslegungen der Verträge zum Behufe erweiterter Competenz der Majoritätsbeschlüsse unter­ ordne. Nach der gegenwärtigen Stimmenvertheilung am Bunde können 9 Stimmen, welche eine Bevölkerungszahl von weniger als 6 Millionen reprä­ sentiren, die Majorität gegen 8 andere bilden, welche innerhalb des Bundes­ gebietes 39 Millionen beherrschen. Diese Erwägung allein sollte hinreichen, die Frage von der Berechtigung der Majoritäten mit Vorsicht zu behandeln, und da, wo die Competenz zweifelhaft oder auch nur bestritten wird, für ein­ seitige und gewagte Interpretationen die absolute Geltung nicht zu bean­ spruchen. Verträge können nur durch Uebereinstimmung aller Contrahenten authentisch interpretirt werden. Durch ein Mißachten dieses zweifellosen Grundsatzes würde die Majorität der Bundesversammlung sich von den Bundes­verträgen nach Geist und Buchstaben lossagen, und die Königliche Regierung müßte ihrerseits sich die dem entsprechenden Entschließungen vorbehalten. 6 QGDB III/3, S. 840–847.

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Aber nicht bloß durch die formelle, dem Geiste der Bundesverträge fremde Behandlungsweise, welche diese Angelegenheit seit Erlaß der identischen ­Noten vom Februar 18627 erfahren hat, wird die Königliche Regierung ver­ hindert, derselben näher zu treten, sondern auch durch die materielle Untaug­ lichkeit und Halbheit der Vorschläge selbst. Ausschüsse der Landesvertretun­ gen mit so beschränkten berathenden Befugnissen, wie die beantragten, wür­ den nach Ansicht der Königlichen Regierung eine praktisch ganz unbedeutende Einrichtung sein, nur geeignet, dem Geschäftsgange der Bundesverhandlun­ gen ein neues Moment der Schwerfälligkeit und Verschleppung zuzuführen. Nur in einer Vertretung, welche nach Maßgabe der Bevölkerung jedes Bundesstaates aus letzterer durch unmittelbare Wahl hervorgeht, kann die deutsche Nation das berechtigte Organ ihrer Einwirkung auf die gemeinsa­ men Angelegenheiten finden. Innerhalb der bestehenden Bundesverträge und nach der bisherigen Praxis würde aber einer solchen, der Bundesversammlung beizugebenden Volksver­ tretung eine praktische Thätigkeit nur auf dem Gebiete der Matrikularleistun­ gen an Truppen und Geldbeiträgen zufallen. Um ihr einen befriedigenden Wirkungskreis und zugleich eine erhöhte Bedeutung für die Einigkeit und ­Festigkeit des Bundes zu gewähren, würde dem centralen Organismus, durch Abänderung und Erneuerung der Bundesverträge, die dem jetzigen Bundesta­ ge fehlende, gesetzgebende Gewalt für das Bundesgebiet beigelegt und deren Umfang in einer der Thätigkeit eines deutschen Parlamentes würdigen ­Ausdehnung bemessen werden müssen. Wenn eine solche nach der Volkszahl bemessene Nationalvertretung mit Rechten ausgestattet würde, welche sie be­ fähigten, der die Bundesregierungen vertretenden Centralbehörde als Gleich­ gewicht an die Seite zu treten, so würde die Königliche Regierung einer so gestalteten Bundesgewalt ausgedehntere Befugnisse einräumen können, ohne die Interessen Preussens zu gefährden. Es fragt sich nur, ob die Schwierigkeiten überwunden werden können, wel­ che in dem Umstande beruhen, daß erhebliche Theile des Bundesgebietes zu staatlicher Einheit mit Ländern verbunden sind, welche nicht zum Bunde oder zu Deutschland gehören, und deren Bewohner, nach den Verträgen so­ wohl als nach ihrer Nationalität, ihrer Sprache und ihrer Neigung, sich zur 7 In den Identischen Noten vom 2. Februar 1862 an die preußische Regierung hatten die Regie­ rungen von Österreich, Bayern, Hannover, Württemberg, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Nassau und Sachsen-Meiningen die preußische Auffassung zurückgewiesen, daß eine födera­ tive Bundesreform, die von der Bundesversammlung ausgehe, unmöglich und der beste Weg eine Reform auf dem Weg der freien Vereinbarung unter Beachtung der realen Machtverhält­ nisse sei. Zudem legten die genannten Regierungen Verwahrung dagegen ein, daß ein Bundes­ staat oder engerer Bund innerhalb des Deutschen Bundes möglich sei. Siehe QGDB, Bd. III/3, Dok. 100 und 107.

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Betheiligung an einer deutschen Nationalvertretung nicht eignen, während ih­ nen eben so wenig zugemuthet werden kann, ihre Gesetzgebung aus den Händen einer ihnen fremden Volksvertretung zu empfangen. Dieses Hinderniß steht allen, auf die Gesammtheit des Bundes berechneten Einrichtungen im Wege, sobald dieselben eine wirklich eingreifende und fruchtbare Mitwirkung des deutschen Volkes bei den gemeinsamen Angele­ genheiten sich zur Aufgabe stellen, und das Institut der Delegirtenversamm­ lung würde nur in so weit nicht darunter leiden, als es zu einer praktischen Bedeutung überhaupt nicht gelangte. Könnten diese Schwierigkeiten gelöst werden, so würden sich die Beden­ ken heben, welche die Königliche Regierung abhalten, für die von ihr erstreb­ ten Reformen das gesammte Bundesgebiet in Aussicht zu nehmen. So lange aber diese Lösung nicht gefunden wird, läßt sich dem gestellten Ziele nicht dadurch näher treten, daß man das vorhandene Reformbedürfniß für die Gesammtheit des Bundes scheinbar, sondern nur dadurch, daß man es in engerem Kreise wirklich zu befriedigen sucht. In diesem Sinne hat die ­Königliche Regierung den Weg freier Vereinbarungen und kündbarer Verträge unter den einzelnen Bundesgliedern als Surrogat allgemein umfassender Ein­ richtungen angedeutet, und sie gibt die Hoffnung nicht auf, daß der Ueber­ zeugung von der Richtigkeit desselben auch die Anerkennung der übrigen Bundesregierungen auf die Dauer nicht fehlen werde. Die Königliche Regierung stimmt hiernach gegen den Antrag der Aus­ schußmehrheit und ist der Ansicht, daß derselbe ohne Stimmeneinhelligkeit nicht zum Beschlusse erhoben werden kann. Bayern. Die Königliche Regierung stimmt den Anträgen der Majorität des Ausschusses zu. Sie ist sich bewußt, daß sie sowohl bei dieser Zustimmung als bei Stellung des Antrages vom 14. August v. J. sich strenge innerhalb der Grenzen des Bundesrechtes bewegt und die Rechte ihrer Bundesgenossen in keiner Weise verletzt oder unbeachtet läßt. Wie man auch über den bundesrechtlichen Charakter der vorliegenden An­ träge und die hiernach zu einer Beschlußfassung erforderliche oder genügen­ de Stimmenzahl denken mag, jedenfalls ist so viel unbestreitbar, daß jedes Bundesglied berechtigt ist, auch solche Anträge, zu deren Durchführung Stimmeneinhelligkeit erforderlich ist, zu stellen oder denselben zuzustimmen, auch wenn die Stimmeneinhelligkeit dafür noch nicht gesichert oder zu hof­ fen ist. Auch die ausgedehnteste Auffassung des in gewissen Fällen den ein­ zelnen Bundesgliedern zustehenden Veto wird nicht dahin gelangen können, daß sie die Bundesgenossen von Stellung von Anträgen oder von der freien, nur ihrer eigenen Ueberzeugung entsprechenden Abstimmung über dieselben abzuhalten sich für berechtigt erachten könnte. Vielmehr erscheint es unter

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allen Umständen als Recht und als Pflicht, über vorliegende Anträge nur nach eigener Ueberzeugung ohne Rücksicht auf den zu erwartenden Widerspruch anderer Stimmen sich auszusprechen, und dadurch festzustellen, welche An­ sicht die Majorität der Bundesversammlung für sich hat. Selbst in solchen Fällen, wo ohne Stimmeneinhelligkeit ein bindender Beschluß nicht gefaßt werden kann, mag es von großem Werthe, und vielleicht der erste Schritt zur späteren Erzielung der Einstimmigkeit sein, wenn der gegenwärtige Stand der Ansichten genau erörtert wird. Die Königliche Regierung könnte sich für jetzt auf diese Bemerkung be­ schränken, und bezüglich der Gründe, aus welchen sie die Anträge der Majori­ tät des Ausschusses für zweckmäßig erachtet, sich auf die Darstellung dieser Majorität beziehen, weil eben in diesem Augenblicke nur die Abstimmung an sich und nicht die Schlußziehung in Frage ist. Da jedoch sowohl in dem Vor­ trage der Ausschußmajorität, als in den beiden Separatvoten8 ausführlich erör­ tert worden ist, ob in dieser Angelegenheit jetzt eine Beschlußfassung durch Stimmenmehrheit zulässig sei oder nicht, und diese Frage voraussichtlich so­ fort nach erfolgter Abstimmung in Anregung kommen dürfte, so will die Kö­ nigliche Regierung nicht anstehen, sich auch hierüber jetzt schon zu äußern. Die Königliche Regierung kann zunächst in keiner Weise die Ansicht be­ gründet erachten, daß die in Frage stehenden Anträge auf eine Aenderung der Grundgesetze des Bundes und auf eine Erweiterung seiner Competenz ge­ richtet seien. Die Erzielung gemeinschaftlicher Gesetze ist zwar nicht unter die eigentlichen Zwecke und Aufgaben des Bundes gestellt, zu deren Erfül­ lung er durch die Grundgesetze verpflichtet wäre; aber sie ist ihm auch nicht untersagt, sondern eben unter dem Gesichtspunkte gemeinnütziger Anord­ nungen freigelassen. Daß in dieser Weise die Bestimmungen des Artikels 64 der Wiener Schlußacte auf dieselbe anwendbar sind, zeigt gerade der in dem einen Separatvotum angezogene Vortrag, welchen die Redactionscommission der Schlußacte in der 22. Sitzung der Ministerialconferenzen zu Wien am 15. April 1820 erstattet hat9; denn derselbe gibt als Grund dafür, daß zu ge­ meinnützigen Anordnungen schließlich eine freiwillige Vereinbarung gefor­ dert werde, gerade die Nothwendigkeit an, „die Selbstständigkeit der inneren Gesetzgebung der einzelnen Bundes­ staaten nicht zu gefährden und gegen unzulässige mit den Gesetzgebungs- und Regierungsrechten der einzelnen Staaten unvereinbare ­Ansprüche hinlängliche Sicherheit zu gewähren.“10   8 Die Separatvoten von Preußen und Baden im Ausschußbericht vom 18. Dezember 1862, sie­ he QGDB III/3, S. 840–858.  9 Ilse (Hrsg.), Protocolle der deutschen Ministerial-Conferenzen, S. 185–201. 10 Das Zitat läßt sich im Vortrag der Redaktionskommission nicht nachweisen. Vielmehr heißt es dort: „Sollte über gemeinnützige Anordnungen, und besonders in der ausgedehnten Bedeutung,

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Hieraus geht doch gewiß ganz deutlich hervor, daß nicht bloß Maßregeln der Verwaltung, sondern auch der Gesetzgebung dem Gebiete der gemeinnüt­ zigen Anordnungen angehören können und jeder Zweifel hierüber schwindet, wenn man hinzunimmt, daß eben jener Commissionsvortag in den unter der Rubrik der besonderen Bestimmungen im zweiten Abschnitte der Bundesacte behandelten Gegenständen Beispiele gemeinnütziger Anordnungen erkennt, während doch gerade diese großentheils dem Gebiete der Gesetzgebung an­ gehören. Ganz in diesem Sinne hat denn auch die Bundesversammlung unter Zustimmung und Mitwirkung der Königlich-Preussischen Regierung seit ei­ ner Reihe von Jahren für gemeinschaftliches Wechsel- und Handelsrecht und für ein Gesetz über gegenseitige Rechtshülfe in bürgerlichen Rechtsstreitig­ keiten eine erfolgreiche Thätigkeit entwickelt11, ohne daß hierin von irgend einer Seite eine Abweichung von den Grundgesetzen oder eine Competenzer­ weiterung des Bundes erblickt worden wäre. Die Königliche Regierung ver­ mag nicht abzusehen, warum die Sache sich anders verhalten solle, wenn es sich um Obligationenrecht und Civilprozeß handelt, und wenn die Gesetzent­ würfe nicht bloß von Regierungscommissären, sondern auch von Kammerde­ legirten vorberathen werden sollen. Denn so lange diese Delegirten nicht be­ rechtigt sind, den Gesetzgebungsfactoren der einzelnen Staaten vorzugreifen, diese letzteren vielmehr völlige Freiheit der Berathung und Beschlußfassung behalten, involvirt die Delegirtenversammlung keine unzulässige Einmi­ schung in die inneren Verhältnisse der Bundesstaaten. Dieselbe steht vielmehr den einzelnen Staaten gegenüber ganz auf gleicher rechtlicher Linie mit den Commissionen von Regierungscommissären, welche die Gesetzentwürfe aus­ arbeiten oder berathen. Die Königliche Regierung kann aber auch nicht zugeben, daß eine organi­ sche Einrichtung schon jetzt beantragt sei. Organische Einrichtungen sind nach Artikel 13 Num. 2 der Wiener Schlußacte bleibende Anstalten, als Mittel

welche dem Werke neuerlich beigelegt worden ist, anders als durch Einhelligkeit entschieden werden, so wäre die ganze mit so vieler Sorgfalt hier gezogenen [sic] Grenzlinie zwischen der Competenz des Bundes, und den Rechten der einzelnen Bundesstaaten verrückt, und die Selbst­ ständigkeit der inneren Gesetzgebung der letzteren auf einem ihrer wichtigsten Punkte gefähr­ det.“ Vgl. ebd., S. 193. In der Bundestagssitzung vom 18. Dezember 1862 hatte sich der preußi­ sche Gesandte ausdrücklich auf diesen Passus bezogen, um die Unzulässigkeit von Mehrheits­ beschlüssen über gemeinnützige Anordnungen zu belegen. Siehe QGDB III/3, S. 842 f. 11 Die Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Handelsrechts führten im Mai 1861 in der Bun­ desversammlung zur Verabschiedung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. Die von der Handelsgesetzgebungskommission ebenfalls vorgelegten Vorschläge für eine bundes­ einheitliche Handhabung des Wechselrechts waren schon am 13. April 1861 von der Bundes­ versammlung angenommen worden. Der Gesetzentwurf für die gegenseitige Rechtshilfe in allen deutschen Bundesstaaten wurde am 8. August 1861 verabschiedet, und bis zum Jahres­ ende 1862 hatten bereits 28 Regierungen ihre Zustimmung erteilt. Vgl. dazu Müller, Deut­ scher Bund und deutsche Nation, S. 411–420.

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zur Erfüllung der ausgesprochenen Bundeszwecke.12 Diese beiden Merkmale fehlen. Denn die gemeinschaftliche Gesetzgebung gehört nicht zu den ausge­ sprochenen Bundeszwecken, und die Delegirtenversammlung ist für jetzt noch nicht als bleibende Anstalt vorgeschlagen, sondern sie soll nur für zwei bestimmte Aufgaben berufen werden, also in vorübergehender Weise. Aller­ dings hegen die antragstellenden Regierungen, und mit ihnen die KöniglichBayerische Regierung, die Hoffnung und Absicht, daß sich später daraus eine bleibende Einrichtung und die allseitig gewünschte Reform der Bundesver­ fassung entwickeln werde, und sie verkennen nicht, daß hierzu dann Einstim­ migkeit aller Bundesglieder erforderlich sein wird. Für jetzt aber liegt eben nur ein Mittel zur Herbeiführung einer gemeinnützigen Anordnung in Antrag, und hierzu ist entschieden Stimmeneinhelligkeit nicht erforderlich. Jedenfalls aber würden die angeregten Zweifel darüber, ob eine organische Einrichtung in Frage sei oder nicht, durch die Majorität der Bundesversamm­ lung zu entscheiden, und diese Entscheidung würde sodann der weiteren Be­ schlußfassung zu Grunde zu legen sein, gerade wie nach Artikel 12 der Wie­ ner Schlußacte der engere Rath zu entscheiden hat, ob ein Gegenstand vor das Plenum gehört oder nicht.13 Wenn hiernach die Königliche Regierung nicht den mindesten Zweifel hegt, daß über die vorliegenden Anträge der Ausschußmajorität auch ohne Stimmeneinhelligkeit Beschluß gefaßt werden könne, so theilt sie doch auch ganz die Auffassung, daß die etwa dissentirenden Bundesglieder nicht ver­ pflichtet werden sollen und können, an der Ausführung der in Frage stehen­ den Maßregel, als einem vorbereitenden Mittel für eine gemeinnützige An­ ordnung, sich zu betheiligen. Hierin liegt auch nicht etwa, wie in dem einen Separatvotum angedeutet worden ist, ein Widerspruch. Denn wenn auch da, wo es sich um Erreichung der ausgesprochenen Bundeszwecke handelt, eine Ausschließung einzelner Bundesglieder von der Ausführung gefaßter Be­ schlüsse nicht denkbar und zulässig sein kann, so gestaltet sich dieß unver­ kennbar anders auf dem Gebiete der gemeinnützigen Anordnungen, auf wel­ chem die schließlich erforderliche freiwillige Vereinbarung sämmtlicher Bun­ desglieder eben durch das anhaltende Bestreben der von der Zweckmäßigkeit im Allgemeinen überzeugten Majorität zu bewirken versucht werden darf und soll. Die hierfür dienlichen Mittel kann also die Majorität beschließen, und ein solcher Beschluß bindet die Dissentirenden nicht zur Mitwirkung, son­ dern nur dazu, den in demselben liegenden Versuch gewähren zu lassen. Ueberdieß handelt es sich aber bei den vorliegenden Anträgen der Aus­ schußmajorität noch nicht einmal um die Ausführung, sondern nur um die 12 Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 92. 13 Ebd.

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Prüfung des vorgeschlagenen Mittels. Die Anträge sind noch nicht auf Einbe­ rufung der Delegirtenversammlung gerichtet, sondern auf allgemeine Billi­ gung des Gedankens und Beauftragung des Ausschusses zu näheren Vorschlä­ gen. Dieß Alles bewegt sich mithin ausschließlich in dem Gebiete der Be­ rathung, zu welchem die Berechtigung der Majorität in dem Artikel 64 der Wiener Schlußacte unbestreitbar enthalten ist. Hieran festzuhalten, erachtet die Königliche Regierung um so mehr für ihre Pflicht, als die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß gerade die Berathung jener näheren Vorschläge zur Beseitigung der gegen den Gedanken im Allgemeinen noch bestehenden Bedenken führen werde. Die Königliche Regierung verkennt keineswegs, daß es in dem unbestreit­ baren Rechte der Urheber des von dem Ausschusse befürworteten Antrages liegen würde, die Maßregeln, welche sie unter der Autorität des Bundes aus­ geführt zu sehen wünschen, außerhalb des Bundes durch freie Vereinbarung im Bereiche ihrer Staaten zu verwirklichen. Aber eben weil sich hieran die in ihrer Natur und ihrem Ziele gemeinsame Frage der Entwickelung der Bun­ desverhältnisse anreiht, erkennt sie auch die Gefahr, daß Gegensätze, die sich durch den fortgesetzten Einfluß der Berathung im Kreise der sämmtlichen Bundesgenossen mildern und ausgleichen lassen können, schärfer und be­ denklicher in ihren Folgen hervortreten müssen, wenn schon in der äußeren Form der Behandlung eine Trennung in die Erscheinung tritt. Mag immerhin der Weg partieller Einigung außerhalb der Bundesversammlung leichter er­ scheinen, die Königliche Regierung muß ihn für bedenklich halten, weil er von dem großen Ziele der gemeinsamen Fortentwickelung des ganzen Bun­ des abzuführen geeignet ist. Es ist also nur der Geist der Versöhnung, und der föderative Wunsch, die Aufgabe der Reform in ununterbrochener Gemeinschaft mit allen ihren hohen Verbündeten zu fördern, welcher die Königliche Regierung bestimmt, den Anträgen der Majorität des Ausschusses beizustimmen, und es gibt sich die­ selbe dabei der Hoffnung hin, daß sich die dissentirenden Regierungen im Laufe der weiteren Verhandlungen noch zur Antheilnahme an der beantragten Delegirtenversammlung veranlaßt sehen werden, da anderenfalls der dem ­Antrage vom 14. August zu Grunde liegende Zweck nicht erreicht werden könnte. Königreich Sachsen. Wenn die Königliche Regierung über ihre Zustim­ mung zu den von der Majorität des Ausschusses gestellten Anträgen schon um deßwillen nicht in Zweifel sein kann, weil damit ein von ihr selbst, im Verein mit mehreren anderen Bundesregierungen, eingebrachter Antrag hoher Bundesversammlung zur Annahme empfohlen ist, so findet sich dieselbe dazu insbesondere auch durch die Ausführungen des Majoritätsgutachtens bewo­ gen, denen sie beizupflichten nicht Anstand nimmt.

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Bei dieser einfachen Sachlage ergibt sich für die Königliche Regierung an sich keine Veranlassung, auf die in den Ausschußberathungen angeregte Fra­ ge bezüglich der Wirkungen eines Mehrheitsbeschlusses einzugehen. Ueber die Zulässigkeit der Einbringung der gestellten Anträge und der Erstattung eines dieselben befürwortenden Ausschußgutachtens ist ein Zweifel nicht er­ hoben worden. Die Abstimmung aber muß jedem Bundesgliede nach seiner gewissenhaf­ ten Ueberzeugung jederzeit freistehen und eine von jeder hemmenden Ein­ wirkung völlig unabhängige bleiben. Daß übrigens die Königliche Regierung in Bezug auf die angeregte eventu­ elle Frage der Ansichten der Minderheit nicht beizutreten vermag, ergibt sich aus dem bereits ausgesprochenen Hinweise auf die Ausführungen der Majori­ tät des Ausschusses. Je größere Beachtung indeß die Einwendungen des Minoritäts­gutachtens unter B14, Angesichts der maßgebenden Stellung der hohen Regierung, deren Ansichten dasselbe vertritt, zu erheischen geeignet sind, um so mehr glaubt die Königliche Regierung durch einige zusätzliche Bemerkungen bethätigen zu sollen, daß sie jenen Einwendungen ihre ernste Aufmerksamkeit zuzuwenden nicht unterlassen hat. Nach dem angeführten Minoritätsgutachten soll die legislatorische Initia­ tive und Thätigkeit des Bundes und der Bundesversammlung insbesondere ein Novum sein, und soll hierin eine Competenzerweiterung liegen. Die König­liche Regierung will die Frage, welche Anwendung hierbei die grund­ gesetzlichen Bestimmungen des Bundes zu leiden haben, nicht nochmals er­ örtern, nachdem dieß Seitens der Majorität des Ausschusses bereits in er­ schöpfender Weise geschehen ist. Allein sie hält es nicht für überflüssig, auf die bisher am Bunde befolgte Praxis, auf die einschlagenden Vorgänge zu­ rückzugehen, aus denen sich ihr so viel zu ergeben scheint, daß einmal bei der legislatorischen Initiative ein Novum wenigstens nicht in dem Sinne vor­ liegt, als solle jetzt etwas Neues, etwas noch nicht Dagewesenes in’s Leben gerufen werden, alsdann aber daß die Behandlung der betreffenden früheren Vorgänge den Ansichten der Majorität, nicht denen der Minorität zur Unter­ stützung gereicht. Es möge dabei abgesehen werden von den am Bunde zu Stande gekomme­ nen Preß- und Vereinsgesetzen15, da für dieselben der Charakter von Be­ 14 Das preußische Minoritätsvotum vom 18. Dezember 1862; siehe QGDB III/3, Dok. 155, S. 840–847. 15 Nach langwierigen Verhandlungen hatte die Bundesversammlung am 6. und 13. Juli 1854 zwei Beschlüsse zum Presse- und Vereinswesen gefaßt, mit denen bundesweit die Presseund Versammlungsfreiheit eingeschränkt wurden. Vgl. dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 111–131; Kohnen, Pressepolitik des Deutschen Bundes. Druck der Be­ schlüsse in: QGDB III/2, Dok. 51 und 52.

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schlüssen auf Grund von Artikel 2 der Bundesacte16 vindicirt werden könnte, wiewohl immerhin schon diese Vorgänge der allgemein aufgestellten Be­ hauptung widersprechen, jede legislatorische Initiative des Bundes sei ein Novum. Es genügt, sich an diejenige Thätigkeit des Bundes zu halten, welche darauf gerichtet war, vom Standpunkte gemeinnütziger Anordnung aus das Zustandekommen allgemeiner deutscher Gesetze zu vermitteln und dabei ins­ besondere den Ursprung des Handelsgesetzbuches in’s Auge zu fassen. Nachdem hierzu ein Antrag der Königlich-Bayerischen Regierung den ­Impuls gegeben hatte, wurde dieser Antrag, gerichtet auf Niedersetzung einer Commission zur Ausarbeitung des Entwurfes eines allgemeinen Handels­ gesetzbuches für die deutschen Bundesstaaten, in der Sitzung vom 17. April 1856 zur Abstimmung gebracht und ein entsprechender Bundesbeschluß ge­ faßt, obschon drei Mitglieder der Bundesversammlung noch nicht in der Lage waren, sich zu erklären und sich das Protokoll offen hielten. Der Beschluß war also immerhin ein Mehrheitsbeschluß.17 Wichtig ist aber die Erklärung, welche die Königlich-Preussische Regie­ rung, die sich in so dankenswerther Weise hiernächst an den Berathungen über das Handelsgesetzbuch betheiligte, in der Sitzung vom 13. November 1856 abgab und in welcher sich folgende Stelle befindet: „Dem entsprechend geht die Königliche Regierung von der Vorausset­ zung aus, daß den bevorstehenden Verhandlungen der Charakter freier Vereinbarung in allen ihren Stadien in demselben Maße gewahrt bleiben werde, wie denjenigen über das Wechselrecht, daß demnach aus der Theilnahme an der Berathung für keine Regierung eine Verpflichtung zur Publication des vereinbarten Entwurfes gefolgert werden könne, daß es vielmehr jeder Regierung überlassen bleibe, diesen Entwurf zu prüfen und darnach zu ermessen, ob sie ihn zur Annahme für geeignet hält, und daß nicht minder über spätere Abänderungen des erlassenen Gesetzes die freie Entschließung jedem einzelnen Staate vorbehalten bleibt, in­ dem keine Regierung hinsichtlich eines so wichtigen Theils der inneren 16 In Artikel 2 der Bundesakte wurde als Bundeszweck die „Erhaltung der äussern und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deut­ schen Staaten“ bestimmt; QGDB I/1, S. 1508. 17 Das Projekt eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs kam während der Dresdener Konferenz 1851 auf die Tagesordnung des Bundes. In Dresden kam es jedoch noch zu keiner Einigung, erst nachdem die bayerische Regierung 1855 in der Bundesversammlung Verhand­ lungen über „mancherlei Angelegenheiten von allgemein deutschem Interesse“ angeregt hatte (QGDB II/2, Dok. 86, S. 383), kam es am 17. April 1856 zur Einsetzung einer Kommission zur Ausarbeitung eines Handelsgesetzbuchs für die deutschen Staaten. Die Kommission tagte von 1857 bis 1861 in Nürnberg und Hamburg und erarbeitete in 589 Sitzungen ein Handels­ gesetzbuch mit 911 Artikeln. Die Bundesversammlung nahm den Entwurf am 31. Mai 1861 an. Vgl. dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 412–414.

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Gesetzgebung, welcher mehr als viele andere Materien durch die fort­ schreitende Entwickelung der Verkehrsverhältnisse seine Gestaltung er­ hält, auf die selbstständige Regulirung, wenn auch nur für eine Reihe von Jahren, vertrags- oder bundesbeschlußmäßig wird verzichten wol­ len.“18 Kann wohl ernstlich zwischen dieser Auffassung und der der Ausschußma­ jorität ein wesentlicher Unterschied erkannt werden? Ist nicht hier wie dort der Gedanke vorherrschend, daß das Princip der freien Vereinbarung nach Maßgabe von Artikel 64 der Wiener Schlußacte aber doch unter den Auspici­ en und der Einwirkung der Bundesversammlung in Anwendung kommen soll? Denn wäre die Königlich-Preussische Regierung damals der im Minori­ tätsgutachten vertretenen Ansicht gewesen, daß die Verfolgung der in Aus­ sicht genommenen legislatorischen Aufgaben lediglich im Weg der freien Vereinbarung außerhalb der Bundesversammlung zu geschehen habe, so hät­ te sie Anstand nehmen müssen, die von der Bundesversammlung durch Be­ schluß niedergesetzte Commission zu beschicken. Konnte nun die Bundesversammlung damals durch Mehrheitsbeschluß die Niedersetzung einer Commission von Sachverständigen zur Ausarbeitung ei­ nes Gesetzentwurfes anordnen, so ist jetzt ein Novum vielmehr darin zu er­ kennen, daß ihr gleiche Befugniß bei Gelegenheit der Niedersetzung von Commissionen für Proceßordnung und Obligationenrecht hat abgesprochen werden wollen. Es kann sich daher nur fragen, ob die fernere Einberufung von Delegirten der Ständeversammlungen zur Prüfung und Begutachtung der ausgearbeiteten Gesetzentwürfe, die allerdings ein Novum ist, eine weitergreifende, nur durch Stimmeneinhelligkeit zu bewirkende Competenzerweiterung in sich schlie­ ßen würde? Die Frage glaubt die Königliche Regierung verneinen zu sollen. Die in dem Minoritätsgutachten aufgestellte Behauptung, die Berufung der Delegirtenversammlung setze eine tiefeingreifende Verfassungsänderung in den einzelnen Staaten voraus und involvire eine bundesgesetzlich unzulässige Einmischung in die inneren Verhältnisse derselben, entbehrt der Begründung und steht im geraden Widerspruche mit den Ausführungen der Majorität und den Absichten der antragstellenden Regierungen. Diese stellen das Verhältniß im Gegentheil in der Art fest, daß den Ständeversammlungen, welche zur Ab­ sendung von Delegirten einzuladen nicht zu nöthigen sein würden, trotz die­ ser Delegation das Recht der Annahme oder Verwerfung der einzuführenden Gesetze unverkümmert verbleiben soll. Eben so deutlich ist ausgesprochen, daß ein Mehrheitsbeschluß, der im Sinne von Artikel 64 der Wiener Schlußacte ein vermittelnder, nicht ein obli­ 18 ProtDBV 1856, § 299, S. 719 f.

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gatorischer sein soll, den dissentirenden Bundesgliedern in keiner Weise ei­ nen Zwang aufzuerlegen geeignet sein könnte. Konnte aber die Bundesversammlung, in Uebereinstimmung mit dem Vor­ gange des Handelsgesetzbuches, durch Mehrheitsbeschluß die Niedersetzung einer Commission für die jetzt in Aussicht genommenen Gesetzarbeiten be­ schließen, so kann sie auch diesen Beschluß dahin ausdehnen, daß dieser Commission Mitglieder der Ständeversammlungen derjenigen Staaten zur Seite gestellt werden, welche dem Beschlusse beigetreten sind. Es dürfte schwer sein, einen stichhaltigen Grund nachzuweisen, warum die Bundesver­ sammlung nicht hätte die Beigebung von Mitgliedern der Landesvertretungen zu den Commissionen in ihrem ersten Beschlusse aufnehmen können. Daß praktische Rücksichten diesen Modus der Behandlung nicht empfohlen hät­ ten, kann nicht gegen die Zulässigkeit der Sache an sich sprechen. Indem aber jetzt die Bundesversammlung ein zweites Stadium der Berathung der Gesetzentwürfe durch Delegirte der Ständeversammlungen veranlassen wür­ de, bliebe sie gleichmäßig in den Grenzen der durch den Artikel 64 der Wie­ ner Schlußacte ihr vorgezeichneten vermittelnden Thätigkeit. Die Königliche Regierung würde daher, wollte sie den Ausführungen des Minoritätsgutachtens Folge geben, zu dem principiellen Verlassen eines beim Bunde bereits mit Erfolg betretenen Weges die Hand bieten, auf welchen es auch ihre Absicht keineswegs ist, die als dringendes Bedürfniß erkannte Re­ form des Bundes zu beschränken, der sich aber bis jetzt als der einzige prak­ tische bewährt hat, um dessen Thätigkeit einigermaßen zu beleben und frucht­ bringend zu machen. Hannover. Der Gesandte ist zu nachstehender Abstimmung beauftragt: 1) Die Königliche Regierung stimmt zu, daß es zweckmäßig und räthlich sei, eine Versammlung von Bundeswegen zu berufen, welche aus den Landes­ vertretungen hervorgeht und welcher die laut Bundesbeschlusses vom 6. Fe­ bruar v. J.19 auszuarbeitenden Gesetzentwürfe über Civilproceß und Obliga­ tionenrecht zur Berathung vorzulegen sind, erklärt jedoch zu gleicher Zeit, daß über die Frage, ob eine Delegirtenversammlung von Bundeswegen ent­ stehen soll, nur durch Stimmeneinhelligkeit beschlossen werden kann, gleich­ viel ob der Beschluß alle oder nur eine Mehrheit der Bundesglieder binden und ob die Delegirtenversammlung dauernd oder nur ad hoc sein soll. 2) Die Königliche Regierung stimmt zu, daß der Ausschuß für Errichtung eines Bundesgerichtes die näheren Vorschläge über die Art der Zusammenset­ zung und Einberufung jener Versammlung, mit welchen derselbe bereits durch den Bundesbeschluß vom 14. August v. J. beauftragt war, der hohen Versammlung mache, sie setzt jedoch dabei voraus, daß durch diesen Auftrag 19 Siehe QGDB III/3, Dok. 111.

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in nichts der Beschlußform über das Ob präjudicirt werde, welche sub 1 als nothwendig bezeichnet worden ist. Württemberg. Der Königliche Gesandte ist beauftragt, die Zustimmung sei­ ner höchsten Regierung zu den von der Mehrheit des Ausschusses gestellten Anträgen zu erklären. Dabei ist der Königliche Gesandte zu der weiteren Erklärung angewiesen, daß seine höchste Regierung zwar nicht unterlassen hat, die Einwendungen, welche die Minderheit des Ausschusses vom Standpunkte des Bundesrechtes wie der politischen Zweckmäßigkeit gegen die Majoritätsanträge erhoben hat, einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, daß sie jedoch zu einer ander­ weiten Ueberzeugung nicht zu gelangen vermocht hat, als durch welche sie bestimmt worden ist, an dem Collectivantrage vom 14. August v. J. sich zu betheiligen. Insbesondere vermag die Königliche Regierung nicht zuzugeben, daß durch den eben gestellten Antrag und den denselben befürwortenden Antrag der Ausschußmehrheit eine Competenzerweiterung des Bundes angestrebt werde. Zuvörderst muß die Königliche Regierung darauf aufmerksam ma­ chen, daß in der Mitwirkung der Bundesversammlung für das Zustandekom­ men einer gemeinsamen Gesetzgebung in Deutschland eine Erweiterung der legislatorischen Befugnisse des Bundes keineswegs liegt. Es scheint dieses von den in der nunmehrigen Ausschußminderheit vertretenen Regierungen früher selbst anerkannt worden zu sein, sofern dieselben seiner Zeit an den die Herstellung eines gemeinsamen Handelsgesetzbuches bezweckenden Be­ schlüssen der Bundesversammlung Theil genommen haben. In der That kann es auch nicht als eine Erweiterung der durch die Bundesgesetze genau be­ grenzten Gesetzgebungsgewalt des Bundes bezeichnet werden, wenn die Bundesversammlung eine Vereinbarung der Bundesregierungen über die Her­ stellung gemeinsamer Gesetze vermittelt, welche zu ihrer Durchführung in den einzelnen Bundesstaaten noch der Zustimmung der gesetzgebenden Fac­ toren der letzteren bedürfen. Dem Collectivantrage vom 14. August v. J. auf Zuziehung einer Versamm­ lung von Delegirten aus den deutschen Ständekammern zum Zwecke der Be­ rathung der am Bunde auszuarbeitenden Gesetzentwürfe über Civilproceß und Obligationenrecht liegt die bereits in den Motiven zu diesem Antrage ausgesprochene Absicht zu Grunde, das Zustandekommen der beiden ge­ nannten gemeinsamen Gesetze zu fördern und zugleich den mehrfach laut ge­ wordenen Bedenken abzuhelfen, daß durch die am Bunde erfolgende Verein­ barung der Regierungen über solche gemeinsame Gesetze das constitutionelle Mitwirkungsrecht der deutschen Einzelkammern beeinträchtigt werde. Nach dem diesen Collectivantrag befürwortenden Antrage der Mehrheit des Ausschusses handelt es sich nun lediglich darum, daß die Bundesver­

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sammlung von der Zweckmäßigkeit der beantragten Anordnung im Allgemei­ nen sich überzeuge und demgemäß auch die Frage, in welcher Weise diese Anordnung ausgeführt werden könnte, zum Gegenstande ihrer Berathungen mache. Die Königliche Regierung vermag nicht einzusehen, wie durch solche Be­ rathungen, welche unzweifelhaft innerhalb der gesetzlichen Berechtigung der Bundesversammlung liegen, in einer durch die Bundesgesetze untersagten Weise in die inneren Verhältnisse der Bundesstaaten eingegriffen oder wie hierdurch von einer Mehrheit am Bunde ein unberechtigter Zwang gegen die Minderheit ausgeübt werden sollte. Allerdings hätten die bei dem Collectivantrage vom 14. August v. J. be­ theiligten Regierungen die Einführung der vorgeschlagenen Maßregel auch außerhalb des Bundes unter sich vereinbaren können. Indem aber die König­ liche Regierung mit ihren ebengenannten Bundesgenossen darin einig war, daß eine bundesmäßige Behandlung der Sache den Vorzug verdiene, und in­ dem sie sich daher an der Einbringung des gedachten gemeinsamen Antrages betheiligt hat, ist sie von der Betrachtung ausgegangen, daß die gewünschte Vereinbarung aller Bundesregierungen über die in Anregung gebrachte Maß­ regel am ehesten durch die Vermittelung der Bundesversammlung zu er­ reichen sein werde, weil sich die etwaigen Gegensätze unter den einzelnen Bundesgenossen bei der Verhandlung am Centralpunkte des Bundes am leich­ testen werden ausgleichen lassen. Ueberdieß aber stellt sich die in Vorschlag gebrachte Maßnahme nach der offen ausgesprochenen Absicht der antrag­ stellenden Regierungen als der erste Schritt auf der von ihnen betretenen Bahn einer auf der Grundlage der bestehenden Bundesverfassung zu bewir­ kenden Bundesreform dar, und die Königliche Regierung mußte daher eben aus ­diesem Grunde für angemessener halten, daß fragliche Maßregel sofort zum Gegenstande gemeinsamer Berathung am Bunde gemacht werde. Wenn von der Minorität des Ausschusses hervorgehoben wird, daß die be­ antragte Institution hinter den Anforderungen an eine wirksame, den Bedürf­ nissen der Gegenwart entsprechende Bundesreform zurückbleibe, so muß entgegengehalten werden, daß, wenn gleich für jetzt allerdings nur die Einbe­ rufung einer Delegirtenversammlung für einen speciellen Zweck in Antrag gebracht worden ist, doch die antragstellenden Regierungen ausdrücklich die allmähliche Ausbildung dieser Anordnung zu einer bleibenden Institution, zu einer organischen Einrichtung am Bunde mit repräsentativem Charakter als das Ziel ihrer Bestrebungen bezeichnet haben. Die Königliche Regierung will den gegenwärtigen Anlaß nicht vorüberge­ hen lassen, ohne ihrer Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der Einführung einer solchen bleibenden Institution in den Organismus des Bundes und einer entsprechend veränderten Gestaltung der Executive, sowie dem dringenden

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Wunsche und der lebhaften Hoffnung einen wiederholten Ausdruck zu geben, daß die Bundesversammlung sich in kürzester Frist über die Einführung jener organischen Einrichtung vereinigen möge. Dabei kann die Königliche Regierung nicht umhin, die in einem der vorlie­ genden Separatvoten enthaltene Behauptung, als ob die Ansicht der antragstel­ lenden Regierungen ausgesprochenermaßen dahin gehe, daß die beantragte Maßnahme (welche – beiläufig bemerkt – dem Wunsche nach einer den realen Machtverhältnissen entsprechenden Vertheilung des Stimmengewichtes am Bunde entgegenkommen würde) sich allmählich zu einer bleibenden Bundes­ institution gegen den Willen der Minorität gestalte20, als eine irrige zu be­ zeichnen. Mit dieser Behauptung fallen dann auch die auf dieselbe gestützten Einwürfe gegen die politische Zweckmäßigkeit der beantragten Anordnung. Baden. Die Großherzogliche Regierung hat bereits in ihrer in der zweiten dießjährigen Sitzung abgegebenen, anticipirten Abstimmung erklärt, daß sie dem von der Mehrheit des Ausschusses empfohlenen Antrage beizustimmen nicht vermöge21, und sie wiederholt hiermit diese Ablehnung. Was den von ihr gemachten Vermittelungsvorschlag betrifft, so sind die beiden Bedingungen, unter welchen sie denselben verfolgt hätte – nämlich die förmliche Aufnahme als Antrag von einer der zuvor in Kenntniß gesetzten höchsten und hohen Regierungen, sowie die Aufschiebung der Abstimmung über das Delegirtenproject bis nach erstattetem Ausschußberichte über den genannten Vermittelungsvorschlag – nicht eingetreten. Die Großherzogliche Regierung sieht also diesen Versuch als gescheitert an und wird ihn ihrerseits nicht selbstständig weiter verfolgen. Sollte der Gedanke übrigens dennoch jetzt noch von anderer Seite aufgegriffen werden und er zu bundesgeschäft­ licher Behandlung kommen, so ist die Großherzogliche Regierung bereit, sich nach Maßgabe ihrer Erklärung an der weiteren Erörterung zu betheiligen. Kurhessen. Die Kurfürstliche Regierung ist bei der Stellung des Antrages vom 14. August v. J. von der Voraussetzung ausgegangen, daß die Einführung von Delegirtenversammlungen als Bundessache nicht bloß in Folge einer Vereinbarung unter einzelnen Regierungen stattfinden solle; da jedoch schon jetzt als feststehend anzunehmen ist, daß eine solche Einführung der fragli­ chen Versammlungen, wozu unzweifelhaft Stimmeneinhelligkeit erforderlich ist, nicht eintreten kann, hiernach aber ein weiteres Vorschreiten in dieser ­Sache den angestrebten Erfolg nicht nur nicht zu erreichen vermag, sondern sogar besondere politische Nachtheile herbeizuführen droht, so hält die Kur­ fürstliche Regierung, wie sie glaubt in wahrhaft föderativer Gesinnung, eine weitere Verfolgung dieser Angelegenheit für nicht räthlich und vermag deß­ 20 Siehe QGDB III/3, S. 844 (preußisches Separatvotum vom 18. Dezember 1862). 21 Siehe oben Dok. 13.

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halb den gestellten Majoritätsanträgen des Ausschusses ihre Zustimmung nicht zu ertheilen. Großherzogthum Hessen. Der Gesandte hat sich der Abstimmung des ­Kaiserlich-Osterreichischen Herrn Gesandten anzuschließen, deren Inhalt mit den Gesichtspunkten, von welchen die Großherzogliche Regierung bei der Auffassung der vorliegenden Fragen ausgeht, in vollem Einklange steht. In Bezug auf die Seitens der Großherzoglich-Badischen Regierung bereits in der vorigen Sitzung abgegebene Abstimmung hat der Gesandte noch die Bemerkung beizufügen, daß die Großherzogliche Regierung – wenn es sich etwa demnächst um organische Einführung einer Vertretung der deutschen Ständekammern am Bunde handeln wird – geneigt ist, einer in der Richtung des in jener Abstimmung enthaltenen Vorschlages sich bewegenden Compe­ tenzerweiterung dieser Vertretung zuzustimmen. Dänemark wegen Holstein und Lauenburg. Die Königliche Regierung ver­ mag in der Berufung einer Delegirtenversammlung nur eine tiefgreifende Einwirkung auf die außerhalb des Bereiches des jetzt bestehenden Bundes liegenden inneren und Verfassungsangelegenheiten der einzelnen Staaten zu erblicken. Jedenfalls würde aber die Berufung einer solchen Versammlung, namentlich so wie die weitere Entwicklung derselben sowohl in dem Antrage als auch in dem Ausschußvortrage vorausgesehen wird, nach Auffassung der Königlichen Regierung auf die Einführung einer organischen Einrichtung ab­ sehen und demzufolge auch den für Annahme einer solchen in der Bundesge­ setzgebung vorgeschriebenen Bestimmungen unterliegen müssen. Einer neu­ en organischen Bundeseinrichtung sieht die Königliche Regierung sich indes­ sen schon aus dem Grunde außer Stande für jetzt beizustimmen, weil die mit dem Durchlauchtigsten Bunde obschwebenden Verhandlungen über die ver­ fassungmäßige Stellung der Herzogthümer Holstein und Lauenburg22 in der Dänischen Monarchie noch nicht so weit gediehen sind, um beurtheilen zu können, ob die Theilnahme an einer so bedeutungsvollen neuen Bundesein­ richtung mit dem Interesse der gedachten Herzogthümer vereinbar sei. Der Gesandte ist aus diesen Gründen von seiner allerhöchsten Regierung beauftragt, gegen den Antrag der Ausschußmehrheit zu stimmen. 22 Seit 1848 hatte der Deutsche Bund mehrfach interveniert, um die Rechte der Elbherzogtümer zu wahren. Während Dänemark danach strebte, Schleswig in die dänische Gesamtstaatsver­ fassung zu integrieren, unterstützte die Bundesversammlung die holsteinischen Stände, die sich gegen die mit den Plänen Dänemarks verbundene verfassungsrechtliche Trennung von Schleswig und Holstein wehrten. Die in konstitutioneller, staatsrechtlicher, europäischer und nicht zuletzt nationalpolitischer Hinsicht äußerst komplexe Streitfrage war Ende 1862 wieder aufgebrochen, weil Dänemark nun die Rechtsverbindlichkeit der internationalen Vereinba­ rungen von 1851/52 für Schleswig bestritt und damit die vollständige Inkorporierung Schles­ wigs in den dänischen Staat wieder akut wurde. Vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsge­ schichte, Bd. 3, S. 456 f.

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Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Die Königlich-Großherzog­ liche Regierung hat den in der 42. vorjährigen Sitzung der hohen Bundesver­ sammlung vorgelegten Vortrag des Ausschusses für Errichtung eines Bundes­ gerichtes über die von Oesterreich und einigen anderen Bundesstaaten vorge­ schlagene Zusammensetzung und Einberufung einer aus den einzelnen deutschen Ständekammern durch Delegation hervorgehenden Versammlung, zunächst zur Berathung der Gesetzentwürfe über Civilproceß und Obligatio­ nenrecht, einer sorgfältigen Prüfung unterzogen und ist der Gesandte beauf­ tragt worden, darüber die nachfolgende Erklärung abzugeben. Bekanntlich hat die gedachte Regierung sich seiner Zeit nicht bewogen ge­ funden, den Beschlüssen beizustimmen, wodurch die zu Hannover und zu Dresden zusammengetretenen Commissionen beauftragt worden sind, sich mit der Abfassung von Gesetzentwürfen über den Civilproceß und das Ob­ ligationenrecht der deutschen Bundesstaaten zu beschäftigen, vielmehr er­ klären lassen, daß sie weder an den Berathungen, noch überhaupt an dem Zwecke der erwähnten Commissionen sich zu betheiligen beabsichtige. Sie ist diesem Vorsatze bislang treu geblieben, und insofern es sich jetzt nur um die Frage handelt, ob die Resultate der deßfallsigen Commissionsver­ handlungen einer aus deutschen Ständekammern zu erwählenden Delegirten­ versammlung zur weiteren Prüfung und Begutachtung vorgelegt werden sol­ len? kann die Königlich-Großherzogliche Regierung sich auf die Erklärung beschränken, daß sie dem zur Abstimmung vorliegenden Ausschußantrage auch gegenwärtig ihre Zustimmung versagen müsse. Sie kann sich mit dieser Erklärung um so mehr begnügen, als in dem Aus­ schußvortrage wiederholt ausdrücklich anerkannt wird, daß es sich um eine Stimmeneinhelligkeit erfordernde Angelegenheit handle, an welcher kein Bundes­staat verpflichtet werden könne, gegen seinen Wunsch und Willen Theil zu nehmen. Inzwischen hält es die Königlich-Großherzogliche Regierung doch für ihre Pflicht, in einem so wichtigen Falle, wie der vorliegende, ihre abfällige Ab­ stimmung durch die speciellen Verhältnisse ihrer im Bunde begriffenen Län­ der kürzlich zu motiviren, und die Bedenken auszusprechen, welche der von Oesterreich und einigen anderen Bundesstaaten in der 32. vorjährigen Bun­ destags-Sitzung gestellte Antrag überhaupt bei ihr erregt hat. Schon aus früheren Vorgängen läßt sich schließen, daß besonders die­ jenigen Bundesregierungen, welche jetzt die Berufung einer Delegirten­ versammlung beantragt haben, der Ansicht sind, daß sich in mehreren Bun­ desstaaten ein Streben nach größerer Einheit im Bunde gezeigt und daß es ­rath­sam sei, solchem Streben durch Herbeiführung einer größeren Ueberein­ stimmung in der inneren Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten entge­ genzukommen.

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Aus dieser Ansicht sind, wie es scheint, die vielfachen Anträge entstanden, welche in der letzteren Zeit auf Versuche gemacht worden sind, über sehr ver­ schiedene Gegenstände der inneren Gesetzgebung und Verwaltung der Bun­ desstaaten eine größere Uebereinstimmung oder Uniformität zu erzielen. Die­ se sämmtlichen Anträge sind stets als auf gemeinnützige Einrichtungen gerich­ tet gestellt und behandelt worden und daher auch meistens nur von einem Theile, wenn auch dem größeren, der Bundesglieder angenommen worden. Die Königlich-Großherzogliche Regierung ist denselben jedoch stets fremd geblieben. Sie glaubt, daß die in verschiedenen Bundesstaaten laut gewordenen Wünsche und Bestrebungen weniger eine übereinstimmende innere Gesetz­ gebung, als eine größere Einheit in der politischen Gestaltung des Deutschen Bundes bezwecken. Sie hält sich jedenfalls überzeugt, daß in den Ländern, wo­ mit Seine Majestät der König-Großherzog dem Bunde durch Verträge beigetre­ ten sind, sich weder ein Streben, noch ein Bedürfniß nach größerer Einheit und Gemeinschaftlichkeit in der inneren Gesetzgebung kund gegeben habe. Das Großherzogthum Luxemburg und das Herzogthum Limburg hängen mit gleicher Liebe und Festigkeit an ihrer inneren, abgeschlossenen Gesetz­ gebung, auf welche sie keinen fremden Einfluß gestatten wollen. Wenn man auch im Großherzogthum nicht abgeneigt sein würde, zu den von der öffent­ lichen Meinung in Deutschland gewünschten Modificationen der Bundesver­ fassung zu besserer Erreichung der Bundeszwecke, nämlich der äußeren und inneren Sicherheit des Bundes, mitzuwirken, so geht man doch dabei von der Voraussetzung aus, daß dadurch die vertragsmäßig garantirte Unabhängigkeit der einzelnen Bundesstaaten nicht alterirt werden dürfe. Was das Herzogthum Limburg betrifft, so ist dasselbe bekanntlich mit Zu­ stimmung des Bundes unter die Verfassung und Verwaltung des Königreichs der Niederlande gestellt und kann also noch weniger fremde Einwirkung auf seine inneren Einrichtungen gestatten. Die Bewohner dieses Landes, welches nur in Folge politischer Ereignisse, gegen seinen Wunsch und Willen, in den Deutschen Bund aufgenommen worden ist23, sind durch ihre Nationalität, 23 Das Herzogtum Limburg war aus der niederländischen Provinz Limburg hervorgegangen, die 1839 zwischen Belgien und den Niederlanden geteilt worden war. Das niederländische Lim­ burg wurde als Herzogtum Limburg in den Deutschen Bund aufgenommen, als Kompensa­ tion für den westlichen, französischsprachigen Teil Luxemburgs, der zum Königreich Belgien kam und damit aus dem Deutschen Bund ausschied. Herzog von Limburg war der König der Niederlande in Personalunion. Im Deutschen Bund galten der verbliebene östliche Teil des Großherzogtums Luxemburg und das Herzogtum Limburg als ein Mitglied, obwohl sie staatsrechtlich getrennt waren. Die luxemburgisch-limburgische Stimme in der Bundesver­ sammlung wurde von einem Gesandten geführt, der vom König der Niederlande, der gleich­ zeitig Großherzog von Luxemburg war, gemeinschaftlich ernannt wurde. Vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 120–124.

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Sprache und Gebräuche Deutschland gänzlich fremd gewesen und geblieben. Wollte die Königliche Regierung der öffentlichen Stimme im Herzogtum Fol­ ge geben, so würde sie eher in der Lage sein, bei dem Bunde Anträge auf gänzliche Trennung von demselben stellen zu müssen, als Anträgen zuzu­ stimmen, welche auf eine engere Verbindung mit deutschen Gesetzen und Einrichtungen gerichtet sind. Was nun den von Oesterreich und mehreren anderen Bundesstaaten ge­ stellten und von dem damit beauftragten Ausschusse günstig begutachteten und zur Annahme empfohlenen Antrag auf Einberufung einer Delegirten­ versammlung betrifft, so gestehen die beantragenden Regierungen und der Bundes­tags-Ausschuß selbst zu, daß ihr Vorschlag in weiterem Verlaufe zu einer organischen Einrichtung, also zu einer nur durch Einstimmigkeit zu ­erreichenden Veränderung der Bundesverfassung führen werde und führen solle. Auch würde die beabsichtigte Wahl der zu berufenden Delegirten­ versammlung durch die einzelnen Ständekammern oder aus deren Mit­ gliedern ein ganz neues Element in die Bundesverfassung einführen und deren Grundcharakter wesentlich modificiren. Zu einer solchen die bis­ herige Einheit in der obersten Bundesbehörde offenbar bedrohenden oder störenden Ein­richtung, welche dem deutschen völkerrechtlichen Staaten­ bunde mehr den Charakter eines Bundesstaates aufdrücken würde, vermag die Königlich-Großherzogliche Regierung ihre Zustimmung nicht zu er­ theilen. Im Interesse ihrer im Bunde begriffenen Länder ist der Gesandte daher von seiner allerhöchsten Regierung angewiesen worden, den von Seiten der Ma­ jorität des Ausschusses gestellten Anträgen in Beziehung auf die Bildung und Einberufung einer Delegirtenversammlung nicht beizutreten, sondern zu er­ klären, daß, wenn in Folge einer Majorität von Stimmen zur Ausführung der beantragten Maßregel geschritten werden wollte, solches, nach Ansicht der Königlich-Großherzoglichen Regierung, mit der jetzigen Bundesverfassung streitig sein würde. Für diesen Fall behält die gedachte allerhöchste Regierung sich vor, so zu handeln, wie es ihr zweckmäßig erscheinen wird. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Angesichts des be­ deutungsvollen Zwiespaltes der Ansichten, welcher sich in Betreff der Be­ schlußfassung per majora oder per unanimia über die Vorfrage der Nützlich­ keit der Delegirtenversammlung im Allgemeinen im Bundestags-Ausschusse bloßgelegt hat, scheint den Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsischen Re­ gierungen das nächste und dringlichste Interesse darauf gerichtet, daß der Versuch einer gütlichen Lösung dieser nicht bloß für den vorliegenden Fall höchst wichtigen Principienfrage nicht schon jetzt aufgegeben, sondern vor allen Dingen von dem Ausschusse fortgesetzt werde, welchem vielleicht

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­ enigstens die Andeutung eines Weges gelingen dürfte, dessen Betretung die w Erlangung einer endgültigen Interpretation der einschlagenden Bestimmun­ gen der Bundesgrundgesetze in sich schließen könnte. Die Großherzoglichund Herzoglich-Sächsischen Regierungen haben daher in erster Linie die Zu­ rückverweisung der fraglichen Angelegenheit an den Ausschuß gewünscht, und geglaubt, hierbei auf die Zustimmung selbst derjenigen hohen Regierun­ gen, welche den Antrag auf Einberufung einer Delegirtenversammlung einge­ bracht, um so mehr hoffen zu dürfen, als die noch weit aussehende Vollen­ dung der Gesetzentwürfe, welche für die Delegirtenversammlung bestimmt sein würden, keinerlei besondere Beschleunigung der Beschlußfassung über letztere motiviren kann. Nachdem aber ihre Erwartung, daß die Abstimmung über den vorliegenden Ausschußvortrag ausgesetzt werden könne, nicht in Erfüllung gegangen ist, stimmen die Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsischen Regierungen ge­ gen die Anträge der Majorität des Ausschusses, wobei insonderheit Sachsen-Weimar-Eisenach zwar von der Frage absieht, ob nicht schon die von der Königlich-Preussischen Regierung angeführten formalen Gründe für die Zurückverweisung dieser Anträge geltend zu machen seien, aber – wenn auch nicht allen Theilen der Motivirung – doch jedenfalls dem Schlußan­ trage des im Ausschusse abgegebenen Votums des Großherzoglich-Badischen Bundestags-Gesandten beitritt, indem auch die Großherzogliche Staatsre­ gierung an der Zweckmäßigkeit und Fortbildungsfähigkeit eines solchen in den dermaligen unveränderten Bundesorganismus eingeschobenen neuen Gliedes, wie die vorgeschlagene Delegirtenversammlung, zweifeln zu sollen glaubt. Sachsen-Altenburg tritt der Ausführung in dem Separatvotum des Groß­ herzoglich-Badischen Ausschußmitgliedes darin bei, daß, wenn es sich in der That um Herbeiführung einer „gemeinnützigen Anordnung“ im Sinne des ­Artikels 64 der Wiener Schlußacte Seitens der Bundesversammlung handelt, die Schlußfassung über die Vorfrage, ob der Gegenstand bei der Bundesver­ sammlung überhaupt in Verhandlung genommen werden solle, der Stimmen­ einhelligkeit nicht bedarf, sondern per majorem erfolgen kann, theilt aber auch aus den überzeugenden Gründen, welche dasselbe Separatvotum dieser­ halb anführt, die Meinung desselben, daß der vorliegende Antrag seinem in­ nersten Wesen nach nicht eine gemeinnützige Anordnung im Sinne der Bun­ desgesetzgebung, sondern die Einführung einer eigentlichen organischen Bundeseinrichtung zum Hauptzwecke und Gegenstand habe, und daß folglich die für Bundesbeschlüsse letzteren Charakters maßgebenden bundesrecht­ lichen Bestimmungen dabei zur Richtschnur genommen werden müßten. In materieller Hinsicht erachtet man von Seiten Sachsen-Altenburgs das Dele­ girtenproject schon allein im Hinblick auf den Mangel einer mehr einheit­

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lichen Centralgewalt für undurchführbar und zu großen Bedenken Anlaß ge­ bend. Sachsen-Coburg-Gotha schließt sich der in der Sitzung vom 15. dieses Monats abgegebenen Abstimmung der Großherzoglich-Badischen Regierung an. Dagegen hat der Gesandte für Sachsen-Meiningen den Anträgen der Mehrheit des Ausschusses beizutreten. Diese höchste Regierung verkennt hinsichtlich des Delegirtenprojects weder die in der Sache selbst liegenden Bedenken, noch die der Ausführung desselben entgegenstehenden Schwie­ rigkeiten, auch vermag sie sich die Gründe der Ausschußmajorität nicht in vollem Umfange anzueignen; allein sie stimmt denselben darin zu, daß eine weitere Beschäftigung mit dem von mehreren Bundesgliedern einge­ brachten Antrage durch Stimmenmehrheit beschlossen werden kann und in bundesfreundlicher Weise jetzt zu beschließen sein wird. Aufgabe der ­weiteren Beschäftigung wird es sodann sein, durch Detailvorschläge die bestehenden Bedenken und Schwierigkeiten möglichst zu beseitigen und nach Maßgabe des Artikels 64 der Schlußacte ihr anhaltendes Bestreben dahin zu richten, daß die zu Erzielung eines Resultates erforderliche frei­ willige Vereinbarung unter den sämmtlichen Bundesgliedern erreicht wer­ de, da ohne Stimmeneinhelligkeit bei der schließlichen Abstimmung der Bundesversammlung die Berufung der Delegirtenversammlung als Bundes­ sache nach der Auffassung der Herzoglichen Regierung nicht verwirklicht werden kann. Braunschweig und Nassau. Für Braunschweig hat der Gesandte folgende Erklärung abzugeben: Die Herzogliche Landesregierung hält dafür, daß die Beurtheilung der Zweckmäßigkeit und Räthlichkeit der Zusammenberufung einer aus den ein­ zelnen deutschen Landesvertretungen durch Delegation hervorgehenden Ver­ sammlung wesentlich mit von der Beschaffenheit ihrer Zusammensetzung, Wahl und Art ihrer Berufung abhängig sei, und da es in diesen Beziehungen an den nöthigen Vorlagen fehlt, so findet sich die Herzogliche Landesregie­ rung auch nicht in der Lage, über die in dem Ausschußvortrage enthaltenen Anträge ein Votum abzugeben. Daneben ist im Uebrigen die Herzogliche Landesregierung der Ansicht, daß, wenn über die Frage: ob zur Beschlußfassung über die fraglichen Anträ­ ge Stimmeneinhelligkeit erforderlich sei oder Stimmenmehrheit genüge? ab­ weichende Meinungen hervortreten sollten, über diese Frage den Bundesge­ setzen und der bisherigen Praxis der Bundesversammlung gemäß durch Stim­ menmehrheit zu entscheiden sei. Für Nassau hat der Gesandte zu erklären, daß die Herzogliche Regierung, da sie zu denjenigen Regierungen gehört, welche den Antrag vom 14. August

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v. J. bei hoher Bundesversammlung eingebracht haben, sich der Oesterreichi­ schen Erklärung anschließt. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Der Gesandte ist von seinen höchsten Regierungen angewiesen worden, die nachstehende Erklä­ rung abzugeben: Es handelt sich nach der Auffassung der Großherzoglichen Regierungen, abgesehen von der formellen auf die Nothwendigkeit der Stimmeneinheit bezüglichen Frage, wesentlich um die Entscheidung, ob von Seiten des ­ ­Deutschen Bundes zunächst zur Begutachtung zweier für ganz Deutschland bestimmter Gesetzentwürfe eine Versammlung von Delegirten aus den Stän­ deversammlungen aller Bundesstaaten an den Sitz der Bundesversammlung berufen werden soll. Wäre mit einer solchen Einberufung nichts weiter bezielt, als die Begut­ achtung der Gesetzentwürfe einer allgemeinen deutschen Civilproceßordnung und eines allgemeinen deutschen Obligationenrechtes, so würde dieser Schritt nur die untergeordnete Bedeutung einer Vorbereitungsmaßregel zu den erwähnten Gesetzentwürfen haben, deren demnächstige Annahme oder ­ ­Ablehnung jedem Bundesstaate noch freisteht. So aber liegt die Sache in Wirklichkeit nicht. Die beantragte Einrichtung hat neben jener untergeordne­ ten gleichzeitig eine politische, in den Organismus der Bundesverfassung tief eingreifende Bedeutung, deren Tragweite auch von allen Seiten anerkannt wird. Sie legt nach ihrem ausgesprochenen Zwecke den Keim einer Ge­ sammtvolksvertretung am Bunde in die bestehenden Bundesinstitutionen, sie ist also der erste Schritt zur einer Umgestaltung ihrer Organisation, – ein Schritt, der in jener untergeordneten und isolirten Bedeutung nicht aufgefaßt werden kann, indem es unmöglich sein würde, seine unvermeidlichen Aus­ wirkungen später wieder aufzuheben. Selbst wenn man die Delegirtenversammlung aus den Landesvertretungen aller Staaten ausschließlich für eine Civilproceßordnung berufen wollte, wür­ de sofort die innere Nothwendigkeit hervortreten, sowohl in die Bundes­ verfassung mit neuen Anordnungen über das Verhältniß, nach welchem die Delegirten aus den verschiedenen Staaten zu berufen, einzugreifen, als auch folgenreiche Entscheidungen über die rechtliche Stellung der einzelnen Bundes­staaten zum Bunde damit zu verbinden. Aus diesem Grunde und da die Großherzoglichen Regierungen es den fö­ derativen Rücksichten gegen diejenigen deutschen Staaten, welche für eine Maßregel, wie die zur Frage stehende ist, die Stimmeneinhelligkeit schon bei der Vorfrage für erforderlich halten, entsprechend finden, solchem Begehren nicht mit einem Majoritätsbeschlusse entgegenzutreten, können sie, bei aller Bereitwilligkeit, zur Kräftigung des Deutschen Bundes durch Einigung seiner Mitglieder beizutragen, ihre Stimme nur dahin abgeben, daß der Deutsche

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Bund dem auf Einberufung einer ständischen Delegirtenversammlung von der Majorität des Ausschusses gestellten Antrage keine weitere Folge zu ge­ ben habe. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte befindet sich nicht in der Lage, dem Antrage der Mehrheit des Ausschusses zustimmen zu können, sondern hat für Oldenburg und Schwarzburg-Sondershausen dem Minoritäts­ antrage des Großherzoglich-Badischen Ausschußmitgliedes, und für AnhaltDessau-Cöthen und Anhalt-Bernburg dem Votum des Königlich-Preussischen Herrn Bundestags-Gesandten sich anzuschließen, während Schwarzburg-Rudolstadt die Instruction noch vorbehalten hat. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Homburg. Für die Curie tritt der Gesandte den Anträgen der Majorität des Aus­ schusses bei. Für Reuß jüngerer Linie hat er dem Minoritätsantrage des GroßherzoglichBadischen Ausschußmitgliedes zuzustimmen. Für Schaumburg-Lippe ist er zu Abgabe folgender Erklärung beauftragt: Die Fürstliche Regierung kann in den Vorschlägen zu solchen gemeinnüt­ zigen Anordnungen, wie die Einführung gleichmäßiger Gesetze über das Ob­ ligationenrecht und den Civilproceß, an sich ein Bestreben zur Erweiterung der Bundescompetenz nicht erblicken und muß der Ansicht sein, daß bei der Feststellung der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit vorgeschlagener gemein­ nütziger Anordnungen und bei der vorgeschriebenen sorgfältigen Erwägung der Mittel zur Ausführung derselben, innerhalb der Bundesversammlung, eine Stimmeneinhelligkeit nicht erforderlich sei, auch für die geschäftliche Behandlung der Vorschläge zu gemeinnützigen Anordnungen die Vorschriften über die geschäftliche Behandlung der organischen Einrichtungen nicht maß­ gebend sein können. Dieselbe vermag den Vorschlag zur Herstellung einer Versammlung von Delegirten der deutschen Landesvertretungen jedoch nur selbst als Vorschlag zu einer gemeinnützigen Anordnung ansehen, und muß dafür halten, daß diese Versammlung, auch wenn sie lediglich als ein Mittel zur Durchführung gemeinsamer Gesetze in Betracht käme, doch nach Artikel 64 der Wiener Schlußacte von der Bundesversammlung nur sorgfältig zu er­ wägen sein würde, aber nicht ohne Stimmeneinhelligkeit beschlossen und in Wirksamkeit gesetzt werden könne, falls sie Bundesangelegenheit bleiben solle. Obgleich die Fürstliche Regierung bei dem Mangel näherer Vorschläge über die Zusammensetzung und Befugnisse der angetragenen Delegirtenver­ sammlung, sowie über die Vertretung des Bundes bei derselben sich noch kein Urtheil über die Zweckmäßigkeit und Räthlichkeit der vorgeschlagenen Maßregel hat bilden können, so hegt sie doch die Hoffnung, daß die unter Num. 2 des Mehrheitsantrages beantragte weitere Berichterstattung des Aus­ schusses ihr die Grundlagen zu diesem Urtheile darbieten werde, und will

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daher unter der Voraussetzung, daß dadurch ihre obwaltenden Bedenken ge­ gen jene Maßregel beseitigt würden, und unter dem Vorbehalte, sich für ihre künftigen Entschließungen in dieser Angelegenheit durch ihre gegenwärtige Abstimmung in keiner Weise zu binden, für das jetzige Stadium der Behand­ lung den Anträgen der Mehrheit des Ausschusses beitreten. Für Waldeck hat der Gesandte sich gegen die Anträge der Majorität des Ausschusses zu erklären. Freie Städte. Für die Curie stimmt der Gesandte dem von dem Großher­ zoglich-Badischen Ausschußmitgliede gestellten Minoritätsantrage bei. Für Frankfurt hat der Gesandte zu erklären, daß der Senat in der von der Mehrheit des Ausschusses als zweckmäßig und räthlich empfohlenen Ein­ berufung einer aus den einzelnen deutschen Landesvertretungen durch Dele­ gation hervorgehenden Versammlung, nach den im Artikel 64 der Wiener Schlußacte über die Behandlung von Vorschlägen zu gemeinnützigen An­ ordnungen enthaltenen und für den vorliegenden Fall allein maßgebenden Bestimmungen, nicht ein bloßes „Mittel“ zur Vorbereitung und Herbeifüh­ rung der für die deutschen Bundesstaaten beabsichtigten gemeinschaftlichen Gesetz­gebung über Civilproceß und über Obligationenrecht, sondern eine zu diesem Zwecke vorgeschlagene „gemeinnützige Anordnung“ erkenne, daher für die Einberufung einer solchen Versammlung eine freiwillige Vereinbarung unter den sämmtlichen Bundesgliedern erforderlich erachten w ­ ürde. Der Gesandte ist zugleich angewiesen, mit Rücksicht darauf, daß nach Ar­ tikel 64 der Wiener Schlußacte der Bundesversammlung bei Vorschlägen zu gemeinnützigen Anordnungen die Bewirkung der erforderlichen freiwilligen Vereinbarung unter den sämmtlichen Bundesgliedern erst dann vorliegt, wenn sie sich in ihrer Mehrheit „von der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit sol­ cher Vorschläge im Allgemeinen überzeugt“, dafür zu stimmen, daß der Aus­ schuß nach seinem Antrage unter 2 zu beauftragen sei, zunächst nähere Vor­ schläge über die Art der Zusammensetzung und Einberufung einer aus den einzelnen Landesvertretungen durch Delegation hervorgehenden Versamm­ lung zu erstatten, daß dagegen die Abstimmung über die Zweckmäßigkeit und Räthlichkeit einer solchen Versammlung bis nach Eingang der weiteren Vorlage des Ausschusses noch ausgesetzt bleiben möge. Für Hamburg ist der Gesandte angewiesen, zu erklären, daß der Senat glaube, bei dem entschiedenen Widerspruche, welchen die Ausschußanträge bereits von Seiten einzelner Bundesregierungen erfahren haben und bei der auch von ihm getheilten Ansicht, daß diese Anträge aus den in dem Groß­ herzoglich-Badischen Erachten [sic] entwickelten Gründen zum Gegenstande eines durch Stimmenmehrheit zu fassenden Bundesbeschlusses nach beste­ hendem Bundesrechte nicht gemacht werden dürfen, sich der Abstimmung über dieselben gänzlich enthalten zu müssen.

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Abstimmung über die Delegiertenversammlung

Nr. 20

Präsidium erklärte, daß, nachdem sich die Majorität gegen die Anträge der Mehrheit des Ausschusses ausgesprochen habe, dieselben abgelehnt seien. Oesterreich. Nachdem die Mehrheit der Stimmen sich gegen die Anträge der Majorität des Ausschusses ausgesprochen, hat der Gesandte Namens des Kaiserlichen Hofes die nachstehende weitere Erklärung abzugeben. Nach dem Ergebnisse der so eben vernommenen Umfrage hat die hohe Bundesversammlung es abgelehnt, den Antrag vom 14. August v. J. unter der Obsorge und vermittelnden Einwirkung ihrer Beschlüsse in Ausführung zu bringen. Die Kaiserliche Regierung muß dieß um so ernstlicher bedauern, je gewis­ ser diese Thatsache zugleich die Besorgniß rechtfertigt, daß die Schwierigkei­ ten, welchen der vorliegende Antrag begegnet ist, sich in erhöhtem Maße dem Bestreben entgegenstellen würden, die beiden am 14. August v. J. von den Theilnehmern an jenem Antrage vorbehaltenen organischen Fragen zur Lösung zu bringen. Die Kaiserliche Regierung muß sich darauf berufen, daß sie sich damals auf jenen Vorbehalt nur aus dem Grunde beschränkt hat, weil sie die Hoff­ nung hegte, es werde sich über den Vorschlag vom 14. August leichter als über die organischen Fragen eine allgemeine Einigung erzielen lassen. Nachdem aber nun diese Hoffnung getäuscht worden, glaubt die Kaiser­ liche Regierung den ernsten Anforderungen der Lage nicht durch einen un­ fruchtbaren Ausdruck des Bedauerns genügen zu können, sondern sie glaubt es sich selbst und ihren Bundesgenossen schuldig zu sein, hiermit zu er­ klären: 1) daß sie sich das Recht wahre, den Antrag vom 14. August, nachdem er nicht als Bundesmaßregel ausgeführt werden kann, durch Vereinbarung mit denjenigen hohen Regierungen in Ausführung zu bringen, welche dieß dem­ nächst zur Förderung der in Hannover und in Dresden im Gange befindlichen Gesetzgebungswerke24 für nützlich halten würden; 24 In Hannover war seit dem 15. September 1862 eine am 17. Juli 1862 eingesetzte Bundes­ kommission mit der Ausarbeitung einer „Allgemeinen Deutschen Zivilprozeßordnung“ be­ schäftigt. In Dresden tagte seit dem 7. Januar 1863 eine von der Bundesversammlung ein­ gesetzte Sachverständigenkommission, um einen Gesetzentwurf für die Rechtsgeschäfte und Schuldverhältnisse (Obligationenrecht) auszuarbeiten. Vgl. Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 429 f., 433–434. Druck der Protokolle: Protocolle der Commission zur Berathung einer allgemeinen Civilprozeßordnung für die deutschen Bundesstaaten. Eingel. u. neu hrsg. v. Werner Schubert. 18 Bde. Frankfurt am Main 1985; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechtes. Eingel. u. neu hrsg. v. Werner Schubert. 6 Bde. Frankfurt am Main 1984.

Nr. 20

Frankfurt am Main, 22. Januar 1863

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2) daß sie sich vorbehalte, bei erneuter Hoffnung auf Annäherung der An­ sichten auch in der Mitte dieser hohen Versammlung auf den mehrerwähnten Antrag zurückzukommen; endlich 3) daß sie, wenngleich die Schwierigkeiten der beiden Fragen der Errich­ tung eines wirksameren executiven Organs des Bundes und der organischen Einführung einer aus den Volksvertretungen der Einzelstaaten hervorgehen­ den Gesammtvertretung nicht verkennend, für ihren Theil jederzeit bereit sei, in eine Berathung dieser beiden Fragen einzutreten und sich dieser Aufgabe in demselben Geiste aufrichtiger Bundesgenossenschaft und freisinniger Würdigung der Erfordernisse der Zeit zu nahen, von welchem sie bereits in den seitherigen Verhandlungen Beweise abgelegt zu haben glaubt. Preussen. Der Gesandte hält seiner allerhöchsten Regierung das Protokoll offen für eine etwaige Aeußerung. Bayern. Der Gesandte behält seiner allerhöchsten Regierung eine Erklä­ rung in Beziehung auf das Resultat der Abstimmung vor. Königreich Sachsen. Der Gesandte ist mit den Ansichten und Wünschen seiner hohen Regierung hinlänglich bekannt, um aussprechen zu können, daß die Königliche Regierung von der eben vernommenen Erklärung des Herrn Präsidialgesandten mit hoher Genugthuung Kenntniß nehmen wird, indem sie darin einen erneuten Ausdruck des ernsten Willens des Kaiserlich-König­ lichen Cabinets zu erkennen hat, die Lösung der unabweisbaren Frage der deutschen Bundesreform auch ferner thatkräftig zu fördern. Auf die eifrige Unterstützung und Mitwirkung der Königlich-Sächsischen Regierung darf ­jederzeit gerechnet werden. Hannover. Auch die Königliche Regierung hegt den lebhaften Wunsch, daß recht bald hinsichtlich einer wirksameren Bundesexecutive und einer ständischen Mitwirkung bei der Bundeslegislation eine Bundesreform im bundesverfassungsmäßigen Wege vor sich gehe, und begrüßt daher mit Freuden die von der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung ausgesproche­ ne Bereitwilligkeit, in eine Berathung dieser beiden Fragen eintreten zu wollen. Württemberg. Der Gesandte, mit den Anschauungen und Intentionen seiner höchsten Regierung vertraut, beeilt sich, sich Namens der Königlichen Regie­ rung der so eben vernommenen Erklärung des Kaiserlich-Oesterreichischen Herrn Präsidialgesandten anzuschließen und zugleich der in derselben kund­ gegebenen bundesfreundlichen Haltung der Kaiserlichen Regierung eine dankbare Anerkennung zu zollen. Großherzogthum Hessen. Der Gesandte schließt sich der von dem Kaiserli­ chen Herrn Präsidialgesandten abgegebenen dankenswerthen Erklärung an, indem er darin nur den Ausdruck derjenigen Ansichten erkennt, von welchen auch die Großherzogliche Regierung geleitet wird.

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Mohl an Roggenbach

Nr. 21

Braunschweig und Nassau für Nassau. Der Gesandte hat zu erklären, daß die Herzogliche Regierung gern bereit ist, in eine Berathung der in der Erklä­ rung der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung angedeuteten Fragen einzu­ treten.25

21. Mohl1 an Roggenbach

GLA Karlsruhe, 48/1526, fol. 168–172. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 30. Januar 1863.

Es gibt in Deutschland vier Gruppen von Regierungen: Die erste, bestehend aus ­Holstein, Luxemburg-Limburg, Mecklenburg, Kurhessen, Hannover und Hamburg, will gar keine Änderung der Bundesverfassung und verharrt in reiner Negation; die ­zweite besteht aus den „Würzburger“ Staaten ohne Hannover und Kurhessen; diese Gruppe erkennt die Notwendigkeit einer Reform an, hofft aber damit, ihren Einfluß noch zu erhöhen und die populären Forderungen mit einem bloßen Schein abzufer­ tigen; Österreich geht mit den „Würzburgern“ allein aus dem Grund, um Preußen zu bekämpfen, an einer Bundesreform kann es aus inneren Gründen kein Interesse haben und wird es deshalb leicht verwinden, wenn aus den Reformplänen nichts wird; die dritte Gruppe besteht allein aus Preußen, das eine Bundesreform ernstlich will, jedoch unter der Bedingung, daß ihm die militärische und politische Leitung des nicht-österreichischen Deutschland zufällt; um dies zu erreichen, ist Preußen bereit, ein gewähltes deutsches Parlament zuzugestehen, jeder anderen Veränderung der Bundeszustände tritt es entgegen; die vierte und kleinste Gruppe bilden diejenigen Regierungen, die aufrichtig eine größere Einheit Deutschlands wollen und zu Opfern 25 Der sächsische Bundestagsgesandte von Nostitz bemerkte zum Ausgang der Abstimmung am Ende seines Berichts an Beust vom 22. Januar 1863: „Wenn ich mir eine allgemeine Bemer­ kung über diese Angelegenheit erlauben darf, so ist es die, daß es in mancher Beziehung und besonders bei den jetzigen Zuständen in einem großen und in einigen kleineren Bundesstaa­ ten vielleicht sogar besser ist, daß der Antrag abgelehnt wurde, als wenn er eine kleine Majo­ rität von 9 Stimmen für sich gehabt hätte; daß er aber keine ansehnliche Majorität gewinnen konnte, das ist freilich traurig und fast entmuthigend, besonders wenn man, wie ich glaube, anzunehmen hat, daß nicht wenig Stimmen, aus Gründen die durchaus nicht in der Sache liegen abfällig waren.“ HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angele­ genheiten, Nr. 2910.

  1 Robert von Mohl (1799–1875), renommierter Staatswissenschaftler und einer der führenden liberalen Politiker, seit 1827 Professor der Staatswissenschaft in Tübingen, 1846 Entzug der Lehrbefugnis und Amtsenthebung wegen regierungskritischer Schriften, 1847 Professor in Heidelberg und badischer Landtagsabgeordneter, 1848 Mitglied des Vorparlaments und der Nationalversammlung, Mitglied im Verfassungsausschuß, 25. 9. 1848 bis 17. 5. 1849 Reichs­ justizminister, seit 1857 Vertreter der Universität in der badischen Ersten Kammer, 1867– 1872 Präsident der Kammer, 1861–1866 badischer Bundestagsgesandter, 1867–1871 Ge­ sandter in München. Vgl. Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 22; ADB, Bd. 22, S. 745–758; NDB, Bd. 17, S. 692–694; Angermann, Robert von Mohl.

Nr. 21

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an souveräner Gewalt bereit sind; dazu gehören Baden, die mitteldeutschen Herzogtümer und einige kleine Fürstentümer sowie Bremen, Lübeck und Frankfurt. Nach der Ablehnung der Delegiertenversammlung in der Sitzung vom 22. Januar werden sich die erste Gruppe und Preußen passiv verhalten, während die „Würzburger“ Regierungen über das Delegiertenprojekt außerhalb des Bundes weiterverhandeln ­werden. Baden soll sich an solchen Verhandlungen nicht beteiligen. Mohl regt an, daß die reformfreundlichen Regierungen, allen voran Baden, einen Entwurf „einer ­deutschen einheitlichen und parlamentarischen Verfassung“ auf der Grundlage der Reichsverfassung von 1849 ausarbeiten und diesen gemeinsam mit anderen Regierungen in der Bundesversammlung einbringen.

Nro. 29.

Frankfurt am Main, 28. Januar 1863

Die Abstimmung in der letzten Bundesversammlung über das Delegirten­ project ist, selbstredend, der Gegenstand ernstlichen Nachdenkens bei mir ge­ wesen, da ich in derselben eine nicht unbedeutende Krisis in den deutschen Angelegenheiten erblicken muß, und man sich jeden Falls die Frage zu stel­ len hat, was nun weiter zu thun sei? Euer Hochwohlgeboren gestatten mir hochgeneigtest, in Nachstehendem das Ergebniß meiner Prüfung der Sach­ lage ergebenst vortragen zu dürfen. Die am 22. d. M. stattgehabte Abstimmung2 hat über die Gesinnung und Gruppirung der deutschen Regierungen in Betreff der allgemeinen deutschen Frage allerdings nichts eigentlich Neues gelehrt; allein sie hat die Situation schärfer gezeichnet, so daß ein Mißkennen oder eine Selbsttäuschung kaum mehr möglich ist. Es hat sich nemlich gezeigt, daß entschieden vier Gruppen von Regierungen bestehen. Die erste derselben bilden diejenigen Regierungen, welche gar keine ­Aenderung von der Bundesverfassung wollen und welchen namentlich eine einheitlichere und parlamentare [sic] Centralgewalt mit Anspruch auf verbind­ liche Anordnungen entschieden zuwider3 ist. Es ist aber hieher zu zählen: Holstein, Luxemburg-Limburg, Mecklenburg, Kurhessen, und eigentlich doch auch: Hanover [sic] und Hamburg. Die Gründe der beiden ersten, ­welche ihre Beziehungen zu Deutschland eher zu schwächen und zu lösen, als irgendwie organischer zu gestalten wünschen, sind allerdings wesentlich verschieden, von denen der übrigen; allein der Erfolg für die Bundes-Angele­ genheiten ist derselbe, nemlich [sic] reine Negation. Eine zweite Gruppe bilden4 die sogenannten Würzburger Staaten nach ­Abzug von Hanover und Kurhessen. Diese geben die Nothwendigkeit einer 2 Siehe Dok. 20. 3 In der Ausfertigung steht: zufrieden. – Nachträgliche Korrektur von anderer Hand (Roggen­ bach?). 4 Emendiert. Vorlage: bildet.

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Mohl an Roggenbach

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Reform in der doppelten Richtung eines stärkeren Mittelpunkts und einer Betheiligung der Bevölkerung zu; hoffen aber einer Seits, eine Centralgewalt bilden zu können, bei welcher sie eher noch gewinnen, als verlieren an Stel­ lung und Einfluß, anderer Seits die populairen Forderungen mit einem bloßen Schein abzufertigen. Sie wollen also Directorium und Delegirte oder ander­ weitige politisch nichtssagende Einrichtungen und Verbesserungen. Außer­ dem hält sie Haß gegen Preußen und Furcht vor einer Suprematie desselben zusammen. – Mit ihnen geht bis jetzt Oesterreich, obgleich nicht nur seine Stellung eine wesentlich verschiedene ist, sondern auch ohne Zweifel sein letzter Zweck ein anderer. Der Grund des Zusammengehens ist eintzig [sic] und allein die Bekämpfung Preußens, und wo diese in Frage steht, ist auf die aufrichtigste Uebereinstimmung zu zählen; allein über diese Abwehr hinaus ist keine innere und aufrichtige Uebereinstimmung der Interessen. Oester­ reich muß im Grunde für eine völlige Unveränderlichkeit der Bundesverfas­ sung sein, welche ihm wenigstens leidlichen Einfluß in Deutschland ver­ schafft und die das Äußerste ist, was mit seinem eigenen Staatsorganismus noch vereinbar erscheint. Ein Directorium wäre schon eine Schwächung der Präsidialstellung und Delegirte würden offenbar eine große und bleibende Schwierigkeit gegenüber von dem allgemeinen Reichstage sein5, wahrschein­ lich gar nicht durchzuführen. Es ist daher wohl anzunehmen, daß Oesterreich selbst mit den sogenannten Reformplanen [sic] der Würzburger nur geht, wenn und soweit dieselben unerläßliche Bedingung einer Verbindung gegen Preußen sind und sich schließlich leicht tröstet, wenn nichts aus denselben wird. Für sich allein steht, drittens, Preußen, welches eine wesentliche Bundes Reform ernstlich will, allein nur unter der Bedingung und zu dem Zwecke, daß ihm die militairische und politische Leitung des nicht österreichischen Deutschlands6 zufalle. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es zu einem großen Preise bereit, selbst – nach seiner letzten Erklärung – zu einem aus unmittel­ baren Wahlen hervorgehenden und mit großen Rechten ausgestatteten Parla­ mente; bei der nicht zu hoffenden Zustimmung Aller oder auch nur der Mehr­ heit würde es mit nur Einzelnen einen Sonderbund schließen. Jeder anderen Veränderung der Bundeszustände, selbst ganz unschuldigen nützlichen Ein­ 5 Wahrscheinlich bezieht sich Mohl hier auf den österreichischen Reichsrat, der 1861 infolge des Februarpatents als gesamtstaatliche parlamentarische Vertretung gebildet worden war. Er sollte aus Abgeordneten aller österreichischen Territorien bestehen, doch weigerten sich die Ungarn, Abgeordnete zu entsenden, und auch in Böhmen und Mähren gab es große Widerstän­ de. Vor diesem Hintergrund war eine Abordnung von Delegierten aus dem Reichsrat in die Delegiertenversammlung am Bund voraussichtlich mit starken innerösterreichischen Konflik­ ten verbunden. Vgl. zum Reichsrat Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa, S. 376–384. 6 Nachträglich korrigiert aus: deutschen Oesterreichs.

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richtungen, tritt es entgegen. So weit diese Negation geht, ist es entschieden und selbst drohend: hinsichtlich der positiven Vorschläge kommt es dagegen über Velleitäten und Worte7 nicht hinaus. Daß seine eigenen inneren Zustände weder einer Machtentfaltung noch der Gewinnung einer Sympathie bei Re­ gierungen, Kammern und Bevölkerungen günstig sind, liegt auf der Hand. Die vierte, leider kleinste, Gruppe bilden diejenigen Regierungen, welche aufrichtig aus Pflichtgefühl und in politischer Vorsicht eine größere Einheit und damit Kraft und Zufriedenheit Deutschlands wollen, und zu der Herstel­ lung zu den nöthigen Opfern an souverainer Gewalt bereit sind. Es sind aber nur: Baden, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Oldenburg, einige der klein­ sten mitteldeutschen Staaten; etwa Bremen und Lübeck; Frankfurt, wenn es nicht anders kann. Es fragt sich nun vorerst, was wohl thatsächlich zunächst geschehen wird? Als unzweifelhaft kann angenommen werden, daß die erstgenannte Grup­ pe, die der einfach negirenden, ihrem ganzen Wesen nach sich passiv verhal­ ten wird, zunächst zufrieden mit der Abweisung auch nur des Delegirtenpro­ jects. – Ebenso erscheint es als überwiegend wahrscheinlich, daß Preußen zunächst keine ernstlichen Schritte thun wird, um der Erreichung seines Wun­ sches näher zu kommen. Die ganze Aufmerksamkeit der Regierung dürfte auf längere Zeit von den inneren Angelegenheiten beansprucht werden; auch ist nicht glaubhaft, daß das gegenwärtige oder ein aus Neuwahlen hervorgehen­ des Haus der Abgeordneten dem jetzigen Ministerium bei einer gewagten ­äußeren Politik zur Seite stehen würde. Ohnedem hat der bisherige Verlauf gezeigt, daß in Berlin ein weiter Weg von den Worten zu den Handlungen ist. Nicht verhehlt kann freilich werden, daß H. v. Bismark wenig zu berechnen und auch wohl8 fähig zu einem unüberlegten Schritte ist: die Wahrscheinlich­ keit eines Erfolgs oder auch nur eines ernstlichen Verfolges ist aber auch in einem solchen Falle sehr klein. – Dagegen ist es, nach der bestimmten Erklä­ rung Oesterreichs in der letzten Bundestags Sitzung, nicht wohl anders mög­ lich, als daß die Würzburger Regierungen das Delegirtenproject außerhalb des Bundes zum Gegenstande von Verhandlungen machen werden. Es mag sein, ohne Hanover und Kurhessen; es ist ferner wahrscheinlich, daß dieses ohne ein wichtiges definitives Resultat bleiben wird, da die immer kleine Aussicht auf eine ständische Zustimmung und Mitwirkung für eine nur par­ tielle Versammlung außerhalb des Bundes unzweifelhaft noch weit kleiner ist. Möglich ist sogar, daß sich Bayern nicht anschließen wird, indem sich sein Vorenthalten einer Zustimmung in der Sitzung vom 22. sonst nicht wohl er­ 7 Emendiert. Vorlage: Worten. 8 Nachträglich korrigiert aus: erst.

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klären läßt. Allein die Verhandlungen werden beginnen, und zwar wohl mit einer gewißen Ostentation wegen der erlittenen Niederlage. Die erste Aufgabe ist demnach, darüber schlüßig zu werden, wie sich die eine Bundes Reform aufrichtig wollenden Regierungen, wie sich namentlich die Großh[erzoglich]e Regierung selbst zu einer solchen Verhandlung zu ver­ halten habe? Ohne Zweifel theilna[h]mslos; und zwar gleichmäßig in den beiden Mög­ lichkeiten, welche vorliegen. – Entweder erfolgt eine Einladung zur Theil­ nahme gar nicht. In diesem Falle wäre ein Zudringen weder würdig, noch wohl von Erfolg, könnte und müßte also dem Verlaufe rein passiv zugesehen werden. – Oder aber es erfolgt eine solche Aufforderung; was dann, nament­ lich in Hinsicht auf den jüngsten Vermittlungsvorschlag der Großh[erzoglich]en Regierung9, keineswegs undenkbar ist. Hier hätte dann allerdings eine Betheiligung den Vortheil, unterrichtet zu sein von den Vorgängen und den inneren Verhältnißen der Verbündeten; ferner würde die jetzt bestehende Spannung wenigstens für den Augenblick etwas gemildert; endlich könnte eine abschlägige Antwort durch bestimmte Inaussichtnahme einer Verhand­ lung über den Vermittlungsvorschlag erschwert scheinen. Dennoch dürfte auch in dieser Voraussetzung eine Ablehnung gleich von vornherein richtiger sein. Schließlich Antheil zu nehmen an der Organisation eines Sonderbunds unter österreichischer [und] baierischer Führung liegt nicht in der Absicht der Großh[erzoglich]en Regierung; eine spätere Lossagung aber wäre dann eine entscheidendere Handlung, als eine Fernhaltung vom Beginn an. Eine eigene Thätigkeit in Bundesreformfragen wäre während der ganzen Zeit der Ver­ handlungen unmöglich; ebenso ein Eingehen auf Preußische Vorschläge, wenn solche in dieser Zeit kommen sollten. In der öffentlichen Meinung ­würde ohne Zweifel der Schritt als ein Abfall von der bisherigen Richtung betrachtet und verurtheilt werden. Endlich ist eine Ablehnung trotz des Ver­ mittlungsvorschlags dadurch leicht10 motivirbar, daß dieser Vorschlag nur un­ ter Voraussetzung einer geschäftsmäßigen Behandlung am Bunde gemacht worden sei, und er auf nur eine Anzahl von Bundesgliedern keine Anwen­ dung erleide. Hiemit ist denn aber die weitere Frage noch keineswegs erledigt, ob nicht ohne Berücksichtigung dieser Verhandlungen unter den sogenannten Würz­ burger Regierungen und neben11 denselben ein Schritt zur Förderung der Bundesreform geschehen kann und soll?

  9 Siehe Dok. 13. 10 Nachträglich korrigiert aus: leicht und mehr. 11 Nachträglich korrigiert aus: unter.

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Auf den ersten Blick scheint die Zeit wenig dazu angethan zu sein, und schon die oben versuchte Charakterisirung des Verhaltens der einzelnen Bun­ desregierungen einen Fehlschlag in sichere Aussicht zu stellen. Dann aber mag auch ein bloßer Versuch nicht blos als nutzlos, sondern selbst als schäd­ lich erscheinen, indem durch wiederholtes Mißlingen der Gedanke selbst ab­ geschwächt, die bittere Abneigung der gegnerischen Cabinete nur noch mehr gesteigert werden würde12. Es sei nicht nöthig und nicht klug, sich den Vor­ wurf leerer Demonstrationen zuzuziehen. Endlich die Bundesreform sei nicht zur Sprache zu bringen ohne alsbaldige Berührung der Oberhaupts[-] oder Hegemoniefrage[;] nun sei aber jetzt Preußen einem solchen Urtheile ver­ fallen, daß an ein Anschließen an dasselbe und an eine Unterordnung unter dasselbe bei Niemand gedacht werden könne. – Es fragt sich aber doch, ob die Dinge nicht in Wahrheit anders liegen. Vorerst ist doch unzweifelhaft, daß die Gründe zum Vornehmen einer tüch­ tigen Bundesreform vollständig noch vorliegen, ja daß sie sich innerlich noch gesteigert haben. Das nationale Sicherheits- und Wohlfahrtsbedürfniß, die Pflicht der Regierungen zur Anerbietung eines Ersatzes für die Reichsverfas­ sung13, die dringende Räthlichkeit einer Ablenkung von gewaltsamen Wegen durch ein gesetzliches Vorgehen, die Besorgniß vor einem unvermittelten und dann nicht mehr abzuparirenden Stoße von Außen her, – Alles ist heute noch so, wie seither. Das Mißglücken des Delegirtenprojects hat hieran nichts ge­ mildert, im Gegentheile die Betreibung und die Bekämpfung desselben die Spannung noch mehrfach gesteigert. So lange also nicht jede Möglichkeit er­ schöpft ist, bleibt die Aufgabe bestehen. Sodann hat der Gedanke der einheitlichern und freiheitlichern Verfassung Deutschlands durch die letzten Ereigniße doch unverkennbar einen Schritt weiter gemacht. Preußen ist (gleichgültig jetzt mit welcher Folgerichtigkeit im eigenen Handeln) zu dem Anerkenntniße gebracht worden, daß nur ein frei gewähltes Parlament mit bedeutenden Rechten der Nation genüge. Oester­ reich ist durch sein Einlassen mit den Mittelstaaten aus seiner eigentlichen Stellung, nemlich beim einfachen Beharren beim Bunde von 1815, herausge­ treten und hat sich zu Aenderungen verstanden; mögen diese auch nicht die richtigen sein, so kann es doch die Nothwendigkeit einer Reform nicht mehr läugnen. Die Mittelstaaten haben durch Anerbieten, welche von der Mehrheit [in] ganz Deutschland mit Hohn aufgenommen worden sind, und auch bei den eigenen Angehörigen sehr geringen Anklang gefunden haben, wenigstens nicht gewonnen am Glauben an ihre Einsicht und ihren guten Willen. Selbst der gegen die nationalen Bestrebungen gerichtete buntschäckige [sic] Ver­ 12 Emendiert. Vorlage: werde. 13 Gemeint ist die Verfassung des Deutschen Reiches von 1849.

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ein14 hat wenigstens die Maske der Reform annehmen müßen, um irgend welche Aussicht auf Bestand zu erhalten. Die unbedingt Ablehnenden sind nicht schlimmer geworden, als sie immer waren. Daß die Oberhauptsfrage ein Stein des Anstoßes wäre und zwar mehr als je, läßt sich allerdings nicht läugnen. Allein entweder muß der Plan und die Hoffnung, Deutschland eine genügende Verfassung zu verschaffen, überhaupt aufgegeben werden und muß man den Ereignißen mit den Händen im Schooße wehrlos entgegensehen; oder ist die einzige Möglichkeit, eine solche Verfas­ sung immer wieder vor Augen zu bringen, damit ihre Nothwendigkeit, wenn auch nicht bei den abgeneigten Dynastien, (hierauf ist natürlich nie zu rech­ nen), so doch in dem Bewußtsein der Nation zur Anerkennung komme. Das in den gegenwärtigen preußischen Zuständen bestehende besondere Hinder­ niß wird nicht immer währen, vielleicht sogar nur ganz kurze Zeit. Inzwi­ schen hat der Kampf um Aufrechterhaltung der Verfassung der preußischen Bevölkerung und dem Abgeordnetenhause viele Sympathien im übrigen Deutschland erweckt, welche immerhin als ein Vorteil auch für die deutschen Reformplane [sic] betrachtet werden müßen, da unläugbar denselben im ­Süden nicht blos die Abneigung der Regierungen gegen theilweise Unter­ ordnung, sondern auch Widerwillen der Bevölkerungen gegen preußisches Wesen entgegensteht. Kann man somit auch nicht hoffen, durch einen Anlauf das Ziel jetzt schon zu erreichen, so ist es doch nicht unverständig anzunehmen, daß durch einen solchen wenigstens die endliche Erreichung könne um ein Namhaftes geför­ dert werden; vorausgesetzt natürlich, daß derselbe einer Seits entschieden ge­ nug wäre, um einen großen Eindruck zu machen, anderer Seits gemeßen, wie es einer Regierung geziemt. Die, allerdings, mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwartende, Verwerfung am Bunde würde doch wohl einen Theils von weite­ ren Einräumungen von Seiten der Mittelstaaten begleitet sein, welche somit immer Bodengewinn wäre; anderer Seits bliebe der vorgelegte Gedanke in Be­ reitschaft für eine bessere Zeit und für einen unerwarteten Fall. Er würde sich auch in der Nation indessen einleben können. Daß es aber Sache der aufrichtig reformfreundlichen Regierungen, vor Allem der Großh[erzoglich]en Regie­ rung wäre, einen solchen Schritt zu thun, bedarf nicht erst eines Beweises. Meiner unvorgreiflichen Ansicht nach wäre dann aber wesentlich in der Weise zu verfahren, welche schon im Herbste des vorigen Jahres zur Sprache kam. Vor allem wäre also ein Entwurf einer deutschen einheitlichen und parla­ mentarischen Verfassung in allen Hauptgrundzügen, wenn auch nicht in letz­ 14 Gemeint ist der 1862 gegründete großdeutsche Reformverein; Real, Reformverein; Zimmermann, Reformverein.

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ter und ausführlichster Redaction, auszuarbeiten. Die sichtbare und anerkann­ te Grundlage müßte die Reichsverfassung von 1849 sein, jedoch wären die vielfachen unerläßlichen Verbesserungen derselben klar hervorzuheben. – Ein einfacher Vorschlag der Reichsverfassung selbst hätte zwar ohne Zweifel den Nutzen einer Zeitersparniß, und den noch weit größern, damit alsbald die Un­ terstützung einer zahlreichen und zum Theile organisirten Partei zu erlangen; und man könnte dann den Gegnern das weniger dankbare Geschäft der Kritik und Verminderungsvorschläge überlassen. Auch dürfte der Widerstand der Gegner gegen eine verbesserte Verfassung nicht kleiner sein, als gegen das Werk von 1849 in seiner unveränderten Gestalt. Trotz dessen erscheint dieses Verfahren nicht als räthlich. Die Reichsverfassung von 1849 bedarf unter al­ len Umständen bedeutender Verbesserungen; diese zu bezeichnen, ist Ehren­ sache und Pflicht einer sich mit der wichtigen Sache beschäftigenden Regie­ rung, und ist die Aufgabe einsichtiger und aufrichtiger Vaterlandsfreunde, damit sich die öffentliche Meinung damit vertraut mache, und nicht der ­Gedanke an eine unveränderte Einführung sich in den Köpfen festsetze. Auch darf wohl angenommen werden, daß ein großer Theil der nationalen Partei, welche jetzt die Reichsverfassung verlangt, dieses nur der Kürze halber thut und sich mit verständigen Veränderungen einverstanden erklären würde. Der in solcher Weise gewonnene Entwurf wäre sodann, sei es im Cor­ respondenz-Wege, sei es, wohl besser, durch einen Beauftragten, den voraus­ sichtlich theilnehmenden Regierungen mitzutheilen und mit ihnen einzeln vorläufig zu besprechen. – Eine Verhandlung unter den Bundestags-Gesand­ ten dürfte sich bei den zu einer solchen Arbeit wohl nicht ganz genügenden Persönlichkeiten nicht empfehlen. Ohne Zweifel würde auch nach einer solchen Verhandlung eine Zusam­ menkunft der leitenden Minister zur endgültigen Feststellung des Projekts nöthig sein, eine solche aber auch genügen und nicht eine persönliche Zu­ sammenkunft der regierenden Herren selbst angestrebt werden, da diese nicht durch eine so weit gehende Theilnahme an einem zunächst doch nach aller Wahrscheinlichkeit erfolglosen Vorschlage blosgestellt werden sollten. Die Einbringung an die Bundesversammlung würde gemeinschaftlich und mit einer ebenfalls verabredeten Motivirung geschehen. Ich habe wohl nicht nothwendig, erst noch zu bemerken, daß ich die in Vorstehendem entwickelten Anschauungen hier Niemand mitgetheilt habe oder mittheilen werde, damit nicht etwa Gerüchte über Absichten der Groß­ herzoglichen Regierung in Umlauf kommen, welche ganz ungegründet sein könnten und dann nur zu nutzlosem Zeitungslärm führen würden. Verehrungsvoll verharrend Mohl

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Bray-Steinburg an König Maximilian II. von Bayern

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22. Bray-Steinburg1 an König Maximilian II. von Bayern

HStA München, MA 494. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 31. Januar 1863. Druck: ­Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 36–38.

Graf Rechberg ist der Auffassung, man dürfe das Delegiertenprojekt nicht ohne weiteres fallenlassen und damit der preußischen Idee eines deutschen Parlaments das Feld räumen. Rechberg betont die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens und fordert Bayern zum Beitritt zur österreichischen Erklärung in der Bundesversammlung auf, wonach es weitere Beratungen über die Einführung einer Delegiertenversammlung zwischen den dazu bereiten Regierungen geben soll. Auch der Kaiser hat den Wunsch geäußert, daß sich Bayern nicht von den Mitverbündeten trennen möge. Die eventuelle praktische Durchführung des Delegiertenprojekts sei ein Mittel, um dem in Deutschland vorhandenen Drang nach Bundesreform „mit möglichst geringen Opfern und ohne ernste[s] Wagniß Rechnung zu tragen“.

Wien, 29. Januar 1863 Allerdurchlauchtigster Großmächtigster Koenig Allergnädigster König und Herr! Deutsche Verfaßungsangelegenheit. Zum Ministerialerlaß Nro 27. Ich habe nicht verfehlt, mich mit dem Grafen Rechberg über die in der Bundes­tagssitzung vom 22ten lauf. Mon. durch den Freiherrn von Kübeck2 abgegebene Erklärung3 in4 der durch Ministerial-Erlaß Nro 27 vom 24. lauf. Mon. vorgeschriebenen Weise zu besprechen5, und beehre mich in Nachste­ hendem das Ergebniß dieser Unterredung allerunterthänigst zur Kenntniß Euerer Koeniglichen Majestaet zu bringen. Graf Rechberg wiederholte mir zunächst, wie es, nach seiner Ansicht, un­ erläßliches Bedürfniß sei, die loyalen Absichten der antragstellenden Re­ gierungen dadurch zu dokumentiren, daß dieselben erklären, die von ihnen empfohlene Einrichtung, soweit dies ihnen möglich, realisiren zu wollen. Der 1 Otto Camillus Hugo Gabriel Graf Bray-Steinburg (1807–1899), 1860–1870 bayerischer Ge­ sandter in Wien; ADB, Bd. 55, S. 680–687; NDB, Bd. 2, S. 564. 2 Alois Freiherr Kübeck von Kübau (1818–1873), 1859–1866 österreichischer Bundespräsidial­ gesandter; NDB, Bd. 13, S. 169. 3 Siehe Dok. 20, S. 106 f. 4 Emendiert. Vorlage: in in. 5 Im Erlaß vom 24. Januar 1863 hatte der bayerische Außenminister Schrenk den Gesandten in Wien angewiesen, sich mit dem österreichischen Außenminister Rechberg über die Absicht der Regierung in Wien zu besprechen, bei einem Scheitern des Antrags auf Schaffung einer De­ legiertenversammlung in der Bundesversammlung das Delegiertenprojekt auf dem Weg der freien Vereinbarung zur Ausführung zu bringen. Schrenk erschien dieses Vorgehen „nicht un­ bedenklich“ zu sein. Schrenk an Bray-Steinburg, 24. Januar 1863, HStA München, Bayerische Gesandtschaft Wien, Nr. 1704.

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Wien, 29. Januar 1863

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jetzt eintretende Fall war im July vorigen Jahres, zur Zeit der Wiener Bespre­ chungen, bereits vorgesehen worden, und hatte zu dem von Oesterreich ge­ stellten Antrage, deßen in der Registratur vom 7ten July, Seite 13, Erwähnung geschieht, Veranlassung gegeben, wobei bemerkt wurde: „Es hieße die Re­ formbestrebungen der bundestreuen Regierungen im Voraus zur Unfruchtbar­ keit verurtheilen, und den unionistischen Projekten das Feld räumen, wenn man zugeben wollte, daß die Nichttheilnahme Preußens jede, auch partielle Ausführung der Reform-Projekte auf föderativer Basis hemmen müßte.“6 Graf Rechberg erklärte mir, daß die damals von ihm dargelegten Motive der kaiserlichen Regierung auch jetzt noch, und in erhöhtem Maße, berück­ sichtigungswerth erschienen, – und daß man, nach dem Aufschwung, den die sogenannte großdeutsche Idee durch das freudig begrüßte Delegirten-Projekt genommen,7 – einen gefährlichen Rückschlag zu Gunsten des Nationalver­ eines und der preußischen Bundesstaats-Ideen befürchten müße, wenn die Thätigkeit der föderativ-gesinnten Regierungen durch die ihnen entgegen ­gestellte Negation vollständig gehemmt, – ja, selbst ihre Einigkeit gestört, er­ schiene. 8Es wurde ferner darauf hingewiesen, daß das Delegirten-Projekt ursprüng­ lich von Bayern ausgegangen sei, und daß die österreichische Regierung in ihren desfallsigen Anträgen sich genau innerhalb der Gränzen der ihr von München aus in diesem Betreffe gemachten Eröffnungen8 gehalten habe, welche – nach Nro 1 des Ministerialerlaßes vom 24. December 1861 (resp. Nro 342) lauten: „Errichtung einer Volksvertretung am Bunde, jedoch mit der bestimmten Begränzung, daß diese Vertretung nur aus den Landständen oder Kammern der einzelnen deutschen Bundes-Länder für eine gemeinsame Gesetzgebung, oder für gemeinnützige Anordnungen, also für ganz bestimmte Fälle hervor­ zugehen hätte, – und jeder Gedanke an eine unmittelbare Volks-Wahl und ein deutsches Parlament ausgeschloßen wäre.“9 Gerade dieser letztere Gedanke ist – im Gegensatz gegen das DelegirtenProjekt – in der motivirten Ablehnung Preußens ausgesprochen worden, und Graf Rechberg bemerkte dazu, daß hierin schon eine ernste Aufforderung lie­ ge, letzteres nicht ohne Weiteres fallen zu lassen, und der preußischen Idee das Feld zu räumen. – Ein Glück sei es, daß diese gegenwärtig durch den in innere Conflikte verstrickten Minister von Bismarck repräsentirt werde. Aus­ 6 QGDB III/3, Dok. 132, S. 702 f. 7 Fragezeichen am Rand der Zeile. 8–8 Anstreichung mit Fragezeichen am Rand. 9 Schrenk an Bray, 24. Dezember 1861, HStA München, MA 493/2. Siehe QGDB III/3, S. 508, Anm. 1.

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Bray-Steinburg an König Maximilian II. von Bayern

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gesprochen im Namen eines Ministeriums Schwerin-Auerswald10, wäre sie ein gefährlicher Zunder gewesen für den über ganz Deutschland verbreiteten Sprengstoff, – ein mächtiger Hebel für die Zwecke des Nationalvereines. Wer aber könne dafür stehen daß Bismarck nicht bald einem Ministerium des Fortschritts, wo nicht gar der Democratie, werde weichen müßen? 11Graf Rechberg wiederholte mit bei diesem Anlaß die schon oft ertheilte Zusicherung, daß Oesterreich fest entschlossen sei, über die von Bayern, und auch durch die Erforderniße seiner eigenen staatlichen Einrichtungen, gezo­ genen Gränzen nicht hinaus zu gehen, noch sich drängen zu laßen. Die eventuell zu berufende gemeinsame Vertretung soll also weder eine entscheidende Stimme erhalten, noch aus direkter Volkswahl hervorgehen, noch soll ihr eine über die Behandlung bestimmter gemeinschaftlicher Ange­ legenheiten erweiterter Wirkungskreis zugewiesen werden. Graf Rechberg wies schlüßlich noch darauf hin, daß die in Frankfurt abge­ gebene Erklärung rein eventueller Natur sei; daß eine bestimmte Einrichtung dadurch noch keineswegs geschaffen, vielmehr nur „Berathungen“ in Aus­ sicht gestellt worden.11 Er betonte noch einmal das dringende Erforderniß der Gemeinsamkeit im Vorgehen der bundestreuen Regierungen, welches zunächst durch Bayern’s Beitritt zu der von Allen übrigen bereits genehmigten Erklärung vom 22ten lauf. Mon. an den Tag zu legen wäre.12 10

Bray bezieht sich auf die Möglichkeit eines liberalen Ministeriums in Preußen, das die kleindeutsche Politik des Nationalvereins forcieren könnte. Über ein eventuelles liberales „Ministerium Schwerin“ wurde seit 1859 in der deutschen Öffentlichkeit spekuliert. Vgl. dazu Jansen (Bearb.), Nach der Revolution, S. 615, Anm. 6. – Maximilian Karl Graf von Schwerin-Putzar (1804–1872), seit 1833 preußischer Landrat, 1848 preußischer Kultusmi­ nister, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, 1849–1872 Mitglied der zwei­ ten preußischen Kammer bzw. des Abgeordnetenhauses, Führer der liberalen Opposition, 1859–1862 Innenminister, seit 1867 nationalliberaler Abgeordneter im Reichstag des Nord­ deutschen Bundes; ADB, Bd. 33, S. 429–435; DBE, Bd. 9, S. 244. – Alfred von Auerswald (1797–1870), 1815 Freiwilliger in den Befreiungskriegen, Burschenschaftler, seit 1819 im preußischen Verwaltungsdienst, seit 1837 Mitglied des Provinziallandtags, 1830–1844 Landrat des westpreußischen Landkreises Rosenberg, 1845–1853 Generallandschaftsdirek­ tor der Provinz Preußen, März–Juni 1848 preußischer Innenminister, 1849–1852 und 1854– 1855 Mitglied der zweiten Kammer, 1859–1861, 1862–1863 und 1867–1870 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses (Linke Fraktion / Fraktion Georg Freiherr von Vincke / Konstitutionelle); ADB, Bd. 1, S. 642–644; NDB, Bd. 1, S. 439; DBE, Bd. 1, S. 218. 11–11 Anstreichung am Rand. 12 König Maximilian II. genehmigte am 4. Februar 1863 den Beitritt Bayerns zu der öster­ reichischen Erklärung vom 22. Januar 1863 in der Bundesversammlung. Zur Begründung hieß es, es sei a) wahrscheinlich, daß es doch nicht zur Durchführung der Delegiertenver­ sammlung unter einigen wenigen Staaten komme, und es wäre b) diese Einrichtung ein geringerer Nachteil als die Einführung einer unmittelbaren Volksvertretung (Parlament); HStA München, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 27 h.

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Dresden, 3. Februar 1863

Auf dem gestrigen Hofball hat auch Seine Majestaet der Kaiser mir den lebhaften Wunsch geäußert, daß Bayern, – der mächtigste der mit Ihm eng verbundenen Deutschen Staaten, sich bei diesem Anlaß von seinen Mitver­ bündeten nicht trennen möge, und daß den Gegnern nicht das Schauspiel der Zerklüftung – selbst innerhalb der föderativ gesinnten Staatengruppe – gebo­ ten werde. Auf eventuelle praktische Durchführung des Delegirten-Projektes legt der Kaiser in sofern Werth als Er hierin ein Mittel erblickt, 13dem in Deutschland einmal vorhandenen Drang nach Bundesreform mit möglichst geringen Op­ fern und ohne ernste[s] Wagniß Rechnung zu tragen.13 – Vermindert, wo nicht beseitigt, würden beide durch ein einmüthiges Vorgehen und festes Zu­ sammenhalten. Ich verharre in allertiefster Ehrfurcht Euerer Koeniglichen Majestaet allerunterthänigst treugehorsamster Gf. von Bray   Dresden, 3. Februar 1863 

23. Memorandum Beusts zur Bundesreformfrage

HStA Dresden, Bestand 10730 Sächsische Gesandtschaft für Österreich, Wien, Nr. 165. Beilage zum Erlaß an den sächsischen Gesandten in Wien, Könneritz, vom 3. Februar 1863, mit der Anweisung, das Memorandum dem Grafen von Rechberg mitzuteilen. Reinschrift. Konzept im HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 939, fol. 269–276.

Der Ausgang der Abstimmung über das Delegiertenprojekt in der Bundesversammlung ist zu beklagen. Der wirkliche Nachteil liegt aber nicht in der Ablehnung der gestellten Anträge, sondern in der geringen Unterstützung, die diese in der öffentlichen Meinung gefunden haben. Hätte dieser Faktor auf der Seite der Antragsteller gelegen, so wäre anzunehmen, daß ihr Reformprojekt die Mehrheit gefunden hätte. Die öffentliche Meinung und der „Geist der Bevölkerungen“ sind Elemente, auf die man in den gegenwärtigen Zeiten nicht verzichten kann. Vielmehr müssen die Re­ gierungen die „nützlichen Instincte“ der öffentlichen Meinung ihren Zielen nutzbar machen. Um diesen Rückhalt zu erlangen, müssen sich die Regierungen mit ihren Landesvertretungen verständigen. Bevor neue Reformvorschläge in die Bundesversammlung gebracht werden, sollen sich die Regierungen künftig zuerst der Mitwirkung der einzelstaatlichen Kammern versichern. Beust schlägt vor, Vertrauensmänner aus den Kammern zu einer neuen Konferenz der Regierungen hinzuzuziehen, um einen Re­formantrag zu beraten und abzustimmen.

13–13 Anstreichung am Rand mit Fragezeichen.

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Memorandum Beusts zur Bundesreformfrage

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[Dresden, 3. Februar 1863] Die nunmehr erfolgte Abstimmung über die Anträge vom 14. August vorigen Jahres, wegen Einberufung von Delegirten der Ständeversammlungen1, kann zwar mit Recht von Seiten Preussens als ein wirklicher Erfolg nicht in Rechnung gestellt werden. In Wahrheit ist damit nichts erreicht, als die Be­ hauptung der reinen Negation und es bleibt immerhin bemerkenswerth, daß das erneuerte Programm des engeren Bundes, wie solches in der bekannten Depesche vom 20. December 18612 aufgestellt worden war, in den übrigen dissentirenden Voten einen Wiederhall nicht gefunden hat. Hierzu kommt, daß die Genugthuung, welche einige ministerielle Berliner Blätter darüber zur Schau tragen, ebensowenig ein Echo in den anderen preußischen und den nicht-preußischen liberalen Zeitungen hervorrufen zu wollen scheint. Alle diese Betrachtungen können nicht verhindern, daß die in Frankfurt in der Minorität gebliebenen Regierungen gerechte Ursache haben, den Verlauf der Sache zu beklagen. Es würde ein ebenso müßiges, als ihrer unwürdiges Unternehmen sein, im Wege der Presse eine Polemik zu eröffnen, welche den Zweck hätte, die Gegener des zerfallenen3 Projectes in’s Unrecht zu setzen. Ebensowenig würde man sich einen wirklichen Erfolg von einer Wiederauf­ nahme desselben, sei es in der Bundesversammlung selbst, sei es außerhalb derselben, versprechen dürfen. Die antragstellenden Regierungen werden, wenn sie sich von der wahren Bedeutung der Sachlage Rechenschaft ablegen wollen, sich der Erkenntniß nicht verschließen, daß der wirkliche Nachtheil des erfolgten Ausganges nicht in der Verwerfung der gestellten Anträge, sondern in der geringen Unterstüt­ zung zu suchen sei, welche dieselben von Haus aus in der öffentlichen Mei­ nung gefunden haben. Hätte dieser Factor nur einigermaßen auf ihrer Seite gestanden, so wäre schon mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Majorität ihnen nicht entgangen sein würde, jedenfalls aber würde als­ dann deren Verwerfung für die antragstellenden Regierungen nicht eine Nie­ derlage sondern ein entscheidender Erfolg geworden sein. Diese Regierungen würden ihren Landesvertretungen gegenüber fortan einen festen und gesi­ cherten Standpunkt einnehmen, und sie würden bald in der Lage sein, neue Anträge in Frankfurt einzubringen mit der Aussicht besseren Erfolgs. Diese Regierungen werden sich daher auch nicht mehr verhehlen dürfen, daß sie durch Einbringung der betreffenden Anträge und deren Verwerfung nicht in die Lage gesetzt sind, ihren Landesvertretungen gegenüber darauf 1 Siehe Dok. 20. 2 Siehe QGDB III/3, Dok. 100. 3 In der Vorlage ist eine nicht ganz eindeutige Korrektur angebracht, offenbar zu: gefallenen.

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Dresden, 3. Februar 1863

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sich berufen zu können, das Ihrige gethan zu haben. Sie werden mit Recht nicht das Zeugniß in Anspruch nehmen können, daß nach ihren Kräften das Mögliche geschehen sei, um der ihnen gestellten Aufgabe zu genügen. Diese Betrachtung findet allerdings vielleicht auf Oesterreich weniger Anwendung als auf die übrigen der betheiligten Staaten, allein die Lage der letzteren und die Stellung der betreffenden Regierungen wird darum nicht minder auch für Oesterreich Gegenstand ernsten Interesses sein. Es soll damit in keiner Weise in Zweifel gezogen werden, daß die an­ tragstellenden Regierungen nicht allein das Maß des zu machenden Zuge­ ständnisses gewissenhaft erwogen haben, sondern auch von der aufrichtigen Ueber­zeugung geleitet waren, es sei der zu legende erste Keim einer gesun­ den Entwickelung fähig, ja daß sie dabei auch die ernstliche Absicht hegten, diese Entwickelung zu pflegen. Allein das von der sorgsamsten Hand gelegte Samenkorn bedarf mehr als der Pflege des Gärtners, um zur Saat aufzugehen. Es bedarf eines empfänglichen Bodens und befruchtenden Regens; nur künst­ liche Treibhauspflanzen lassen sich in anderer Weise aufziehen. Die öffentliche Meinung, der Geist der Bevölkerungen sind einmal in un­ seren Tagen Elemente, deren man nicht ganz entrathen kann. Die Weisheit der Regierungen wird einer Beherrschung dieser Elemente durch blinden Par­ teigeist zu widerstehen, sie wird aber auch die guten und nützlichen Instincte aufzufinden und ihren Zwecken nutzbar zu machen bestrebt sein. Es werden daher die bei den Anträgen vom 14ten August betheiligten Regierungen eben­ sowenig dem Verdachte verfallen, dem preußischen Votum so zu sagen ein Paroli drücken zu wollen, als dem Vorwurfe, mit sich selbst in Widerspruch zu gerathen, sie werden vielmehr nur einem richtigen Gefühle folgen, wenn sie die gemachte Erfahrung beherzigen und ernstlich auf Mittel sinnen, bei der weiteren Verfolgung ihrer auf eine gesunde Bundesreform gerichteten ­Bemühungen, sich einer wirksameren Unterstützung zu versichern, als die Uebereinstimmung einer Anzahl von Regierungen zu bieten vermag. Jene eben gemachte Erfahrung fällt darum besonders schwer ins Gewicht, weil die mehr oder minder ungünstige Aufnahme des Delegirten-Projectes und die unverkennbare Gleichgültigkeit, die sich bei dessen Mislingen [sic] kundgab, von Umständen begleitet waren, welche, wie nie zuvor, der jenen Anträgen zum Grunde liegenden großdeutschen Tendenz sich förderlich zeig­ ten. Hatte die letztere die Aussicht auf Erfolg, so war es zu einer Zeit, wo ein in Preußen eingetretenes retrogrades Regiment und die damit verbundene Unsicher­heit den gesammten deutschen Liberalismus Preußen entfremdet, wo die Entwickelung verfassungsmäßiger Zustände in Oesterreich dagegen einen großen Theil desselben für sich genommen und der öffentliche Geist in den Mittelstaaten sich wieder gewöhnt hatte, in ihrer eigenen selbstständigen Ausbildung den wahren Stützpunkt für die kräftigere Gestaltung des deut­

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Memorandum Beusts zur Bundesreformfrage

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schen Gesammtwesens zu erkennen. Ist unter solchen Umständen der ge­ machte Versuch nicht allein ohne Erfolg, sondern auch ohne Anklang geblie­ ben, so wird man sich eingestehen müssen, daß der Nationalverein und die preußischen Einwirkungen nicht allein die Schuld daran tragen. Man wird einhalten und nicht mit Unrecht, daß bei der vorherrschenden Unklarheit in den Vorstellungen über eine Umgestaltung der deutschen Bun­ desverhältnisse und bei der theilweisen Maßlosigkeit der daraus hervorgehen­ den Anforderungen es eine schwere und fast unlösbare Aufgabe sei, sich bei der Aufstellung eines neuen Projectes mit der öffentlichen Meinung in Ein­ klang zu setzen und dabei die Grenzen inne zu halten, welche ohne einen Umsturz der rechtlich bestehenden Verhältnisse nicht überschritten werden dürfen. Man wird besorgen, dieselbe Erfahrung auch mit einem weiter gehen­ den Vorschlage zu machen, und man wird fragen, wie man es anzufangen habe, um vor dessen Hinausgabe übersehen zu können, ob und in welcher Ausdehnung man auf eine Unterstützung desselben außerhalb der Regie­ rungskreise zu rechnen haben werde. Dieser Einwurf ist ein sehr beachtens­ werther und die nachstehenden Betrachtungen sollen den Zweck haben ihm zu begegnen. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß wären selbst die gangbarsten po­ pulären Ideen dem Standpunkte der betheiligten Regierungen weniger abge­ neigt, als dies leider der Fall ist, es immerhin sehr schwer fallen würde, dem Ausdrucke derselben, wie er sich in der Tagespresse darstellt, einen Anhalt für die muthmaßliche Aufnahme eines Reformvorschlages abzugewinnen. Die Kunst, die in einem großen Nachbarreiche so vortrefflich verstanden wird, die öffentliche Meinung zugleich zu ergründen und zu bearbeiten4, ist, abgesehen von allen anderen dagegen sprechenden Rücksichten schon darum hier unanwendbar, weil der Centralpunkt fehlt, von dem Alles ausströmt und nach dem Alles zurückfließt. Die betheiligten deutschen Regierungen haben nur ein Mittel sich in die nothwendige Fühlung mit ihren Bevölkerungen zu setzen und damit zugleich deren Wünsche und Bestrebungen in die Grenzen des Erlaubten und Möglichen zurückzuweisen – die Vernehmung mit den Landesvertretungen. Dies Mittel ist ein gesetzliches, es ist ein loyales und gerades, es ist zugleich ein wirksames, denn auf diesem Wege vernehmen die Regierungen, wenn die Sache nur einmal mit Ernst und Entschiedenheit an­ gegriffen wird, nicht blos auf den Effect berechnete, sondern überlegte Kund­ gebungen und eine Ueberzeugung der Bevölkerungen von der Unmöglichkeit gewisser Lieblingsideen kann nur durch die Landesvertretungen, nicht durch die Regierungen unmittelbar bewirkt werden. 4 Beust bezieht sich offenkundig auf Frankreich, in dem Kaiser Napoleon III. eine außerordent­ lich erfolgreiche Presse- und Öffentlichkeitarbeit im Sinne der Regierung betrieb.

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Dieser Gedankengang führt folgerichtig allerdings zu dem Resultate, daß ein umgekehrter Weg von dem bisher eingeschlagenen betreten werden muß. Anstatt damit anzufangen, in Frankfurt Anträge auf Zulassung gewisser Mo­ dalitäten von Vertretung der Kammern beim Bunde einzubringen, muß man zunächst des Einverständnisses und der Mitwirkung der Letzteren für einen Reformvorschlag sich versichern. Es wird sich hieran weiter die Frage reihen, wie es möglich sein soll, die verschiedenen Landesvertretungen, die überdies zum Theil gar nicht versam­ melt sind, über den fraglichen Gegenstand zu hören und aus den muthmaß­ lich verschiedenartig ausfallenden Erklärungen derselben eine praktische Unter­lage zu gewinnen. Diese Schwierigkeit soll nicht abgeleugnet werden und auch der naheliegende Gedanke einer Delegirtenversammlung zu dem Zwecke einer Berathung über einen einzubringenden Antrag erscheint aus mehr als einer Rücksicht unzulässig. Abgesehen von dem unvermeidlichen Scheine der Begründung eines Sonderbundes und von dem dagegen in den Kammern selbst zu erwartenden Widerstreben, ist namentlich zu bedenken, daß die ­betheiligten Regierungen die dringendste Veranlassung haben, die weiter zu thuenden Schritte bald zu unternehmen, den jetzt aus naheliegenden Ur­sachen sich günstig gestaltenden Zeitpunkt zu benutzen und nicht neue Wendungen abzuwarten, die aller Wahrscheinlichkeit nach viel unvortheilhaf­ ter sein werden. Es müßten daher die nicht tagenden Kammern sofort einbe­ rufen werden, ehe man noch in der Lage wäre, ihnen über den Character der ihren Delegirten gestellten Aufgabe Eröffnungen zu machen. Dagegen bietet sich ein anderer Weg dar, um ohne diese Nachtheile den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Die betheiligten Regierungen können in einer neuen Conferenz, unter Zuziehung von Vertrauensmännern aus ihren Kammern in Berathung treten. Die Zahl dieser Kammermitglieder würde eine beschränkte sein. Ein Maßstab nach Zahl der Bevölkerung und Kammerum­ fang ließe sich dabei nicht anwenden. Mehr als je würde es heißen: Vota non numeranda, sed ponderanda.5 Bei der Auswahl würden die Regierungen ihr Absehen nicht auf streng ministerielle Abgeordnete, sondern auf solche Mit­ glieder richten, welche bei der Majorität entschiedenen Credit haben. Die Be­ rathung der Conferenz wird bei einer solchen Zusammensetzung gewiß keine leichte Aufgabe sein, aber sie kann bei ernstem Willen zu bestimmten und annehmbaren Resultaten führen. Sie wird den großen Vorzug haben, anstatt der bisherigen Verdächtigungen und Verkleinerungen ähnlicher Besprechun­ gen von der öffentlichen Meinung mit Interesse und Gunst aufgenommen zu sein und zugleich den wesentlichen Vortheil bieten, die Vertreter der Kam­ mern mit den Schwierigkeiten, die mit der Lösung der gestellten Frage ver­ 5 Lat. für: „Die Stimmen sollen nicht gewählt, sondern gewogen werden.“

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bunden sind, vertraut zu machen. Hierin aber liegt eine große Bürgschaft ge­ gen die Gefahr, daß zu weitgehende Anforderungen ein Scheitern des Unter­ nehmens herbeiführen, denn die betreffenden Vertrauensmänner, von denen kaum zu besorgen ist, daß sie ihre Theilnahme an der Berathung versagen würden, übernehmen damit eine Verantwortung, die nicht leicht wiegen wird. Es mag vielleicht von anderer Seite ein besserer Weg gefunden werden, um den in der vorstehenden Darstellung entwickelten Gedanken in praktische Ausführung zu bringen, allein ohne demselben gerecht zu werden, wird man mit der Bundesreform sicherlich nicht bessere Erfolge als bisher erzielen und den revolutionären Bestrebungen nur frischen Boden bereiten.

24. Rechberg an Schönburg1

HStA München, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 27 h. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 50–54.

Es fehlt unter den bundestreuen Regierungen immer noch an einer einheitlichen Anschauung darüber, wie in der Frage der Bundesreform praktisch weiter vorzugehen sein wird. Rechberg wünscht, daß Bayern einem aktiven Vorgehen in der Reformfrage zustimmt. Österreich und alle, die den preußischen Unitarismus ablehnen, müssen dem Föderalismus stärkere Wurzeln in der deutschen Nation verschaffen. Es wäre eine größere Gefahr für die Verteidiger des Bundesprinzips, sich abwartend zu verhalten, als die Bundesreform voranzutreiben. Mit der österreichisch-mittelstaatlichen Verbindung ist der Keim gelegt, um der kleindeutschen Politik erfolgreich entgegenzutreten.

Reservirt.

Wien, 12. Februar 1863

Hochgeborener Fürst! Mittelst der Berichte vom 3ten und 5ten d. haben Euer fürstliche Gnaden uns vorläufig von der Aufnahme Rechenschaft abgelegt, welche unsere vertrauli­ che Eröffnung vom 29ten Jänner den Stand der Bundesreformfrage betreffend, bei dem Freiherrn von Schrenk gefunden hat.2 Mit Intereße habe ich daraus entnommen, daß wir einer Mittheilung darüber entgegensehen dürfen, ob man in München nunmehr eine Initiative zum Zwecke organischer Reformen für angezeigt halte. Einstweilen glaube ich jedoch den eingeleiteten Mei­ nungsaustausch fortsetzen zu sollen, indem ich Ihnen die Bemerkungen mit­ 1 Alexander Fürst zu Schönburg-Hartenstein (1826–1896), 1859–1863 österreichischer Gesand­ ter in München; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 297. 2 Siehe dazu Dok. 22.

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theile, zu welchen die in jenen Berichten wiedergegebenen Äußerungen des kgl. baierischen Herrn Ministers mir Anlaß bieten. Zuvörderst mache ich es mir zum Vergnügen, die lebhafte Anerkennung zu bezeugen, mit der wir den Beschluß des Münchener Hofes, der österreichi­ schen Schlußerklärung vom 22ten v. Mts. ihrem vollen Inhalte nach beizu­ treten begrüßt haben. Die Stellung der bundestreuen Regierungen ist durch diesen Schritt Baierns wieder klarer und fester geworden. Wie vor Jahresfrist durch die identischen Noten, so ist jetzt von neuem durch die nach der Ver­ werfung des Delegirtenprojekts abgegebenen Erklärungen dem grundsätz­ lichen Einverständniße der Höfe, welchen es um die Erhaltung des Bundes­ princips zu thun ist, ein bestimmter Ausdruck verliehen worden. Leider wird man aber hierin nur einen sehr äußerlichen und prekären Vor­ teil erblicken können, so lange nicht zwischen den betheiligten Regierungen eine volle Gemeinsamkeit der Anschauung und des Willens auch in Bezug auf die praktische Frage hergestellt sein wird, wie unter den neuesten Verhält­ nißen die Angelegenheit der Bundesreform weiter zu behandeln sei. Wir müßen uns mit Bedauern eingestehen, daß an dieser unerläßlichen Einheit der Gesinnung noch vieles fehlt. Sachsen, Württemberg, Heßen wünschen sobald als möglich zu Berathun­ gen über eine organische Bundesreform überzugehen. Baiern und Hannover haben zwar diese Eventualität gleichfalls nicht aus­ geschloßen, sondern ausdrücklich offengehalten, aber sie scheinen doch seit­ her die Schwierigkeiten und Gefahren des Reformunternehmens so hoch an­ geschlagen zu haben, daß eine bloß abwartende Haltung im Grunde ihrer Stimmung mehr entspricht. Oesterreich endlich neigt sich eher zur Ansicht der erstgenannten Höfe, glaubt jedoch auf jeden Schritt verzichten zu müßen, für welchen es nicht der entschiedensten Mitwirkung Baierns versichert wäre. Ist dies nun aber die Lage der Dinge, so will ich nicht versäumen, noch­ mals den Wunsch auszusprechen, daß die kgl. baierische Regierung von den beiden Alternativen – paßives Abwarten der Ereigniße und aktives Vorgehen in der Reformfrage – nicht die erstere, sondern die letztere wählen möge. Was Euer fürstliche Gnaden uns über die den Freiherrn von Schrenk leitenden An­ schauungen berichten, eröffnet uns in dieser Beziehung kaum eine günstige Aussicht. Freiherr von Schrenk findet, daß Baiern eigentlich schon in der jetzt abgeschloßenen Verhandlung über das Projekt einer Delegirten-Versammlung ad hoc zu weit gegangen sei. Er steht unter dem Eindrucke, daß die Regierun­ gen in Wahrheit nur das Spiel der Revolutionspartei spielen würden, wenn sie aus eigenem Antriebe verwirklichen wollten, was die langjährige Forderung dieser Partei war, – eine Gesammtvertretung am deutschen Bunde. Er sieht voraus, daß Preußen jede Initiative in dieser Richtung durch eine noch kühne­

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re werde überbieten wollen. Durch freie Vereinbarung die beabsichtigte Dele­ girtenversammlung ad hoc ins Leben zu rufen, erscheint ihm als praktisch unausführbar. Er will uns nicht zugeben, daß ein ausgedehnter Gebrauch des freien Bündnißrechtes im Kreise der föderativ gesinnten Regierungen das ­geeignetste Mittel sein würde, Preußen zur Umkehr zu einer bundesgemäßen Politik zu nöthigen. Nach seiner Meinung sind diese Regierungen selbst nicht mehr zahlreich genug, um sich auf derartige Experimente einlassen zu kön­ nen. Eine kurze Entgegnung auf alle diese Sätze sei mir erlaubt. Muß nicht auch der vorsichtigste Staatsmann zugeben, daß der deutsche Bund, soll er anders lebensfähig bleiben, sich auch als entwickelungsfähig bewähren müße? Kann man sich aus der Schwierigkeit, ja Gefährlichkeit der Reformfrage ein Argument gegen deren Unvermeidlichkeit schaffen? Wahr ist, daß die Forderung einer Volksvertretung am Bunde ursprünglich aus der deutschen Bewegungspartei, ja aus den Reihen der offenen Feinde der deut­ schen Souveränetäten hervorgegangen ist. Aber heute liegen die Dinge ­anders. Heute sind Oesterreich und Preußen constitutionelle Staaten. Preußen verhehlt heute nicht, daß es sich durch den Unitarismus so viele deutsche Staaten als möglich anzugliedern strebe. Oesterreich und Alle, die den deut­ schen Bund erhalten wollen, sind dieser Tendenz gegenüber mit Nothwendig­ keit auf das Bestreben hingewiesen, dem Föderalismus stärkere Wurzeln in der deutschen Nation zu verschaffen. In diesem Bestreben allein liegt heute das Heil für die deutschen Einzelstaaten. In der großdeutschen Partei, wie in der kleindeutschen, gähren gefährliche Elemente, im Ganzen und Großen aber ist es jetzt das konservative Deutsch­ land, welches die Belebung des Bundesprincips durch Heranziehung der Lan­ desvertretungen wünscht, – die radikale Einheitspartei dagegen ist es[,] die im Bunde mit Preußen diesen Fortschritt zu hindern strebt, die an dem hin­ fälligen status quo nichts geändert sehen will, bis die günstige Stunde zum tödtlichen Angriff geschlagen haben wird. Von den Gegnern aber muß man lernen. Ich läugne allerdings nicht, daß die bundestreuen Regierungen durch organische Reformvorschläge möglicherweise eine Annäherung der preußi­ schen Regierung an den sogenannten Nationalverein herbeiführen, ja den Augen­blick eines neuen Anpralls des gesammten kleindeutschen Heerbanns gegen den Bund beschleunigen können. Aber dann wird wenigstens die Wahl des Zeitpunktes nicht von diesem Lager ausgegangen sein. Die allgemeine Weltlage wird dann vielleicht den Ehrgeiz Preußens nicht eben begünstigen. Auf der eigenen Seite aber werden wir und unsere Freunde den Wünschen der Besonnenen entsprochen haben, der Muth, für die Bundessache einzuste­ hen, wird erhöht worden sein, die großdeutsche Partei wird sich beßer organi­ sirt haben, die Regierungen werden sich nicht inmitten der Bevölkerungen isolirt fühlen, wenn sie utopische Projekte oder selbstsüchtige Übergriffe zu­

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rückweisen. Eine ungleich größere Gefahr muß ich dagegen in einem mögli­ chen Umschwunge der Dinge in Berlin dann erblicken, wenn die Vertheidiger des Bundesprincips den Ereignißen in einer unthätigen Expektative entgegen­ sehen. Nichts verbürgt, daß dann auch die Angreifer ihrerseits sich ruhig ver­ halten werden. Der Sieg der preußischen Negation am Bunde wird im Gegen­ theile ihre Kraft und ihre Hoffnungen steigern. Sobald irgendwie eine Wen­ dung eintritt, durch welche ein populäres Regiment in Berlin auf das jetzige unpopuläre folgt, so wird die Partei des preußisch-deutschen Parlamentsstaa­ tes in ganz Deutschland sich für die gezwungene Zurückhaltung, die ihr jetzt das Ministerium Bismarck auflegt, durch doppelt energische Eröffnung eines neuen Feldzugs schadlos halten. Von Preußen und seinem ganzen Anhang be­ drängt, werden dann die föderativ gesinnten Regierungen jeder festen Stütze entbehren, im eigenen Lager werden sie überall auf Entmuthigung und Unzu­ friedenheit stoßen, überall wird ihnen der Vorwurf entgegenschallen, die gün­ stige Zeit zum Handeln thatenlos versäumt zu haben. Es mag menschlicher Voraussicht nicht gegeben sein, den Grad der Wahrscheinlichkeit eines sol­ chen Verlaufs der Dinge zu bestimmen, – aber jedenfalls ist die bezeichnete Gefahr vorhanden, und ich gestehe, daß ich es leichter beneiden als nachah­ men könnte, wenn man in München nicht an den ganzen Ernst der Lage glaubte. Ich kann daher nur wiederhohlen [sic], daß wir es verhältnißmäßig für sicherer halten, die Reformbestrebungen auf allen jetzt noch offenen We­ gen entschieden weiter zu verfolgen, als sich ruhig in die durch die Abstim­ mung vom 22ten Jänner erlittene Niederlage zu ergeben. Insoweit übrigens hiebei die specielle Frage entsteht, ob der am Bunde ab­ gelehnte Vorschlag einer Delegirtenversammlung ad hoc durch freie Verein­ barung zur Ausführung gebracht werden könne und solle, ob also demnächst die Gesetzesentwürfe über Civil-Proceß und Obligationenrecht einer Ver­ sammlung ständischer Ausschüße aus den freiwillig sich betheiligenden Staa­ ten vorzulegen seien, so scheint mir eine Entscheidung hierüber für den Augen­blick allerdings noch in der Schwebe bleiben zu können, da es zur Vollendung jener Entwürfe noch längerer Zeit bedarf. Nur könnte ich nicht dazu rathen, daß diese Maßregel für aufgegeben erklärt würde. Unter dem Titel der Bundesreform, dies muß ich dem Freiherrn von Schrenk einräumen, hat sie vielleicht nur geringe Aussicht, bei den Stände-Versammlungen Bei­ fall zu finden, aber unter dem Titel einer einfachen Zweckmäßigkeitsmaß­ regel dürfte sie nicht ohne Erfolg den Kammern empfohlen werden können, und ihre Ausführung würde immerhin als eine bedeutungsvolle Thatsache er­ scheinen, namentlich aber gegenüber dem Bestreben Oesterreich aus Deutsch­ land auszuschließen, einen neuen Beweis fester Zusammengehörigkeit und enger Verkittung der Verhältniße zwischen uns und unseren Bundesgenoßen herstellen.

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Nicht ganz einleuchten will es mir endlich, warum Freiherr von Schrenk der Ansicht ist, die Sache der Bundesreform werde jetzt nur noch von zu wenigen Regierungen vertreten, um durch eine ausgiebige Anwendung des Rechtes der freien Vereinbarung gefördert werden zu können. Am Bunde haben die Curiat-Stimmen und die nicht deutschen Stimmen eine Majorität für Preußen zusammengebracht, aber die Regierungen, die mit uns ge­ stimmt haben, bilden den bei weitem größeren und wichtigeren Theil des nicht preußischen Deutschlands, und selbst wenn einzelne derselben, von einer Einigung außerhalb des Bundes Anfangs sich fernhielten, so wäre doch ohne Zweifel jede Stellung, die Oesterreich im Verein mit der Mehr­ zahl der Mittelstaaten einnähme, moralisch und materiell hinlänglich stark, um die vollkommenste Sicherheit gegen Überwältigung zu gewähren. Preu­ ßen hat einst das Bündniß von 1849 allein mit Sachsen und Hannover ge­ schloßen.3 Zwischen Baiern und den übrigen drei Königreichen ist der ­Vertrag von 1850 zu Stande gekommen.4 Jetzt sind zu einer großen öster­ reichisch-mittelstaatlichen Verbindung die Keime gelegt und sie brauchen nur ausgebildet zu werden, um der kleindeutschen Zukunftspolitik einmal für alle Mal zu mächtig zu werden, und um zuletzt auch das widerstrebende Preußen für eine aufrichtige Gemeinschaft mit seinen Bundesgenoßen auf der rechtmäßigen Grundlage der Ver­ träge zurückzugewinnen. Und zum Schluße werde ich die Frage aufwerfen dürfen, ob denn nicht Preußens ­Sache in der schwebenden Zoll- und Handelsfrage im Voraus gewonnen sein würde, wenn nicht die Staaten, die ihre Selbstständigkeit behaupten und ihre Intereßen wahrnehmen wollen, – ob zahlreich oder nicht – sich ­ihres freien Bündnißrechtes als eines festen Rückhalts für ihre Stellung be­ dienen könnten.

3 Rechberg bezieht sich auf das Dreikönigsbündnis zwischen Preußen, Hannover und Sachsen vom 26. Mai 1849, das die Herstellung einer Reichsverfassung im kleindeutschen Rahmen unter preußischer Führung bezweckte und mit dem Preußen seine Unionspolitik einleitete. Vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 885–888; Aschoff, Hannover, das Dreikönigsbündnis und die Erfurter Union; Müller, Vom Dreikönigsbündnis zum Vierkönigs­ bündnis; Druck des Vertrags vom 26. Mai 1849 in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 540–543. 4 In der Münchener Übereinkunft vom 27. Februar 1850 hatten sich Bayern, Sachsen und Württemberg über die Grundlagen einer Revision der Bundesverfassung verständigt. Vorge­ sehen waren die Schaffung einer Bundesregierung, einer Nationalvertretung (bestehend aus ­Delegierten der Einzelparlamente) und eines Bundesgerichts. Hannover trat dem Vertrag nicht formell bei, unterstützte aber die auch als „Vierkönigsbündnis“ bezeichnete Vereinbarung. Vgl. Rumpler, Deutsche Politik, S. 291–304; Aschoff, Hannover, das Dreikönigsbündnis und die Erfurter Union, S. 133; Druck der Übereinkunft in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deut­ schen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 568–570.

Nr. 25

[Frankfurt am Main,] 12. Februar 1863

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Ich ersuche Euer fürstliche Gnaden den gegenwärtigen Erlaß dem könig­ lich baierischen Herrn Minister vorlegen zu wollen und falls Freiherr von Schrenk selben Seiner Majestät dem Könige vor Augen zu bringen wünschen sollte, so würden Sie sich für ermächtigt halten können, ausschließlich zu die­ sem Zwecke Sr Excellenz unsere Depesche in Händen zu laßen. Empfangen dieselben die Versicherung meiner vollkommensten Hochach­ tung. Rechberg.

25. Polizeibericht über die Frankfurter Karnevalsgesellschaft der „Bittern“

NLA Hannover, Dep. 103, Best. VIII, Nr. 93 I. Bericht. Reinschrift mit Korrekturen. Druck: Müller, „Humor ist Demagog“, S. 242–246; Brandt u. a. (Hrsg.), Handbuch zur europäischen Verfas­ sungsgeschichte, T. 3, CD-ROM, Nr. 11.1.2.8.3.

Bericht über eine Karnevalssitzung, in der der Bundestag und die Delegiertenversammlung verspottet werden. In den Reden wird die Hoffnung ausgedrückt, daß der Bundestag, der fünfzig Jahre lang das Volk gequält habe, bald durch eine Revolution aus Frankfurt verjagt wird.

[Frankfurt am Main,] 12. Februar 1863 Die hiesige Carnewalsgesellschaft der „Bittern“1 besteht, wie schon aus frü­ heren Berichten hervorgeht, aus demokratischen Elementen, meist den untern Klassen der Handwerker u. kleinen Bürger angehörend, außerdem aus vielen Juden. In ihren Sitzungen beschäftigen sie sich mit Verspottung der Regierun­ gen, und diese Sitzungen sind eigentlich mehr revolutionäre Clubbs, als Car­ newalssitzungen. So haben sie auch diesmal zum Gegenstande ihrer Carnewals­feier die Verhöhnung des Bundestags gewählt, u. ihre desfalls am 12. d. gehaltene Sitzung überstieg an Cynismus und politische[r] Roheit alle Gränzen.2 Es wurden auch gegen Preußen die rohesten Angriffe geschleudert, und deshalb ist es immerhin bedenklich, diese Menschen, die nichts als die 1 Die Karnevalsgesellschaft „Die Bittern“ wurde 1858 in Frankfurt von liberal und demokra­ tisch gesinnten Bürgern gegründet, unter ihnen war auch der Schriftsteller und Humorist Friedrich Stoltze (1816–1891). Seit 1859 organisierten die „Bittern“ öffentliche Fastnachtsver­ anstaltungen, die ab 1861 einen zunehmend politischen Charakter annahmen, wobei vor allem der unbefriedigende Zustand Deutschlands und die Politik des Deutschen Bundes zum Ziel der Satire wurden. Vgl. dazu Müller, „Humor ist Demagog“, S. 237 ff. 2 Dieser Satz ging ursprünglich weiter, doch wurde der folgende Teil nachträglich ausgestrichen. Eine Rekonstruktion war nicht möglich.

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Polizeibericht

Nr. 25

Republick wollen, und denen jede monarchische Regierungsform ein Gräuel ist, mit diesen politischen Satiren beschäftigt zu sehen. Die Versammlung im Harmoni[e] Saale auf der Bockenheimer Straße3 bestand aus cirka 600 Personen, geleitet wurde sie von den bekannten Demo­ kraten: F. Fabricius 4, Stoltze 5, Cron 6, Nösel 7, Bing 8 etc. die das sogenannte „bittere Ministerium“ bilden. 3 Der Gasthof zur Harmonie in der Großen Bockenheimer Gasse hatte ursprünglich den Namen „König von Preußen“ getragen, war 1848 in „Deutscher Hof“ umbenannt worden und war in der Revolutionszeit Versammlungsort der gemäßigten Demokraten um Robert Blum (1807– 1848) gewesen. Das Haus wurde 1904 abgerissen. Vgl. Proelß, Friedrich Stoltze, S. 155. 4 Johann Franz Fabricius (1822–1884) war ein Frankfurter Kaufmann. Er gehörte zu den Demo­ kraten, war seit 1850 Mitglied des Arbeiterlesevereins und Mitbegründer der Turn- und Schüt­ zenvereine in Frankfurt, Hessen und Nassau und des Deutschen Schützenbundes. 1863 nahm er am Schützenfest im schweizerischen La Chaux-de-Fonds teil, zu dem auch 300 deutsche Arbeiter kamen. Vgl. Beck/Schmidt (Bearb.), Die Polizeikonferenzen deutscher Staaten, S. 214 Anm. 75, S. 599 Anm. 126. 5 Friedrich Stoltze (1816–1891), Schriftsteller, Mundartdichter, Humorist und Journalist, hatte bereits als Jugendlicher am Hambacher Fest teilgenommen und begann kurz danach damit, politische Lieder zu schreiben. Nach einer kaufmännischen Ausbildung in Lyon kehrte er 1840 nach Frankfurt zurück und veröffentlichte 1841 seinen ersten Gedichtband. Während der Re­ volution von 1848 schloß er sich den Demokraten an und beteiligte sich 1849 am Aufstand in der bayerischen Pfalz. In den 1850er Jahren nutzte er den Karneval, um seinen oppositionellen politischen Überzeugungen Ausdruck zu geben. Seit 1852 gab Stoltze die satirische „Frankfur­ ter Krebbel- und warme-Brödercher-Zeitung“ heraus, die eine Auflage bis zu 35 000 Exempla­ ren erreichte, es folgte ab 1860 die satirische Wochenschrift „Frankfurter Latern“. Vgl. Müller, „Humor ist Demagog“; Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 442–445; ADB, Bd. 36, S. 415–419; Proelß, Friedrich Stoltze; Steen, Biographie als erlebte Geschichte; Heckmann, „Un es will mer net in mein Kopp enei“; Breitkreuz, Friedrich Stoltze. 6 Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um den Kaufmann Johann Gerhard Cron, der bereits 1849 Mitglied des Patriotischen Vereins gewesen war. Cron ist im Frankfurter Adreßbuch von 1857 aufgeführt, nicht aber in den Ausgaben von 1862 bis 1864. Die Angaben zu seiner Per­ son stellte mir freundlicherweise Ralf Roth (Frankfurt am Main) zur Verfügung. 7 Louis Georg Nössell war ein Frankfurter Kaufmann mit ausgeprägten republikanischen Gesin­ nungen und gehörte 1862 als Suppleant dem Wahlkolleg der 75er sowie der Gesetzgebenden Versammlung an. Vgl. Adress-Handbuch von Frankfurt am Main 1863, S. 261; die Angaben zu den politischen Mandaten verdanke ich Ralf Roth. 8 Michael Daniel Bing, geboren in Frankfurt 1840, besuchte das Philanthropin und trat danach die kaufmännische Laufbahn an. Er war ein bekannter Humorist, Mitglied des Karnevalsver­ eins der „Bittern“ und des Frankfurter Liederkranzes, wo er häufig als Vortragskünstler auftrat. Bing starb bereits 1874. Vgl. Frankfurter Biographie, Bd. 1, S. 70 f. – Bings Verachtung für den Bundestag geht aus dem von ihm verfaßten Gedicht „Vertheidigung des Namens Michel“ hervor, wo es heißt: „In dem grossen Buch der Zeiten / Gab es viele, viele Michel. / Nur von dreien will ich sprechen, / Die dem Namen Ehre machten, / Und nicht, wie der deutsche Mi­ chel, / Schnarchen auf der Bärenhaut / Bis zum jüngsten Bundestage.“ Gemeint sind die drei „Michel“ Peter (Michaelow) der Große, Don Miguel Cervantes de Saavedra und Michelangelo Buonarotti. Vgl. Bing, Zur Erinnerung für seine Freunde, S. 65 f.

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[Frankfurt am Main,] 12. Februar 1863

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An jenem Abende wurde namentlich eine Sitzung des Bundestags und der Deligirten9 dargestellt. Nach einer einleitenden Rede des Präsidenten Cron über die „Niederträchtigkeit“ des „Narrenbundestags“ wurde derselbe nebst den „Deligirten“ zusammenberufen. Unter der Melodie des „Hecker-Lie­ des“10 traten die Deligirten und Bundestags-Gesandten ein, sie waren eskor­ tirt von der Ranzen Garde, waren in diplomatischer Uniform, reich mit Orden versehen, hatten aber alle Schafs- u. Ochsen Köpfe. Im Eintreten ruft der när­ rische Gesandte Darmstadts: er sei eben unten vom närrischen Gesandten Baierns durchgeprügelt worden, worauf sie sich gemeinschaftlich über den­ selben hergemacht und ihn ebenfalls durchgeprügelt hätten. Hierauf ruft ­Nössel: Zur Feier dieses schönen Moments stimmt das Lied an „Schmeißt ihn hinaus den Juden Itzig etc.“11 Die Deligirten folgten nun den Gesandten bei dem Eintreten in den Saal u. hatten auch Köpfe von Eseln, Schafen, Füchsen  9 Die „Bittern“ bezogen sich hier auf die von Österreich und seinen Verbündeten seit dem Sommer 1862 geforderte Versammlung von Delegierten aus den Landtagen der Einzelstaa­ ten. 10 Auf den Demokraten und Republikaner Friedrich Hecker (1811–1881), einen der Anführer des gescheiterten badischen Aufstandes vom April 1848, wurden in der Folgezeit eine ganze Reihe von politischen Liedern gedichtet. Das am weitesten verbreitete und volkstümlichste Hecker-Lied stammte wahrscheinlich aus der Rheinpfalz und lautete: „Hecker hoch! Dein Nam erschalle / An dem ganzen deutschen Rhein! / Deine Treue, ja dein Auge / Flößt uns all Vertrauen ein. / Hecker, der als deutscher Mann / Für die Freiheit sterben kann. // Wird auch mancher jetzt nicht achten, / Was dein Mund von Freiheit spricht, / Erst wenn sie in Fesseln schmachten, / dann erkennen sie dein Licht. / Hecker, der als deutscher Mann / Für die Frei­ heit sterben kann. // Doch so manche Freunde brachen / Ihren Schwur der Treue feig, / Und zum Staatsmann sich erhoben, / Fühlen sie sich mächtig reich. / Doch durch den gerechten Gott / Trifft sie nur des Volkes Spott. // Bist du gleich in fernem Lande, / Ist doch stets bei und dein Geist. / Brechen müssen bald die Bande, / Wie es uns dein Mund verheißt. / Hecker, großer deutscher Mann, / Komm und stoß bald mit uns an! // Ja, wenn einst dein Atem fliehet / Und dein blaues Auge bricht, / Dann liest man auf deinem Grabe: / Hecker starb und wank­ te nicht. // Hecker sei als großer Mann / Unsre Losung nur fortan!“ – Das Lied wurde nach der Melodie des Schleswig-Holstein-Lieds gesungen („Schleswig-Holstein, meerumschlun­ gen“). Vgl. Steinitz, Deutsche Volkslieder, Bd. 2, S. 173–185, v. a. S. 174–179; Kämper-­ Jensen, Lieder von 1848, S. 234; Meier, Volksliedstudien, S. 214–246. 11 Dieses Lied war im 19. Jahrhundert offenbar ein verbreitetes Spottlied. In Karl Wanders Sprichwörterlexikon von 1873 wird es als ein in Berlin und darüber hinaus verbreiteter „Gassen­hauer“ bezeichnet; Wander (Hrsg.), Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Bd. 3, Sp. 967. Daß das Lied im Frankfurter Karneval gesungen wurde, spricht für die weite Verbreitung in Deutschland. Merkwürdigerweise finden sich aber kaum Belege in der Forschung über das Lied und seinen Ursprung. Über eine antisemitische Versammlung in Berlin 1880 wird be­ richtet, dort sei gesungen worden: „Schmeißt ihn raus den Juden Itzig, denn was er sieht, das nimmt er sich.“ Vgl. http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/416_Ernst%20Henrici_ Reichshallenversammlung_117.pdf. Bei Bastian, Furchtbare Ärzte, S. 39, ist der Fall des Kaufmann Wolf Itzig aus Glogau erwähnt, der im Jahr 1905 eine Namensänderung beantrag­ te, weil die Kinder des Dorfes sich vor seinem Geschäft versammelten und sangen: „Schmeißt in hinaus, den Juden Itzig, denn er ist uns viel zu witzig.“

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u. Affen, sie werden unter der Melodie der bekannten Volkshimne („Gott ­erhalte etc.“)12 auf ihren Platz geleitet u. lassen sich an einem grünen Tisch mit Akten belegt nieder. Nössel wird zum Präsidial-Gesandten gewählt, als Attaché wird ihm ein Esel, als protokollführender Sekretair ein Ochse, und als Militärbedeckung einen Hanswurst zugetheilt. Stoltze begrüßt hierauf die Deligirten u. Bundestagsgesandten mit einer Anrede in Verben, die von Ausfällen gegen die deutschen Fürsten u. Regie­ rungen, namentlich gegen Preußen strotzt, besonders ist sie voll Persönlich­ keiten gegen Herrn v. Bismarck, Graf Eulenburg13 etc., die er „schuftige Junker“ nennt etc. Der Gesandte von Bingen zeigt nun an, daß er eine Bun­ destagsregierungs-Maschine erfunden habe, an welcher alle Esel des Bundes­ tags ziehen könnten, und ihn doch nicht vom Platze brächten. Der Darmstäd­ ter Gesandte erklärte zu Protokol[l], daß seine Regierung so „niederträchtig schlecht“ sei, daß sich jeder Narr ihrer schämen müsse und daß sein schwar­ zer Uniforms-Frack vor Scham schon ganz roth geworden sei. Die lange, mit vielen Ausfällen auf verschiedene Regierungen gespickte Verhandlung, die nun folgte, resultirte sich dahin, daß weder der Bundestag noch die Deligirten etwas taugten. Da aber das Volk auf die Erledigung der brennenden Tagesfrage dringt, ruft der B.-Präsidial-Ges.14 neben der Deligirtenversammlung nun ein Pro­feßorenCollegium ein, das aber auch nichts durchzuführen vermag15. Schließlich 12 Gemeint ist die österreichische Kaiserhymne, die 1797 entstanden war. Der Text stammte von Lorenz Leopold Haschka (1749–1827), vertont wurde die Hymne von Joseph Haydn (1732– 1809). Während des Vormärz und im Zuge der Revolution von 1848 wurde die Kaiserhymne mehrfach parodiert und satirisch verfremdet, um Kritik am österreichischen „Absolutismus“ zu üben, unter anderem von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1864) in seinen „Unpolitischen Liedern“ (1841). Vgl. Grasberger, Die Hymnen Österreichs. 13 Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg (1815–1881) war von 1862 bis 1878 preußischer In­ nenminister. Er leitete Anfang Februar 1863 eine Untersuchung gegen die „Frankfurter La­ tern“ ein. Möglicherweise hatte ihn dazu die folgende „Meldung“ in der „Latern“ vom 24. Ja­ nuar 1863 veranlaßt: „Der Herr Minister Eulenburg, der seine japanesischen Studien sehr fleißig auf Preußen anwendet, wird wohl auch wissen, daß sich in Japan ein entlassener Mini­ ster den Bauch aufzuschlitzen hat.“ Frankfurter Latern Nr. 2 vom 24. Januar 1863, S. 6, Nr. 3 vom 6. Februar 1863, S. 10. – Die Anspielung auf Japan bezieht sich auf Eulenburgs Tätig­ keit als Leiter einer preußischen Delegation nach Ostasien. Während dieser von 1859 bis 1862 dauernden Expedition hatte Eulenburg Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsverträ­ ge mit Japan, China und Siam ausgehandelt. Er war im April 1862 nach Deutschland zurück­ gekehrt und wurde dann am 8. Dezember zum preußischen Innenminister im Bismarckschen „Konfliktsministerium“ berufen. Vgl. ADB, Bd. 55, S. 743–747. 14 Abkürzung für: Bundespräsidialgesandte. 15 Hier wird offenbar auf die Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 angespielt, die als „Professorenparlament“ galt, was schon seit den 1850er Jahren Anlaß zu abfälligen Kom­ mentaren über die langatmigen und fruchtlosen Debatten und die daraus resultierende angeb­ liche politische Ineffizienz der Gelehrten gab.

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wird der B.Tag16 durch eine Revolution des Volkes verjagt, nachdem ein fran­ zösischer Feldjäger im Namen Napoleons erscheint und mit der Intervention und Absendung eines Corps Gensdarmen droht, um die deutschen Verhältnis­ se zu ordnen.17 Das stärkste in der ganzen Scene war die Rede Bings gegen den Bundestag, der denselben, nachdem er seine Jämmerlichkeit dargestellt, endlich durch die deutsche Revolution aus dem Lande jagen läßt. Dieser B.T.18, der 50 Jahre das Volk gequält habe. Er schloß seine Rede mit den Worten: der B.T. wird nur noch solange dauern, als die deutsche Geduld; mit ihr werde auch er zerbrechen, dann werden ewige Ferien eintreten19, und ein Hundstag dem andern Hundestag folgen.20 Nachdem nun schließlich die B.T.Ges.21 nach dem Schluß der Rede Bings, von den anwesenden Narren mit Füßen getreten, geschlagen, u. hinaus geworfen waren, schreit ihnen ­Nössel bei dem Hinauswerfen des letzten Ges.22 unter donnernden Hurras der Anwesenden nach: „Möge der wirkl. B.T. ebenso durchfallen wie heute dieser Narren B.T., möge er ebenso aus Frankfurt hinausgejagt u. hinausgetreten werden!“ Episoden dieses Abends waren die ebenfalls von Angriffen gegen die deutschen Fürsten strotzende Rede eines bekannten Demokraten Namens Kammberger23 (Mainz) und der Vortrag eines sonst harmlosen Liedes eines 16 Abkürzung für: Bundestag. 17 Gemeint ist Kaiser Napoleon III. (1808–1873), der seit dem österreichisch-italienischen Krieg von 1859 im Verdacht stand, sich bei einer günstigen Gelegenheit in die deutschen Verhältnisse einmischen und eventuell sogar Gebietsgewinne erzielen zu wollen. Im Hinter­ grund steht die Erinnerung an Napoleon I. (1769–1821), der zu Beginn des Jahrhunderts den Untergang des alten deutschen Reiches besiegelt und eine den französischen Interessen dien­ liche Neuordnung in Deutschland herbeigeführt hatte. In Anlehnung an die „Rheinliedbewe­ gung“ der 1840er Jahre hieß es 1859 in einem Mainzer Karnevalslied: „Du welscher und krakehler Hahn, bleib fern vom deutschen Rhein“. Zitiert nach Keim, 11mal politischer Kar­ neval, S. 87; zur Kritik an Napoleon siehe ebd. S. 90 f. 18 Abkürzung für: Bundestag. 19 Anspielung auf die Ferien der Bundesversammlung, die ihre Sitzungen im Sommer gewöhn­ lich für drei Monate unterbrach. 20 Hier wird auf die sogenannten „Hundstage“, d. h. die hochsommerliche Hitzeperiode vom 24. Juli bis 23. August angespielt, in der die Sonne in der Nähe des Sirius (Hundsstern) steht. Der Reim Bund/Hund war bereits von Heinrich Heine in satirischer Absicht benutzt worden: „Oh Bund! Du Hund! Du bist nicht gesund!“ Zitiert nach einem Brief Bismarcks an seine Schwester vom 22. Dezember 1853, in Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 14/1, S. 336. Siehe auch den Brief Heines an Julius Campe, Paris, 4. Februar 1836, wo es über den Bun­ destag heißt: „Jeder behandelt ihn wie einen Hund […]“ Heine, Säkularausgabe, Bd. 21, S. 138. 21 Abkürzung für: Bundestagsgesandten. 22 Abkürzung für: Gesandten. 23 Die Identität ist nicht eindeutig zu ermitteln. Im Mainzer Adreßbuch von 1860 sind acht männliche Personen mit dem Namen Kamberger aufgeführt; Adreßbuch der Provinzialhaupt­ stadt Mainz 1860, S. 66.

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Reformentwurf von Graf Taube

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Binger unter dem Titel: Des Deutschen Hilfs Verein. Der Zug der Bittern am Fastnacht-Sonntag bot nichts Bemerkenswerthes dar, als daß die auffahren­ den Gesandten ebenfalls Schafs- u. Ochsen Köpfe, wie in der Sitzung hatten, im Schützenhof in Bornheim selbst, wohin sich der Zug begab, strotzte es jedoch von revolutionären Reden mit Hochs auf die Deutsche Narren Repu­ blik.   Reformentwurf von Graf Taube 

26. Reformentwurf des württembergischen Staatsrats Graf Taube1

HStA Stuttgart, E 70 b, Büschel 363. Reformentwurf. Reinschrift. Weitere Reinschrift und eigen­ händiger Entwurf Taubes im HStA Stuttgart, E 50/01, Büschel 870. Der Entwurf wurde von Au­ ßenminister Hügel dem österreichischen Gesandten in Stuttgart vertraulich „als (von der Regie­ rung noch nicht geprüfte) Privatarbeit“ mitgeteilt (ebd.). – Schon Ende Februar 1863 wurde in der Süddeutschen Zeitung berichtet, daß man im württembergischen Außenministerium mit „ei­ ner Art Verfassungsentwurfs für Deutschland“ beschäftigt sei, was aber dementiert wurde mit dem Hinweis darauf, „daß Württemberg in der deutschen Reformsache sich eng an Oesterreich anschließt; dieß zeigte sich noch so eben in der Delegirtensache; und bereitet Oesterreich von dieser Grundlage aus nach Maßgabe der identischen Note weitere Schritte vor, was kaum zu be­ zweifeln seyn dürfte, so wird Württemberg ihm hiebei wohl wieder treu zur Seite stehen.“ Vgl. dazu Correspondenzartikel aus Wien, 1. März 1863, S. 1008; Ow an Hügel, Wien, 9. März 1863, HStA Stuttgart, E 50/01, Büschel 870. Siehe auch Dok. 29. – Etwa zur gleichen Zeit begannen in Wien die Beratungen über einen großen Bundesreformplan. Von Freiherr Ernst Friedrich von Dörnberg (1801–1878), dem Chef der Thurn & Taxis’schen Gesamtverwaltung, wurden der österreichischen Regierung am 23. Februar 1863 zwei Denkschriften mit Erläuterungen vorge­ legt. Weitere Ausarbeitungen Dörnbergs folgten am 26. März und im Juni/Juli (siehe dazu Friedjung, Der Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 1, S. 55 f.; Druck in: Srbik [Hrsg.], Quellen zur deut­ schen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 66–100, 134–146, 225–229, 240 f.). Im österreichischen Außenministerium beschäftigte sich ab März Ministerialrat Ludwig von Biegeleben (1812–1872) mit der Ausarbeitung eines umfassenden Reformprojekts. Eine erste Denkschrift mit dem Titel „Grundzüge einer Reformakte des Deutschen Bundes“ wurde am 12. März vorgelegt. Dazu gab es eine weitere Vorlage Biegelebens mit Änderungsvorschlägen, datiert auf den 30. April. Weite­ re Denkschriften und ergänzende Vorlagen zur Bundesreform von Biegeleben folgten Ende Juni/ Anfang Juli (Druck in: Srbik [Hrsg.], Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 115– 124, 160–167, 215–219, 222–225). Aus den intensiven Erörterungen ging der im August in Frankfurt vorgelegte Entwurf einer Reformakte des Deutschen Bundes hervor (Dok. 48). In die Planungen und Vorbereitungen wurden die süddeutschen Mittelstaaten nicht einbezogen. Auch der Reformentwurf Taubes scheint keine große Rolle bei den Planungen in Wien gespielt zu ­haben.

Entwurf einer neuen Bundesakte in 17 Artikeln. Der Deutsche Bund ist ein unauflöslicher Verein der souveränen deutschen Staaten (Art. I) und als solcher auch eine euro1 Karl Friedrich Gustav Adolf Graf von Taube (1810–1889), seit 1853 Vortragender Rat im De­ partement der auswärtigen Angelegenheiten des Königreichs Württemberg, ab 1859 Geheimer Legationsrat, 1870/71 Außenminister. Vgl. Dvorak, Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Bd. 1, T. 6, S. 11 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 420.

Nr. 26

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Stuttgart, im Februar 1863

päische Großmacht (Art. II); sein Zweck ist die Bewahrung der Unabhängigkeit nach außen, die Erhaltung der Ruhe und Ordnung im Innern, die Wahrung der Selbständigkeit der einzelnen Bundesstaaten und der Schutz der Rechte und Interessen der deutschen Nation (Art. III); Art. IV definiert die Bundeskompetenzen, die erheblich ausgedehnt werden, vor allem im Hinblick auf die legislativen und juristischen Befugnisse des Bundes; die Bundesorgane sind die Bundesversammlung, die ständische Vertretung am Bund und das Bundesgericht (Art. V); es soll eine Vollziehungsbehörde aus zehn Mitgliedern mit 16 oder 17 Stimmen eingerichtet werden (Art. VI und VII); in der Plenarversammlung sind alle Staaten vertreten, die Zahl der Stimmen soll 79 oder 89 betragen (Art. IX); die ständische Vertretung wird aus den Abgeordneten der einzelstaatlichen Parlamente gebildet und soll 200 oder 300 Abgeordnete umfassen (Art. XIII); die ständische Vertretung hat beschließende Befugnis bei der Bewilligung des Bundesbudgets und bei der Erlassung von Bundesgesetzen; es wird ein Bundesgericht aus zwölf ordentlichen und zwölf außerordentlichen Richtern gebildet (Art. XV).

Stuttgart, im Februar 1863 Grundzüge zu einer Bundes-Reform. I. Der Deutsche Bund ist ein Verein der deutschen souverainen Staaten. Er ist unauflöslich; keinem Mitgliede ist einseitiger Austritt gestattet. Neue Mitglieder können aufgenommen werden. Die Frage von dem Eintritt nichtdeutscher Länder einzelner Bundesglieder bleibt vorerst offen. II. Der Deutsche Bund in seiner Gesammtheit ist eine Europäische Großmacht mit allen einer solchen zukommenden Rechten und Pflichten. III. Zweck des Deutschen Bundes ist die Bewahrung der Unabhängigkeit nach Aussen; die Erhaltung der Ruhe und Ordnung im Innern; die Wahrung der Selbstständigkeit der einzelnen Bundesstaaten; der Schutz der Rechte und In­ teressen der deutschen Nation überhaupt wie sämmtlicher Angehöriger der Bundesstaaten. Der Deutsche Bund gewährleistet allen Bundesstaaten die Erhaltung ihres Gebiets, ihre Souverainetät inner den Schranken der Bundesverfassung; er gewährleistet den sämmtlichen Angehörigen der Bundesstaaten ihre, ihnen durch die Bundesverfassung oder durch die Verfassung ihres Heimathstaates zugesicherten Rechte.

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Reformentwurf von Graf Taube

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IV. Zu Erfüllung dieses Zweckes steht dem Bunde zu: A) auf dem Gebiete des Bundesrechts und der gemeinsamen Bundesangelegenheiten: 1. die oberste Gesetzgebung: Aufhebung, Abänderung, authentische Inter­ pretation bestehender Gesetze; Erlassung neuer Bundesgesetze; 2. Entscheidung von Streitigkeiten einzelner Bundesglieder unter einander und mit der Gesammtheit des Bundes sowie von Streitigkeiten einzelner Per­ sonen oder Corporationen mit dem Bunde; 3. Einführung neuer organischer Einrichtungen, Aufhebung und Abände­ rung bestehender Einrichtungen dieser Art (soweit solches nicht unter Ziffer 1 fällt); 4. die Vertretung der Gesammtheit als Europäische Macht nach Aussen, daher insbesondere2 a) actives und passives Gesandtschaftsrecht; b) Recht, mit Auswärtigen Namens des Bundes Verträge abzuschließen; c) Vermittlung von Streitigkeiten der Gesammtheit oder einzelner Glieder mit auswärtigen Mächten; 5. Beschlußnahme über Krieg und Frieden; 6. Organisation, oberste Leitung, Beaufsichtigung und Ausbildung aller Vertheidigungsanstalten; 7. Aufrechthaltung und Vollziehung der Bundesgesetze sowie aller in Be­ ziehung auf Ziff. 1–6 gefaßten Bundesbeschlüsse und der bundesgerichtli­ chen Entscheidungen. B) Auf dem Gebiete des inneren Staatsrechts (der einzelnen Bundesstaaten): 1. Gesetzgebung in Angelegenheiten, welche, an und für sich der Partiku­ largesetzgebung der Einzelstaaten angehörig, wegen des Bundeszweckes oder wegen ihres gemeinsamen Interesses für die Gesammtheit, der Gesetzgebung der Bundesgewalt zugeschieden werden. Solche sind:3 2 Marginalie: NB ad 4. zu vergl. die Bundesbeschlüsse vom 12. Juni 1817. – Der umfangreiche Bundesbeschluß vom 12. Juni 1817 regelte die Kompetenzen des Deutschen Bundes in den inneren und äußeren Verhältnissen Deutschlands. Siehe ProtDBV (Q) 1817, § 223, S. 174– 187, hier S. 180 f.; ProtDBV 1817, § 223, S. 448–453 und 457; ediert in: QGDB I/2, Dok. 121, S. 564–572, darin § 6 über die „Competenz-Bestimmung der Bundesversammlung in den äus­ seren Verhältnissen des deutschen Bundes“, S. 570 f. Demnach war Deutschland seit dem Ab­ schluss der Bundesakte „wieder in seiner Gesammtheit“ eine Macht, welche in ihren „äusseren verfassungsmäsigen [sic] Verhältnissen dieselben activen und passiven Beziehungen“ hatte, „wie jede andere freie und unabhängige Macht“. Die Bundesversammlung nahm die von einer Kommission vorgelegten Anträge zu den Bundeskompetenzen „einstweilen als Provisorium bis zur definitiven Festsetzung derselben […] als verbindlich“ an (ebd., S. 572). 3 Marginale: NB. Was hier nicht speciell genannt ist, verbleibt der Partikulargesetzgebung der Einzelstaaten.

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a) das Vereinswesen; b) die Preßverhältnisse; c) Schutz des literarischen, künstlerischen (und industriellen) Eigenthums gegen unbefugte Nachbildung; d) Heimathrecht; e) Auswanderung; f) Münz-, Maaß- und Gewichtswesen; g) Patentwesen; h) gegenseitige Vollstreckung gerichtlicher Erkenntnisse; i) gegenseitige Auslieferung von Verbrechern; k) gegenseitige Unterstützung hilfsbedürftiger Staatsangehöriger in frem­ dem Staatsgebiet;4 2. Vermittlung von Vereinbarungen der Bundesstaaten über gemeinnützi­ ge, nicht in das Gebiet der Bundesgesetzgebung (oben B.1) fallende Anord­ nungen, insbesondere Förderung gleichmässiger Gesetze in den der Partiku­ largesetzgebung vorbehaltenen Angelegenheiten; 3. Garantie und Schutz der Partikular-Staatsverfassungen; 4. Wahrung völkerrechtlich gewährleisteter Gerechtsame einzelner Corpo­ rationen oder Privatpersonen im Bundesgebiet; 5. Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten in den einzelnen Bundes­ staaten; 6. Entscheidung von Beschwerden gegen einzelne Bundesstaaten bei man­ gelnder Rechtshilfe im betreffenden Staate; 7. Vollziehung der Bundesbeschlüsse und bundesgerichtlichen Entschei­ dungen in den Fällen der Ziffern 1–6. V. Diese Attributionen (Ziff. IV) übt der Bund durch seine Centralorgane aus. Diese sind: A) die Bundesversammlung, B) die ständische Vertretung am Bunde, C) das Bundesgericht. Die Bundesversammlung besteht 1. aus dem Vollziehungsrathe, 2. aus dem Plenum.

VI.

4 Marginalie: NB. Handels- und Gewerbe-Angelegenheiten, Verkehrsanstalten[,] Religions-Sa­ chen sind absichtlich hier vorerst nicht aufgenommen worden.

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Reformentwurf von Graf Taube

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VII. In dem Vollziehungsrathe sind die deutschen Bundesregierungen nach Maß­ gabe ihrer Machtverhältnisse und der denselben entsprechenden militärischen Leistungen für die Zwecke der Gesammtheit, theils durch Viril- theils durch Curiatstimmen vertreten. Es führen: Oesterreich 4 Stimmen I.–III. Armeecorps IV.–VI. " Preußen 4 " VII. " Bayern 1 oder 2 " Württemberg 1 " VIII. " Baden Y      Großh. Hessen > 1 " K. Sachsen 1 " IX. " Kurhessen ª Nassau ¬ 1 "           Luxemburg    º Hannover 1 " Holstein ª beide Mecklenburg ∆ X. " Braunschweig ¬ 1 " ∆ Oldenburg           die 3 Hansestädte   º die Staaten der Reserve Infanterie-Division 1 "     zusammen 16 od. 17 Stimmen

º ª ¬ º ∆

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º ∆

¬ ∆ ∆

ª ∆

(Die Zuweisung einer vierten Stimme an Oesterreich und Preußen beruht auf der Erwägung, daß beide Großstaaten bei einem Bundeskriege nicht nur ihre 3 Bundesarmeecorps, sondern eine viel größere Truppenzahl stellen werden. Hiernach würde dann die Vollziehungsbehörde des Bundes aus 10 Votanten mit 16–17 Stimmen bestehen, während der dermalige engere Rath aus 17 Vo­ tanten mit je Einer Stimme besteht, was unstreitig eine mangelhafte, mit den realen Machtverhältnissen nicht im Einklang stehende Vertheilung des Stim­ mengewichts ist. Diesem Mangel dürfte durch den gegenwärtigen Vorschlag wesentlich abgeholfen seyn. Eine weitergehende Verminderung der Stimmen­ zahl in dem Vollziehungsrathe – welche allerdings an und für sich wün­ schenswerth seyn möchte – würde nur durch eine Beschränkung einerseits der Stimmen der Großstaaten, andererseits der Stimmen der Mittelstaaten zu erreichen seyn, – eine Beschränkung, welche namentlich bezüglich der König­reiche nur dann thunlich wäre, wenn man die Vollziehungsbehörde als Directorium von höchstens 3 Stimmen gestalten wollte; dem föderativen

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Principe eines Staatenbundes dürfte jedoch eine solche Trias weniger entspre­ chen, als das vorgeschlagene Collegium.) VIII. Der Vollziehungsbehörde liegt die oberste Leitung sämmtlicher Bundesange­ legenheiten und der zu Erfüllung der Bundeszwecke vorhandenen Anstalten ob. Insbesondere steht ihr zu: die Vertretung des Bundes als europäische Großmacht nach Aussen; Leitung, Beaufsichtigung und Erhaltung sämmtlicher Vertheidigungsan­ stalten des Bundes; Anordnung von Vertheidigungsmaßregeln bei drohender Gefahr; Antrag an das Plenum über Kriegserklärung und Friedensschluß; Zusammensetzung des aufzustellenden Kriegsheeres und Bestellung des Oberbefehlshabers; Erhebung und Verrechnung aller Umlagen für die Vertheidigungsanstalten; Handhabung und Aufrechthaltung aller Bundesgesetze, namentlich Erhal­ tung des Friedens unter den Bundesgliedern und erste Vermittlung von Strei­ tigkeiten; Vollziehung sämmtlicher Bundesbeschlüsse und bundesgerichtlichen Ent­ scheidungen; Maßregeln zur Erhaltung der inneren Ruhe und Sicherheit in Fällen drin­ gender Gefahr; Berufung, Vertagung und Auflösung der ständischen Vertretung am Bunde sowie Bestellung von Bundescommissären zu den Verhandlungen dieser Ver­ tretung; Vorbereitung aller für das Plenum sich eignenden Gegenstände; Garantie und Schutz der Einzelverfassungen und der völkerrechtlich ver­ bürgten Gerechtsame Einzelner, soweit die Thätigkeit des Bundes nicht ein­ tritt. IX. In der Plenar-Versammlung/Behörde sind sämmtliche Bundesregierungen durch eigene Stimmen vertreten. Es führen in dieser Versammlung 10 oder 15 Stimmen Oesterreich Preußen 10 " 15 " Bayern 5 " 4 " Sachsen Hannover 4 " Württemberg 4 "

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Baden 3 " Kurhessen 3 " 3 " Grh. Hessen Holstein 3 " Luxemburg 3 " Braunschweig 2 " Mecklenburg-Schwerin 2 " Nassau 2 " Sachsen -Weimar 1 "   " -Meiningen 1 "   " -Altenburg 1 "   " -Coburg-Gotha 1 " Mecklenburg-Strelitz 1 " Oldenburg 1 " Anhalt -Dessau-Cöthen 1 "   " -Bernburg 1 " Schwarzburg -Sondershausen 1 "    " -Rudolstadt 1 " 1 " Liechtenstein Waldeck 1 " 1 " Reuß ältere Linie Reuß jüngere Linie 1 " 1 " Schaumburg-Lippe Lippe 1 " Hessen-Homburg 1 " Lübeck 1 " Frankfurt 1 " Bremen 1 " Hamburg 1 " zusammen 79 oder 89 Stimmen. X. Die Plenarversammlung übt die berathende, beschließende und – unter Mit­ wirkung der ständischen Vertretung am Bunde – die gesetzgebende Gewalt des Bundes aus. Insbesondere steht ihr zu: Beschlußnahme über Krieg und Frieden; Beschlußnahme über die Herstellung, Organisation und Ausbildung der Vertheidigungsanstalten des Bundes sowie Beschlußnahme über die dießfalls erforderlichen Geldmittel;

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Einführung organischer Einrichtungen und Abänderung oder Aufhebung bestehender Einrichtungen dieser Art, sowie Beschlußnahme über die hier­ durch erforderlichen Geldmittel; die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Bundesrechts und der gemeinsa­ men Angelegenheiten (oben IV.A.1 und B.1); die Vermittlung gemeinnütziger Anordnungen und gleichmäßiger Gesetz­ gebung auf dem Gebiete des inneren Staatsrechts (IV.B.2); Aufnahme neuer Mitglieder in den Bund; Beschlußnahme über Aenderung in den Rechten und Pflichten einzelner Glieder gegen die Gesammtheit (durch Aenderung der Souverainetätsverhält­ nisse, des Besitzstands, Aenderung in der Stimmführung durch Vererbung der Länder erloschener Dynastien u.s.w.). XI. Der Vollziehungsrath und das Plenum haben ihren permanenten (bleibenden) Sitz in Frankfurt a/M. Die Frage von dem Vorsitz im Vollziehungsrath und in der Plenarversamm­ lung, bei welcher Oesterreich zunächst betheiligt ist, bleibt hier offen und der Berathung vorbehalten. Zur Sicherung der dem Vollziehungsrathe zukommenden Obliegenheiten ist stets eine bestimmte Abtheilung des Bundesheeres zur Verfügung dieser Bundesbehörde zu stellen, deren Befehlshaber diese ernennt, welcher unter ihrem ausschließlichen Befehle steht. XII. In dem Vollziehungsrathe werden alle Beschlüsse mit absoluter Stimmen­ mehrheit gefaßt. Im Fall der Stimmengleichheit entscheidet das Präsidium. Die Beschlüsse der Plenarversammlung werden in der Regel mit absoluter Stimmenmehrheit gefaßt; ausnahmsweise ist Stimmen-Einhelligkeit erforder­ lich, wenn es sich handelt um Aufnahme neuer Mitglieder in den Bund; um Abänderung oder Annahme von Grundgesetzen; um Einführung oder Abänderung organischer Einrichtungen.5 Auch kann, wenn es sich um jura singulorum oder um eine nicht schon in den Bundesgesetzen begründete Mehrleistung einzelner Glieder handelt, der Beschluß nur mit Zustimmung der Betheiligten gefaßt werden.

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5 Marginalie: NB. Nach dem Principe, die Stimmen-Einhelligkeit thunlichst zu beschränken, sollten die eingeklammerten Gegenstände eigentlich auch unter die Regel der Stimmenmehr­ heitsbeschlüsse fallen. (Württemberg hatte schon auf den Wiener Conferenzen von 1820 für die organischen Einrichtungen Beschlußnahme durch Stimmenmehrheit verlangt.)

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XIII. Die ständische Vertretung am Bunde ist aus Abgeordneten der Ständever­ sammlungen sämmtlicher Bundesstaaten nach Maßgabe der Bevölkerungs­ verhältnisse der letzteren zusammengesetzt. Von jedem Bundesstaate muß mindestens Ein Abgeordneter in der ständi­ schen Vertretung am Bunde sitzen. 1. Es entsenden: Oesterreich 50 od. 80 Mitgl. 50 " 80 " Preußen Bayern 18 " 20 " 10 " 15 " Sachsen Hannover 10 " 15 " 10 " 15 " Württemberg 8 " 12 " Baden Kurhessen 6 " 8 " 6 " 8 " Grh. Hessen Holstein 3 " 5 " 3 " 4 " Luxemburg Braunschweig 2 " 3 " 3 " 4 " Mecklenburg -Schwerin " -Strelitz 2 " Nassau 3 " Sachsen -Weimar 2 "    " -Meiningen 2 "    " -Altenburg 2 " 2 " Sachsen-Coburg-Gotha Oldenburg 3 " 1 " Anhalt-Dessau-Cöthen " -Bernburg 1 " Schwarzburg-Sondershausen 1 " " -Rudolstadt 1 " 1 " Liechtenstein Waldeck 1 " 1 " Reuß ält. L. " jüng. L. 1 " 1 " Schaumburg-Lippe Lippe 1 " 1 " Hessen-Homburg Lübeck 1 " 1 " Frankfurt

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1 " Bremen Hamburg 1 " zusammen 200 oder 300 Abg. 2. In denjenigen Staaten, welche auch außerdeutsche Länder besitzen, sol­ len die Abgeordneten aus der Zahl der in den Bundesländern gewählten Stän­ demitglieder genommen werden. 3. Die Mitglieder der ständischen Vertretung am Bunde werden von den Landesvertretungen der einzelnen Bundesstaaten aus ihrer Mitte gewählt. Wo die Landesvertretung aus zwei Kammern besteht, werden die Abgeord­ neten aus beiden Kammern gewählt. Die näheren Bestimmungen über die Modalitäten der Wahl bleiben den Einzelstaaten überlassen. 4. Die Wahl der Abgeordneten zur ständischen Vertretung am Bunde er­ folgt in der Regel gleich nach dem ersten Zusammentritt einer Stände­ versammlung und es bleibt die Wahl für die verfassungsmäßige Dauer der Wirksamkeit der Ständeversammlung (oder bis zu der Neuwahl durch die nächstfolgende Ständeversammlung) in Kraft. 5. Die Ständ. V. a. B.6 verhandelt und beschließt in Einer ungetheilten Ver­ sammlung.7 6. Die St. V. a. B. wählt ihre Vorsitzenden selbst. Sie wird ihre Geschäftsordnung feststellen. 7. Die St. V. a. B. faßt ihre Beschlüsse in der Regel mit absoluter Stimmen­ mehrheit. Zu Fassung eines giltigen Beschlusses ist die Anwesenheit von wenigstens 2/3teln der gewählten Abgeordneten erforderlich. Eine Stimmen-Uebertragung findet nicht statt. 8. Die St. V. a. B. tritt zusammen, sobald sie von der Bundesversammlung einberufen wird. Die Einberufung wird jedesmal erfolgen, sobald ein für die Berathung und beziehungsweise Beschlußnahme der St. V. a. B. geeigneter Gegenstand am Bunde ausgearbeitet und von der Bundesversammlung genehmigt vorliegt. 6 Abkürzung für: Ständische Vertretung am Bunde. 7 Marginalie: NB. ad 5: Sollte die Abtheilung der Vertretung am Bunde in zwei Häuser beliebt werden (was vielleicht mehrseitig verlangt werden wird), so würde das Oberhaus aus den von den ersten Kammern der Ständeversammlungen der Einzelstaaten gewählten Abgeordne­ ten zusammenzusetzen seyn. Im Uebrigen würden die hier für die ständische Vertretung am Bunde vorgeschlagenen Bestimmungen auch für eine aus zwei Häusern bestehende Vertre­ tung anwendbar seyn.

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9. Die St. V. a. B. hat keine anderen Angelegenheiten zum Gegenstand ih­ rer Berathungen zu machen, als welche ihr von der Bundesversammlung vor­ gelegt werden. 10. Der Bundesversammlung steht das Recht zu, die St. V. a. B. zu verta­ gen oder auch aufzulösen. Sie kann auch besondere Commissäre mit der Eröffnung, Vertagung und Auflösung der St. V. a. B. beauftragen. Ebenso ist die Bundesversammlung berechtigt, besondere Commissäre in die St. V. a. B. zu entsenden, welche die an Letztere gebrachten Vorlagen der Bundesversammlung zu vertreten haben. Im Fall einer Auflösung der St. V. a. B. muß längstens innerhalb Eines Jah­ res eine Neuwahl und Wiedereinberufung der Versammlung erfolgen. 11. Die St. V. a. B. ist berufen, am Bund theils beschließende, theils berathende Befugnisse auszuüben. 12. Eine beschließende Befugniß – votum decisivum – d. h. ein entschlie­ ßendes Mitwirkungsrecht übt die St. V. a. B. in nachstehenden Fällen: a) Erlassung neuer Bundesgrundgesetze; b) Aufhebung, Abänderung oder authentische Interpretation bestehender Bundesgrundgesetze; c) Einführung neuer organischer Einrichtungen, Aufhebung und Abände­ rung bestehender Einrichtungen dieser Art; d) Aufnahme neuer Mitglieder in den Bund;8 e) Aenderung in den Rechten und Verpflichtungen einzelner Bundesglie­ der gegen die Gesammtheit;9 f) Aufbringung der für die Bundeszwecke erforderlichen Geldmittel (Ver­ willigung des Bundes-Budgets);10 g) Erlassung von Gesetzen, welche, an und für sich der Partikulargesetzge­ bung anheimfallend, wegen des Bundeszweckes oder gemeinsamer In­ teressen ausnahmsweise der Bundesgesetzgebungsgewalt zugewiesen werden (cf. IV.B.1), nämlich: aa) Vereinswesen, bb) Presse-Angelegenheiten, cc) Schutz literarischen und künstlerischen (auch industriellen) Eigen­ thums gegen unbefugte Nachbildung; dd) Heimathrechtsgesetze; ee) Auswanderung; ff) Münz-, Maaß- u. Gewichtswesen;   8 Marginalie: NB. Eintritt nichtdeutscher Länder einzelner Bundesglieder in den Bund?   9 Am Rand ein Fragezeichen. 10 Marginalie: NB ad f. Nie aber zum Zwecke eines Bundeskrieges.

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gg) Patentwesen; hh) gegenseitige Vollstreckung rechtskräftiger Erkenntnisse; ii) gegenseitige Auslieferung von Verbrechern; kk) gegenseitige Unterstützung hilfsbedürftiger Staatsangehöriger. 13. In allen hier genannten Fällen (Ziff. 12) ist zu Erlassung eines rechts­ giltigen, für die Bundesstaaten verbindlichen Gesetzes oder Beschlusses die Zustimmung der Ständischen Vertretung am Bunde erforderlich. Ist ein solches Gesetz oder ein solcher Beschluß durch die Uebereinstim­ mung zwischen der Bundesversammlung und der St. V. a. B. zu Stande ge­ kommen, so muß dasselbe in allen Bundesstaaten vollzogen werden, ohne daß es noch der Zustimmung der gesetzgebenden Factoren der Einzelstaaten bedarf. 14. Wo es sich von Erlassung neuer oder von Aufhebung oder Abänderung bestehender Bundesgrundgesetze handelt, ist ausnahmsweise zu dem ent­ scheidenden Beschlusse der St. V. a. B. eine Mehrheit von mindestens 3/4teln sämmtlicher anwesenden Stimmen (d. h. nach Ziff. 7 von 3/4 mindestens 2/3 der sämmtlichen gewählten Abgeordneten) erforderlich. 15. Eine berathende Stimme hat die St. V. a. B. in denjenigen Fällen auszu­ üben, wo es sich darum handelt, am Bunde eine Vereinbarung der Bundes­ glieder über solche gemeinnützige Anordnungen und gemeinsame Gesetze herbeizuführen, welche unter den bei Ziff. 12 aufgeführten Fällen nicht be­ griffen sind, daher der Partikulargesetzgebung der Einzelstaaten verbleiben und zu deren Durchführung die Zustimmung ihrer gesetzgebenden Factoren erforderlich ist. 16. In Fällen der obenbezeichneten Art werden die von der Bundesver­ sammlung festgestellten und genehmigten Entwürfe der St. V. a. B. zur Bera­ thung mitgetheilt. Die Vertretung kann die Annahme dieser Entwürfe mit oder ohne Aenderungen, oder deren Ablehnung beschließen. Die Bundesver­ sammlung kann die fraglichen Entwürfe den Einzelregierungen nur insoweit zur Annahme und Durchführung empfehlen, als dieselben von der St. V. a. B. gutgeheißen worden sind. Selbstverständlich bleibt auch dann noch das con­ stitutionelle Mitwirkungsrecht der einzelnen Ständekammern in den nach den Landesgesetzgebungen geeigneten Fällen vorbehalten. XIV. In dringenden Fällen und wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, kann die Bundesversammlung die nöthigen Vorkehrungen auch ohne Mitwirkung der St. V. a. B. treffen; soweit jedoch die Zustimmung der Letzteren grundgesetz­ lich geboten ist, muß dieselbe sobald als möglich (und zwar längstens binnen …) nachgeholt werden.

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XV. Die dem Bunde zustehende Entscheidung von Streitigkeiten auf dem Gebiete des Bundesrechts und des inneren Staatsrechts der Bundesstaaten (cf. oben IV.A.3), sowie über Beschwerden gegen einzelne Bundesstaaten (cf. IV.B.3–6) wird durch das Bundesgericht ausgeübt. 1. Dasselbe hat namentlich zu entscheiden: a) über Streitigkeiten zwischen den einzelnen Bundesgliedern und der Ge­ sammtheit des Bundes; b) Streitigkeiten zwischen einzelnen Bundesgliedern untereinander in al­ len Fällen und namentlich auch in den Fällen, wo es sich um den jüng­ sten Besitz handelt;11 c) Ansprüche einzelner Corporationen oder Privatpersonen gegen die Ge­ sammtheit des Bundes; d) dergleichen Ansprüche gegen einzelne Bundesglieder, sey es gegen den Souverän oder gegen die Regierungen, insbesondere α) wegen mangelnder Rechtshilfe im eigenen Staat; β) wegen Verletzung völkerrechtlich oder bundesrechtlich gewährlei­ steter Rechte; γ) wenn der Anspruch gegen mehrere Bundesregierungen gerichtet und zu entscheiden ist, welche die rechte Beklagte ist; e) Streitigkeiten zwischen den Bundesregierungen und ihren Ständen in Verfassungsangelegenheiten. 2. Das Bundesgericht übt seine Funktionen kraft besonderer Vollmacht des Bundes und in dessen Namen aus. 3. In den Fällen ad 1 a) u. b) hat der Verweisung an das Bundesgericht stets ein Vermittlungsversuch am Bunde vorauszugehen und ist nur im Falle seines Mißlingens der Streit an das Bundesgericht zu bringen, von welchem übri­ gens auch noch ein Vergleichsversuch zu machen ist. 4. In den übrigen Fällen kann das Bundesgericht unmittelbar angerufen werden; es muß aber auch in diesen Fällen zunächst ein Vergleichsversuch von dem Bundesgerichte vorgenommen werden. 5. Mit Genehmigung der Bundesversammlung kann dem Bundesgericht durch die Verfassung oder Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten auch noch in anderen, als den ad 1 bezeichneten Fällen, richterliche oder schieds­ richterliche Gewalt übertragen werden. Insbesondere können Streitigkeiten zwischen Mitgliedern regierender Fa­ milien über Thronfolge, Regentschaft, Regierungsfähigkeit, Vormundschaft, 11 Diese Bestimmung zielte auf die Gebietserweiterungen und -verschiebungen insbesondere der Mittelstaaten im Zuge der territorialen Umbrüche während der napoleonischen Zeit ab, die in einigen Fällen auch nach 1815 noch Anlass zu Auseinandersetzungen gaben.

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Ansprüche an das Hausfideicommiß dem Bundesgerichte zur Vermittlung und Entscheidung zugewiesen werden. 6. Das Bundesgericht kann von der Bundesversammlung zur Abgabe recht­ licher Gutachten aufgefordert werden, wenn es sich um die Erlassung neuer Bundesgesetze, um die Interpretation bestehender Bundes- oder gemeinsamer deutscher Gesetze, ingleichen um die Vereinbarung über neue gemeinsame Gesetze handelt. 7. Das Bundesgericht besteht aus zwölf ordentlichen und zwölf ausserordentlichen Richtern, nebst einem Präsidenten, einem Vicepräsidenten und der erforderlichen Kanzlei. Die ordentlichen Richter werden von den Bundesregierungen aus dem Richterstande ihrer Staaten ernannt. Es ernennen: Oesterreich 2 Richter Preußen 2 " Bayern 1 " K. Sachsen 1 " 1 " Hannover Württemberg 1 " Die übrigen vier Richter werden von den übrigen Stimmen des Voll­ ziehungsraths nach einer unter ihnen zu vereinbarenden Reihenfolge er­ nannt. Die ausserordentlichen Richter werden von den Ständeversammlungen der deutschen Bundesstaaten nach Maßgabe der für die Ernennung der ordentli­ chen Richter geltenden Bestimmungen aus dem Stande deutscher Richter oder geprüfter Rechtsgelehrten (oder unbeschränkte Wahl?) gewählt. Die ordentlichen und ausserordentlichen Richter sind auf Lebenszeit ge­ wählt und beziehen aus der Bundescasse einen angemessenen Gehalt. Den Präsidenten und Vicepräsidenten ernennt die Bundesversammlung aus der Zahl der ordentlichen Richter auf Lebenszeit (oder: alternirend?). 8. Wo es sich um die Entscheidung von Streitigkeiten wegen Verletzung bundesrechtlich gewährter Rechte in den Einzelstaaten, ferner um die Ent­ scheidung von Verfassungsstreitigkeiten und um die Abgabe rechtlicher Gut­ achten des Bundesgerichts handelt, haben die ausserordentlichen Richter mit gleichem Stimmrechte wie die ordentlichen an den Berathungen und Be­ schlüssen des Bundesgerichts Theil zu nehmen; in den übrigen Fällen haben nur die ordentlichen Richter bei den Berathungen und Beschlüssen des Bun­ desgerichts mitzuwirken. 9. Das Bundesgericht hat seinen Sitz am Sitze der Bundesversammlung. Es brauchen aber in der Regel nur der Präsident oder Vicepräsident und vier ­ordentliche Richter am Orte selbst zu wohnen. Diese bilden den ständigen Senat, welcher zu besorgen hat:

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die Leitung des Verfahrens in allen an das Bundesgericht gelangenden Streitfällen bis zur Spruchreife; die Vorbereitung bezüglich der zu erstellenden Gutachten. Sowohl die Entscheidung der dem Bundesgerichte unterliegenden Streitig­ keiten, als die Erstattung der ihm abgeforderten Gutachten muß in der Plenar­ sitzung des Bundesgerichts (d. h. der ordentlichen Richter allein, oder der vereinigten ordentlichen und ausserordentlichen Richter, je nach Beschaffen­ heit der Fälle (cf. Ziff. 8) erfolgen.[)] Der Präsident des Bundesgerichts wird je nach Erforderniß die abwesenden Mitglieder einberufen. 10. Das Bundesgericht faßt alle seine Beschlüsse mit absoluter StimmenMehrheit. Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsit­ zenden. 11. Zu Fassung eines giltigen Beschlüsses müssen, wo es sich um Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten handelt, minde­ stens 3/4 sämmtlicher ordentlichen und ausserordentlichen Richter; bei allen anderen Streitfällen mindestens 2/3 der ordentlichen beziehungs­ weise ausserordentlichen Richter; wo es sich um die Estattung von Gutachten handelt, mindestens 2/3 der ordentlichen und ausserordentlichen Richter anwesend seyn. 12. Gegen die Entscheidungen des Bundesgerichts ist nur das Rechtsmittel der Restitution wegen neuaufgefundenen Thatsachen zulässig. Das Bundes­ gericht erkennt hierüber in derselben Zusammensetzung, welche für die erste Entscheidung erforderlich gewesen ist. 13. Die näheren Bestimmungen für das Verfahren des Bundesgerichts wird die von demselben auszuarbeitende Geschäftsordnung enthalten. XVI. Soweit durch die vorstehenden Bestimmungen die bestehenden Bundes­ gesetze nicht abgeändert werden, bleiben dieselben im Allgemeinen in Kraft. Ganz besonders ist jedenfalls aber die Verpflichtung der Bundesglieder, sich untereinander nicht zu bekriegen, sondern alle ihre Streitigkeiten am Bunde zum Austrag zu bringen, aufrechtzuerhalten, wie auch die Verpflich­ tung zu gegenseitigem Schutze. In Absicht auf den Schutz der ausserdeutschen Besitzungen einzelner Bun­ desglieder wäre den Art. 46 u. 47 der Wiener Schlußacte eine Ergänzung da­ hin zu geben: „daß die Gefahr für den Bund alsdann jedenfalls als vorhanden erkannt werden (mithin die Verpflichtung des Bundes zum Schutze eintreten) müsse,

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wenn ein feindliches Heer den Boden des Staatsgebiets eines Bundesgliedes betritt oder das letztere in seinem Länderbestande bedroht ist.“ XVII. Uebrigens wird, sobald eine Vereinbarung der Bundesregierungen über die Grundzüge der Bundesreform erfolgt seyn wird, eine Revision der Bundes­ grundgesetze vorgenommen und ein neues umfassendes Bundesgrundgesetz entworfen, welches einer hienach zu berufenden ständischen Vertretung am Bunde zur Annahme vorzulegen wäre.12 (gez.) Graf Taube.

27. Rechberg an Werner1

HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 939. Erlaß. Abschrift. Vermerk: „Durch den k.k. österreichischen Gesandten, Frhr. von Werner br. m. mitge­ theilt am 19. Februar 1863.“ Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 55–58.

Rechberg stimmt Beust zu, daß sich die bundestreuen Regierungen den Vorteil der Initiative in der Reformfrage nicht aus den Händen winden lassen sollen. Rechberg pflichtet Beust ebenfalls bei, daß die Regierungen sich für jeden neuen Schritt in der Reformfrage der Unterstützung ihrer Kammern versichern müssen, da eine Bundesreform ohne bzw. gegen Preußen sonst unmöglich ist. Österreich spricht sich deshalb nicht kategorisch gegen den Vorschlag aus, Vertrauensmänner der Volksvertretungen einzuberufen. Zuvor ist es aber unbedingt nötig, daß sich die Regierungen über die den Vertrauensmännern zu machenden Vorlagen einigen und ein neues, nachhaltiges Reformprojekt vereinbaren. Ohne eine solche vorhergehende Verständigung über einen Reformplan würden die Regierungen faktisch die Initiative an die Vertrauensmänner abtreten. Der Mißerfolg vom 22. Januar beruhte mehr auf der mangelnden Übereinstimmung zwischen den Regierungen als auf der fehlenden Unterstützung durch die öffentliche Meinung.

Wien, 17. Februar 1863 Hochwohlgeborner Freiherr! Mit der Prüfung der im deutschen Bunde durch die Abstimmung vom 22. Jän­ ner2 entstandenen Lage auf das ernstlichste beschäftigt, und unsere ganze Sorge dem Zwecke zuwendend, für unser weiteres Handeln in der Frage der 12 Marginalie: NB. Die Motivirung dieser Grundsätze ist vorbehalten. T. [= Taube].

  1 Joseph Freiherr von Werner (1791–1871), 1859–1868 österreichischer Gesandter in Dresden; ADB, Bd. 42, S. 58–61; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 291.   2 Siehe Dok. 20.

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Bundesreform wieder sicheren Boden zu gewinnen, haben wir nur mit ho­ hem Interesse von der Ew. p. bekannten Darlegung des Frhrn. v. Beust vom 3. d. M.3 Kenntniß nehmen können. Gleich uns huldigt der sächsische H. Minister der Ansicht, daß die bundes­ treuen Regierungen den Vortheil der Initiative, der bisher auf ihrer Seite war, trotz des Fehlschlagens ihrer Schritte in Frankfurt, sich auch künftig nicht sollen aus den Händen winden lassen. Er sucht gleich uns die Mittel auf, die bis jetzt unfruchtbar gebliebenen Reformbestrebungen mit erhöhter Wahr­ scheinlichkeit des Gelingens fortzusetzen. Wie Ew. p. wissen, haben ihn seine Erwägungen zu dem Ergebnisse geführt, daß neue Conferenzen der Regierun­ gen unter Zuziehung von Vertrauensmännern aus den Kammern eröffnet ­werden sollten. Er hat diesen Vorschlag auf Gründe von unverkennbarem ­Gewicht gestützt, die er in seinem Memorandum vom 3. d. M. in ebenso lichtvoller als scharfsinniger Darstellung entwickelt hat. Nach reiflicher Ueberlegung des wichtigen Gegenstandes entsprechen wir durch die nachfolgenden Bemerkungen dem Wunsche des Frhrn. v. Beust, vertraulich von unseren Ansichten über diese Maßregel, die er in Anregung gebracht hat, unterrichtet zu werden. Den Ausgangspunkt der Auseinandersetzung des Dresdener Cabinets bildet die Forderung, daß die bundestreuen Regierungen für jeden neuen Schritt in der Reformfrage sich vor allem der Unterstützung ihrer Kammern zu versi­ chern hätten. Wir können dem Frhrn. v. Beust hierin nur auf das vollständig­ ste beipflichten. In der Angelegenheit der Bundesreform ohne Preußen und gegen Preußens Willen einen praktischen Erfolg oder auch nur eine haltbare Stellung zu gewinnen, ist unter allen Umständen eine schwierige Aufgabe, eine Aufgabe, die aber sofort an die Grenze des Unmöglichen streifen muß, wenn die betheiligten Regierungen nicht einmal darauf zählen können, bei den eigenen Landesvertretungen für ihr von so vielen Klippen bedrohtes Un­ ternehmen Anklang und wirksame Unterstützung zu finden. Da nun eine vorläufige Consultation mit einzelnen einflußreichen Mitglie­ dern der Kammern sich unter Umständen allerdings als das directeste Mittel darstellen kann, die Gewißheit oder doch hohe Wahrscheinlichkeit zu er­ langen, daß ein bestimmter Plan sich des Beifalls der Volksvertretungen zu erfreuen haben werde, so muß es uns fern liegen, uns grundsätzlich und kate­ gorisch gegen den Gedanken einer Berufung von Vertrauensmännern aus­ sprechen zu wollen. Vielmehr räumen wir unbedenklich ein, daß möglicher, wenn auch nicht nothwendiger Weise im Laufe der Verhandlungen eine Conjunktur eintreten 3 Siehe Dok. 23.

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könnte, in welcher die betheiligten Regierungen deutlich auf einen Schritt dieser Art hingewiesen wären, um ihren Weg mit Sicherheit bis zum Ziele verfolgen zu können. Ist aber eine solche Conjunktur schon jetzt vorhanden? Unstreitig wäre die Zuziehung hervorragender Kammermitglieder zu n­ euen Conferenzen eine Maßregel, die keineswegs ohne jede Vorbedingung die nöthigen Bürgschaften des Gelingens in sich selber tragen würde. Im Gegen­ theile würden wir diese Bürgschaften ohne vorhergegangene Erfüllung einer doppelten Voraussetzung nur zu sehr vermissen. Es scheint uns erstens als unbedingt nöthig, daß die Regierungen ehe sie eine Versammlung von Ver­ trauensmännern beriefen, sich über die derselben zu machenden Vorlagen ei­ nigten. Wir halten es zweitens für nicht weniger unentbehrlich, daß zwischen den mitwirkenden Regierungen eine auf festen und ernsten Entschlüssen be­ ruhende, die Solidarität ihrer Stellung nachhaltig sichernde Einigung, nicht etwa nur eine unvollkommen nothdürftige, und halb widerwillige Vereinba­ rung über ein neues Projekt zu Stande komme. Irren wir nicht, so will auch Frhr. v. Beust die Einberufung einer Ver­ sammlung parlamentarischer Notabilitäten nicht gerade bestimmt in dem Sinne empfehlen, als sollte diese Maßregel das Mittel sein, ein Einverständ­ niß der Regierungen über einen neuen Reformplan erst herbeizuführen. We­ nigstens schließt seine Darlegung den Fall der vorgängigen Feststellung ei­ nes gemeinsamen Regierungsprogrammes nicht aus. Nach unserer Meinung aber müßte ohne ein solches Programm ein ungünstiger Ausgang der Be­ rathung fast mit apodiktischer Gewißheit vorhergesehen werden. Die Regie­ rungen würden sich den Vertrauensmännern, wenn sie ihnen nicht eine ­bestimmte Vorlage zur Berathung überwiesen, gewissermaßen im Zustande eingestandener Rathlosigkeit gegenüberstellen. Sie würden faktisch die ­Initiative in der Reformfrage an die Vertrauensmänner abtreten. Das Feld für die verschiedensten und weitgehendsten Anträge wäre eröffnet. Die uner­ quicklichste Lage würde entstehen, wenn sich dann die Ansichten der Regie­ rungen über das, was zugestanden werden könne, theilten. Die fundamentale Frage des Verhältnisses Oesterreichs zur Reform könnte leicht, wenn in der Versammlung die verschiedenen deutschen u. österreichischen Parteirichtun­ gen vertreten wären, die falscheste Behandlung erfahren. Man könnte nicht hoffen, an den Männern der bundesstaatlichen Partei Proseliten für einen im föderativen Geiste gedachen Fortschritt zu gewinnen, man würde nur diese Partei von vorn herein in die Lage versetzen, die planmäßige Opposition ­ihres ganzen Anhangs gegen jeden gesammtdeutschen Reformgedanken vor­ zubereiten. Von welcher Seite man auch die Sache betrachtet, es würde uns als ein zu großes und zu wenig hoffnungsvolles Wagnis erscheinen, wenn die Regierungen ihre Eingebungen ohne sich vorher unter sich geeinigt zu

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haben, erst von der mit den Vertrauensmännern zu pflegenden Berathung er­ warten wollten. Die ungünstigen Erfahrungen, die hinter uns liegen, werden es ferner recht­ fertigen, wenn wir die Forderung aufstellen, daß ein neues Einverständniß der föderativ gesinnten Kabinete über die Reformfrage ein gehörig ausgebildetes u. vollkommen zuverlässiges sein müsse. Frhr. v. Beust erblickt die Hauptursache des Scheiterns des früheren Re­ formvorschlags in der Gleichgültigkeit und Kälte, womit die öffentliche Mei­ nung Deutschlands diesen Vorschlag aufgenommen hat. Es ist wahr, die öf­ fentliche Meinung hat das Delegirtenprojekt mehr mit Resignation ertragen, als durch Gunst u. Anerkennung gefördert. Aber für welche konservative Re­ form ist mehr als ein Erfolg der Achtung zu erwarten? Wir bedauern mit dem sächsischen Minister, daß die wohlgemeinten Bestrebungen der Regierungen nicht wärmeren Anklang in den Bevölkerungen gefunden haben, aber wir glauben doch auch nicht zu irren, wenn wir den Nichterfolg vom 22. Jänner noch mehr dem Mangel an tieferer Uebereinstimmung zwischen den Regie­ rungen als dem Mangel an Unterstützung in der öffentlichen Meinung zu­ schreiben. Der Zustand dieser letzteren war immerhin von der Art, daß er die Ausführung des Delegirtenprojekts zugelassen haben würde. Dieses Projekt hat sogar zum ersten Male den Anlaß zu einem Anfang von Parteibildung zu Gunsten der Reform auf vertragsmäßiger Grundlage gegeben. Umsomehr sind wir geneigt zu glauben, daß die acht antragstellenden Regierungen, wä­ ren sie nur unter sich vollkommen einig geblieben, noch mehrere zweifelnde Stimmen zu sich herangezogen haben würden. Diese Hoffnung mußte freilich verloren gehen, als man an den Orten, wo die Meinungen schwankten, sich von der Unsicherheit u. Lauigkeit der Stimmung überzeugen konnte, die sich im eigenen Lager der Antragsteller vorbereitete. Das so schwach vertheidigte Projekt konnte keine neuen Anhänger mehr gewinnen. Wir folgern daraus, daß für alle künftigen Schritte in der Reformfrage ein festeres Einverständniß zwischen denjenigen Regierungen, welche sich überhaupt daran betheiligen, die erste u. unerläßlichste aller Bedingungen bilde. Ausgehend von dieser Ueberzeugung, vermögen wir es daher für jetzt nur als eine offene Frage zu betrachten, ob die Erfüllung dieser Bedingung vor­ ausgesetzt, das Bedürfniß demnächst sich herausstellen werde, vor weiteren entscheidenden Schritten auch die Stimme einer Anzahl von Vertrauensmän­ nern aus den Kammern zu vernehmen. Die Gründe für und wider einen ­solchen Entschluß dürften sich, wie uns scheint, erst dann vollständig über­ blicken und gegeneinander abwägen lassen, wenn für die vorher zwischen den Regierungen zu treffende Vereinbarung Umfang u. Inhalt gefunden u. die Regierungen sich der Identität ihrer Absichten bewußt wären. Sollen wir uns aber diesem Ziele wieder nähern, so müssen wir es – wir vermögen zu kei­

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nem anderen Ergebnisse zu gelangen – für die zunächst vorliegende Aufgabe halten, in’s Klare darüber zu kommen, ob u. auf welchen Grundlagen eine entschiedene Mitwirkung des Münchener Kabinets zur Wiederaufnahme der Reformbestrebungen in Aussicht genommen werden könne. Indem ich Ew. p. ersuche, den gegenwärtigen Erlaß zum Gegenstande e­ iner streng vertraulichen Mittheilung an den Herrn Minister Frhrn. v. Beust zu machen, setze ich Sie zugleich durch einen anderweiten Erlaß vom heutigen Tage in den Stand, dem Dresdener Cabinete den Beweis zu liefern, daß wir in München unsere Bemühungen in der eben bezeichneten Richtung eifrig fort­ setzen. Es wird uns hoffentlich in Dresden das Zeugniß nicht versagt werden, daß wir dadurch das nach Lage der Umstände Mögliche thun, um die durch das Mißlingen des Delegirtenprojekts in Unordnung gerathenen Reihen der Freunde einer gesetzlichen Entwickelung der Bundesverfassung allmählig wieder fester zu schließen. Empfangen pp. (gez.) Rechberg.

28. Bray-Steinburg an Schrenk

HStA München, MA 494. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 17. März 1863.

Bayern ist nicht bereit, die Delegiertenversammlung ad hoc durch freie Vereinbarung einzelner Regierungen einzuführen, würde sich aber an Beratungen über die Stellung gemeinsamer Anträge für eine Bundesexekutive und eine Volksvertretung beteiligen. Rechberg will sich vor allem mit Bayern über eine Gesamtvertretung als ständige Einrichtung vorab verständigen und stellt entsprechende Anträge in Aussicht. Für die weiteren Verhandlungen regt Rechberg den Zusammentritt von Ministerialreferenten der einzelnen Regierungen an, um die Angelegenheit zu beschleunigen. Rechberg wird von Württemberg und Sachsen zu weiteren Schritten gedrängt. Württemberg hat der Regierung in Wien ein Bundesreformprojekt mitgeteilt, das aber keinen Zuspruch findet. Zwischen Österreich und Baden gibt es Spannungen.

No 13.

Wien, 15. März 1863

Hochwohlgeborner Freiherr, Hochverehrtester Herr Staatsminister, Dem mir im Ministerial Erlasse No 78 vom 11. laufenden Monats ertheilten Auftrage entsprechend, habe ich dem Grafen Rechberg in Beantwortung der durch den Fürsten Schönburg gestellten Frage – die genannte Depesche Euerer Excellenz vorgelesen, wonach die königlich bayerische Regierung sich an dem Versuche, die Delegirten Versammlung ad hoc durch freie Vereinbarung einzel­

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Bray-Steinburg an Schrenk

Nr. 28

ner Bundes-Regierungen in Ausführung zu bringen, – nicht zu betheiligen ver­ möge, dagegen bereit sei, über die Stellung gemeinsamer Anträge bezüglich einer wirksamen Exekutive und der organischen Einführung einer aus den Volksvertretungen der Einzelstaaten hervorgehenden Gesammtvertretung mit Oesterreich und anderen gleichgesinnten Regierungen, Berathungen zu pflegen. Den ersten Punkt betreffend, bemerkte mir Graf Rechberg, daß der öster­ reichische Vorschlag der eventuellen Einführung einer Delegirten Versamm­ lung ad hoc durch freie Vereinbarung keinen anderen Zweck gehabt habe, als: dem preußischen Veto nicht eine absolut hindernde Kraft einzuräumen. Indeßen erkennt man hier in dem Nichtbeitritte Bayerns zu diesem Vorschlage noch kei­ ne wirkliche Meinungs Verschiedenheit zwischen beiden Regierungen, indem von Berufung der Delegirten Versammlung ad hoc erst nach Vollendung der Gesetzentwürfe über Civilprozeß und Obligationen Recht überhaupt die Rede sein könnte, bis wohin die Frage füglich als eine offene hätte gelten können. Erfolgt inzwischen die Einigung der Regierungen über die organische Ein­ führung einer Gesammtvertretung für gemeinsame Gesetzgebung und ge­ meinnützige Anordnungen am Bunde, so fällt der obige Vorschlag ohnehin weg, da es sich dann nicht mehr um eine Maßnahme für einen speziellen Fall, sondern um eine ständige Einrichtung handeln wird. Ueber Letztere wünscht das kaiserliche Ministerium sich vor Allem mit Bay­ ern zu verständigen, und es werden die entsprechenden Anträge, sobald man hier mit sich selbst darüber im Klaren ist, nach München gerichtet werden. Auch bezüglich der Form der weiteren Verhandlungen werden gleichzeiti­ ge Vorschläge von hier ausgehen, und Graf Rechberg nannte mir in dieser Hinsicht – neben dem bloßen Austausch von Depeschen und den Bespre­ chungen mit den hier beglaubigten Gesandten, wie sie im verfloßenen Som­ mer statt gefunden haben1, – auch den Zusammentritt der „Ministerial Refe­ renten“ der einzelnen Staaten als eine das Geschäft vielleicht zu beschleuni­ gen geeignete Form. Graf Rechberg würde die ganze Angelegenheit nicht als eine so dringende behandeln, wenn er nicht von vielen Seiten – am meisten wohl von Württem­ berg und Sachsen – lebhaft gedrängt wäre. Von ersterer Regierung ist hier ein Bundesreformprojekt mitgetheilt wor­ den, welches aber – wegen der den Delegirten am Bunde darin zugewiesenen, zu weit gehenden Befugniße – hier keine Annahme findet.2 1 Bray-Steinburg bezieht sich auf die Besprechungen über eine Bundesreform, die im Juli und August 1862 in Wien zwischen der österreichischen Regierung und den Gesandten der Mittel­ staaten stattgefunden hatten; vgl. QGDB III/3, Dok. 132, 137 und 138. 2 Gemeint ist offenbar der Reformentwurf des württembergischen Staatsrats Graf Taube vom Februar 1863, siehe Dok. 26 und 29.

Nr. 29

Stuttgart, 18. März 1863

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Oesterreichs Aufgabe ist in dieser Frage überhaupt keine leichte; und wenn auf der einen Seite der Wunsch und das Bedürfniß, seine Stellung in Deutsch­ land zu wahren, das kaiserliche Kabinet in die deutsche Reformbewegung hineinzieht, so machen sich alsbald andererseits die zu Recht bestehende Fe­ bruar Verfaßung und das Verhältniß zu den außerdeutschen Kronländern hemmend und hindernd fühlbar. Sowohl Graf Rechberg, als der Ministerial Referent von Biegeleben, spra­ chen mir gegenüber die Ueberzeugung aus, daß es in Oesterreichs eigenem Intereße liege, in dem neu zu gestaltenden Bunde eine hervorragende und einflußreiche Stellung Bayern anzuweisen, als dem einzigen rein deutschen Staate, welcher in sich selbst die nöthige Kraft besitze, um – wo nöthig – auch allein und ohne fremde Stütze seine politische Existenz zu behaupten. Mit dem badischen Gesandten Baron Edelsheim hat Graf Rechberg eine ziemlich lebhafte Unterredung in Folge einer Reklamation gehabt, welche die badische Regierung wegen einer Aeußerung in der veröffentlichten öster­ reichischen Cirkulardepesche vom 28ten vorigen Monats3 erheben zu kön­ nen glaubt. Es war darin von dem preußischen Einfluße in Karlsruhe die Rede gewesen, wogegen Baron Roggenbach sich lebhaft verwahrte. Graf Rechberg verweigerte dem Freiherrn von Edelsheim jede mündliche Antwort auf die – nach seiner Ansicht – unstatthafte Reklamation, erklärte sich aber zur Erthei­ lung einer schriftlichen bereit, zu deren Veranlaßung und Entgegennahme die badische Regierung ihren Vertreter nicht ermächtigt hatte, so daß diese Ange­ legenheit zur Zeit hiemit ihren Abschluß findet, und die zwischen beiden Re­ gierungen bestehende Spannung nur noch einiger Maßen vermehrt. Mit ausgezeichnetester Hochachtung habe ich zu verbleiben die Ehre Euerer Excellenz ganz ergebenster Gf von Bray   Stuttgart, 18. März 1863 

29. Hügel an Ow

HStA Stuttgart, E 70 b, Büschel 361. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 21. März 1863.

Hügel hat den Reformentwurf des Grafen Taube (Dok. 26) nach Wien übermittelt, wo er positive Aufnahme gefunden hat. Taubes Entwurf geht von den Grundsätzen des bestehenden Bundesrechts aus und hält sich innerhalb der Grenzen des Erreichbaren. Der Entwurf enthält aber auch neue Gedanken im Hinblick auf die Kompetenzen der Bundesgewalt bei der Gesetzgebung, die Stimmenverteilung im Vollziehungsrat und im Plenum, die legislatorische Tätigkeit der ständischen Vertretung und die Kompe3 Vgl. dazu Friedjung, Der Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 1, S. 54.

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Hügel an Ow

Nr. 29

tenz und Organisation des Bundesgerichts. Hügel antwortet auf zwei kritische Bemerkungen des Wiener Kabinetts zu den Vorschlägen Taubes (Vorsitz im Bund; Erweiterung des Verteidigungsauftrags des Bundes).

Vertraulich.

Stuttgart, 18. März 1863

Euer Hochwohlgeboren ist bereits bekannt, daß ich mich vor einiger Zeit bewogen gefunden habe, einen von dem Staatsrathe Grafen Taube gefertigten Entwurf von Grund­ zügen zu einer Bundesreform1 dem Kais. österreichischen Gesandten am hie­ sigen Hofe2 mitzutheilen. Diese Mittheilung erfolgte in ganz vertraulicher Weise und unter ausdrücklicher Bezeichnung derselben als eine Privatarbeit, welche von der K. Regierung noch nicht geprüft, vielweniger genehmigt sey. Es hatte diese Mittheilung lediglich den Zweck, einen ersten Meinungsaus­ tausch der befreundeten Regierungen über die so schwierige und zugleich so dringende Frage einer Bundesreform einzuleiten. Es gereicht mir zur lebhaften Befriedigung, Euer Hochwohlgeboren eröff­ nen zu können, daß das Wiener Cabinet das Motiv der gedachten Mittheilung in entgegenkommenster Weise ganz so aufgefaßt hat, wie sie von mir beab­ sichtigt gewesen ist und daß dasselbe überdieß der Arbeit des Grafen Taube eine wohlwollende Würdigung hat zu Theil werden lassen. In einer an den Freiherrn von Handel gerichteten vertraulichen Depesche vom 14. d. M.3 hat das Kais. Cabinet, ohne sich über den fraglichen Ent­ wurf in einer irgendwie bindenden Weise aussprechen zu wollen und unter dem Vorbehalt abweichender Gegenvorschläge der in Rede stehenden Arbeit des diesseitigen Ministerialreferenten im Allgemeinen eine schmeichelhafte Anerkennung gezollt und für deren Mittheilung in verbindlicher Weise dan­ ken lassen. Der mir von dem Kais. Gesandten vertraulich mitgetheilte Inhalt der ge­ dachten Auslassung des Wiener Cabinets gab mir indessen zu einigen Bemer­ kungen gegen den Freiherrn v. Handel Anlaß, welche ich auch Euer Hoch­ wohlgeboren mittheilen will. Wenn der Entwurf des Grafen Taube als eine „sehr umsichtige und sehr gutgedachte Zusammenfassung und practische Ausbildung derjenigen Haupt- und Grundgedanken“ bezeichnet wird, „wel­ che sich durch die seitherigen Verhandlungen gewissermaßen schon so weit 1 Siehe Dok. 26. 2 Maximilian Freiherr von Handel, siehe oben Dok. 4, Anm. 10. 3 Unterstaatssekretär Otto Heinrich Emil Rivalier Freiherr von Meysenbug (1806–1886), in Ver­ tretung Rechbergs an Handel, Wien, 14. März 1863, Abschrift im HStA Stuttgart, E 50/01, Büschel 870, Nr. 405. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 126 f. – Zu Meysenbug siehe WBIS online.

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Stuttgart, 18. März 1863

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eingebürgert haben, daß ihre Durchführung im Einzelnen sich als ein zum Theil schon vorbereitetes Unternehmen darstellt“, so ist allerdings richtig, daß der gedachte Entwurf wesentlich auf solchen Grundgedanken beruht, welche in den seitherigen Reformverhandlungen schon wiederholt zu Tage getreten sind und daß er an Grundgedanken eigentlich wenig Neues bietet. Den Verfasser des Entwurfs hat dieses Urtheil über seine Arbeit besonders gefreut, weil er darin ein Zeugniß dafür finden zu können glaubt, daß er die ihm zugefallene Aufgabe mit richtigem Tacte gelöst habe. Nicht die Auf­ stellung neuer Grundgedanken konnte seine Aufgabe seyn; vielmehr war der Standpunkt, von welchem er bei seiner Arbeit auszugehen, die Grundlage, auf welche er seinen Entwurf aufzubauen hatte, bereits durch die seitherigen Ver­ handlungen zwischen Oesterreich und den übrigen bundestreuen Regierungen ganz bestimmt bezeichnet. Hienach konnte der aus der Feder eines württem­ bergischen Staatsmannes und Staatsdieners fließende Entwurf einer Bundes­ reform nur von der Grundlage der bestehenden Bundesverfassung ausgehen und er konnte überdieß auch – wenn er anders sich innerhalb der Gränzen des Erreichbaren halten wollte – seine Directiven in der Hauptsache nur denjeni­ gen Anschauungen entnehmen, welche in den seitherigen Verhandlungen als die Grundgedanken der bundestreuen Regierungen, insbesondere der K. Württembergischen und auch der Kaiserlich Oesterreichischen hervorgetreten waren. Die Versuchung, mit ganz neuen Grundgedanken zu einer Bundesre­ form hervorzutreten, durch welche vielleicht vielseitiger Beifall zu erwerben gewesen wäre, konnte dem Verfasser des Entwurfs in seiner Stellung nicht nahe treten; er mußte es vielmehr als das seiner Stellung allein Entsprechende erkennen, sich an die gegebene Grundlage und Directiven zu halten. Dessen­ ungeachtet enthält der Entwurf des Grafen Taube immerhin neue Gedanken; neu ist z. B. insbesondere bei der Competenzbestimmung der Bundesgewalt die Erweiterung der Gesetzgebungsgewalt des Bundes und die genau präcisir­ te Grenzabscheidung zwischen dieser Bundesgesetzgebungsgewalt und der Gesetzgebungsgewalt der Einzelstaaten; neu ist die Gestaltung der Bundesre­ gierungsgewalt und die Vertheilung des Stimmengewichts in dem Vollzie­ hungsrathe wie in dem Plenum; neu die der ständischen Vertretung am Bunde (für deren Organisation ohnehin bekanntlich Graf Taube schon im vergange­ nen Sommer einen von Oesterreich und Bayern beifällig aufgenommenen Entwurf ausgearbeitet hatte) zugeschiedene legislatorische Thätigkeit und ­deren Begränzung; neu endlich sind manche auf die Competenz und Organi­ sation des Bundesgerichts sich beziehende Bestimmungen. Zu einer besonderen Bemerkung haben dem Wiener Cabinet die in dem Entwurfe des Grafen Taube aufgenommenen Bestimmungen Anlaß gegeben, wonach einerseits die Frage von dem Vorsitz in den Bundesbehörden vorerst als eine offene bezeichnet und andererseits die Ausdehnung der Defensive

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des Bundes aus das Gesammtgebiet Oesterreichs und Preußens vorgeschlagen wird. Zu dieser Behandlung der beiden bezeichneten Puncte hat der Verfasser des Entwurfs nicht nur – wie das Wiener Cabinet richtig bemerkt – die Begründung, sondern vielmehr auch den nächsten und für ihn bestimmenden Anlaß in den Erklärungen gefunden, welche die Kaiserlich Oesterreichische Regierung anläßlich des Reformprojects des Freiherrn v. Beust4 kundgege­ ben hat. Eben im Hinblick auf diese Erklärungen glaubte der Verfasser des Entwurfs, daß vom Standpunkte der Mittelstaaten aus die Frage von dem Vor­ sitze am Bunde, welche an und für sich in einem bloßen Reformprojecte, be­ sonders im gegenwärtigen Augenblicke, sehr einfach zu entscheiden gewesen wäre, ganz unentschieden, d. h. offen gelassen und der weiteren Verhandlung vorbehalten bleiben müsse; er glaubte, daß gerade in dieser Frage der An­ schauung und Entschließung der zunächst betheiligten Kaiserlich Oester­ reichischen Regierung auch nicht entfernt, auch nicht durch den Vorschlag eines ausschließlichen Vorsitzes Oesterreichs vorgegriffen werden sollte und er hoffte, daß diese Behandlung der Sache als bescheidene Zurückhaltung würde anerkannt werden. Was sodann die Bestimmung wegen des Schutzes des ausserdeutschen Staatsgebiets Oesterreichs und Preußens durch den Bund betrifft, so hat es dem Verfasser des Entwurfs sehr wünschenswerth geschie­ nen, durch eine genau präcisirte Erläuterung der Artikel 46 und 47 der Wiener Schlußacte einer Wiederkehr der im Jahr 1859 gemachten Erfahrungen zu be­ gegnen.5 Wenn das Kaiserliche Cabinet jetzt die Frage von der Ausdehnung der Defensive des Bundes nicht mehr in Zusammenhang mit der Bundesre­ formfrage gebracht wissen will, so ist nicht zu verkennen, daß dasselbe hiezu durch gewichtige politische Gründe bestimmt seyn mag; auch ist nicht zu be­ streiten, daß bei jener Frage allerdings die beiden Großstaaten zunächst be­ theiligt sind und daß ebendarum die dießfälligen Wünsche Oesterreichs im­ mer die entschiedenste Rücksichtnahme in Anspruch nehmen können; auf der anderen Seite wird aber doch auch zugegeben werden müssen, daß bei der gedachten Frage auch die Interessen des Bundes sehr nahe betheiligt sind und daß daher diese Frage bei den Verhandlungen über eine Bundesreform immer wieder sich nahe legen wird. Indem ich durch die vorstehende Mittheilung Euer Hochwohlgeboren in den Stand gesetzt zu haben glaube, den Entwurf des diesseitigen Ministerial4 Beusts Reformprojekt vom 15. Oktober 1861, siehe QGDB III/3, Dok. 86; zur österreichi­ schen Reaktion siehe ebd. Dok. 88. 5 Im österreichisch-italienischen Krieg von 1859 hatte die Bundesversammlung unter dem Druck Preußens eine militärische Unterstützung Österreichs abgelehnt, weil die vom Krieg betroffenen österreichischen Territorien außerhalb des Bundesgebiets lagen. Vgl. dazu Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 200–221.

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Referenten bei dem Kaiserlichen Ministerium eintretenden Falles in das rechte Licht zu stellen und noch beifüge, daß ich von der wohlwollenden Aufnahme, welche dieser Entwurf in Wien gefunden, Seine[r] Königliche[n] Majestät Mittheilung gemacht habe, benutze ich auch diesen Anlaß zu Erneuerung der Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. Hügel   Stuttgart, 14. Mai 1863    Varnbüler zum Heimatrecht 

30. Friedrich Karl Freiherr Varnbüler: Über die Frage eines deutschen Heimatrechtes

Artikelserie, veröffentlicht in: Schwäbische Kronik1, des Schwäbischen Merkurs zweite Ab­ theilung, Nr. 113, 115, 118, 121 und 122 vom 14., 17., 21., 24. und 26. Mai 1863, S. 1033 f., 1053, 1089 f., 1119 und 1131. Verfasser war der württembergische Abgeordnete und spätere Außen­minister Friedrich Karl Freiherr Varnbüler.2 Der Artikel war im April 1863 verfasst wor­ den; vgl. dazu: Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg, S. 49, Eintrag zum 25. April 1863: „Mit dem Vater dessen Aufsatz ,Ueber deutsches Heimatrecht‘ kollationiert“. Die Artikelserie wurde 1864 separat als Broschüre veröffentlicht: Ueber die Frage eines deutschen Heimathrechtes. ­Besonders abgedruckt aus dem Schwäbischen Merkur. Verlag von Aug. Schaber. Stuttgart und Oehringen 1864. 31 S.

Um zu nationaler Einheit zu gelangen, bedarf es einer größeren Übereinstimmung im Rechts- und Verkehrsleben Deutschlands. Das wichtigste Zwischenglied in der Kette nationaler Entwicklung ist die positiv rechtlich begründete Teilnahme jedes Deutschen an der deutschen Rechts- und Verkehrsgemeinschaft, gegründet auf ein deutsches Heimatrecht. Wenn Deutschland dem Ausland gegenüber als eine Nation fühlen und handeln soll, so muß jeder Bürger eines deutschen Staates berechtigt sein, „in jedem deutschen Staate die Rechte des Inländers zu üben“. Zu den Elementen eines deutschen Heimatrechts gehören: das Recht des freien Aufenthalts, die Gewerbefreiheit, die gegenseitige Anerkennung von schulischen und akademischen Bildungs­ 1 Die Schwäbische Kronik war die sogenannte zweite Abteilung des Schwäbischen Merkur, ei­ ner von Christian Gottfried Elben (1754–1829) im Jahr 1785 gegründeten Tageszeitung in Stuttgart. Während der Schwäbische Merkur der äußeren Politik gewidmet war, brachte die „Kronik“ Nachrichten aus dem Inland, also aus Württemberg. Der Schwäbische Merkur war nach 1848 nationalliberal und kleindeutsch orientiert. Zu ihren Autoren gehörten David Fried­ rich Strauß, Gustav von Rümelin sowie Paul und Gustav Pfizer. Die Zeitung erschien bis 1944. Vgl. ADB, Bd. 6, S. 1–3; Elben, Geschichte des Schwäbischen Merkurs; Dokumente aus ge­ heimen Archiven, Bd. 5, S. 389, Anm. 286. 2 Friedrich Karl Gottlob Freiherr Varnbüler von und zu Hemmingen (1809–1889), Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Tübingen und Berlin, 1838/39 Assessor bei der württem­ bergischen Kreisregierung in Ludwigsburg, danach Gutsbesitzer und von 1849 bis 1853 Leiter einer Maschinenfabrik in Wien, 1845–1849 und 1851–1889 Mitglied der württembergischen Kammer der Abgeordneten; seit 21. September 1864 württembergischer Außenminister, 1864– 1870 leitender Minister, 1872–1881 Reichstagsabgeordneter; ADB, Bd. 39, S. 492–496; Raberg, Biographisches Handbuch, S. 943, vgl. auch Hellwag, Varnbüler und die deutsche Frage.

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abschlüssen und Berufsprüfungen, damit verbunden die Zulassung zum öffentlichen Dienst vor allem der technischen Berufe in allen deutschen Staaten, die Zulassung der Ärzte zur Berufsausübung in ganz Deutschland. Es wäre wünschenswert, daß mit der Niederlassung in einem anderen deutschen Staat auch der Genuß der vollen politischen Rechte verbunden wäre, denn dies würde die „fruchtbarste Rückwirkung auf die Entwicklung des deutschen Nationalgefühls“ haben. Wenn in die nationale Aktion Deutschlands mehr Kraft und Einheit gebracht werden soll, so muß ein Teil der staatlichen Hoheitsrechte zentralisiert werden. Abschließend wird die Gründung einer Akademie der Wissenschaften und Künste „in deutschem Geiste“ angeregt.

Stuttgart, 14. Mai 1863 Ueber die Frage eines deutschen Heimathrechtes. Das Bedürfniß festerer und innigerer Einigung Deutschlands hat eine Reihe von Vorschlägen für dieselbe hervorgerufen. Sie sind alle organi­ satorischer Natur, d. h. darauf gerichtet, einen entsprechenden praktischen Ausdruck für die nationale Kraft Deutschlands, ein bestimmendes und re­ gelndes Organ für diese auszumitteln und so demselben die Vortheile und Macht der Einheit zu sichern. Die ungemeine Schwierigkeit der zu lösenden Aufgabe liegt in der unverhältnißmäßigen und ungleichartigen Entwicklung der Bundesglieder und der daraus folgenden Incohärenz ihrer Strebungen. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, um zu der angestrebten Einigung und der dieser entsprechenden Nationalkraft auch nur theilweise zu gelangen, bedürfen wir vor Allem eines wirklichen und treuen Nationalsinnes, nicht desjenigen, welcher auf ein mächtiges einiges Deutschland weinbegeistert toastet und dabei hämisch Jeden schmäht, der nach diesem auf anderem Wege strebt, sondern des Sinnes, der alle Parteien, alle Stände, alle Stämme, alle Länder, alle Konfessionen versöhnt in dem Streben nach Deutschlands Ein­ heit und Macht. Dahin zu gelangen, bedarf es einer größeren Uebereinstimmung und Innig­ keit unseres Rechts- und Verkehrslebens. Es ist daher das Streben nach Eini­ gung auf diesen Gebieten von hoher praktischer Bedeutung und wäre eine Zoll- und Handelseinigung der fruchtbarste Erfolg unserer nationalen Bestre­ bungen. Käme gar diese Einigung zu Stande als Akt des deutschen Bundes, so hätte sie eine entscheidende Bedeutung als plastisches Produkt, als positi­ ver Akt deutscher Einheit; wir hätten dann gemeines (nicht gemeinsames) deutsches Recht und deutschen Handel und Verkehr. Aber auch dann würde in der Kette nationaler Entwicklung das wichtigste Zwischenglied noch feh­ len, die positiv rechtlich begründete Theilnahme jedes Deutschen als solchen an dieser Rechts- und Verkehrsgemeinschaft auf deren ganzem Gebiete, ge­

V……r3.

3 Kürzel für den Verfasser Varnbüler.

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gründet auf ein deutsches Heimathrecht, wie dies der Idee des Art. XVIII der deutschen Bundesakte entspricht und einen bestimmteren Ausdruck gefunden hat in dem § 3 der deutschen Grundrechte.4 Der Gedanke, ein solches für ganz Deutschland zu begründen, findet sich entwickelt in einer jüngst erschienenen sehr beachtenswerthen Schrift des K. württ. Oberregierungsraths Bitzer*, mit besonderer Beziehung jedoch auf Ar­ menunterstützung, weßhalb die Schrift ausdrücklich nur als Beitrag zu der Frage eines allgemeinen deutschen Heimathrechts bezeichnet ist.5 Die von dem Verfasser gezogenen Folgerungen sind zusammengefaßt in folgenden Sätzen: 1) Jeder Staatsangehörige ist berechtigt, in jeder Gemeinde des Lan­ des seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen und daselbst jeden gesetzlich erlaubten Berufszweig auszuüben. 2) Den Angehörigen der zum deutschen Bunde gehörigen Staaten, welche sich über ihre staatsbürgerliche Heimath­ angehörigkeit auszuweisen vermögen, stehen die Rechte des Inländers zu. 3)  Die Gemeinden sind gegenüber denselben wie gegenüber von den Inländern verpflichtet. (Nach der Oekonomie des Buches können sich diese Ver­ pflichtungen nur auf die Armenunterstützung beziehen.) Bekanntlich begründet, abgesehen von dem mageren Inhalte der Art. XVI6 und XVIII der Bundesakte, das Bundesverhältniß der einzelnen deutschen Länder als solches bis jetzt keinerlei Verpflichtung gegenüber dem einzelnen Deutschen, daher für diesen kein Recht, und so ist, angewendet auf das In­ dividuum, „deutsch“ positivrechtlich ein nahezu inhaltsloses Wort. Die Ver­ einbarung über die Uebernahme von Heimathlosen und Ausgewiesenen vom *

Das Recht auf Armenunterstützung und die Freizügigkeit, ein Beitrag zu der Frage des allge­ meinen deutschen Heimathrechts. Stuttgart und Oehringen 1863.

4 Im Artikel XVIII der Bundesakte wurde den „Unterthanen der deutschen Bundesstaaten“ die Befugnis „des freyen Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaat in den andern“ und die „Freyheit von aller Nachsteuer“ beim Wegzug zugesichert. In § 3 der „Grundrechte des deut­ schen Volkes“ vom 27. Dezember 1848, die in die Reichsverfassung vom 28. März 1849 ein­ gingen (§ 132), war festgelegt, dass jeder Deutsche „das deutsche Reichsbürgerrecht“ hatte und dieses in jedem deutschen Land ausüben konnte. Vgl. QGDB I/1, S. 1516; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 389. 5 Ludwig Friedrich Bitzer (1816–1885), seit 1844 im württembergischen Staatsdienst, seit 1850 Mitglied der Armenkommission, 1863 Rat im Innenministerium, veröffentlichte zahlreiche Schriften zum Handels-, Gewerbe- und Armenrecht, 1868 Mitglied des Zollparlaments; ADB, Bd. 47, S. 4 f. – Die Schrift Bitzers ist im Volltext verfügbar unter: URL: http://dlib-pr.mpier. mpg.de/m/kleioc/0010/exec/books/%22100342%22; ferner: URL: http://reader.digitale-samm­ lungen.de/de/fs1/object/display/bsb10766217_00005.html. 6 Artikel 16 der Bundesakte stellte fest, daß es für die Angehörigen der christlichen Konfessio­ nen in den Ländern des Deutschen Bundes „keinen Unterschied in dem Genusse der bürgerli­ chen und politischen Rechte“ geben dürfe; ferner wurde den Juden der „Genuß der bürgerli­ chen Rechte“ in allen Bundesstaaten in Aussicht gestellt. Vgl. QGDB I/1, S. 1515 f.

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15. Juli 1851 (s. g. Gothaer Konvention), abgeschlossen von den kontrahiren­ den Staaten, „um soviel an Ihnen ist, ein allgemeines deutsches Heimathrecht vorzubereiten“7, ist zwar von beinahe allen deutschen Bundesstaaten ange­ nommen, bezieht sich aber nur auf einen kleinen Theil dessen, was das We­ sen des Heimathrechtes bildet und widerspricht sogar insofern der Idee des­ selben, als sie nicht sowohl den Zweck hat, durch die Niederlassung in einem fremden deutschen Staate für diesen Verpflichtungen gegenüber dem sich Niederlassenden zu begründen, als vielmehr den Staat der Niederlassung ge­ gen Ansprüche des Niedergelassenen zu schüzen, indem man dessen Ansprü­ che an den Ursprungsstaat feststellt. So große praktische Vortheile diese Kon­ vention hat, so sehr sie dazu beiträgt, die Bewegung der arbeitenden Klassen zu erleichtern, ihre Erwerbsfähigkeit zu erhöhen und sie gegen die Mißhand­ lung zu schüzen, welche aus der Unsicherheit der in derselben geregelten Verhältnisse entstehen müßte, so liegt darin doch nur ein kaum wahrnehmba­ rer Embryo eines deutschen Heimathrechtes. Wenn wir dahin streben, Deutschland so zu einigen, daß es sich dem Auslande gegenüber als Eine ­Nation fühle und als solche handle, daß die staatlichen Kräfte der einzelnen deutschen Staaten organisch auf einander und für einander wirken, wenn ­hienach jeder einzelne deutsche Staat für die Gesammtheit jedes Opfer zu bringen bereit seyn soll, welches diese erheischt, so scheint uns die erste ­Bedingung solcher Opferfähigkeit, daß der einzelne Deutsche, auf welchen ja diese Opfer zurückwirken, in dieser Gesammtheit zu Hause sei und sich ­heimisch fühlen könne, – daß also in lezter Konsequenz jeder Bürger eines einzelnen deutschen Staates berechtigt sei, in jedem deutschen Staate die Rechte des Inländers zu üben. Damit wäre jedem Deutschen in jedem deutschen Lande die Ergreifung und Verfolgung jeden erlaubten Berufes eröffnet und die Theilnahme an den politi­ schen Rechten und Pflichten würde sich für ihn bestimmen, wie für den ­Inländer.* Die konsequente Folgerung hieraus, welche wir jedoch für jezt in * Der Art. 41 der schweizerischen Bundesverfassung vom Jahre 1848 enthält hierüber folgende Bestimmung: „Der Bund gewährleistet allen Schweizern, welche einer der christlichen Kon­ fessionen angehören, das Recht freier Niederlassung im ganzen Umfang der Eidgenossen­ schaft nach folgenden näheren Bestimmungen ec.“ „Der Niedergelassene genießt alle Rechte des Kantons, in welchem er sich niedergelassen hat, mit Ausnahme des Stimmrechts in Ge­ meindeangelegenheiten und des Mitantheils an Gemeinde- und Korporationsgütern. Insbe­ sondere wird ihm freie Gewerbeausübung und das Recht der Erwerbung und Veräußerung von Liegenschaften zugesichert nach Maßgabe der Gesetze und Verordnungen des Kantons, die in allen diesen Beziehungen den Niedergelassenen dem eigenen Bürger gleichhalten ­sollen.“8 7 Die Gothaer Konvention war auf Initiative Preußens am 15. Juli 1851 von zunächst 17 deut­ schen Staaten abgeschlossen worden, in der Folge schlossen sich acht weitere Staaten dem

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ihrer Reinheit nicht zu ziehen vermögen, wäre, daß sein status im Ursprungslande maßgebend wäre für diese Theilnahme. Sicher wäre es ein Irrthum anzu­ nehmen, daß die Einführung selbst dieses absoluten Prinzips in unser Rechtsund Verkehrsleben eine erschütternde Bewegung in die Masse der angesesse­ nen Bevölkerung bringen würde; von dieser lösen sich, wenn man absteht von dem durch Romantik und religiöse Schwärmerei veranlaßten Zuge nach fernen unbekannten Ländern, bleibend in der Regel nur Einzelne ab, welche von der Gesammtbevölkerung einen kleinen Bruchtheil bilden und nur durch ihr Zu­ sammentreffen in den Centralpunkten des Verkehrslebens auf die leztere Bevöl­ kerung einen fühlbaren Einfluß üben. Abgesehen von den wandernden Arbeits­ gehülfen, welche nach der Heimath zurückzukehren pflegen, wenn sie sich häuslich niederlassen, sind es solche, welche nach ihrer Natur oder ihren äuße­ ren Verhältnissen bestimmt sind oder sich bestimmt glauben, für erweiterte oder erhöhte Thätigkeit im politischen, wissenschaftlichen oder gewerblichen Leben, – im guten wie im schlimmen Sinne der Gährstoff der unserem Ge­ schlechte innewohnenden Entwicklungsfähigkeit; sie bedürfen als Wirkungs­ kreis wie als Maßstab für ihre Kraft, für Befriedigung wie für Ernüchterung ih­ res Ehrgeizes eine weitere Bahn. Mit deren Eröffnung würde der Nation man­ che hohe Kraft gewonnen, welche jezt im engen Raum siecht und außerhalb desselben vermißt wird; in derselben würde manche unzufriedene ruhelose Na­ tur zu richtiger Selbsterkenntniß und damit zu Ruhe und Frieden gebracht. 8  Wir unterwerfen den Gedanken eines deutschen Heimathsrechts, wie wir denselben oben zusammen gefaßt haben, einer näheren Analyse und versu­ chen, indem wir dessen Elemente scheiden, zu erkennen, inwieweit derselbe in Deutschland zu praktischer Geltung zu bringen wäre. Wie werden hiebei zunächst geführt auf das Recht des freien Aufenthaltes, welches an sich be­ trachtet noch keine speziellen Befugnisse in sich schließt und in seiner Rein­ heit aufgefaßt mehr nicht begründet, als eine soziale Gemeinschaft mit den­ jenigen, bei welchen es geübt wird. Dieses Recht des freien Aufenthaltes ist bekanntlich selbst im Innern der einzelnen deutschen Staaten verschieden be­ schränkt. Es soll nicht behauptet werden, daß dasselbe keiner Beschränkung bedürfe. Damit träte man in Widerspruch mit unserem munizipalen Leben; Vertrag an. Das Ziel war es, ein gemeinsames rechtliches Verfahren für den Umgang mit hei­ matlosen und ausgewiesenen Personen einzuführen, um die zuvor häufigen rechtlichen und administrativen Streitigkeiten zu vermeiden. Ausführlich zur Gothaer Konvention Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 532–537, 541–547, Druck des Vertrags in: ProtDBV 1853, Beilage 1 zu § 58, S. 229–233. 8 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 12. September 1848, Artikel 41, online unter URL: http://www.verfassungen.de/ch/verf48-i.htm; ferner: Quellen zur euro­ päischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, T. 3, Dok. 8.2.1, Textwiedergabe nach: Schweizerisches Bundesblatt, 1849, Bd. 1, Heft 1, S. 3–40.

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was aber für ein deutsches Heimathrecht und wohl überhaupt für die bürgerli­ che Freiheit den Ausgangspunkt bilden muß, das ist die Forderung, daß die Beschränkungen gesezlich und zwar so viel möglich übereinstimmend für Deutschland geregelt werden. Was den Aufenthalt des Deutschen in deutschen Staaten, denen er nicht angehört, also außerhalb seines Heimathortes betrifft, so unterliegt dieser in zwei Richtungen Beschränkungen; erstens von Seiten des Heimathstaates, in­ dem z. B. der länger fortgesezte Aufenthalt außerhalb desselben ohne beson­ dere Legitimation von Seiten der Heimathbehörde gewisse Rechtsnachtheile, in der Regel den Verlust des ursprünglichen Bürgerrechtes zur Folge hat, wo­ durch dann wieder beschränkende Cautelen im Aufenthaltsorte hervorgerufen werden; und zweitens von Seiten des Aufenthaltsstaates. Die Beschränkungen von Seiten des lezteren sind im günstigsten Falle alle diejenigen, welchen auch der Inländer unterliegt, und für welche wir gesez­ liche Regelung ansprechen; sie bestehen aber meist darin, daß jeder deutsche Staat das Recht übt, jeden Nichtstaatsangehörigen nach Gutdünken auszuwei­ sen, eine Befugniß, welche natürlich dem Ausländer gegenüber noch weniger gesezlich geregelt ist, als dem Inländer gegenüber. So viel uns bekannt ist, wird in Beziehung auf Zulassung und Duldung des Aufenthaltes Fremder in den meisten deutschen Staaten dermalen eine freisinnige Uebung eingehal­ ten, und es darf diese als eine Folge der Gothaer Konvention angesehen wer­ den; aber ein deutsches Gesez oder ein Vertrag besteht in dieser Beziehung nicht, und es kann daher beinahe ausnahmslos jeder Deutsche aus jedem Ge­ biete seines großen Vaterlandes willkürlich in seine Heimath zurückgewiesen werden, ohne daß dadurch formell irgend ein Recht verlezt würde. Gewiß ist es aber die Grundbedingung nationalen Bewußtseyns, daß man sich innerhalb des Gebietes seiner Nation frei bewegen könne, wenn man seine Heimathver­ hältnisse geregelt hat, und nicht gegen die Geseze verstößt. Es handelt sich hiebei nicht um ein leeres Wort, um ein ideales Recht; der Aufenthalt ist gar oft auf’s Engste verwebt mit den materiellen Fragen des Lebens, das Recht des freien Aufenthaltes außerhalb des Heimathlandes ge­ winnt an Werth im umgekehrten Verhältnisse zur Größe des lezteren und steigt daher in den kleinsten deutschen Staaten ungemein hoch, das Recht der freien Bewegung im ganzen deutschen Gebiete ohne beschwerende Kautelen hätte namentlich für die beurlaubten Soldaten große Bedeutung, wäre eben deßhalb geeignet, die Ausbildung unserer militärpflichtigen Jugend wesent­ lich zu fördern, die in den kleinsten Staaten hervortretende Einseitigkeit und Beschränktheit zu mindern, und so die Härten und volkswirthschaftlichen Nachtheile der Konskription zu mildern. Andererseits vermögen wir die realen Hindernisse nicht einzusehen, wel­ che einem durch ein deutsches Gesez geregelten Aufenthaltsrechte innerhalb

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Deutschlands entgegenstehen sollten; wir meinen vielmehr, daß die Haupt­ schwierigkeit durch die öfter erwähnte Gothaische Vereinbarung, welche zwi­ schen beinahe allen deutschen Staaten wegen Uebernahme von Heimathlosen zu Stande gekommen ist, in so fern überwunden sei, als die materiellen aus dem Aufenthalte für den Aufenthaltsstaat erwachsenden Nachtheile hiedurch beseitigt sind. Nach dem Ausgeführten scheint uns der Anspruch begründet, daß jeder Deutsche, welcher sich über seine Heimathsangehörigkeit auszuweisen vermag, in jedem deutschen Lande seinen Aufenthalt solle wählen können, daß die Fälle der Beschränkung dieses Rechtes gesezlich und für Deutschland gleichmäßig zu regeln seien, und daß so das dem deutschen Reichsadel durch Art. XIV Ziff. 1 der Bundesakte zugesicherte Recht der unbeschränkten Freiheit, seinen Aufenthalt in jedem zu dem Bunde gehörigen Staate zu nehmen 9, zu einem gemeinen deutschen Rechte erhoben werde. II.   Stuttgart, 17. Mai 1863 Wir haben das Recht des freien Aufenthaltes aufgefaßt, entkleidet von der daran etwa sich knüpfenden Wahl eines Berufs, und gelangen jetzt als weitere Folge aus dem von uns aufgestellten Grundsaze zu dem Saze, daß jeder Deutsche in jedem deutschen Lande jedes gesezlich erlaubte Gewerbe sollte ergreifen und ausüben dürfen. Wir beziehen denselben auf die Gewerbe im weitesten Sinne, wozu wir auch die Landwirthschaft rechnen, schließen vor­ erst diejenigen Berufsarten aus, welche einen politischen Charakter haben oder polizeilich oder disziplinarisch beschränkt oder begränzt sind und treten damit in den Kreis der allgemeinen Gewerbeordnungen und Geseze ein. Was das Gewerbe der Landwirthschaft betrifft, so beanspruchen wir für dieses volle Freiheit, wir rechnen mit Zuversicht darauf, daß die Beschrän­ kungen, welche für dessen Betrieb theilweise noch bestehen, anstandslos schwinden werden, und wir können nicht glauben, daß die auf diesem Gebie­ te noch bestehende Verschiedenheit der deutschen Gesezgebungen Hindernis­ se oder auch nur Anstände bereiten werde. In Beziehung auf die Gewerbe im engeren Sinne begegnen wir in Deutsch­ land zwei Staatengruppen mit entgegengesezter Gesezgebung. Die eine, be­ stehend aus Oestreich, Sachsen, Württemberg, Rheinbayern, Rheinhessen, Baden, Oldenburg, Nassau, Bremen mit Gewerbefreiheit und demgemäß un­ beschränktem Rechte der Staatsangehörigen, zu selbstständiger gewerblicher 9 Artikel 8, Satz 1, sicherte den adeligen Standesherren zu: „Die unbeschränkte Freyheit ihren Aufenthalt in jedem zu dem Bunde gehörenden, oder mit demselben im Frieden lebenden Staat zu nehmen“; QGDB I/1, S. 1514.

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Niederlassung, die übrigen Staaten, worunter Preußen und Bayern, das sich jedoch im Zustande der Transition zur Gewerbefreiheit befindet, mit bedeu­ tenden Ueberresten gewerblicher Beschränkung, so daß Lehr- und Gesellen­ jahre, Meisterrechtsprüfungen, Vermögensnachweise, Gemeindebürgerrecht, Gewerbekonzession u. dergl. die respektiven, übrigens nicht immer kumulir­ ten Bedingungen bilden für selbstständige gewerbliche Niederlassung, wel­ che, nachdem sie erlangt, noch genau umschrieben ist durch gesezliche Ar­ beitsgränzen. Es könnte scheinen, als liege hierin ein absolutes Hinderniß für Gewährung unseres Anspruches, dem Deutschen als solchen das Recht der freien gewerblichen Niederlassung in ganz Deutschland zu gewähren, und es ist zuzugeben, daß diese Verschiedenheit der Gesezgebung eine Schwierig­ keit bildet. Wenn in einem Staate gesezlich der Grundsaz besteht, daß man den eigenen Angehörigen zu dem selbstständigen Betrieb eines Gewerbes nicht zulassen dürfe, so lange er nicht gewisse Vorbedingungen sachlicher wie persönlicher Art erfüllt habe, so ist natürlich nicht zu verlangen, daß dem Ausländer, auch wenn er Deutscher ist, diese Bedingungen erlassen werden; wenn z. B. ein Bayer sein Gewerbe nicht treiben darf, ohne in den Verband der Niederlassungsgemeinde aufgenommen zu seyn und diese Aufnahme von gewissen Vorbedingungen abhängig ist, oder wenn in Preußen eine Meister­ rechtsprüfung die gesezliche Bedingung eines selbstständigen Gewerbebe­ triebs ist, so wird nicht zu erreichen seyn, daß dem Oestreicher, Württember­ ger, Sachsen dies in Preußen und Bayern erlassen werde; wohl aber sollte zu erreichen seyn, daß der nichtstaatsangehörige Deutsche wie der Inländer be­ handelt wird, daß er wie dieser zur Meisterrechtsprüfung zugelassen, daß ihm die Aufnahme in die Gemeindegenossenschaft ermöglicht werde. Was diese leztere betrifft, so liegt eine staatsrechtliche Schwierigkeit darin, daß das Ge­ meindevollbürgerrecht ohne entsprechendes Staatsbürgerrecht nicht wohl ge­ dacht werden kann, daß jedenfalls nach der organischen Gesezgebung deut­ scher Staaten beide untrennbare Korrelate bilden, und es würde daher wohl in denjenigen derselben, in welchen gewerbliche Niederlassung bedingt ist, durch Gemeindebürgerrecht, analog der schweizerischen Bundesverfassung (Art. 41), für Nichtstaatsangehörige eine Art unvollkommenen Gemeindebür­ gerrechts, ein Beisassenrecht mit den entsprechenden Verpflichtungen gegen die Gemeinde gesezlich zu begründen seyn. Die Sache scheint uns dadurch erleichtert, daß der unnatürliche Ehebund zwischen Gemeindebürgerrecht und Gewerberecht mit durch die Rücksicht auf die Armenversorgung ge­ schlossen worden ist, für leztere aber bei Ausländern durch die Gothaer Kon­ vention gesorgt ist. Umgekehrt könnte es unbillig erscheinen, in solchen Staaten, in welchen das Recht der gewerblichen Niederlassung für die Inländer völlig unbe­ schränkt ist, dieses Recht schrankenlos den Angehörigen solcher Staaten ein­

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zuräumen, in welchen diese Behandlung nicht erwiedert wird und nicht wohl erwiedert werden kann. Lezteres Bedenken ist es denn auch, welches die Staaten der freien Gewerbegesezgebung und unter diesen vorzugsweise Oestreich und Sachsen bestimmt hat, sich in deren neuen Gewerbegesezen gegen das Zuströmen von Ausländern, namentlich aus solchen Ländern eini­ germaßen zu schüzen, in welchen Gewerbefreiheit nicht besteht. Wir würden jedoch in Voraussezung gerechter Regelung der Besteuerungsverhältnisse keinen Anstand nehmen, über dieses Bedenken hinweg zu gehen und, wie dieß in Baden gesezlicher Grundsaz ist, jedem Deutschen die freie Nieder­ lassung des Inländers gewähren unter der soeben von uns gestellten Bedin­ gung, daß auch dieser in den deutschen Ländern der Gewerbebeschränkung wie der Inländer behandelt werde. Dieß entspräche dem Frankreich durch Art. 25 des preußisch französischen Handelsvertrages10 eingeräumten Grund­ saze, durch welchen Preußen den französischen Staatsangehörigen die Rechte des deutschen Inländers, somit, wenn wir diesen nicht ganz klaren Artikel richtig auslegen, für die Länder der Gewerbefreiheit mehr eingeräumt hat, als für die eigene11 im Zunftzwange erhaltene Bevölkerung und mehr als manche deutschen Bundeslande ihren Angehörigen unter sich gewähren. Wir haben bei der von den deutschen Ländern der Gewerbefreiheit hienach im Sinne der freien gewerblichen Bewegung zu machenden Konzession wie gesagt, nicht das mindeste Bedenken. Abgesehen davon, daß der Einzelstaat nicht strenge abwägen darf, wenn es sich um allgemeine deutsche Interessen handelt, zie­ hen wir aus der Geschichte der gewerblichen Entwicklung Europa’s die Leh­ re, daß die Länder in dem Maße gewinnen, als sie ohne Rücksicht auf Gegen­ seitigkeit die ihnen zuströmenden arbeitenden und schaffenden Kräfte bei sich aufnahmen. Wir knüpfen daran aber auch die Hoffnung, daß dem Fort­ schritte der Gewerbefreiheit damit die Bahn werde geebnet, und der eigen­ thümliche Widerspruch werde gelöst werden, daß die Propheten des Frei­ handels diesen in Zunftjacken predigen. Ein deutsches Heimathrecht in seiner Fülle würde, wie schon bemerkt, zu der von der schweizerischen Bundesakte gezogenen Konsequenz führen, man wird jedoch in Berücksichtigung der völlig entgegengesezten Gesezgebun­ 10 Im preußischen-französischen Handelsvertrag vom 29. März 1862 hatten sich die Vertrags­ partner die gegenseitige Meistbegünstigung gewährt. Artikel 25 des Vertrags bestimmte, daß die jeweiligen Untertanen in das jeweils andere Land einreisen, sich dort aufhalten und ihre Geschäfte betreiben konnten. Dabei sollten sie „in Bezug auf Handel und Gewerbe aller Vor­ rechte, Befreiungen und Begünstigungen irgend welcher Art sich erfreuen, welche die In­ länder jetzt oder künftig genießen“. Vgl. Handels-Vertrag zwischen Preußen (Zollverein) und Frankreich …, S. 9 f. 11 Emendiert. Vorlage: eigenen. – In der 1864 veröffentlichten Broschürenfassung steht korrekt: eigene.

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gen, wie sie in Deutschland in Betreff der Gewerbe dermalen bestehen, für jezt hievon abzustehen und sich damit zu begnügen haben, daß jedem Deut­ schen in jedem deutschen Lande die Ergreifung und Ausübung jedes gesez­ lich erlaubten Gewerbes zu gestatten sei, wenn er, auch ohne Staats- und Gemeindegenossenschaftsrecht zu erwerben, den Bedingungen entspricht, deren Erfüllung dem Inländer obliegt. In dem Maße, als das Prinzip der Gewerbe­ freiheit fortschritte und daher die Beschränkungen in dem Betriebe der Ge­ werbe für die Inländer wegfielen, würde dann in diesem Gebiete das deutsche Heimathrecht sich erweitern, an Inhalt gewinnen, und würde in Voraussezung endlicher Verbreitung der Gewerbefreiheit über ganz Deutschland jede Hem­ mung der gewerblichen Niederlassung von selbst beseitigt. Wir würden von der vorgeschlagenen Erweiterung des gewerblichen Niederlassungsrechtes für den Nationalsinn und die gewerbliche Entwicklung die günstigste Rück­ wirkung erwarten, wenn wir auch davon ausgehen, daß sie nicht massenhaft wirken würde. Wie die Größe der Hauptstädte durch den Umfang und die Bedeutung des Landes bestimmt zu werden pflegt, auf dem sie fußen, ebenso wirken diese Faktoren in der Regel auch auf die Ausdehnung der gewerbli­ chen Geschäfte, indem die politische Begränzung der Länder mit verschie­ denartiger Gesezgebung auf den Geschäftsverkehr hemmend und beschrän­ kend einwirkt, weßhalb denn auch die große Geschäftsausdehnung und der dadurch bedingte Erwerb großen Vermögens in kleineren Staaten schwerer fällt als in größeren. Jede einzelne gewerbliche Niederlassung eines Deut­ schen in Deutschland außerhalb seines Heimathlandes mindert diesen Nach­ theil, knüpft Bande, geschäftliche wie persönliche, zwischen Heimath- und Niederlassungsland, löst gegenseitige Vorurtheile, erweitert den Gesichtskreis im Allgemeinen, wie im besonderen Bereiche der geschäftlichen und gewerb­ lichen Bildung, drängt langsam aber sicher auf Beseitigung der dem gemein­ samen Verkehrs- und Rechtsleben entgegenstehenden Schranken und läutert den bornirten Stammesgeist, indem sie dazu beiträgt, im Kampfe des produk­ tiven Lebens die Vorzüge der andern Stämme kennen zu lernen und zu erpro­ ben. Daß wirklich ein Bedürfniß nach freierer Bewegung vorliegt, daß eine sol­ che lieber benüzt wird innerhalb des Vaterlandes, wenn es dafür groß genug ist, daß dieselbe auf die Entwicklung des Wohlstandes von dem fruchtbarsten Einflusse ist, beweist die Menge der vorzugsweise aus den kleineren deut­ schen Staaten nach den nichtdeutschen Centralpunkten europäischer Industrie strömenden Deutschen, beweist die Erfahrung; daß dieser Strom in umge­ kehrter Richtung nach Deutschland nicht stattfindet, beweist die Vortheile, welche jene Emporien des Weltverkehrs aus deutscher Arbeitskraft schöpfen, die sie mit kluger Gastlichkeit an sich ziehen. Wollten und könnten wir aber auch diese positiven Vortheile übersehen, so wäre für uns absolut entschei­

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dend die Idee, daß Deutschland dem Deutschen für seinen Gewerbefleiß of­ fen stehen müsse, wenn man von Einem Deutschland sprechen will.

III.   Stuttgart, 21. Mai 1863 Anknüpfend an die eigentlichen Gewerbe erwähnen wir der freien Künste und literarischen Thätigkeiten nur, um uns auf dasjenige zu beziehen, was wir in Betreff des freien Aufenthaltsrechtes ausgeführt haben. Da, soviel uns be­ kannt ist, diese Berufsarten irgend einer gewerblichen Beschränkung in Deutschland nicht unterliegen, so wäre mit der Regelung des Aufenthalts­ rechtes ihren Jüngern die Berufsthätigkeit entsprechend geregelt und ge­ sichert. Dasselbe gilt von allen sonstigen (unzünftigen, freien) Gewerben, welche jezt schon in ganz Deutschland frei von jeder Beschränkung geübt werden können. Wir wenden uns zu denjenigen Berufsarten, welche bedingt sind durch wissenschaftliche Fachbildung, und zu deren Ausübung man nur zugelassen wird nach erstandenen Prüfungen. Dieselben fassen natürlich im Verhältniß zur gesammten und selbst zur gewerblichen Bevölkerung eine kleine Zahl in sich, allein sie umfassen den höheren gebildeteren Theil der Nation, denjeni­ gen, der ihr die geistige Richtung und Färbung giebt, denjenigen, welcher am stärksten auf nationale Entwicklung drängt und welchem deren Bedürfniß am nächsten liegt, wir meinen die Berufsarten, deren Jünger die Hochschulen, überhaupt die höheren, also namentlich die polytechnischen Bildungsanstal­ ten durchlaufen. Diese Laufbahn eröffnet die Maturitätsprüfung, mit welcher parallel die Aufnahmeprüfungen in die polytechnischen Schulen, forstlichen und landwirthschaftlichen Akademien gehen, und so werden wir zunächst auf diese geführt. Es ist bekannt, daß das Zeugniß erstandener Maturitätsprüfung berechtigt zur Immatrikulirung auf jeder deutschen Hochschule, zur Aufnah­ me in deren akademisches Bürgerrecht. Wenn behauptet werden darf, daß es in Deutschland nichts Deutscheres giebt als dessen Hochschulen, so ist das die Frucht dieses nationalen Grundsazes ebensowohl als des Umstandes, daß die Lehrstellen an den deutschen Hochschulen längst den Charakter von An­ stellungen im Dienste des einzelnen Staates verloren und sich gehoben haben zu Ehrenstellen im Dienste deutscher Wissenschaft, zu welchem man berufen wird ohne Rücksicht auf staatsbürgerliche Verhältnisse im Einzelstaate. Diese Maturitätsprüfungen werden wohl und müssen ihrer Natur nach in den deut­ schen Staaten wesentlich dieselbe Grundlage haben, sich beziehen auf die all­ gemeine Schulbildung. Etwaige Verschiedenheiten in den Anforderungen an die Examinanden sind mehr Folge verschiedener Lehrmethode in den bezüg­ lichen Landesschulen, verschiedener Behandlung des wissenschaftlichen Stoffes, als wirklicher wesentlicher Abweichungen in Betreff des Maßes und

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des Stoffes der wissenschaftlichen Bildung; in solchen Verschiedenheiten können wir aber so wenig einen Uebelstand erkennen, daß wir in einer Uni­ formirung des deutschen Schulunterrichtes ein Aufgeben des besten Theiles unserer Bildung, ihres nationalen Charakters erkennen müßten, deren Wesen Vielseitigkeit und Allgemeinheit sind; ja, selbst wenn die Ansprüche an die Schulabiturienten in dem einen oder anderen deutschen Lande vergleichs­ weise niederer bemessen würden, könnten wir hierin deßhalb einen großen Uebelstand nicht erkennen, weil uns das Gelegenheit gäbe zu erproben, ob nicht die da und dort sehr hoch gesteigerten Ansprüche nachtheilig auf die Originalität der geistigen Entwicklung und die körperliche Kräftigung wir­ ken. In Betreff der Maturitätsprüfungen möchten wir nun die Forderung er­ heben, daß deren Erstehung nicht allein zur Aufnahme in das akademische Bürgerrecht aller deutschen Hochschulen berechtige, sondern auch den ­Anspruch begründe, in jedem deutschen Lande zu denjenigen Prüfungen zugelassen zu werden, welche die Bedingung der nach geschlossenen Universitätsstudien zu ergreifenden Laufbahn sind, so zwar, daß z. B. eine in Preußen erstandene Maturitätsprüfung in Voraussetzung vorschriftsmäßig gemachter Universitätsstudien12 legitimirte zur Zulassung zu den Dienst- und sonstigen Berufsprüfungen in Oestreich, Bayern ec. und umgekehrt. Die praktischen Wirkungen wären folgende: Die höhere Schulbildung der deutschen Jugend könnte geschehen in der Heimath des Schülers ohne spezielle Rücksicht auf dessen künftige Lebensbestimmung; die Eltern, welche etwa geneigt wären, ihre Söhne einem andern deutschen als dem Heimathstaate zu bestimmen, hätten darum nicht nöthig, sich von denselben schon in deren Schuljahren zu entfernen und sie fremder Führung zu vertrauen, überhaupt schon in deren früher Jugend dazu den Entschluß zu fassen, sondern die Schulbildung könn­ te unpräjudizirlich für die künftige Bestimmung des Jünglings im eigenen Lande erfolgen. Nach erstandener Maturitätsprüfung im eigenen Heimathlan­ de stünde dann dem Studirenden, welcher im Stande wäre, den entsprechen­ den berufswissenschaftlichen Anforderungen zu genügen, für die Wahl seiner Lebensbestimmung ganz Deutschland offen, und es könnte diese Wahl je nach der Art und dem Grade der Entwicklung, den persönlichen Verhältnis­ sen, Gesinnungen und Geistesrichtungen, sowie nach den Aussichten erfol­ gen, welche die verschiedenen deutschen Länder ihnen böten. Je nach dem gewählten Berufe könnte allerdings, wenigstens in der dermaligen staats­ rechtlichen Lage Deutschlands, nicht immer abgesehen werden von der Er­ 12 Ursprünglich stand hier: Maturitätsstudien. Auf S. 1119 der Schwäbischen Kronik vom 24. Mai 1863 ist eine Berichtigung in Universitätsstudien vermerkt. Im Broschürendruck von 1864 steht ebenfalls richtig: Universitätsstudien.

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werbung des Staatsbürgerrechtes in demjenigen Lande, welches man für sei­ ne Laufbahn sich wählen würde; allein wenn die deutschen Regierungen der­ jenigen Länder, wo die Anstellung das Staatsbürgerrecht nicht gesezlich involvirt, entsprechend der jezt schon bestehenden Uebung, sich darüber ver­ stünden, ihren bezüglichen Staatsangehörigen unter gewissen Voraussezun­ gen die Aufnahme ins Staatsbürgerrecht nicht zu versagen, so läge darin eine praktische Schwierigkeit nicht. Jedenfalls müßte und könnte ohne allen Nachtheil die in neueren Dienstprüfungsverordnungen aufgestellte, die freie Bewegung so sehr beengende Forderung aufgegeben werden, daß der Kandi­ dat nicht erst vor der Anstellung, sondern sogar vor der ersten Berufsprüfung sich über Staats- und Gemeindebürgerrecht auszuweisen hat. Nach den jezt geltenden Grundsäzen wird man ohne besondere Dispensation zu der Berufs­ prüfung, welche überhaupt durch eine Maturitätsprüfung bedingt ist, nur zu­ gelassen, wenn man diese in demselben Lande bestanden hat, und selbst zu lezterer (mit der Wirkung nämlich, daß sie den Anspruch auf Zulassung zur Berufsbildung begründet) in manchen Ländern nur nach erlangtem Staatsbür­ gerrechte in dem betreffenden Lande. Hienach bleibt, abgesehen von dem Wege der Dispensation, nichts übrig, als entweder von Beginn der Universi­ täts- beziehungsweise polytechnischen Studien, also im Zustande völliger Unklarheit über alle die künftige Lebensrichtung bedingenden Faktoren seine Lebensrichtung und insbesondere das Gebiet seiner künftigen Thätigkeit zu wählen, oder im Laufe der Universitätsstudien oder nach deren Vollendung, einer Prüfung in Schulkenntnissen sich zu unterwerfen, deren korrekte Kennt­ niß die Bedingung höherer wissenschaftlicher Ausbildung ist, welche aber selbst unter den gründlichsten allgemeinen oder Fachstudien selten prüfungs­ mäßig festgehalten zu werden pflegen. Dieß hat zur Folge, daß sich die höhe­ ren Berufsklassen beinahe ausschließlich aus dem Heimathlande ergänzen. Wir wollen dagegen, daß dieß die Regel bilde, nichts erinnern, und gewiß würde es auch nach Verwirklichung unserer Vorschläge bei dieser Regel blei­ ben; dagegen aber sind wir, daß dem deutschen Jünglinge, gegen den die Ver­ hältnisse im eigenen Lande sind, welcher sich hingezogen fühlt zu den in ei­ nem andern deutschen Lande herrschenden Anschauungen, politischen oder anderen Einrichtungen, die Laufbahn in diesem nicht eröffnet sei, daß der ausgezeichnete hochgebildete junge Mann aus engbegränzter Heimath, wel­ cher nach beendigten Studien in sich die Kraft fühlt, in großen Verhältnissen sich zurecht zu finden, in diesen Bedeutendes zu leisten, durch einen be­ schränkten Thätigkeitskreis aber sich beengt fühlt, Schwierigkeiten habe, sich innerhalb Deutschlands ein weiteres Ziel zu stecken, nicht in seinem deut­ schen Vaterlande ohne alle weitere Erschwerungen zu dem Nachweise seiner Befähigung zugelassen werde, und daß sich nicht nach dem Grade derselben die Laufbahn für ihn eröffne.

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Wir begegnen in Deutschland in Folge der mangelnden Beweglichkeit in der Wahl der höheren Berufsarten und deren Internirung in oft gar enge Lan­ desgrenzen einer Erscheinung analog jener in dem gewerblichen Leben derje­ nigen Länder, in welchen der Entwicklung des lezteren Schranken gesezt sind, in welchen namentlich der Besiz des Gemeindebürgerrechts gesezlich zur Bedingung des Gewerbebetriebs gemacht ist; wir möchten dieselbe einen lokalen Kongestivzustand nennen – der Erscheinung nämlich, daß in einzel­ nen Ländern einzelne Berufsarten übersezt sind und die Kandidaten derselben ihre besten Jahre in Unthätigkeit vergeuden und verbummeln, während es in anderen Ländern an tüchtigen Kräften fehlt. Diesem Uebelstande würde durch Erleichterung des Eintritts in die verschiedenen deutschen Länder begegnet; jedenfalls aber wäre dieß im Interesse der größeren deutschen ­ ­Staaten, denn diesen würden sich die besten Kräfte aus der gebildeten Jugend zuwenden, und mancher junge Mann, welchen der Mangel entsprechender praktischer Thätigkeit unzufrieden macht und zur Negation drängt, würde dort eine nüzlich schaffende Kraft, geeignet, den Vorzügen seines Ursprungs­ landes, deren ja jedes Land einzelne13 voraus hat, in dessen neuer Heimath Eingang zu verschaffen und den schroffen, leider noch vielfach bestehenden Gegensäzen manche Spize zu brechen. Es ist bekannt, daß die Fratge, ob und in wie fern von Maturitätsprüfungen abgesehen werden könne, Gegenstand der Erörterung geworden ist. Die Entscheidung dieser Frage haben wir den Männern des Faches zu überlassen;14 würde deren Beantwortung zu Aufhe­ bung dieser Prüfungen führen, so wären wir hiedurch natürlich unserem Zwecke um Vieles näher gerückt. Wir knüpfen an den von uns in Betreff der Maturitätsprüfungen gemachten Vorschlag die Frage, ob und in wie weit die in einem deutschen Lande erstandene Berufsprüfung zu Ausübung des entsprechenden Berufes im Allgemeinen und insbesondere im öffentlichen Dienste eines andern deutschen Landes solle berechtigen können? Würde diese Frage im weitesten Umfange bejaht, so wäre die Konsequenz, daß die nach vollendeten Universitäts- beziehungsweise polytechnischen Studien erstandene Prüfung zu der entsprechenden Anstel­ lung und Berufsübung in jedem Lande berechtigte. Eine beschränktere Ein­ räumung läge darin, daß von den zwei in der Regel zu bestehenden Prüfun­ gen die erste als allgemeine für ganz Deutschland giltige, die zweite aber als spezielle Berufsprüfung mit beschränkter Wirkung für ein bestimmtes Land angesehen würde. Wir halten bei der Partikularität der einzelnen Landesver­ hältnisse derzeit weder das eine, noch das andere in Betreff aller Berufsarten für möglich. Fassen wir namentlich den Staatsdienst im engeren Sinne im 13 Emendiert. Vorlage: einzeln. – In der Broschürenfassung von 1864 korrekt: einzelne. 14 In der Broschürenfassung 1864 steht hier ein Doppelpunkt.

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Fache der Justiz, der inneren Verwaltung, der Finanzen, in’s Auge, so fordert dieser bei der Verschiedenheit der Organisation, der Gesezgebung und der Verwaltungsgrundsäze eine so spezielle Fachbildung, daß, wenige bevorzugte Naturen abgerechnet, eine allgemeine wissenschaftliche Vorbildung selbst der ausgezeichnetsten Art nicht wohl genügen kann, die Befähigung für diese speziellen Anforderungen an den Dienst zu begründen. Es wird daher zu un­ tersuchen seyn, ob und in wie weit nicht beschränkt auf einzelne Berufsarten jene Frage bejaht werden könne. Die Berufsarten, von denen es sich handelt, sind die Richter, die Verwaltungsbeamten des Staates und der öffentlichen Körperschaften, und zwar unter diesen die Verwaltungsbeamten im engeren Sinne und die Techniker, die Kirchendiener, die Lehrer, Advokaten und ­Aerzte. Den Kriegsdienst lassen wir absichtlich aus dem Bereiche unserer Betrachtungen, wir beschränken uns darauf, auszusprechen, wie wünschens­ werth es im Interesse der Wehrkraft unseres Vaterlandes wäre, daß in die militärische Ausbildung die größte mögliche Uebereinstimmung gebracht, ­ und daß diese wenigstens in den einzelnen Bundesarmeekorps eine voll­ ständige wäre.

IV.   Stuttgart, 24. Mai 1863 Was den öffentlichen Civildienst betrifft, so läge es wohl im Interesse, daß demselben bis zu einem gewissen Grade ein deutscher Charakter eingehaucht würde, daß, ohne der Stammesnatur in den einzelnen Ländern und deren Ei­ genthümlichkeit schroff entgegenzutreten, eine gewisse Uebereinstimmung in dessen Grundsäzen, Praxis und Formen gebracht würde, und ist nicht zu zweifeln, daß dessen Rekrutirung aus verschiedenen deutschen Ländern dazu wesentlich beitragen würde. Dennoch halten wir wie gesagt für unausführbar, daß die Kandidaten sich für jedes deutsche Land legitimiren mit den in ihrem Lande bestandenen Dienstprüfungen. Abgesehen von dem oben dagegen an­ geführten Grunde könnte das auch zu Mißbräuchen bei den Prüfungen selbst führen. Wir beschränken jedoch diese unsere Ansicht auf die Verwaltungsbe­ amten im engeren Sinne, die Richter eingeschlossen, wogegen wir in Betreff der Techniker anderer Meinung sind. Die Grundsäze der Technik sind allge­ meine, aus den exakten Wissenschaften geschöpfte, und da gerade in diesem Gebiete des menschlichen Wissens die Errungenschaften vorzugsweise der neueren Zeit angehören, so darf wohl angenommen werden, daß die Regeln für die technische Ausbildung und daher die Ansprüche an den zu Prüfenden in den verschiedenen Ländern so ziemlich dieselben sind. Daher treffen die hinsichtlich der Verwaltungsbeamten angeführten Gründe bei diesen nicht zu, und vermögen wir ein Hinderniß dagegen nicht zu erkennen, daß die Berufs­ prüfung in einem deutschen Lande in technischen Fächern die Berechtigung

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begründe zur Verwendung im öffentlichen Dienste. Wir beziehen dies auf sämmtliche Techniker im öffentlichen Dienste jedes anderen Staates, insbe­ sondere die verschiedenen Bau- und Betriebstechniker im Hoch-, Wasser-, Straßen-, Eisenbahn- und Telegraphenwesen, die Techniker bei den Staats­ gewerben u. drgl.15 Allein wir gehen noch einen Schritt weiter, indem wir ­diesen Grundsaz auch auf die Forstbeamten ausdehnen. Zwar liegen diesen neben den rein technischen Geschäften auch Verwaltungsgeschäfte und, selte­ ner, die Handhabung obrigkeitlicher Befugnisse ob; allein, was die ersteren betrifft, so stüzen sich dieselben in der Regel auf allgemeine Grundsäze und erlernt ein gebildeter Mensch leicht etwaige Besonderheiten; was die Hand­ habung obrigkeitlicher Rechte betrifft, so ruht diese ohnehin besser in ande­ ren Händen und verschwindet sie mehr und mehr vor dieser Erkenntniß. Aber selbst die den Staatsforstbehörden verbliebene Befugniß ist so einfacher Art, daß sie sich durch die Routine des Dienstes am besten erlernt. Es wird nicht gar kühn seyn zu behaupten, daß die theoretischen Kenntnisse der Herren Forstkandidaten in Prozeß-, Civil- und Strafrecht keine sehr ergiebige Quelle für ihre späteren Rechtserkenntnisse abgeben. Wenn irgendwo die materiellen Vortheile freierer Bewegung sich kundge­ ben müßten, so wäre es im Gebiete der Technik, welche mehr als jede andere Thätigkeit eines weiten Kreises bedarf, um nicht hinter gerechten Anforde­ rungen zurückzubleiben; auf keinem Gebiete ist der Geist des Partikularismus weniger gut angebracht als auf dem technischen. Wenn man über die eng ­gezogenen Gränzen technischer Thätigkeit auf die apostolische Weisheit so mancher Staatstechniker in kleinem Lande das Licht des Fortschritts und vor­ urtheilsfreier Kritik fallen läßt, wenn man weiß, wie von dem bornirten, durch partikularistische Nebel getrübten Gesichtskreise so mancher Techniker die Entwicklung unseres deutschen Verkehrswesens zu leiden hat, wenn man er­ wägt, wie die erleichterte Vertheilung der technischen Kräfte fördernd wirkt auf rasches Fortschreiten großer nationaler Unternehmungen, so wird man nicht verkennen, wie wichtig es wäre, wenn für die technische Laufbahn die Hemmnisse territorialer Begränzung recht säuberlich beseitigt würden. So­ weit es sich im Gebiete höherer Technik um selbstständige Thätigkeit oder deren Verwendung im Privatdienste handelt, so unterliegt diese in der Regel anderen Beschränkungen nicht, als denjenigen in Betreff des Aufenthaltsrech­ tes. Wir beziehen uns daher in Betreff dieser auf das diesfalls oben Gesagte, haben jedoch darauf besonders hinzuweisen, wie der zu Gunsten der Privat­ techniker hervortretende Unterschied in der Freiheit der Bewegung geeignet ist, dem Staate nach Umständen die Verfügung über ausgezeichnete Kräfte zu erschweren. 15 In der Broschürenfassung von 1864: dergl.

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Wir haben noch der Frage zu erwähnen, ob es geboten erscheine, daß sol­ che, welche als Techniker in dem von uns bestimmten Umfange in den Dienst eines Staates treten, in dessen Staatsbürgerrecht aufgenommen werden? In denjenigen Fällen, in welchen ohne vorangehende Prüfung erprobte Techni­ ker in den Dienst eines Staates berufen werden, pflegt, soviel uns bekannt ist, die Erwerbung des Staatsbürgerrechts mit der Anstellung von selbst zusam­ menzufallen oder hieran die Bedingung seiner Erwerbung nicht geknüpft zu werden, und wir vermögen auch nicht einzusehen, inwiefern die Erfüllung ihrer Dienstpflicht durch jene bedingt sei. Wir haben daher kein Bedenken, jene Frage zu verneinen. Der Kirchendienst sollte nach seiner Natur weniger als jeder andere eine staatliche Begränzung finden, und es läge daher nahe, daß wir für diesen die allerfreieste Bewegung in Anspruch nehmen; allein wir vermeiden grundsäz­ lich, in das Gebiet politischer Erörterung Fragen hereinzuziehen, welche zu­ nächst in das [sic] Bereich kirchlicher Erwägung gehören, und begnügen uns, die Kirchendiener nicht unerwähnt gelassen zu haben. Wenn wir uns zu dem Lehrfache wenden, so sprechen wir weder von den Volksschullehrern, welche, sofern sie nicht durch besondere Verpflichtungen an das Land gebunden sind, auf dessen Kosten sie gebildet wurden, als frei­ zügig werden bezeichnet werden können, sofern die allgemeinen Aufenthalts­ verhältnisse geregelt sind, noch von den Lehrern an den Hochschulen, welche als die Dii majorum gentium16 sich einen kosmopolitischen Charakter erobert haben, wir sprechen von den Lehrern an den mittleren Bildungsanstalten. De­ ren Bildung, mag sie humanistisch, mag sie realistisch seyn, muß e­ inen allge­ meinen wissenschaftlichen Charakter tragen und kann mit dem Partikularis­ mus nichts gemein haben. Wohl sind in den verschiedenen deutschen Ländern die Ansprüche an diese Bildung, die Anschauungen über die Art und Metho­ de, sie zu erlangen und sie durch Prüfungen zu erkennen, a­ bweichend, in ih­ ren Hauptgrundsäzen aber bleibt sie dieselbe. Wir stüzen darauf die Forde­ rung, daß die erste wissenschaftliche Lehrerprüfung, welcher, so viel wir wis­ sen, in allen deutschen Ländern speziellere Fach- und Gradationsprüfungen folgen, in allen deutschen Ländern die Legitimation bilden solle17 für die nachfolgenden spezielleren und praktischen Fachprüfungen. Wir würden je­ doch vorschlagen und es auch im Interesse des deutschen Schulwesens für sehr wünschenswerth halten, wenn im Zusammentritte deutscher Schulmän­ ner die allgemeinen Grundsäze für diese Prüfungen festgestellt, Prüfungsord­ nungen verkörpert und diese in ehrender Anerkennung des Fortschritts der 16 Wörtlich: die Götter der größeren Geschlechter, im übertragenen Sinne: die höheren Gott­ heiten. 17 Emendiert. Vorlage: sollen. So auch die Broschürenfassung von 1864.

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Wissenschaft periodisch revidirt würden. Was die der allgemeinen wissen­ schaftlichen Prüfung folgenden speziellen Fachprüfungen betrifft, so ist deren Einrichtung und sind die in denselben zu stellenden Anforderungen durch die Organisation des Schulwesens bedingt, welche in den verschiedenen Ländern wieder sehr verschieden ist, und für welche wir eine Uniformität nicht einmal wünschen würden. Auch liegen in der Verschiedenheit der Produktions- und Civilisationsverhältnisse der einzelnen Länder Gründe für wesentliche Ab­ weichungen in den Ansprüchen an die spezielle Fachbildung der Lehrer. Aus diesen Gründen würden wir uns auf obiges Verlangen beschränken und die weitere Verfolgung des Lehrberufes an die in den einzelnen Ländern deßfalls bestehenden Vorschriften geknüpft lassen. Auch in dieser Beschränkung wäre für die freiere Bewegung der Lehrer viel gewonnen, und würde dem beim Lehrfach am stärksten hervortretenden Uebelstande ungleichartiger Verthei­ lung der Lehrkräfte energisch entgegengewirkt. Die Stellung der Advokaten ist bekanntlich in den verschiedenen Ländern eine sehr verschiedene. Wollte man die Advokatur zu einem über alle deut­ sche Länder sich frei erstreckenden Berufe erweitern, so müßte vor Allem die Berufsstellung der Advokaten in Deutschland etwa durch eine deutsche Advokatenordnung übereinstimmender geregelt werden, was in der Ver­ schiedenheit der Organisation der deutschen Gerichte wohl manche große Schwierigkeit fände. Allein hievon abgesehen, ist es so lange nicht zulässig, der Berufsprüfung des Advokaten in dem einen deutschen Lande die Wir­ kung der Befähigung zur Advokatur in dem andern zu geben, als das Recht und dessen Formen in Deutschland so sehr verschieden sind, und als daher die Berufsprüfung in dem einen Lande den Nachweis der Befähigung für das andere nicht enthalten kann. Der Anschauung derjenigen, welche für den Advokaten überhaupt keinen Befähigungsnachweis fordern, können wir uns im Interesse der Rechtssicherheit und des bürgerlichen Friedens nicht an­ schließen. Die Frage möchten wir angeregt haben, ob es nicht ausführbar wäre, daß jedem deutschen Advokaten gestattet wäre, die Angehörigen sei­ nes Staates in Prozessen vor jedem deutschen Gerichte zu vertreten. Es wäre dieß nach Umständen von großem Nuzen für die Betheiligten und trüge ­wesentlich dazu bei, zu Rechtsgeschäften außerhalb des Heimathlandes zu ermuthigen. Ganz entgegengesezt verhält es sich mit den Aerzten. Die Arzneiwissen­ schaft hat mit den politischen Gränzen der Länder so wenig gemein, als die Krankheiten diese respektiren. Wenn dennoch die Berechtigung der ärztlichen Praxis sich auf die Gränzen des Landes zu beschränken pflegt, in welchem der Arzt sich über seine Berufsbildung ausgewiesen hat, so liegt dafür wohl der Grund mehr in der Eifersucht der Berufsgenossen, als in der vorgeschobe­ nen Rücksicht darauf, daß die geforderten Befähigungsnachweise in den ver­

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schiedenen Ländern verschieden seien, einem Motive, welches jedenfalls auf die deutschen Länder eine berechtigte Anwendung nicht finden kann. Wir sind nicht der Meinung derjenigen, welche überhaupt von dem Arzte einen Befähigungsnachweis als Bedingung der Ausübung der Praxis nicht verlangen, dafür sind uns die Uebel der Quacksalbereien zu ernst; dagegen halten wir es in Beziehung auf die deutschen Aerzte für unzweifelhaft ge­ rechtfertigt, daß der Nachweis der Berufsbefähigung in dem einen deut­ schen Lande zu dessen Ausübung in allen anderen berechtige. Der von Württemberg beim Bunde eingebrachte Vorschlag einer deutschen Pharma­ kopöe18, würde dieß sehr wesentlich erleichtern, und ist als ein Schritt in dieser Richtung zu betrachten. Wir dehnen diesen Saz auch auf die öffent­ lichen Aerzte aus; fordern auch deren amtliche Funktionen theilweise eine gewisse Kenntniß der speziellen Landesgesezgebung und Verwaltung, so ist doch das Maß derselben ein so bescheidenes, daß es jedem Manne von dem Bildungsgrade eines zu öffentlichen Funktionen berufenen Arztes sehr leicht wird, sich dieselben anzueignen. Auch ist ja bekanntlich die Erwer­ bung solcher Kenntnisse ein minimaler Theil der Universitätsstudien der Mediziner. V.

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Wir haben in Vorstehendem versucht, für den Deutschen dasjenige Maß frei­ er Bewegung zu vindiziren, welches wir vereinbar hielten mit dem Grade des bestehenden Partikularismus und erreichbar im Wege ausgleichender Gesezgebung. In dem Verhältnisse als diese fortschritte, könnte auf diesem Wege weiter gegangen werden, und wenn diese freiere Bewegung dazu bei­ trüge, wirklich deutschen Sinn zu verbreiten und partikularistischer Auffas­ sung entgegen zu treten, so läge in ihr selbst der Motor für ihre Weiterförde­ rung. Es bleibt uns noch die Frage zu erörtern, in welches politische Verhältniß derjenige, welcher sich in einem fremden deutschen Lande niedergelassen, 18 Die Einführung einer allgemeinen deutschen Pharmakopöe – eines Arzneibuchs – wurde in Deutschland und auch auf Bundesebene schon seit 1834 diskutiert. Mehrere entsprechende Eingaben von Apothekern an die Bundesversammlung Mitte der 1850er Jahre waren zu­ nächst fruchtlos geblieben. Erst als die württembergische Regierung am 6. November 1862 in der Bundesversammlung den Antrag „zur Herbeiführung einer für die deutschen Bundesstaa­ ten gemeinsamen Pharmakopöe, sowie eines einheitlichen Medicinalgewichtes“ stellte, kam langsam Bewegung in die Sache. Es dauerte allerdings bis zum Frühjahr 1866, ehe der han­ delspolitische Ausschuß der Bundesversammlung die Einsetzung einer Fachmännerkommis­ sion zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs vorschlug. Zur Einsetzung des Gremiums kam es aber nicht mehr. Vgl. dazu Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 452–456.

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d. h. nach dem von uns Ausgeführten daselbst seinen Aufenthalt genommen, beziehungsweise einen Beruf ergriffen hat – zu diesem Lande treten, ob er unter gewissen Bedingungen in demselben die politischen Rechte soll aus­ üben dürfen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Bejahung dieser Frage der deutschen Staatsangehörigkeit den reichsten Inhalt geben würde und von der fruchtbarsten Rückwirkung auf die Entwicklung des deutschen ­Nationalgefühls seyn müßte, und wir fürchten auch nicht, daß die Anwen­ dung dieses Grundsazes in das besondere politische Leben der einzelnen ­deutschen Staaten wesentliche Störungen bringen würde. Der Art. 41 der schweize­rischen Bundesverfassung enthält in dieser Beziehung folgende Bestimmung: „Der Niedergelassene genießt alle Rechte der Bürger des Kan­ tons, mit Ausnahme des Stimmrechtes in Gemeindeangelegenheiten und des Mitantheils an Gemeinde- und Korporationsgütern.“ Wir möchten wohl wünschen, daß man sich in Deutschland zu einem ähnlichen Saze ermannte, allein da wir uns g­ erne auf das praktisch Erreichbare beschränken, und fürchten, es könnte ein solcher Vorschlag, den wir für eben so unverfäng­ lich als prinzipiell richtig erachten, wenigstens jezt noch in die partikulari­ stischen Gefühle, denen wir vom praktischen Standpunkte aus, den wir fest­ zuhalten suchen, ihre Berechtigung nicht absprechen können, zu empfind­ lich einschneiden, so enthalten wir uns in dieser Richtung einen bestimmten Vorschlag zu formuliren. Dagegen halten wir es für eine unabweisbare For­ derung, daß der Deutsche, welcher das Staatsbürgerrecht in einem andern deutschen Staate durch Aufnahme erlangt, sofort in dessen Vollbürgerrecht eintrete, und daß die Bestimmung einzelner deutschen Verfassungen aufgehoben werde, wonach derselbe erst nach Ablauf einer Reihe von Jahren in den vollen Genuß der staatsbürgerlichen, namentlich der politischen Wahlrechte eintritt. Es scheint uns hier am Plaze zu seyn, im Rückblicke auf das von uns Aus­ geführte auf ein Verhältniß hinzuweisen, welches bei unsern deutschen Orga­ nisationsbestrebungen keine genügende Beachtung findet. Soll nämlich in die nationale Aktion Deutschlands mehr Kraft und Einheit gebracht werden, so muß ein Theil der staatlichen Hoheitsrechte zentralisirt werden (das Mehr oder Weniger berührt uns hier nicht), und es liegt in der Natur der Dinge, daß deren Verwaltung vorzugsweise den mächtigeren deutschen Staaten zufallen muß. Daraus folgt wieder, daß die Organe hiefür, das sind also die Träger der höchsten nationalen Funktionen, derjenigen, nach welchen die edelsten und besten Kräfte streben und streben sollen, ausschließlich oder wenigstens vor­ zugsweise den größeren Staaten entnommen würden, während wohl behaup­ tet werden darf, daß die mittleren und kleineren nicht minder taugliche Kräfte besizen, und so würde, da wir doch Alle keinen Einheitsstaat wollen können, leicht jede irgend intensive Centralisirung zum Nachtheile der kleineren Staa­

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ten Verhältnisse hervorbringen, analog denjenigen des Civis romanus zum so­ cius romanus.19 Diesem Uebelstande kann nur begegnet werden, wenn dem Deutschen die freieste Bewegung in Deutschland eröffnet und demselben da­ mit ermöglicht wird, sich auf die Bahn zu stellen, welche ihn zu der höchsten Thätigkeit im Dienste seines Vaterlandes führen kann. Wir haben in den beschränkten Gränzen eines Zeitungsartikels eine Frage anregen wollen, welche nach ihren verschiedenen Seiten hin so ziemlich in alle Lebensverhältnisse eingreift und die feinsten Rechtsdistinktionen hervor­ zurufen geeignet ist. Wir mußten uns daher auf Andeutungen beschränken; eine erschöpfende Behandlung derselben, welche wir uns je nach Umständen vorbehalten, führt in die Einzelnheiten20 der deutschen Gesezgebung und Staatsverwaltung, wo innerhalb der von uns eingehaltenen Gränzen man zwar Schwierigkeiten, nicht aber Hindernissen begegnet. Ehe wir schließen, kön­ nen wir uns nicht versagen, eine Idee auszusprechen, welche uns schon öfter beschäftigt hat, ohne daß wir sie in eine bestimmte Gestalt gebracht hätten; wir denken an ein Institut wie eine Akademie der Wissenschaften und Künste in deutschem Geiste. Wir beeilen uns vorauszuschicken, daß wir Alles hassen und namentlich undeutsch finden, was einer21 Autorität in der Wissenschaft oder gar einem offiziellen Charakter in derselben gleich steht. Dagegen fin­ den wir es unrecht, daß das Ausgezeichnetste in deutscher Wissenschaft und Kunst sich mühsam zu verdienter Anerkennung durchzuarbeiten habe durch die vielen Gränzpfähle seines Vaterlandes, an denen gar oft Scheelsucht und Intrigue Wache halten, – wir wünschten, hervorgegangen aus der freien Wahl der deutschen Hochschulen, eine Art wissenschaftlichen Areopags, von wel­ chem nach einem Turnus in den Ferienzeiten Ausschüsse etwa in Frankfurt a. M. zusammenträten, um über Leistungen in deutscher Wissenschaft und Kunst ihren Ausspruch zu thun, Ausgezeichnetes im Namen deutscher Wis­ senschaft zu krönen, um nach strengstem Gerichte ein deutsches Doktorat zu verleihen. Von Seiten der deutschen Regierungen bedürfte es zur Verwirkli­ chung dieses Gedankens weiter nichts als die Verwilligung der Mittel, um die Kosten reichlich zu decken. Wir unterlassen, diesen Gedanken hier weiter zu entwickeln und die Frage zu erörtern, ob und welche bürgerliche Folgen an 19 In der Römischen Republik hatten ursprünglich nur die Einwohner Roms das volle römische Bürgerrecht (civitas). Die mit Rom verbündeten Stämme waren als Bundesgenossen (socii) zu Waffenhilfe verpflichtet und genossen dafür den Schutz Roms, doch ihre Bevölkerung hatte kein römisches Bürgerrecht. Dieses erhielten die italischen Stämme erst nach dem Bun­ desgenossenkrieg von 91–89 v. Chr. Auf alle Bewohner des römischen Reiches wurde das Bürgerrecht erst im Jahr 212 n. Chr. übertragen. Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 1, Sp. 1199, Bd. 5, Sp. 245 f. 20 Broschürenfassung von 1864: Einzelheiten. 21 Broschürenfassung von 1864: eine.

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den Ausspruch jener wissenschaftlichen Jury sich etwa knüpfen könnten und sollten; vorerst genügt uns, denselben angeregt zu haben. Uns schiene es so recht deutsch, wenn die Wissenschaft, die schönste Blüthe deutscher Kraft, der einzige unverkümmerte Ausdruck deutscher Nationalität, zum Brenn­ punkte nationaler Entwicklung werden könnte. Wenn man uns die Frage stellt, wie wir meinen zu dem von uns angedeute­ ten Ziele zu gelangen, so weisen wir zunächst hin auf den deutschen Bund. Wir fänden in dem Umstande, daß etwas wirklich Nationales von diesem aus­ gienge, schon darum einen großen Gewinn, weil er das offizielle Organ Deutschlands ist; allein uns ist in allen Dingen mehr an der Sache, als an der Form gelegen. Wir würden daher auch den Weg der freien Vereinbarung durch sachkundige Kommissarien zu betreten rathen, wenn angenommen werden müßte, daß der Weg durch den deutschen Bund unüberwindliche Schwierigkeiten böte. Jedenfalls gehen wir davon als unzweifelhaft aus, daß jede auch nur theilweise Verwirklichung der gemachten Vorschläge ein we­ sentlicher Schritt wäre zu unserer nationalen Einigung. Ein Rückblick auf das von uns Ausgeführte zeigt uns, wie partikularistisch wir uns in den einzelnen Beziehungen des bürgerlichen Lebens nebeneinander bewegen, und doch ge­ stalten sich die Elemente nur dann zum Körper, wenn sie sich innig miteinan­ der verbinden. Der nationale Sinn eines Volkes ruht auf der Innigkeit seines bürgerlichen Lebens.

31. Pfordten an Pfistermeister1

HStA München, Geheimes Hausarchiv, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 27 a. Schrei­ ben. Behändigte Ausfertigung.

Eine wesentliche Reform des Bundes ist unmöglich und unnötig. Die Mängel, über welche man klagt, sind nicht in der Verfassung des Bundes begründet, sondern in dem Zwiespalt von Österreich und Preußen. Eine Reform der Gesinnung tut not, nicht der Verfassung. Der Deutsche Bund hat genug Macht, aber er weiß sie wegen des Gegensatzes von Österreich und Preußen nicht zu gebrauchen. Die Deutschen sind derzeit von der Bundesreform als einer fixen Idee beherrscht, die aber unausführbar ist. Bayern soll jedoch den Bundesreformversuchen nicht entgegentreten, sondern sie gewähren lassen. Nur eine Änderung ist ausführbar und wünschenswert: die Aufnahme von Österreich und Preußen mit allen ihren Gebieten in den Deutschen Bund, dadurch würde die Ohnmacht des Bundes in Europa beseitigt. Eine Vorbereitung dafür wäre ein Schutz- und Trutzbündnis zwischen Österreich, Preußen und dem Deutschen 1 Franz Seraph von Pfistermeister (1820–1912), 1849–1866 Hofsekretär des bayerischen Kö­ nigs; NDB, Bd. 24, S. 253; Bosl (Hrsg.), Bosls bayerische Biographie, S. 586; Große Bayeri­ sche Biographische Enzyklopädie, S. 1492.

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Bund. Das Delegiertenprojekt ist tot und man soll darauf nicht zurückkommen. Das deutsche Einheitsstreben und die „konstitutionelle Geistesrichtung“ werden sich nicht auf friedlichem Wege ändern.

Frankfurt am Main, 12. Juli 1863 Hochgeehrter Herr Hofrath! Die gnädige Aufnahme meiner Aufzeichnungen über die Morgengespräche im April durch Seine Majestät ist mir ein neuer Sporn für baldmöglichste Vollendung derselben. Wenn die Zeit, welche ich brauche, mit dem äußeren Umfange in Widerspruch steht, so bitte ich zu erwägen, daß gerade solche gedrängte Darstellungen viel mehr Nachdenken und Erwägen erfordern, und daß ich durch mein hiesiges Amt auch ziemlich in Anspruch genommen bin, namentlich durch die häufigen Fahrten nach Darmstadt und Wiesbaden. Fer­ ner trinke ich, da wir dieses Jahr keine Ferien haben, jetzt hier Homburger Brunnen2, und mußte in diesen Tagen wieder umziehen. Ich wohne jetzt im Hause der Frau v. Wendland3, das hoffentlich nicht verkauft wird. Bei Fortsetzung meiner Skizzen muß ich zunächst die deutsche Einheitsbe­ wegung behandeln, weil sie eine Grundlage der Erörterung über die Bundes­ reform bildet. Ich will daher heute einstweilen die in Ihrem Briefe vom 7ten d. M. aufgestellten Fragen ganz kurz beantworten. Ich bin trotz aller Bewegungen der letzten Jahre, oder vielmehr gerade um dieser willen, fortwährend der Ueberzeugung, daß eine wesentliche Reform des Bundes unmöglich ist. Die Gründe habe ich schon vor Jahren in München in einer Denkschrift für Seine Majestät dargelegt.4 So lange die jetzige Staatenbildung besteht, und insbesondere Oesterreich u. Preußen im Bunde sind, kann dieser nicht enger angezogen, nicht bundesstaatlicher gestaltet werden, und weder eine eigentliche Centralgewalt, noch ein wahres Parla­ ment enthalten. Eine wesentliche Reform ist auch gar nicht Bedürfniß. Die Mängel über welche man klagt, sind nicht in der Verfassung des Bundes be­ gründet, sondern lediglich in dem Zwiespalt von Oesterreich u. Preußen. Eine Reform der Gesinnung thut noth, nicht der Verfassung. Die Unthätigkeit des 2 Pfordten machte eine Kur mit Mineralwasser aus dem Kurort Bad Homburg im Taunus. 3 Im Frankfurter Adreßbuch von 1863 ist eine Frau von Wendland nicht verzeichnet. Es handelt sich möglicherweise um Luise Wilhelmine Vreede (1819–1901), die 1851 in Frankfurt den österreichischen Diplomaten und Berater von König Maximilian II., August Freiherr von Wendland (1806–1884), geheiratet hatte. Wendland war von 1850 bis 1866 bayerischer Ge­ sandter in Paris. Vgl. Adress-Handbuch von Frankfurt am Main 1863, S. 390; Schärl, Zusam­ mensetzung, S. 345. 4 Wahrscheinlich bezieht sich Pfordten auf seine „Denkschrift über die Reform des Deutschen Bundes“ vom Juni 1856, siehe QGDB III/2, Dok. 101, S. 440–454.

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Bundes im J. 1859 war nicht Folge der Militärverfassung, sondern der Weige­ rung Preußens. So ist es auch mit dem, was Seine Majestät ganz richtig als einen Hauptgrund für die deutsche Einheitsbewegung erkannt hat, nämlich mit dem geringen Einflusse Deutschlands in der großen Politik und dem ge­ ringen Schutze der Deutschen im Auslande. Einfluß, Achtung, Sicherheit und Schutz der Angehörigen erreicht jeder Staat im Verhältnisse seiner Macht und der Fähigkeit diese zu gebrauchen. Macht hat der deutsche Bund genug, zu Lande die größte in Europa; aber gebrauchen kann er sie nicht, und zwar nicht etwa um seiner Verfassung willen, welche die größte Aktion gestatten würde, sondern deshalb weil Oesterreich und Preußen sich entgegenstehen. Wenn jemand acht Pferde hat, aber vier vor und vier hinter den Wagen spannt, wird er die kleinste Last nicht von der Stelle bringen, und ein anderer mit ei­ nem einzigen Pferde wird sie leicht fortbewegen. Was uns noth thut, ist also Einigung zwischen Oesterreich u. Preußen; gelingt diese, so wird der deut­ sche Bund Europa beherrschen, gelingt sie nicht, so wird er sich auflösen, und Deutschland ein nur geschichtlicher Begriff werden. Einmüthige Gesin­ nung – das ist die einzig nöthige und mögliche Bundesreform. Alles andere ist Idealismus, Schwärmerei, Phrase oder Heuchelei, und kann höchstens zur Auflösung des Bundes führen. Damit will ich aber nicht sagen, daß jetzt Bayern sich zu dieser Ueberzeu­ gung bekennen, und sich von den Reformprojekten lossagen oder ihnen ent­ gegentreten soll. Man kann Kranke nicht als Gesunde behandeln, zumal Gei­ steskranke, und die Deutschen sind jetzt von der Bundesreform als einer fixen Idee beherrscht. Da aber fixe Ideen bekanntlich den Verstand nicht aufheben, so ist zu hoffen, daß auch die Deutschen wieder zu Verstande kommen, wenn sie sich durch das Scheitern aller ehrlichen und ungehinderten Versuche von der Unausführbarkeit ihrer fixen Idee überzeugen. Ich rathe also, daß Seine Majestät Selbst nicht die kostbare Zeit mit Ausdenken einer Bundesreform verlieren, aber jeden hierauf gerichteten Vorschlag Ihres Ministeriums, oder Oesterreichs oder anderer Regierungen gewähren und sich versuchen lassen, sofern darin zwei Grundsätze nicht verletzt sind: 1., daß in der neuen Bundesverfassung Oesterreich in ganz gleicher Weise Bundesglied ist, wie Preußen. 2., daß Bayern in jedem Bundesorgane eine selbständige Vertretung und Stimme hat. Diese beiden Forderungen werden von den Kammern und dem Volke in Bayern gebilligt werden, und sie reichen hin, jede für Deutschland oder ­Bayern verderbliche Reform abzuhalten. Nur eine Aenderung, nicht in der Verfassung, sondern in den Grundlagen des Bundes halte ich für ausführbar und höchst wünschenswerth – die Auf­ nahme von Oesterreich und Preußen mit allen ihren Besitzungen in den

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Bund. Dadurch würde für beide die Nöthigung zu gemeinschaftlicher Politik in Europa begründet, und die Ohnmacht des Bundes beseitigt. Eben darum wird freilich Preußen nicht dazu zu bewegen seyn, außer in großer Noth, und die europäischen Mächte, namentlich Napoleon, würden dagegen seyn. Aber die Mittelstaaten müssen dies wünschen, u. darnach streben. Eine Vorbe­ reitung dafür wäre ein Schutz- und Trutz-Bündniß zwischen Oesterreich, Preußen und dem Bunde für eine Reihe von Jahren, ähnlich wie es im Früh­ jahr 1854 geschlossen wurde.5 Die polnische Frage könnte den Anlaß dazu bieten.6 Das Delegirtenprojekt ist für jetzt todt, und ich halte es für unräthlich dar­ auf zurückzukommen. Will man aber einen neuen Versuch mit einer Volks­ vertretung am Bunde machen, so muß man dabei bleiben, Delegirte der Ein­ zelkammern zu senden, nur nicht blos als berathende Versammlung für speci­ elle Zwecke, sondern mit entscheidender Stimme für die Bundesfinanzen und Bundesgesetzgebung. Der Nationalverein hätte damals von Bundeswegen bekämpft werden sol­ len, als Darmstadt dies anregte.7 Jetzt ist er weniger gefährlich, so lange in Preußen die starre Reaktion herrscht. Dagegen sollte man einschreiten, wenn in öffentlichen Versammlungen zur Gewalt und zur Revolution aufgefordert wird, wie kürzlich in Mannheim beim Schützenfeste.8 Leider wird auch 5 Am 20. April 1854 hatten Österreich und Preußen ein Schutz- und Trutzbündnis für die Dauer des Krimkriegs geschlossen, worin sich beide Mächte zur gemeinsamen Verteidigung ihres gesamten deutschen und außerdeutschen Gebietes verpflichteten. Der Deutsche Bund trat dem Bündnis am 24. Juli 1854 bei. Vgl. dazu QGDB III/2, S. 368, Anm. 1; Huber, Deutsche Ver­ fassungsgeschichte, Bd. 3, S. 224–247; Baumgart, Österreich und Preußen im Krimkrieg; Druck des Vertrags und des diesbezüglichen Bundesbeschlusses in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 12–15. 6 Am 22. Januar 1863 hatte in Warschau ein Aufstand gegen die russische Herrschaft in Polen begonnen, der sich rasch über das ganze Land ausbreitete. Die polnischen Patrioten wandten sich damit gegen die Russifizierungspolitik in Polen und erstrebten nach dem Vorbild Italiens die Schaffung eines unabhängigen polnischen Nationalstaates. Die polnische Aufstandsbewe­ gung fand Unterstützung bei Frankreich und Großbritannien, während Preußen die russische Politik unterstützte. Die unterschiedlichen Positionen in der polnischen Frage führten im Som­ mer 1863 zu einem diplomatischen „Notenkrieg“ zwischen den europäischen Großmächten, eine von Napoleon III. angeregte Konferenz der Unterzeichner der Wiener Kongreßakte, in der ja der Status Polens als russisches Generalgouvernment fixiert worden war, kam nicht zustan­ de. Da auch Frankreich und England letztlich kein Interesse an einem militärischen Eingreifen zugunsten der Polen hatten, behielt Rußland freie Hand und konnte den Aufstand im Herbst 1863 niederschlagen. Vgl. dazu Baumgart, Europäisches Konzert, S. 363–370, Zitat S. 368. 7 Pfordten bezieht sich auf den Antrag des Großherzogtums Hessen in der Bundesversammlung vom 5. Januar 1861, den Nationalverein zu verbieten; siehe QGDB III/3, Dok. 70. 8 Vom 28. Juni bis 4. Juli 1863 fand in Mannheim das erste Badische Landesschießen statt, an dem mehr als 10 000 Menschen teilgenommen haben sollen. Vgl. Geschichte der Stadt Mann­ heim, Bd. 2, S. 384.

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dies nicht möglich seyn, so lange Oesterreich und Preußen sich bekämpfen, und dabei auf Popularität in Deutschland spekuliren. Wie lange das deutsche Einheitsstreben, und die constitutionelle Geistes­ richtung in Deutschland dauern wird, wage ich nicht zu sagen. Ich glaube aber, so lange, bis durch schweres Unglück, Kriege oder Revolutionen, die Menschen gedemüthigt, und zum Bedürfnisse starker Regierungen und der Erhaltung des Bestehenden geführt werden. Auf friedlichem Wege ändern sich jene Strömungen nicht; denn sie ruhen theils auf Idealismus, theils auf Egoismus; jener wird nur durch die realen Ereignisse, dieser durch die Noth überwunden. Ueber das Militärbudget und die Polenfrage schreibe ich morgen und über­ morgen besondere Briefe. Nach Kissingen zu kommen, bin ich natürlich bereit, wenn der König es befiehlt. Wird es aber nicht wieder viel unnützes Gerede und böses Blut ge­ ben? Jedenfalls bitte ich darauf zu achten, daß jeden Donnerstag Sitzung ist, und mir den Befehl zur Reise durch den Minister zukommen zu lassen. Mit vorzüglichster Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ergebenster Pfordten P. S. Ich danke sehr für die übersendeten Abschriften. Von der „Lage Europa’s“ habe ich eine Abschrift hier behalten.9

9 Es ist nicht ersichtlich, um welche Schrift es sich handelt. Schon 1859 war von Carl Vogt (1817–1895) die Schrift „Studien zur gegenwärtigen Lage Europas“ erschienen, die in einigen deutschen Staaten wegen ihrer kleindeutschen und propreußischen Tendenz verboten worden war (Digitalisat auf: http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10405611_ 00001.html). Zu Vogts Schrift siehe Rosenberg, Die nationalpolitische Publizistik, Bd. 1, S. 51; Marx/Engels Gesamtausgabe I/18: Werke, Artikel, Entwürfe Oktober 1859 bis Dezem­ ber 1860, S. 665 ff. – Nicht in Frage kommt die Publikation „Politische Skizzen über die Lage Europas vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart (1815–1867)“ von Georg Herbert Graf zu Münster (1820–1902), die erst 1867 erschien.

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  Einladung zum Fürstentag in Frankfurt 

32. Einladung Kaiser Franz Josephs von Österreich1 zum Fürstentag in Frankfurt

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/76, fol. 1 f. Behändigte Ausfertigung an König Wil­ helm I. von Preußen2. Gleichlautende Schreiben ergingen an die übrigen Monarchen und Regie­ rungen der im Deutschen Bund vertretenen Staaten. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 63; Die aus­ wärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 683  f.; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 129  f.; Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 190 f.

Der Kaiser lädt seine Bundesgenossen für den 16. August zu Beratungen über eine Reform der Bundesverfassung in Frankfurt ein.

Wien, 31. Juli 1863 Durchlauchtigst Großmächtiger Fürst, besonders lieber Bruder und Freund! Beseelt von dem Wunsche, zur Wohlfahrt Deutschlands beizutragen, und der Überzeugung Mich nicht verschließend, daß die Verfassung des deutschen Bundes in ihrem gegenwärtigen Zustande nicht mehr in genügendem Maße dem Zwecke entspreche, ein festes Band der Einigung für Deutschlands Für­ sten und Völker zu bilden, halte Ich es als Bundesfürst für Meine Pflicht, Meine ganze Sorgfalt von neuem der sich immer dringender gestaltenden Aufgabe einer zeitgemäßen Reorganisation des Bundes zuzuwenden. In der Hoffnung Mich hierin mit den Gesinnungen und Bestrebungen Meiner Bun­ desgenossen zu begegnen, habe Ich Mich entschlossen, Meinen sämmtlichen Mitverbündeten, den souveränen Fürsten und freien Städten Deutschlands, die Eröffnung einer gemeinsamen Berathung über die Frage vorzuschlagen, wie die deutsche Bundesverfassung unter Aufrechthaltung ihrer wesentlichen Grundlagen, aber zugleich unter wohlerwogener Berücksichtigung der politi­ schen Bedürfnisse der Gegenwart neu befestigt und ausgebildet werden könn­ te. Sowohl die hohe Wichtigkeit dieser Frage, als die Erwägung, daß die Lö­ sung der vielfachen mit derselben verbundenen Schwierigkeiten einem un­ mittelbaren Meinungsaustausche zwischen den Souveränen leichter, als einer Unterhandlung durch Bevollmächtigte gelingen könne, haben Mir zugleich den Wunsch eingegeben, es möge Meinen erhabenen Verbündeten genehm sein, Sich in Person mit Mir zu der gedachten Berathung zu vereinigen. Eure Majestaet zu einer solchen Versammlung einzuladen, ist die Bestimmung des gegenwärtigen Schreibens. Auf Kräftigung des Bundesprincips gerichtet, würde der Zweck dieser Zusammenkunft schon in der Wahl des Ortes einen 1 Franz Joseph I. (1830–1916), Kaiser von Österreich, regierte seit 1848; NDB, Bd. 5, S. 361– 364; ÖBL, Bd. 1, S. 351 f.; Brandt, Franz Joseph I. von Österreich. 2 Wilhelm I. (1797–1888), seit 1858 Regent, seit 1862 König von Preußen; ADB, Bd. 42, S. 517–692.

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Österreichisches Promemoria

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passenden Ausdruck finden, wenn diese Wahl auf die Bundesstadt Frankfurt fiele, und Ich würde es daher Eurer Majestaet Dank wissen, wenn es Höchst­ denselben gefallen würde, Mir in der genannten Stadt, wohin Ich Mich am 16. August d. J. zu begeben die Absicht hege, zu dem bezeichneten heilsamen und der Mitwirkung Eurer Majestaet so würdigen Werke als Bundesgenosse und als Freund der Sache Deutschlands die Hand zu reichen. Indem Ich die Versicherung hinzufüge, daß Eurer Majestaet Zustimmung zu diesem Vor­ schlage Mir zu hoher Genugthuung gereichen werde, ergreife Ich zugleich mit Vergnügen auch diesen Anlaß um Höchstdenselben die Versicherungen der vollkommensten Hochachtung und aufrichtigen Freundschaft zu erneu­ ern, womit Ich bleibe 3Eurer Majestät freundwilliger Bruder und Freund Franz Joseph3

33. Österreichisches Promemoria für König Wilhelm I. von Preußen

GStA PK Berlin, MdA I, Nr. 2010/65, fol. 2–11. Originalausfertigung. Abschriften: ebd., fol. 12– 19, 20–27, 28–35; GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 152–159; GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 81, Wien II, Nr. 322, Vol. 1. Druck: Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalen­ der, Jg. 4, 1863, S. 47–51; Staatsarchiv, Bd. 8, S. 63–68; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 688–693; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 135–139.

Die Bundesverträge sind in ihren Fundamenten erschüttert, und die Lage des Bundes ist chaotisch. An der vollen Berechtigung des Verlangens nach einer Bundesreform darf nicht gezweifelt werden. Für Österreich und Preußen liegt es im eigenen Interesse, den Bund, der das Zentrum Europas bildet, in lebensfähigem Zustand zu erhalten. Österreich ist sich darüber vollkommen klargeworden. Der Kaiser von Österreich erkennt vollkommen an, daß die deutsche Nation mit Recht eine Neugestaltung ihrer politischen Verfassung erwartet. Das Föderativprinzip bildet die einzig mögliche Grundlage für die politische Verfassung Deutschlands. Einrichtungen wie eine einheitliche Spitze und ein Parlament widerstreben der Natur des Bundes und führen in den Abgrund. Wer sie vorschlägt, will die Spaltung Deutschlands und den Übergang zu einem Einheitsstaat. Der Deutsche Bund muß sich künftig als ein Bund der deutschen Fürsten und Völker darstellen. Österreich wird die Bildung eines Bundesdirektoriums und einer Vertretung von Abgeordneten der Einzelstaaten vorschlagen. Zur Wahrung des monarchischen Prinzips denkt die österreichische Regierung an periodische Vereinigungen der deutschen Souveräne. Ferner wird sie auf den Vorschlag eines Bundesgerichts zurückkommen. Um eine Verständigung über die Reform zu erreichen, sollen die Verhandlungen durch die Fürsten „in eigener Person“ geführt 3–3 Eigenhändig von Kaiser Franz Joseph.

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Gastein, 3. August 1863

werden. Preußens Mitwirkung bei der Reform ist unerläßlich, da sonst der Verfall des Bundes nicht behoben werden kann. Notfalls müßten die Bundesreformen „im Bereiche der eigenen Staaten“ ausgeführt werden.

[Gastein, 3. August 1863]1 Promemoria für Se Majestät den König von Preußen. I. Je unsicherer die Lage Europas sich gestaltet hat, desto unabweislicher tritt an die Deutschen Fürsten die Aufgabe heran, Angesichts der inneren und ­äußeren Gefahren, welche Deutschland bedrohen, sich rechtzeitig einer haltbaren Stellung zu versichern. Eine solche Stellung kann unter den Verhältnissen, die sich in den letzten Jahren ausgebildet haben, augenscheinlich nicht mehr einfach auf die beste­ hende Bundesverfassung gegründet werden. Seit lange [sic] sind die Bundes­ verträge von 1815 und 1820 in ihren Fundamenten erschüttert. Eine Reihe zusammenwirkender Thatsachen hat das Gebäude dieser Ver­ träge allmälig immer tiefer untergraben. Der ganze Gang der inneren Entwic­ kelung Deutschlands während des letzten Jahrzehents hat auf die Institution des Bundes in ihrer bisherigen Gestalt so ungünstig als möglich eingewirkt. Theils hat die Unfruchtbarkeit aller Bemühungen, durch den Bund die ge­ meinsamen Interessen zu fördern, den Bund in der allgemeinen Meinung ent­ werthet, theils haben die Bedingungen, unter welchen die Bundesverträge ge­ schlossen wurden, durch die politischen Ereignisse der Neuzeit folgenreiche Veränderungen erfahren. In Oesterreich wie in Preußen sind neue Staatsein­ richtungen geschaffen worden, Einrichtungen, welche auf das Verhältniß ­beider Monarchien zum Bunde einen mächtigen Einfluß ausüben müssen, bis jetzt aber noch jeder Vermittelung und jedes regelmäßigen Zusammenhanges mit dem Organismus des Bundes entbehren. Auch alle anderen deutschen ­Regierungen haben wiederholt und feierlich das Bedürfniß einer gründlichen Neugestaltung der Bundesverfassung anerkannt. So hat sich denn in Deutsch­ land unaufhaltsam ein fortschreitender Prozeß der Abwendung von dem be­ stehenden Bunde vollzogen, ein neuer Bund aber ist bis heute nicht geschlo­ ßen, und das Facit der neuesten deutschen Geschichte ist somit zur Stunde nichts als ein Zustand vollständiger Zerklüftung und allgemeiner Zerfahren­ heit. Man denkt in der That nicht zu nachtheilig von diesem Zustande, wenn man sich eingesteht, daß die deutschen Regierungen im Grunde schon jetzt nicht mehr in einem festen gegenseitigen Vertragsverhältnisse zusammen­ 1 Das undatierte Promemoria wurde dem König von Preußen am 3. August 1863 in Gastein übergeben; siehe dazu den Erlaß von Bismarck an Werther vom 14. August 1863 (Dok. 43).

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Österreichisches Promemoria

Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916)

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König Wilhelm I. von Preußen (1797–1888)

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stehen, sondern nur noch bis auf Weiteres im Vorgefühle naher Katastrophen nebeneinander fortleben. Die deutsche Revolution aber, im Stillen geschürt, wartet auf ihre Stunde. Diese Wahrheiten, beklagenswerth wie sie sind, würden doppelt gefährlich sein, wenn man die Augen vor ihnen verschließen oder sich ihnen, wie einem unabänderlichen Verhängnisse ohne einen entschlossenen Versuch der Ab­ hilfe unterwerfen wollte. Weise Regierungen werden allerdings nicht frei­ willig einen Augenblick der Gefahr und Krisis wählen, um an den Resten ei­ ner zwar wankend gewordenen, aber noch nicht durch neue und vollkomme­ nere Schöpfungen ersetzten Rechtsordnung zu rütteln. Aber fast wie Ironie müßte es klingen, wollte man diesen an sich richtigen Satz auf den status quo der deutschen Bundesverhältnisse anwenden. Dieser status quo ist schlecht­ hin chaotisch. Der Boden der Bundesverträge schwankt unter den Füßen des­ sen, der sich auf ihn stellt, der Bau der vertragsmäßigen Ordnung der Dinge in Deutschland zeigt überall Risse und Spalten, und der bloße Wunsch, daß die morschen Wände den nächsten Sturm noch aushalten mögen, kann ihnen die dazu nöthige Festigkeit nimmermehr zurückgeben. Weder Oesterreich noch Preußen, noch die übrigen deutschen Staaten kön­ nen sich mit irgend einem Grade von Vertrauen auf den Bund in seinem jetzi­ gen Zustande stützen. Je deutlicher sie dieß erkennen, desto weniger dürfen sie an der vollen Berechtigung des Verlangens nach einer Reform, durch wel­ che das Bundesprincip mit neuer Lebenskraft erfüllt würde, zweifeln. Prüfe man nur mit Unbefangenheit die Stimmen, welche in unseren Tagen diesen Ruf erheben! Sie ertönen heute nicht mehr aus dem Lager der destruk­ tiven Parteien, dort wird im Gegentheil jede Hoffnung auf eine gesetzliche Reform der deutschen Bundesverfassung verschmäht und verspottet, denn der Radikalismus weiß, daß seine Erndte auf dem durch keine heilsamere Saat befruchteten Felde reift. Die deutschen Regierungen selbst sind es heute, wel­ che ihr Heil in der Reorganisation des Bundes erblicken. In den Kammern sind es die gemäßigten Parteien, welche zu diesem Ziele mit Ungeduld hin­ drängen, weil sie fühlen, daß je länger die Reform hinausgeschoben wird, um so weitergehende Forderungen sich hervorwagen und im Volksgeiste Unter­ stützung finden werden. Es ist der Trieb der Selbsterhaltung, welcher den Re­ gierungen und den Kammern diese Richtung zeigt. Oesterreich und Preußen aber sollten nicht bloß um ihrer deutschen Verbündeten willen einem so ge­ rechten Verlangen entgegenkommen, sondern auch im eigenen Interesse sich daran erinnern, daß sie es sich selbst und der Welt schuldig sind, die größten Anstrengungen und Opfer nicht zu scheuen, um den Bund, der das Centrum Europa’s bildet, im lebensfähigen Zustande zu erhalten. Was Oesterreich betrifft, so ist es sich über diesen Punkt vollkommen klar geworden. Die kaiserliche Regierung ist mit festem Willen, wenn auch mit

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jener äußersten Vorsicht, die ihren Grundsätzen und Traditionen entspricht, an die Frage der Ausbildung der Bundesverfassung und besonders an die schwierige Aufgabe, die gesetzgebende Gewalt des Bundes zu organisiren, herangetreten. Sie hat den folgenreichen Schritt, die Vertretungen der Einzel­ staaten zur Theilnahme an den Bundesangelegenheiten zu berufen, zunächst nur in der Form einer vorübergehenden Maßregel, eines erst durch die Er­ fahrung zu bewährenden Versuchs in Vorschlag gebracht. Erst die Ablehnung ihres Antrags auf eine Delegirtenversammlung2 ad hoc hat sie genöthigt, um so entschiedener ihre Mitwirkung zu einer organischen Reform in Aussicht zu stellen. Seitdem ist Oesterreichs Wort für ein ernstes Streben nach diesem Ziele verpfändet, und der Kaiser fühlt Sich gedrängt, dieses Versprechen ein­ zulösen. Der Kaiser hat dem eigenen Reiche zeitgemäße Institutionen ver­ liehen, Er erkennt vollkommen an, daß auch die deutsche Nation in ihrer ­Gesammtheit mit Recht eine Neugestaltung ihrer politischen Verfassung er­ wartet, und Er hält es als Fürst des Bundes für Pflicht, Seinen Mitfürsten of­ fen darzulegen, was Er in dieser Beziehung für möglich hält und für Seinen Theil zu gewähren bereit ist. II. Oesterreichs Reorganisationsvorschläge können nur auf dem mit voller Klar­ heit und Entschiedenheit festgehaltenen Föderativprincip beruhen. Manches hat sich in Europa seit 1815 verändert, aber heute wie damals bietet die durch die Auflösung des deutschen Reiches zur Nothwendigkeit ge­ wordene, durch die europäischen Verträge sanktionirte Bestimmung, daß die deutschen Staaten unabhängig und durch ein Föderativband vereinigt sein werden, die einzig mögliche Grundlage für die politische Verfassung Deutsch­ lands dar. Man kann dieser Wahrheit nicht direkt oder indirekt entgegenhan­ deln, ohne den festen Boden der Wirklichkeit zu verlieren. Man kann nicht von idealen Forderungen oder von Doktrinen, die einem specifischen Interes­ se künstlich angepaßt sind, den Maßstab für das Reformwerk entnehmen, ohne die Gegenwart einer ungewissen und von den augenscheinlichsten Ge­ fahren umringten Zukunft zu opfern. Eine dem Bundesprincip entgegenge­ setzte Richtung kann man in Deutschlands gemeinsamen Angelegenheiten nicht einschlagen, ohne bei jedem Schritte auf Warnungszeichen zu stoßen und am Ende des Weges an einem Abgrunde anzukommen. Monarchische Staaten, zwei Großmächte unter ihnen, bilden den deutschen Staatenverein. Einrichtungen, wie eine einheitliche Spitze oder ein aus direkten Volkswahlen hervorgehendes Parlament, passen nicht für diesen Verein, sie widerstreben 2 Zu diesem Antrag vom 14. August 1862 siehe QGDB III/3, Dok. 140. Die Ablehnung erfolgte in der Sitzung der Bundesversammlung vom 22. Januar 1863, siehe oben Dok. 20.

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seiner Natur, und wer sie verlangt, will nur dem Namen nach den Bund oder das, was man den Bundesstaat genannt hat, in Wahrheit will er das allmälige Erlöschen der Lebenskraft der Einzelstaaten, er will einen Zustand des Über­ ganges zu einer kräftigen Unifikation, er will die Spaltung Deutschlands, ohne welche dieser Übergang sich nicht vollziehen kann. Solche Einrichtun­ gen wird Oesterreich nicht vorschlagen. Wohl aber hält es den Augenblick für gekommen, wo die Sorge für das Wohl Deutschlands gebieterisch verlangt, daß die Grundlagen, auf welchen der Bund ursprünglich errichtet wurde, ver­ stärkt, und das Föderativprincip gegenüber der schon dem Begriffe nach durch dasselbe beschränkten Souveränetät der Einzelstaaten mit erhöhter Kraft und Wirksamkeit ausgestattet werde. Der deutsche [sic] Bund ist als ein Bund der Fürsten geschloßen, er ist aber auch ausdrücklich als das an die Stelle des vormaligen Reiches getretene Nationalband der Deutschen aner­ kannt, und er wird sich künftig, um den Bedürfnissen unserer Epoche zu ent­ sprechen, mit Nothwendigkeit schon durch den Charakter seiner Verfassungs­ formen der Welt als ein Bund der deutschen Staaten als solcher, der Fürsten wie der Völker, darstellen müssen. Der Kaiser erblickt daher in der Kräfti­ gung der Exekutivgewalt des Bundes und in der Berufung der constitutionel­ len Körperschaften der Einzelstaaten zur Theilnahme an der Bundesgesetzge­ bung zwei in gleichem Grade unabweisbare und sich zugleich gegenseitig bedingende Aufgaben. Dieser Überzeugung hat die Regierung des Kaisers schon durch die Note an den Grafen von Bernstorff3 vom 2. Februar 18624, dann wieder durch die oben erwähnte Erklärung in der Bundestagssitzung vom 22. Jänner des gegenwärtigen Jahres Ausdruck verliehen. Die Grundlinien für ihren Reform­ plan sind somit bereits gezeichnet. Sie wird die Errichtung eines Bundes­ direktoriums und die periodische Einberufung einer Versammlung von Abge­ ordneten der Vertretungskörper der Einzelstaaten in Vorschlag bringen. Nicht verkennend, daß es starker Gegengewichte bedarf, um gegenüber dieser letz­ teren Einrichtung das monarchische Princip und die berechtigte Selbständig­ keit der Einzelstaaten gegen mögliche Übergriffe sicherzustellen, neigt sie sich zugleich zu dem Gedanken, daß die beste Garantie dieser Art und ein werthvolles Mittel zur Wahrung der fürstlichen Rechte und der hohen Stel­ lung der deutschen Dynastien in periodischen persönlichen Vereinigungen der Souveräne Deutschlands gefunden werden könnte. Auf den Vorschlag eines

3 Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873), 1861–1862 preußischer Außenminister nach lang­ jährigem Dienst als preußischer Gesandter, 1862–1873 Botschafter in London; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 308; ADB, Bd. 2, S. 486–488; NDB, Bd. 2, S. 136. 4 Siehe QGDB III/3, Dok. 107.

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Bundesgerichtes endlich wird sie unter angemessenen Modifikationen gleich­ falls zurückkommen. Dieß sind in den wesentlichsten Umrissen die Absichten des Kaisers in Be­ zug auf die Grundlagen einer heilsamen Lösung dieser ernsten Frage. Was aber die Mittel und Wege betrifft, um eine Verständigung der deutschen Re­ gierungen über die Frage der Bundesverfassung herbeizuführen, so begründet mehr als Eine Erfahrung die Besorgniß, daß es weder schriftlichen Unter­ handlungen der Cabinete, noch auch Conferenzen der Minister gegeben sein würde, die zahlreichen Schwierigkeiten dieses Unternehmens zu bemeistern. Die Frage der Reform berührt so vielfache Interessen, sie eröffnet das Feld der Discussion für so mannigfaltige unvereinbare Wünsche und Meinungen, daß die Summe der hemmenden und störenden Momente, der ängstlichen Zweifel, der unlösbaren Widersprüche leicht in das Unendliche anwachsen und jede Hoffnung auf Erfolg überwuchern würde, wenn man von bloßen Unterhändlern, die kein eigenes freies Verfügungsrecht zur Berathung mit­ brächten, den Sieg über alle jene Hindernisse und das Gelingen der Einigung erwarten wollte. Die deutschen Fürsten aber in eigener Person, die Träger der Rechte, um die es sich handelt, die höchsten Interessenten an Deutschlands Sicherheit und Wohlfahrt, von deutscher Gesinnung sämmtlich beseelt, wer­ den sich durch unmittelbaren Gedankenaustausch leichter und besser, als durch Mittelspersonen über die große Aufgabe verstehen. Im Geiste des ­Kaisers ist ­daher der Entschluß gereift, die Fürsten Deutschlands und die ­Magistrate der freien Städte zum Zwecke eines Einverständnisses über die Reorganisation des deutschen Bundes zu einer Zusammenkunft einzuladen, und der Kaiser eröffnet diese Absicht vor allen Anderen dem mächtigsten ­seiner deutschen Bundesgenossen, dem Könige von Preußen. III. Ohne Preußens bundesfreundliche Mitwirkung gibt es für die Aufgabe der Reorganisation des Bundes keinen definitiven Abschluß. Die preußischen Bundeslande umfassen ein Drittheil der deutschen Bevölkerung, sie erstrec­ ken sich von den östlichen zu den westlichen Grenzen Deutschlands, die Bundesverträge geben Preußen ein Recht des Widerspruchs gegen jede tiefer greifende Neuerung. Preußens Wille kann daher die Reform der Gesammt­ verfassung Deutschlands faktisch und rechtlich hindern. Um für die reine ­Negation in Deutschland das Feld zu behaupten, bedarf es nicht einmal der Größe und einflußreichen Stellung der preußischen Monarchie, selbst minder mächtige Staaten vermögen durch ihre bloße Enthaltung die sehnlichsten Wünsche, die lautersten Bestrebungen ihrer Bundesgenossen zu vereiteln. Preußens Veto hat jedenfalls diese verneinende Kraft. Wird es eingelegt, so kann sich der Bund in seiner Gesammtheit nicht aus seinem gegenwärtigen

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tiefen Verfalle erheben. Aber die Dinge sind in Deutschland so weit gediehen, daß ein absoluter Stillstand der Reformbewegung nicht mehr möglich ist, und die Regierungen, welche dies verkennen, werden sich zuletzt gezwungen se­ hen, die Hand an ein Werk der Noth zu legen, indem sie sich zur partiellen Ausführung der beabsichtigten Bundesreform im Bereiche der eigenen Staa­ ten entschließen, und zu diesem Zwecke unter Wahrung des Bundesverhält­ nisses ihrem freien Bündnisrechte die möglichst ausgedehnte Anwendung ge­ ben. Kann Preußen einer Eventualität entgegenzusehen wünschen, die eine so gänzliche Entfremdung von seinen deutschen Bundesgenossen in sich schlie­ ßen würde? Es ist wahr, die Anschauungen Preußens über Beruf und Bestim­ mung des deutschen Bundes haben sich in den letzten Jahren nur zu sehr von denjenigen, welche eben dargelegt wurden, unterschieden. Wir blicken in eine Zeit zurück, in welcher nicht Kräftigung und Belebung des Bundesprin­ cips, sondern dessen Zurückführung auf die Bedeutung eines bloßen – an sich unvollkommenen – Allianzverhältnisses als der leitende Gedanke der deut­ schen Politik Preußens hingestellt wurde. Allein die Ereignisse sind seitdem fortgeschritten, und vielleicht enthält ihr Gang für Preußen mehr als Einen ernsten Beweggrund, sich entschieden von Richtungen abzuwenden, welche zu keinem glücklichen Ziele geführt haben. Die Zukunft Deutschlands ist in ein gefährliches Dunkel gehüllt, durch Erinnerungen an die Vergangenheit hat der Kaiser Sich daher nicht abhalten lassen wollen, Seine Ansichten über die Mittel, den Blick in diese Zukunft aufzuhellen, vertrauensvoll Seinem erha­ benen Verbündeten von Preußen mitzutheilen. Er zählt auf die Weisheit und die Gesinnungsgröße des Königs, dem unmöglich entgehen kann, wie ganz anders geachtet und gesichert Deutschland seinen Platz unter den Völkern einnehmen, in wie hohem Grade sein Einfluß und seine Machtstellung sich steigern würden, wenn die Verfassung des Bundes in erneuter und den Anfor­ derungen der Zeit entsprechender Gestalt aus einer gemeinsamen Berathung und einem einmüthigen Beschlusse aller deutschen Fürsten hervorginge. Welche Erfahrungen auch die Folgezeit uns vorbehalten möge, dem Kaiser wird es stets zur Beruhigung gereichen, gegenüber dem Könige ausgespro­ chen zu haben, daß es heute noch von Preußens Entschließungen abhänge, den deutschen Bund wieder auf die Höhe seiner für die Nation und ihre Für­ sten, wie für Europa’s Frieden so unendlich wichtigen Bestimmung zu heben.

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34. Promemoria König Wilhelms I. von Preußen über die von Kaiser Franz Joseph gemachten Reformvorschläge

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 62–64. Promemoria (3. 8. 1863) mit eigenhändi­ gem Billet (4. 8. 1863) Wilhelms. Abschrift. Druck: Staatsarchiv, Bd. 9, S. 2–4; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 693 f., 696.

König Wilhelm stimmt der Notwendigkeit einer Bundesreform zu, hält aber die kurzfristige Einberufung eines Fürstenkongresses für bedenklich. Statt dessen sollte eine Ministerkonferenz zur vorläufigen Beratung zusammentreten, um die Reform vorzubereiten. Die Einberufung einer Delegiertenversammlung ist ebenfalls bedenklich, weil diese mit einer beratenden Funktion nicht zufrieden sein wird. König Wilhelm plädiert für ein gewähltes Parlament mit ausgedehnteren Befugnissen. Die Bildung eines fünfköpfigen Exekutivdirektoriums wird großen Schwierigkeiten begegnen. Die übereilte Einberufung eines Fürstenkongresses würde große Erwartungen wecken, für einen Mißerfolg würden die Monarchen verantworltich gemacht werden. König Wilhelm kann zudem aus gesundheitlichen Gründen in Frankfurt nicht teilnehmen.

Gastein, 3./4. August 1863 P. M. Auf die mir von M. dem Kaiser gemachte Vorlage in Betreff einer Reform des Deutschen Bundes fasse ich folgend meine mündlich gemachten Bemer­ kungen hier schriftlich zusammen, vorbehaltlich einer sofortigen Beleuchtung des mir übergebenen Memoirs. 1. Der Darstellung der Nothwendigkeit zu einer Reform des Deutschen Bundesverhältnisse zu schreiten, trete ich vollständig bei. 2. Die Absicht, einen Fürsten-Congreß dieserhalb zu berufen u. zwar schon zum 16. d. Mts in Frankfurt a/M halte ich in so kurz gestelltem Termin ein­ mal, und andrerseits an und für sich, für bedenklich, a) weil die betreffenden Fürsten sich gar nicht auf diesen unendlich weit­ tragenden Schritt vorbereiten können, und wenn dies auch durch einen weiter hinauszuschiebenden Termin noch einigermaßen möglich wäre, es: b) sehr gewagt ist, die Fürsten unter sich über einen Gegenstand berath­ schlagen zu lassen, der eine sehr reifliche Erwägung nach allen Seiten hin zur Nothwendigkeit macht, welche in einem so gestellten Collegi­ um unmöglich erscheint, wie dies die Erfahrung öfter bewiesen hat, da die Arbeitsfähigkeit dazu mangelt. Ich würde es daher durchaus vorziehen, daß zuerst die Minister der Staaten der 17 Bundestags-Stimmen zu einer solchen vorläufigen Berathung zusam­ menberufen würden, die diese Fragen geschäftsmäßig vorbereiteten, welcher Arbeit dann durch die zu convocirenden Fürsten die Sanction ertheilt werden könnte. Sr

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3. Die Zusammenberufung von Delegirten aus den bereits bestehenden Ständeversammlungen erscheint bei der Composition der Kammern vieler Bundesstaaten bedenklich, indem die daraus hervorgehenden Vertreter, wel­ che zu Hause beschließende Stimmen haben, mit berathender im Parlament niemals zufrieden sein, sondern nothwendig von Hause aus dahin streben würden, zu anderen Attributionen zu gelangen, so daß von vornherein die Ueberein­stimmung fehlen würde. Wenn dagegen für alle Bundesstaaten ein gleiches, durchaus conservatives Wahlreglement aufgestellt würde, so hätte man die Aussicht, ein conserva­ tives Parlament zu erhalten, welches sich die Kräftigung, aber nicht die Läh­ mung der Regierungen zur Aufgabe stellte, u. welchem ausgedehntere, als bloß berathende Befugnisse verliehen werden könnten. 4. Die Stellung eines Executiv-Directoriums von 5 Stimmen wird großen Schwierigkeiten wegen Bestellung der 3 Glieder außer Preußen u. Oesterreich begegnen, ohne das so nothwendige, schnelle, übereinstimmende Zusammen­ wirken sicher zu stellen. Die Zusammensetzung eines Directoriums wird we­ sentlich durch den Umfang der demselben zu gebenden Attributionen bedingt; je größer die Machtvollkommenheit des Directoriums würde, desto schwieri­ ger wird die Zustimmung der dabei betheiligten Staaten zu gewinnen sein. Schließlich muß ich noch gegen den unvorbereiteten u. übereilten FürstenCongreß zu bedenken geben, welchen Eindruck es machen würde, wenn der­ selbe unverrichteter Sache, vielleicht in größerer Uneinigkeit, auseinanderginge, als man zusammen gekommen war. Eine solche Vereinigung ist seit dem Wiener Congreß nicht da gewesen. Welches Aufsehen, welche Erwartungen muß dieser Apparat machen? Er muß daher auch ein sicheres Resultat verspre­ chen, u. darum ist eine, den Erfolg sichernde Vorbereitung unerläßlich. Je höher durch eine so außerordentliche Maßregel die Erwartungen ge­ spannt werden, um so leichter wird es der Revolution werden, das Ergebniß als ungenügend darzustellen und die betheiligen Monarchen hierfür persön­ lich verantwortlich zu machen. Gastein, 3. August 1863. Dies Pro Memoria begleitete ich mit folgendem eigenhändigen Billet. Gastein 4./8. 63. Anliegend sende ich das versprochene Résumé meiner Entgegnungen auf Deine Vorschläge wegen einer Bundesreform. Da dasselbe aufgesetzt war, ehe ich Dein officielles Schreiben zur Einladung nach Frankfurt a/M erhielt, so konnte ich dasselbe nicht mehr ändern, u. wird es nur noch mehr mein heutiges Telegramm an Dich motiviren, dem eine officielle Antwort folgt. Da mir, aus Gesundheitsrücksichten, ein Gegenbesuch in Wien ärztlich untersagt

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wurde, so gilt diese Untersagung noch viel mehr für eine geistige und körper­ liche Anspannung, wie die in Frankfurt a/M sein würde. Beherzige in Frank­ furt die Argumentationen, wie sie in Freundschaft geboten worden von pp. (gez.) Wilhelm.   König Wilhelm I. an Kaiser Franz Joseph 

35. König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 10 f. Persönliches Schreiben. Abschrift. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 68 f.; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 696 f.; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 130 f.; Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 191 f.

Der preußische König lehnt die Einladung zu einem Fürstenkongreß über die Bundesreform ab und schlägt statt dessen eine vorbereitende Ministerialkonferenz der 17 Mitglieder des Engeren Rates der Bundesversammlung in Frankfurt vor.

Gastein, 4. August 1863 Es gereicht mir zur lebhaftesten Genugthuung aus Eurer Majestät Schreiben vom 31. Juli zu ersehen, wie Euere Majestät mit Mir zu der Anerkennung des Bedürfnisses einer den Zeitumständen entsprechenden Reorganisation der Deutschen Bundes-Verfassung übereinstimmen und bin ich gerne bereit, ge­ meinsamen Berathungen über eine Aufgabe, welche mir jederzeit am Herzen gelegen hat, und die in der Mannigfaltigkeit der Wege, auf welchen ihre Ord­ nung bisher versucht worden ist, ebenso die Wichtigkeit wie die Schwierig­ keit der Letzteren erkennen läßt. Einer, in die Interessen meines Volkes und der gesammten deutschen Nation so tief eingreifenden Frage gegenüber, sind es zunächst zwei Erwägungen, welchen ich im Interesse der Sache selbst meine Entschließungen unterordne. Einmal kommt es darauf an, zu verhüten, daß das bestehende Maaß der Einigung vor jeder Gefährdung, durch das Streben nach einem festeren Ban­ de, bewahrt werde. In dieser Beziehung entnehme ich aus Euerer Majestät Absicht, die wesent­ lichen Grundlagen der Bundes-Verfassung zu erhalten, die Bürgschaft, daß das Gute, soweit es vorhanden, nicht ohne Sicherheit des Erfolges dem Stre­ ben nach Besserem geopfert werden wird. Meine zweite Erwägung ist die, daß die Erreichung des für die Zukunft gesteckten Zieles durch die Wahl des Weges wesentlich beeinträchtigt oder gefördert werden wird. Unsere Arbeiten würden meines Erachtens dadurch nicht erleichtert werden, daß wir sie mit einer Zusammenkunft der Souver­ aine beginnen. Es erscheint mir unerläßlich, daß einem so bedeutsamen Schritte, wenn er den gewollten Erfolg haben soll, eingehende Vorarbeiten

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und Conferenzen unserer Minister vorausgehen, über deren Ergebniß schließ­ lich von den Souverainen die Entscheidung zu treffen sein wird. Aus diesem Grunde glaube ich mir die Annahme der Einladung Euerer Majestät zum 16ten d. Mts. versagen und Euerer Majestät vorschlagen zu sol­ len, daß wir die Fragen, über welche von den Souverainen sämmtlicher Bun­ desstaaten zu beschließen sein wird, zunächst in Ministerial-Conferenzen der Vertreter der 17 Stimmen des engeren Rathes der Bundes-Versammlung be­ rathen und feststellen lassen. Mit der Wahl Frankfurt’s als Ort einer solchen Versammlung bin ich ein­ verstanden und indem ich mich freuen werde mit Euerer Majestät gemeinsam Hand an ein Werk zu legen, mit dessen Gelingen die Zukunft Deutschlands so innig verknüpft ist, ergreife ich pp. (gez.) Wilhelm

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GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/65, fol. 180 f. Eigenhändiges Schreiben. Beigefügt ein Promemoria (Abschrift ebd., fol. 182 f.). Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 243; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 707–710; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 131 (nur Schreiben); Staatsarchiv, Bd. 9, S. 4 f. (Promemoria).

Kaiser Franz Joseph bedauert die Ablehnung seiner Einladung zum Fürstenkongress durch König Wilhelm und bittet diesen nochmals inständig um die persönliche Mitwirkung bei dem Reformversuch. Sollte dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein, so regt er die Entsendung eines königlichen Prinzen an, damit Preußen bei dem Kongress vertreten ist. Es liegt vielfältiges Material für eine Reform vor, und die Ministerkonferenzen haben sich als unpraktisch erwiesen, deshalb sollen die Fürsten unmittelbar beraten und einen durchgreifenden Entschluß fassen. Die von Wilhelm angeregte Einberufung eines Parlaments auf der Grundlage eines einheitlichen konservativen Wahlreglements ist völlig unausführbar. Zudem entspricht dem Föderativverhältnis eine Delegiertenversammlung weit mehr als ein direkt gewähltes Parlament. Was die Bildung des fünfköpfigen Direktoriums betrifft, so könnte sämtlichen deutschen Fürsten durch eine passende Einrichtung grundsätzlich das Recht gewahrt werden, dazu gewählt zu werden.

Wien, 6. August 1863 Theuerster Freund. Aus Deinen telegraphischen und brieflichen Mittheilungen vom 4ten ersehe ich mit Leidwesen, daß Du Dich nicht für Annahme meiner Einladung nach Frankfurt entschieden hast.1 Ich bedaure dies so tief, daß ich mich wirklich 1 Siehe Dok. 34 und 35.

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schwer von der Hoffnung trennen kann, eine weitere Erwägung der Umstän­ de könnte Dich dennoch günstiger für meinen Vorschlag stimmen. Du bist mit mir darin einig, daß für Deutschlands Existenz und für die Be­ festigung der Throne energisch gehandelt werden muß, – die bloße Zweck­ mäßigkeits-Frage, ob Fürsten-Versammlung oder Minister-Conferenz sollte uns also wahrlich nicht scheiden! Ich meinestheils kann von dem Fürstencon­ greß nicht mehr zurücktreten, weil meine Schritte bereits geschehen sind, und weil ich von der Unfruchtbarkeit der Unterhandlungen durch Mittelspersonen in dieser Sache überzeugt bin. Ich bitte Dich nochmals inständig, Deine per­ sönliche Mitwirkung dem wichtigen Zwecke nicht zu entziehen. Wenn Dein Gesundheitszustand Dich abhält, nach Frankfurt zu kommen, so muß ich mich dieser Rücksicht freilich beugen, obgleich mir scheint, daß der freundli­ che und vertrauensvolle Verkehr, den wir in Frankfurt mit unseren Mitfürsten pflegen würden, keine schädliche Aufregung zur Folge haben könnte. Erfolg­ te demungeachtet ein ärztliches Verbot, so möchte ich lebhaft bevorworten, daß Du an Deiner Stelle einen königlichen Prinzen nach Frankfurt entsenden wolltest, damit Preußen dort nicht ohne Vertretung bleibe. Für den ungünsti­ gen Fall endlich bliebe mir nur übrig, zu versichern, daß ich in Allem, was in Frankfurt berathen werden könnte, Preußens Rechte und Stellung achten und seinen Antheil an den Beschlüssen offen halten würde. Einige Gegenbemerkungen gegen die Anlage Deines Briefes erlaube ich mir beizuschließen und bleibe mit nochmaligem Appell an Deine bundes­ freundliche Gesinnung Dein aufrichtig ergebener Bruder und Freund Franz Joseph [Promemoria] Aus dem Umstande, daß Majestät der König von Preußen die Ansichten des Kaisers über die Unerläßlichkeit einer Reform der deutschen Bundesver­ hältnisse als begründet anerkannt haben, schöpft der Kaiser die Hoffnung auf ein Einverständniß auch darüber, daß die Reformfrage eine außerordentliche, aus dem Geleise der früheren unfruchtbar gebliebenen Versuche heraustreten­ de Methode der Behandlung erheische. Des Königs Majestät erheben zwar gegen das vorgeschlagene Mittel einer persönlichen Besprechung der deutschen Fürsten den Einwand, daß es an der nöthigen Vorbereitung für eine so weittragende Berathung fehle, und daß es gewagt sei, die Fürsten auf die Gefahr hin, daß sie sich nicht vereinigen wür­ den, über einen Gegenstand in Person berathschlagen zu lassen, der nach ­allen Seiten hin so reiflich erwogen werden müsse. Allein da die deutsche Reformfrage seit Jahren nach allen Richtungen hin erwogen worden ist, da in den Kanzleien massenhaftes Material nutz- und fruchtlos aufgehäuft liegt, Se

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und da sich der Weg bloßer ministerieller Conferenzen noch jedes Mal als unpractisch erprobt hat, so wird man den Gedanken Sr Majestät des Kaisers begreifen, daß es sich nicht darum handeln könne, das schon so oft geschei­ terte Experiment weitaussehender Berathungen zu wiederholen, sondern daß den deutschen Fürsten unmittelbare Gelegenheit zu einem endlichen durch­ greifenden Entschluße geboten werden sollte. Eine Garantie für den gewünschten Erfolg wird allerdings niemals im Vor­ aus geboten werden können, aber jedenfalls dürften die Motive zur Einigung sich in einer Versammlung der Fürsten Deutschlands ungleich stärker geltend machen, als in einer abermaligen der Routine der Geschäftsmänner anheim­ gestellten Unterhandlung. Auf den Gegenvorschlag, zuerst eine Ministerconferenz und dann erst ei­ nen Fürstencongreß einzuberufen, dürfte ferner zu entgegnen sein, daß es des letzteren nicht mehr bedürfen würde, falls die erstere zum Ziele führte. Wenn der König in Bezug auf den Modus der Wahl des Vertretungskörpers am Bunde gegen die Wahl von Delegirten aus den bestehenden Ständever­ sammlungen Bedenken äußert, so soll nicht verkannt werden, daß, wenn in den letzteren ein oppositioneller Geist vorherrscht, dieser Geist auch in den Bundesverhältnissen große Schwierigkeiten wird hervorrufen können. Allein gegen solche Ausschreitungen werden directe Wahlen zu einem Bundesparla­ ment noch viel weniger ein Schutzmittel darbieten, da dem Vorschlage des Königs, ein gleiches durchaus conservatives Wahlreglement für alle Staaten aufzustellen, der Einwand völliger Unausführbarkeit entgegenstehen dürfte. Dem Begriffe eines Föderativverhältnisses entspricht jedenfalls die Vertre­ tung der Staatskörperschaften weit mehr als ein direct gewähltes Gesammt­ parlament, und zur Ausübung beschließender Befugniß in Bundesangelegenheiten dürfte eine Institution der ersteren Art sich unbedingt besser eignen, als eine mit den großen politischen Versammlungen in Wien und Berlin in keinem Zusammenhange stehende Repräsentativkörperschaft am Bunde. Was schließlich die Bildung des Direktoriums aus 5 Mitgliedern betrifft, so hat sich diese Combination Sr Majestät dem Kaiser nicht bloß aus inneren Zweckmäßigkeitsgründen, sondern besonders auch aus dem Grunde empfoh­ len, weil Oesterreich und Preußen zur Zeit der Dresdener Conferenzen bereits über das Princip eines Vollziehungsrathes von 5 Stimmen unter sich einig wa­ ren. Die Schwierigkeit, dem Direktorium den unbetheiligten Staaten gegen­ über ausgedehnte Befugnisse zu verleihen, läßt sich nicht in Abrede stellen, doch dürfte diesem Einwande die Spitze dadurch abgebrochen werden kön­ nen, daß grundsätzlich das Recht, zum Mitgliede des Direktoriums gewählt zu werden, sämmtlichen deutschen Fürsten durch eine passende Einrichtung gewahrt würde.

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GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 50. Schreiben. Abschrift. Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 710 f.; Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 250; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 131 f.

König Wilhelm bedauert, daß die Einladung zum Fürstentag nach Frankfurt erfolgte, bevor darüber ein Einverständnis zwischen Österreich und Preußen herbeigeführt war. Er glaubt nicht, daß der eingeschlagene Weg zum Erfolg führt und hält die Reformfragen nicht für reif zu einer Entscheidung auf einem Fürstenkongreß.

Gastein, 7. August 1863 Wenn ich auf die mir übersandten Gegenbemerkungen heute nicht geschäft­ lich eingehe, da wir eine so schwierige Frage in unserer Correspondenz doch nicht erschöpfen können, so habe ich doch Deinen Adjutanten nicht wollen abreisen lassen, ohne in diesen freundschaftlichen Zeilen mein wiederholtes Bedauern darüber auszusprechen, daß wir in einer so wichtigen Angelegen­ heit abweichender Meinung sind, und daß dieselbe amtlich eingeleitet wor­ den ist, bevor unser Einverständniß sicher gestellt war, wie dies das Datum des officiellen Einladungsschreibens beweiset. Ich kann mich nicht davon überzeugen, daß der eingeschlagene Weg der zum Ziele führende sei, und daß er mehr, oder auch nur eben so viel Aussicht auf günstige Erfolge gewähre, als die früher versuchten. Das würde sich auch nicht ändern, wenn ich an meiner Stelle einen der Königlichen Prinzen ent­ senden wollte, und ein solcher würde sich außerdem, als Bevollmächtigter in der Mitte von Souverainen die in eigenem Namen sprechen, in einer falschen Stellung befinden. Ich glaube allerdings auf die Zweckmäßigkeitsfrage großes Gewicht legen zu müssen, da von ihr das Ergebniß in der Sache selbst wesentlich abhängt. Da die Fragen, um welche es sich handelt, seit länger als 13 Jahren (Dres­ den)1 in Ministerial-Conferenzen nicht besprochen, und namentlich zwischen unseren beiden Cabineten seitdem nicht Gegenstand der Verhandlung ge­ wesen sind, so halte ich sie nicht für reif zur Entscheidung durch einen Für­ sten-Congreß, und muß es daher um so mehr bedauern, daß Du glaubst, von demselben nicht mehr zurücktreten zu können. Indem ich mir eine geschäftliche Beantwortung des Memoires der letzten Gegenbemerkungen vorbehalte, bleibe ich in freundschaftlicher und bundes­ freundlicher Gesinnung pp. (gezeichnet) Wilhelm. 1 Wilhelm bezieht sich auf die Dresdener Ministerialkonferenz von 1850/51. Siehe dazu QGDB III/1.

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Philipp von Künßberg-Mandel zum Fürstentag

Nr. 38

38. Artikel des Freiherrn Philipp von Künßberg-Mandel1 zum Fürstentag

Extrabeilage zu Nr. 136 der Fränkischen Volks-Zeitung2 1863, gedruckt in Schärtels Buch­ druckerei in Nürnberg; HStA Weimar, Außenstelle Gotha, Dep. I. Loc. 5*b, Nr. 8, fol. 80 f.; HHStA Wien, PA I 528. Nachlaß Rechberg. Frankfurter Fürstentag, fol. 2–7 (3 Exemplare).

Deutschland ist von Gefahren aller Art umringt, die es nur durch die endliche Herstellung seiner Einheit abwehren kann. Dazu muß es die starke Hand des Kaisers erfassen. Nur wenige deutsche Fürsten sind aus Patriotismus und Enthusiasmus der Einladung zum Fürstentag gefolgt. Das erschwert es dem Kaiser, den Grundstein zu einem Neubau der deutschen Verfassung zu legen, dessen Zinnen am Ende wieder die deutsche Kaiserkrone zieren muß. Unerläßlich sind die Abschaffung des alten unfähigen Bundestags, die Bildung einer Reichszentralgewalt und einer einheitlichen Armee, die Berufung eines direkt gewählten Parlaments, die Gründung einer deutschen Marine und die Wiedereinführung der deutschen Reichsfarben.

Nürnberg, August 1863  [Nürnberg, August] 1863 Der Congreß der deutschen Fürsten und die Forderungen der deutschen Nation. Kurze Beleuchtung der hochwichtigen Tagesfrage von Freiherrn Ph. von Künßberg-Mandel Die gesammte deutsche und außerdeutsche Presse beschäftigt sich mit dem Epoche machenden Ereigniß, mit dem in den nächsten Tagen stattfindenden, von dem Kaiser Franz Joseph II. [sic] von Oesterreich einberufenen Fürsten­ tag, der zu Frankfurt, der Krönungsstadt der deutschen Kaiser, tagen wird. Von den Cabineten großer und kleiner Herren, von den Salons der Staatsmän­ ner und Diplomaten, durch alle Schichten des Volkes, bis herab in die ein­ fache Kneipe der Arbeiter, hat dieses Ereigniß alle Gemüther in Bewegung gesetzt und die Verzagenden mit neuem Muth und neuer Hoffnung belebt! – In der That ist dasselbe an und für sich von hoher Bedeutung und Wichtigkeit und kann nur mit Freuden begrüßt werden, selbst dann, wenn auch die unmit­ telbaren und sichtlichen Erfolge nicht die sind – welche der wahre deutsche Patriot wünscht und erheischt, selbst dann, wenn die Erfolge noch hinter den gebietenden Forderungen der Zeit und unserer Tage zurückbleiben. Die Grün­ 1 Philipp Freiherr von Künßberg-Mandel (* 1822) entstammte einer weitverzeigten bambergi­ schen Adelsfamilie und war Rittmeister in der österreichischen Armee sowie Mitglied des großdeutschen Reformvereins. Vgl. Pierer’s Universal-Lexikon, Bd. 9, S. 892; Gothaisches geneaologisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser, Jg. 15, 1865, S. 531; Gothaisches ge­ neaologisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser, Jg. 8, 1858, S. 342. 2 Die Fränkische Volks-Zeitung erschien von 1863 bis 1864 in Nürnberg. Siehe: https://www. deutsche-digitale-bibliothek.de/item/W73272ACT352HLHQ7FJROT3D4SE4KLG4.

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de für diese Behauptung liegen in der Natur der Sache, denn immerhin trägt doch der Congreß und die in demselben zu pflegenden Verhandlungen viel zur Klärung der Situation, zur Reife der Krisis bei, in welcher sich das deut­ sche Volk befindet und die nun aber doch einmal durchgemacht werden muß. Welcher Partei wir auch im politischen Wirrwarr und Treiben unserer be­ wegten Zeit angehören mögen, wir müssen, will man nicht in unsinniger und hirnloser Weise im unberechtigten Haß und Vorurtheil Augen und Ohren ge­ waltsam verschließen, – die seit 1859 von Oesterreich gemachten Anstren­ gungen und Fortschritte, seine gesunde und kräftige constitutionelle Entwick­ lung mit wahrer Bewunderung und inniger Freude betrachten, wie umgekehrt mit Entrüstung und Schmerz die ebenso raschen Rückschritte Preußens, das sich immer mehr und mehr dem deutschen Vaterland entfremdet und Wege einschlägt, die es nothwendig zum zweitenmale in diesem Jahrhundert – an den Rand des Verderbens führen müssen! Deutschland ist von Gefahren aller Art umringt, die es nur durch die end­ liche Herstellung seiner Einheit abwehren kann, unter den gegebenen Verhält­ nissen muß es also vertrauensvoll die gebotene starke Kaiserhand erfassen und durch sie die Rettung aus der Noth erhoffen! Die meisten der deutschen Fürsten haben, wenn auch noch nicht vollkom­ men, so doch theilweise die gefahrvolle Lage – ihrer eigenen Interessen – er­ kannt und sind daher willig dem Rufe des Kaisers nach Frankfurt gefolgt! Es wäre Unkenntniß der wahren Sachlage oder, was schlimmer, erbärmli­ che, gemeine Schmeichelei und Kriecherei, wollte man behaupten, daß sie alle dem Rufe des Kaisers folgten aus Patriotismus, aus Enthusiasmus für Wiederherstellung der alten deutschen Reichs-Einheit, aus Schwärmerei für die „schwarz-roth-goldenen“ Farben oder für den alten deutschen Reichsad­ ler! – Nein! diese deutschen Fürsten der Mittel- und Kleinstaaten, welche aus solchem Beweggrunde nach Frankfurt ziehen, sind nur in sehr geringer Zahl auf dem Fürstentag vertreten, und dieser traurige Umstand ist es, welcher auch dem3 Kaiser in Frankfurt die sich gestellte Aufgabe sehr erschweren wird, will er wirklich den Grundstein zu einem Neubau in der deutschen Ver­ fassung legen, der den durch die zwingenden Verhältnisse gebotenen Riesen­ bau für alle Zeit zu tragen vermag und dessen Zinnen4 doch wieder, wenn der Bau einmal fertig dasteht, die deutsche Kaiserkrone zieren muß! – Wir ­wissen noch nicht, wie dieser Grundstein beschaffen ist, den die deutschen Fürsten in Frankfurt legen wollen, wissen aber wohl, wie jener beschaffen ist, den das deutsche Volk, die gesammte deutsche Nation gelegt gesehen wünscht! Dieser trägt die Inschrift: Abschaffung des alten unfähigen, that- und rathlosen 3 Emendiert. Vorlage: den. 4 In der gedruckten Vorlage ursprünglich: Zimmer. Von Hand verbessert in: Zinnen.

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Philipp von Künßberg-Mandel zum Fürstentag

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Bundes­tags, an dessen Stelle, eine Reichscentral- und Exekutivgewalt und einheitliche Armeeorganisation, Berufung und Gründung eines aus direkten Wahlen hervorgegangenen Parlaments, Gründung einer deutschen Seewehr, und endlich Anerkennung und Wiedereinführung der deutschen Reichsfarben und des deutschen Reichsadlers, wie dieß schon durch Beschluß der Bundes­ versammlung am 9. März 1848 geschehen war!5 Dieß sind die Grundzüge dessen, was die ganze deutsche Nation erstrebt, zu verlangen berechtigt, und auch verlangt, und sind jene, welche die deut­ schen Fürsten gewähren wollen, von diesen allzuweit entfernt, – dann taugt der Grundstein nichts, und es ist besser – er wird gar nicht gelegt! – Immer­ hin aber hat, auch selbst für diesen unglücklichen Ausgang, der Congreß sei­ ne Bedeutung und einen nicht zu verkennenden Werth für die Entwicklung der deutschen Krisis! Am Schluß unserer Betrachtungen erinnern wir uns dankbar des Besuches des Herzogs von Coburg-Gotha in Wien, dem jedenfalls und mindestens doch so viel zu danken ist, daß man in Wien die Idee eines Fürsten-Congresses faßte und sich mehr mit der hohen Wichtigkeit und dem großen Bedürfniß, endlich einmal ernstlich die deutsche Frage zu behandeln, vertraut machte, als dieß vorher der Fall war.6 Wir haben in dem Vorgesagten die Grundzüge einer deutschen Verfassung besprochen und die Wichtigkeit des großen Ereignisses im allgemeinen, wel­ ches nach 200 Jahren nun zum ersten Male wiedergekehrt ist7, haben aber noch kein Wort des Schmerzes geäußert, der jeden wahren Deutschen ergreift, gedenkt er der nicht endenwollenden Schmach und Ehrenkränkung, die Deutschland in Schleswig-Holstein täglich von dem kleinen, übermüthigen Dänemark erfährt! Wir dürfen wohl hoffen, daß der Congreß deutscher Für­ sten auch diese brennendste Ehrenfrage für Deutschland in den Kreis seiner Berathungen zieht und daß aus dem Rath endlich für die geknechteten deut­ schen Provinzen – eine That entspringt! 5 Bundesbeschluß über die Wappen und Farben des Deutschen Bundes vom 9. März 1848, ProtDBV 1848, § 137, Druck in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsge­ schichte, Bd. 1, S. 329. 6 Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha war im Juni 1863 nach Wien gereist und ­hatte dort Gespräche über die deutsche Reformfrage geführt. Daß davon der Anstoß zum Für­ stentag ausgegangen sei, läßt sich aus den Akten nicht belegen. Siehe dazu die Berichte des nassauischen Gesandten in Wien, Karl v. Thienen-Adlerflycht (1835–1900), an Staatsminister Wittgenstein, 10. Juni 1863, und an Herzog Adolph I. von Nassau, 4. Juli 1863; HStA Wiesba­ den, 210/3438, fol. 73 f.; HStA Wiesbaden, 130 II/2123k, fol. 26 f. 7 Gemeint ist die letzte Zusammenkunft aller deutschen Fürsten auf dem Reichstag von Regens­ burg 1663, der von da an bis 1803/06 als sogenannter „Immerwährender Reichstag“ tagte. Vgl. Schindling, Die Anfänge.

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39. Artikel im Frankfurter Journal1

Frankfurter Journal Nr. 217 v. 7. August 1863.

Kommentar zur überraschenden Nachricht der Einladung zur persönlichen Konferenz der Fürsten über eine zeitgemäße Bundesreform; die ehemalige Wahl- und Krönungsstadt und einstiger Sitz der deutschen Nationalversammlung Frankfurt als „neutraler Boden“ ist eine geschickte Wahl für den Fürstenkongreß, doch ist ungewiß, ob ein „nationales Pfingsten“ über die Fürsten kommen wird. Die Konferenz soll als die eigene Idee des Kaisers von Österreich erscheinen, um auf diese Weise ihr Zustandekommen sicherzustellen.

Frankfurt am Main, 7. August 1863 Bundesreform und deutscher Fürstencongreß Der Telegraph hat diesen Morgen die Welt außerhalb Wiens mit einer Nach­ richt überrascht, die auch in einer Zeit großartigster Ereignisse, woran wir uns fast gewöhnen, und der wunderbarsten Fortschritte noch geeignet sein muß, die vollste Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Freilich ist es gerade nur das Aeußere des Ereignisses, was wir ins Auge fassen können, wenn uns der electrische Draht die Kunde von einer Einladung des Monarchen von Oesterreich an sämmtliche Souveräne des Deutschen Bundes und die Senate der freien Städte zu einer persönlichen Conferenz, um die Frage einer zeitge­ mäßen Bundesreform ihren Berathungen zu unterziehen, bringt. Der neutrale Boden der alten Wahl- und Krönungsstadt Frankfurt, der einstige Sitz der er­ sten und einzigen deutschen Nationalversammlung, soll die deutschen Für­ sten einer Frage wegen vereinigen, die seit Jahren wieder die Nation beschäf­ tigt, von deren Regierungen selbst vor nicht gar langer Zeit in einer Weise angegriffen wurde, die eher einer Bundesreform-Carricatur glich, als nur ent­ fernt dem noch in diesen Tagen von einem deutschen Minister glorificirten „Aufschwunge des allgemeinen deutschen Bewußtseins“ Rechnung trug. Vor dem Geiste des neuen Fürstenkongresses stehen wir auch heute als vor einem Unbekannten; wir wissen nicht, ob ein nationales Pfingsten durch den bloßen Umstand des persönlichen Zusammenfindens über sie kommen werde. Deß­ halb werden wir den Gedanken des Kaisers von einem gewissen Standpuncte aus nicht weniger einen glücklichen nennen können. Es ist staatsklug, dem Unabweisbaren in einer ungewöhnlichen Form nahe zu treten, über welcher die nachsichtige und leicht bestechliche Menge einen guten Theil des Inhalts 1 Das Frankfurter Journal war eine der ältesten deutschen Tageszeitungen. Unter dem Titel „Frankfurter Journal“ erschien das liberal ausgerichtete, 1671 gegründete Blatt von 1783 bis 1903; Dokumente aus geheimen Archiven, Bd. 5, S. 415, Anm. 409; Feller, Der Dichter in der Politik, S. 66–69.

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Pfordten an Pfistermeister

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übersehen mag. Haben wir es also vorerst nur mit dem Aeußeren des einge­ leiteten Ereignisses zu thun, so muß vor Allem auffallen, daß das kaiserliche Handschreiben vom 31. Juli2, also zwei Tage vor der Zusammenkunft in ­Gastein3 datirt, somit dem Urheber die Ursprünglichkeit des Gedankens ­vollständig wahrt, während man wiederum wohl wird annehmen müssen, der Abgang der kaiserlichen Einladung werde erst nach der Entrevue in Gastein fallen, und die Veröffentlichung durch die „Wiener Z.“4 rechtfertige die ­Annahme, daß auch der König von Preußen für die kaiserliche Idee, wenn auch nur im Allgemeinen, gewonnen sei. Auch in dem so kurz anberaumten Termine für den persönlichen Fürstencongreß liegt zweifellos eine Berech­ nung, indem er Zeugniß für die Erkenntniß drängender Nothwendigkeit wird ablegen sollen. Daß das Geheimniß wenigstens über diese Form des Angrif­ fes einer Bundesreform vollständig gewahrt blieb (von bezüglichen Bundes­ reform-Verhandlungen überhaupt verlautete längst), und so die Nachricht wirklich überraschen konnte, erklärt sich wohl auch dadurch, daß die Idee als die recht eigentliche des Kaisers selbst erscheinen soll, und so die äußerste Discretion geboten erscheinen mußte. An dem Zustandekommen der Confe­ renz wird nicht zu zweifeln sein; auch dafür hat die gewählte Form gesorgt.

40. Pfordten an Pfistermeister

HStA München, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 27 i, Teil 1. Bericht. Behän­ digte Ausfertigung.

Die Einladung zum Fürstentag hat alle Welt überrascht. Der König von Bayern sollte der Einladung folgen, auch wenn Preußen bei seiner Weigerung bleibt. Ein Fernbleiben Bayerns würde Österreich demütigen und Preußen sowie die kleindeutschen Bestrebungen des Nationalvereins stärken. Wenn alle deutschen Fürsten sich in Frankfurt versammeln und die öffentliche Meinung für sich gewinnen, wird Preußen isoliert und unter moralischen Druck gesetzt, so daß es schließlich zur Bundestreue wird zu-

2 Siehe Dok. 32. 3 Kaiser Franz Joseph I. hatte den preußischen König Wilhelm I. am 2. August in Gastein aufge­ sucht, wo letzterer sich zur Kur aufhielt, um ihn persönlich zur Theilnahme am Fürstentag zu bewegen. In der kleindeutschen Historiographie wurde dieses Treffen als „Überrumpelungs­ versuch“ bewertet, den Bismarck vereitelt habe. Vgl. Lenz, Die Begegnung; aus österreichi­ scher Perspektive: Srbik, Deutsche Einheit, Bd. 4, S. 41–45. Zum Verlauf des Treffens siehe jetzt auch ausführlich Wehner, Die deutschen Mittelstaaten, S. 104–111. 4 Die Wiener Zeitung wurde 1703 unter dem Namen „Wienerisches Diarium“ gegründet. Sie nahm 1780 den Titel „Wiener Zeitung“ an. Spätestens seit 1849 war sie ein offizielles Organ der österreichischen Regierung. Vgl. Paupié, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte, Bd. 1, S. 119 f.; Zur Geschichte der Kaiserlichen Wiener Zeitung 8. August 1703–1903.

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rückkehren müssen. Wird Österreich im Stich gelassen, so besteht die Gefahr, daß es eine Allianz mit Frankreich eingeht, der sich der gesamte deutsche Süden wird unterwerfen müssen. In Frankfurt ist der Schritt des Kaisers von allen Seiten, außer der preußischen, sehr gut aufgenommen worden, und eine Ablehnung Bayerns würde als Beweis des krassen Partikularismus betrachtet werden. Die Gefahren des Erscheinens auf dem Fürstentag sind nicht groß, denn es wird nicht zu definitiven Beschlüssen kommen, und es wird Bayern nicht schwerfallen, das „Odium des Scheiterns“ von sich abzuwenden. Es soll alles aufgeboten werden, um den König von Preußen noch zur Teilnahme zu veranlassen. Pfordten fürchtet nicht die österreichischen Vorschläge in Frankfurt, sondern dessen Pläne für den Fall, daß die Vorschläge abgelehnt werden. Deutschland ist in einer Krise, und in dieser Lage darf sich der König von Bayern nicht entziehen.

Frankfurt am Main, 9. August 1863 Hochgeehrtester Herr Staatsrath. Unter Rücksendung der beiden Anlagen entwickle ich den Inhalt meines ge­ strigen Telegramms in Folgendem näher.1 Der Schritt des Kaisers von Oesterreich hat alle Welt überrascht, und hat etwas Geheimnißvolles an sich. Da ich weder die Motive desselben, noch das vorzulegende Projekt, noch die eventuellen Absichten Oesterreichs für den Fall des Mißlingens kenne, so vermag ich über den Werth jenes Schrittes und das immerhin auffallende Zurückhalten in Regensburg keine Ansicht zu ­bilden. Ich kann also nur erwägen, was mir im Interesse Bayerns u. Seiner Majestät des Königs persönlich räthlich erscheint zu thun. Ich habe mich gestern schon dafür ausgesprochen, daß Seine Majestät je­ denfalls der Einladung folgen möge, selbst wenn der König von Preußen bei seiner Weigerung bleibt. Meine Gründe fasse ich in den Satz zusammen, daß die Nachtheile der Ablehnung für den König viel größer seyn würden, als die Verlegenheiten oder Gefahren des Erscheinens irgend seyn können. Die Ablehnung würde den Kaiser auf das Tiefste verletzen, und Oester­ reichs Stellung in hohem Grade schwächen u. compromittiren. Sie wäre nahezu ein Bruch der ganzen bisherigen Beziehungen zwischen Bayern ­ u. Oestreich, und könnte uns dieses zum Feinde machen. Die Feindschaft Oestreichs wiegt aber für Bayern viel schwerer, als die Feindschaft Preußens, zumal wenn Oestreich, wie gerade jetzt, in gutem Vernehmen mit Frankreich ist. Wenn der Fürstencongreß von Preußen und Bayern abgelehnt wird, so ist er von vorneherein erfolglos und mißglückt, und Oesterreich erschiene in ­demüthigender Weise von Deutschland abgewiesen. Darin läge ein so bedeu­ 1 Telegramm Pfordtens an Pfistermeister, 8. August 1863, HStA München, GHA, Kabinettsak­ ten König Maximilians II., Nr. 27 i, Teil 1.

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tender Erfolg für Preußen, daß sofort die kleindeutsche Politik des National­ vereins einen neuen Aufschwung nehmen würde. Insbesondere aber würde Preußens Stellung auch in der Zollvereinssache so gekräftigt werden, daß es in dieser gewiß keine Concessionen mehr machen würde2, während Preußen isolirt und gefährdet erscheint, wenn alle übrigen deutschen Fürsten sich hier versammeln, und die öffentliche Meinung für sich und ihre Bestrebungen ge­ winnen. Diesem moralischen Drucke würde auch Preußen zuletzt sich fügen und zur Bundestreue zurückkehren müssen. Wird Oesterreich jetzt im Stiche gelassen, so ist zu fürchten, daß es sich von Deutschland abwendet und sich mit Frankreich mehr u. mehr verständigt, um nicht selbst isolirt zu seyn. Einer österreichisch-französischen Allianz aber müßte sich der ganze deutsche Süden anschließen, oder unterwerfen. Darum dürfen wir uns jetzt nicht mit Oesterreich verfeinden. Der König von Würtemberg hat auch, wie ich gestern Nachts hier offiziell erfuhr, die Einla­ dung angenommen, und sendet, da sein Alter ihn hindert selbst zu kommen, den Kronprinzen mit zwei Ministern. Endlich ist zu erwägen, welchen Eindruck die Ablehnung unsers allergnä­ digsten Herrn auf die öffentliche Meinung in Bayern und dem nicht-preußi­ schen Deutschland machen würde. Ich fürchte einen sehr schlimmen. Hier ist der Schritt des Kaisers von allen Parteien, außer der preußischen, gut aufge­ nommen worden, und Niemand zweifelt, daß alle Fürsten kommen; die Ab­ lehnung Bayerns würde gar nicht begriffen, und als Beweis krassen Partikula­ rismus betrachtet werden. Die ganze großdeutsche Partei würde an Bayern irre werden, u. allen Halt verlieren. Ueber die Stimmung in Bayern können Sie sicherer urtheilen, als ich, und die Minister werden ja den König hierin sicher berathen können, zumal die Kammern beisammen sind. Wenn mich mein Gefühl nicht ganz täuscht, würde sich der König durch Ablehnen einen sehr schweren Stand im eigenen Lande bereiten.

2 Pfordten bezieht sich auf die Auseinandersetzungen im Zollverein, die sich aus dem Abschluß des preußisch-französischen Handelsvertrags am 29. März 1862 ergeben hatten. Preußen hatte diesen Vertrag, der umfangreiche Tarifsenkungen vorsah, ohne Absprache mit den anderen Zollvereinsstaaten abgeschlossen. Insbesondere die süddeutschen Regierungen wollten vor al­ lem aus politischen Gründen den Vertrag nicht ohne Weiteres übernehmen, so daß es seit dem Sommer 1862 zu einer langwierigen handelspolitischen Auseinandersetzung zwischen Bayern, Württemberg, Großherzogtum Hessen und Nassau auf der einen und Preußen auf der anderen Seite kam. Die süddeutschen Staaten wurden dabei von der österreichischen Regierung unter­ stützt, die hoffte, die zollpolitische Vormachtstellung Preußens zu brechen und eine gesamt­ deutsche Zollunion anbahnen zu können. Der Streit zog sich das ganze Jahr 1863 hin und führte schließlich zur Kündigung der Zollvereinsverträge durch Preußen am 15. Dezember 1863. Vgl. Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 165–180.

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Welches sind nun die Gefahren des Erscheinens auf dem Fürstentage? Ich kann mir nicht denken, daß Oestreich Propositionen macht, die für Bayern unannehmbar sind. Abgesehen davon, daß es in Bayern seinen mächtigsten Bundesgenossen schonen muß, sind ja die Propositionen auch auf die Theil­ nahme Preußens berechnet; sie können also die Selbständigkeit der größeren Staaten nicht antasten, wenigstens nicht die von Preußen u. Bayern. Opfer werden von den kleinern gefordert werden, wie in Dresden.3 Sollte gleich­ wohl Ungebührliches gefordert werden, so ist Bayern an sich, und des Königs Popularität im Lande stark genug, um es abzuweisen. Ueberdies glaube ich nicht, daß es sofort zu definitiven Beschlüssen oder Erklärungen kommt. Die Fürsten werden die Propositionen hören, sich dann mit ihren Ministern, die sie ja nothwendig mitbringen, besprechen, dann unter sich in vertrauliche Er­ örterungen treten, und schließlich eine Minister- oder Gesandtenconferenz mit der definitiven Redaktion beauftragen. Kommt der König von Preußen nicht, so ist dieser Weg um so unvermeidlicher, um Preußen den späteren Beitritt offen zu halten. Die Schwierigkeiten werden, wie vor 12 Jahren in Dresden, von den kleinern Staaten kommen, und dem Könige wird es bei sei­ ner großen Gewandheit und Vorsicht leicht seyn, das Odium des Scheiterns von sich ferne zu halten, und zugleich als Vertreter der Rechte der übrigen Fürsten zu erscheinen. Ich wiederhole also die Bitte, daß S. Maj. sofort die Einladung annehme, und mir dies amtlich mittheilen lasse, und zwar telegraphisch. Unser Schwei­ gen hat gestern schon viele Fragen an mich veranlaßt, denen ich mich heute durch Kunstgriffe entziehen werde. Dabei bitte ich auch um Entscheidung wegen der Wohnung. Ich hoffe zwar, daß Seine Majestät mein Haus anneh­ men wird; aber selbst in diesem Falle sind doch einige Vorbereitungen und auch für einen Theil des Gefolges Bestellungen in einem Gasthofe nöthig, für welche die Zeit drängt. So bestimmt ich für die Theilnahme des Königs bin, ebenso bestimmt rathe ich, Alles aufzubieten, um den König von Preußen noch zur Theilnah­ me zu bestimmen. Ein eigenhändiger Brief des Königs nach Gastein wäre das Mittel dazu, und ein Verdienst um Deutschland, er mag Erfolg haben oder nicht. Dem Könige wäre vor Gemüthe zu führen, daß die Bundesreform hauptsächlich von Preußen angeregt wurde, daß die ganze Nation sie ver­ langt, daß überdies die Lage Europa’s viele Gefahren in sich trägt. Alles das wird zum Guten gewendet, wenn König Wilhelm hieher kommt. Die Verei­ nigung aller deutschen Fürsten sichert Europa den Frieden u. bricht allen re­ volutionären Gelüsten die Spitze ab. Die preußische Ablehnung erklärt sich 3 Pfordten bezieht sich auf die Reformpläne auf der Dresdener Konferenz 1850/51. Vgl. dazu QGDB III/1.

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ja schon bereit, an Minister-Conferenzen in Frankfurt Theil zu nehmen; wa­ rum will der König sich nicht selbst in Frankfurt überzeugen, daß alle deut­ schen Fürsten ihn mit Freude in ihrer Mitte sehen, u. Preußens Ehre u. Stel­ lung wahren u. achten wollen, wie ihre eigene? Warum nicht dadurch den Erfolg jener Minister Conferenzen im Voraus verbürgen? Für den Fall, daß König Wilhelm zusagte, wäre die Bitte auszusprechen, daß er über München reise, um dann zusammen nach Frankfurt zu gehen. Für den entgegengesetz­ ten Fall wäre anzudeuten, daß S. Maj. bedaure, den König nicht in München empfangen zu können, da die Reise nach Frankfurt spätestens am 16ten zu machen sey. Sollte der König Wilhelm seine Theilnahme für den Fall eines kleinen Ausschusses zusagen, so wäre dieser in Wien zu verlangen; ich setze aber dabei keinen unbestimmten Aufschub voraus, sondern einen fest be­ stimmten Tag. Zum Schluße noch ein Wort über Ihre Bemerkung, daß die allenfallsige Erfolglosigkeit dieses wiederholten Versuches wohl sämmtliche Theilnehmer auf das bedenklichste compromittiren würde. – Ich sage hierauf, daß die Er­ folglosigkeit jedenfalls die Nichttheilnehmer viel mehr compromittiren wird, weil man ihnen die Schuld davon zuschieben wird. Gerade weil ich die Er­ folglosigkeit für gar nicht unwahrscheinlich halte, rathe ich so dringend zur Theilnahme. Mit der kleindeutschen Partei kann der König nicht gehen; mit der groß­ deutschen verdirbt er es gründlich, wenn er nicht hieher kommt. Er würde also ganz isolirt seyn. Ich fürchte nicht das, was Oestreich jetzt proponirt, sondern das, was es etwa im Schilde führt für den Fall, daß seine Propositionen abgelehnt werden. Im Anfang dieses Jahres hat Bismark gedroht, er werde im nächsten Kriege gegen Oestreich auftreten; ich fürchte, das Blatt könnte sich wenden. Jeden­ falls ist Deutschland in einer Krisis, und da darf u. wird König Max. II. sich ihm nicht entziehen! Mit ausgezeichneter Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ergebenster v. d. Pfordten

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Bremen, 11. August 1863

41. Protokoll des Senats von Bremen

StA Bremen, 2–M.4.i. Auszug aus dem Senatsprotokoll vom 11. August 1863, S. 536.

Auf Antrag der Kommission für die auswärtigen Angelegenheiten beschließt der Senat die Teilnahme Bremens am Fürstentag, doch soll der bremische Gesandte angewiesen werden, keine bindenden Verpflichtungen einzugehen und im Hinblick auf das Verhältnis zu Preußen größte Vorsicht walten zu lassen.

Bremen, 11. August 1863 Kaiser von Oesterreich, 2671. Einladung des Senats zu einem am 16. Au­ Franz Joseph v. 31. Juli. gust in Frankfurt a/M. Behufs Reform der Bundes­ verfassung zu haltenden Fürstentage; – an die (No 2670.) Commission für die auswärtigen Angelegenheiten zum Bericht. Namens derselben berichtete sogleich Herr Senator Smidt über die in No 2670 & 2671 angezeigten Schreiben mit Beziehung auf die inzwischen eingegange­ nen Gesandtschaftsberichte von Berlin und Frankfurt a/M., sowie auf die Note des K. preuß. Geschäftsträgers Freiherr von Richthofen1 vom 9. d. M., er­ wähnte, daß nach den von Hamburg und Lübeck eingezogenen Erkundigun­ gen man dort der Ueberzeugung sei, der Kaiserlichen Einladung, ungeachtet gewisser Bedenken, schon aus Courtoisie Folge geben zu müssen, und erklär­ te, es sei die Ansicht der Commission, daß auch Bremen wie die übrigen freien Städte die Versammlung in Frankfurt zu beschicken haben werde, wiewohl die Abgesandten derselben im Wesentlichen nur die Aufgabe haben könnten, die dort zu erwartenden Vorschläge ad referendum zu nehmen. Herr Präsident be­ merkte dazu: er habe Herrn Bürgermeister Duckwitz2 ersucht, Bremen auf der bevorstehenden Zusammenkunft zu vertreten, dem Gesandten würden nach der Lage der Sache keine Instructionen zu ertheilen sein, derselbe auch keine bindenden Verpflichtungen eingehen dürfen und ­namentlich in Berücksichti­ gung unseres Verhältnisses zu Preußen die größte Vorsicht zu beobachten ha­ ben. Sodann wurde von Herrn Senator Smidt das demgemäß an den Kaiser von Oesterreich zu erlassende Antwortschreiben vorgelegt. Beschl.[:] einverstanden resp. genehmigt. 1 Emil Carl Heinrich Freiherr von Richthofen (1810–1895), 1859–1866 preußischer Gesandter in Hamburg, zugleich preußischer diplomatischer Vertreter in Bremen, Lübeck, MecklenburgSchwerin und Mecklenburg-Strelitz. Vgl. Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 413, 451, 456. 2 Arnold Duckwitz (1802–1881), Kaufmann und Senator in Bremen, 1848/49 Reichshandels­ minister, 1857–1863 und 1866–1869 Bürgermeister von Bremen und Senatskommissar für Auswärtige Angelegenheiten. Vgl. ADB, Bd. 48, S. 133–140; NDB, Bd. 4, S. 151 f.; Bremi­ sche Biographie, S. 115–117.

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Bismarck an Werther

Nr. 42

42. Bismarck an Werther1

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 81, Wien II, Nr. 322, Vol. 1. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 4, S. 153–155 (Reinkonzept); Staatsarchiv, Bd. 8, S. 69–71; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 719–721 (Reinkonzept).

Die österreichischen Reformvorschläge und ihre Motivierung stellen die Grundlage des Bundes in Frage und machen den Eindruck, als sehe Österreich das Bundesverhältnis schon als aufgelöst an.

Gastein, 13. August 1863 Ew. Excellenz übersende ich anliegend Abschrift eines Promemoria, welches Sr Majt dem Könige, unserm Allergnädigsten Herrn, von Sr Majt dem Kaiser von Oesterreich in Gastein am Tage der Einladung nach Frankfurt übergeben worden ist, um die Gründe für diese Einladung u. die beabsichtigten Reform­ vorschläge selbst darzulegen.2 Dieses Aktenstück erhält sowohl durch seinen Inhalt, wie durch die Art der Mittheilung eine so weitgreifende Bedeutung, daß es nicht allein Gegenstand der ernstesten Erwägung werden mußte, sondern auch das Bedürfniß fernerer Aufklärung für uns dringend hervorruft. Was uns in demselben ganz besonders hat überraschen müssen, ist nämlich die Art, wie die Vorschläge zu einer organischen Reform der Bundes-Verfas­ sung durch Anschauungen motivirt werden, welche die Grundlage des Bun­ des-Verbandes selbst in Frage stellen. Wir konnten nicht darauf gefaßt sein, die Bundes-Verträge, deren gewissenhafter Durchführung wir seit fast einem halben Jahrhundert, durch materielle Leistungen und durch den Verzicht auf eine freiere Bewegung unsrer eigenen Politik, so erhebliche Opfer zu bringen fortfahren, von der Kaiserl. Regierung als eine werthlose und hinfällige Insti­ tution bezeichnet zu sehen. Das Promemoria enthält in dieser Beziehung ­Deductionen, welche zu der Auffassung führen, als sehe Oesterreich das bis­ herige Bundesverhältniß, dessen Zustand als ein „schlechthin chaotischer“ bezeichnet wird, schon als aufgelöst an. „Man denkt in der That“, – so heißt es – „nicht zu nachtheilig von diesem Zustande, wenn man sich eingesteht, daß die Deutschen Regierungen schon jetzt nicht mehr in einem festen gegenseitigen Vertragsverhältniß zusammen­ stehen, sondern nur noch bis auf Weiteres im Vorgefühle naher Katastrophen neben einander fortleben.“ Es wird angenommen, daß sich ein fortschreiten­ der Prozeß der Abwendung von dem bestehenden Bunde vollzogen habe; es 1 Carl Anton Philipp Freiherr von Werther (1809–1894), seit 1832 im preußischen diploma­ tischen Dienst, 1859–1866 preußischer Gesandter in Wien. Vgl. Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 457; ADB, Bd. 42, S. 113–116. 2 Siehe oben Dok. 33.

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Gastein, 13. August 1863

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ist von Resten einer wankend gewordenen Rechtsordnung die Rede, welcher der bloße Wunsch, daß die morschen Wände den nächsten Sturm noch aushal­ ten mögen, die nöthige Festigkeit nimmermehr zurückgeben könne; u. es wird erklärt, „der Boden der Bundesverträge schwanke unter den Füßen des­ sen, der sich auf ihn stelle.“ Wir sind für die Mängel der Bundesverfassung niemals blind gewesen; aber wir haben bisher in unseren Reformbestrebungen diejenige Freiheit der Bewegung nicht für zulässig erachtet, welche aus der Voraussetzung der Hin­ fälligkeit der Bundes Verträge erwachsen würde, u. wir haben es dem Interes­ se Deutschlands u. unserer Bundesgenossen nicht für dienlich gehalten, die Zerstörung der bestehenden Rechtsordnung zu fördern, bevor deren Ersatz durch neue und vollkommenere Schöpfungen sichergestellt ist. Die Kaiser­ liche Regierung nimmt an, daß es „fast wie Ironie klingen müßte“ wenn man diesen an sich wahren Satz auf die deutschen Bundes Verhältnisse anwenden wollte; und sie ist dergestalt von der Zerfahrenheit und Haltlosigkeit der letz­ tern durchdrungen, daß ihr das Rütteln an dem noch vorhandenen Bestande, selbst in dem „freiwillig gewählten Augenblicke der Krisis und Gefahr“, un­ bedenklich erscheint. Es hat der Kaiserlichen Regierung nicht entgehen können, daß diese Erklä­ rungen, indem sie als wohlerwogene Ansicht des Bundes-Präsidialhofes den Genossen des Deutschen Bundes amtlich eröffnet werden, an sich in Deutsch­ land wie im Auslande die Überzeugung mächtig fördern müssen, daß „weder Oesterreich noch Preußen, noch die übrigen deutschen Staaten sich mit ir­ gend einem Grade von Vertrauen auf den Bund in seinem jetzigen Zustande stützen können.“ Auf diesem Vertrauen aber beruht wesentlich das Ansehen des Bundes und die Möglichkeit, daß derselbe seinen ursprünglichen Zweck, Deutschland ­äußere u. innere Sicherheit zu gewähren, erreiche. Wir wissen nicht, welchen Ersatz für die „festen gegenseitigen VertragsVerhältnisse“, in denen ihrer Ansicht nach die Deutschen Regierungen schon jetzt nicht mehr zusammenstehen, die Kaiserliche Regierung anstrebt. Die­ selbe hat keine Verhandlungen mit uns darüber gepflogen, und das vorliegende Promemoria giebt in dieser Beziehung nur unvollkommene Andeutungen. Gelingt es aber nicht, anderweite Einrichtungen herzustellen, welche den ­Gegensatz der Particular- u. der Gesammtinteressen Deutschlands angemes­ sener als bisher vermitteln, so wird die Erschütterung des Vertrauens auf die ­Bundes-Verträge das einzige Ergebniß der Eröffnungen bleiben, welche die ­Kaiserl. Regierung ihren Bundes-Genossen gemacht hat. Jedenfalls entnehmen wir für jetzt aus denselben das Recht u. die Pflicht, Klarheit darüber zu verlangen, ob Oesterreich und die Staaten, welche auf die so motivirte Einladung des Kaiserl. Hofes an dem Congresse in Frankfurt

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Theil nehmen, die vertrag[s]mäßigen Bundespflichten rückhaltlos anerkennen oder nicht? Es ist einleuchtend, daß die Entscheidung hierüber von dem ­wesentlichsten Einfluß auf die maßgebenden Grundlagen unserer Gesammt­ politik seyn muß. Ew. Excellenz ersuche ich daher ergebenst, in diesem Sinne mit dem Kai­ serlich Oesterreichischen Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu sprechen u. von ihm eine offene u. entschiedene Erklärung der Kaiserlichen Regierung zu erbitten. Von dem gegenwärtigen Erlaß sind Sie ermächtigt, demselben Mittheilung zu machen. v. Bismarck.

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GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 79–84. Erlaß. Abschrift; weitere Abschriften in GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 81, Gesandtschaft Dresden nach 1807, Nr. 442, fol. 61–66; I. HA, Rep. 81, Wien II, Nr. 322, Vol. 1; III. HA, MdA I, Nr. 2010/66, fol. 87–91, fol. 93–98, 99–102 sowie III. HA, MdA I, Nr. 2010/71, fol 39–44. Veröffentlicht in: Norddeutsche Allgemeine Zei­ tung Nr. 197 v. 23. August 1863 (offiziöses Organ der preußischen Regierung). Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 4, S. 155 f. (Abschrift); Staatsarchiv, Bd. 8, S. 71–73; Die auswär­ tige Politik Preußens, Bd. 3, S. 721–723 (Auszug).

Ohne die vorherige Erledigung bestimmter Fragen würde jedem Streben nach einer Reform der Bundesverfassung der Boden fehlen. Vorschläge, die tief in die gemein­ samen Interessen sämtlicher Bundesstaaten eingreifen, dürfen nicht von einer Regierung einseitig vorbereitet werden. Es entspricht nicht der Würde des Königs von Preußen, in Frankfurt Vorschläge entgegenzunehmen, über die es keine vorherigen Beratungen mit Preußen gegeben hat. Solche Vorschläge müssen in diplomatischen Verhandlungen vorbereitet werden. Bismarck bezweifelt, daß die österreichischen Vorschläge die Gebrechen des Bundes heilen, der Revolution Stillstand gebieten und eine befriedigende Neugestaltung der politischen Verfassung der deutschen Nation ermöglichen werden. Preußen sieht nur in einer direkt gewählten Volksvertretung mit beschließender Kompetenz in Bundesfragen die Grundlage für neue Bundesinstitutionen.

Gastein, 14. August 1863 Aus meinem Erlaß vom gestrigen Tage1, das P. M. betreffend, mit welchem die Einladung Seiner Majestät des Königs nach Frankfurt motivirt worden war, werden Eure Excellenz entnehmen, daß es uns zunächst auf die Erledi­ gung von Fragen ankommt, ohne deren befriedigende Beantwortung jedem 1 Siehe Dok. 42.

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Streben nach Reform der Bundes-Verfassung unserer Ansicht nach der Boden fehlen würde. Vorbehaltlich der hierüber zu gewinnenden Aufklärung beehre ich mich, Eurer Excellenz einige Bemerkungen über den Inhalt und die Form der uns zugegangenen Eröffnungen mitzutheilen. Nachdem der Kaiser Franz Joseph am 2. d. M. hier eingetroffen war, nahm Seine Majestät, bei einem am 3. Statt [sic] findenden Besuch bei unserem al­ lergnädigsten Herrn, Gelegenheit zur Besprechung der deutschen Bundesver­ hältnisse, unter Vorlage des Eurer Excellenz mit dem Erlaß vom [13. August] übersandten Promemoria. Zu demselben gab Seine Majestät der Kaiser die mündlichen Erläuterungen, daß zunächst ein Fürsten-Congreß sich am 16. d. M. in Frankfurt a/M. versammele; daß an der Spitze der Bundesversamm­ lung ein Direktorium von 5 Fürsten stehen; daß der Bundestag fortfahren ­solle, die laufenden Geschäfte zu verhandeln; daß aber aus sämmtlichen Sou­ verainen des Bundes ein zeitweise zusammentretendes Oberhaus, und aus Delegirten der einzelnen Staaten ein mit berathenden Attributionen versehe­ nes Unterhaus gebildet werden solle. Bei dieser und zwei an demselben Tage nachfolgenden Unterredungen sprach Se. Majestät der König die entgegenstehenden Bedenken in dem Sinn des anliegenden P. M. aus2, und erklärte schließlich bei dem Abschiede bei­ der Monarchen, daß ein Fürstencongreß mit Nutzen für die ganze Angelegen­ heit, der nothwendigen geschäftlichen Vorbereitungen wegen, keinesfalls vor dem 1. October eingeleitet werden könne. Nach dem Inhalt dieser Unterredungen war es für Se. Majestät den König überraschend, kurz nach der Abschiednahme von Sr. Majestät dem Kaiser am 3. August Abends durch einen Flügeladjutanten die offizielle, vom 31/7 datir­ te Einladung3 zum 16. d. M. nach Frankfurt zu erhalten. Das Einladungsschreiben ist Eurer Excellenz bekannt; ebenso die darauf am 4. d. M. von unserm allergnädigsten Herrn an Se. Majestät den Kaiser er­ lassene amtliche Antwort4. Um dem Kaiserl. Kabinet Gelegenheit zu geben, seine Entschließungen mit Kenntniß der Diesseitigen zu treffen, richtete Se. Majestät noch am 4. ein Telegramm an Se. Majestät den Kaiser, in welchem die Ablehnung der Einladung zum 16. bestimmt ausgesprochen wurde. Dem­ ungeachtet sind die oesterreichischen Einladungen an demselben Tage und ohne die diesseitige Antwort auf das Kaiserl. Schreiben abzuwarten, unter dem Datum des 31. Juli erlassen worden. Am 7. d. M. wurde durch einen Kaiserl. Flügeladjutanten Seiner Majestät dem Könige eine erneute Einladung unter Beifügung des abschriftlich an­ 2 Siehe Dok. 34. 3 Siehe Dok. 32. 4 Siehe Dok. 35.

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liegenden P. M.5 überbracht. Dieselbe enthielt mit Rücksicht darauf, daß Sr. Majestät des Königs Badecur, wenn sie regelmäßig beendet werden solle, Allerhöchstdenselben nicht gestatte, am 16. in Frankfurt anwesend zu sein, den event. Vorschlag, einen der Königl. Prinzen in Vollmacht zu dem Con­ greß zu entsenden. Seine Majestät der König lehnte wiederholt in einem ­eigenhändigen Schreiben vom 7. d. M. sowohl das eigene Erscheinen als ­Entsendung eines Königl. Prinzen ab. Hierauf beschränkt sich der bisher in der Sache stattgehabte Schriftwechsel. Mir scheint es, daß Vorschläge, welche tief in die gemeinsamen Interessen sämmtlicher Bundesstaaten einzugreifen bestimmt sind, wenn sie Erfolg ha­ ben sollen, nicht von einer der Bundes-Regierungen einseitig vorbereitet, und in einer für die andern überraschenden Weise bis zu dem Stadium schleuniger Beschlußnahme durch die Souveraine selbst, gefördert werden können. Ich halte es der Würde des Königs, meines allergnädigsten Herrn, nicht entspre­ chend, Sich nach Frankfurt a/M. zur Entgegennahme von Vorschlägen in Bundesangelegenheiten zu begeben, über welche der Rath Preußens nicht vorher gehört ist, und deren volle Tragweite Seiner Majestät dem König erst in Frankfurt eröffnet werden soll. Um solche Fragen zur persönlichen Ent­ scheidung der Monarchen reif zu machen, war es unerläßlich, sie vorher in diplomatischen Verhandlungen oder in Ministerial-Conferenzen zu erörtern. Ich weiß nicht, auf welche Erfahrungen die Kaiserliche Regierung den in dem zweiten P. M. enthaltenen Anspruch stützt, daß der Weg bloßer ministe­ rieller Conferenzen sich noch jedesmal als unpraktisch erprobt habe, und daß „das schon so oft gescheiterte Experiment weitaussehender Berathungen be­ greiflicher Weise nicht wiederholt werde.“ Unseres Wissens ist die Bundesre­ formfrage seit den Dresdener Conferenzen einer derartigen Berathung nicht unterzogen worden. Eine Allerhöchste Willenserklärung über die beabsichtigten Reformvor­ schläge zu erbitten, liegt für mich keine Veranlassung vor, so lange uns über den Inhalt und die Tragweite derselben nur allgemeine und unvollkommene Andeutungen zugekommen sind. Ew. Excellenz werden zu Ihrer eigenen Kenntniß aus dem anliegenden Me­ moire, in welches der König Allerhöchst Seine eigenen Aeußerungen gegen den Kaiser verzeichnete und welches am 4. August nach Wien geschickt wur­ de6, das Nöthige entnehmen. 7Lediglich als eine persönliche Ansicht füge 5 Siehe Dok. 36. 6 Siehe Dok. 35 7 Ab hier weicht die Vorlage von der in Bismarcks Gesammelten Werken abgedruckten Fassung ab. Dort folgen sogleich die beiden letzten Absätze, beginnend mit: „Die Königl. Regierung hat ihrerseits …“

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ich einige Bemerkungen über dasjenige hinzu, was die oesterreichischen Mittheilungen an politischen Vorschlägen bisher erkennen lassen. Die Berechtigung der Souveraine des deutschen [sic] Bundes, nach Belie­ ben zusammenzutreten und Beschlüsse zu fassen, über welche sie sich allsei­ tig verständigen und denen sie, nach der besonderen Verfassung ihrer Staaten, glauben ihre Einwilligung geben zu können, ist schon jetzt ohne Zweifel vor­ handen, und bleibt es für das fortbestehende Bundesrecht ohne Einfluß, ob die Fürsten und freien Städte sich direkt oder durch Bevollmächtigte verstän­ digen, ob auf ständigen, periodischen oder gelegentlichen Versammlungen. Sobald wir uns von dem direkten Verkehr der Souveraine untereinander eine Erleichterung der gemeinsamen Geschäfte versprechen, besteht kein principielles Hinderniß der Anwendung dieses Mittels, und würde unser aller­ gnädigster Herr ohne Zweifel bereit sein, auf formell angemessene und sach­ lich begründete Anregung die Hand dazu zu bieten. Neue Bundesinstitutionen zu schaffen bezwecken dagegen die Vorschläge eines exekutiven Direktoriums und eines aus Delegirten der Landtage beste­ henden parlamentarischen Unterhauses mit berathender Stimme. Neben die­ sen Einrichtungen soll die bisherige Bundesversammlung zur Besorgung der laufenden Geschäfte fortbestehen. Das wesentliche Feld der Thätigkeit für das Direktorium und das BundesParlament müßte also neu geschaffen und könnte schwerlich durch Ausson­ derung aus den Gegenständen der bisherigen regelmäßigen Bundestags-Sit­ zungen hinreichend dotirt werden. Ein erweiterter Geschäftskreis der Bun­ descentralbehörden, so wie8 er einem Direktorium und einem Parlament genügen könnte, läßt sich nur dadurch gewinnen, daß die Landesregierungen einen Theil ihrer Souverainen Attributionen an den Bund abtreten. Es fragt sich, ob und wie weit dieselben dazu bereit sein werden. Von dem Umfange der ihnen zu Gunsten des Direktoriums zuzumuthenden Abtretungen wird ohne Zweifel die Bereitwilligkeit der Einzelnen, sich von der direkten Theil­ nahme an dem Direktorium ausschließen zu lassen, wesentlich abhängen. Ueber die Bedeutung des Direktoriums läßt sich können wir9 daher vor Feststellung der geschäftlichen Competenz desselben nicht urtheilen. Da­ gegen läßt sich die des beabsichtigten Unterhauses schon jetzt als eine un­ wesentliche erkennen, so lange dessen Thätigkeit nur eine berathende sein soll. Da die Befolgung der Rathschläge der Delegirten von den Bundes-Re­ gierungen abhängig bleibt, so würde eine so ausgestattete Volksvertretung keine wesentliche Anerkennung ihrer der10 rechtlichen Ordnung der Bun­   8 Emendiert. Vorlage: sowie.   9 Eigenhändige Änderung durch Bismarck. 10 Eigenhändige Änderung durch Bismarck.

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desverhältnisse involviren, nachdem auch bisher den Bundesregierungen freistand, sich des Rathes Sachverständiger oder Anderer nach Belieben zu bedienen. Als bundesrechtliches Novum bleibt daher von den oesterreichischen Vor­ schlägen nur ein Direktorium von 5 Stimmen stehen, dessen Thätigkeit ent­ weder mit der der bisherigen Bundesversammlung concurriren oder sich, sei es auf Kosten der letzteren, sei es auf Kosten der Landesregierungen ein Feld schaffen muß. Ich will annehmen, daß es gelänge, über die Zusammenset­ zung dieses Direktoriums und über eine, jedenfalls mäßige, Ausstattung sei­ nes Wirkungskreises allseitige Verständigung herbeizuführen; aber ich frage, ob die Kaiserl. Regierung in der That annehmen kann, durch die Neubildung einer derartigen Behörde alle diejenigen Gebrechen des Bundes zu heilen, welche in ad I. des P. M. eine so beredte Schilderung finden; ob dies Direkto­ rium das Bundesprincip mit neuer Lebenskraft erfüllen, der Revolution Still­ stand gebieten, ob damit eine befriedigende Neugestaltung der politischen Verfassung der deutschen Nation in ihrer Gesammtheit gewonnen sein würde. Die hauptsächliche Schwierigkeit, welche sich allen Versuchen zur Kräfti­ gung einer einheitlichen Bundes-Centralgewalt entgegenstellt, liegt in der na­ türlichen Abneigung der einzelnen Regierungen, auf die eigene Souveränität in ausgedehnterem Maaße zu verzichten, als dies vermöge der bestehenden Bundesverträge der Fall gewesen ist. Es ist nicht anzunehmen, daß sie hiezu einem Direktorium gegenüber geneigter sein werden, als sie es zu Gunsten einer Bundesversammlung waren, in welcher die Sonderrechte der Einzelnen stärker vertreten sind. Ist das Direktorium in seinen Beschlüssen auf Einstim­ migkeit seiner 5 Mitglieder angewiesen und bleiben dieselben an Instruktio­ nen ihrer Committenten gebunden, so wird das neue Verhältniß von dem bis­ herigen nicht erheblich verschieden sein. Sollten die 5 Mitglieder aber per majora unter sich selbstständig abstimmen, so würde der Competenz ihrer Beschlußfassung von Seiten der Gesammtheit ohne Zweifel eine sehr be­ schränkte Ausdehnung zugemessen werden; ich wenigstens würde mich nicht entschließen können, Sr. Majestät dem Könige den Rath zu ertheilen, daß die Politik und die Gesetzgebung Preußens den Beschlüssen untergeordnet wer­ de, welche von 3 unter den 5 Mitgliedern des Direktoriums, nach Anhörung des Rathes der Delegirten, etwa gefaßt werden könnten. Die Königl. Regierung hat ihrerseits die Initiative zu Reformvorschlägen nicht ergriffen; wenn sie aber veranlaßt wird, Sich in dieser Beziehung auszu­ sprechen, so kann ich, unter Bezugnahme auf die Ew. Excellenz bekannten, in unserer Abstimmung in der Delegirtenfrage am [14. August] 1862 nieder­ gelegten Motive11, nur die Meinung wiederholen, daß ich nur in einer nach 11 Siehe QGDB III/3, Dok. 140.

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dem Verhältniß der Volkszahl der einzelnen Staaten aus direkten Wahlen her­ vorgehenden Vertretung des deutschen Volkes mit Befugniß zu beschließen­ der Mitwirkung in den Bundes-Angelegenheiten, die Grundlage von solchen Bundes-Institutionen erkenne, zu deren Gunsten die Preuß. Regierung ihrer Selbstständigkeit in irgend welchem erheblichen Umfange entsagen könnte, ohne die Interessen der eigenen Unterthanen und die politische Stellung des Preußischen Staates wesentlich zu benachtheiligen. Eure Excellenz sind ermächtigt, dem Grafen von Rechberg diese Depesche vorzulesen. vB12

44. Artikel im Mainzer Journal1

Mainzer Journal Nr. 189 v. 15. August 1863.

Mit der Einladung zum Fürstentag geht der sehnlichste Wunsch des deutschen Volkes in Erfüllung. Jetzt ist der Augenblick für Deutschlands Fürsten gekommen, ihren guten Willen zu zeigen. Es ist ihre Pflicht, sich zu allererst für Deutschlands Größe und Macht einzusetzen und die Einheit Deutschlands wiederherzustellen, die Napoleon I. dem Vaterland geraubt hat. Die Fürsten können nicht ohne Resultate von Frankfurt in ihre Residenzen zurückkehren. Von Frankfurt erwarten alle Patrioten ein Programm, zu dem die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes Ja und Amen sagen kann. Geschieht dies nicht, so triumphieren der kleindeutsche Partikularismus und der Nationalverein. Sind die Fürsten in Frankfurt einig, so bleiben für Preußen nur drei Möglichkeiten: es muß sich von Deutschland isolieren oder sich ehrlich an Österreich und das übrige Deutschland anschließen oder sich dem radikalen Fortschritt in die Arme werfen und Vabanque spielen.

Mainz, 15. August 1863 Jacta alea est! 2 Der sehnsüchtigste Wunsch des deutschen Volkes geht in Erfüllung! Ein deut­ scher Fürst hat nach langer Zeit wieder einmal die deutschen Fürsten zu einer Versammlung eingeladen, um das Wohl des ganzen deutschen Vaterlandes zu 12 Eigenhändige Paraphe Bismarcks.

 1 Das Mainzer Journal wurde 1848 von dem katholischen Theologen und Publizisten Franz Josef Sausen (1810–1866) gegründet. Das Blatt sollte überkonfessionell sein und das „kon­ servative Prinzip“ gegenüber Revolution und Kommunismus vertreten. Die erste Nummer erschien am 6. Juni 1848, Redakteur war bis 1866 Sausen. Siehe Wieseotte, F. J. Sausen und die Gründung des „Mainzer Journal“, S. 290–298; ders., Das Mainzer Journal unter der Re­ daktion von Franz Josef Sausen.   2 Lat.: Der Würfel ist geworfen.

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Artikel im Mainzer Journal

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berathen. Und der Ruf des Kaisers Franz Joseph hat bei den Fürsten so allge­ mein geneigtes Gehör gefunden, wie es zu Zeiten des alten deutschen Rei­ ches nur selten der Fall war. Preußen will nicht mittagen. Welchen Patrioten sollte dies nicht mit Schmerz erfüllen! Doch diese Entschließung hat Nie­ manden überrascht und ist vom Kaiser von Oesterreich und seinen Staats­ männern ganz gewiß in Erwägung gezogen, sogar als wahrscheinlich in Aus­ sicht genommen worden. Es bildet dies sogleich von vornherein eine Schwie­ rigkeit für den Fürstenkongreß, – aber welcher Reichstag hat nicht mit ähnlichen und noch größeren zu kämpfen gehabt? Es wurde schon ausgesprochen, daß die Hauptschwierigkeit, die Einheit Deutschlands herzustellen, darin bestehe, daß man ein einiges Deutschland gar nicht wolle, wenigstens mit der Aufrichtigkeit und Opferwilligkeit nicht wolle, die das große Werk erheischt. Jetzt ist der Augenblick für Deutschlands Fürsten gekommen, dem deutschen Volke zu zeigen, daß es ihnen am guten Willen nicht fehle. Es ist ihre Pflicht, sich an erster Stelle für Deutsch­ lands Größe und Macht zu interessiren. Ohne ihre Mitwirkung kann unser Vaterland sich nie und nimmer zu seinem alten Glanze emporschwingen, wohl aber noch mehr erniedrigt werden. Napoleon I.3, Deutschlands ärgster Feind, hat uns die Einheit geraubt, aber dadurch hat Deutschland das Recht auf seine Einheit wahrlich nicht verwirkt. Deutschlands Waffen haben jenen Feind geschlagen, aber die Diplomatie hat das nicht wieder hergestellt, was Napoleon zerstört hat. Es ist eine herrliche Aufgabe der deutschen Fürsten, jenen Fehler der Diplomatie wieder gut zu machen. Die Würfel sind gefallen! Die Fürsten können nicht resultatlos von Frankfurt in ihre Residenzen zurückkehren. Die Devise des Kaisers: Viribus unitis4 muß das Schlagwort auf dem Fürstenkongresse seyn. Von Frankfurt erwarten alle Patrioten ein Programm, zu dem die überwiegende Mehrheit des deut­ schen Volkes Ja und Amen sagen kann. Zwiespalt und Sieg der Sonderinter­ essen der in Frankfurt tagenden Fürsten wäre in der That der erste Triumph des kleindeutschen Particularismus. Mit welcher Sicherheit würde dann erst der Nationalverein seine Parole wieder aufnehmen, daß von Oben herab kein Heil für Deutschland zu erwarten sey! Was aber Deutschland und seine Für­ sten von dieser Seite zu erwarten haben, lehren uns ihre Freunde und Verbün­ deten in dem unglücklichen Italien alle Tage. Für das Interesse und die schrankenlose Freiheit einer Partei müßten alle anderen Interessen und die Freiheit aller übrigen Parteien zum Opfer fallen. Den Großdeutschen würde man ohne Rückhalt zurufen: bleib’t uns mit Oesterreich vom Leibe! und die 3 Napoleon Bonaparte (1769–1821), 1804–1814 Kaiser der Franzosen. 4 „Mit vereinten Kräften“ – Wahlspruch Kaiser Franz Josephs I.

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übrigen Fürsten müßten dem Einen Glücklichen unter den gekrönten Häup­ tern weichen, den der Nationalverein zu seinem Candidaten auserküre. Wir begreifen das Verlangen gewisser Organe nach vorausgehenden Ministerconferenzen und Berathungen von Fachmännern. Es würde dann von Oben herab etwas gethan, aber sicherlich nichts geleistet. Durch diploma­ tische Schachzüge würde die Sache wie immer verschleppt und auf die Ministerconferenzen würde nichts nachfolgen. Das wäre Wasser auf die ­ Mühle! Dagegen scheinen die Feinde der Einheit des ganzen deutschen Vater­landes selbst zu fühlen, daß ein Fürstencongreß kein solches Ende nehmen könne, wenn auch Preußen nicht vertreten ist. Die Berathungen werden durch dessen Abwesenheit nicht erschwert und gewiß alle Rücksichten ge­ nommen, um die nachträgliche Beistimmung zu erleichtern. Sind die Fürsten in Frankfurt einig, so bleiben für Preußen nur drei Chancen übrig: entweder muß es sich von Deutschland isoliren und mit der Gewalt eines Militärregi­ mentes den gegenwärtigen Zustand aufrecht halten, was freilich eine Politik ist, die neben dem einigen Deutschland nur von elf Uhr bis Mittag dauern kann; oder es muß sich offen und ehrlich an Oesterreich und das übrige Deutschland anschließen, der sogenannten „groß preußischen Mission“ ent­ sagen und mit den Traditionen Friedrichs II.5 brechen, wozu freilich eine That gehört, die den Entschluß des seligen Königs von Preußen, der katholi­ schen Kirche volle Freiheit zu verleihen6, an Edelmuth selbst noch überträfe. Aber diese That würde wie jener Entschluß gleich segensreiche Folgen für Preußen haben. Außerdem erübrigt nichts mehr als sich dem radicalen Fort­ schritt in die Arme zu werfen, mit einem Thronwechsel Sybel, BockumDolffs und Schulze-­Delitzsch in’s Ministerium zu rufen und Va-banque zu spielen.7 Gott verhüte das Letzte, – aber das Eine oder Andere wird nicht ausbleiben.

5 Friedrich II. (1712–1786), seit 1740 König von Preußen. 6 Anspielung auf König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795–1861), der nach seiner Thronbesteigung 1840 den jahrelangen Streit mit der katholischen Kirche („Kölner Wirren“) beendete. Vgl. dazu Keinemann, Das Kölner Ereignis, S. 73–81. 7 Anspielung auf die prominenten kleindeutsch-liberalen Abgeordneten im preußischen Abge­ ordnetenhaus, die die Politik Bismarcks bekämpften: Heinrich von Sybel (1817–1895), seit 1861 Professor an der Universität Bonn; Florens Heinrich Gottfried von Bockum-Dolffs (1802–1899), Führer der Fraktion „Linkes Zentrum“ im preußischen Abgeordnetenhaus; Her­ mann Schulze-Delitzsch (1808–1883), Gründer der Deutschen Fortschrittspartei 1861. Vgl. Haunfelder, Biographisches Handbuch, S. 66, 233 f., 249.

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Protokoll Nr. 1 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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45. Protokoll Nr. 1 der Frankfurter Fürstenkonferenz

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 47–52, 65–70. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Abschriften der Protokolle des Fürstentags finden sich in zahlreichen deutschen Staatsarchiven. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 74–81.

Der Kaiser von Österreich eröffnet den Fürstenkongreß mit dem Ziel einer „zeitgemäßen Reorganisation des Deutschen Bundes“. Er legt den Entwurf einer Reformakte des Deutschen Bundes vor und bittet die Fürsten darum, zu „einem raschen und einmüthigen Entschluß“ zu kommen. Franz Joseph informiert die Fürsten über die Ablehnung seiner Einladung durch Preußen. Der König von Bayern und andere Monarchen antworten auf die Ansprache des Kaisers und bekunden ihren Willen, sich an dem Reformwerk zu beteiligen. Sie akzeptieren die österreichische Reformakte als Grundlage der Verhandlungen, weisen aber darauf hin, daß die einzelstaatlichen Landtage ihre Zustimmung zur Bundesreform geben müssen. Auf Vorschlag des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin wird beschlossen, den König von Sachsen persönlich zu König Wilhelm von Preußen zu entsenden, um ihn doch noch zur Teilnahme an den Frankfurter Beratungen zu bewegen.

Frankfurt am Main, 17. August 1863 Protokoll aufgenommen zu Frankfurt a/M am 17. August 1863 V. M. 11 Uhr Auf Einladung Sr Majestät des Kaisers von Oesterreich haben Sich Se Majestät der König von Bayern1 Se Majestät der König von Sachsen2 Se Majestät der König von Hannover3 Se kön. Hoheit der Kronprinz von Württemberg4 Se kön. Hoheit der Großherzog von Baden5 Se kön. Hoheit der Kurfürst von Hessen6 Se kön. Hoheit der Großherzog von Hessen7 1 Maximilian Joseph II., König von Bayern (1811–1864), regierte von 1848 bis 1864; NDB, Bd. 16, S. 490–495. 2 Johann, König von Sachsen (1801–1873), regierte von 1854–1873; NDB, Bd. 10, S. 528 f. 3 Georg V., König von Hannover (1819–1878), regierte von 1851–1866; NDB, Bd. 6, S. 214 f. 4 Karl Friedrich Alexander von Württemberg (1823–1891), Kronprinz, ab 12. Juli 1864 König von Württemberg; NDB, Bd. 11, S. 269 f. 5 Friedrich I. von Baden (1826–1907), seit 1852 Regent, seit 1856 Großherzog von Baden; NDB, Bd. 5, S. 490–492. 6 Friedrich Wilhelm I., Kurfürst von Hessen (1802–1875), regierte von 1831–1847 als Prinzre­ gent und von 1847–1866 als Kurfürst; NDB, Bd. 5, S. 509 f. 7 Ludwig III., Großherzog von Hessen (1806–1877), regierte von 1848–1877; NDB, Bd. 15, S.  397 f.

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Frankfurt am Main, 17. August 1863

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Se kön. Hoheit Prinz Heinrich der Niederlande8 Se Hoheit der Herzog von Braunschweig9 Se kön. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin10 Se Hoheit der Herzog von Nassau11 Se kön. Hoheit der Großherzog zu Sachsen-Weimar12 Se Hoheit der Herzog zu Sachsen-Meiningen13 Se Hoheit der Herzog zu Sachsen-Altenburg14 Se Hoheit der Herzog zu Sachsen-Coburg-Gotha15 Se kön. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz16 Se königl. Hoheit der Großherzog von Oldenburg17 Se Hoheit der Erbprinz von Anhalt-Dessau-Cöthen18 Se Durchlaucht der Fürst von Schwarzburg-Sondershausen19 Se Durchlaucht der Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt20  8 Wilhelm Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau (1820–1879), Prinz der Niederlande, seit 1850 Statthalter des Großherzogtums Luxemburg; Hacker, Die Anfänge, S. 287.  9 Wilhelm, Herzog von Braunschweig (1806–1884), regierte von 1831–1884; ADB, Bd. 43, S. 4–13. 10 Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883), regierte von 1842–1883; ADB, Bd. 49, S. 96–116. 11 Adolph Wilhelm Carl August Friedrich von Nassau-Weilburg, Herzog von Nassau (1817– 1905), regierte von 1839–1866; NDB, Bd. 1, S. 85. 12 Karl Alexander, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901), regierte von 1853–1901; NDB, Bd. 11, S. 264 f. 13 Bernhard II. Erich Freund, Herzog von Sachsen-Meiningen (1800–1882), regierte von 1803– 1866; ADB, Bd. 46, S. 409–424. 14 Ernst I. Friedrich Paul Georg Nikolaus, Herzog von Sachsen-Altenburg (1826–1908), regier­ te von 1853–1908; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 361. 15 Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893), regierte von 1844–1893; NDB, Bd. 4, S. 261 f. 16 Friedrich Wilhelm II., Großherzog von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904), regierte von 1860–1904; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 268. 17 Nikolaus Friedrich Peter, Großherzog von Oldenburg (1827–1900), regierte von 1853 bis 1900. Großherzog Peter lehnte sich wie sein Vater Paul Friedrich August eng an Preußen an und sicherte sich 1866 durch einen Bündnisvertrag mit Preußen die Weiterexistenz des Groß­ herzogtums. In der schleswig-holsteinischen Frage machte er Erbansprüche für sein Haus geltend, die aber in den Elbherzogtum wie auch in der deutschen Öffentlichkeit auf Ab­ lehnung stießen. Bismarck unterstützte den Großherzog zeitweilig aus taktischen Gründen. 1866 trat Großherzog Peter seine Ansprüche an Preußen ab, das ihn mit dem holsteinischen Amt Ahrensbök und einer Million Taler entschädigte. Vgl. Biographisches Handbuch zur ­Geschichte des Landes Oldenburg, S. 523–526. 18 Leopold Friedrich Franz Nikolaus, Erbprinz von Anhalt-Dessau und Köthen (1831–1904), re­ gierte ab 1871 als Herzog Friedrich I. von Anhalt; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 7. 19 Günther Friedrich Carl II., Fürst von Schwarzburg-Sondershausen (1801–1889), regierte von 1835–1880; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 380. 20 Friedrich Günther, Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt (1793–1867), regierte von 1814–1867; NDB, Bd. 5, S. 591.

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Protokoll Nr. 1 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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Se Durchlaucht der Fürst von und zu Liechtenstein21 Se Durchlaucht der Fürst zu Waldeck22 Se Durchlaucht der Fürst von Reuß jüngerer Linie23 Se Durchlaucht der Fürst zu Schaumburg-Lippe24 dann als Vertreter der vier freien Städte die Herren Bürgermeister Dr Roeck für Lübeck25 älterer Bürgermeister, Senator und Syndicus Dr Müller für Frankfurt26 Bürgermeister Dr Duckwitz für Bremen27 und Bürgermeister Dr Haller für Hamburg28 bei Sr kais. königl. Apostolischen Majestät im Conferenzsaale des fürstlich Thurn und Taxis’schen Pallastes29 versammelt, um Berathungen über die Fra­ ge einer zeitgemäßen Reorganisation des deutschen Bundes zu eröffnen. Die allerhöchsten, höchsten und hohen Theilnehmer an der Conferenz ha­ ben ohne Präjudiz für die zwischen den deutschen Fürstenhäusern und Staa­ ten bestehenden Rangverhältnisse die bereitgehaltenen Sitze eingenommen. Es besteht allseitiges Einverständniß darüber, daß auch die in den Protokollen der Conferenz befolgt werdende Reihenfolge nicht als ein derartiges Präjudiz angesehen werden soll. Auf Vorschlag Sr Majestät des Kaisers von Oesterreich hat die erhabene Ver­ sammlung den Unterzeichneten mit der Führung des Protokolles beauftragt. 21 Johann II. Maria Franz Placidus, Fürst von Liechtenstein (1840–1929), regierte von 1858 bis 1929; NDB, Bd. 14, S. 520 f. 22 Georg Viktor, Fürst von Waldeck und Pyrmont (1831–1893), regierte von 1845–1893; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 418. 23 Heinrich LXVII. Fürst Reuß jüngere Linie (1789–1867), regierte von 1854–1867; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 336. 24 Adolf I. Georg, Fürst zu Schaumburg-Lippe (1817–1893), regierte von 1860–1893; ADB, Bd. 55, S. 661–663. 25 Karl Ludwig Roeck (1790–1869), 1814 Ratssekretär, 1833 Ratsherr, 1855–1856, 1858–1860, 1863–1864 und 1867–1868 Senatspräsident (= Bürgermeister) der Freien Stadt Lübeck, zu­ gleich Beauftragter für auswärtige Angelegenheiten; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 258; ADB, Bd. 28, S. 737–739; Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, Bd. 13, S. 411–414. 26 Samuel Gottlieb Müller (1802–1880), seit 1834 Stadtgerichtsrat in Frankfurt, 1842 und 1844 jüngerer Bürgermeister, 1849, 1860, 1863 älterer Bürgermeister, 1861–1866 Frankfurter Bun­ destagsgesandter; Klötzer (Hrsg.), Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 71 f. 27 Arnold Duckwitz (1802–1881), 1857–1863 und 1866–1869 Bürgermeister von Bremen; ADB, Bd. 48, S. 133–140; NDB, Bd. 4, S. 151 f.; Bremische Biographie, S. 115–117. 28 Nikolaus Ferdinand Haller (1805–1876), seit 1844 Mitglied des Hamburger Senats; 1863, 1864, 1866, 1867, 1870 und 1873 erster Bürgermeister; ADB, Bd. 10, S. 436 f. 29 Das 1731 erbaute Palais Thurn und Taxis in Frankfurt war von 1748 bis 1805 Hauptsitz der Kaiserlichen Reichspost, von 1805 bis 1813 Residenz des Fürstprimas und Großherzogs von Frankfurt Karl Theodor von Dalberg, und von 1816 bis 1866 Sitz der Deutschen Bundesver­ sammlung. Vgl. Lübbecke, Das Palais Thurn und Taxis.

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Se kais. Majestät haben der Conferenz bekannt gegeben, daß laut einer Mittheilung Sr Majestät des Königs von Sachsen Höchstderselbe bevollmäch­ tigt sei, Se Durchlaucht den Fürsten Heinrich XXII. zu Reuß älterer Linie30 in der Fürstenconferenz zu vertreten. Die von der Frau Fürstin Vormünderin ausgestellte Vollmacht ddo Greiz, 13. August ist dem gegenwärtigen Proto­ kolle im Original beigefügt. Se kais. königl. Apostolische Majestät eröffneten hierauf die Berathungen, indem Allerhöchstdieselben die nachstehende Rede31 verlasen: „Durchlauchtigste freundliche liebe Brüder und Vettern, sehr werthe Bundesgenossen. Eine Versammlung der Häupter der deutschen Nation, berathend über das Wohl des Vaterlandes, ist ein Ereigniß, welches eine nach Jahrhunderten zäh­ lende Vergangenheit nicht gekannt hat. Möge durch den Segen der göttlichen Vorsehung unsere Zusammenkunft an der Schwelle einer heilbringenden Zu­ kunft stehen! Vertrauend auf den hohen Charakter Meiner Mitfürsten, vertrauend auf den rechtliebenden und durch Erfahrung geläuterten Geist, welcher im deutschen Volke lebt, habe Ich gewünscht, diese Stunde herbeizuführen, in welcher die Fürsten Deutschlands zum Zwecke der Befestigung ihres Bundes sich die brüderlichen Hände reichen. Ich habe es für Meine Pflicht gehalten, offen Meine Überzeugung auszusprechen, daß Deutschland mit Recht einer zeitge­ mäßen Entwickelung seiner Verfassung entgegensieht, und Ich bin gekom­ men, um Meinen Verbündeten in persönlichem Gedankenaustausche darzule­ gen, was Ich zur Erreichung dieses großen Zweckes für möglich halte und für Meinen Theil zu gewähren bereit bin. Empfangen Eure Majestäten und Sie Alle, durchlauchtigste vielgeliebte Verbündete, Meinen Dank für Ihr bundesfreundliches Entgegenkommen. 30 Heinrich XXII., Fürst von Reuß älterer Linie (1846–1902), regierte von 1859–1902; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 334. 31 Die Rede wurde unter anderem veröffentlicht im Mainzer Journal Nr. 192 vom 20. August 1863 und in der französischsprachigen Zeitung L’Europe, Supplément vom 18. August 1863, Abdruck in deutscher Sprache mit französischer Übersetzung. – Die Zeitung L’Europe er­ schien von 1862 bis 1866 unter diesem Namen in Frankfurt. Sie war die Fortsetzung des 1794 mit kaiserlichem Privileg gegründeten Journal de Francfort. Vgl. Estermann, Zeitungs­ stadt Frankfurt, S. 105. Abdruck der Rede ferner in: Der Fürsten-Congreß in seinem ge­ schichtlichen Zusammenhange. Nebst der Ansprache Sr. K. K. Apostolischen Majestät und dem vorgelegten Entwurfe einer Reformakte des Deutschen Bundes, Frankfurt am Main 1863, S. 24–26; siehe dazu Rosenberg, Die nationalpolitische Publizistik, Bd. 2, Nr. 901, S. 663 f. – Die kaiserliche Ansprache findet sich mehrfach als separate Vorlage in den Akten, so als Metallographie im HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frank­ furt 1863. Verschiedene Concepte und andere Materialien, fol. 39 f.

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Ich habe Meinen erhabenen Bundesgenossen einen unter Meiner Leitung ausgearbeiteten Entwurf einer Reformacte des deutschen Bundes überreichen lassen.32 Gegründet auf einen erweiterten Begriff der Bundeszwecke, legen die Be­ stimmungen dieses Entwurfes die vollziehende Gewalt des Bundes in die Hände eines Direktoriums, welchem ein Bundesrath zur Seite stehen würde. Sie berufen periodisch eine Versammlung von Abgeordneten zu vollberech­ tigter Theilnahme an der Gesetzgebung und dem Finanzhaushalte des Bun­ des. Sie führen periodische Fürstentage in das politische Leben Deutschlands ein. Sie verleihen durch Gründung eines unabhängigen Bundesgerichtes dem öffentlichen Rechtszustande in Deutschland eine unantastbare Gewähr. In al­ len diesen Beziehungen wahren sie folgerichtig und so strenge als möglich den Grundsatz der Gleichberechtigung unabhängiger verbündeter Staaten, vereinigen aber mit diesem Grundsatze zugleich diejenigen Rücksichten auf Machtverhältniß und Volkszahl, welche von der Natur der vorgeschlagenen Einrichtungen, insbesondere einer kräftigen Exekutive und einer Gesammt­ vertretung am Bunde unzertrennlich sind. Alle Erwägungen aber, die Mich im Einzelnen leiteten, entstammen in ih­ rem tieferen Grunde nur Einem einzigen Gedanken. Ich glaubte, daß es an der Zeit sei, den Bund, den Unsere Väter schlossen, im Geiste Unserer Epo­ che zu erneuen [sic], ihn durch die Theilnahme Unserer Völker mit frischer Lebenskraft zu erfüllen, und ihn dadurch zu befähigen, Deutschland in Ehre und Macht, in Sicherheit und Wohlfahrt als ein unzertrennliches Ganze[s] zu­ sammenzuhalten bis in die spätesten Tage. Meine Vorschläge sind ohne Zweifel der Vervollkommnung fähig, – Ich bin der erste, es anzuerkennen. Allein Ich gebe Meinen erhabenen Verbünde­ ten zu bedenken, ob es in Unserem gemeinsamen Interesse liege, um der möglichen Verbesserungen willen die Annahme des Planes, der jedenfalls im Vergleiche mit dem gegenwärtigen Zustande einen hohen Gewinn für Deutschland in sich schließt, auch nur um eine kurze Frist zu verzögern. In der vorgeschlagenen Reformacte selbst sind die nöthigen verfassungsmäßi­ gen Mittel dargeboten, um in gesetzlich geregeltem Gange mit sicherer Hand die Mängel des ursprünglichen Werkes zu beseitigen und die Verfassungszu­ stände des Bundes in immer vollständigeren Einklang mit allen begründeten Anforderungen zu setzen. Nicht in der Eröffnung weitaussehender Berathun­ gen, sondern nur in einem raschen und einmüthigen Entschluße der deutschen Fürsten, vor deren hochsinniger Hingebung an die gemeinsame große Sache untergeordnete Rücksichten als bedeutungslos zurücktreten, vermag Ich die 32 Siehe Dok. 48.

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Möglichkeit zu erblicken, festen Boden in der Frage der Zukunft Deutsch­ lands zu gewinnen. Durchlauchtigste Brüder und Vettern! sehr liebe Bundesgenossen! Wie Sie mit Mir die erhebenden Eindrücke dieses Augenblickes theilen, so theilen Sie auch Mein tiefes Bedauern darüber, daß, da Preußen nicht unter Uns vertreten ist, Eine große Genugthuung Unseren heiligsten Wünschen fehlt. Es ist Mir versagt geblieben, den König Wilhelm von Preußen zu bewegen, Unserem Ei­ nigungswerke Seine persönliche Mitwirkung zu gewähren. Aber die Hoffnung auf ein glückliches Ergebniß dieses Tages halte Ich deßhalb nicht m ­ inder standhaft fest. Der König von Preußen hat Meine Gründe für die Nothwendig­ keit und Dringlichkeit einer Reform der Bundesverhältnisse vollkommen ge­ würdigt. Keinen anderen Einwand hat König Wilhelm Meiner Einladung zu einer Fürstenversammlung entgegengestellt, als daß diese wichtige und schwierige Angelegenheit nicht hinlänglich vorbereitet sei, um unmittelbar in dem erlauchten Kreise der Fürsten Deutschlands in Berathung gezogen zu werden. Im Grundsatze hat Sich der König nicht gegen eine Fürstenversamm­ lung erklärt, sondern nur geglaubt, daß Berathungen Unserer Minister einer solchen vorhergehen sollten. Ich habe Se Majestät auf die Unfrucht­barkeit aller früheren durch Mittelspersonen gepflogenen Verhandlungen aufmerksam ge­ macht, aber von Uns, die Wir hier erschienen sind, hängt es nunmehr ab, durch die That zu beweisen, daß für Uns die Frage der Erneuerung des Bundes reif ist, daß in Unseren Gemüthern der Entschluß, die deutsche Nation nicht länger die Mittel zu höherer politischer Entwickelung entbehren zu lassen, feststeht. Einigen Wir Uns um des unberechenbar wichtigen Ganzen willen leicht und rasch über das Einzelne! Wahren Wir bundestreu in Allem den Platz, der dem mächtigen Preußen gebührt! Und hoffen Wir zu Gott, daß das Beispiel Unse­ rer Eintracht mit siegender Gewalt auf alle deutschen Herzen wirke! Mir persönlich aber, durchlauchtigste Bundesgenossen und Freunde, wird es stets zur höchsten Beruhigung gereichen, lauteren Willens Mein Streben dahin gerichtet zu haben, in dieser ernsten Zeit das Nationalband der Deut­ schen zu festigen und den Bund, durch den Wir eine Gesammtmacht sind, auf die Höhe seiner für Deutschlands Heil und Europa’s Frieden gleich wichtigen Bestimmung zu erheben.“ Se Majestät der König von Bayern[,] anknüpfend an diese Ansprache, ver­ lasen hierauf die Rede, deren Wortlaut folgt. „Der Einladung Eurer kais. Majestät folgend, sind Wir hieher gekommen, Alle, wie Ich nicht zweifle, beseelt von demselben bundestreuen und vater­ ländischen Gefühle, aus welchem die Einladung selbst hervorgegangen ist, und durchdrungen von dem heißen Wunsche, dem Verlangen nach zeitgemä­ ßer Ausbildung der Bundesverfassung eine gerechte und für alle Theile heil­ same Befriedigung zu gewähren.

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Dieser Übereinstimmung im Ziele und Streben Uns bewußt haben Wir Uns versammelt, ohne im Einzelnen die Vorschläge zu kennen, welche Eure kais. Majestät Unserer gemeinschaftlichen Berathung zu übergeben beab­ sichtigten. Wir haben es gethan in dem Vertrauen, daß der Geist gegenseitiger Rechts­ achtung und gemeinschaftlicher Hingebung an die großen Gesammtinteres­ sen, in welchem Unsere Väter den deutschen Bund im Sinne und nach den Verhältnissen ihrer Zeit geschlossen haben, auch jene Vorschläge durchdrin­ gen und tragen werde. Wir leben des Vertrauens, daß dieselben demgemäß eine geeignete Grundlage bilden werden, um darauf im Geiste und nach den Bedürfnissen Unserer Zeit einen Bau zu gründen, welcher der deutschen Na­ tion, die an geistiger und sittlicher Tüchtigkeit, an Bildung und Thätigkeit, wie an materiellen Kräften keiner anderen Nation nachsteht, die gebührende Macht nach außen in concentrirterer Fassung und die ihrer Geschichte und ihrem Wesen entsprechende reiche Gliederung und Lebensthätigkeit im In­ nern gewährt und erhält. In diesem Geiste werde Ich die Vorschläge Eurer kais. Majestät in die ge­ wissenhafteste Erwägung nehmen und Mich darüber aussprechen[,] und Ich glaube hiemit der gleichen Gesinnung aller hier vereinigten Bundesgenossen Ausdruck geliehen zu haben. Eure kais. Majestät haben es Selbst ausgespro­ chen, daß die Vorschläge der Vervollkommnung fähig sind, und so lebhaft Ich auch den Wunsch theile, daß die Grundzüge des Reformplanes ohne weitaus­ sehende Berathungen eine rasche und einmüthige Billigung finden mögen, und daß der Nation so nach alter deutscher Sitte die Bahn der Entwicklung durch ihre Fürsten selbst geöffnet werde, so wenig möchte Ich es doch aus­ schließen, daß schon aus diesem Unseren ersten Zusammentritte einzelne Modificationen jener Grundzüge hervorgehen könnten, zumal etwa solche, welche eben die rasche Einigung zu fördern und zur segensreichen That des freien Entschlusses zu gestalten vermögen. Aus tiefster Seele theile Ich das Bedauern Eurer kais. Majestät, und gewiß theilen es mit Uns alle Unsere theuern Bundesgenossen, daß es Uns noch ver­ sagt bleibt, des Königs von Preußen Majestät in Unserer Mitte zu begrüßen. Halten Wir die Hoffnung fest, daß bei Unserm nächsten Zusammentritt dieses mächtige Glied die große Kette deutscher Macht und Herrlichkeit abschlie­ ßen werde, und vergessen Wir nicht, daß Wir diese Hoffnung in dem Grade der Erfüllung näher führen können, in dem Unsere jetzigen Bestrebungen zu einem raschen und einmüthigen Beschluße führen. Deutschlands Völker haben, einzelne kurze Verirrungen und Wirren abge­ rechnet, seit nahezu einem halben Jahrhundert den Frieden des Rechtes und der Treue genossen. Verläugnen Wir es nicht – da es oft verkannt worden – daß der deutsche Bund und seine Verfassung der Grund war, auf dem jener

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Friede gepflegt ward. Verkennen Wir aber auch nicht, daß diese Grundlagen nun der zeitgemäßen Fortbildung und Entwicklung, insbesondere auch durch organische Einfügung einer Vertretung der einzelnen Völker bedürfen. Das Ziel, nach dem Wir ringen[,] ist Uns klar, sind auch die Wege noch nicht geebnet und theilweise verhüllt. Gehen Wir mit ruhigem und festem Sinn, mit treuem und redlichem Willen an das Werk; dann wird der Segen des allmächtigen Gottes mit Uns sein und Unser Werk krönen.“ Nach des Königs von Bayern Majestät ergriffen Se kön. Hoheit der Groß­ herzog von Mecklenburg-Schwerin das Wort, um den Antrag zu begründen, daß sowie bereits Se Majestät der Kaiser von Oesterreich persönlich in ent­ schiedener Weise den Wunsch und das Bestreben an den Tag gelegt hätten, Se Majestät den König von Preußen zur Betheiligung an den Berathungen der Fürsten Conferenz zu bestimmen, so auch aus der Mitte der nunmehr versam­ melten Souveräne ein gemeinsamer Ausdruck eben dieses Wunsches hervor­ gehen möge. Se königl. Hoheit brachten in Vorschlag zu diesem Zwecke an den König von Preußen ein von sämmtlichen hohen Theilnehmern an der Conferenz zu unterzeichnendes Schreiben zu richten, welches dem Könige durch eine Abordnung der Fürsten zu überbringen wäre. Se Majestät der König von Sachsen sprachen hierauf die Überzeugung aus, daß die Gesinnung, aus welcher der so eben vernommene Vorschlag hervor­ gegangen sei, von den versammelten Fürsten allgemein getheilt werde. Auch glaubten Se Majestät bei einer Prüfung der Opportunität des beantragten Schrittes nicht verweilen zu sollen, waren jedoch des Erachtens, daß es im Interesse des angestrebten großen Zweckes höchst wichtig sei, nur unter Fest­ haltung einer doppelten Voraussetzung zu der Einladung an des Königs von Preußen Majestät zu schreiten. Um sich eines praktischen Ergebnisses der Fürstenberathungen zu versichern, erscheine es nämlich erstens angezeigt, sofort zu einem Einverständnisse darüber zu gelangen, daß die Conferenz in den Vorschlägen des Kaisers von Oesterreich eine geeignete Basis für ihre Verhandlungen erkenne, und zweitens sei im voraus festzustellen, daß auch in dem Falle, wenn König Wilhelm auf die an Ihn ergehende Einladung eine abschlägige Antwort ertheilen sollte, die in Frankfurt versammelten Fürsten sich hierdurch nicht abhalten lassen würden, ihre Berathungen auf der Grund­ lage jener Vorschläge fortzusetzen. Unter diesen beiden Voraussetzungen pflichteten Se königl. Sächsische Majestät dem Vorschlage des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin bei. Se Majestät der König von Bayern äußerten, auch Ihrerseits diese beiden Cautelen für nöthig zu halten, und des Kaisers von Oesterreich Majestät er­ klärten gleichfalls, dem Antrage des Großherzogs unter den von dem Könige Johann bezeichneten Modalitäten zustimmen zu wollen.

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Die hohen Souveräne, welche Sich hierauf an der weiteren Berathung über diesen Antrag betheiligten, stimmten sämmtlich in der Anerkennung des ho­ hen Werthes der von dem Kaiser von Oesterreich ergriffenen Initiative über­ ein, eine Anerkennung, welche namentlich auch Se königl. Hoheit der Groß­ herzog von Baden vom Standpunkte der von Höchstdemselben festgehalte­ nen Anschauungen aus vollkommen zu theilen erklärten. Ebenso einstimmig ging die Ansicht der erhabenen Redner dahin, daß der von dem Kaiser Aller­ höchstseinen Bundesgenossen mitgetheilte „Entwurf einer Reformacte des deutschen Bundes“ den Verhandlungen der Conferenz zu Grunde gelegt wer­ den solle, wobei mehrseitig hervorgehoben wurde, daß aus dem Beschlusse, den gedachten Entwurf als Basis der Berathungen anzunehmen, selbstredend noch nicht die Genehmigung der einzelnen Bestimmungen desselben folge, und daß jener reiflichen Prüfung nicht vorgegriffen werden solle, welche der Schwierigkeit und Bedeutung so wichtiger Materien entspreche. Auch auf das Erforderniß ständischer Zustimmung, soferne dasselbe in den betreffenden Landesverfassungen begründet sei, wurde mehrfach hingewiesen. Für die Abgeordneten der freien Städte erklärte Bürgermeister Roeck aus Lübeck, daß auch die vier Senate der auf das dankbarste gewürdigten Einla­ dung Sr kaiserl. Majestät zu der eröffneten hochwichtigen Berathung über eine heilsame Neugestaltung der Bundesverfassung bereitwillig gefolgt seien, – es dürfe jedoch nicht unbemerkt bleiben, daß die Vertreter der freien Städte in einer von den in der Versammlung anwesenden souveränen Fürsten ver­ schiedenen Stellung sich befänden, indem ihr Verhalten, außer der im Allge­ meinen vorzubehaltenden verfassungsmäßigen Sanction der aus der Bera­ thung hervorgehenden Beschlüsse, zunächst von der Genehmigung ihrer Se­ nate, welche sie mit Instruction nicht hätten versehen können, abhängig sein werde. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich constatirten, daß die Conferenz dem Vorschlage des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin, einen gemein­ samen Schritt bei dem Könige von Preußen zu thun, damit alle Mittel er­ schöpft würden, um Höchstdessen Theilnahme an der Fürstenberathung her­ beizuführen, ihre Zustimmung ertheilt, sowie daß sie, die beiden von dem Könige von Sachsen bevorworteten Punkte sich aneignend, den ihr vorgeleg­ ten Entwurf einer Reformacte als Grundlage ihrer Berathungen angenommen und beschlossen habe, auch im Falle der Nichtbetheiligung des Königs von Preußen diese Berathungen fortzusetzen. Se kais. Majestät hoben den beson­ deren Werth hervor, welchen Sie darauf legen müßten, durch die Aeußerun­ gen Ihrer Verbündeten die Überzeugung gewonnen und selbst die Zusage empfangen zu haben, daß die hohen Herren sämmtlich Willens seien, jeden­ falls ein bestimmtes Resultat aus den Verhandlungen der Versammlung her­ vorgehen zu lassen.

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Nachdem sodann Se Majestät die Besprechung auf die Art der Ausfüh­ rung des Schrittes bei dem Könige von Preußen gelenkt hatten, ersuchte die Conferenz auf den Vorschlag des Kaisers den König von Sachsen, es über­ nehmen zu wollen, das von sämmtlichen Theilnehmern an der Versamm­ lung zu unterzeichnende Schreiben dem Könige Wilhelm zu überbringen. Se Majestät von Sachsen zeigten Sich willig [Sich] diesem Auftrage zu wid­ men, sowie Sie auch einem von Sr königl. Hoheit dem Großherzoge von Mecklenburg Strelitz ausgesprochenen Wunsche Folge gebend, Sich bereit erklärten, einen Entwurf des in Rede stehenden Schreibens abzufassen. Die in dieser Hinsicht von Sr königl. Hoheit dem Großherzoge von Baden auf­ geworfene Frage, ob in dem Einladungsschreiben auch der bereits für die Berathungen angenommenen Basis im Allgemeinen Erwähnung geschehen solle, wurde von der Conferenz bejahend beantwortet, und König Johann zugleich gebeten, dem Könige von Preußen bei Übergabe des Schreibens auch den Entwurf der Reformacte zur Kenntniß bringen zu wollen. Auf An­ regung Sr Majestät des Königs von Hannover wurde endlich beschlossen, während der Abwesenheit des Königs von Sachsen keine Plenarsitzungen zu halten, sondern nur durch Einzelberathungen die Aufgabe der Verständi­ gung über die wichtigsten Punkte der gemachten Vorlage nach Möglichkeit zu fördern. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin machten darauf aufmerksam, daß es Nachtheil bringen könnte, wenn Gerüchte über die von der Fürstenversammlung gefaßten Beschlüsse der Sendung des Kö­ nigs von Sachsen voraneilten, und daß es daher zweckmäßig sein dürfte, zu verabreden, von den Verhandlungen der Conferenz nichts nach außen verlau­ ten zu lassen. In gleichem Sinne äußerten Sich des Großherzogs von Baden Königl. Hoheit. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich erklärten Sich hiemit vollkommen einverstanden, da überhaupt der Gang der Verhandlung in der Fürstenconferenz sich nicht zu öffentlicher Besprechung eigne, welcher An­ sicht allgemein beigepflichtet wurde. Die erste Sitzung der Fürstenconferenz wurde hierauf geschlossen, nach­ dem die Allerhöchsten, Höchsten und Hohen Anwesenden verabredet hatten, am heutigen Tage Nachmittags 4 ½ Uhr zum zweitenmale zusammenzukom­ men, um den inzwischen von Sr Majestät dem Könige von Sachsen zu ferti­ genden Entwurf des Schreibens an des Königs von Preußen Majestät zu ver­ nehmen und das Schreiben zu unterzeichnen. Das gegenwärtige Protokoll wurde in der Sitzung vom 22. August 1863 von dem Protokollführer verlesen, von der erhabenen Versammlung geneh­ migt und von den Allerhöchsten, Höchsten und Hohen Theilnehmern unter­ zeichnet.

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Franz Joseph Maximilian Johann Karl, Kronprinz v. Würtemberg Großherzog v. Baden Ludwig Großherzog von Hessen Carl Alexander Großherzog von Sachsen Friedrich Franz Großherzog v. Mecklenburg Schwerin Friedrich W[ilhelm] Gh. v. M[ecklenburg-Strelitz]  Peter Großhzg. v. Oldenburg Heinrich Prinz der Niederlande  Wilhelm Herzog von Braunschweig Adolph Herzog von Nassau Friedrich Erbprinz zu Anhalt N. F. Haller K. L. Roeck Dr. Müller Duckwitz Adolph Georg F[ürst] zu S[chaumburg-] L[ippe] Johann Fürst zu Liechtenstein Georg Victor F[ürst] zu Waldeck u. Pyrmont Heinrich LXVII. Fürst Reuß j. L. Günther Fürst zu Schwarzburg Sonders­hausen Günther F[ürst] z. Schwarzburg ­Rudolstadt Ernst Herzog von Sachsen-­ Altenburg Ernst [Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha] Bernhard H[er]z[og] [von] S[achsen-Meiningen] Friedrich Wilhelm Kurfürst von Hessen Der Protokollführer: Ludwig von Biegeleben33 k. k. Hof- und Ministerialrath   33 

33 Ludwig Freiherr von Biegeleben (1812–1872), seit 1850 Sektionsrat, seit 1852 Ministerialrat im „deutschen Referat“ des österreichischen Außenministeriums; ADB, Bd. 2, S. 620–622; NDB, Bd. 2, S. 224f.

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[Beilage: Fürstin Caroline von Reuß älterer Linie34 an König Johann von Sachsen]

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 53. Beilage zum Protokoll Nr. 1 des Frankfurter Fürstentages vom 17. August 1863. Be­ händigte Ausfertigung.

Die Fürstin bittet den König von Sachsen, bei dem Fürstenkongreß die Vertretung ihres minderjährigen Sohnes Heinrich zu übernehmen.

Greiz, 13. August 1863 Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König! Gnädigster Herr! Bei den vielen Beweisen des mir bezeigten gnädigsten Wohlwollens wage ich an Ew. Majestaet vertrauensvoll die unterthänige Bitte zu richten, bei der be­ vorstehenden Conferenz der deutschen Bundesfürsten zu Frankfurt a/M., zu welcher von Seiten Sr Kaiserlich Königlich apostolischen Majestaet an mei­ nen Sohn, den Fürsten Heinrich den XXII. Reuß älterer Linie eine huldvolle Einladung ergangen, dessen Vertretung dabei jedoch nachträglich vorgeschla­ gen worden ist, die Gnade zu haben, diese Vertretung gütigst übernehmen zu wollen, indem die von Euer Majestaet in dieser wichtigen Angelegenheit auf­ gefaßten weisen und Einsichtsvollen [sic] Ansichten für mich maßgebend sind. Mich der Hoffnung hingebend, daß Euer Majestaet diese meine ausgespro­ chene Bitte nicht ungnädig aufzunehmen geruhen werden, ergreife ich diese Veranlassung den Ausdruck unbegrenzter Ehrerbietung zu erneuern, mit wel­ cher ich zu sein die Ehre habe Ew. Majestaet unterthänige Dienerin Caroline verwittwete Fürstin Reuß Prinzessin zu Hessen

34 Caroline von Hessen-Homburg (1819–1872), seit 1839 Ehefrau des Fürsten Heinrich XX. Reuß ältere Linie (1794–1859), übte seit dem Tod ihres Mannes bis 1867 die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Heinrich XXII. aus; Gehrlein, Das Haus Reuß.

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Protokoll Nr. 2 der Frankfurter Fürstenkonferenz

Nr. 46

46. Protokoll Nr. 2 der Frankfurter Fürstenkonferenz

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 73 u. 78 f. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 81 f.

Die Versammlung genehmigt den Entwurf eines Schreibens, das der König von Sachsen dem König von Preußen überbringen soll. Die Sitzung wird zur Herstellung einer Reinschrift unterbrochen, anschließend unterzeichnen sämtliche Anwesenden das Schreiben.

Frankfurt am Main, 17. August 1863 Protokoll verhandelt zu Frankfurt a/M im fürstlich Thurn und Taxis’schen Pallaste am 17. August 1863 Nachmittags 4 ½ Uhr Nachdem sämmtliche in dem Protokolle vom heutigen Vormittage genannten Theilnehmer an der Fürstenconferenz mit Ausnahme des mit den Vorberei­ tungen zum Bankette im Römersaale beschäftigten Bürgermeisters von Frankfurt Dr Müller Sich versammelt hatten, eröffneten Se Majestät der Kai­ ser von Oesterreich die Sitzung, indem Allerhöchstdieselben Se Majestät den König von Sachsen ersuchten, der Versammlung den Entwurf des nach ihrem heutigen Beschlusse an Se Majestät den König von Preußen zu richtenden Schreibens vorlesen zu wollen. Se königl. Sächsische Majestät entsprachen diesem Ersuchen, worauf die erhabene Versammlung den Entwurf einstimmig guthieß und in der aus der Anlage ersichtlichen Fassung genehmigte.1 An die Stelle des Schreibens, worin erwähnt wird, daß die Fürstenconfe­ renz die Vorschläge des Kaisers von Oesterreich als eine geeignete Grundlage für ihre Berathungen angenommen habe, knüpften übrigens Se kk. Apostoli­ sche Majestät den Ausdruck des Wunsches und der Hoffnung, daß soferne Modificationen einzelner Bestimmungen des Entwurfes bevorwortet werden wollten, die hohen Mitglieder der Conferenz darauf bedacht sein würden, möglichst genau formulirte, zugleich aber auch auf die Wahrscheinlichkeit allseitiger Annahme berechnete Aenderungsanträge vorzulegen, wobei über­ haupt über minder wichtige Punkte hinweggegangen werden möchte, damit ein baldiger Abschluß nicht zu sehr erschwert würde. Die Sitzung wurde hierauf während der zur Reinschrift des Schreibens nöthigen Zeit unterbrochen, dann aber das Schreiben mit den Unterschriften sämmtlicher Mitglieder der erhabenen Versammlung versehen. Bemerkt wird, daß auch die Unterschrift des Bürgermeisters Dr Müller eingeholt wurde, ehe 1 Siehe Dok. 47.

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Frankfurt am Main, 17. August 1863

König Johann von Sachsen (1801–1873)

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Protokoll Nr. 2 der Frankfurter Fürstenkonferenz

Nr. 46

das Schreiben mit dem Bundessiegel gesiegelt und Sr königl. Sächsischen Majestät zu Handen Sr Majestät des Königs von Preußen übergeben wurde. Nach der Unterzeichnung des mehrgedachten Schreibens wurde die Sit­ zung der Conferenz aufgehoben. Gegenwärtiges Protokoll wurde in der Sitzung vom 22. August 1863 von dem Endesunterzeichneten verlesen und von der erhabenen Versammlung ur­ kundlich der Unterschriften genehmigt. Franz Joseph Maximilian Georg Rex Friedrich Wilhelm Kurfürst von Hessen Ernst Herzog v. Altenburg Bernhard H[er]z[og] Ernst [Herzog von v. Sachsen-Meiningen ­Sachsen-Coburg und Gotha] Franz Günther Fürst zu Schwarz­ Günther Fürst zu Schwarzburg burg Rudolstadt ­Sondershausen Heinrich LXVII Fürst Reuß j. L. Georg Victor F[ürst] z. Waldeck u. Pyrmont Johann Fürst zu Liechtenstein Adolph Georg Fürst zu Sch[aumburg] L[ippe] Duckwitz K. L. Roeck N. F. Haller Dr Müller Friedrich Erbprinz zu Anhalt Adolph Herzog v. Nassau Heinrich Prinz der Niederlande Wilhelm H[erzog] v. Braunschweig Peter Großherzog v. Oldenburg Friedrich Franz Großherzog v. Mecklenburg Schwerin Friedrich W[ilhelm] G[roß]h[erzog] v. M[ecklenburg-Strelitz] Karl Alexander Großherzog von Sachsen Ludwig Großherzog von Hessen Großherzog v. Baden Karl, Kronprinz v. Würtemberg Johann Der Protokollführer: Ludwig von Biegeleben k. k. Hof- und Minsterialrath

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Frankfurt am Main, 17. August 1863

  Die deutschen Fürsten an König Wilhelm I. 

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47. Die deutschen Fürsten und Bürgermeister der freien Städte an König Wilhelm I. von Preußen

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/76, fol. 8 f. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 20. August 1863. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 82; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 736 f.; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 132 f.;

Die in Frankfurt versammelten deutschen Fürsten und Vertreter der freien Städte appellieren an den König von Preußen, sich doch noch persönlich an den Reformberatungen zu beteiligen und in ihrer Mitte zu erscheinen.

Frankfurt am Main, 17. August 1863 Allerdurchlauchtigster, Großmaechtiger Fürst, Die auf Einladung Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich zur Be­ra­ thung einer Bundesreform allhier versammelten deutschen Fürsten und freien Städte haben es schmerzlich empfunden Euere Majestät nicht in ihrer Mitte zu sehen. Nach Kenntnißnahme der von Sr Majestät dem Kaiser uns mitgetheilten Vorschläge haben wir in denselben allseitig eine geeignete Grundlage für un­ sere Verhandlungen erkannt, deren Resultat wir Euer Majestät jedenfalls zur Einholung Allerhöchst Ihrer bundesverfassungsmäßigen Zustimmung vor­ legen würden. Wir hegen aber den lebhaften Wunsch, daß Euere Majestät, Welche berufen sind, in so hervorragender Weise an den Erfolgen unserer Bemühungen Theil zu haben, auch schon an unseren Berathungen sich be­ theiligen möchten, damit das große Werk, dessen Nothwendigkeit Euere1 Majestät ja Selbst anerkannt haben, um so leichter und sicherer zum Ziele geführt werden möge, und wenden uns daher, im Vertrauen auf Allerhöchst Ihre bewährten bundesfreundlichen Gesinnungen, an Euere Majestät mit der dringenden Bitte, daß Allerhöchst Sie noch jetzt in unserer Mitte erscheinen möchten. Der unterzeichnete König von Sachsen hat übernommen Euerer Majestät dieses Schreiben in unserer Aller Namen zu überbringen und unserem Wun­ sche noch mündlich Worte zu leihen. Empfangen Euere Majestät den angelegentlichsten Ausdruck unserer bun­ destreuen Gesinnungen. Franz Joseph Johann Karl, Kronprinz von Würtemberg

1 Emendiert. Vorlage: Euerer.

Maximilian Georg

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Die deutschen Fürsten an König Wilhelm I.

Großherzog von Baden Ludwig Großherzog von Hessen

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Friedrich Wilhelm [Kurfürst von Hessen] Carl Alexander Großherzog von Sachsen

Heinrich Prinz der Niederlande Friedrich Franz Großherzog v. Mecklenburg Schwerin Friedrich W[ilhelm] G[roß]h[er]z[og] v. M[ecklenburg-Strelitz] Wilhelm Herzog von Peter Großherzog von Oldenburg Braunschweig Bernhard Herzog v. Sachsen Meiningen Ernst Herzog v. Altenburg Ernst [Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha] Adolph Herzog von Nassau In Vertretung: Friedrich Erbprinz zu Anhalt Franz Günther Fürst zu Schwarzburg Günther Fürst zu Schwarzburg Sondershausen Georg Victor F[ürst] z. Waldeck u. Pyrmont Heinrich LXVII Fürst Reuß j. L. Johann Fürst von Liechtenstein Adolph Georg Fürst zu Schaumburg Lippe K. L. Roeck, Bürgermeister der freien Stadt Lübeck Müller, Bürgermeister von Frankfurt Duckwitz Bürgermeister von Bremen N. F. Haller Bürgermeister von H ­ amburg

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48. Entwurf einer Reformakte des Deutschen Bundes

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 1 und 22–37, 44 f. Metallographie; diese Fassung war offenbar die Vorlage für den ­offiziellen Druck durch C. Naumann’s Druckerei, Frankfurt am Main. Weitere metallographierte Fassungen finden sich in: HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frank­ furt 1863, Original-Protocolle, fol. 2–20, unter dem Titel „Grundzüge einer Reformacte des deutschen Bundes“ (textidentisch mit dem „Entwurf“); GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 185–191; HStA München, MA 495. – Der Entwurf wurde am 17. August 1863 den in Frankfurt versammelten Fürsten vorgelegt. Zusammen mit der Eröffnungsansprache des Kai­ sers (Dok. 45) wurde der Entwurf gedruckt und an die deutschen Regierungen und an die Presse verteilt, die ihrerseits den Entwurf der Reformakte in den folgenden Tagen veröffentlichte: Ex­ trabeilage zu Nr. 424 der Frankfurter Postzeitung vom 19. August 1863; Süddeutsche Zeitung vom 19. August 1863; Zirndorffer’sches Intelligenzblatt vom 19. August 1863; Extrabeilage zu Nr. 229 der Bayerischen Zeitung, 21. August 1863; Wiener Abendpost Nr. 44 vom 21. August 1863, Beilage; Extrabeilage zu Nr. 34 des Wochenblattes des Deutschen Reformvereins, Frank­ furt am Main, 23. August 1863; weitere Abdrucke in: Der Fürsten-Congreß in seinem geschicht­ lichen Zusammenhange. Nebst der Ansprache Sr. K. K. Apostolischen Majestät und dem vorge­ legten Entwurfe einer Reformakte des Deutschen Bundes, Frankfurt am Main 1863, S. 27–40; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 4, 1863, S. 54–63. – Der am Schluß des Fürstentages verabschiedete, veränderte und ergänzte Entwurf ist ediert in Dok. 74, Anlage 16.

In 36 Artikeln sieht die Reformakte eine Erweiterung des Bundeszwecks, die Schaffung neuer Bundesorgane (Direktorium, Bundesrat, Delegiertenversammlung, Fürstenversammlung, Bundesgericht) vor.

[Frankfurt am Main, 17. August 1863] Entwurf einer Reformacte des Deutschen Bundes Abschnitt I. Allgemeine Verfügungen. Artikel 1. Erweiterung des Bundeszweckes. Die Zwecke des deutschen Bundes sind: Wahrung der Sicherheit und Machtstellung Deutschlands nach außen, Wahrung der öffentlichen Ord­ nung im Innern, Förderung der Wohlfahrt der deutschen Nation und Ver­ tretung ihrer gemeinsamen Anliegen, Schutz der Unverletzbarkeit und ver­ fassungsmäßigen Unabhängigkeit der einzelnen deutschen Staaten, Schutz des öffentlichen Rechtszustandes in denselben, Gemeinsamkeit der Gesetz­ gebung im Bereiche der dem Bunde verfassungsmäßig zugewiesenen Ange­ legenheiten, Erleichterung der Einführung allgemeiner deutscher Gesetze und Einrichtungen im Bereiche der gesetzgebenden Gewalt der einzelnen Staaten.

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Artikel 2. Neue Organe des Bundes. Die Leitung der Bundesangelegenheiten wird von den souveränen Fürsten und freien Städten Deutschlands einem aus ihrer Mitte hervorgehenden ­Direktorium übertragen. Ein Bundesrath wird aus den Bevollmächtigten der Regierungen gebil­ det. Eine Versammlung der Bundesabgeordneten wird periodisch einberufen werden. Eine Fürstenversammlung wird periodisch zusammentreten. Ein Bundesgerichtshof wird errichtet. Abschnitt II. Direktorium und Bundesrath. Artikel 3. Bildung des Direktoriums. Das Direktorium des deutschen Bundes besteht aus dem Kaiser von Oester­ reich, dem Könige von Preußen, dem Könige von Baiern und zweien der am 8ten, 9ten und 10ten Bundes-Armee-Corps betheiligten Souveräne. Letztere beide Direktorialmitglieder werden in der Weise gewählt, daß die­ jenigen Regierungen, welche zusammen eines der genannten Armeecorps aufzustellen haben, aus ihrer Mitte je ein Direktorialmitglied für eine Periode von 6 oder nach Umständen von 3 Jahren wählen, und abwechselnd in jedem dritten Jahre die Vertretung eines dieser Corps im Direktorium ruht.* Die am Direktorium betheiligten Fürsten werden sich in der Regel durch Bevollmächtigte am Bundessitze vertreten lassen, es bleibt jedoch den Sou­ veränen vorbehalten, sich bei wichtigeren Veranlassungen zu vereinigen, um die Befugnisse des Direktoriums in Person auszuüben.

* Anmerkung. Da die obige Bestimmung über die beiden durch Wahl zu besetzenden Stellen im Direktorium keine Classe der deutschen Souveräne grundsätzlich von der Wahl ausschließen soll, so ist erläuternd zu bemerken, daß die vorgeschlagene Textirung auf der Unterstellung beruhe, es werde in Folge der noch schwebenden Verhandlungen über die Reserve-InfanterieDivision des Bundesheeres die Auflösung dieses Truppenkörpers und die Wiedereintheilung der Contingente desselben in die drei gemischten Armeecorps beschlossen werden. Für den Fall des Fortbestehens der Reserve-Division bleibt daher eine Modification des Vorschlags vorbehalten. Ebenso bleibt die Frage offen, wie der Wechsel in der Besetzung jener beiden Stellen in dem Falle einzurichten wäre, wenn statt der gegenwärtig bestehenden drei gemisch­ ten Corps deren vier gebildet oder eine andre Eintheilung vorgezogen würde.

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Artikel 4. Bildung des Bundesrathes. Der Bundesrath besteht aus den Bevollmächtigten der 17 Stimmen des enge­ ren Rathes der Bundesversammlung. Oesterreich und Preußen führen im Bundesrathe je drei Stimmen, so daß die Zahl der Stimmen sich auf 21 er­ höht. Die für das Direktorium ernannten Bevollmächtigten werden in der Regel ihre Regierungen auch im Bundesrathe vertreten. Artikel 5. Vorsitz im Direktorium und im Bundesrathe. Art der Abstimmung. Verhältniß zu den vollmachtgebenden Regierungen. Hilfsbehörden. Den Vorsitz im Direktorium und im Bundesrathe führt Oesterreich. Im Falle der Verhinderung des österreichischen Bevollmächtigten geht der Vorsitz auf Preußen über. Mit dem Vorsitze sind keine andern Befugnisse, als die zur formellen Lei­ tung der Geschäfte erforderlichen, verbunden. Alle Beschlüsse des Direktoriums werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Die Beschlüsse des Bundesrathes werden mit einfacher Stimmen­ mehrheit gefaßt, soferne nicht die nachfolgenden Artikel Ausnahmen von die­ sem Grundsatze anordnen. Die Direktorialbevollmächtigten, sowie die Mitglieder des Bundesrathes, sind an die Weisungen ihrer Regierungen gebunden. Doch sind die Regierun­ gen und vorzugsweise die Direktorialhöfe verpflichtet, ihre Bevollmächtigten mit thunlichst ausgedehnten Instruktionen zu versehen, damit der Gang der Bundesgeschäfte durch den Verkehr zwischen den Bevollmächtigten und ih­ ren Vollmachtgebern so wenig wie möglich aufgehalten werde. Die Beziehungen zwischen dem Direktorium und den einzelnen Regierun­ gen werden durch deren Bevollmächtigte im Bundesrathe vermittelt. Die Militär-Commission ist dem Direktorium untergeordnet. Als weitere Hilfsbehörden werden demselben eine Commission für Inneres und Justiz, eine Finanz-Commission und eine Commission für Handels- und Zollsachen beigegeben. Direktorium und Bundesrath haben ihren Sitz zu Frankfurt a/M. Artikel 6. Allgemeiner Grundsatz betreffend die Befugnisse des Direktoriums und Bundesrathes. Die vollziehende Gewalt des Bundes wird durch das Direktorium ausgeübt.

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Das Direktorium kann sich bei Ausübung dieser Gewalt des Beiraths des Bundesrathes bedienen, ist aber an dessen Beschlüsse nur in den Fällen ge­ bunden, für welche die nachfolgenden Artikel dies ausdrücklich vorschrei­ ben. In den Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung vertritt das Direktorium die Gesammtheit der Bundesregierungen auf Grund der Beschlüsse des Bun­ desrathes, beziehungsweise der Fürstenversammlung. Artikel 7. Auswärtige Verhältnisse. Die völkerrechtliche Vertretung des Bundes in seiner Eigenschaft als Ge­ sammtmacht steht dem Direktorium zu. Der präsidirende Direktorialbevollmächtigte nimmt die Beglaubigungsund Abberufungsschreiben der fremden diplomatischen Agenten entgegen. Er vermittelt den schriftlichen und mündlichen Verkehr mit denselben auf Grund der Beschlüsse des Direktoriums und in dessen Namen. Das Direktorium hat das Recht, zum Zwecke der Unterhandlung über ­Gegenstände der Bundesthätigkeit diplomatische Agenten jedes Ranges bei auswärtigen Staaten zu beglaubigen. Die Beglaubigungs- und Abberufungs­ schreiben dieser Agenten, sowie die ihnen zugehenden Instruktionen werden von dem präsidirenden Direktorialbevollmächtigten im Namen und Auftrag des Direktoriums vollzogen. Verträge mit auswärtigen Staaten über Gegenstände der Bundesthätigkeit können von dem Direktorium nur mit Zustimmung der Fürstenversammlung oder wenn diese nicht vereinigt ist, mit Zustimmung des Bundesrathes ratifi­ cirt werden. Soferne solche Verträge den Bereich der Bundesgesetzgebung berühren, kann deren Ratifikation nur mit Vorbehalt der Zustimmung der Ver­ sammlung der Bundesabgeordneten erfolgen. Artikel 8. Krieg und Frieden. Dem Direktorium liegt die Sorge für die äußere Sicherheit Deutschlands ob. Ergibt sich die Gefahr eines feindlichen Angriffes auf den Bund oder einen einzelnen Theil des Bundesgebietes, oder wird das europäische Gleichge­ wicht in einer für die Sicherheit des Bundes bedrohlichen Weise gefährdet, so hat das Direktorium alle durch die Umstände erforderten militärischen Vor­ sichts- und Vorbereitungsmaßregeln anzuordnen. Es übt zu diesem Zwecke sämmtliche nach der Bundes-Kriegsverfassung dem Bunde zustehende Befugnisse aus. Insbesondere kommt es ihm zu, die Kriegsbereitschaft und Mobilmachung des Bundesheeres oder einzelner Con­

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tingente desselben zu beschließen, für die rechtzeitige Instandsetzung der Bundesfestungen zu sorgen, den Bundesfeldherrn zu ernennen, die Bildung des Hauptquartiers und der Heeresabtheilungen zu veranlassen, eine eigene Kriegscasse des Bundes zu errichten. Zu einer förmlichen Kriegserklärung des Bundes ist ein im Bundesrathe mit zwei Drittheilen der Stimmen gefaßter Beschluß erforderlich. Ergibt sich die Gefahr eines Krieges zwischen einem Bundesstaate, wel­ cher zugleich außerhalb des Bundesgebietes Besitzungen hat und einer aus­ wärtigen Macht, so hat das Direktorium den Beschluß des Bundesrathes ­darüber, ob der Bund sich am Krieg betheiligen wolle, zu veranlassen. Die Entscheidung hierüber erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit. Wird das Bundesgebiet durch feindliche Streitkräfte angegriffen, so tritt der Stand des Bundeskrieges von selbst ein. Das Direktorium hat das Recht, Friedensunterhandlungen einzuleiten und zu diesem Zwecke eigene Bevollmächtigte zu ernennen und mit Instruktionen zu versehen. Es hat jedoch über die Bedingungen des Friedens die Ansicht des Bundesrathes zu vernehmen. Die Annahme und Bestätigung des Frie­ densvertrages kann nur auf Grund eines mit einer Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen gefaßten Beschlusses des Bundesrathes geschehen. In dem Falle des Art. 45 der Wiener Schlußakte hat das Direktorium die zur Behauptung der Neutralität des Bundes erforderlichen Maßregeln zu be­ schließen. In Bezug auf Streitigkeiten einzelner deutscher Staaten mit auswärtigen Staaten hat das Direktorium die durch die Art. 36 & 37 der Wiener Schluß­ akte der Bundesversammlung zugewiesenen Befugnisse auszuüben. Artikel 9. Innere Sicherheit. Die Sorge für die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und der Gesetz­ lichkeit in den einzelnen Bundesstaaten liegt zunächst den betreffenden Re­ gierungen ob. Das Direktorium hat jedoch auch seinerseits darüber zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde. Sind Ruhestörungen zu besorgen, so ist es berufen, auf deren Verhütung hinzuwirken. Sind Unruhen wirklich ausgebrochen, so hat es die zur Wiederherstellung der Herrschaft der Gesetze erforderlichen Maßregeln zu ergreifen, wenn die betheiligte Regie­ rung dies beantragt, oder wenn sie der nöthigen Mittel zur Bewältigung der Unruhen entbehrt, oder wenn die Unruhen sich über mehrere Bundesstaaten erstrecken.

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Artikel 10. Friede und Eintracht zwischen den Bundesgliedern.

Das Direktorium hat für die Erhaltung des Friedens und der Eintracht unter den Bundesgliedern Sorge zu tragen. Selbsthilfe zwischen Bundesgliedern ist untersagt, und jedem Versuche zu einer solchen hat das Direktorium Einhalt zu thun. Bei Streitigkeiten aller Art zwischen Bundesstaaten hat es seine Vermitt­ lung eintreten zu lassen, und falls der Vergleichsversuch erfolglos ist, die Ver­ weisung an das Bundesgericht zu beschließen. Artikel 11. Bundesgesetzgebung.

Das Direktorium übt auf Grund der Beschlüsse des Bundesrathes Namens der deutschen Regierungen das Recht des Vorschlags in Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung aus (Art. 20). In gleicher Weise steht demselben die Initiative auch in denjenigen Angele­ genheiten zu, in welchen die Erlassung eines gemeinsamen Gesetzes oder die Gründung einer gemeinsamen Einrichtung von der freien Zustimmung der einzelnen Staaten abhängt, die Wirksamkeit des Bundes gegenüber diesen letzteren sich somit nur als eine vermittelnde darstellt (Art. 21). Der Bundesrath hat in beiden Fällen die in die Versammlung der Bundes­ abgeordneten einzubringenden Vorlagen vorzubereiten. Gesetzesvorschläge, welche eine Abänderung der Bundesverfassung in sich beschließen, oder auf Kosten des Bundes eine neue organische Einrich­ tung begründen sollen, oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes einen neuen seither der Gesetzgebung der Einzelstaaten angehörigen Gegenstand überweisen, können im Bundesrathe nur mit einer Mehrheit von wenigstens 17 Stimmen genehmigt werden. Vorschläge, durch welche einzelnen Bundesgliedern besondere, nicht in den gemeinsamen Verpflichtungen Aller begriffene Leistungen oder Verwilli­ gungen für den Bund angesonnen werden, bedürfen der freien Zustimmung aller betheiligter Regierungen. Über Religionsangelegenheiten findet kein Beschluß anders als mit allseiti­ ger freier Zustimmung statt. Artikel 12. Bundes-Exekutive. Das Direktorium hat dafür zu sorgen, daß die Bundesgesetze, die Bundesbe­ schlüsse, die Erkenntnisse des Bundesgerichtes, die am Bunde vermittelten

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Vergleiche, die vom Bunde übernommenen Garantien durch die betheiligten Regierungen vollzogen werden. Ergeben sich hiebei Hindernisse irgend einer Art, so steht es dem Direkto­ rium zu, das Geschäft der Vollziehung unmittelbar von Bundeswegen in die Hand zu nehmen. Es kann zu diesem Zwecke Commissäre ernennen und den­ selben, wenn nöthig, eine angemessene Truppenzahl zur Verfügung stellen. Artikel 13. Militär-Angelegenheiten. Dem Direktorium liegt die Handhabung der Kriegsverfassung des deutschen Bundes ob. Es führt die durch diese Verfassung dem Bunde in Bezug auf das Bundesheer, die Bundesfestungen und die Küstenvertheidigung überwiesenen Geschäfte. Es hat sich der genauen und vollständigen Erfüllung der militäri­ schen Bundesverpflichtungen in allen Bundesstaaten zu versichern, auch auf zweckmäßige Übereinstimmung in der Organisation des Bundesheeres hinzu­ wirken. Es hat sein Augenmerk unausgesetzt dahin zu richten, daß das Heer­ wesen des Bundes ohne unnöthige Belastung der Bevölkerungen im Frieden, gekräftigt, vervollkommnet und in einem allen Anforderungen an die Wehr­ kraft Deutschlands entsprechenden Stande erhalten werde. Werden zu diesem Zwecke neue gesetzliche Bestimmungen, organische Vorschriften oder Aenderungen der Bundeskriegsverfassung erforderlich, so hat das Direktorium dieselben im Bundesrathe in Anregung zu bringen. Bedarf das Direktorium in den Fällen der Art. 9, 10 & 12 der unmittelbaren Verfügung über militärische Mittel, so hat es die Stellung der für den jedes­ maligen Zweck am meisten geeigneten Truppenkörper zum Bundesdienste zu beschließen. Ist der Zweck dieser Maßregel erreicht, so hat die Verwendung zum Bun­ desdienste wieder aufzuhören. Die Kosten der Verwendung von Truppen im Bundesdienste hat der Bund, vorbehältlich aller gesetzlich begründeter Ersatzverbindlichkeiten vorschuß­ weise zu bestreiten. Die im Bundesdienste stehenden Truppen tragen die Abzeichen des Bundes. Während gemeinsamer Übungen, überhaupt während jeder Vereinigung der Contingente mehrerer Bundesstaaten werden gleichfalls diese Abzeichen getragen. Artikel 14. Bundesfinanzen.

Das Direktorium läßt die aus den Matrikularbeiträgen der einzelnen Staaten gebildete Bundescasse verwalten.

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Es läßt von drei zu drei Jahren nach eingeholter Zustimmung des Bundes­ rathes den Voranschlag der ordentlichen Bundesauslagen aufstellen, und der Versammlung der Bundesabgeordneten vorlegen. Es läßt die von der Versammlung der Bundesabgeordneten genehmigten Matrikularumlagen ausschreiben. Zur Deckung unvorhergesehener Bundesausgaben kann das Direktorium mit Genehmigung des Bundesrathes und der Versammlung der Bundesabge­ ordneten, oder wenn letztere nicht vereinigt ist, unter Vorbehalt der Rechtfer­ tigung vor derselben1 außerordentliche Matrikularumlagen ausschreiben. Es läßt den Rechenschaftsbericht über die abgelaufene dreijährige Periode des Bundeshaushalts der Versammlung der Bundesabgeordneten vorlegen. Artikel 15. Verhältniß zur Versammlung der Bundesabgeordneten. Dem Direktorium steht die Einberufung, Eröffnung, Vertagung, Auflösung, Schließung der Versammlung der Bundesabgeordneten zu. Zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen derselben2 bedarf dasselbe jedoch der Zustimmung des Bundesrathes. Das Direktorium hat vor der Versammlung der Abgeordneten die Ge­ sammtheit der Bundesregierungen zu vertreten, insbesondere wird es die vom Bundesrathe genehmigten Gesetzesentwürfe und sonstigen Vorlagen einbrin­ gen, und für die darüber in der Abgeordneten-Versammlung zu eröffnende Verhandlung geeigneten Falles Commissäre ernennen. Es ist berechtigt, der Versammlung der Abgeordneten Mittheilungen über allgemeine Bundesange­ legenheiten zugehen zu lassen, und dessen Ansicht darüber einzuholen. Nach dem Schlusse der Session der Abgeordneten-Versammlung wird es die Ergebnisse der Verhandlungen derselben der Schlußfassung der Fürsten­ versammlung unterziehen, oder, falls eine solche ausnahmsweise nicht statt­ finden sollte, die Schlußfassung im Bundesrathe veranlassen. Abschnitt III. Die Versammlung der Bundesabgeordneten. Artikel 16. Zusammensetzung der Versammlung. Die Versammlung der Bundesabgeordneten geht durch Delegation aus den Vertretungskörpern der einzelnen deutschen Staaten hervor. Sie besteht aus 300 von diesen Körpern gewählten Mitgliedern. 1 Emendiert. Vorlage: demselben. 2 Emendiert. Vorlage: desselben.

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Oesterreich entsendet zum Bunde 75 vom Reichsrathe aus der Zahl seiner Mitglieder oder aus den Mitgliedern der Landtage des Bundesgebietes ge­ wählte Abgeordnete. Preußen entsendet 75 Abgeordnete aus der Zahl der Vertreter der deutschen Bundeslande im preußischen Landtage. Bayern entsendet 27 Abgeordnete; Sachsen, Hannover, Württemberg ent­ senden je 15, Baden 12, Kurhessen 9, Großherzogthum Hessen 9, Holstein und Lauenburg 5, Luxemburg und Limburg 4, Braunschweig 3, Mecklen­ burg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz zusammen 6, Nassau 4, SachsenWeimar 3, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg-Gotha und Sachsen-Alten­ burg je 2, Oldenburg 3, Anhalt-Dessau-Cöthen, Anhalt-Bernburg, Schwarz­ burg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Liechtenstein, Walde[c]k, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe und die freien Städte Lübeck, Frankfurt, Bremen, Hamburg je einen Abgeordneten und zwar alle diese Staaten aus der Mitte ihrer Vertretungskörper.* In denjenigen Staaten, in welchen das Zweikammersystem besteht, wählt die erste Kammer ein Drittheil, die zweite Kammer zwei Drittheile der Bun­ desabgeordneten. Wo die Abgeordnetenzahl nicht durch 3 theilbar ist, wird die betreffende Regierung bestimmen, wie die Zahl der Vertreter unter beiden Kammern zu vertheilen sei. Artikel 17. Nähere Bestimmungen über die Art der Bildung der Versammlung. Die Wahl der Bundesabgeordneten erfolgt in jedem Staate sogleich nach dem Zusammentritte der betreffenden Landesvertretung. Sie erfolgt für die Dauer des Mandats der wählenden Körperschaft, bleibt jedoch nach Ablauf dieses Mandats oder nach Auflösung der wählenden Körperschaft bis zur erfolgten Neuwahl der nächstfolgenden Versammlung wirksam. Die persönliche Fähigkeit zur Mitgliedschaft der wählenden Körperschaft entscheidet zugleich über die persönliche Fähigkeit der Mitgliedschaft der Versammlung der Bundesabgeordneten. Für je 3 Bundesabgeordnete wird ein Ersatzmann gewählt. Diejenigen Wahlkörperschaften, die weniger als 3 Bundesabgeordnete zu ernennen ha­ ben, wählen je einen Ersatzmann. Die Landesvertretungen der Einzelstaaten können ihre Abgeordneten zum Bunde nicht an Instruktionen binden. Die Bundesabgeordneten beziehen gleichmäßige Taggelder und Reiseent­ schädigungen aus der Bundescasse. * Anmerkung. Hessen-Homburg ist hier übergangen, da es keine Landesvertretung besitzt.

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Artikel 18. Einberufung, Vertagung, Auflösung der Versammlung.

Die Versammlung der Bundesabgeordneten wird regelmäßig in jedem dritten Jahre im Monat Mai nach Frankfurt a/M einberufen. Sie kann vom Direktori­ um mit Zustimmung des Bundesrathes jederzeit zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen werden. Eine Vertagung der Versammlung kann vom Direktorium höchstens für eine Zeit von zwei Monaten ausgesprochen werden. Durch eigenen Beschluß kann sich die Versammlung höchstens auf acht Tage vertagen. Im Falle einer Auflösung der Versammlung wird das Direktorium unverzüglich die Bundes­ regierungen auffordern, die Neuwahlen sobald als thunlich vornehmen zu las­ sen. Sobald die Neuwahlen erfolgt sind, wird das Direktorium zur Wiederein­ berufung der Versammlung schreiten. Die Regierungen werden in der Regel dafür sorgen, daß die Ständekam­ mern der einzelnen Staaten nicht gleichzeitig mit der Versammlung der Bun­ desabgeordneten tagen. Artikel 19. Innere Einrichtung der Versammlung.

Die Versammlung der Bundesabgeordneten wählt ihren Präsidenten, ihre Vice-Präsidenten und Schriftführer. Die Sitzungen der Versammlung sind öffentlich. Die Geschäftsordnung wird bestimmen, unter welchen Bedingungen vertrauliche Sitzungen stattfin­ den können. Die Versammlung prüft die Vollmachten ihrer Mitglieder und entscheidet über die Zulassung derselben. Zur Beschlußfähigkeit der Versammlung ist die Anwesenheit von wenig­ stens zwei Drittheilen der Mitglieder erforderlich. Die Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt, sofern nicht die nachfolgenden Artikel Ausnahmen von diesem Grundsatze anordnen. Die Versammlung wird mit Genehmigung des Direktoriums ihre Ge­ schäftsordnung feststellen. Artikel 20. Beschließende Befugniß der Versammlung.

Der Versammlung der Bundesabgeordneten steht das Recht beschließender Mitwirkung zur Ausübung der gesetzgebenden Gewalt des deutschen Bundes zu. Die gesetzgebende Gewalt des Bundes erstreckt sich: 1. auf Abänderungen der Bundesverfassung,

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2. auf die bestehenden oder neu zu errichtenden organischen Einrichtungen des Bundes, 3. auf den Bundeshaushalt, 4. auf Feststellung allgemeiner Grundzüge für die Gesetzgebung der Ein­ zelstaaten über die Angelegenheiten der Presse und der Vereine, über litera­ risches und künstlerisches Eigenthumsrecht, über Heimatrecht, Ansäßig­ machung und allgemeines deutsches Bürgerrecht, über gegenseitige Voll­ streckung rechtskräftiger Erkenntnisse, über Auswanderungen, sowie über diejenigen Gegenstände von gemeinsamem Interesse, deren allgemeine Rege­ lung etwa künftig der gesetzgebenden Gewalt des Bundes durch verfassungs­ mäßige Beschlüsse des Direktoriums (Art. 11) und der Abgeordneten-Ver­ sammlung würde übertragen werden. Gesetzesvorschläge, welche eine Abänderung der Bundesverfassung in sich schließen, oder eine neue organische Einrichtung auf Kosten des ­Bundes begründen sollen oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes ei­ nen neuen, seither der Gesetzgebung der einzelnen Staaten angehörigen Ge­ genstand überweisen, können in der Versammlung der Bundesabgeordneten nur mit einer Mehrheit von wenigstens 4/5 der Stimmen angenommen wer­ den. Wie das Direktorium, so besitzt auch die Abgeordneten-Versammlung das Recht, Bundesgesetze in Vorschlag zu bringen. Artikel 21. Berathende und vermittelnde Befugniß der Versammlung. Die Versammlung der Bundesabgeordneten ist gleich dem Direktorium b­ erechtigt, in Angelegenheiten, welche dem Bereiche der gesetzgebenden Gewalt des Bundes nicht zugewiesen sind, die Einführung gemeinsamer ­Gesetze oder Einrichtungen auf dem Wege freier Vereinbarung in Antrag zu bringen. Um in den einzelnen Staaten zur Ausführung gelangen zu können, bedür­ fen jedoch die in Angelegenheiten solcher Art von der Abgeordneten-Ver­ sammlung gefaßten Beschlüsse der Zustimmung der betreffenden Regierun­ gen und Vertretungen (Art. 25). Artikel 22. Recht der Vorstellung und der Beschwerde. In allen Angelegenheiten des Bundes steht der Versammlung der Bundesab­ geordneten das Recht der Vorstellung und der Beschwerde zu.

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Abschnitt IV. Die Fürstenversammlung. Artikel 23. Einrichtung der Fürstenversammlung. In der Regel wird nach dem Schlusse der ordentlichen oder außerordentlichen Sitzungen der Versammlung der Bundesabgeordneten eine Versammlung der souveränen Fürsten und der obersten Magistrate der freien Städte Deutsch­ lands sich vereinigen. Der Kaiser von Oesterreich und der König von Preußen gemeinschaftlich erlassen die Einladungen zur Fürstenversammlung. Die nicht persönlich erscheinenden Souveräne können sich durch einen Prinzen ihres Hauses als Alter Ego vertreten lassen. Zwei Vertretern der deutschen Standesherren3 wird in der Fürstenversamm­ lung ein Antheil an einer Curiatstimme (anstatt des erloschenen Antheils der beiden Hohenzollern) zugestanden. Artikel 24. Stimmordnung. Die Verhandlungen der Fürstenversammlung tragen den Charakter freier Be­ rathung und Verständigung zwischen unabhängigen und gleichberechtigten Souveränen an sich. Deutschlands Fürsten und freie Städte sind jedoch über­ eingekommen, die für die Beschlüsse des Bundesrathes geltende Stimmord­ nung in der Art auch unter sich in Anwendung zu bringen, daß ein Beschluß der Fürstenversammlung nicht aufgehalten werden kann, wenn die bejahen­ den Stimmen das im Bundesrathe je nach der Natur des Gegenstandes vorge­ schriebene Stimmverhältniß erreichen.

3 Bei den sogenannten Standesherren handelte es sich um die ehemals regierenden fürstlichen, gräflichen und reichsritterlichen Familien, die durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 ihre Herrschaftsrechte verloren hatten, die aber weiterhin im Besitz gewisser Privilegien bleiben. Diese Vorrechte wurden in Artikel 4 der Bundesakte von 1815 bestätigt, so die Eben­ bürtigkeit mit dem Hochadel, Steuerprivilegien, ein eigener Gerichtsstand und die Befreiung vom Militärdienst. Ferner durften die Standesherren weiterhin die niedere, teilweise sogar die mittlere Gerichtsbarkeit ausüben. Der Status der Standesherren bot seit der Gründung des Deutschen Bundes immer wieder Anlaß zu Konflikten mit den Regierungen insbesondere der süddeutschen Mittelstaaten, die jegliche Ausweitung der standesherrlichen Vorrechte verhin­ dern wollten. Deshalb führte auch die in der österreichischen Bundesreformakte vorgesehene Vertretung zweier Standesherren in der Fürstenversammlung zu kontroversen Diskussionen auf dem Fürstentag (siehe dazu unten Dok. 70 und 72). Vgl. Gollwitzer, Standesherren; Schier, Standesherren; Furtwängler, Die Standesherren in Baden; Treichel, Einleitung QGDB I/1, pas­ sim.

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Artikel 25. Gegenstände der Beschlüsse der Fürstenversammlung. Die Fürstenversammlung nimmt die ihr durch das Direktorium unterlegten Ergebnisse der Verhandlungen der Abgeordneten-Versammlung in Erwägung. Sie faßt die endgiltigen Beschlüsse über diejenigen Anträge der Versamm­ lung der Bundesabgeordneten, welche nicht der Zustimmung der Vertretungs­ körper in den einzelnen Staaten bedürfen. Sie läßt die mit ihrer Sanktion versehenen Bundesgesetze sowohl durch das Direktorium als in den einzelnen Staaten verkündigen. Sie pflegt Berathung wegen thunlichster Förderung der Ausführung über diejenigen Anträge der Versammlung der Bundesabgeordneten, über welche der endgiltige Beschluß den verfassungsmäßigen Gewalten der einzelnen Staaten zusteht (Art. 11 & 21). Sie prüft die Vorstellungen und Beschwerden der Versammlung der Abge­ ordneten in allgemeinen Bundesangelegenheiten und läßt dem Direktorium die betreffenden Entschließungen zugehen. Sie kann alle für das Gesammtvaterland wichtige Angelegenheiten in den Kreis ihrer Berathung ziehen. Über folgende Gegenstände: Aufnahme neuer Mitglieder in den Bund, Aenderung des Stimmverhältnisses im Bunde bei verändertem Besitzstan­ de der Bundesglieder, – steht die Schlußfassung ausschließlich der Fürstenversammlung zu. Abschnitt V. Das Bundesgericht. Artikel 26. Doppelte Eigenschaft des Bundesgerichtes. Das Bundesgericht entscheidet im Namen des deutschen Bundes, theils in richterlicher, theils in schiedsrichterlicher Eigenschaft. Artikel 27. Richterliche Wirksamkeit des Bundesgerichtes. Das Bundesgericht in seiner richterlichen Eigenschaft kann angerufen wer­ den: 1. von Bundesregierungen oder von Privatpersonen gegen den deutschen Bund, wenn erstere gegen letzteren Ansprüche aus privatrechtlichen Titeln er­ heben, und ein besonderer Gerichtsstand hierwegen nicht begründet ist; 2. von Privatpersonen gegen mehrere Bundesglieder, wenn bestritten ist, welche der letzteren eine Forderung der ersteren zu befriedigen habe;

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3. von Privatpersonen gegen den Souverän, die Civilliste oder den Staats­ fiskus eines einzelnen Bundesstaates, wenn wegen der behaupteten auf ­privatrechtlichen Titeln beruhenden Forderung in der Verfassung oder Ge­ setzgebung des betreffenden Staates kein Gerichtsstand begründet ist; 4. von Privatpersonen Behufs der Eröffnung des Rechtsweges gegen eine einzelne Bundesregierung, wenn erstere auf Grund der Verfassung und der bestehenden Gesetze des Landes und nach Erschöpfung der landesgesetzli­ chen Mittel der Abhilfe, über Verweigerung oder Hemmung der Rechtspflege Beschwerde führen; 5. von Bundesregierungen gegen andere Bundesregierungen, wenn der ­klagende Theil Befriedigung einer Geldforderung oder Erfüllung eines privat­ rechtliche Leistungen betreffenden Vertrages oder Schadloshaltung wegen Nichterfüllung eines solchen Vertrages verlangt, – 6. in denjenigen Fällen, für welche dem Bundesgerichte, mit Zustimmung des Direktoriums und des Bundesrathes, durch die Verfassung oder Gesetzge­ bung eines Einzelstaates eine richterliche Gewalt besonders übertragen wer­ den sollte; endlich tritt 7. in Fällen, wo es sich zwischen zwei oder mehreren Mitglie­ dern des Bundes um den vorläufigen Schutz des jüngsten Besitzstandes han­ delt, das Bundesgericht an die Stelle des nach Art. 20 der Wiener Schlußakte zu bezeichnenden obersten Gerichtshofs. Artikel 28. Schiedsrichterliche Wirksamkeit des Bundesgerichtes. Der schiedsrichterlichen Entscheidung des Bundesgerichtes werden vom ­Direktorium nach vergeblich versuchter Vermittlung, auf Verlangen des einen oder des anderen der streitenden Theile überwiesen: 1. alle nicht zu der im Art. 27 unter 5 erwähnten Kategorie gehörigen Strei­ tigkeiten zwischen Mitgliedern des Bundes; 2. Streitigkeiten zwischen Mitgliedern regierender deutscher Familien über Thronfolge, Regentschaft, Regierungsfähigkeit, Vormundschaft, sowie über Ansprüche an das Hausfideicommiß, insoferne nicht über das Verfahren in dergleichen Streitigkeiten und deren Entscheidung durch die Verfassung des betreffenden Landes, Hausgesetze oder Verträge besondere Bestimmung ge­ troffen ist; 3. Streitigkeiten zwischen der Regierung eines Bundesstaates und einzel­ nen Berechtigten, Corporationen oder ganzen Classen, wenn dieselben wegen Verletzung der ihnen durch die Bundesverfassung (Art. 13 bis 18 der Bundes­ akte) gewährleisteten Rechte Klage führen;

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4. Streitigkeiten zwischen der Regierung und der Landesvertretung eines Bundesstaates über Auslegung oder Anwendung der Landesverfassung, sofer­ ne zur Austragung solcher Streitigkeiten nicht schon anderweitig Mittel und Wege gesetzlich vorgeschrieben sind, oder dieselben nicht zur Anwendung gebracht werden können. Artikel 29. Sonstige Aufgaben des Bundesgerichtes. Damit in der Anwendung gemeinsamer deutscher Gesetze über Civil- oder Strafrecht die möglichste Gleichartigkeit bestehe, ist das Bundesgericht beru­ fen, in Fällen, wo sich bezüglich dieser Anwendung in der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe der Bundesstaaten Verschiedenheiten ergeben, das Direktorium, Behufs der weiter erforderlichen Veranlassung, auf das Bedürf­ niß einer authentischen Auslegung oder gesetzlichen Regelung aufmerksam zu machen. Das Bundesgericht hat dem Direktorium auf Erfordern rechtliche Gutach­ ten zu erstatten, insoferne es sich nicht um Fälle handelt, in welchen das Bun­ desgericht demnächst selbst zuständig werden kann. Artikel 30. Besondere Bestimmungen. Wo keine besonderen Entscheidungsnormen vorhanden sind, hat das Bundes­ gericht nach den in Rechtsstreitigkeiten derselben Art vormals von den Reichsgerichten subsidarisch befolgten Rechtsquellen, insoferne solche auf die jetzigen Verhältnisse der Bundesglieder und auf die Streitsachen selbst noch anwendbar sind, zu erkennen. Streitigkeiten oder Beschwerden, welche bereits vor Errichtung des Bun­ desgerichtes durch einen Bundesbeschluß endgiltig erledigt worden sind, können nicht von neuem vor dem Bundesgerichte angebracht werden. Artikel 31. Zusammensetzung des Bundesgerichtes. Das Bundesgericht besteht aus einem Präsidenten, zwei Vicepräsidenten und zwölf ordentlichen Beisitzern. Für die schiedsrichterliche Entscheidung in Streitfällen zwischen Regierung und Ständen eines Bundesstaates (Art. 28 unter 4) wird das Bundesgericht durch zwölf außerordentliche Beisitzer ver­ stärkt. Zwölf ordentliche Mitglieder des Bundesgerichtes werden von den Regie­ rungen aus den Mitgliedern der obersten Gerichtshöfe ernannt. Oesterreich

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Entwurf einer Reformakte des Deutschen Bundes

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und Preußen ernennen je zwei, Bayern einen, die folgenden 14 Stimmen des Bundesrathes in einem der Reihenfolge der Stimmordnung entsprechenden Wechsel sieben ordentliche Beisitzer. Drei ordentliche Beisitzer des Bundesgerichtes ernennt das Direktorium mit Zustimmung des Bundesrathes aus der Zahl der ordentlichen öffentlichen Rechtslehrer an den deutschen Hochschulen. Das Direktorium ernennt ferner mit Zustimmung des Bundesrathes aus der Mitte der fünfzehn ordentlichen Mitglieder des Bundesgerichtes den Präsi­ denten und die beiden Vice-Präsidenten. Alle diese Ernennungen erfolgen auf Lebensdauer. Die zwölf außerordentlichen Mitglieder des Bundesgerichtes werden von den Regierungen auf Vorschlag und aus der Mitte der Ständeversammlungen auf zwölf Jahre ernannt. Diese Ernennungen geschehen durch dieselben Re­ gierungen, beziehentlich in derselben Reihenfolge, wie die Ernennungen der ordentlichen Beisitzer. Wo zwei Kammern Einen Bundesrichter zu bezeichnen haben, wechselt in Ermangelung eines Einverständnisses das Recht des Vorschlags zwischen denselben, wobei das Loos den Anfang zu bestimmen hat. Sollte sich demnächst das Bedürfniß einer Vermehrung der Mitgliederzahl des Bundesgerichtes herausstellen, so kann das Direktorium, mit Zustimmung des Bundesrathes eine solche Vermehrung beschließen. Die Zahl der außeror­ dentlichen Beisitzer muß alsdann in gleichem Verhältnisse wie die der ordent­ lichen erhöht werden. Das Bundesgericht hat seinen Sitz zu Frankfurt a/M. Die ordentlichen Mit­ glieder müssen am Sitze des Bundesgerichtes wohnen. Die Kanzleibeamten des Bundesgerichtes werden auf dessen Vorschlag vom Direktorium ernannt. Die Aufstellung einer Bundesanwaltschaft bleibt vorbehalten. Artikel 32. Grundzüge der Verfassung des Bundesgerichtes. Das Bundesgericht wird in mehrere Senate eingetheilt werden, damit eine zweckmäßige Vertheilung der Geschäfte in Senats- und in Plenarsitzungen stattfinde und in den zur richterlichen Entscheidung des Bundesgerichtes ge­ hörigen Fällen (Art. 27) ein Instanzenzug hergestellt werde. Die schiedsrichterlichen Entscheidungen des Bundesgerichtes (Art. 28) er­ folgen in ordentlicher, und wenn sie Streitigkeiten zwischen Regierung und Ständen eines Bundesstaates betreffen in außerordentlicher Plenarsitzung, zu welcher letzteren der Präsident die sämmtlichen ordentlichen und außeror­ dentlichen Beisitzer einberuft.

Nr. 48

Frankfurt am Main, 17. August 1863

255

Die in den gesetzlichen Formen gefällten Schiedssprüche unterliegen kei­ ner weiteren Berufung, und sind sofort vollziehbar. Artikel 33. Unabhängige Stellung des Bundesgerichtes. Die ordentlichen Mitglieder des Bundesgerichts werden für den Bund in Eid und Pflicht genommen und vom Bunde aus der Matrikular-Casse besoldet. Sie können nach ihrer Ernennung weder Geldbezüge noch Ehrenauszeich­ nungen von einem einzelnen Bundesgliede erhalten. Gegen ihren Willen kön­ nen sie nur durch einen Spruch des Bundesgerichtes selbst von ihrem Amte entlassen werden. Nach erreichtem 70ten Lebensjahre kann das Direktorium sie mit vollem Gehalte in den Ruhestand versetzen. Die außerordentlichen Mitglieder des Bundesgerichtes, zur Ausübung ihres Amtes einberufen, werden gleichfalls für den Bund in Eid und Pflicht genom­ men und erhalten vom Bunde Reiseentschädigungen und Funktionsgebühren aus der Matrikular-Casse. Ein Reglement wird die betreffenden Gehalte und Gebühren feststellen. Artikel 34. Bundesgerichtsstatut. Die näheren Bestimmungen über die Verfassung des Bundesgerichtes, sowie über das Verfahren vor demselben werden durch ein Statut getroffen werden, welches das Bundesgericht zu entwerfen und dem Direktorium zur weiteren Veranlassung vorzulegen haben wird. Artikel 35. Wegfall der früheren gerichtlichen Bundeseinrichtungen. Mit Einführung des Bundesgerichtes kommen die seitherigen Bestimmungen über Austrägalinstanz, beziehentlich das Bundesschiedsgericht, auch die Competenz der Bundesversammlung in den4 im Art. 29 der Wiener Schluß­ akte bezeichneten Fällen und der Bundesbeschluß vom 15. September 1842 in Wegfall. Dagegen bewendet es auch fernerhin bei Art. 24 der Schlußakte.5 4 Emendiert. Vorlage: dem. 5 Artikel 29 der Wiener Schlußakte lautete: „Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer JustizVerweigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt der Bundesversammlung ob, erwiesene, nach der Verfassung und den bestehen­ den Gesetzen jedes Landes zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken.“ – Im Bundesbeschluß vom 15. September 1842 war eine Revision des Austrägalverfahrens, das 1820 eingeführt worden war, beschlos-

256

Plakat zum Fürstentag

Nr. 49

Schlußbestimmung. Artikel 36. Die bestehenden Bundesgesetze behalten ihre Kraft und Giltigkeit, soweit sie nicht durch die vorstehenden Bestimmungen abgeändert werden.

49. Plakat zum Fürstentag

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 193. Plakatdruck. Druck von Reinhold Baist, Frankfurt a. M. Selbstverlag des Verfassers. Das Blatt ist geschmückt mit einer Vignette des habsburgischen Doppeladlers. Weiteres Exemplar im HStA Stuttgart, E 65, Büschel 105.

Der Verfasser hofft auf eine Wiederherstellung Deutschlands unter einem Deutschen Kaiser Franz Joseph an der Spitze der Nation.

[Frankfurt am Main, 18. August 1863]1 Zum 18. August 1863! FRANZ JOSEPH, Deutscher Kaiser? Ja, wenn er mit rückhaltsloser Hingebung ganz nur Deutscher Kaiser sein will! Ja, wenn er vertrauensvoll an die Spitze der Nation tretend, zugleich aner­ kennt ihr unveräußerliches Verfassungsrecht vom Jahre 1849. Ja endlich, wenn er Friede und Versöhnung schafft auch mit den andern Stämmen seines Reichs, auf daß sie freudig zu uns stehen gegen jeden Feind aus Ost und West. Sprich Dein Ja, Franz Joseph, und begeistert weiht dies ganze große Volk Dir Gut und Blut, Dir, dem glorreichen Wiederhersteller Deutschland’s!

sen worden. – Artikel 24 der Wiener Schlußakte lautete: „Es steht übrigens den Bundes-Glie­ dern frey, sowohl bei einzelnen vorkommenden Streitigkeiten, als für alle künftigen Fälle, we­ gen besonderer Austräge oder Compromisse übereinzukommen, wie denn auch frühere Fami­ lien- oder Vertrags-Austräge durch Errichtung der Bundes-Austrägal-Instanz nicht aufgehoben, noch abgeändert werden.“ Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsge­ schichte, Bd. 1, S. 94; ProtDBV 1842, § 287, S. 639 f.

1 Das Plakat wurde vom preußischen Bundestagsgesandten Sydow am 19. August an seine ­Regierung gesandt, mit der Bemerkung, es sei am 18. August „von nationalvereinlicher Seite massenweis in der Stadt [Frankfurt] verbreitet“ worden (GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 192). Sollte dies zutreffen, dann handelte es sich offenbar um eine gezielte propa­ gandistische Aktion des Nationalvereins, der gewiß auf einen Erfolg des Aufrufs nicht hoffen konnte, sondern möglicherweise politische Verwirrung stiften wollte.

Nr. 50

Frankfurt am Main, 18. August 1863

  Frankfurt am Main, 18. August 1863 

257

50. Aufzeichnung Seebachs1 über eine Versammlung der ­Fürsten und Minister mindermächtiger Staaten

HStA Weimar, Außenstelle Gotha, Staatsministerium Dep. I, Loc 5*b, Nr. 8, fol. 42–44. Eigen­ händige Aufzeichnung Seebachs.

Die Fürsten und Minister der mindermächtigen Staaten nehmen Verhandlungen über die einzunehmende Haltung gegenüber dem österreichischen Reformentwurf auf. Man ist sich einig, daß eine En bloc-Annahme der Reformakte unmöglich ist und deshalb „Amendements“ nötig sind. Andererseits wäre ein resultatloses Auseinandergehen der Fürsten unheilvoll, und deshalb ist es dringend zu wünschen, daß der Fürstenkongreß einen Akt vollzieht, der die Erwartungen des deutschen Volkes einigermaßen befriedigt. Die Amendements sollen auf einer Ministerkonferenz beraten werden.

[Frankfurt am Main,] 18. August [1863] Sonntag 18 Aug. Versammlung bei dem Herzog v. Coburg-Gotha. Anwesende: Großherzog von Baden mit Minister v. Roggenbach " " Weimar " Watzdorff2 GHerzog " Oldenburg " Rössing3 Herzog " Altenburg " Larisch4 " " Coburg " Seebach Fürst zu Waldeck " Regierungspräsident Winterberg5 Bürgermeister Dr. Roeck v. Lübeck " Duckwitz v. Bremen " Haller v. Hamburg Großherzog v. Baden leitete die Versammlung und stellte zwei Anträge, nach denen die anwesenden Fürsten beschließen sollten, von ihren Ministern ein ausführliches schriftliches Gutachten zu erfordern 1 Camillo Freiherr von Seebach (1808–1894), 1849–1888 Staatsminister von Sachsen-Coburg und Gotha; ADB, Bd. 54, S. 295–297. 2 Christian Bernhard von Watzdorf (1804–1870), 1848–1870 Staatsminister von Sachsen-Wei­ mar; ADB, Bd. 41, S. 258–270. 3 Peter Friedrich Ludwig Freiherr von Rössing (1805–1874), von 1851 bis 1874 Vorstand des oldenburgischen Staatsministeriums, seit 1852 auch Außenminister. Vgl. Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, S. 607 f. 4 Karl August Alfred von Larisch (1809–1897), 1853–1864 Staatsminister von Sachsen-Alten­ burg; ADB, Bd. 51, S. 593–595. 5 Karl August Winterberg (1812–1872), 1849–1867 Regierungspräsident (= leitender Minister) von Waldeck; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 418.

258

Aufzeichnung Seebachs

Nr. 50

1., über das bei den Verhandlungen der Fürstenversammlung einzuhaltende Verfahren, und 2., über die zu dem Oesterreichischen Entwurf zu stellenden Amende­ ments. Von diesen Anträgen wurde jedoch nur der erstere und zwar in der Weise angenommen, daß die anwesenden Minister schleunigst zusammentreten und über den Gegenstand eine gemeinsame Berathung pflegen sollten, deren Re­ sultat von Jedem derselben seinem Souverain mündlich zu referiren sey. Die Vertreter der 3 freien Städte sagten ihre Theilnahme bei der Berathung zu; auch wurde den Ministern anheimgegeben, zu derselben noch den einen oder den anderen ihrer Collegen zuzuziehen. Die Besprechung fand in der Wohnung des Minister[s] v. Roggenbach Statt [sic]; den oben genannten Ministern und Vertretern der freien Städte war noch der Minister Keyser6 aus Sondershausen hinzugetreten. Da man allgemein darüber einverstanden war, daß eine En bloc-Annahme des Oesterreichischen Entwurfs auf einen vielseitigen und entschiedenen Wi­ derstand stoßen werde und sich deshalb als unmöglich darstelle, so ward über eine solche nicht weiter verhandelt. Dagegen war man andrerseits auch darin einverstanden, daß ein resultatlo­ ses Auseinandergehen der versammelten Fürsten ein überaus unheilvolles Er­ eigniß seyn werde, und daher dringend zu wünschen sey, daß noch von dem versammelten Fürstencongreß selbst ein Act vollzogen werden möge, wel­ cher die Erwartungen des deutschen Volkes wenigstens einigermaßen befrie­ dige und zugleich das endliche Zustandekommen des Werkes möglichst si­ chere. Rücksichtlich dessen, was in der letztern Beziehung empfehlenswerth sey, gingen jedoch die Ansichten weit auseinander. Die Minister v. Larisch und v. Roggenbach hielten für genügend, wenn die Fürstenversammlung den Oesterreichischen Entwurf mittelst protokollari­ scher Feststellung als eine „geeignete Grundlage“ für weitere Berathungen anerkenne und mit diesen Berathungen eine Ministerconferenz, die sofort zu­ sammenzutreten habe, beauftrage, mit dem Vorbehalte, bei der Conferenz Amendements in dem ausgedehntesten Umfange, also auch gegen die Grund­ züge des Entwurfs, einbringen zu dürfen, ferner mit dem Vorbehalte späterer landesverfassungsmäßiger Genehmigung des von der Conferenz auszuarbei­ tenden Entwurfs, und endlich mit der Erklärung, daß der Fürstencongreß zu einem schon jetzt bestimmt zu bezeichnenden Zeitpunkt behufs definitiver Feststellung des Entwurfs anderweit in Frankfurt zusammentreten werde. 6 Gustav Adolf von Keyser (1807–1901), 1862–1877 Staatsminister (Kanzler) von Schwarz­ burg-Sondershausen; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 381.

Nr. 51

Frankfurt am Main, 19. August 1863

259

Von dieser Ansicht entfernte sich am weitesten die des Minister[s] v. Rös­ sing und des Bürgermeister[s] Roeck, dahin gehend, daß etwaige Amende­ ments des Oesterreichischen Entwurfs alsbald bei der Fürstenversammlung einzubringen seyen und von dieser zu berathen und durch Beschlußfassung zu erledigen seyen, dergestalt, daß der dann zusammentretenden Ministercon­ ferenz lediglich die redactionelle Feststellung des Entwurfs erübrige. Die Minister v. Watzdorf, v. Seebach, v. Keyser u. Reg.Präs. Winterberg machten den vermittelnden Vorschlag, daß die Fürstenversammlung den ­Oesterreichischen Entwurf nicht blos als eine geeignete Grundlage für wei­ tere Berathungen, sondern zugleich die Grundzüge desselben ausdrücklich ­anerkenne, die letzteren daher für die Berathungen der Ministerconferenz als feststehend bezeichne, während Bürgermeister Haller vorschlug, daß die ­Berathung der Ministerconferenz auf diejenigen Amendements des Oester­ reichischen Entwurfs beschränkt werden möge, welche bis zu einem festzu­ setzenden kurzen Termin bei der Fürstenversammlung eingebracht werden würden.   Herzog von Sachsen-Coburg an Kaiser Franz Joseph I. 

51. Vorschlag von Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha an Kaiser Franz Joseph I.

HStA Weimar, Außenstelle Gotha, Staatsministerium Dep. I, Loc 5*b, Nr. 8, fol. 45 f. Entwurf. Auf dem Dokument befindet sich rechts oben der Bleistiftvermerk: „19/8 Mittag 12 Uhr v. Her­ zog dem Kaiser vorgeschlagen – Letzterem zu wenig.“

Die Fürstenversammlung soll die wesentlichen Grundzüge der Reformakte annehmen und eine sofort zusammentretende Ministerkonferenz mit der Beratung von Amendements und der Feststellung des Entwurfs beauftragen.

[Frankfurt am Main, 19. August 1863] Die Fürstenversammlung erklärt sich mit den in dem Entwurf einer Reform­ acte des deutschen Bundes enthaltenen wesentlichen Grundzügen, namentlich mit den Institutionen eines Bundesdirectorium[s], eines Bundesraths, einer Vertretung der Nation am Bunde, einer Fürstenversammlung und eines Bun­ desgerichts einverstanden und beauftragt eine sofort zusammentretende Mini­ sterconferenz den Entwurf zu berathen und vorläufig festzustellen. Die Fürsten werden sich am ….. d. J. anderweit in Frankfurt versammeln, um über die Annahme des Entwurfs vorbehältlich der landesverfassungsmä­ ßigen Erledigung zu beschließen. Die Fürstenversammlung bestimmt eine kurze Frist, innerhalb welcher Amendements zum Entwurf der Reformacte eingebracht werden können.

260

Duckwitz an Smidt

Nr. 52

Eine Ministerconferenz hat diese Amendements in Berathung zu nehmen und den Entwurf vorläufig festzustellen. Die Fürsten bleiben während dieser Zeit versammelt. Die Ministerconfe­ renz muß ihre Arbeiten bis zum … d. J. beendigt haben. Ueber den von der Ministerconferenz vorgelegten Entwurf beschließt die Fürstenversammlung vorbehältlich der landesverfassungsmäßigen Erledi­ gung.

52. Duckwitz an Smidt

StA Bremen, 2–M.4.i. Bericht. Eigenhändige Ausfertigung.

Nach dem Schwung der Eröffnung des Fürstenkongresses ist bei vielen Teilnehmern Ernüchterung eingetreten. Es gibt sehr verschiedene Meinungen, und es werden zahlreiche Amendements der Reformakte vorbereitet. Duckwitz glaubt nicht, daß „etwas Vernünftiges dabei herauskommen kann, wenn die Fürsten, denen fast sämmtlich die ganze Sache unverständlich ist, ohne erst Instruction von ihren Ministern eingeholt zu haben, über Anträge abstimmen sollen, die ein Fürst nach Anordnung seines Ministers stellt“. Die Senate der Hansestädte können sich alles offenhalten, bis sie sehen, „wohin die Geschichte geht“. Duckwitz mokiert sich über die devote Haltung vieler Fürsten und beklagt sich über die vielen Empfänge und Festlichkeiten.

N. 3

Frankfurt am Main, 19. August 1863

Ich danke Ihnen, lieber College, für Ihre freundlichen Zeilen von vorgestern, und fahre heute in meinen Mittheilungen fort. Auf den Schwung, der vorgestern im Kreise der Fürsten sich kund gab, scheint eine wesentliche Ernüchterung einzutreten, nachdem die Hohen Her­ ren mit ihren Ministern in Berathung getreten sind. Ich habe das sehr deutlich in den gestrigen Conferenzen [gesehen]1, die wir Hanseaten mit den Fürsten von Coburg, Baden, Oldenburg, Weimar, Altenburg u. Waldeck und deren Ministern gehabt haben2, denn in diesem Kreise gab es so viel verschiedene Meinungen als Personen zugegen waren. Gleichzeitig haben auch die Könige und die österreichisch gesinnten Fürsten mit ihren Ministern conferirt, und sollen diese eine ganze Menge amendements ersonnen haben. Es ist jetzt die Periode des Zweifelns, und werden die nächsten Sitzungen wohl etwas chao­ tisch ausfallen. Ich habe die Idee vertreten, daß die Fürsten nicht aus einander gehen können ohne etwas beschlossen zu haben, daß sie daher, wie es im 1 Das Prädikat des Satzes fehlt in der Vorlage. 2 Siehe Dok. 50.

Nr. 52

Frankfurt am Main, 19. August 1863

261

Grunde schon geschehen ist, die österreichische Vorlage als Grundlage für die weitere Behandlung der Sache anerkennen unter ausdrücklichem Vorbehalt aller landesverfassungsmäßigen Zuständigkeiten, so wie derjenigen Ab­ änderungen, die nöthig sind um den Eintritt Preußens thunlich zu machen. Es würde die ganze Sache dann einer Minister Conferenz zugewiesen werden, deren Opus demnächst einer Fürstenconferenz zur Genehmigung vorzulegen sei. Diese Idee hat zwar bei den Meisten Anklang gefunden, auch bei meinen Collegen, sie wollen aber alle noch etwas mehr, theils vorbehalten, theils schon jetzt zum Beschluß haben, so daß die einzelnen Fürsten auf Anregung ihrer eigenen Minister der Conferenz der Monarchen neue Anträge vorlegen sollen. Der Eine will dieses der andere jenes. Ich kann mir nicht denken, daß etwas Vernünftiges dabei heraus kommen kann, wenn die Fürsten, denen fast sämmtlich die ganze Sache unverständlich ist, ohne erst Instruction von ihren Ministern eingeholt zu haben, über Anträge abstimmen sollen, die ein Fürst nach Anordnung seines Ministers stellt. Ich glaube daher, daß die Sache sehr kraus wird. Uebrigens brauchen sich die Senate keinerlei Sorgen zu machen. Unsere Erklärung, daß wir ohne Instruction der Senate keinerlei Verbindlich­ keiten übernehmen könnten, läßt für uns alles offen, und sind wir daher in einer ganz gesicherten Position, können auch nicht eher Instruction einholen bis wir klarer sehen wohin die Geschichte geht. Ich bin mit manchem, was in den Vorschlägen steht, nicht einverstanden. Das Directorium scheint mir ziemlich überflüssig, und die Competenz der Vertreter ist zu unklar. Das läßt sich aber in der Minister Conferenz noch bessern. Meine Idee, den Groß­ mächten Oesterreich und Preußen in allen Fragen, welche ihre dem Bunde nicht angehörenden Länder mitverpflichten ein Veto einzuräumen, wodurch die Bedenken Preußens zum guten Theil gehoben würden, findet viel Anklang bei Fürsten und Ministern; vielleicht kommt sie noch zu Nutz. Der König von Sachsen ist, so weit mir bekannt noch nicht von Baden Ba­ den zurück. Hiebei sende ich Ihnen nun – 2 Exemplare der österreichischen Vorschläge, und Wollermanns3 Ab­ schrift, –  den Eröffnungsspeech des Kaisers –  die Antwort des Königs von Bayern –  das Schreiben an den König von Preußen. Dies Fürsten Collegium, die Verhandlungen in demselben, und das „Ge­ bahren“ der Hohen Herren ist überaus interessant, oder vielmehr, mit Erlaub­ niß zu sagen unendlich komisch, denn es sind nur sehr wenige darunter die 3 Johann Heinrich Wollermann, Ratsdiener in Bremen; Adreß-Buch der freien Hansestadt Be­ men 1863, S. 161.

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Bemerkungen des Herzogs von Sachsen-Meiningen

Nr. 53

ein Wort sagen. Sie sind alle, mit wenig Ausnahmen, die personificirte Verle­ genheit und Devotion gegen die Majestäten, und haben ihre Herzensfreude daran, wenn von uns naturwüchsigen Republikanern ein freies ungenirtes Wort gesprochen wird. Manche haben schon gesagt: Welch ein Glück daß wir die Städte unter uns haben. Die vielen Conferenzen, Etiquetten, Festlichkeiten, erdrückende Masse von Besuchen, die man empfängt und machen muß, die Besprechungen, die Hitze und der Zugwind sind übrigens sehr angreifend, man kommt aus dem Rumor gar nicht heraus, und schreibe ich dieses vor dem Frühstück, weil ich später nicht dazu kommen würde. Ich bin heute ganz schachmatt, aber sonst frisch und wohl. Hoffentlich haben wir heute keine Conferenz. Wie lange die Geschichte hier noch dauert ist gar nicht zu ermessen. Ver­ weist man in der nächsten Conferenz die ganze Sache auf die Ministerbera­ thungen, so kann es damit aus sein, geht man aber auf Discussionen und neue Anträge ein, dann sehe ich gar kein Ende vor mir. Ich denke, daß morgen et­ was Licht kommt. Wie ich höre, sammeln sich hier die Abgeordneten der Landtage, und sol­ len an 600 erwartet werden. Wenn so viel kommen, so können wir wohl einer Krise entgegengehen. Sollte heute noch etwas Besonderes vorfallen, so schreibe ich einige Zeilen apart nach, hoffentlich morgen etwas Bestimmteres. Freundschaftlich Ihr A. Duckwitz

53. Bemerkungen des Herzogs von Sachsen-Meiningen zum Entwurf einer Bundesreformakte

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Verschiedene ­Concepte u. andere Materialien, fol. 79 f. Reinschrift. Am 19. August 1863 von Staatsminister Krosigk1 an Rechberg übermittelt (ebd., fol. 78).

Bei der Einrichtung des Bundesdirektoriums muß möglichst das Souveränitätsprinzip gewahrt werden, das heißt es darf kein deutscher Souverän von der Wahl aus­ geschlossen werden. Der Herzog schlägt deshalb ein Amendement zu Artikel 3 der Reformakte vor. Das Direktorium kann nur ein bevollmächtigter Ausschuß der ­Gesamtheit der Bundesglieder sein, deshalb darf der Bundesrat (die bisherige Bundesversammlung) nicht zu einem bloß repräsentativen Organ herabgedrückt werden. Ferner sollen Vorkehrungen gegen einen Mißbrauch des Budgetbewilligungsrechts der Bundesabgeordneten getroffen werden. 1 Anton Ferdinand von Krosigk (1820–1892), 1861–1864 und 1866–1873 Staatsminister von Sachsen-Meiningen; ADB, Bd. 51, S. 397–400.

Nr. 53

Frankfurt am Main, 19. August 1863

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[Frankfurt am Main, 19. August 1863] Einige Bemerkungen zum Entwurf einer Reformacte des deutschen Bundes. Abgesehen von der Betheiligung einer, aus den Ständen der Einzelstaaten hervorgehenden, Volksrepräsentation an der Gesetzgebung und Finanzwirth­ schaft des Bundes, liegt der Schwerpunkt der vorgeschlagenen neuen Bundes­ einrichtungen in der Aufstellung des Bundesdirectoriums und der demselben beigelegten Competenz. Das Hauptinteresse der Staaten aber, welche nicht mit Virilstimmen in demselben betheiligt werden sollen, liegt darin, daß in der Einrichtung der Wahl und in Betreff der Stellung des Bundesdirectoriums das Souveränetäts-Prinzip möglichst gewahrt werde. Dazu gehört vor Allem, wie auch die Anmerkung zum Art. 3 hervorhebt, daß keine Classe der deut­ schen Souveräne grundsätzlich von der Wahl ausgeschlossen werde; aber auch folgeweise darf dieß nicht geschehen. Die zur Reserve-Infanterie-Divisi­ on gehörigen Staaten können sich nicht gefallen lassen, daß ihr Recht irgend­ wie in suspenso bliebe; es ist aber auch gar nicht nöthig, daß die Regulirung dieses Punktes von der, theilweise gar nicht erwünschten, Aufhebung dieser Einrichtung abhängig gemacht werde. Es dürfte vielmehr sogleich die positi­ ve Bestimmung zum Art. 3 beizufügen sein: Die die Reserve-Infanterie-Division bildenden Staaten2 schließen sich zum Zweck der Wahl des Direktorial-Mitglieds demjenigen Bundes-Ar­ meecorps an, welchem sie nach der Bundeskriegsverfassung vor 1830 angehörten. Ueber die Vertheilung des Stimmrechts könnte eher die Vereinbarung vor­ behalten werden. Das natürlichste, dem bundesrechtlichen Princip am mei­ sten angemessene dürfte sein, daß die einzelnen Souveräne für die Wahl des Directorial-Mitglieds die Stimmenzahl führen, welche ihnen Art. 6 der Bun­ desacte beilegt. Daß dem Bundesdirectorium die umfassendsten Vollmachten in Betreff aller Angelegenheiten ertheilt werden, welche einer einheitlichen Leitung und ­raschen Beschlußfassung bedürfen, ist nothwendig. 2 Die Reserveinfanteriedivision des Bundesheeres war im Jahr 1830 gebildet worden aus Solda­ ten von ursprünglich 19, später 16 überwiegend in Mitteldeutschland gelegenen Kleinstaaten: Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar, An­ halt-Dessau-Köthen, Anhalt-Bernburg, Hessen-Homburg, Waldeck, Lippe, Schaumburg-Lip­ pe, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Liechtenstein, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie und Frankfurt. Die Truppenstärke der Division betrug 1859 1765 Soldaten. Vgl. Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 107–109, 328–330 (Anlagen 6 und 7).

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König Wilhelm I. an Kaiser Franz Joseph I.

Nr. 54

Nicht nothwendig scheint aber zu sein, daß der Bundesrath (die bisherige Bundesversammlung) in die Stellung eines bloß repräsentativen Organs zum Directorium als eigentlicher Bundesregierung herabgedrückt werde. Soll die bundesrechtliche Gleichberechtigung der deutschen souveränen Fürsten und freien Städte grundsätzlich nicht zerstört werden, so kann das Bundesdirectorium nur ein bevollmächtigter – allerdings mit eigener freien Entschließungs- und Ausführungsbefugniß ausgerüsteter – Ausschuß der Gesammtheit der Bundesglieder sein. Damit dieß aber irgendwie einen Ausdruck erhalte, müßte wenigstens ausgesprochen werden: Das Bundesdirectorium legt von Zeit zu Zeit dem Bundesrath einen Be­ richt über seine Verwaltung der Bundesangelegenheiten vor. Zu Art. 14 – Bundesfinanzen – wird es erforderlich sein, dem möglichen Mißbrauch des Bewilligungsrechts der Bundesabgeordneten durch die Be­ stimmung zu begegnen: Die Bewilligung der Matrikularumlagen Seitens der Bundesabgeordne­ ten kann nicht an Bedingungen geknüpft werden. Auch dürfte in Erwägung kommen, ob nicht die im deutschen Verfassungs­ recht meistens ausdrücklich gegebene Bestimmung zum Art. 14 analoge Auf­ nahme verdiene: „daß die bisher bewilligten Matrikular-Umlagen fortbestehen, wenn bei Ablauf der letzten Bewilligungsperiode noch keine Vereinbarung mit der Versammlung der Bundes-Abgeordneten über das Bundesbudget Statt gefunden hat.“   König Wilhelm I. an Kaiser Franz Joseph I. 

54. König Wilhelm I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph I.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 90 f. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Veröffentlicht im Königlich Preußischen StaatsAnzeiger1 Nr. 198 v. 25. August 1863. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 87 f.; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 739 f.; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 133.

Der preußische König lehnt die Einladung nach Frankfurt ab und begründet dies unter anderem damit, daß ihm bislang die Reformanträge immer noch nicht amtlich mitgeteilt worden sind. Er wird seinen Entschluß über die Reform erst dann fassen, wenn die Änderungen der Bundesverfassung in ihrem Verhältnis zu der Machtstellung Preußens und den berechtigen Interessen der Nation von seinen Räten eingehend geprüft sein werden. 1 Das Blatt war das offizielle Verkündungsorgan der preußischen Regierung. 1819 unter dem Namen „Allgemeine Preußische Staatszeitung“ gegründet, erschien die Zeitung von 1851 bis 1871 unter dem Namen „Königlich-Preußischer Staats-Anzeiger“, bevor sie 1871 umbenannt wurde in „Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischer Staats-Anzeiger“.

Nr. 54

Baden-Baden, 20. August 1863

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Baden-Baden, 20. August 1863 Durchlauchtigst Großmaechtiger Fürst, besonders lieber Bruder und Freund! Eure Majestaet haben in Gemeinschaft mit Unsern erhabenen Bundesgenos­ sen, den in Frankfurt versammelten Deutschen Fürsten und freien Städten, die erneute Einladung an Mich gerichtet, welche Seine Majestät der König von Sachsen die Güte gehabt hat, Mir unter mündlichen Erläuterungen zu überbringen, und beehre Ich Mich, nach sorgfältiger und bundesfreundlicher Erwägung des Inhaltes derselben, darauf in Folgendem zu erwiedern. In Meinem Schreiben vom 4ten d. M.2 habe Ich Eurer Majestaet neben Meiner Bereitwilligkeit zu zeitgemäßen Verbesserungen der Bundes-Verfas­ sung mitzuwirken, zugleich die Ueberzeugung ausgesprochen, daß ein sol­ ches Werk nicht ohne eingehende Vorarbeiten mit einer Zusammenkunft der Souveraine begonnen werden könne, wenn der beabsichtigte Erfolg erreicht werden solle, und Ich habe deshalb zu Meinem Bedauern Eurer Majestaet Einladung, Mich am 16ten d. M. zur Versammlung nach Frankfurt zu bege­ ben, ablehnen müssen. So ungern Ich auch der wiederholten, in ihren Formen für Mich so ehren­ vollen Einladung Mich versage, so ist doch Meine Ueberzeugung auch heut [sic] noch die, welche Meine Erklärung vom 4ten geleitet hat, und beharre Ich bei derselben um so mehr, als Ich auch jetzt noch keine amtliche Mittheilung der der Berathung zu Grunde gelegten Anträge erhalten habe; dasjenige aber, was auf andern Wegen zu Meiner Kenntniß gelangt ist, Mich nur in der Ab­ sicht bestärkt, Meine Entschließungen erst dann festzustellen, wenn durch ge­ schäftsmäßige Bearbeitung der Angelegenheit von Seiten Meiner Räthe, die zu erörternden Abänderungen der Bundesverfassung, in ihren Verhältnissen zu der berechtigten Machtstellung Preußens und zu den berechtigten Interes­ sen der Nation, eingehend geprüft sein werden. Ich bin es Meinem Lande und der Sache Deutschlands schuldig, vor einer solchen Prüfung der einschlägi­ gen Fragen, keine Mich bindenden Erklärungen gegen Meine Bundesgenos­ sen abzugeben; ohne solche aber würde Meine Theilnahme an den Berathun­ gen nicht ausführbar sein. Diese Erwägung wird Mich nicht abhalten, jede Mittheilung, welche Mei­ ne Bundesgenossen an Mich werden gelangen lassen, mit der Bereitwilligkeit und Sorgfalt in Erwägung zu ziehen, welche Ich der Entwicklung der gemein­ samen vaterländischen Interessen jederzeit gewidmet habe. Eure Majestaet und Unsre in Frankfurt versammelten erhabenen Bundesgenossen bitte Ich, 2 Siehe Dok. 35.

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Beschluß des Deutschen Abgeordnetentages

Nr. 55

den angelegentlichsten Ausdruck bundestreuer Freundschaft zu empfangen, mit der Ich verbleibe Eurer Majestaet freundwilliger Bruder und Freund Wilhelm

55. Beschluß des Deutschen Abgeordnetentages zur Bundesreform

Die Reform des deutschen Bundestags. Eine Berichterstattung an die in Frankfurt a. M. versam­ melten Abgeordneten von Ludwig Häusser. Frankfurt a. M. 1863. Verlag der F. Boselli’schen Buchhandlung. (W. Rommel.), S. 3 f.; in: GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 287, fol. 21–29, Auszug fol. 23, auch in: Beschluß des Deutschen Abgeordnetentages vom 21. August 1863 und dessen Begründung durch Herrn Prof. Häusser aus Heidelberg. Frankfurt am Main. Druck von C. Adelmann. 1863, in: BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I; ferner in: Verhandlungen des zweiten Kon­ gresses deutscher Abgeordneter in Frankfurt a. M. am 21. und 22. August 1863. Frankfurt a. M. o. J. [1863], S. 4 f. – Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 202 f.; Fenske (Hrsg.), Der Weg zur Reichs­ gründung, S. 282 f. Die von Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 141 nach Schulthess, Europäischer Geschichtskalender, Jg. 4, 1863, S. 65 f. abgedruckte Version entspricht nicht dem Wortlaut der Quelle, sondern ist vielmehr nur ein Resümee des ­Beschlusses.

Der Abgeordnetentag begrüßt die Initiative des Kaisers zur Bundesreform. Die volle Befriedigung der nationalen Bedürfnisse kann nur die bundesstaatliche Einheit nach dem Muster der Reichsverfassung von 1849 bringen, doch steht der Abgeordnetentag angesichts der inneren Krisen und der äußeren Bedrohung Deutschlands dem Reformplan nicht lediglich verneinend gegenüber. Die Delegirtenversammlung wird aber abgelehnt, statt dessen muß eine frei und unmittelbar gewählte Repräsentation der Nation gebildet werden. Gefordert werden ferner die Gleichberechtigung der Großmächte im Staatenbund und die Aufnahme der ostpreußischen Provinzen zur „Stärkung deutscher Kraft“. Die nationale Reform kann nicht einseitig von den Regierungen betrieben werden, für einen Erfolg ist es unumgänglich, eine Nationalversammlung zu berufen, der es zukommt, den Reformentwurf zu prüfen und ihm zuzustimmen.

Frankfurt am Main, 21. August 1863 Beschluß des deutschen Abgeordnetentages vom 21. August 1863.1 I. Der deutsche Abgeordnetentag erblickt in der selbstthätigen Initiative des Kaisers von Oesterreich, zur Anbahnung einer deutschen Bundesreform, 1 Der Deutsche Abgeordnetentag hatte sich am 28. September 1862 in Weimar konstituiert, zu ersten halböffentlichen Sitzung waren über 200 Teilnehmer aus einer Reihe deutscher Staaten erschienen, allerdings keine Abgeordneten aus Österreich. Der zweite Deutsche Abgeordneten­ tag fand am 21. und 22. August 1863 zeitgleich mit dem Fürstentag in Frankfurt statt, die Einladung dazu war bereits am 24. Juli 1863 erfolgt. Am Frankfurter Abgeordnetentag nahmen

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und in der bereitwilligen Theilnahme fast aller Fürsten und der freien Städte Deutschlands an diesem Werke, ein erfreuliches Zeugniß der aller­ wärts siegreichen Ueberzeugung von der Unzulänglichkeit der bestehen­ den Bundesverfassung2 und von der dringenden Nothwendigkeit ihrer Neugestaltung. Ob er in dieser Thatsache zugleich die Bürgschaft sehen darf, daß das gute Recht des deutschen Volkes auf eine seiner würdige Verfassung, nach wiederholten unfruchtbaren Verheißungen, endlich zur Erfüllung komme, das wird zunächst von dem weiteren Entgegenkom­ men der deutschen Fürsten und Regierungen abhängen. II. Zwar kann der Abgeordnetentag auch jetzt nur von einer bundesstaat­ lichen Einheit, wie sie in der deutschen Reichsverfassung vom 28. März 1849 ihren rechtlichen Ausdruck gefunden hat, die volle Befriedigung der Bedürfnisse erhoffen, welche die Freiheit wie die Einheit, die Sicherheit wie die Macht der deutschen Nation gebietet; indessen unter den gegebe­ nen Verhältnissen, zumal den inneren Krisen und der fortdauernden äuße­ ren Bedrohung gegenüber, ist der Abgeordnetentag nicht in der Lage, zu dem österreichischen Entwurfe, welcher den Staatenbund mit einer enge­ ren collegialen Executive und mit einer Vertretung zu reorganisiren sucht, sich lediglich verneinend zu verhalten. III. Wohl aber muß er eine Reihe von einzelnen Bestimmungen der „Reform­ acte“ für höchst bedenklich erachten und vermag insbesondere in der Art und Befugniß der Vertretung, wie sie durch Delegirte der einzelstaat­ lichen Ständeversammlungen zusammengesetzt werden soll, weder die für die Freiheit, noch die für die Einheit nothwendigen Bürgschaften zu sehen, vielmehr muß er die Bildung einer durch die Nation frei und un­ mittelbar erwählten Repräsentation als die unerläßliche Vorbedingung je­ des Gelingens bezeichnen. IV. Der deutsche Abgeordnetentag betrachtet ferner die Anerkennung voll­ ständiger Gleichberechtigung der beiden Großmächte im Staatenbunde als ein Gebot der Gerechtigkeit wie der Politik, und hält den Ausschluß der, vor dem Jahre 1848 nicht in den deutschen Bund aufgenommenen, preußischen Provinzen für unvereinbar mit den Forderungen der festeren Einigung und Stärkung deutscher Kraft, auf welche eine jede Reform des Bundes hinstreben muß. 319 Abgeordnete teil. Im Vorfeld der Versammlung hatte ein eigens eingesetzter Spezialaus­ schuß zur deutschen Frage einen Antrag vorbereitet, in dem der badische Liberale Ludwig Häusser (1818–1867) eine führende Rolle spielte. Der Antragsentwurf wurde schon am ersten Tag der Versammlung einstimmig angenommen und als Beschluß verabschiedet. Vgl. Biefang, Politisches Bürgertum, S. 240–247, 280–287; Gall, Ludwig Häusser. 2 Emendiert. Vorlage: Bundesreformen.

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V. Unter allen Umständen sieht sich der deutsche Abgeordnetentag zu der Erklärung gedrungen, daß er von dem einseitigen Vorgehen der deutschen Regierungen eine gedeihliche Lösung der nationalen Reform nicht zu er­ warten vermag, vielmehr die Berufung einer deutschen Nationalver­ sammlung auf Grundlage der Normen, welche die deutsche Bundesver­ sammlung selbst in ihren Beschlüssen vom 30. März und 7. April 1848 aufgestellt hat3, und die Zustimmung dieser Nationalversammlung als unumgängliche Ergänzung bezeichnen muß. In der so berufenen Vertre­ tung wird der Wille der gesammten Nation zu seinem berechtigten Aus­ druck gelangen; ihr wird es zukommen, den ihr vorzulegenden Entwurf sowohl im Ganzen als im Einzelnen zu prüfen und die Abänderungen zu erwägen, unter welchen sie ihre Zustimmung geben kann, auf daß nicht aus dem begonnenen Werke, statt einer Erhebung und Kräftigung zum nationalen Leben, eine Schädigung der schon erworbenen Rechte und Freiheiten erwachse.

56. Artikel in der Frankfurter Reform1

Frankfurter Reform Nr. 100 v. 21. August 1863.

Die kaiserliche Reformakte bedeutet die Anerkennung des Rechts der Nation, sich direkt an den Beratungen über ihre höchsten Interessen zu beteiligen. Die in Frankfurt versammelten Fürsten scheinen aber nur den Bund von 1815 weiterentwickeln zu wollen, das Jahr 1848 wird gänzlich ignoriert. Deshalb muß das Volk sie daran erinnern, und vom Abgeordnetentag wird die Wahrung der in der Reichsverfassung von 1849 garantierten Volksrechte erwartet. Die in der Bundesreformakte vorgeschlagenen Änderungen der Bundesverfassung genügen nicht. Ziel ist ein deutscher Bundesstaat, nicht der Staatenbund. Dazu muß die „widernatürliche […] Verquickung der österreichischen Völker“ aufgegeben werden, erst dann kann der Kaiser mit seinen 3 Mit den Bundesbeschlüssen vom 30. März und 7. April 1848 waren die deutschen Staaten zu Wahlen für eine verfassungsgebende Nationalversammlung aufgefordert und die entsprechen­ den Wahlmodalitäten festgelegt worden; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfas­ sungsgeschichte, Bd. 1, S. 337 f.

1 Die Frankfurter Reform erschien vom 26. 12. 1862 bis zum 15. 7. 1866. Unter der Redaktion von August Röckel (1814–1876) war sie zunächst das Organ der demokratischen Bewegung der Fortschrittspartei. Mit der Gründung der Frankfurter Volkspartei am 20. Mai 1866 wurde sie deren liberaldemokratisches Parteiorgan. Das Blatt trat für einen deutschen Bundesstaat ein, wandte sich aber gegen eine kleindeutsche Lösung der deutschen Frage unter preußischer Vorherrschaft und vertrat statt dessen eine großdeutsche Position. Als im Juli 1866 Frankfurt von preußischen Truppen besetzt wurde, ließ die preußische Militärverwaltung die Druckerei­ en der Frankfurter Reform versiegeln und setzte damit der Existenz des Blattes ein Ende. Vgl. Friedel, Politische Presse und Parlamentarismus in Hessen, S. 199, 211, 257–259.

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deutschen Provinzen in den deutschen Bundesstaat eintreten. Die Bedürfnisse der Nation werden nicht erfüllt durch eine Neugestaltung, die den Fürsten „die unveränderte Aufrechthaltung ihrer jetzigen Machtverhältnisse“ garantiert. Nur ein frei gewähltes Nationalparlament „mit allen Befugnissen, welche die Reichsverfassung von 1849 ihm zuspricht“, wird Deutschland befriedigen können.

Frankfurt am Main, 21. August 1863 Die Bundes-Reform und der Abgeordnetentag. Der kaiserliche Entwurf einer Reformakte des deutschen Bundes liegt nun vollständig vor. Wir begrüßen in dieser schleunigen und rückhaltslosen Be­ kanntgebung desselben einen entschiedenen Bruch mit der seitherigen Praxis und die offene Anerkennung des Rechtes der Nation, sich direkt an den Be­ rathungen über ihre höchsten Interessen zu betheiligen. Noch deutlicher spricht sich diese Absicht aus in dem gewiß nicht zufälligen Zusammentref­ fen der Fürsten-Conferenz selbst, wie in der schnellen Veröffentlichung der ihr gemachten Vorlage mit dem Abgeordnetentag, der hierdurch eine, wenn auch nicht officielle, so doch ziemlich direkte Einladung erhalten hat, sein Urtheil über die kaiserlichen Propositionen abzugeben. Liegt nun hierin eine gewisse Bürgschaft dafür, daß den Wünschen und Ausstellungen der Abge­ ordneten-Versammlung die gebührende Beachtung nicht versagt werden wird, so hat dieselbe nunmehr doppelt die Pflicht, fest und offen den Rechtsstand­ punkt zu bezeichnen, von dem aus allein sie mit Sicherheit eine Würdigung jener Reform-Akte vornehmen kann. Diesen Rechtsstandpunkt besitzen wir in der Reichsverfassung. Ihn freiwillig aufgeben, hieße unsere ganze Vergan­ genheit, das langjährige vergebliche Hoffen und Ringen seit 1815, unsere ­Anstrengungen und Opfer von 1848 und 1849, endlich den bis auf die Hefen geleerten Wehrmuthsbecher der übermüthigsten, pflichtvergessendsten Reak­ tion verläugnen, um thatsächlich auf denselben Standpunkt der Rechtslosig­ keit zurückzutreten, von dem wir damals ausgegangen waren, und jede Gabe der Fürsten, sei sie auch noch so karg und unbefriedigend, als ein Gnadenge­ schenk dankbar entgegennehmen zu müssen: denn worauf wollten wir den Anspruch einer ausgedehnteren Berücksichtigung unserer Wünsche gründen? Nur die Macht darf fordern, oder das Recht. 1848 hatte sich das Volk im Sturm die Macht erobert; die Fürsten erkannten diese Macht an; auf ihr er­ stand die Centralgewalt und die constituirende Nationalversammlung, die uns vor ihrem Scheiden das Recht vermachte in klarster, bindender Gesetzesform. Und jetzt, wo wir uns zur Stunde wenigstens vergeblich nach der Macht um­ sehen, die den Volkswünschen Geltung zu sichern vermöchte, sollten wir ohne irgend einen denkbaren Grund auch noch des Rechtes uns freiwillig be­ geben? Die Mängel der Reichsverfassung können uns doch umso weniger hierzu veranlassen, als die mancherlei an ihr gemachten Ausstellungen immer

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darauf hinauslaufen, daß die in ihr verbürgten Volksrechte noch nicht weit genug gehen. Nur in dem Einen Fall also wäre ein Aufgeben dieses Rechtsbo­ dens zu billigen: wenn uns etwas Besseres dafür geboten würde. Wir erwarten daher mit Zuversicht, der Abgeordnetentag werde seinen Standpunkt auf dem2 Rechtsboden des deutschen Volkes, der Reichsverfassung, nehmen, und von hier aus die gemachten Vorlagen einer genauen Prüfung unterziehen. Die Wahrung eines Rechtes bedingt nicht immer die Geltendmachung des­ selben unter allen Umständen, die Abweisung alles Anderen, was dem Maße desselben nicht genau entspricht. Der Unterschied zwischen unseren jetzigen Zuständen und Denen, die uns eine ehrliche Durchführung der Reichsverfas­ sung verspräche, läßt viele Stufen der Verbesserung zu, und wir können sehr wohl das Bessere oder – mit dem jetzt beliebten Ausdruck – eine Abschlags­ zahlung annehmen, ohne unserem Anspruch auf das Ganze etwas zu verge­ ben. Keineswegs gleichgültig aber ist die Form dieser Unterhandlung, denn wird uns eine Abschlagszahlung in der Weise geboten, als sei dadurch die ganze Schuld als getilgt zu betrachten, und versäumen wir bei Annahme der­ selben, ausdrücklich unser Recht auf das noch Außenstehende zu wahren, so haben wir uns desselben thatsächlich begeben und nichts weiter zu fordern. Ganz dieser Art nun ist der vorliegende Fall. Die Ansprache des Kaisers an die Fürsten bei Ueberreichung des Reformentwurfs, gleichsam die Begrün­ dung desselben, weiß Nichts von dem Jahre 1848 und dem damals von allen Regenten Deutschlands beeidigten Volksrechte, wie es schließlich in der Reichsverfassung seinen gesetzlichen Ausdruck gefunden hat. Der Kaiser spricht zwar seine Ueberzeugung aus, „daß Deutschland mit Recht einer zeit­ gemäßen Entwickelung seiner Verfassung entgegensieht“; er glaubt, „daß es an der Zeit sei, den Bund, den unsere Väter schlossen, im Geiste unserer Epo­ che zu erneuen [sic], ihn durch die Theilnahme unserer Völker mit frischer Lebenskraft zu erfüllen, und ihn dadurch zu befähigen, Deutschland in Ehre und Macht, in Sicherheit und Wohlfahrt als ein unzertrennliches Ganze [sic] zusammenzuhalten bis in die spätesten Tage“, und er ist gekommen, „um ­seinen Verbündeten in persönlichem Gedanken-Austausche darzulegen, was er zur Erreichung dieses großen Zweckes für möglich hält und für seinen Theil zu gewähren bereit ist“; allein aus dem Allem, so gut es an sich ist, geht zur Genüge hervor, daß hier nicht entfernt von einer Abschlagszahlung die Rede sein soll, denn es wird keinerlei Schuldforderung anerkannt. Der Bund von 1815 soll einfach weiter entwickelt werden, das Jahr 1848 ist gänzlich ignorirt. Wenn die Fürsten kein Gedächtnis dafür haben und den Schwamm ziehen wollen über das größte Ereigniß in der deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts, ist es um so dringender geboten, daß das Volk sie daran erinnere 2 Emendiert. Vorlage: den.

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und anknüpfe an das Jahr, welches seinem Rechte die feierlichste Anerken­ nung brachte. Wir sehen daher von dem Abgeordnetentag in erster Linie einer festen Wahrung der ganzen, in der Reichsverfassung vom Jahre 1849 garantirten Volksrechte entgegen. Erst nach dieser ausdrücklichen Verwahrung kann an eine Prüfung der Vorlagen des Kaisers gegangen, und nur von dem hierdurch bezeichneten Standpunkte aus kann sie mit Erfolg unternommen werden. Vergleichen wir nun den neuen „Entwurf einer Reformakte“ mit den Be­ stimmungen der Reichsverfassung, so begegnen wir durchweg den principi­ ellsten Gegensätzen: Die Reichsverfassung wandelt den seitherigen Staatenbund in einen Bundesstaat um; der Entwurf sucht nur das als zu locker erkannte Band unserer unabhängigen Staaten etwas fester zu ziehen. Es war ein König, Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der bereits am 18. März 1848 die Nothwendigkeit einer solchen Umwandlung anerkannte3 (siehe die Proclamationen der Fürsten, Nro. 98 der Reform), und alle andern Regenten Deutschlands stimmten ihm bei. Was nun damals unerläßlich schien „zu einer wirklichen Regeneration Deutschlands“, zu seiner Erhebung „auf den ihm gebührenden Rang in Europa“, wie Friedrich Wilhelm sagte, oder nach den heutigen Worten Franz Josephs, „um Deutschland in Ehre und Macht, in Sicherheit und Wohlfahrt als ein unzertrennliches Ganze zusam­ menzuhalten bis in die spätesten Tage“, sollte es jetzt für diesen Zweck ent­ behrlich sein? Sicherlich, was vor 15 Jahren die ganze deutsche Nation, Fürst und Volk übereinstimmend als die erste Vorbedingung der „Ehre und Macht, der Sicherheit und Wohlfahrt“ des Vaterlandes bezeichneten, was die Ge­ schichte aller in ähnlichem Bunde vereinten Völker, der Niederländer des Mittelalters, der Schweizer, der Nordamerikaner, als Grundbedingung ihrer gesicherten Existenz darthut, dasjenige, dessen Mangel einst den Untergang Griechenlands herbeiführte und auch Deutschland Jahrhunderte lang zum Spielball auswärtiger Intriguen und schließlich zur leichten Beute eines frem­ den Eroberers machte, das darf nicht so leichthin übergangen werden: es ist die Lebensfrage, der Grundstein, ohne den das ganze Gebäude auf Sand steht. Und sonderbar! Franz Joseph, der es zur Kräftigung seines eigenen Reiches nöthig hielt, die nur theilweise Unabhängigkeit Ungarns ganz aufzuheben und Oesterreich in einen straffen Einheitsstaat umzubilden, er selbst scheint es für möglich zu halten, daß Deutschland ganz dieselben Ziele, „Ehre und 3 Im Patent vom 18. März 1848 hatte Friedrich Wilhelm IV. die Umwandlung Deutschlands aus einem Staatenbund in einen Bundesstaat verlangt. Druck des Patents bei Huber (Hrsg.), Doku­ mente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 445 f.; Fenske (Hrsg.), Quellen zur Deutschen Revolution 1848/49, S. 77 f.

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Macht, Sicherheit und Wohlfahrt“, auf einem geradezu entgegengesetzten Weg, in der Form eines lockeren Bundes völlig souveräner Staaten erreichen könne! Es ist dies ein Widerspruch, der nothwendig entweder den österreichi­ schen Einheitsstaat oder den Entwurf der Bundes-Reform als auf Irrthum ge­ gründet erweist. Von vorn herein also ist die Illusion aufzugeben, als ob durch diese Abänderungen der seitherigen Bundes-Verfassung Deutschlands Wünschen und höchsten Bedürfnissen Genüge geleistet sei. Dies klar und entschieden auszu­ sprechen, es aus den einzelnen Paragraphen des Entwurfs nachzuweisen, wird die wesentlichste Aufgabe des Abgeordnetentages sein, denn, wie gesagt, nicht ihm steht es zu, anzunehmen oder abzulehnen: er hat lediglich sein Gut­ achten abzugeben, die Beschlußfassung aber der zum Zweck der Neu-Consti­ tuirung Deutschlands ausdrücklich zu wählenden Nationalversammlung über­ lassend. Jener Nachweis bietet sich fast in jedem Punkte der vorgelegten Reform­ akte: 1) Deutschland soll neu erstehen, und einer unserer kräftigsten Stämme von deutschester Gesinnung, die drei Millionen starke Provinz Preußen, bleibt ausgeschlossen davon! Mit welcher Stirne will nach solchem Vorgang das neue Deutschland seine Rechte auf Schleswig-Holstein geltend machen? 2) Es wird uns als Centralgewalt ein Direktorium von fünf Mitgliedern un­ ter Oesterreichs Vorsitz geboten. Allein Oesterreich soll ja mit Aufwendung aller Mittel zu einem Einheitsstaat umgebildet werden, dessen Bevölkerung zu zwei Drittel aus fremden Nationalitäten besteht. Diese Ungarn, Slaven und Italiener im Reichsrath zu Wien werden mit Nothwendigkeit die Politik der kaiserlichen Regierung bestimmen, und sonach stände an der Spitze von Deutschland ein wesentlich außerdeutscher Staat, dessen Interessen ihm fremd, vorkommenden Falls sogar feindlich werden können! Hier ist eine unerläßliche Vorbedingung übersehen: die widernatürliche und nie durchzuführende Verquickung der österreichischen Völker muß auf­ gegeben, die frühere Personal-Union wieder hergestellt werden, und dann erst kann der Kaiser mit seinen deutschen Provinzen vollständig in den deutschen Bundesstaat eintreten und an unserer Spitze stehen. 3) Das vorgeschlagene Direktorium mit seinem Bundesrath ist völlig unverantwortlich, also von unbeschränkter Machtvollkommenheit. Diesem Di­ rektorium steht zur Seite ein ebenso unverantwortlicher Bundesrath und schließlich eine nicht minder unverantwortliche Fürstenversammlung – wel­ che Bedeutung soll dem Allen gegenüber wohl die ohnmächtige DelegirtenVersammlung erlangen? Sie kann einzig nur dazu dienen, der Nation den wahren Charakter ihrer Gesammtregierung hinter täuschenden Formen zu verbergen.

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4) Einer so constituirten Executive gegenüber mag es freilich ganz gleich­ gültig sein, welche Form der neben ihr geduldeten Volksvertretung gegeben wird; soll dieselbe aber ihrer Bezeichnung entsprechen und die Nation reprä­ sentiren, so ist die vorgeschlagene Form einer Delegirtenversammlung der verschiedenen ersten und zweiten Kammern die ungeeignetste dazu. Nur ein nach dem Reichswahlgesetz berufenes Nationalparlament mit allen Befugnissen, welche die Reichsverfassung von 1849 ihm zuspricht, wird Deutschland nach dieser Seite hin befriedigen und es von manchen andern unbeachteten Wünschen vorerst noch absehen lassen. Der mangelnde Raum gestattet uns nicht, mehr in das Einzelne dieses Re­ form-Entwurfes einzugehen. Der Abgeordnetentag wird das Ganze, so weit es die Zeit erlaubt, einer eingehenden Prüfung unterziehen und rückhaltslos sein Urtheil darüber abgeben müssen, denn Wahrheit, offene, ganze Wahrheit ist seine höchste Pflicht gegen die Nation, und zugleich die sicherste Politik. Gleichviel welchen Ausgang die Berathungen dieser Tage nehmen mögen, stets werden wir dem Kaiser aufrichtigsten Dank dafür schulden, daß er den ersten und zugleich entscheidenden Schritt, von dem keine Umkehr mehr möglich ist, gethan hat. Allein nicht verkennen dürfen wir das aus allen Hauptbestimmungen der Reformakte nur zu deutlich hervorgehende Bestre­ ben, den Gedanken einer Neugestaltung Deutschlands den Fürsten durch die unveränderte Aufrechthaltung ihrer jetzigen Machtverhältnisse thunlichst an­ genehm zu machen, und zugleich die Garantie von ganz Deutschland für die Durchführung der östreichischen Centralisationspläne sowie für den Bestand seines Ländergebietes zu erwirken. Beides widerspricht durchweg den Inter­ essen der Nation, deren Wohl doch allein bei dieser beabsichtigten Umgestal­ tung maßgebend sein kann. Das von dem Kaiser Gewollte, „Deutschland in Ehre und Macht, in Sicher­ heit und Wohlfahrt als ein unzertrennliches Ganze zusammen zu halten bis in die spätesten Tage“ wird nimmer auf diesem Wege erzielt, und vielleicht thun schon die allernächsten Tage das Verfehlte desselben dar. Will der Kaiser Deutschlands Wiedergeburt, so wolle er sie ganz, ausschließlich, mit Aufwendung aller seiner Macht, und er wird das Ziel erreichen, denn die Nation steht dann einmüthig zu ihm. Die Reichsverfassung zeigt den Weg: Einheit der Centralgewalt, und Parlament. So lange nicht dies der Wahlspruch jedes Re­ formversuches ist, tritt die deutsche Frage nicht sowohl in eine neue Phase, sondern nur in eine neue Phrase.

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Österreichisches Promemoria

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57. Österreichisches Promemoria

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 101 f. Beilage zum Protokoll des Fürstentages Nr. 3 vom 22. August 1863. Metallogra­ phie. Veröffentlicht in: Wiener Abendpost v. 29. August 1863; Frankfurter Journal, Beilage zu Nr. 241 v. 31. August 1863. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 195 f.; ferner: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 156 f. (dort irrtümlich als Anlage 5 zum Protokoll der 9. Sitzung des Fürstentags bezeichnet).

Der Kaiser macht Vorschläge für das weitere Verfahren, um einen baldigen erfolgreichen Abschluß der Fürstenkonferenz zu ermöglichen. Da die von Österreich vorgelegte Reformakte des Deutschen Bundes von allen Teilnehmern des Fürstentags ausdrücklich als geeignete Beratungsgrundlage angenommen wurde, könnte die weitere Beratung nunmehr den in Frankfurt anwesenden Ministern übertragen werden, mit der Maßgabe, daß bei Änderungsanträgen, über die keine Einigung erzielt wird, die Fassung des Entwurfs bestehen bleibt. Zur weiteren Vereinfachung schlägt der Kaiser vor, vierzehn Artikel des Entwurfs unverändert anzunehmen, so daß diese bei der anschließenden Ministerkonferenz keiner weiteren Diskussion unterzogen werden.

Frankfurt am Main, 21. August 1863 Promemoria

Die Conferenz der Souveräne und freien Städte Deutschlands hat in ihrer er­ sten Sitzung mit der erfreulichsten Übereinstimmung den Beschluß gefaßt, den von Sr Maj. dem Kaiser von Oesterreich vorgelegten Entwurf einer Re­ formacte des deutschen Bundes ihren Berathungen zu Grunde zu legen. Fu­ ßend auf diesem Beschlusse, dürfte die Fürstenconferenz nunmehr das weite­ re Verfahren festzustellen wünschen, durch welches ein baldiger Abschluß ihrer Verhandlungen am zweckmäßigsten gefördert werden könnte. Wie in der erwähnten Sitzung von mehreren der hohen Theilnehmer aus­ drücklich hervorgehoben wurde, wollte mit der Annahme des gedachten Ent­ wurfes als einer geeigneten Berathungsgrundlage nicht etwa auch schon die Genehmigung der einzelnen Bestimmungen desselben ausgesprochen wer­ den. Se Majestät der Kaiser geben Sich hievon volle Rechenschaft, hoffen Sich aber andrerseits mit der Auffassung Allerhöchst Ihrer Bundesgenossen zu begegnen, wenn Sie glauben aus der Thatsache der allseitig bekundeten Geneigtheit, das Reformwerk auf der Basis jenes Entwurfes zu Stande zu bringen, eine doppelte Folgerung ableiten zu können. Einmal scheint nämlich Sr Majestät die Voraussetzung gerechtfertigt zu sein, daß die Bedenken, wel­ che etwa gegen einzelne Vorschläge des Entwurfs von der einen oder der an­ deren Seite gehegt werden sollten, sich nicht gegen das System und die lei­ tenden Gedanken, auf welchen seine Construction beruht, richten, somit auch nicht Anlaß zu solchen Aenderungsanträgen bieten könnten, die den Entwurf in seinen wesentlichen Theilen und in dem nothwendigen Zusammenhange seiner wichtigeren Verfügungen alteriren würden. Zweitens halten Se Maje­

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stät Sich überzeugt, daß wenn eine allseitige Einigung über Abänderungen des Entwurfes nicht erreicht werden könnte, die Annahme des letzteren, selbst in seiner unveränderten Fassung, der erhabenen Versammlung jedenfalls er­ wünschter sein würde, als ein Zersplittern und Auseinandergehen der Mei­ nungen und ein resultatloses Ende der Verhandlungen. Ausgehend von diesen Gesichtspunkten, und ferner erwägend, daß es ­weder nöthig noch erwünscht sein dürfte, die Berathung der im Detail etwa vorzuschlagenden Modificationen den Fürsten in Person vorzubehalten und dadurch deren Aufenthalt in Frankfurt über Gebühr zu verlängern, neigen Se Maj. der Kaiser in Bezug auf das weiter einzuhaltende Verfahren Sich zu der Ansicht, daß die Fürstenconferenz die Berathung der Reformacte nunmehr den hier anwesenden Ministern überweisen könnte, soferne dies mit der Maß­ gabe geschähe, daß es in allen denjenigen Punkten, in welchen nach reiflicher gemeinsamer Prüfung der Aenderungsanträge nicht ein anderweites Einver­ ständniß zu Stande käme, der Fassung der allseitig angenommenen Bera­ thungsgrundlage sein Bewenden zu behalten hätte. Einzig und allein auf diese Weise scheint Sr Maj. dem Kaiser der dreifache Zweck erreicht werden zu können: eine gründliche und geschäftsmäßige Deliberation über alle zu Zweifeln oder Aenderungsanträgen Anlaß gebende Punkte des Reformplanes zu er­ möglichen, – eine nach der Ansicht des Kaisers vollkommen unerläßliche Garantie dafür zu gewinnen, daß diese Berathung den Zweck eines auf der Basis des vorgeleg­ ten Entwurfes herzustellenden Einverständnisses nicht verfehlen werde, – und die persönlichen Conferenzen der hohen Souveräne sofort zu einem befrie­ digenden Abschlusse zu bringen. Eine weitere Vereinfachung des Geschäftes könnte nach Sr Majestät Erach­ ten dadurch erreicht werden, daß einige Hauptbestimmungen des Entwurfs, für deren Annahme sich vielleicht bereits eine allgemeine Geneigtheit in der Mitte der versammelten Fürsten ausgesprochen hat, von der Fürstenconferenz nicht nur im Grundsatze, sondern auch dem Wortlaute nach genehmigt, ­sonach in den Ministerconferenzen als bereits feststehend keiner weiteren Discussion unterzogen würden. Se kais. Majestät geben anheim, ob nicht unter den Bestimmungen des Ent­ wurfes namentlich Artikel   2 "   4 "   5 Alinea 1–3 "   6 " 14 Alinea 2, 4 & 5 " 16

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" 18 Alinea 1 " 20–22 " 23 Alinea 1 " 24 " 26 " 36 von der erhabenen Versammlung geeignet gefunden werden könnten, un­ verändert angenommen zu werden. Solchen Falles würde den Ministern nur die Aufgabe bleiben, die hier nicht genannten Artikel des Entwurfes zu revi­ diren und nach Prüfung der zur Vorlage kommenden Aenderungsanträge vor­ behaltlich der Ratification der Souveräne textuell festzustellen, auch viel­ leicht, wenn etwa Lücken bemerkt werden sollten, ergänzende Bestimmun­ gen zu beantragen. Um übrigens zugleich allen Anständen zuvorzukommen, welche je nach den Verfassungsverhältnissen der einzelnen deutschen Staaten bei den hohen Mitgliedern der Conferenz gegen Erklärungen von definitiv verpflichtendem Charakter obwalten könnten, glauben Se kk. Apostolische Majestät mit den im Obigen entwickelten Vorschlägen schließlich noch die weitere Bemerkung verbinden zu sollen, daß es sich empfehlen dürfte, bei allen in der Fürstencon­ ferenz erfolgenden Erklärungen von bindendem Charakter, insoferne dieselben nach den Einrichtungen des betreffenden Staates den Vorbehalt der Zustim­ mung der constitutionellen Körperschaften erforderlich erscheinen lassen soll­ ten, allgemein und ohne daß dies jedesmal noch besonders ausgedrückt wer­ den müßte, diesen Vorbehalt als einen selbstverständlichen zu betrachten.

58. Artikel in der Constitutionellen Zeitung

Constitutionelle Zeitung1 Nr. 192 v. 21. August 1863.

Die Fürstenversammlung ist ein geschichtlich denkwürdiger Augenblick. Entweder erfüllen die Fürsten dem deutschen Volk gegenüber das fünfzigjährige Versprechen der Einheit Deutschlands, oder sie dokumentieren, daß sie nicht den nötigen Willen oder die Tatkraft besitzen, um dem Wunsch der Nation gerecht zu werden. Das Haus Habsburg nimmt die Gelegenheit wahr, das Banner des Fortschritts zu erheben. Österreich, das einst das deutsche Reich aufgelöst hat, kommt wieder, um es zusammenzurufen. Aber das deutsche Reich, das man heute will, ist nicht das von 1792, 1 Die Sächsische Constitutionelle Zeitung, die seit 1859 nur noch unter dem Titel Constitutio­ nelle Zeitung erschien, wurde Anfang 1851 von Franz Ludwig Siegel (1812–1877), dem ehe­ maligen Herausgeber des Dresdner Journals gegründet. Die Zeitung vertrat einen nationallibe­ ralen Standpunkt und galt als Organ der kleindeutschen orientierten Gothaer. Vgl. Hanspach, Die periodische Presse der Stadt Dresden, S. 173–175.

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man will jetzt eine wirkliche deutsche Macht, die sich auf das Volk stützt und nicht auf die Fürsten beschränkt. Der Wille des Volkes ist die Basis der deutschen Einheit. Wenn der Fürstentag erfolglos bleibt und nur die Ohnmacht der Fürsten zeigt, dann ist dies der letzte Fürstentag und der Anfang vom Ende. Habsburg wagt einen hohen Einsatz, denn das Königtum wird unpopulär, wenn der Fürstentag ohne Resultat endet. Die Probe für den Fürstentag besteht darin, ob er Vorschläge macht, die dem Verlangen der deutschen Nation in so hohem Grade entsprechen, daß das jetzige Regiment in Preußen unmöglich wird und es dort zu einer „Staatsumwälzung“ kommt.

Dresden, 21. August 1863 Der deutsche Fürstentag. Die wiener hat nicht unrecht, wenn sie die jetzt in Frankfurt a. M. tagende Fürstenversammlung „einen geschichtlich denkwürdigen Augen­ blick“ nennt. Ein solcher ist dieselbe in der That, es mag daraus folgen, was da wolle. Entweder wird Deutschland einig oder es wird nicht einig. Im ­ersteren Falle haben die deutschen Fürsten endlich die Schuld von 1813 ­getilgt, d. h. sie haben fünfzigjährige Versprechungen erfüllt und die Einheit Deutschlands auch staatlich anerkannt, nachdem sie das Werk ein halbes Jahrhundert zuvor auf den Schlachtfeldern von Leipzig und Belle Alliance3 thatsächlich vollzogen. In dem anderen Falle documentiren sie, daß sie ver­ fitzt und verstrickt in dynastischen Sonderinteressen, in nationalen Vorur­ theilen und Souverainetätseifersüchteleien aller Art entweder nicht den ­guten Willen oder nicht die nöthige Thatkraft besitzen, dem Wunsch, dem Geist und der brennenden Sehnsucht der deutschen Nation gerecht zu ­werden. Das Haus Habsburg spielt eine hohe Karte aus. Das berühmte österreichi­ sche Glück ist ihm in die Glieder gefahren und nachdem es nach einem ­verlorenen Kriege, am Rand des Staatsbankerottes, und fast auf dem Punkte geographisch in die Brüche zu gehen, wie aus Deutschland hinausgefallen betrachtet worden, erhebt es sich plötzlich, in die Höhe gebracht durch die Mißgriffe, die Verkehrtheiten und Thorheiten der preußischen Regierung, wie „Presse“2

2 Die „Presse“ wurde im März 1848 gegründet und vertrat unter dem Motto „Gleiches Recht für alle“ einen gemäßigten liberalen Standpunkt. Chefredakteur war Dr. Leopold Landsteiner (1817–1875). Das Blatt wurde in der Folgezeit zu einem der wichtigsten österreichischen Presse­organe. Unter Ministerpräsident Schwarzenberg wurde die „Presse“ 1849 wegen ihres regierungskritischen Tons verboten und konnte erst ab 1851 wieder erscheinen. Im März 1863 wurde die Zeitung an die Regierung verkauft, die sie noch bis 1869 weiterführte, bevor sie eingestellt wurde. Siehe Rózsa, Presse und Buch, S. 58–60; Wandruszka, Geschichte einer Zei­ tung, S. 38–45, 60 f. 3 Anspielung auf die sogenannte „Völkerschlacht“ bei Leipzig 1813 und die Schlacht bei Water­ loo 1815.

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über Nacht zu nie geahnter politischer Tragkraft. Vor Kurzem noch die Hoch­ warte der Stabilität, der Bronzefelsen der Reaction, wird ihm auf einmal Ge­ legenheit gegeben, das Banner des Fortschrittes zu erheben und sich mit die­ sem voran auf die große Straße des Jahrhunderts und auf die Brücke zu bege­ ben, welche sich über den Abgrund der Vergangenheit wirft. Man muß gestehen: ein glänzender Umschwung, ein beneidenswerthes Loos! Es kann und darf nicht gerechtet werden, daß in Oesterreich selbst noch nicht Alles dazu stimmt. Auf den Höhen dieses Staates spielt das Frühlicht der Freiheit; in den Gründen und Tiefen desselben wirren und knäulen sich noch die Wolken und Nebel des Absolutismus. Es ist das ein sehr begreifli­ ches und natürliches Schauspiel. Die Mutter des Tages ist die Nacht. Die Nacht will überwunden, ausgelöscht und besiegt werden. Das geht nicht mit einem Schlage. Man hat noch nicht die Sonne, wenn man schon das Licht hat. Licht aber ist da. Wird man nun auch die Sonne bekommen? Das ist die große Frage des Tages. Wir wiederholen noch einmal: das Haus Habsburg spielt eine hohe Karte aus! Es hat einst das deutsche Reich aufgelöst; jetzt kommt es wieder, dassel­ be zusammenzurufen. Aber es bedenke wohl, was es thut! Das deutsche Reich, das man heute will, ist nicht das deutsche Reich von 1792. Man will eine wirkliche deutsche Macht, eine Macht, die sich nicht Trotz und Hohn von Dänemark bieten läßt, eine Macht, die ihre Küsten schützt, sich ihre Flotte schafft, sich erinnert, daß Frankreich eine Bevölkerung von etwa ­ 35 000 000, Deutschland aber eine von 45 000 000 umfaßt, vor Allem eine Macht, die auf das Volk fußt und sich nicht auf die Fürsten beschränkt. Das alte deutsche Reich bildeten die Regenten, und in dieser Bildung ging es elend zu Grunde. Unter ihr konnte der Rheinbund entstehen und Napoleon Deutsche gegen Deutsche führen. Diese Zeiten haben aufgehört, müssen aufgehört haben: solche Schmach darf nicht wiederkommen. Es ist das Volk, das sie nicht will und dieser Wille ist die Basis der deutschen Einheit, ist die Volkseinheit. Nur mit dieser allein kann jetzt das deutsche Reich wieder geschaffen wer­ den. Die Schöpfung aber ist nicht schwer, wenn sie opferbereit, begeistert und aufrichtig ist. Wird sie das sein? Die nächste Zukunft wird es zeigen. Ist sie es nicht, so ladet Oesterreich eine schwere Schuld auf sich. Dann hat es die deutschen Fürsten nur zu einem Kongresse zusammenberufen, auf dem sie ihre Ohnmacht, ihre Unlust, ihr Verkennen der Zeitbedingnisse dem Volke in ganzer Nacktheit vor Augen stellen. Dann ist dies der letzte Fürstentag,

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den Deutschland sieht, dann ist das ganze Schauspiel nur der Anfang des En­ des. Auch die Geduld der Völker erschöpft sich. So viel ist gewiß, daß Deutsch­ land einig sein will; und wenn es das mit seinen Fürsten an der Spitze nicht werden kann, so wird es endlich nothwendig zu der Meinung kommen, daß die Fürsten ein Hinderniß derselben sind. Man weiß es, wir sind constitutionelle Royalisten aus Ueberzeugung. Aber eben deswegen erfüllt uns der Frankfurter Fürstentag mit Bangen. Ohne Re­ sultat, ohne That ist er eine Gefahr für das Königthum – er macht es unpopu­ lär. Das Königthum will oder kann nichts, wird es heißen; vielleicht kann das Volk auch nichts. Aber in Deutschland steht das Volk noch hinter seinen Für­ sten. Es wird seine Probe erst zu bestehen haben, wenn jene sie nicht bestan­ den. Darauf eben kommt es jetzt an und darum sagen wir es zum dritten Male: das Haus Habsburg spielt eine hohe Karte aus! Es hat selbst eine Ahnung davon, darum hat es Preußen durchaus dazu ha­ ben wollen. Aber Preußen kommt nicht. „So ist der Kluge einmal klug genug, nicht klug sein zu wollen“, ruft Goethe’s Alba im „Egmont“, als er erfährt, daß Oranien ausbleibt.4 Wenn die Fürsten in Frankfurt nichts ausrichten, behält König Wilhelm und sein „Diener“ Bismarck Recht. Sie haben dann einen Fehler nicht mitge­ macht und waschen ihre Hände in Unschuld. Unrecht werden sie nur in dem Falle haben, daß der Fürstentag mit solchen Vorschlägen vor Deutschland tritt, die dem Verlangen der deutschen Nation in so hohem und vollem Grade entsprechen, daß dadurch König Wilhelm und Bismarck in Preußen unmög­ lich werden. Nur wenn auch das preußische Volk so sehr das Dargebotene anerkennt, daß das jetzige Regiment über demselben nicht bestehen bleibt, hat der Fürstentag seine Pflicht gethan. Nur eine Staatsumwälzung in Preußen ist der Beweis, daß der Fürstentag die Probe gehalten. Ohne eine solche ist das nicht geschehen!

4 Im Original lautet das Zitat: „So war denn diesmal wider Vermuten der Kluge klug genug, nicht klug zu sein!“ Johann Wolfgang Goethe, Egmont, 4. Aufzug, vgl. ders., Werke. Hambur­ ger Ausgabe, Bd. 4, S. 426.

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Bismarck an Sydow

Nr. 59

59. Bismarck an Sydow1

BA Koblenz, Kleine Erwerbungen 319–9, fol. 56–58. Erlaß. Abschrift. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 203 f.

Die Würde des Königs von Preußen und seine Pflichten gegenüber seinem Land wie auch gegenüber den anderen deutschen Fürsten lassen es nicht zu, daß er sich an den kurzfristig anberaumten Verhandlungen der Fürsten in Frankfurt über eine fundamentale Neugestaltung der Bundesverträge beteiligt. Preußen war nicht darauf ­vorbereitet, daß die österreichischen Reformvorschläge, die tief in das bestehende Bundesrecht eingreifen, in Form einer Überraschung vorgelegt wurden. Eine ordnungsgemäße Vorbereitung der im Hinblick auf die Vorschläge zu fassenden Entschließungen war in der kurzen Frist zwischen der Einladung und der Eröffnung der Fürstenkonferenz nicht möglich. Die österreichischen Vorschläge entsprechen weder den berechtigten Interessen der preußischen Monarchie noch denen des deutschen Volkes.

Baden-Baden, 21. August 1863 Ew p. werden durch meine früheren Mittheilungen und durch die vom heu­ tigen Tage die Ueberzeugung gewonnen haben, daß S. M. der König den ­Oesterr. Reformbestrebungen gegenüber an der Auffassung festhält, welcher Allerhöchstderselbe in dem Schreiben vom 4. d.2 in Beantwortung der Einla­ dung S. M. des Kaisers v. Oesterreich Ausdruck gab. Wenn des Königs Majestät Sich an den Verhandlungen einer Verslg. der Deutschen Fürsten betheiligt, so entspricht es der Würde Sr Majestät, daß die dabei von Allerhöchstdenselben den verbündeten Monarchen gegenüber ab­ zugebenden Erklärungen, welche über die Zukunft der eigenen Monarchie und deren Stellung im Deutschen Bunde entscheiden, der wohlerwogene Ausdruck Königl. Willensmeinung und von bindender Kraft seien. Die in der Preuß. Monarchie jederzeit befolgten Grundsätze bedingen, daß nur nach sorgfältiger und von Sr Majestät gesetzlich vorgeschriebener Erwä­ gung an competenter Stelle Entschließungen gefaßt werden, welche die Inter­ essen des Staates betreffen. Von dieser Regel abzuweichen, wollen des Kö­ nigs Majestät Sich am allerwenigsten in einem Falle entschließen, wo es sich um die wichtigsten und folgenschwersten Entscheidungen handelt, zu wel­ chen ein Monarch im Interesse seiner Staaten berufen sein kann. Wenn daher Seine Majestät der König bei Gelegenheit Allerhöchstderen Badereise uner­ wartet aufgefordert wurde, Allerhöchst Sich an entscheidenden Verhandlun­ gen über eine fundamentale Neugestaltung der Bundesverträge in kürzester 1 Rudolph Carl Curt von Sydow (1805–1872), seit 1831 im preußischen diplomatischen Dienst, 1862–1864 Bundestagsgesandter; Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 445. 2 Siehe Dok. 35.

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Frist zu betheiligen, und zwar auf Grundlage eines erst in Frankfurt a/M Sr Majt vorzulegenden Programms, so untersagten dies die Ueberzeugungen, von welchen der König in Betreff Allerhöchstseiner Pflichten gegen das ­eigene Land sowie gegen die Fürsten des deutschen Bundes beseelt ist, mit welchen Allerhöchstderselbe zu verhandeln gehabt haben würde. Letztere Pflichten und die Rücksicht auf die eigene Würde hätten Seiner Majestät nicht gestattet andere als bestimmte und endgültige Erklärungen in den Ver­ handlungen abzugeben, und daß dies nur nach der gründlichst geschäftsmäßi­ gen Erwägung und Bearbeitung des zu Erklärenden geschehe, betrachten Se. Majestät als geboten durch die Königl. Pflichten gegen Allerhöchst Ihre ­Krone und deren Unterthanen. Diese Betrachtungen erscheinen an sich als der natürliche Ausfluß einer richtigen Auffassung der Obliegenheiten jedes Regenten eines großen Staa­ tes. Sie gewinnen aber noch ein verstärktes Gewicht nachdem durch die ­oeffentlichen Blätter die Reformvorschläge bekannt worden sind, welchen die von Sr. Majestät dem Kaiser von Oesterreich nach Frankfurt berufenen Souveraine sich unvorbereitet gegenüber zu finden bestimmt waren. Daß eine so umfassende und theils direct, theils durch ihre Bezugnahme auf die man­ nigfaltigsten Bestimmungen der bestehenden Bundes-Verträge, so tief in die Souverainitäts- und Vertrags-Rechte aller deutschen Staaten eingreifende Vor­ lage den Fürsten in der Form einer Ueberraschung zur schleunigen persön­ lichen Beschlußnahme in wenig [sic] Tagen würde vorgelegt werden, darauf waren wir, selbst nach den Mittheilungen Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich an Se. Majestät den König vom 3ten d. M.3, nicht vorbereitet. Und selbst wenn dieses damals ohne Zweifel vollendete Elaborat am4 3ten d. M. vollständig zur Kenntniß Sr. Majestät des Königs gebracht worden wäre, würde ich es für eine Uebereilung gehalten haben, wenn die Räthe Sr. Maje­ stät des Königs die ordnungsmäßige Vorbereitung der Allerhöchsten Ent­ schließungen bis zum 16ten d. M. hätten durchführen wollen, ganz abgesehen von den zur Zeit obwaltenden räumlichen und persönlichen Schwierigkeiten des Geschäftsganges. Euere Excellenz werden seiner Zeit aus dem Königlichen Ministerium von Berlin aus, die eingehendere Entwicklung der Ansicht der Königlichen Re­ gierung über die diesseitigen und über die vorliegenden oesterreichischen Re­ formpläne erhalten. Für jetzt erkläre ich nur, daß die letzteren unserer Ansicht nach weder der berechtigten Stellung der Preuß. Monarchie noch den be­ rechtigten Interessen des deutschen Volkes entsprechen. Preußen würde der Stellung, die seine Macht und seine Geschichte ihm in dem Europäischen 3 Siehe Dok. 33. 4 Emendiert. Vorlage: vom.

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Protokoll Nr. 3 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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Staaten-Vereine geschaffen haben, entsagen, und Gefahr laufen, die Kräfte des Landes Zwecken dienstbar zu machen, welche den Interessen des Landes fremd sind, und für deren Bestimmung uns dasjenige Maaß von Einfluß und Controlle fehlen würde, auf welches wir einen gerechten Anspruch haben. Ew. p. wollen Ihre Aeußerungen dem vorstehenden Erlasse entsprechend einrichten und sind ermächtigt, nach Ihrem eigenen Urtheile denjenigen Ihrer Herren Collegen, bei welchen Sie es für angemessen erachten, vertraulich Kenntniß von dem Inhalte zu geben. (gez.) v. Bismarck.

60. Protokoll Nr. 3 der Frankfurter Fürstenkonferenz

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocolle, fol. 81, 99–109. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 82–87.

Der Kaiser von Österreich läßt das Antwortschreiben des Königs von Preußen auf die Einladung zur Fürstenkonferenz verlesen. Der König von Sachsen berichtet über seine Mission zu König Wilhelm von Preußen und dessen Ablehnung, an der Konferenz teilzunehmen. Kaiser Franz Joseph schlägt unter Verweis auf das den Fürsten am Vortag überreichte Promemoria vor, daß die Fürsten sich über die Hauptgrundsätze der Reform verständigen und die Beratung der Korollarien und Redaktion der minder wichtigen Artikel einer anschließenden Ministerkonferenz überlassen. Der Großherzog von Baden stellt darauf die Vorfrage nach dem Abstimmungsmodus in der Fürstenkonferenz. Der König von Sachsen erklärt, daß es auf „die freie Abstimmung aller“ ankomme, regt aber an, daß sich die Minderheit bei weniger wichtigen Punkten der Mehrheit beugt. Darüber kommt es zu einer kontroversen Debatte. Die Konferenz akzeptiert den Vorbehalt einiger Fürsten, daß eine Zustimmung zu einzelnen Artikeln nicht bindend sein dürfe, sondern daß es am Ende einer definitiven Erklärung über Ablehnung oder Annahme des ganzen Reformentwurfs bedürfe. Die Konferenz tritt anschließend in die inhaltliche Beratung ein. Artikel 1 des Reformentwurfs wird von allen Anwesenden mit Ausnahme des Großherzogs von Baden gebilligt. Artikel 2 erhält die Zustimmung aller Teilnehmer außer den Monarchen von Baden, Kurhessen und Sachsen-Altenburg, die sich ihre Abstimmung vorbehalten. Die Beratung von Artikel 3 wird bis zur nächsten Sitzung ausgesetzt, Mecklenburg-Schwerin gibt dazu einen Änderungsantrag zu Protokoll. Artikel 4 wird von allen Teilnehmern gebilligt. Die nächste Sitzung wird auf den 24. August anberaumt.

Frankfurt am Main, 22. August 1863 Protokoll der am 22ten August 1863 Vormittags zwischen 11 und 1 Uhr abgehaltenen dritten Sitzung der Conferenz der souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands. Gegenwärtig waren sämmtliche im Protokolle der ersten Sitzung vom 17. Au­ gust genannte allerhöchste, höchste und hohe Theilnehmer an der Conferenz.

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Nach erfolgter Verlesung, Genehmigung und Unterzeichnung der Protokol­ le der beiden Sitzungen vom 17ten d. M. brachten Se Majestät der Kaiser von Oesterreich der erhabenen Versammlung ein Schreiben zur Kenntniß, womit Se Durchlaucht der Fürst zu Lippe-Detmold Seine Verhinderung, der Einla­ dung nach Frankfurt Folge zu leisten, Sr Majestät angezeigt haben. Dieses Schreiben ist im Original dem gegenwärtigen Protokolle beigefügt.1 Auf Anregung Sr kais. kön. Apostolischen Majestät bezeugte hierauf die Conferenz Sr Majestät dem Könige von Sachsen ihren lebhaften Dank für die Übernahme der in der ersten Sitzung beschlossenen Sendung an Se Majestät den König von Preußen. Se kais. Majestät ließen das durch den König von Sachsen überbrachte Antwortschreiben des Königs Wilhelm, welches nach Allerhöchst-Ihrer Bemerkung zwar an Ihre Person adressirt, aber dem Inhalte nach für die gesammte Fürstenversammlung bestimmt sei, durch den Proto­ kollführer verlesen. Dasselbe liegt im Original dem gegenwärtigen Protokolle bei.2 Se Majestät der König von Sachsen nahmen von der Mittheilung dieses Schreibens Veranlassung, den Verlauf Allerhöchst Ihrer Verhandlungen mit Sr Majestät dem Könige von Preußen der erhabenen Versammlung bekannt zu geben. Se kön. Sächsische Majestät erwähnten, Sie hätten nach Ihrer Ankunft in Baden-Baden Abends dem Könige von Preußen das Schreiben Seiner Mit­ fürsten, am folgenden Morgen auch den Reformvorschlag des Kaisers von Oesterreich übergeben, mit dem Könige Wilhelm diesen Vorschlag im All­ gemeinen besprochen und Sich bestrebt, den König zu persönlicher Betheili­ gung an der gemeinsamen Berathung der deutschen Fürsten zu bestimmen. Der König von Preußen habe Sich demungeachtet zu einer zustimmenden Antwort nicht entschließen können, sondern Sich in dem Sinne ausgespro­ chen, in welchem auch das königliche Antwortschreiben abgefaßt sei. Die Aeußerungen des Königs hätten übrigens die Möglichkeit nicht ausgeschlos­ sen, daß Preußen in einem späteren Momente sich bewogen finden könnte, in die Verhandlungen über die Reform des Bundes einzutreten, und jedenfalls sei durch den Schritt bei dem Könige von Preußen so viel erreicht, daß die in Frankfurt versammelten Fürsten mit größerer Sicherheit und Beruhigung an die gestellte Aufgabe herantreten könnten, nachdem nunmehr ihre Berathun­ gen in den Augen sowohl des Königs Wilhelm selbst, als aller Einsichtigen jeden möglichen Schein einer gegen Preußen gerichteten Demonstration ver­ loren hätten. Anknüpfend an den in der ersten Sitzung gefaßten Beschluß, auch im Falle der Nichtbetheiligung des Königs von Preußen die Verhandlungen 1 Siehe Anlage 2. 2 Siehe Dok. 54.

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Protokoll Nr. 3 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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fortzusetzen, bemerkten hierauf Se Majestät der Kaiser von Oesterreich, daß Allerhöchstdieselben Ihren höchsten und hohen Verbündeten ein Promemo­ ria hätten überreichen lassen, um Ihre Ansichten über die zweckmäßigsten Modalitäten darzulegen, unter welchen die Verhandlungen der Fürstencon­ ferenz ihrem Ziele entgegengeführt und zugleich thunlichst abgekürzt wer­ den könnten.3 Nach Sr Majestät Erachten sei es von der größten Wichtig­ keit, daß die Hauptbestimmungen des Entwurfs[,] namentlich die in dem Promemoria genannten[,] von der Fürstenconferenz einer vollkommen frei­ en Berathung unterzogen und textuell von den Souveränen selbst festge­ stellt würden. Dagegen schiene Sr Majestät die Berathung und schließliche Redaction derjenigen Artikel, welche mehr nur Corollarien aus den Haupt­ grundsätzen enthielten, zwar einer auf die Fürstenversammlung folgenden Conferenz der Minister überlassen werden zu können, nur müßten diese letzteren an die schon von den Fürsten genehmigten Artikel strenge gebun­ den sein, auch eine den baldigen Abschluß des Geschäftes sicherstellende Instruction für den Gang ihrer Verhandlungen erhalten. Se kais. kön. Apo­ stolische Majestät ersuchten die Conferenz um eine Meinungsäußerung über diesen Vorschlag. Se Majestät der König von Bayern erklärten den Ansichten Sr Majestät des Kaisers vollkommen beizupflichten. Ebenso Se Majestät der König von Sachsen, mit dem Antrage, es möge die Conferenz unter die in dem erwähnten Promemoria namentlich aufgeführten Artikel des Entwurfes auch den Artikel 3, sowie Alinea 3 des Artikels 28 auf­ nehmen. Se Majestät der König von Hannover und Se königl. Hoheit der Kronprinz von Württemberg erklärten sich der Meinung Sr Majestät des Königs Johann anzuschließen. Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden glaubten zuvörderst die Vor­ frage stellen zu sollen, auf welche Art überhaupt in dieser hohen Versamm­ lung eine Schlußfassung zu Stande gebracht werden könne. Ohne die Bedeu­ tung dieses Punktes hier näher auseinandersetzen zu wollen, frugen Se königl. Hoheit, ob förmliche Abstimmungen beabsichtigt wären? und ob es nicht vielleicht rathsam erscheinen könnte, vor weiterem Vorschreiten in der Be­ rathung die Meinungen über die geschäftlichen Formen, an welche die Be­ schlüsse der Fürstenconferenz gebunden sein müßten, in schriftlicher Dar­ legung niederzulegen? In der Discussion, zu welcher diese Aeußerung des Großherzogs von ­Baden Anlaß gab, bemerkten zuerst des Königs von Sachsen Majestät, daß, da es anerkannter Maßen auf die freie Zustimmung Aller ankomme, die Stim­ 3 Siehe Dok. 57.

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men der Einzelnen allerdings nur diese selbst verpflichten könnten, daß man aber trachten müsse, von Punkt zu Punkt zu einem Einverständnisse zu gelan­ gen, an welches der ganze Kreis der zustimmenden hohen Herren, vorbehält­ lich der Verständigung mit den hier nicht vertretenen Regierungen, sich ­gebunden halten würde. Auf die weitere Frage Sr königl. Hoheit des Groß­ herzogs, wie es sonach zu halten wäre, wenn sich bei der Stimmgebung Mei­ nungsverschiedenheit herausstelle, erwiderten Se Majestät der König Johann, es würde in solchem Falle der streitige Punkt zunächst zu nochmaliger Ver­ handlung zwischen Majorität und Minorität sich eignen, indessen würde un­ streitig dem Geschäfte eine wesentliche Förderung zu Theil werden, wenn die Fürsten übereinkommen wollten, namentlich in minder bedeutenden Dingen den Ausspruch der Majorität anzunehmen. Für Ihren eigenen Theil erklären Se Majestät von Sachsen hiezu gerne bereit zu sein. Ihre Hoheiten die Herzoge von Braunschweig und von Nassau sprachen dieselbe Bereitwilligkeit aus, während Se kön. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, ohne das moralische Gewicht der Meinung der ­Majorität verkennen zu wollen, es für bedenklich hielten, Sich im voraus zu deren Anerkennung zu verpflichten. Se Majestät der König von Hannover fru­ gen, ob Se königl. Sächsische Majestät einen bestimmten Antrag wegen Ent­ scheidung durch Majorität zu stellen beabsichtigten, was jedoch Se Majestät der König von Sachsen verneinten, indem Sie nur die eigene Bereitwilligkeit, Sich der Majorität zu unterwerfen, hätten aussprechen wollen. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg schlugen hierauf vor, Se Maje­ stät der Kaiser möchten sofort mit der Berathung des Artikels 2 den prakti­ schen Versuch machen. Stellte sich ein Einverständniß nicht heraus, so würde es noch immer Zeit sein, die Formen des weiteren Verfahrens zu erwägen. Auf die Frage Sr Majestät des Kaisers von Oesterreich, ob über die Metho­ de des Verfahrens noch weitere Erklärungen abgegeben werden wollten, stell­ ten Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin den An­ trag, die Conferenz wolle feststellen, daß aus der Billigung der einzelnen zur Verhandlung gelangenden Punkte eine Verbindlichkeit, solche unter allen Umständen anzunehmen, nicht zu folgern sei, eine definitive Erklärung über Annahme oder Ablehnung des ganzen Entwurfs vielmehr erst dann abgege­ ben werden könne, wenn die Gestalt, welche der Entwurf durch etwaige Ab­ änderungen oder durch Nichtberücksichtigung beantragter Modificationen schließlich erhalten, vorliegen werde. Se Durchlaucht der Fürst von Waldeck sprachen gleichfalls die Voraus­ setzung aus, daß die über einzelne Bestimmungen des Reformprojectes ab­ zugebenden Aeußerungen einstweilen nur als vorläufige gelten, und daß den Bundesgliedern zur schließlichen Erklärung sowohl hierüber, als über ihren Standpunkt zu dem ganzen Projekte noch Gelegenheit gegeben werde.

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Protokoll Nr. 3 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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Des Königs von Sachsen Majestät bemerkten, es entspreche der Natur ei­ ner Berathung, wie die vorliegende, daß nach den Abstimmungen über die einzelnen Punkte zuletzt eine Gesammtabstimmung vorgenommen werde. Gegen eine solche fanden auch Se Majestät der Kaiser von Oesterreich keinen Einwand zu erheben, wobei Allerhöchstdieselben jedoch hervorhoben, daß wenigstens der Schlußabstimmung eine vollkommen bindende Wirkung nicht würde fehlen dürfen. Die Vorbehalte des Großherzogs von MecklenburgSchwerin und des Fürsten von Waldeck wurden sonach von der Conferenz zugelassen. Se kais. kön. Apostolische Majestät schlossen hierauf die Berathung über die formelle Geschäftsbehandlung mit der Bemerkung, daß Sie Ihrerseits die Ansichten des Königs von Sachsen theilten, auch für Sich keinen Anstand nehmen würden, Sich nach der Meinung der Majorität zu richten. Aller­ höchstdieselben glaubten aber nunmehr auf die Sache eingehen und die ein­ zelnen Artikel zur Berathung bringen zu sollen. Se Majestät hielten Umfrage darüber, ob die erhabene Versammlung mit dem Antrage des Königs von Sachsen, daß auch über Artikel 3 und über Alinea 3 des Artikels 28 die Discussion in der Fürstenversammlung stattfinden möge, einverstanden sei, was die Conferenz bejahte. Ein gleicher Beschluß erfolgte auf den von Sr Ma­ jestät dem Könige Georg unterstützten Antrag Sr kön. Hoheit des Großher­ zogs von Oldenburg auch in Bezug auf die Artikel 1 und 8 des Entwurfes. Se Majestät der Kaiser ersuchten die Versammlung, sich über den Artikel 1 des Entwurfes aussprechen zu wollen. Des Großherzogs von Baden kön. Hoheit äußerten, daß schon dieser einlei­ tende Artikel tiefe staatsrechtliche Fragen berühre, auch nicht auf der Tages­ ordnung gestanden habe, daher Sie Sich nicht vorbereitet fänden, Sich über denselben auszusprechen. Sämmtliche übrige hohe Anwesende erklärten, den Artikel 1 des Entwurfs zu billigen. Des Kaisers von Oesterreich Majestät constatirten, daß der Artikel 1 allsei­ tig mit Ausnahme des Vorbehalts des Großherzogs von Baden angenommen sei, und leiteten hierauf die Berathung auf den Artikel 2 des Entwurfes. Ihre Majestäten von Bayern, Sachsen und Hannover stimmten für Annah­ me dieses Artikels, ebenso Se königl. Hoheit der Kronprinz von Württemberg. Der Großherzog von Baden faßte Seine Ansicht auch hier dahin zusammen, daß die Dispositionen dieses Artikels, obwohl in mancher Beziehung er­ wünscht, um ihrer großen Tragweite willen eine reifliche Prüfung erheisch­ ten, deren Ergebniß Se königl. Hoheit auszusprechen Sich vorbehalten müß­ ten. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg äußerten, daß nach den Gebräu­ chen berathender Versammlungen die Erklärung, auf einen Gegenstand nicht

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vorbereitet zu sein, von selbst die Enthaltung von der Berathung und Abstim­ mung über diesen speciellen Gegenstand nach sich ziehe, wogegen der Groß­ herzog von Baden Sich verwahrte. Se Majestät der Kaiser wünschten zu ­erfahren, wann der Augenblick für die Erklärung des Großherzogs eintreten werde, und ob der Vorbehalt als Nichtzustimmung aufzufassen sei, was des Großherzogs kön. Hoheit verneinten. Ihre Majestäten von Sachsen und von Hannover bevorworteten dringend, die Berathung nicht auszusetzen. Se kön. Hoheit der Kurfürst von Hessen behielten Sich Ihre Erklärung über den Artikel 2 vor. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Altenburg schlossen Sich dem Vorbe­ halte Sr kön. Hoheit des Großherzogs von Baden an. Sämmtliche übrige Theilnehmer an der Conferenz genehmigten den Arti­ kel 2. Des Großherzogs von Sachsen-Weimar kön. Hoheit verbanden jedoch mit Ihrer Abstimmung die Erklärung, daß Sie in der Gesammtvertretung am Bunde die Errichtung eines Oberhauses für wünschenswerth halten würden. Mit Ausnahme der drei vorbehaltenen Stimmen von Baden, Kurhessen und Sachsen-Altenburg erhielt sonach dieser Artikel die allseitige Zustimmung. Die Conferenz beschloß die Berathung über den Artikel 3 bis zu ihrer näch­ sten Sitzung auszusetzen. Gelegentlich der Besprechung hierüber erwähnten Se kön. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, daß Sie gegen diesen Artikel, soferne er unverändert bliebe, keinen Einwand erheben, falls aber von andrer Seite Änderungsanträge zu gewärtigen wären, Sich zu Ge­ genanträgen veranlaßt finden würden. Da nun Se Majestät der Kaiser eine be­ stimmte Formulirung der beabsichtigten Amendements anempfohlen hätten und Se königl. Hoheit Sich später auf eine solche beziehen zu können wünsch­ ten, so wollten Sie anfragen, ob die zu stellenden Aenderungsanträge einst­ weilen zu Protokoll gegeben werden könnten. Se kais. Majestät fanden hiege­ gen nichts zu erinnern und es wird bemerkt, daß des Großherzogs königl. Hoheit nach der Sitzung die hier beigefügte Aufzeichnung dem Protokollfüh­ rer übergaben.4 Se Majestät der Kaiser stellten hierauf den Artikel 4 zur Erwägung, da der­ selbe ohne Anstand auch vor dem ausgesetzten Artikel 3 berathen werden könne. Der Artikel 4 wurde von sämmtlichen Theilnehmern der erhabenen Ver­ sammlung angenommen, nur erklärten Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden, daß Sie Sich, obwohl im Ganzen mit dem Artikel einverstanden, ein­ zelne Bemerkungen zu demselben vorbehielten. Eine erneute Frage Sr königl. Hoheit, wie die nunmehr heute gefaßten ­Beschlüsse in ihrer formellen Bedeutung aufzufassen seien, beantworteten Se 4 Siehe Anlage 3 zu diesem Protokoll.

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Fürst Leopold III. an Kaiser Franz Joseph I.

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Majestät der Kaiser von Oesterreich mit einer Hinweisung auf die desfalls bereits stattgehabten Auseinandersetzungen. Schließlich wurde vereinbart die nächste Sitzung der Conferenz auf den 24ten d. M. anzuberaumen und die Berathung der Artikel 3, 5 und 6 auf die Tagesordnung zu setzen, worauf Se kais. Majestät die heutige Sitzung aufho­ ben. Das gegenwärtige Protokoll wurde in der Sitzung vom 24ten August verle­ sen und urkundlich der Unterschriften genehmigt. [Es folgen die Unterschriften.]

Der Protokollführer: Ludwig von Biegeleben k. k. Hof- u. Ministerialrath

  Fürst Leopold III. an Kaiser Franz Joseph I.  [Anlage Nr. 1: Schreiben König Wilhelms I. von Preußen an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich, 20. August 1863]5   Fürst Leopold III. zu Lippe an Kaiser Franz Joseph I.  [Anlage Nr. 2: Fürst Leopold III. zu Lippe6 an Kaiser Franz Joseph I.]

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 86. Anlage zu Protokoll Nr. 3 des Frankfurter Fürstentages. Abschrift.

Fürst Leopold zu Lippe ist persönlich verhindert, der Einladung zur Fürstenkonferenz Folge zu leisten. Er versichert aber, bereit zu sein, allen Beschlüssen zuzustimmen, welche der Wiederbefestigung und zeitgemäßen Ausbildung der deutschen Bundesverfassung dienen.

Frankfurt am Main, 11. August 1863 Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaier, Allergnädigster Kaiser und Herr! Ew. kais. kön. Majestät allergnädigstes Schreiben, durch das Ew. kais. kön. Majestät geruht haben, mich zur Theilnahme an einer Versammlung der sou­ veränen Fürsten und freien Städte Deutschlands behufs Berathungen über Wiederbefestigung und zeitgemäße Ausbildung der deutschen Bundesverfas­ sung auf den 16. dm. nach Frankfurt einzuladen, verpflichtet mich zum Aus­ druck meines lebhaftesten und unterthänigsten Dankes. Je mehr ich die Über­ zeugung theile, daß die ernsten Gefahren, von welchen Deutschland in seiner 5 Separat ediert als Dok. 54. 6 Leopold III., Fürst zu Lippe (1821–1875), regierte von 1851–1875; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 254; Kittel, Geschichte des Landes Lippe, S. 298.

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Frankfurt am Main, 11. August 1863

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gegenwärtigen politischen Verfassung bedroht ist, nur dadurch beseitigt wer­ den können, daß das Band der Einigung zwischen Deutschlands Fürsten und Völkern neu befestigt werde; und je mehr es deshalb mein innigster Wunsch ist, daß Ew. kais. königl. Majestät auf dieses Ziel gerichteten hochherzigen Entschließungen durch den besten Erfolg zum Heile Deutschlands und seiner Fürsten gekrönt werden mögen, um so größer ist mein Bedauern, daß ich per­ sönlich verhindert bin, Ew. kais. königl. Majestät allergnädigsten Einladung Folge zu leisten. Indem ich Ew. kais. kön. Majestät ehrfurchtsvoll bitte, mein Ausbleiben huldreich entschuldigen zu wollen, erlaube ich mir die unterthä­ nigste Versicherung hinzuzufügen, daß ich mit Freude bereit sein werde, allen denjenigen Beschlüssen zuzustimmen, welche zur Förderung jenes hoch­ wichtigen Zwecks dienen. Im tiefsten und unwandelbaren Respekt verharre ich Ew. kais. kön. Majestät unterthänigster Diener Leopold F. z. L.   Änderungsanträge von Mecklenburg-Schwerin  [Anlage] Nr. 3

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 84 f. Anlage zu Protokoll Nr. 3 des Frankfurter Fürstentages. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 88–90.

Mecklenburg-Schwerin stellt einige Änderungsanträge im Hinblick auf die Bildung des Direktoriums, bei der das Grundprinzip der Gleichberechtigung nicht mehr als nötig durchbrochen und die Befugnisse des Direktoriums begrenzt werden sollen, die Ausdehnung der Bundesgesetzgebung, die sich nicht auf alle Gegenstände erstrecken soll, sowie die Organisation und Kompetenzen der Bundesabgeordnetenversammlung.

Mecklenburg-Schwerin glaubt keinem Zweifel darüber Raum lassen zu dürfen, welche Modifikatio­ nen des Entwurfes nach seiner Ansicht so wesentlich sind, daß durch ein be­ friedigendes Resultat der Verhandlungen darüber auf Grund der bestehenden Bundesgrundgesetze seine schließliche Zustimmung bedingt wird. 1.) Was die Bildung des Direktoriums betrifft, so enthält der Art. 3 des Ent­ wurfes das äußerste Zugeständniß, welches der partikularen Stellung einzelner Staaten gemacht werden kann. Der Gewinn einer energischen Aktion des Bun­ des durch das Direktorium ginge verloren, wenn letzteres in einer Weise orga­ nisirt würde, welche die Schwierigkeit wieder einführt, die man beseitigen will und die im verstärkten Maaße hervortreten würde, wenn das formale Grund­ princip der Gleichberechtigung weiter durchbrochen würde, als es zu Gunsten der Bundesgenossen, welche zugleich europäische Mächte sind, nothwendig

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Änderungsanträge von Mecklenburg-Schwerin

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ist. Sollte von irgend einer anderen Seite eine Modifikation des Art. 3 beantragt werden, so wird dagegen von Mecklenburg-Schwerin der Antrag gestellt: Zu Artikel 3 anstatt der vorgeschlagenen Bildung des Direktoriums zu bestimmen: [„]Das Direktorium des deutschen Bundes besteht aus dem Kaiser von Österreich, dem Könige von Preussen und einem von den übrigen Mit­ gliedern des Bundes nach der für den Bundesrath vorgeschriebenen Stimmordnung in der Fürstenversammlung auf eine bestimmte Zeit ge­ wählten deutschen Souverain.[“] 2.) Zum Artikel 5 pag. 4 alin. 1 behält Mecklenburg Schwerin sich eine nähere Äusserung vor, wenn dieser Artikel berathen werden wird. 3.) Zum Artikel 9 pag. 10 im letzten Alinea würden die Worte: [„]Das Direktorium hat jedoch auch seinerseits darüber zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde. Sind Ruhestörun­ gen zu besorgen, so ist es berufen, auf deren Verhüthung hinzuwirken[“] wegzulassen sein, da eine so weit gehende Befugniß zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der einzelnen Staaten nicht erforderlich ist. Die richtigen Gränzen solcher Befugniß sind auch theils in der unmittelbar fol­ genden Bestimmung des Art. 9, theils im Art. 10 enthalten. 4.) Zu Art. 11, pag. 12 alin. 3 beantragt Mecklenburg-Schwerin die Worte: „oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes einen neuen seither der Gesetzgebung der Einzelstaaten angehörigen Gegenstand überweisen“ wegzulassen, auch demgemäß die Fassung des Entwurfes pag. 22 und 23 im Artikel 20 dahin zu ändern, daß für gemeinsame Gesetze in solchen Ange­ legenheiten, welche durch diese Reformakte der Bundesgesetzgebung nicht zugewiesen sind, die freie Vereinbarung der Bundesstaaten erforderlich bleibt. Eine so ausgedehnte Befugniß der Faktoren der Bundesgesetzgebung[,] daß kraft derselben alle Gegenstände der Gesetzgebung von den Einzelstaa­ ten auf die Bundesgewalt übertragen werden könnten, erscheint nicht genü­ gend gerechtfertigt. Die Unabhängigkeit und historisch berechtigte Eigen­ thümlichkeit der einzelnen deutschen Staaten, welche durch die Reform des Bundes nicht aufgehoben, sondern nur den praktischen Bedürfnissen einer kräftigen Aktion der Gesammtheit untergeordnet werden soll, würde damit nicht bestehen können. Dagegen empfiehlte [sic] es sich, den Angelegenheiten, welche im Artikel 20 unter 4 als zu einer Bundesgesetzgebung geeignet bezeichnet sind, noch einige Gegenstände von gemeinsamem Interesse hinzuzufügen, namentlich die Feststellung allgemeiner Grundzüge für ein deutsches Handwerkerrecht. 5.) Zum Abschnitt III Art. 16 bis 22 wären folgende Grundsätze über die Organisation der Bundesabgeordneten Versammlung aufzunehmen und dem­

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gemäß die Fassung an den betreffenden Stellen (sowie auch in Art. 14 Alin. 3) zu modificiren, nämlich daß 1.) der Versammlung in den Gegenständen der Bundesgesetzgebung eine beschließende Befugniß ertheilt und ihr im Übrigen, insbesondere was die Bewilligung der Bundes-Matrikular-Umlagen betrifft, eine berathen­ de Stellung gegeben werde. 2.) daß die Zusicherung gleichmässiger Taggelder und Reise-Entschädi­ gungen aus der Bundeskasse wegfalle, und daß 3.) eine jährliche Einberufung der Versammlung auf verhältnismässig kürzere Zeit stattfinde. An und für sich empfiehlt sich die Einführung des konstitutionellen Sy­ stems in die Bundesinstitutionen nicht. Die Voraussetzungen der englischen Verfassung fehlen in Deutschland. Wenn aber dennoch eine deutsche Natio­ nalvertretung, die sich nicht auf Kopfzahl, sondern auf geistige Kräfte stützt, von hohem Werthe auch für die deutsche Bundesgesammtheit sein kann, so heißt es nicht die Institution beschränken oder schwächen, sondern unterstüt­ zen, wenn man dieselbe vor Conflikten sicher zu stellen sucht, die zwischen der politischen Gewalt und einer mit dem Steuerversagungsrechte ausgerüste­ ten Versammlung erfahrungsmässig zu entstehen und mit dem Untergange der Einen oder der Andern zu enden pflegen.

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GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 259–262. Vertraulicher Bericht. Abschrift.

Sydow berichtet über die Sitzung des Fürstentages vom 22. August und die dabei zutage tretenden Meinungsverschiedenheiten, insbesondere über die Einwände des Großherzogs von Baden gegen das Vorgehen Österreichs.

Frankfurt am Main, 22. August 1863 No. 281 (Vertraulich durch General-Major von Etzel1) In Verfolg meines Berichtes von heute Mittag (Nr. 278)2 habe ich Euerer ­Excellenz einen sehr unerfreulichen Vortrag über die heutigen Vorgänge zu machen. 1 Friedrich August von Etzel (1808–1888), preußischer Offizier, seit 1860 Befehlshaber der preußischen Truppen in Frankfurt, von 1874–1877 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; BIORAB Kaiserreich – Online. 2 Sydow an Bismarck, 22. August 1863, vertraulicher Bericht, Konzept in: GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 249–253.

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Sydow an Bismarck

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Was ich in jenem Berichte eine Österreichische „Punctation“ genannt, war eigentlich ein Pro Memoria, in dem das Österreichische Cabinet den Entwurf der Bundes-Reform-Acte erst eine Grundlage von Verhandlungen, dann in schnellem Sprunge eine Basis der zu fassenden Beschlüsse nannte, ferner an­ nimmt, daß, wenn man sich über die in dem Pro Memoria aus den 36 Artikeln ausgeschiedenen 12 Puncte einige, die übrigen Artikel wohl als zugestanden erachtet werden könnten. Sobald dieses Machwerk heute früh zur Kenntniß der Souveraine gelangte, denen es in der Nacht zugeschickt worden, that der Großherzog von Baden ein Doppeltes. Er veranlaßte die Großherzoge, Herzoge und Fürsten, ihrer großen Mehrzahl nach, sich, vor der Conferenz im Thurn und Taxisschen Pa­ lais, zu einer Besprechung bei ihm zu vereinigen, und beauftragte den Frei­ herrn von Roggenbach sich mit den Ministern der Königreiche darüber zu verständigen, daß ein so irreguläres Verfahren doch unmöglich ohne Wider­ spruch bleiben könne. Herr von Roggenbach fand bei dem Freiherrn v. Schrenck gar keinen An­ klang. Bayerischer Seits glaubte man sich bei dem verfassungsmäßigen Vor­ behalte der ständischen Gutheißung und dem der demnächstigen Ratifikation beruhigen zu können. Die Herren von Hügel und von Neurath3 gingen mit Worten etwas weiter. Sie sprachen die Absicht aus, Seiner Königlichen Ho­ heit dem Kronprinzen eine schriftliche Verwahrung und Erklärung mit in die Berathung zu geben. Ob sie es gethan, weiß ich nicht. Ein Gebrauch ist davon durch den Kronprinzen nicht gemacht worden. In der Fürsten-Versammlung bei dem Großherzoge von Baden fielen nicht wenige energische Worte. Diejenigen, welche sie sprachen, verstummten in praesentia caesaris4. Der Großherzog von Baden blieb dort so gut als allein. Nur bei Einem Puncte schloß sich ihm der Großherzog von MecklenburgSchwerin einiger Maßen an. Der Herzog von Sachsen-Altenburg sprach seine Übereinstimmung in thesi5 ziemlich vage aus. Ehe noch die Besprechung bei dem Großherzoge endete, brachte der Her­ zog von Braunschweig die unerwartete Nachricht, daß der Kaiser von Öster­ reich beabsichtige, die Berathung nicht auf Grundlage des neuen Prome­ moria’s, sondern auf Basis des Entwurfes einer Bundes Reform-Acte zu ­veranlassen, weil Seine Majestät der König von Sachsen Ersteres als ganz unmöglich bezeichnet habe. 3 Constantin Justus Franz Freiherr von Neurath (1807–1876), 1851–1854 württembergischer Außenminister, 1855–1867 Präsident des Geheimen Rats; Schwabe (Hrsg.), Regierungen, S.  235 f. 4 Lat. für: in Gegenwart des Kaisers. 5 Lat. für: im allgemeinen, im Grundsatz.

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In der Conferenz begann der Kaiser dennoch im Sinne des neuen Promemoria’s und schien die Abstimmung über die darin heraus gehobenen Hauptpuncte der Reform-Acte veranlassen zu wollen. Der Großherzog von Baden erinnerte ernst und bestimmt daran, daß es bis jetzt an jeder Regelung des Abstimmungs- und Berathungs-Modus fehle, und daß [er] daher jeden hieraus und aus dem Mangel an Vorbereitung hervorge­ henden Vorbehalt machen müsse. Der Kaiser ging hierauf gar nicht ein, sondern machte vielmehr geltend, die Sache werde sich schon in einfachster Weise thun lassen, – König Johann secundirte, und der Kaiser wollte eben, um thatsächlich den Beweis zu füh­ ren, daß die Sache nicht so schwierig und bedenklich sei, als der Großherzog von Baden annehme, den Artikel 2 der Bundes Reformacte (die Bezeichnung der künftigen fünf Organe des Bundes), zur Berathung bringen. Der Großher­ zog von Oldenburg fragte jedoch, warum man denn nicht mit dem Anfange anfange. Auch hierzu war der Kaiser alsbald bereit. Niemand erhob das Wort, außer dem Großherzoge von Baden, welcher die großen Bedenken einer so urplötzlichen Beschlußnahme über eine so weit gehende und bedeutsame Ausdehnung des Bundeszweckes hervorhob. Die Könige schwiegen still. Der Großherzog blieb allein. Ganz ähnlich ging es mit dem Artikel 2. Der Kaiser hielt die Beschlußnah­ me für völlig unbedenklich. Der Großherzog von Baden machte bemerklich, daß dieser Artikel erst Bestand gewinnen könne, wenn man sich über die Gestaltung und Competenz der hier aufgezählten Bundesorgane geeinigt haben werde. Auch dies blieb ohne allen Erfolg. Über den Artikel 3 (Zusammensetzung des Directorii) wollte der Kaiser vorläufig hinweggehen, und er that es, weil auch seine Majestät der König von Sachsen geltend machte, daß man zur Erörterung desselben noch nicht gehörig vorbereitet sei. Art. 4 (Bildung des Bundesrathes) wurde, der Erinnerungen des Großher­ zogs von Baden ungeachtet, ohne Weiteres angenommen, indem auch hier die Könige schwiegen. Für die nächste Berathung, Montag den 24. d. Mts. bezeichnete der Kaiser den Artikel 5 (Vorsitz im Directorium. Art der Abstimmung. Verhältniß zu den vollmachtgebenden Regierungen. Hülfsbehörden), 6 (Allgemeiner Grundsatz betreffend die Befugnisse des Directoriums und Bundesrathes) und 7 (Auswärtige Verhältnisse) als Berathungs-Gegenstände. Als hiermit die heutigen Geschäfte beendet waren und die Könige gingen, richtete der Großherzog von Baden nochmals das Wort an den Kaiser, um daran zu erinnern, daß aus solcher Berathungs- und Abstimmungs-Weise doch unmöglich ein verpflichtender Act hervorgehen könne. Der Kaiser wi­ dersprach bestimmt und machte geltend, daß, wer zustimme, das Ergebniß

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Roggenbach an Rechberg

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der Berathung und Beschlußnahme in seinem Lande auf dem verfassungsmä­ ßigen Wege zur Geltung zu bringen haben werde. Der Großherzog von Baden wird nun voraussichtlich durch seinen Mini­ ster an den Grafen von Rechberg eine Note richten lassen, in welcher, in ähn­ lichem Gedankengange, als in Euerer Excellenz geehrtestem Erlasse von ge­ stern Abend6, die Unverbindlichkeit des so Erstandenen [sic] für Baden dar­ gelegt und das Bedürfniß der Vorbehalte und Proteste bei den einzelnen Artikeln unnöthig gemacht oder doch vermindert wird. Es ist mir vollkommen unerklärlich, wie das Wiener Cabinet sich so unkun­ dig in den Verhältnissen der Staaten und Völker erweisen kann, um in solchem Sturmlaufen Resultate und gar dauernde erzielen zu wollen, denen Preußen sich irgendwie anschließen könnte. Es erscheint nicht als unwahrscheinlich, daß, wie oft in den letzten Wochen versichert worden, der Kaiser persönlich die Neigung für dieses gewagte Unternehmen so fest in sich aufgenommen habe, daß ihm die Sache nun eine eigne sei, an deren Verwirklichung er glaube. Bittersten Tadel verdienen, wenn dies richtig, die Räthe, die solche Täu­ schung in dem Kaiser genährt und zu den bisherigen Ausführungsschritten die Hand geboten haben. Es kann demzufolge viel Zwiespalt und Hader über Deutschland kommen; aber ein neuer Deutscher Kaiserthron wird auf solche Basis nicht gegründet werden. (gez.) R. v. Sydow.

62. Roggenbach an Rechberg

GLA Karlsruhe, 48/1527. Depesche. Abschrift. Weitere Abschrift enin: GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 287, fol. 16–18; HStA München, MA 495. Die Note wurde von der badischen Regierung am 24. August 1863 an die übrigen auf dem Fürstentag in Frankfurt vertretenen Staa­ ten übermittelt; GLA Karlsruhe, 48/1527. Die Veröffentlichung der Note erfolgte im Frankfurter Journal, 1. Beilage zu Nr. 249 v. 8. September 1863 und in der Berliner Allgemeinen Zeitung Nr. 418 v. 8. September 1863. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 197–199.

Der Großherzog von Baden stimmt der von Österreich vorgeschlagenen geschäftlichen Behandlung des Entwurfs der Bundesreformakte nicht zu. Solange ein Einverständnis über alle Punkte der Reformakte unter allen Bundesfürsten und den freien Städten nicht erzielt ist, bewahrt sich Baden die Freiheit von jeder Verbindlichkeit. Roggenbach weist ferner auf die konstitutionellen Staatsrechte Badens hin, die bei einer verbindlichen Annahme der Reformakte nicht übergangen werden dürfen, insbesondere im Hinblick auf die Zustimmung der konstitutionellen Körperschaften. 6 Bismarck an Sydow, Baden-Baden, 21. August 1863, GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 286, fol. 241–243.

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Frankfurt am Main, 22. August 1863 Der unterzeichnete Präsident des Ministeriums des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten hat noch gestern spät die Note zu emp­ fangen die Ehre gehabt, womit Seine Excellenz der K. K. Minister des Kai­ serl. Hauses und des Aeußern ihm ein Promemoria übersandte, in welchem die Ansichten Seiner Majestät des Kaisers über den weiteren Gang der Con­ ferenzverhandlungen niedergelegt sind.1 Er hat nicht ermangelt, dieses Pro­ memoria heute Vormittag Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog, sei­ nem allergnädigsten Herrn, vorzulegen. Seine Königliche Hoheit haben ihm zu befehlen geruht, Seiner Excellenz dem Herrn Grafen von Rechberg die Betrachtungen zur Kenntniß zu bringen, zu welchen der Inhalt der empfangenen Mittheilung der K. K. Regierung Sei­ ne Königliche Hoheit veranlaßt hat. Gleichzeitig aber hat der Unterzeichnete dem lebhaften Bedauern Aus­ druck zu geben, daß Seine Königliche Hoheit Sich nicht in der Lage befindet, den in dem Promemoria enthaltenen Ausführungen über die Art der geschäft­ lichen Behandlung des Entwurfs zu einer Reform-Acte des deutschen Bundes beizutreten. Es müssen Allerhöchstdieselben befürchten, daß unerwünschte Folgen für die Resultate der Arbeiten der hohen Versammlung, für die Ord­ nung und Klarheit der öffentlichen Verhältnisse in den Einzelstaaten und die bundesrechtlich bestimmte Stellung derselben unvermeidlich sein würden, wollten diese Vorschläge zur Ausführung gebracht werden. Wenn zunächst die Großherzogliche Regierung auch mit bereitwilligem Entgegenkommen und dem redlichen Willen, aus dem Kaiserlich Oester­ reichischen Entwurfe die möglichst ausgedehntesten Resultate zu gewinnen, in denselben nach Maaßgabe der von Seiner Königlichen Hoheit bereits ab­ gegebenen Erklärungen eine genügende Grundlage für die Verhandlungen erkannt hat, so vermag sie doch nicht zuzugeben, daß die Bedenken, welche etwa gegen einzelne Vorschläge des Entwurfes von der einen oder der ande­ ren Seite gehegt werden sollten, sich nicht gegen das System und die leiten­ den Gedanken richten könnten, auf welchen die Construction des Ganzen beruht. Die Regierung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs kann nicht umhin, gerade in Betreff der Folgen, welche aus der vorgeschlagenen neuen Ordnung, sowohl für die staats- wie völkerrechtliche Stellung des deutschen Bundes und der deutschen Staaten insbesondere hervorgehen müßten, ernste Besorgnisse zu hegen. Nicht minder vermag sie es für sich nicht anzuerkennen, daß die Annahme des Entwurfes selbst in seiner unver­ änderten Fassung ihr erwünschter sein würde, als ein, bei ernstem Streben 1 Siehe Dok. 57.

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Roggenbach an Rechberg

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nach Gewinnung eines Resultates voraussichtlich doch nur vorübergehendes Auseinandergehen der Ansichten. Letzteres schiene ihr immer noch einer möglichen Verdeckung von vorhandenen Gegensätzen vorzuziehen, deren späteres Hervortreten[,] so lange sie nicht innerlich überwunden, nur um so gefährlicher für die künftige gedeihliche Wirksamkeit der neuen Verfassung sich erweisen müßte. Von dieser Auffassung ausgehend, kann die Großherzogl. Regierung nicht dahin gelangen zuzugestehen, daß es in allen denjenigen Punkten, in welchen es nach reiflicher gemeinsamer Prüfung der Änderungsanträge nicht zu einem anderweitigen Einverständniß käme, bei der Fassung der allseitig angenom­ menen Berathungsgrundlage sein Bewenden haben könnte. So lange ein Ein­ verständniß unter allen hohen Bundesfürsten und freien Städten nicht erzielt sein wird, müßte festgehalten werden, daß keinerlei Verpflichtung auf den In­ halt der einzelnen Artikel der Reformacte übernommen worden ist und Seine Königliche Hoheit haben den Unterzeichneten beauftragt, diese Freiheit von jeder Verbindlichkeit für die Großherzogl. Regierung ausdrücklich zu wah­ ren. Ein weiterer Vorschlag des Promemoria’s geht dahin, einige Hauptbestim­ mungen des Entwurfes von der Fürstenversammlung nicht nur im Grund­ satze, sondern auch dem Wortlaute nach in der Art genehmigen zu lassen, daß dieselben sonach in der Ministerconferenz als bereits feststehend keiner wei­ teren Discussion unterzogen würden. Seine Königliche Hoheit erachtet eine solche Zersplitterung des Entwurfes, dessen Bestimmungen ein eng verbundenes Gefüge von, wenn auch nicht überall gleich wichtiger, doch nirgend [sic] unwesentlicher Bedeutsamkeit darstellt, für unzulässig und vermöchte über einzelne Bestimmungen nicht in irgend verpflichtender Weise Sich zu äußern, und wenn Allerhöchstderselbe dem Wunsche Seiner Kaiserlich Königlichen Majestät nach einem rückhaltlo­ sen Meinungsaustausche auch Seinerseits gerecht zu werden bestrebt sein wird, so kann es doch nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalte geschehen, daß Seine Königliche Hoheit für die Großherzogliche Regierung die Erklä­ rung über Annahme oder Nichtannahme der Reformacte für den Schluß der Gesammtberathung aller einzelnen Artikel reservirt und Sich nicht früher zu binden gemeint ist, bevor die Gesammtheit aller zu einer neuen Bundesver­ fassung vereinten Bestimmungen sich überblicken läßt. Die Feststellung im Wortlaute erscheint für die hohe Versammlung aus vielfachen Gründen unthunlich und könnte der Versuch derselben nicht wohl dahin führen, daß nicht einer späteren geschäftlichen Versammlung die Be­ fugniß vorbehalten bleiben müßte, eine ernste und sorgfältigste Abwägung der zu wählenden Ausdrücke eintreten zu lassen. Zu der vorgeschlagenen Festsetzung im Wortlaute könnte am wenigsten eine Geschäftsordnung ent­

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behrt werden, welche der hohen Versammlung ermöglicht, auf bestimmte und gemeinsam gebilligte Vorbedingungen gestützte Beschlüsse zu ziehen und ei­ nen Gegensatz von Meinungen durch Abwägen der Stimmenzahl sicher zu stellen. Bis diese Voraussetzung einer jeden Beschlußfassung gewonnen sein wird und unter Zusammenwirken aller Factoren, welche zur Vornahme einer gültigen Regierungshandlung in den einzelnen Staaten verfassungsmäßig ver­ ordnet sind, eine Regularisirung des Verhältnisses stattgefunden haben wird, in welchem die Aussprüche der hohen Versammlung gegenüber den einzel­ nen hohen Betheiligten stehen, ist Seine Königliche Hoheit der Großherzog, des Unterzeichneten allergnädigster Herr, nicht in dem Falle, derselben irgend einen bestimmenden Einfluß auf die künftigen Entschließungen Seiner Regie­ rung einzuräumen. Seine Königliche Hoheit hat mit hoher Befriedigung aus dem Promemoria der K. K. Regierung ersehen, wie auch Seine K. K. Apostolische Majestät die Auffassung theilen, daß bei allen in der Fürstenconferenz erfolgenden Erklä­ rungen von bindendem Character, insofern dieselben nach den Einrichtungen des betreffenden Staates den Vorbehalt der Zustimmung der constitutionellen Körperschaften erforderlich erscheinen lassen sollten, allgemein und ohne daß dies jedesmal noch besonders ausgedrückt werden müßte, dieser Vorbe­ halt als ein selbstverständlicher zu betrachten sei. Indem der Unterzeichnete seinerseits Namens der Großherzoglichen Re­ gierung dieser Voraussetzung, als einer selbstverständlichen beipflichtet und solche für alle Erklärungen auf der hohen Fürstenconferenz im Auftrage ­Seiner Königlichen Hoheit in Anspruch nimmt, hat er Befehl, auch auf die weitere Vorbedingung gültiger Regierungshandlungen aufmerksam zu ma­ chen, welche die Verfassung des Großherzogthums aufstellt, wornach [sic] der Souverain jederzeit sich des hohen Vorzugs einer verantwortlichen Dec­ kung seiner in der Hoheit und der Würde der Krone begründeten Unverant­ wortlichkeit zu erfreuen haben müsse. Seine Königliche Hoheit der Großherzog, tief davon durchdrungen, daß die Heilighaltung der aus dem Geiste und den bestimmten Satzungen einer con­ stitutionellen Monarchie hervorgehenden Anordnungen, für das Wohl Seines Landes, Seines Volkes und Seines Thrones gleich wichtig ist, daß ihre Be­ rücksichtigung in dem vorliegenden Falle, aber zur Verhütung schwerer Ver­ wickelungen in dem Verfassungszustande der deutschen Länder besonders geboten ist, wollen, daß Seine Majestät der Kaiser von diesen im constitutio­ nellen Staatsrechte Badens begründeten Voraussetzungen unterrichtet, und damit auch die entfernte Möglichkeit späterer unerwünschter Mißverständnis­ se vermieden werde. Indem der Unterzeichnete Präsident des Ministeriums des Großh. Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten sich erlaubt, Seine Excellenz den K. K.

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Minister des Aeußern ergebenst zu ersuchen, Seiner K. K. Apostolischen Ma­ jestät von dieser Auffassungsweise Seiner Königlichen Hoheit geneigtest Kenntniß geben zu wollen, ergreift er die Gelegenheit zu erneuertem Aus­ drucke seiner ausgezeichnetsten Hochachtung. (gez.) Roggenbach.

63. Larisch an Rechberg

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 287, fol. 55 f. Note. Abschrift. Weitere Abschrift in: HStA München, MA 495.

Der Herzog von Sachsen-Altenburg ist überzeugt, daß ohne die Beteiligung Preußens ein erfolgreiches Verhandeln über die Bundesreform nicht möglich ist. Nach der preußischen Weigerung, an der Fürstenkonferenz teilzunehmen, ist die einzig mögliche Aufgabe der Versammlung, sich im allgemeinen und vorläufig über die Grundzüge eines Bundesreformvorschlags zu verständigen, über den später mit Preußen eine Einigung herbeigeführt werden muß. Bei diesen definitiven Verhandlungen hat selbstverständlich auch jede am Fürstentag beteiligte Regierung das Recht, ihre Ansichten und Erklärungen zu modifizieren. Im gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen kann der Herzog von Sachsen-Altenburg keine bindenden Verpflichtungen eingehen.

Frankfurt am Main, 22. August 1863 Der Unterzeichnete hat die Note Sr. Excellenz des K. K. Österr. Ministers des Äußeren Herrn Grafen von Rechberg vom 21sten d. M., womit demselben zwei Exemplare des den weiteren Gang der Verhandlungen der hier versam­ melten hohen Souveräne betreffenden Promemoria des kaiserlichen Cabi­ nets1 zur Unterlegung an Se. Hoheit den Herzog zugestellt werden, inmitten der verflossenen Nacht zu empfangen die Ehre gehabt und nicht verfehlt, das letztere so bald als thunlich Sr. Hoheit dem Herzog, seinem gnädigsten Herrn, unter Vortragserstattung vorzulegen. Derselbe ist hierauf von Sr. Hoheit ange­ wiesen worden, Sr. Excellenz mit Gegenwärtigem zu ersuchen, Sr. Majestät dem Kaiser als Vorsitzenden der tagenden Fürstenconferenz nachfolgende Betrachtungen und Erwägungen zu Allerhöchster geneigter Würdigung unter­ breiten zu wollen. Se. Hoheit der Herzog, mein gnädigster Herr, erkennen es mit lebhaftem Dankgefühl an, daß Se. Majestät der Kaiser durch das Allerhöchst Ihren ver­ sammelten hohen Verbündeten mitgetheilte Promemoria einen wesentlichen Schritt zur Förderung einer ersprießlichen Weiterentwickelung der Verhand­ lungen in der deutschen Reform Angelegenheit gethan haben. 1 Siehe Dok. 57.

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Se. Hoheit, von dem Bewußtsein durchdrungen, daß den gerechten Wün­ schen aller deutschen Volksstämme, die Machtstellung Deutschlands nach Au­ ßen gehoben und den materiellen wie geistigen inneren Verkehr von manchen noch bestehenden Schranken befreit zu sehen, wirkliche Befriedigung gewährt werden müßte, sind im Verein mit fast allen übrigen höchsten und hohen deut­ schen Bundesgenossen bereitwillig dem Rufe Sr. Majestät des Kaisers zu einer gemeinsamen Berathung über eine Bundesreform hierher gefolgt. Se. Hoheit haben ferner, überzeugt daß ohne die Betheiligung Preußens ein gedeihliches, positiven Erfolg garantirendes Verhandeln über die Bundesreformfrage nicht möglich sey, Höchstsich gern der von den hier versammelten Souveränen an Se. Majestät den König von Preußen gerichteten Einladung zu persönlicher Mitbetheiligung an diesen Verhandlungen angeschlossen. Höchstdieselben haben mit großem Bedauern vernommen, daß es Sr. Ma­ jestät dem König von Preußen nicht möglich gewesen ist, dieser Einladung Folge zu geben. Se. Hoheit haben auch keinen Anstand genommen, der be­ reits in dem Einladungsschreiben an die Majestät der Königs von Preußen allseitig ausgesprochenen Intention gemäß Höchstsich an den weiteren Ver­ handlungen Ihrer hohen Verbündeten zu betheiligen, Höchstdieselben halten es aber nunmehr für Ihre heiligste bundesgenossenschaftliche Pflicht, Höchst­ sich über die Bedeutung, die Höchstsie dieser Ihrer ferneren Theilnahme an den Conferenz Verhandlungen nur beilegen können, offen auszusprechen. Von sämmtlichen hier vereinigten hohen Souveränen ist in dem an Se. Maje­ stät den König von Preußen gerichteten Einladungsschreiben erklärt worden, daß in den von Sr. Majestät dem Kaiser Ihnen mitgetheilten Vorschlägen eine geeignete Grundlage für die ferneren Verhandlungen erkannt worden sey und daß das Resultat dieser Verhandlungen Sr. Majestät dem König von Preußen zur Einholung deren bundesverfassungsmäßiger Zustimmung vorgelegt werden werde. Im Einklang hiermit erachten es Se. Hoheit der Herzog als die gegen­ wärtig allein mögliche Aufgabe der hohen Versammlung, sich im Allgemeinen und vorläufig über die Grundzüge eines Bundesreform-Vorschlags zu verstän­ digen, über welche später wiederum mit den gegenwärtig hier nicht vertretenen Bundesregierungen und insonderheit mit Preußen pariscirt werden möge. Se. Hoheit der Herzog, mein gnädigster Herr, halten es demnach einerseits für selbstverständlich, daß bei diesen demnächstigen definitiven Verhandlun­ gen auch jedes einzelne der in der Conferenz vertretenen Bundesglieder bei sich darbietenden anderweiten Verhandlungsgesichtspunkten seine gegenwär­ tigen Ansichten und Erklärungen modificiren könne; andererseits vermögen Se. Hoheit der Herzog aus demselben Grunde kein so großes Gewicht darauf zu legen, daß jetzt jede abweichende Ansicht zur Geltung zu bringen versucht werde. Höchstdieselben würden sich Ihrerseits in der Lage finden, selbst be­ züglich einiger der wesentlichsten Punkte Bedenken auszusprechen und Ab­

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änderungs Anträge zu stellen; Sie haben sich aber überzeugen müssen, daß solche Anträge auf eine allseitige Annahme in keinem Falle würden rechnen können und daß eine Erörterung derselben mindestens die Berathungen we­ sentlich und über das durch die Verhältnisse gegebene Maß verlängern wür­ den. Je mehr Höchstdieselben aber gesonnen sind, dann wenn es die einen realen und directen Erfolg sichernde Verhandlung zwischen der Gesammtheit der Bundesglieder gilt, in der Bereitwilligkeit, die eigenen Ansichten und Wünsche, sowie alte vertragsmäßige Rechte zum Frommen und Besten des Ganzen zu opfern, keinem Ihrer Bundesgenossen nachzustehen, je weniger können Höchstdieselben Sich veranlaßt finden, schon in dem gegenwärtigen Stadium, irgendwie, sey es auch nur moralisch bindende Verpflichtungen zu übernehmen. Se. Hoheit sind von der Unmöglichkeit, solche Verbindlichkeiten schon jetzt zu übernehmen, umso mehr überzeugt, je weniger Höchstdiesel­ ben in die Lage kommen möchten, bei einer das Wohl des Gesammtvater­ landes wie des eigenen Landes und Fürstenhauses so tief berührenden Ange­ legenheit zwischen dem Nichterfüllen übernommener moralischer Verbind­ lichkeiten und dem Hintenansetzen einer gereifteren Überzeugung wählen zu müssen. Hiernach wird es einer näheren Erörterung der Frage, inwieweit mit Rücksicht auf die eigene specielle Landesverfassung Se. Hoheit der Herzog sich behindert fühlen möchten, innerhalb der hohen Fürstenconferenz verbin­ dende Erklärungen abzugeben, gar nicht bedürfen, wie eben so wenig einer besonderen Heraussetzung, in welcher Beschränkung nur Höchstdieselben Sich die in dem Promemoria des Kaiserlichen Cabinets für den weiteren Gang sowohl der gegenwärtigen hohen Fürsten Conferenz als der etwa be­ liebt werdenden späteren Ministerconferenz ausgesprochenen Voraussetzun­ gen zu eigen zu machen im Stande sind. Mit Vergnügen benutzt der Unterzeichnete auch diesen Anlaß zum erneuer­ ten Ausdruck seiner vorzüglichsten Hochachtung. gez. v. Larisch.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 112, 125, 128, 129, 136–138, 141, 144. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 90–95.

Mehrere Fürsten geben Erklärungen zu einzelnen Artikeln der Bundesreformakte ab. Es folgt eine längere Diskussion über den Modus zur Bildung des vorgeschlagenen Bundesdirektoriums. Mehrere Fürsten legen Abänderungsvorschläge zum Artikel 3 der Reformakte vor. Die Mehrheit stimmt schließlich dem sächsischen Vorschlag ­(Anlage Nr. 3) zu, allerdings bleiben die Monarchen von Baden und MecklenburgSchwerin bei ihrer ablehnenden Haltung. Es wird ein Komitee aus Mitgliedern der

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Majorität und Minorität eingesetzt, das sich um eine Vermittlung bemühen soll. Die Verhandlung wird anschließend mit Artikel 5 der Reformakte fortgesetzt. Auch hierzu gibt es Separatvoten, einige Bestimmungen werden den ministeriellen Beratungen zugewiesen. Artikel 6 der Reformakte wird von allen angenommen, mit Ausnahme des Großherzogs von Baden.

Frankfurt am Main, 24. August 1863 Protokoll der vierten Sitzung der Conferenz der souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands aufgenommen zu Frankfurt a/M, am 24. August 1863, in Anwesenheit sämmtlicher in dem Protokolle der ersten Sitzung genannter fürstlicher und freistädtischer Theilnehmer an der Conferenz. Nachdem Se Majestät der Kaiser von Oesterreich das Protokoll der dritten Sitzung hatten verlesen lassen, und dasselbe genehmigt worden war, gaben Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden diejenige Erklärung ab, welche in schriftlicher Fassung dem gegenwärtigen Protokolle als Anlage 1 beigefügt ist, und welcher die vorbehaltenen Separatabstimmungen zu den Artikeln 1, 2 und 4 des Entwurfs einer Reformacte als Unteranlagen A bis C beiliegen. Se königl. Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar unterstützten den in der erwähnten Erklärung enthaltenen Antrag, daß mit den Protokollen der Fürstenconferenz ähnlich wie mit den Protokollen des Bundestags verfahren werden möge. Ihre königl. Hoheiten die Großherzoge von MecklenburgSchwerin und von Oldenburg drückten den Wunsch aus, es möchte den ein­ zelnen hohen Rednern auch schon vor der Verlesung des Protokolles Gele­ genheit zur Feststellung Ihrer in dasselbe aufzunehmenden Aeußerungen ge­ boten werden. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich trafen die Anordnung, daß diesem Wunsche entsprochen würde. Se königl. Hoheit Prinz Heinrich der Niederlande gaben die als Anlage 2 im Original anliegende Erklärung zu Protokoll. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich eröffneten hierauf die Berathung über den Artikel 3 des Entwurfes einer Reformacte, indem Allerhöchstdiesel­ ben bemerkten, daß Ihnen von des Königs von Sachsen Majestät ein formu­ lirter Abänderungsantrag zu diesem Artikel übergeben worden sei. Se Majestät der König von Hannover nahmen das Wort, um vor dem Ein­ tritt in die Berathung an Se Majestät den Kaiser das Ersuchen zu richten, ­einen zweifelhaft gebliebenen Punkt aufklären zu wollen. Artikel 3 sage, daß die beiden Mitglieder des Directoriums, welche von den Gruppen der ge­ mischten Armeecorps gestellt werden, aus einer Wahl hervorgehen sollen. Der Wahlmodus sei im Artikel nicht genannt. Se kais. Majestät seien daher

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gebeten zu erklären, welchen Wahlmodus Allerhöchstdieselben dabei im ­Sinne gehabt hätten. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich erwiderten, daß wenn auch in dem Entwurfe keine ausdrückliche Bestimmung über den Wahlmodus getroffen sei, immerhin dem ganzen Vorschlage die Anwendung des Maßstabes der Contingentstellung zu Grunde liege. In der Consequenz dieses Grundsatzes aber sei es gelegen, und als Ihre eigene Ansicht könnten Sie es daher ausspre­ chen, daß auch in den gemischten Corps das Verhältniß der Contingente, also die Bundesmatrikel, bei der Regelung des Stimmenverhältnisses für die Wahl der Directorialfürsten berücksichtigt werden sollte. Des Königs von Hannover Majestät stellten hierauf den Antrag, die Confe­ renz wolle den Artikel 3 des österreichischen Entwurfes mit der soeben aus dem Munde des Kaisers vernommenen authentischen Interpretation, d. h. mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß die Wahl der Directorialfürsten in den gemischten Armeecorps nach dem Matrikularverhältnisse vorgenommen wer­ de, annehmen. Da verschiedene Ansichten über die zweckmäßigste Art der Zusammensetzung des Directoriums herrschten, da namentlich die Meinung, daß das Directorium aus mehr als fünf Mitgliedern bestehen sollte, Gegner gefunden habe, so glaubten Se Majestät, um für den Zweck der Einigung Al­ les zu thun, was Sie mit Ihrer fürstlichen und königlichen Würde vereinbar finden können, und um den edlen Absichten Sr Majestät des Kaisers entgegen zu kommen, Sich in erster Linie für Annahme des österreichischen Entwurfs mit der erwähnten ergänzenden Bestimmung aussprechen zu sollen. Se Maje­ stät König Georg vervollständigten, nachdem Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Meiningen die Stellung der Fürsten der Reservedivision zur Sprache gebracht hatten, diesen Antrag weiter dahin, daß den Fürsten der Reservedivi­ sion ein Wahlrecht in den verschiedenen Corps je nach der geographischen Lage ihrer Staaten einzuräumen wäre, worüber die Ministerconferenzen das Nähere feststellen könnten. Se kön. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin erklärten in der Rücksicht, daß Se Majestät der König von Hannover so eben einen neuen An­ trag gestellt hätten, auf die Discussion Ihres in der vorigen Sitzung zu Proto­ koll gegebenen Antrags zum Artikel 3 des Entwurfs vorerst verzichten zu wollen. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz unter­ stützten gleichfalls den Antrag des Königs von Hannover. Se Majestät der Kaiser ließen hierauf den Antrag Sr Majestät des Königs von Sachsen verlesen, welcher Antrag dem gegenwärtigen Protokolle als An­ lage 3 beiliegt. Se königl. Sächsische Majestät beleuchteten in ausführlicher mündlicher Darlegung sowohl die verschiedenen Modalitäten, welche für die Zusammensetzung des Directoriums gewählt werden könnten, als die Grün­ de, aus welchen Se Majestät Sich für die vorgeschlagene Combination ent­

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schieden hätten. Am Schluße dieses erschöpfenden Vortrags erklärten übri­ gens Se Majestät, daß Sie zwar gegenüber dem soeben von dem Könige von Hannover gestellten Antrage den Ihrigen aufrecht erhalten müßten, es jedoch nicht ausschließen wollten, daß Sie Sich eventuell auch einer anderen Ansicht zuwenden könnten. Se Majestät der Kaiser reassumirten [sic] hierauf den Stand der Sache da­ hin, daß zwei Anträge sich gegenüber stünden, der ursprüngliche österreichi­ sche Vorschlag mit den beiden auf die Wahl nach dem Matrikularverhältnisse und auf das Stimmrecht der Fürsten der Reservedivision bezüglichen Modi­ ficationen, und der Abänderungsantrag Sr Majestät des Königs von Sachsen. Se kais. Majestät ersuchten die Conferenz, nunmehr den Gegenstand frei be­ sprechen zu wollen, damit sich herausstelle, für welchen der vorliegenden Anträge die Meinungen sich vorwiegend aussprechen und eine schließliche allseitige Zustimmung in Aussicht genommen werden könne. Aus der Besprechung, welche hierauf stattfand, ist hervorzuheben, daß Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg sich gegen den Vorschlag erklärten, die Frage des Wahlrechtes der Fürsten der Reservedivison den Ministerconfe­ renzen zu überweisen. Se kk. Apostolische Majestät zeigten Sich mit dem Herzoge einverstanden, da auch nach Allerhöchst-Ihrer Ansicht es durchaus nöthig sei, schon in der Fürstenversammlung auch über diesen Punkt wie über die ganze Directorialfrage schlüssig zu werden. Weitere Abänderungsanträge erfolgten von Seite Sr königl. Hoheit des Großherzogs von Oldenburg und Sr Hoheit des Herzogs von Nassau. Der An­ trag Oldenburgs, von dem österreichisch-hannover’schen sich dadurch unter­ scheidend, daß anstatt der Matrikularzahl die Zahl der von den einzelnen Staaten in die Versammlung der Bundesabgeordneten zu entsendenden Mit­ glieder den Maßstab für den Antheil an der Wahl des Directorialfürsten bilden soll, liegt dem Wortlaute nach unter Ziffer 4 dem Protokolle bei. Von Sr Hoheit dem Herzoge von Nassau, Höchstwelche, ebenso wie Se Ho­ heit der Herzog von Braunschweig Sich in erster Linie für den unveränderten kais. österreichischen Vorschlag, nicht aber für dessen Interpretation im Sinne des Antrags Sr königl. Hannoverschen Majestät erklärten, wurde eventuell zu dem Antrage des Königs von Sachsen derjenige Abänderungsantrag gestellt, welcher dem gegenwärtigen Protokolle als Anlage 5 beiliegt. In Bezug auf diesen letzteren Abänderungsantrag geben [sic] jedoch Se ­königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz die Erklärung ab, daß die Rücksichten auf die besondere Stellung Ihres großherzoglichen Hau­ ses und auf dessen enge gleichberechtigte Verbindung mit dem verwandten Hause von Mecklenburg-Schwerin es Ihnen völlig verbieten müßten, auf den Vorschlag Sr Hoheit des Herzogs von Nassau, der Sie in eine andere Cathego­ rie [sic] als Ihren Herrn Vetter von Schwerin versetzen würde, einzugehen,

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Sie Sich vielmehr in der Nothwendigkeit befinden würden, gegen diesen Vor­ schlag, falls demselben Folge gegeben werden wollte, den entschiedensten Protest einzulegen. Se kais. kön. Apostolische Majestät hielten sodann eine erste Umfrage. Es ergab sich, daß Se Majestät der König von Hannover, Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden, Höchstwelche die unter Ziffer 6 beiliegende Ab­ stimmung zu Protokoll gaben, Se königl. Hoheit der Kurfürst von Hessen, Ihre königl. Hoheiten die Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin und von Mecklenburg-Strelitz, Se königl. Hoheit der Großherzog von Oldenburg, so­ wie für die Stadt Hamburg der Herr Bürgermeister Haller gegen den Antrag Sr Majestät des Königs von Sachsen stimmten. Des Kurfürsten von Hessen königl. Hoheit motivirten Ihre Abstimmung mit der Erklärung, daß Höchst Sie in erster Linie dem unveränderten oesterreichischen Vorschlage, dagegen der von Hannover beantragten Modification nur unter der Bedingung bei­ pflichten könnten, daß das kurfstl. Hessische Contingent aus dem seitherigen Armeecorps-Verbande austreten und mit anderen Contingenten, namentlich dem großhzgl. Hessischen ein eigenes Armeecorps bilden würde. Die sämmtlichen übrigen höchsten und hohen Theilnehmer an der Confe­ renz stimmten entweder primär, oder wie Ihre Hoheiten die Herzoge von Braunschweig und Nassau, eventuell für den kön. sächsischen Antrag. Nachdem Se Majestät der Kaiser von Oesterreich hierauf die Übereinstim­ mung so vieler Meinungen in dieser Richtung constatirt hatten, erklärten Al­ lerhöchst-Sie für Sich Selbst, daß nachdem Sie bei Ihren Vorschlägen keinen anderen Zweck als das Wohl Aller vor Augen gehabt hätten, Sie vom Anfan­ ge an sehr geneigt gewesen seien, auch jeder anderen Ihren hohen Mitfürsten genehmen Combination, soferne sie nur zweckentsprechend und praktisch ausführbar sei, Ihre Mitwirkung nicht zu versagen, und daß Sie daher, da die Ansichten sich überwiegend zu Gunsten des Antrags des Königs von Sachsen neigten, kein Bedenken tragen wollten, auch Ihre eigene Stimme für diesen letzteren Antrag abzugeben. Bürgermeister Dr Haller für Hamburg verzichtete hierauf auf das frühere vernein[en]de Votum, um sich dem sächsischen Antrage anzuschließen. Se kö­ nigl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz erklärten, nicht gegen alle anderen Stimmen Ihre von dem sächsischen Antrage abweichende Ansicht festhalten zu wollen. Ebenso Se königl. Hoheit der Kurfürst von Hessen. Des Großherzogs von Oldenburg königl. Hoheit zeigten Sich gleichfalls geneigt, in dem Falle, wenn der König von Hannover unbedingt dem sächsischen Vor­ schlage beitreten wolle, Ihre Ansicht fallen zu lassen, und dem Antrage des Königs von Sachsen beizutreten, um das so wünschenswerthe Einverständniß in dieser hochwichtigen Frage herbeizuführen. Se Majestät der König von Hannover[,] von des Kaisers Majestät ersucht, um der großen Sache Willen zu

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einer Schlußfassung gleichfalls die Hand bieten zu wollen, erinnerten daran, daß ein allgemeiner Vorbehalt, demnächst in einer schließlichen GesammtAbstimmung die letzten Erklärungen abzugeben, von der Conferenz zugelas­ sen worden sei. Allerhöchstdenselben sei der Antrag Sr Majestät des Kaisers von Oesterreich mit der heute in Bezug auf den Wahlmodus nach dem Ma­ trikularverhältnisse gegebenen authentischen Interpretation, so vollkommen zweckmäßig und dem allgemeinen Interesse entsprechend erschienen, daß Sie es für Gewissenssache gehalten hätten, die Annahme des Antrags mit der In­ terpretation auf das wärmste zu empfehlen. Vor allem Andern seien Sie jedoch von dem Wunsche geleitet gewesen, ein allgemeines Einverständniß herbei­ führen zu können, und wenn sich nunmehr zeige, daß die Annahme des An­ trags Sr Majestät des Königs von Sachsen das Mittel sei, um diesen Zweck zu erreichen, so wollten Sie um des hohen Zieles wegen die eigene Ansicht unter dem erwähnten Vorbehalte zurücktreten lassen und Ihre Stimme mit denjeni­ gen vereinigen, welche sich für den Antrag Sachsens ausgesprochen hätten. Es blieben sonach nur noch die verneinende Stimme Sr königl. Hoheit des Großherzogs von Baden, sowie diejenige Sr königl. Hoheit des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin übrig, Höchstwelcher Sich eine schriftliche Er­ klärung vorerst noch vorbehielt. Als die Frage erhoben wurde, wie die noch vorhandene Differenz zwischen Majorität und Minorität zu beseitigen wäre, machte der Herr Vertreter Lübeck’s, Bürgermeister Dr Roeck, auf die in einer früheren Sitzung von Sr Majestät dem Könige von Sachsen bereits ausgespro­ chenen Grundsätze sich berufend, den Vorschlag, daß ein aus Mitgliedern der Majorität und der Minorität zusammenzusetzendes Comité mit der Aufgabe, eine Ausgleichung zu vermitteln, betraut werden möchte. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich eigneten Sich diesen Vorschlag an, und die Conferenz einigte sich dahin, daß Abends 8 Uhr unter dem Vorsitze Sr kais. Majestät eine Besprechung zwischen dem Könige von Sachsen und dem Herzoge von Nassau einerseits, den Großherzogen von Baden und Mecklenburg-Schwerin andererseits zu dem bezeichneten Zwecke stattfinden solle. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, – wiewohl Anfangs gegen die Wahl des Herzogs von Nassau das Bedenken hegend, daß der Herzog dadurch Gelegenheit erhalten würde, ein Amendement zu vertre­ ten, gegen welches Mecklenburg-Strelitz einen Protest würde einlegen müs­ sen, bestanden nicht auf diesem Einwande, indem Sie erklärten, mit gänzli­ chem Vertrauen die Sorge dafür, daß die Gründe Ihres Widerspruchs nach ih­ rem vollgültigen Werthe würden gewürdigt werden, in die Hände Sr Majestät des Kaisers gelegt zu wissen. Die Berathung des Artikels 3 wurde hiemit für jetzt geschlossen, und Se Majestät der Kaiser von Oesterreich, der Tagesordnung folgend, ersuchten die hohen Anwesenden um ihre Meinungen über den Artikel 5.

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Auf Antrag Sr Majestät des Königs von Sachsen beschloß jedoch die Con­ ferenz, die Berathung des Alinea 1 dieses Artikels ausgesetzt sein zu lassen. Zu den folgenden Absätzen desselben Artikels ließen Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden das unter Ziffer 7 anliegende Separatvotum zu Proto­ koll geben. Nachdem Se Majestät der Kaiser von Oesterreich in Bezug auf den darin entwickelten Antrag, daß das Directorium an die Instructionen des Bundes­ rathes gebunden sein solle, bemerkt hatten, daß man alsdann besser sich mit einem einfachen Executivausschusse begnügen würde, und daß jener Antrag schon aus dem Grunde nicht ausführbar zu sein scheine, weil die Directorial­ fürsten nicht von den Gesandten ihrer Mitfürsten Instructionen empfangen könnten, erfolgte von keiner andern Seite eine Bemerkung gegen die Absätze 2, 3, 4, 5 und den ersten Satz des Alinea 6, und der Artikel 5 wurde daher, mit Vorbehalt der abweichenden Ansichten des Großherzogs von Baden, von den Worten: „Mit dem Vorsitze p. p.“ bis zu dem Worte: „untergeordnet“ von der Fürstenconferenz angenommen. Der zweite Satz des vorletzten Alinea, weitere Hilfsbehörden betreffend, wurde den ministeriellen Berathungen überwiesen. Das letzte Alinea wurde von der Fürstenconferenz angenommen. Se Majestät der Kaiser leiteten die Berathung auf den Artikel 6 des Ent­ wurfs. Derselbe wurde von der erhabenen Versammlung mit Ausnahme des Groß­ herzogs von Baden, Höchstdessen Ansicht die Anlage 8 enthält, unverändert angenommen, nachdem einem Antrage Sr Hoheit des Herzogs von Nassau, nach dem Worte: „ausgeübt“ die Worte einzuschalten: „welches jedoch periodisch dem Bundesrathe Mittheilungen über den gesammten Stand der Geschäfte machen wird“ eine Folge nicht gegeben worden war.1 Schließlich wurde beschlossen, die nächste Sitzung morgen den 25ten abzu­ halten, und die Berathung der Artikel 8, 14, 16 und 18 Alinea 1 auf die Tages­ ordnung zu setzen, welchen Artikeln auf Antrag Sr königl. Hoheit des Groß­ herzogs von Mecklenburg-Schwerin noch der Artikel 11 Alinea 4 hinzugefügt wurde. Das gegenwärtige Protokoll wurde in der Sitzung v. 26ten August vorgele­ sen und urkundlich der Unterschriften genehmigt. [Es folgen die Unterschriften.]

Der Protokollführer: Ludwig von Biegeleben k. k. Hof- und Ministerialrath 1 Siehe dazu die Berichtigung im Protokoll der 6. Sitzung vom 26. August, unten S. 355.

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  Erklärung des Großherzogs von Baden  [Anlage] Nro 1

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 113. Original mit eigenhändiger Unterschrift. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 95.

Der Großherzog von Baden gibt Separatvoten zu den Artikeln 1, 2 und 4 der Bundesreformakte zu Protokoll.

Großherzog von Baden erklärt: Daß er, kraft der in der letzten Sitzung zu Protokoll gegebenen Vorbehalte, die damals in Aussicht gestellten Separatvota zu Artikel 1, 2, 4 zu Protokoll gebe. Er beantragt, daß, da die hohe Versammlung bereits über die genannten Artikel schlüssig geworden ist, und diese Vota eine größere Ausdehnung und Bedeutung gewonnen, solche dem Protokoll beigefügt und mit dem Protokoll unter den hohen Mitgliedern in Zirkel gesetzt werden. Zugleich beantragt er, daß mit dem Protokolle wie mit den Protokollen der hohen Bundesversammlung verfahren und solche den Mitgliedern im Con­ cepte zur Revision zugestellt, so wie in Abschrift mitgetheilt werden. Er seinerseits wird seine Vota jederzeit schriftlich zu Protokoll geben und wünscht, wo er solches nicht ausdrücklich verlangt, nicht, daß mündlich ge­ gebene gesprächsweise Aeußerungen demselben einverleibt werden. Friedrich Großherzog von Baden   Erklärung Badens zu Art. I  [Anlage Nr. 1 a]

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 114–116. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 95–98.

Die in Artikel 1 der Bundesreformakte vorgeschlagene Erweiterung der Bundeszwecke mit der Absicht einer aktiveren Politik des Bundes nach innen und nach außen ist mit der staatenbündischen Struktur nicht zu vereinbaren. Es würde damit dem Staatenbund zugemutet, „was nur der Bundesstaat zu leisten vermag“. Solange im Bund die „zwei nahezu gleich mächtigen Willen“ von Österreich und Preußen bestehen bleiben, wird eine aktive und machtvolle deutsche Politik faktisch unmöglich gemacht, es besteht dabei die Gefahr der Zerreißung des Bundes. Ein Eingreifen des Bundes in das innere Leben der Einzelstaaten, wie dies durch die beantragte Erweiterung der Bundeszwecke angedeutet wird, steht im Widerspruch zu den Grundlagen des Bundes.

Baden Erklärung zu Art. I. Baden hat wiederholt bei den verschiedensten Anlässen anerkannt, daß der deutsche Bund in seiner dermaligen Verfassung das nicht leisten kann, was die Fürsten und Völker Deutschlands von demselben zu erwarten berechtigt sind. Die Zwecke, die er sich in Art. 2 der Bundesacte gesetzt hat, „Erhaltung der äusseren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten“ sind zu eng gefaßt,

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Erklärung Badens zu Art. I

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um den materiellen und ideellen Bedürfnissen eines großen und gebildeten Volkes zu genügen, und selbst diese engen Zwecke sind thatsächlich nicht in genügendem Maaße erreicht. Die enge Beschränkung der Bundeszwecke und die ungenügende Erfül­ lung derselben in ihrer Beschränktheit beruhen beide auf demselben Grunde, es ist der in dem Bunde bestehende Dualismus. Wie man auch den Bundes­ zweck fasse und wie formell man die Pflichten der Einzelnen gegen den Bund bestimme, man wird nie dahin gelangen können, daß unter dem Titel des Bundesrechts die eine der beiden deutschen Großmächte der Kräfte der ande­ ren sich im eigenen oder im allgemeinen deutschen Interesse bedienen könne, wenn jene andere aus irgend einem Grunde sich versagen sollte. Der daraus sich ergebende Gesichtspunkt, daß nur die Auseinandersetzung der beiden deutschen Großmächte in Deutschland zu einer wahrhaft befriedi­ genden Reform Deutschlands hinführen kann, muß vorausgestellt werden, um den Art. I der vorliegenden Reformacte mit seinen Vorschlägen über Er­ weiterung der Bundeszwecke gehörig würdigen zu können. Die Bedenken gegen diese letztere lassen sich in den Satz zusammenfassen, daß dem Staa­ tenbunde zugemuthet wird, was nur der Bundesstaat zu leisten vermag. Deutschland nicht blos nach Außen zu „sichern“[,] sondern ihm auch eine geachtete „Machtstellung“ in Europa zu verschaffen, ist sicher das begründet­ ste und der höchsten Anerkennung würdige Bestreben der deutschen Völker, dem zum Ausdruck und so weit irgend möglich zur Verwirklichung zu ver­ helfen Deutschlands Fürsten stets als ihr stolzestes Recht und ihre schönste Aufgabe betrachten werden. Jede Annäherung an dieses Ziel ist aber nur auf dem Wege möglich, daß für Deutschland ein einheitlicher Wille geschaffen werde, welcher über alle Kräfte Gesammtdeutschlands zu verfügen hat. Blei­ ben in dem Bunde zwei nahezu gleich mächtige Willen bestehen, welche, zur Leitung selbstständiger Großstaaten berufen, in der Wahrnehmung deutscher Interessen weder thatsächlich aufgehen, noch pflichtgemäß aufgehen dürfen, so wird dadurch die Erweiterung des Bundeszweckes, Deutschland als sol­ chem mittelst einer activen Bundespolitik eine europäische Machtstellung zu begründen, factisch unmöglich gemacht, und das Postulat an den Bund zu leisten, was er nicht kann, ist in hohem Grade gefährlich. Hat Deutschland schon bisher bei jeder schwereren europäischen Krisis in der nach Art. 35 der Wiener Schluß-Akte2 ihm zugewiesenen rein defensiven Stellung sich unsi­ 2 Artikel 35 der Wiener Schlußakte lautet: „Der Bund hat als Gesammt-Macht das Recht, Krieg, Frieden, Bündnisse, und andere Verträge zu beschließen. Nach dem im 2. Artikel der BundesActe ausgesprochenen Zwecke des Bundes übt derselbe aber diese Rechte nur zu seiner Selbstvertheidigung, zur Erhaltung der Selbstständigkeit und äußern Sicherheit Deutschlands, und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Bundes-Staaten aus.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 96.

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cher gefühlt, weil die bloße Vertheidigung mit den Sonderinteressen der einen oder der anderen seiner Großmächte in Widerspruch kommen konnte, so trägt jeder Versuch einer activen Politik des Bundes unter der gemeinsamen Lei­ tung dieser beiden Mächte in ungleich höherem Grade die Gefahr einer Ent­ zweiung derselben und damit einer Zerreißung des Bundes in sich. Eine Steigerung der Zwecke des Bundes ist, nachdem seine Mittel sich für seine bisherigen beschränkten Zwecke als ungenügend erwiesen haben, nicht möglich, ohne jene Mittel sehr bedeutend zu erhöhen. Dies soll aber nach dem Inhalt der Reformacte nicht geschehen. Diese beschränkt sich darauf, andere als die bisherigen Organe für die Ausübung der Bundesgewalt in Vor­ schlag zu bringen, während diese, aus den von den einzelnen Bundesgliedern dem Ganzen überlassenen Rechten bestehend, völlig unverändert bleiben soll. Weder Oesterreich noch Preußen verzichten auf ihre europäische Stellung, welcher es widerstrebt, daß sie hauptsächlich durch ihre eigenen Mittel eine dritte mit ihnen concurrirende, eine selbstständige deutsche Macht schaffen sollen. Das Postulat des Art. 1 wird sich schwächer erweisen als die Natur der Dinge, und weil dem so ist, konnte den übrigen deutschen Staaten ein Opfer zu Gunsten eines Ganzen, das nur als Postulat, nicht in Wirklichkeit bestehen würde, nicht angesonnen werden. Baden hat wiederholt seine Bereitwilligkeit zu Opfern zu Gunsten des Deutschen Bundesstaates erklärt und erklärt sie bei diesem Anlaß auf’s Neue. Dem Staatenbunde unter dem dualistischen Einfluß zweier europäischer Großstaaten können aber solche Opfer nicht in gleichem Maaße gebracht werden. Dies kann von keiner Seite geschehen. Somit kann auch seine Macht nicht wesentlich erhöht werden und eine Ausdehnung sei­ nes auf Vertheidigung gerichteten Zweckes auf Erlangung und Behauptung einer selbstständigen europäischen Machtstellung erweist sich als unthunlich. Wie auf der Basis des Staatenbundes, so lange dieselbe beibehalten wer­ den soll, eine erweiterte Thätigkeit der Bundesgewalt nach Außen unaus­ führbar ist, so läßt sich auf derselben auch für das Innere eine wesentlich umfassendere Bundesregierung als bisher nicht wohl begründen. Muß selbst in dem Bundesstaat, in welchem die Einheit des Staatslebens viel schärfer entwickelt ist, die innere Gesetzgebung als Regel den Einzelstaaten überlas­ sen bleiben, so gilt dieß noch viel mehr von dem loseren Staatenbunde. Ohne eine Ver­letzung feststehender und wohl begründeter juristischer Begriffe, de­ ren praktische Nachtheile nicht ausbleiben würden, kann in demselben von einer gesetzgebenden Gewalt des Bundes überhaupt nicht die Rede sein. Der Entwurf erkennt dieß selbst an, denn von Bundeswegen sollen nach Art. 20 nur allgemeine Grundzüge, nicht im Detail formulirte Gesetze festgestellt werden. Bei der s. g. Bundesgesetzgebung soll nach Art. 6 das Directorium, nicht wie sonst den Bund als Ganzes, sondern „die Gesammtheit der Bun­ desregierungen“ vertreten und nach Art. 25 geht die Sanction der von den

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Bundesabgeordneten beschlossenen Gesetze von der Fürstenversammlung aus, welche dieselben sodann „sowohl durch das Directorium als in den ein­ zelnen Staaten verkündigen läßt“, wobei es völlig unentschieden bleibt, ob sie auf der Autorität des Bundes oder auf der der einzelnen Souveraine beru­ hen. Die Unzuträglichkeiten, welche mit dieser Unsicherheit der Gränzen zwischen den centralen und den particularen Gewalten verbunden sind, wer­ den in ihrem Erfolge dadurch allerdings etwas gemindert, daß das Gebiet der Bundesgesetzgebung, welches nach dem Entwurf (Art. 20) übrigens weder den bestehenden Bundesgrundgesetzen noch dem practischen Bedürfniß vollständig entspricht, ein ziemlich eng umgränztes ist und nur mit Majori­ täten von 4/5 der Stimmen im Bundesrath und in der Versammlung der Bundes­abgeordneten erweitert werden kann. Dieser relative Vortheil wird aber durch den Nachtheil erkauft, daß die Gemeinsamkeit der Gesetzgebung auch da, wo sie gerechtfertigt und wünschenswerth ist, nahezu eben so schwer wie jetzt zu erreichen sein wird, während die bundesstaatliche Orga­ nisation im Stande ist, allen Bedürfnissen vollständig Genüge zu thun, ohne zu einer höchst bedenklichen Verwirrung der Gränzen unter den verschiede­ nen Gewalten zu führen. Diese Gefahr spricht auch dagegen, die Bundesorgane zu Vermittlern sol­ cher Particulargesetze zu machen, welche in mehreren oder allen Bundesstaa­ ten gleichmäßig, aber als Particulargesetze erlassen werden sollen, ganz ab­ gesehen davon, daß eine derartige Vereinbarung ohne Zuzug des Bundes nicht zu verbieten und je nach Umständen leicher zu erzielen ist. Die „Förderung der Wohlfahrt der deutschen Nation“ und die „Vertretung ihrer gemeinsamen Anliegen“, welche in Art.1 der Reformakte als weiterer Bundeszweck bezeichnet ist, wird durch die Organe des Bundes füglich nicht anders als durch Bundesgesetze und durch die Geltendmachung deut­ scher Interessen gegenüber dem Ausland ausgeführt werden können; in bei­ den Beziehungen ist auf das bereits Vorgetragene zu verweisen. Ein Eingrei­ fen in das innere Leben der Einzelstaaten von Bundeswegen, sofern ein sol­ ches durch die angegebenen Bundeszwecke angedeutet sein sollte, steht im Widerspruch mit den Grundlagen des Bundes und wäre, wenn es in irgend erheblicher Ausdehnung Statt fände, mit allen bestehenden Einrichtungen, Sitten, Gewohnheiten und Anschauungen unverträglich. Je weniger der Ent­ wurf in seinen Einzelbestimmungen genauere Festsetzungen über diesen Punkt enthält, um so bedenklicher erscheinen die ganz vagen Sätze des Art. 1, da doch in dem3 complicirten Organismus sowohl des Staatenbundes wie des Bundesstaates die schärfsten Bestimmungen über die Competenz der centralen und der particularen Gewalten geradezu unentbehrlich sind, 3 Emendiert. Vorlage: den.

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um eine friedliche und reguläre Entwickelung zu sichern. Die Bedenken müssen wachsen, wenn unter den Bundeszwecken auch „die Wahrung der öffentlichen Ordnung im Innern“ und „der Schutz des öffentlichen Rechtszu­ standes in den einzelnen deutschen Staaten“ aufgeführt wird, während die Bundes-Akte Art. 2 nur die Erhaltung der inneren Sicherheit als Bundes­ zweck kennt. Der zuletzt erwähnten Erweiterung des Bundeszweckes kann nur unter der Voraussetzung zugestimmt werden, daß der öffentliche Rechts­ zustand in den Einzelstaaten eventuell, soweit deren innere Einrichtungen nicht hinreichen, unter die Garantie eines Bundesgerichts gestellt wird; die Wahrung der öffentlichen Ordnung im Innern (der Einzelstaaten?) ist aber bei der Vieldeutigkeit dieses Ausdruckes als Bundeszweck unbedingt be­ denklich. Nach diesem Gesichtspunkt könnten die mittleren und kleineren Staaten genöthigt werden, in ihrem gesammten inneren Staatsleben einer von beiden Großmächten gemeinsam befolgten Richtung nicht nur die der überlegenen Macht thatsächlich nicht zu verweigernde Rücksicht zu tragen, sondern dasselbe unbedingt darnach zu gestalten. Schließlich sei hinsichtlich der Fassung des Entwurfes noch bemerkt, daß nach derselben den einzelnen deutschen Staaten Unverletzbarkeit und verfas­ sungsmäßige Unabhängigkeit garantirt wird. Es wird damit die Fassung der Bundesacte wiederhergestellt, während derselben die präcisere der Wiener Schluß-Akte Art. 14 vorzuziehen wäre, und da das neu aufgenommene Bei­ wort „verfassungsmäßig“ zu Unabhängigkeit nur auf die Bundesverfassung bezogen werden kann, empföhle es sich, dies ausdrücklich zu sagen oder den ganzen Zusatz als selbstverständlich wegzulassen. Nach diesen Erwägungen würde Baden die Formulirung der Bundeszwec­ ke, wie sie in der Bundes-Akte und der Wiener Schluß-Akte enthalten ist, derjenigen der Reformacte vorziehen.   Erklärung Badens zu Art. II  [Anlage Nr. 1 b]

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 118. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 98 f.

Baden äußert Bedenken gegen die Stellung und Zusammensetzung des vorgeschlagenen Direktoriums. Es würde der Natur des Bundes widersprechen, wenn die Leitung seiner Angelegenheiten ausschließlich in die Hände einiger weniger Bundesmitglieder gelegt würde. Auch gegen die Stellung der Fürstenversammlung als Regierungsorgan gibt es Bedenken. 4 „Der deutsche Bund ist ein völkerrechtlicher Verein der deutschen souverainen Fürsten und freien Städte, zur Bewahrung der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit ihrer im Bunde begrif­ fenen Staaten und zur Erhaltung der innern und äußern Sicherheit Deutschlands.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 91.

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Erklärung Badens zu Art. IV

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Baden Erklärung zu Art. II. In der übersichtlichen Aufzählung der Organe, durch welche künftig die Thä­ tigkeit des Bundes geübt werden soll, ist die Bereicherung des bestehenden Organismus durch Heranziehung von Bundesabgeordneten zur Vertretung der Bundesbevölkerung und durch Herstellung eines Bundesgerichtes als erhebli­ che Verbesserung anzuerkennen. Bemerkungen über Bildung und Zuständig­ keit dieser Bundesorgane werden zu den betreffenden Abschnitten vorbehalten. Die Scheidung und Gegenüberstellung eines Bundesdirectoriums und eines Bundesrathes kann eine, jedenfalls übrigens nur ziemlich mäßige Vereinfa­ chung und eine etwas größere Energie des Geschäftsganges herbeiführen, Vortheile, die zu theuer erkauft wären, wenn nach Stellung oder Zusammen­ setzung des Directoriums die Leitung des Bundes entgegen der Natur eines solchen, ausschließlich in die Hände einiger weniger Glieder desselben gelegt würde. – Artikel 3 wird Gelegenheit bieten, die dagegen gerichteten Beden­ ken zu erörtern und die naturgemäßere Stellung des Directoriums als vollzie­ henden Ausschusses des Bundestages anzudeuten. Eben so können die ernsten Anstände, welche gegen die Fürstenversamm­ lung obwalten, hier nur berührt werden; sie geht, als Regierungsorgan ge­ dacht, in dem Bundesrathe auf, und müßte als Factor der gesetzgebenden Ge­ walt aufgefaßt, Stellung und Organisation eines Oberhauses erhalten.   Erklärung Badens zu Art. IV  [Anlage Nr. 1 c]

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 120. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 99.

Die Verstärkung der Stimmen der Großmächte im geplanten Bundesrat ist begründet, sofern das Plenum der Bundesversammlung entfällt und dessen Befugnisse auf den Bundesrat übergehen.

Baden Erklärung zu Art. IV. Unter der Voraussetzung, daß nach den Vorschlägen der Reformacte das Ple­ num wegfällt und dessen Befugnisse auf den Bundesrath übergehen, erscheint die Verstärkung der Stimmen der beiden Großmächte in dem letzteren be­ gründet. [Anlage] No 2

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 123. Behändigte Ausfertigung. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 99.

Heinrich Prinz der Niederlande muß alles auf dem Fürstentag bisher Verhandelte „ad referendum“ nehmen, da er der deutschen Sprache nicht mächtig ist.

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[Erklärung von Heinrich Prinz der Niederlande] Da ich der deutschen Sprache nicht ganz mächtig bin und deshalb der Ver­ handlung in ihrem detail nicht genau habe folgen können, so habe ich den richtigen Augenblick verfehlt die Erklärung niederzulegen daß [ich] alles „Ad referendum“ nehmen muß, grade wie die freie[n] Städte. Ich bitte diese Er­ klärung zu Protokol[l] zu geben. 24. August 1863 Heinrich Prinz der Niederlande   Vorschlag von Sachsen zum Direktorium  [Anlage] No 3

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 126. Abschrift. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 99 f.

Sachsen macht einen Vorschlag zur Zusammensetzung des Bundesdirektoriums und zum Abstimmungsmodus.

[Sachsen.] Art. 3. Das Directorium des deutschen Bundes besteht: 1. Aus dem Kaiser von Oesterreich, 2. Aus dem Könige von Preußen, 3. Aus dem Könige von Bayern, 4. Aus den Königen von Sachsen, Hannover und Würtemberg, in jährli­ chem Wechsel durch einen aus ihrer Mitte, insofern nicht eine andere gemeinschaftliche Vereinbarung unter ihnen eintritt. 5. Aus einem durch die sieben Großherzoge und den Kurfürsten von Hes­ sen zu wählenden Bundesmitglied, 6. aus einem durch die übrigen Bundesglieder zu erwählenden BundesMitglied. Die Wahlen unter 5 und 6 geschehen auf drei Jahre und unter Anwendung des im Artikel 6 der Bundes Acte festgehaltenen Stimmenverhältnisses. Die Mitglieder des Directoriums werden sich in der Regel durch Bevoll­ mächtigte am Bundessitze vertreten lassen. Es bleibt ihnen jedoch vorbehal­ ten sich bei wichtigeren Veranlassungen zu vereinigen, um die Befugnisse des Directoriums in Person auszuüben. Art. 4. etc. Art. 5. Bei Absatz drei nach den Worten: „mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt“ noch einzuschalten: „Bei Stimmengleichheit wird die Zahl der Bevölkerung

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Antrag von Nassau

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(nach der Bundes-Matrikel) der von jeder Stimme vertretenen Staaten, also 1stens Oesterreichs, 2tens Preußens, 3tens Baierns, 4tens der drei Königreiche, 5tens des Kurfürstenthums und sämmtlicher Großherzogthümer, 6[tens] aller übrigen Bundesstaaten nach den sich gegenüber stehenden drei Stimmen zu­ sammen gerechnet und solcher Gestalt die Majorität entschieden.[“] [Anlage] No 4.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 130. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 100.

Oldenburg spricht sich für ein fünfköpfiges Direktorium aus.

Oldenburg. 1. Ich bin immer entschieden für 5 Direktorial Mitglieder gewesen, und wür­ de daher unbedingt dem Oesterreichischen Entwurf zugestimmt haben. Da ich aber hörte, daß von anderer Seite Amendements gestellt werden sollten, so beabsichtigte ich in der heutigen Sitzung folgenden Antrag einzubringen: Das Directorium des deutschen Bundes besteht aus dem Kaiser von Oesterreich, dem König von Preußen, dem König von Baiern, und zweien von den sämmtlichen übrigen Staaten nach dem im Art. VI der Bundes Akte festgestellten Stimmenverhältnisse auf drei Jahre gewähl­ ten Souveränen. Nachdem nun der König von Hannover sich für fünf Directorial Mitglie­ der, aus den Armeecorps Gruppen hervorgehend, ausgesprochen hat, kann ich diesen Antrag nur unterstützen, jedoch unter der Bedingung, daß das Stimm­ gewicht in den einzelnen Gruppen nicht nach der Matrikel, sondern nach dem im Art. XVI der Vorlage für die Versammlung der Bundesabgeordneten vor­ geschlagenen Stimmverhältnisse festgesetzt werde. Auch gehe ich davon aus, daß einzelne Staaten der Reserve Division, der Gruppe des X. Armeecorps zugetheilt werden. 2. (Nach erfolgter Abstimmung.) Falls der König von Hannover unbedingt dem Sächsischen Vorschlage beitre­ ten wolle, bin ich auch geneigt, um das so wünschenswerthe Einverständniß in dieser hochwichtigen Frage herbeizuführen, meine Ansicht fallen zu las­ sen, und dem Antrage des Königs von Sachsen beizutreten.   Antrag von Nassau 

[Anlage] No 5.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 132 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 100.

Nassau beantragt ein sechsköpfiges Direktorium.

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Antrag von Nassau. Das Directorium des deutschen Bundes besteht aus sechs Stimmen, eine Stimme führt Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, eine Seine Majestät der König von Preußen, eine Seine Majestät der König von Bayern, eine Ihre Majestäten die drei Könige von Sachsen, Hannover und Württemberg, wel­ che in einem jährlichen Turnus untereinander wechseln, eine Stimme führen diejenigen Staaten, welche nach § 6 der Bundesacte in pleno mit 3 und 2 Stimmen betheiligt sind und einen Souverän deßhalb zu wählen haben, und eine Stimme diejenigen Staaten, welche nach § 6 der Bundesacte in pleno mit 1 Stimme betheiligt sind und einen Souverän deßhalb wählen werden. Die zwei gewählten Stimmen werden auf drei Jahre gewählt. Die Mitglieder des Directoriums werden sich in der Regel durch Bevoll­ mächtigte am Bundessitze vertreten lassen. Es bleibt ihnen jedoch vorbehal­ ten, sich bei wichtigeren Veranlassungen zu vereinigen, um die Befugnisse des Directoriums in Person auszuüben. Zu Artikel 5. Bei Stimmengleichheit wird diejenige Stimme zur Geltung kommen, welche curienweise gerechnet, die größte Einwohnerzahl vertritt.   Erklärung Badens zu Art. III  [Anlage] No 6

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 134 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 101.

Zu Artikel 3 der Bundesreformakte erklärt Baden, daß es das beste wäre, einen Exekutivausschuß aus Österreich und Preußen zu bilden, dem noch ein aus der Bundesversammlung gewähltes drittes Mitglied hinzugefügt werden könnte. Soll es jedoch bei dem Plan des Direktoriums bleiben, so plädiert Baden für 6 Mitglieder, bei deren Bestimmung kein Bundesmitglied ausgeschlossen werden soll. Auch soll der Eintritt kleinerer Staaten ins Direktorium nicht von vornherein unmöglich gemacht werden.

Baden Erklärung zu Art. 3 Als die dem Wesen eines Staatenbundes adäquateste Einrichtung wird immer eine Bundesversammlung mit einem Executiv-Ausschuße zu betrachten sein. Dieser Ausschuß aber hat naturgemäß aus dem oder den Mächtigsten unter den Mitgliedern zu bestehen. Für die Fortdauer eines föderativen Zustandes in Deutschland würde somit ein aus Oesterreich und Preußen zusammenge­ setzter, in beständiger Verbindung mit der Bundesversammlung stehender Ausschuß dieser Art als das Beste erscheinen; etwa möchte noch ein drittes von der Versammlung aus ihrer Mitte frei gewähltes Mitglied beigefügt sein.

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Erklärung Badens zu Art. 5

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Soll jedoch auf den vorliegenden Vorschlag eines Directoriums eingegan­ gen werden, so könnte eventuell allerdings nicht bloß der Fünfzahl, sondern auch einer Vermehrung der Mitglieder von fünf auf sechs zugestimmt wer­ den, jedoch ausgehend von einer doppelten als selbstverständlich betrachteten Voraussetzung: einmal daß in dem achten Armeecorps, auch wenn seine Zusammenset­ zung aus drei Staaten beibehalten würde, keine Wahl sondern ein Turnus stattfände; zweitens daß die Ernennungsweise in dem aus einer größeren Anzahl von Staaten bestehenden Armeecorps so geregelt würde, daß ein Eintritt auch kleinerer Staaten nicht eine thatsächliche Unmöglichkeit wäre. Je wichtiger die dem neuen Bundesorgane zugedachten Befugnisse wären, desto weniger dürfte es mit der Selbstständigkeit u. Gleichberechtigung von Bundesgliedern vereinbar sein, wenn sie schon durch organische Einrichtun­ gen selbst von der Möglichkeit einer theilweisen Theilnahme an diesen Be­ fugnissen ausgeschloßen u. somit zu einer untergeordneten Klasse zu Gun­ sten Einzelner herabgesetzt würden. Unannehmbar erscheint der Vorschlag, die 3 durch Wahl zu ernennenden Directorialmitglieder aus den 3 Klassen der königlichen, der großherzogli­ chen und der übrigen Mitglieder des Bundes hervorgehen zu lassen, da nach demselben in einer äußerlichen Zufälligkeit das Kriterium gefunden wird, nach welchem die durch je ein Mitglied in dem Directorium vertretenen Gruppen sich bilden. Ueberdieß dürften noch folgende weitere, wohl mehr die Redaction betref­ fenden Bemerkungen an der Stelle sein: Einmal erschiene es den neuen Verhältnissen in einem Staatenbunde ange­ messener, wenn nicht die allerhöchsten und höchsten Personen der Souveräne als das Directorium bildend genannt wären, sondern, wie dieß bis jetzt immer in den Bundesgesetzen üblich war, die betreffenden Staaten, also: Oester­ reich, Preußen, u. s. w. Sodann möchten in dem Schlußsatze, welcher die Möglichkeit einer Ueber­ nahme der Directorialgeschäfte durch die betreffenden Fürsten selbst bespricht, dieselben in ihrer Eigenschaft als Staatsoberhäupter zu bezeichnen sein, damit daraus erhellen würde, wie sie auch diese Rechte nicht als eine persönliche, sondern in ihrer verfassungsmäßigen Eigenschaft und Einschränkung ausüben.   Erklärung Badens zu Art. 5  [Anlage] No 7 HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 139 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 102 f.

Baden beharrt darauf, daß die Instruierung des Bundesdirektoriums nicht von den darin vertretenen Regierungen, sondern nur von der Bundesversammlung bzw. dem

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Bundesrat erfolgen soll. Ferner erhebt Baden Einwände dagegen, daß im Direktorium und im Bundesrat Beschlüsse nur durch einfache Mehrheit gefaßt werden sollen. Solche Mehrheitsbeschlüsse könnten zu „offenen Rissen“ in Deutschland führen, wenn etwa eine Großmacht durch die anderen Staaten majorisiert würde. Die Schaffung neuer Bundesbehörden soll nicht in der Reformakte beschlossen, sondern von einem Beschluß des Bundesrats abhängig gemacht werden.

Baden Erklärung zu Artikel 5. 1. Die Instruirung eines Bundesvollziehungs Ausschusses, wie eine solche in den Bemerkungen zu Art. 3 als wünschenswerth dargestellt worden ist, würde selbstverständlich von der Bundesversammlung, und nur von ihr geschehen. Ein Gleiches würde jedoch auch bei einem Bundes Directorium der in Antrag gebrachten Art geschehen können und müssen. Eine selbstständige In­ struirung der Directorial-Bevollmächtigten durch ihre Regierungen hätte die Schaffung einer zur Vornahme oder wenigstens Einleitung aller irgend wich­ tigen allgemeinen Angelegenheiten berechtigten kleineren Zahl von Bundes­ staaten, damit aber die virtuelle Ausschließung sämmtlicher übrigen von we­ sentlichen Rechten und eine Heruntersetzung in eine tiefere Classe von Halb­ mediatisirten zur Folge. Ueberdies scheint in einem Bunde schon principiell die Besorgung der gemeinsamen Angelegenheiten nur im Sinne und Auftrage Aller geschehen zu können. Auch käme noch dazu, daß der selbstständige Einfluß einzelner Regierungen auf die politische Haltung Deutschlands die­ selben als Gegenstand und Sitz der Bemühungen und Intriguen fremder Mächte bezeichnen dürfte, während solches bei einem unter Viele vertheilten Einflusse mit Wirksamkeit nicht geschehen kann und somit unterbleibt. Aus diesem Grunde wäre das beabsichtigte Bundes-Directorium wenigstens nicht an die Instruction der dasselbe jeweilig bildenden Mitglieder allein zu wei­ sen, sondern vielmehr eine Instruirung durch den Bundesrath anzuordnen. Weder größerer Zeitverlust noch eine störendere Verschiedenheit der Meinun­ gen dürfte bei dieser Einrichtung zu besorgen sein, als bei der InstructionsEinholung der Directorial Mitglieder. 2. Dieses vorausgesetzt, möchte aber noch ein weiterer Punkt die ernstlich­ ste Erwägung verdienen. Nicht nur für das Directorium, sondern auch für den Bundesrath ist als Regel Beschluß durch einfache Mehrheit beantragt. Beim Directorium hätte dies allerdings wohl in der so eben angedeuteten Unterstellung der Instruction durch den Bundesrath keine wesentliche[n] Be­ denken; desto größere freilich, wenn bei der Instruction durch die eigenen Regierungen beharrt werden wollte. Je weiter die Zuständigkeit des Directo­ riums ausgedehnt werden will, und je tiefer dieselbe in die ganze politische, auch europäische Stellung der beiden Großmächte eingreifen müßte: desto

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Erklärung Badens zu Art. 5

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leichter könnte sich in kürzester Zeit ein unleidlicher Zustand für diejenige der beiden Mächte gestalten, gegen deren Ueberzeugung und Interesse eine der anderen Macht sich anschließende Mehrheit Beschlüsse fassen würde, an deren Ausführung sie sich nun selbst zu betheiligen hätte. Die nothwendigen Folgen eines solchen versuchten Zwanges brauchen nicht erst ausgemalt zu werden. Um dem vorzubeugen, scheint kein anderes Mittel zu bestehen, als daß in gewissen, genau zu bestimmenden Fällen ein Beschluß nur bei einer Uebereinstimmung von Österreich und Preußen gefaßt werden könnte. Als solche Fälle aber dürften zu bezeichnen sein: Abschluß von Verträgen mit fremden Mächten, Maaßregeln zur Sicherung des Bundesgebiets gegen frem­ de Mächte, Antheil des Bundes an einem zunächst die außerdeutschen Pro­ vinzen eines Bundesgliedes betreffenden Kriege, neue organische Einrichtun­ gen, Auflösung der Abgeordnetenversammlung. Was aber den Bundesrath betrifft, so dürfte in allen Fällen der Beschlußfas­ sung mit einfacher Mehrheit hier ein doppeltes Bedenken entgegenstehen: einmal, daß eine aus mittleren und kleineren Staaten bestehende Mehrheit die beiden Großmächte überstimmen und denselben Handlungen anmuthen könnte, welche nur durch Einsetzung ihrer ganzen Kräfte ausführbar wären, während sie doch ihren Interessen und ihrer europäischen Stellung zuwider wären; zweitens, daß immerhin die Möglichkeit eines systematischen Anschlie­ ßens einer Anzahl von Stimmen an die eine der beiden Großmächte zur Zu­ rückdrängung der anderen derselben denkbar wäre. In beiden Fällen wären auch hierbei schwere Verwicklungen und Compro­ mittirungen der Bundesgewalt, wo nicht gar offene Risse durch Deutschland zu besorgen, und es müßte daher die Feststellung derselben Ausnahme von dem Grundsatze der Entscheidung durch Stimmenmehrheit stattfinden. Von einer größeren Stimmenzahl, als der absoluten Mehrheit, könnte so­ dann in dieser Unterstellung füglich Abstand genommen werden. Auf die nothwendige Uebereinstimmung der beiden Großmächte, so daß eine Action des Bundes möglich wäre, dürfte aber wohl gehofft werden nicht blos im Vertrauen auf ihren Patriotismus und ihre Einsicht, sondern nament­ lich auch wegen des Druckes, welchen der neue Factor in Bundessachen, die Abgeordnetenversammlung, auszuüben nicht verfehlen könnte. 3. Mit der Unterordnung der Hülfsbehörden des Bundes unter das Directo­ rium könnte man sich wohl einverstanden erklären. Doch dürfte die Schaf­ fung neuer Stellen dieser Art nicht alsbald in einer Reformacte zu beschlie­ ßen, sondern dem etwa sich zeigenden Bedürfnisse überlassen bleiben und von einem Beschlusse des Bundesraths abhängig zu machen seyn. Nament­ lich dürfte aus dem Grunde des noch fehlenden Bedürfnisses zunächst von einer Stelle für Zoll und Handel noch keine Rede seyn.

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  Erklärung Badens zu Art. VI  [Anlage] No 8.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 142. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 104.

Zum Verhältnis von Bundesrat und Fürstenversammlung erklärt Baden, daß in letzterer die Beschlüsse – wie im Bundesrat – „nicht nach rein persönlichen Auffassungen, sondern in konstitutioneller Selbstbeschränkung“ gefaßt werden müssen.

Baden. Erklärung zu Art. 6. In Beziehung auf das Verhältniß des Directoriums zum Bundesrathe kann le­ diglich auf das zu Art. 5 Bemerkte Bezug genommen werden. Daß bei Beschlüssen über Gesetzgebung, welche das Directorium weiter­ hin zur Ausführung zu bringen hätte, der Fürstenversammlung keine Eröff­ nung geschehen könnte, ergibt sich schon aus der zu Art. 2 abgegebenen Er­ klärung. Von einem Unterschiede in den Beschlüssen des Bundesrathes und der Fürstenversammlung könnte ohnedem niemals die Rede sein, da der Bun­ desrath nach den Instructionen der Regierungen zu verfahren hätte, die Für­ stenversammlung aber, dieselbe überhaupt als möglich angenommen, auch nicht nach rein persönlichen Auffassungen, sondern in konstitutioneller Selbstbeschränkung, Beschlüsse faßen würde.

65. Protokoll Nr. 5 der Frankfurter Fürstenkonferenz

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 148, 180, 183, 192, 199, 204, 209 f., 212, 219–221, 228 f. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 104–111.

Die Beratungen über die Bundesreformakte werden fortgesetzt. In keinem Punkt wird eine allseitige Einigung erzielt. Hannover, Baden und Kurhessen haben immer noch Vorbehalte gegen den Vorschlag zur Bildung des Bundesdirektoriums. Zum Artikel 8 der Reformakte werden verschiedene Amendements vorgelegt, die zu einer kontroversen Debatte führen. Da man sich nicht einigen kann, soll ein Vermittlungskomitee gebildet werden. Zu Artikel 14 werden diverse Erklärungen und Vorschläge eingebracht, eine definitive Einigung wird nicht erzielt. Artikel 16 wird nach längerer Debatte mit drei Modifikationen angenommen, wobei allerdings Sachsen-Coburg nur teilweise zustimmt und Baden und Sachsen-Weimar Vorbehalte äußern. Über Artikel 11 wird keine Übereinstimmung erzielt, es soll am Folgetag ein Verständigungsversuch unternommen werden. Zu Artikel 18 legen mehrere Fürsten Änderungsanträge vor, der kaiserliche Vorschlag wird ohne die Stimmen von Baden, Sachsen-Weimar und Sachsen-Coburg-Gotha angenommen.

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Protokoll Nr. 5 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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Frankfurt am Main, 25. August 1863 Protokoll der zu Frankfurt a/M am 25ten August 1863 von 11 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nachmittags abgehaltenen fünften Sitzung der Conferenz der souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands. Anwesend waren die sämmtlichen im Protokolle der ersten Sitzung genann­ ten Mitglieder der Conferenz mit Ausnahme Sr Hoheit des Herzogs von Sach­ sen-Altenburg. Im Auftrage Seiner Hoheit wurde von Sr königl. Hoheit dem Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin angezeigt, daß der Herzog durch Unwohlsein verhindert sei, an der heutigen Conferenz Theil zu nehmen und Sich Seine Entschließung über die Gegenstände derselben vorbehalte. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich richteten hierauf an diejenigen Für­ sten, welche an der gestern Abends in Folge des Beschlusses der gestrigen Conferenz stattgehabten Besprechung über die Meinungsverschiedenheiten in der Directorialfrage Antheil genommen hatten, die Einladung, der hohen Ver­ sammlung von den Ergebnissen des eingeleiteten Verständigungsversuches Mittheilung machen zu wollen. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin gaben in Folge hievon Ihren Entschluß zu erkennen, den von Ihnen zu Artikel 3 ge­ stellten Antrag zurückzuziehen, und um den Wünschen Ihrer Bundesgenossen entgegenzukommen, Sich mit dem von Sr Majestät dem Könige von Sachsen eingebrachten Antrage einverstanden zu erklären, wenn auch derselbe den Grundzügen nicht entspreche, welche Mecklenburg-Schwerin in Bezug auf die Bildung des Directoriums für die richtigen halte. Se Majestät der König von Sachsen und Se Hoheit der Herzog von Nassau benachrichtigten die Conferenz, daß aus der gestrigen Besprechung ein zum Theil veränderter Vorschlag in Bezug auf die Wahl der drei nichtständigen Mitglieder des Directoriums hervorgegangen sei. Der Herzog verlas diesen combinirten sächsisch-nassauischen Vorschlag, welcher dem heutigen Proto­ kolle unter Ziffer 1 beiliegt. Des Großherzogs von Baden kön. Hoheit gaben die unter 2 anliegende Er­ klärung zu Protokoll. Se Majestät der Kaiser bemerkten, daß sonach nunmehr zwischen dem ur­ sprünglichen königl. sächsischen Vorschlage, wie ihn gestern eine große Ma­ jorität unter Aussetzung der Berathung über den Antrag Nassau’s angenom­ men, und der neuen sächsisch-nassauischen Proposition eine Entscheidung zu treffen sein werde. Bei der Umfrage begründeten Se kön. Hoheit der Großherzog von Baden ausführlich den Anspruch des badischen Staates, in der von Sachsen und Nas­

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sau beantragten 5ten Gruppe eine seiner Bedeutung und Volkszahl angemesse­ ne Vorzugsstellung zu erhalten. Dieser Anspruch fand in der hohen Versamm­ lung vielseitige Anerkennung. Nach dem Antrage Sr Majestät des Kaisers wurde beschlossen, die Verständigung über die Wahlmodalitäten in der 5ten Gruppe ad separatum zu verweisen, wobei Se Majestät der Kaiser die Hoff­ nung ausdrückten, daß diese Verständigung noch hier in Frankfurt zu Stande komme und der Fürstenversammlung vorgelegt werden würde. Gegenüber den Ausführungen des Großherzogs von Baden erklärten Se Majestät der König von Hannover, daß Sie Sich nicht davon Rechenschaft zu geben wüßten, warum in einer einzelnen Gruppe den Größenverhältnissen und dem Bevölkerungsmaßstabe eine so große Bedeutung beigelegt werden sollte, nachdem dieses Princip doch nicht im Ganzen und Allgemeinen dem sächsischen Antrage zu Grunde gelegt sei, für die Anordnung dieses Antrages vielmehr die Rangverhältnisse den Anhaltspunkt dargeboten hätten. Se Maje­ stät hätten die Hand zur Einigung gereicht, wenn aber jetzt zu Gunsten ­Badens auf Grund der Bevölkerungszahl eine bevorzugte Stellung innerhalb einer der Gruppen beansprucht werde, so könnten Se Majestät nicht darüber hinwegsehen, daß der sächsische Antrag die drei Königreiche innerhalb des ganzen deutschen Bundes nicht nach diesem Maßstabe behandle. In diesem Falle glaubten Sie es vielmehr Ihrem Hause und Ihrem Lande schuldig zu sein, zu verlangen, daß den drei Königen zwei Stellen im Directorium zuge­ standen, somit eine 7te Direktorialstelle errichtet würde, und Sie müßten Sich vorbehalten, hierauf Ihren Schlußantrag zu richten. Se kön. Hoheit der Kurfürst von Hessen erklärten, auf eine Entschließung in Bezug auf den heute eingebrachten sächsisch-nassauischen Antrag nicht hinreichend vorbereitet zu sein, Sich somit gleichfalls Ihre Ansicht vorerst noch vorbehalten zu müssen. Des Großherzogs von Baden kön. Hoheit gaben die unter Ziffer 3 anlie­ gende bedingt zustimmende Schlußerklärung ab. Sämmtliche übrige[n] Fürsten, sowie die Herren Vertreter der Städte stimm­ ten dem sächsisch-nassauischen Antrage zu, der Großherzog von Mecklen­ burg-Strelitz unter dem Ausdrucke seiner Anerkennung für die Seiner Ver­ wahrung gewidmete Rücksicht. Se Majestät der Kaiser bemerkten, daß hienach die gesondert zu bewirken­ de Verständigung in der fünften Gruppe, dann die Vorbehalte Hannover’s und Kurhessen’s die noch zu erledigenden Punkte in der Directorialfrage bildeten. Bevor zur Tagesordnung übergegangen wurde, ließen Se kön. Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar die unter Zahl 4 anliegende Erklärung zu Protokoll nehmen. Se kais. Majestät brachten hierauf den Artikel 8 zur Berathung. Amendements zu diesem Artikel wurden schriftlich gestellt:

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Protokoll Nr. 5 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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1. von Sr kön. Hoheit dem Großherzoge von Baden, laut Anlage 5 (zu­ gleich auf den der Berathung der Minister-Conferenz vorbehaltenen Artikel 7 sich erstreckend)[;] 2. gemeinschaftlich von Ihren kön. Hoheiten den Großherzogen von Sach­ sen-Weimar und von Oldenburg, laut Anlage 6, und dem Herzoge von Sach­ sen-Coburg laut Anlage 6a. Im Verlaufe der Diskussion stellten 3. des Königs von Sachsen Majestät den Abänderungsantrag, daß zu einer Entscheidung über Krieg und Frieden in den Fällen des Alinea 4 und des ­Alinea 5 kein verschiedenes Stimmverhältniß erforderlich, sondern in beiden Fällen, sowie auch im Falle des Alinea 7 (Friedensschluß) einfache Stimmen­ mehrheit hinreichend sein solle. Endlich 4. beantragten des Herzogs von Sachsen-Coburg Hoheit, die Fest­ stellung der Bestimmungen über Krieg und Frieden zunächst einer Verständi­ gung zwischen Oesterreich und Preußen anheimzustellen. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich schlossen Sich dem Antrage des Königs von Sachsen an, und erklärten Sich entschieden gegen den WeimarOldenburgischen Antrag, welcher Allerhöchstdenselben jede Wirksamkeit des Directoriums zu lähmen schiene. Weniger schädlich würde sein, den Satz ­wegen des europäischen Gleichgewichtes ganz wegzulassen. Se Majestät der König von Hannover dagegen erklärten, auf die Beibehaltung dieses Satzes großen Werth zu legen. Gegen den Vorschlag des Herzogs von Sachsen-Co­ burg sprachen sich ebenfalls Oesterreich, Sachsen und Hannover aus. Da über die verschiedenen Amendements ein Einverständniß nicht erzielt werden konnte, so schlugen Se Majestät der Kaiser eine Comité-Berathung über die von diesen Abänderungsanträgen betroffenen Absätze 2, 4, 5 und 7 des Artikels 8 vor. Die Zusammensetzung des Comité’s wurde Sr Majestät auf des Großherzogs von Oldenburg Antrag anheim gestellt. Die übrigen Bestimmungen des Artikels 8, nämlich die Absätze 1, 3, 6, 8 und 9, wurden von der Conferenz, mit Ausnahme des Vorbehalts des Groß­ herzogs von Baden einstimmig angenommen. Auf Antrag des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin wurde beschlos­ sen, auch den Artikel 9 des Entwurfs in der Fürstenconferenz zu berathen, und denselben auf die morgige Tagesordnung zu setzen. Ferner beschloß die Conferenz auf Antrag Sr Majestät des Kaisers, den ganzen Artikel 11, jedoch erst nach Artikel 16 zu berathen. Sie ging zunächst zur Berathung des Artikels 14 über. Zu diesem Artikel wurden von Ihren königl. Hoheiten den Großherzogen von Baden, Sachsen-Weimar und Oldenburg, sowie von Sr Hoheit dem Her­ zoge von Sachsen-Coburg die unter Ziffer 7 bis 10 anliegenden Erklärungen und Anträge eingebracht.

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In der Discussion, zu welcher diese verschiedenen Anträge Veranlassung gaben, wurde allseitig anerkannt, daß das regelmäßige Bundesbudget sowohl die ordentlichen als die außerordentlichen Ausgaben, soweit letztere vorher­ gesehen werden können, zu enthalten habe, und daher im Alinea 2 des Ent­ wurfes entweder das Wort „ordentlichen“ zu streichen, oder die Worte: „und außerordentlichen“ hinzuzufügen seien. In Gemäßheit der Anträge Oldenburgs, Sachsen-Weimar’s und SachsenCoburg’s wurde beschlossen, in demselben Alinea die Worte „zur Genehmi­ gung“ einzuschalten, wiewohl bemerkt wurde, daß das Erforderniß der Ge­ nehmigung sich schon aus dem folgenden Alinea ergebe. Die Anträge derselben Fürsten, wonach eine Bestimmung für den Fall ge­ troffen werden soll, wenn zwischen Directorium und Abgeordnetenversamm­ lung eine Vereinbarung über den Voranschlag nicht erfolgt, erhielten gleich­ falls die allseitige Zustimmung, mit der Ausnahme, daß die Großherzoge von Baden und von Mecklenburg-Schwerin Sich Ihre Meinung vorbehielten. Der Großherzog von Oldenburg bemerkte übrigens, daß Er auf die Fassung Sei­ nes Antrages keinen Werth lege, sondern nur das Princip habe zur Sprache bringen wollen, daß es nöthig sei, gegen den Mißbrauch des Bewilligungs­ rechtes der Bundesabgeordneten eine Garantie zu schaffen. Nicht unterstützt wurde der Antrag des Großherzogs von Baden, im vor­ letzten Alinea anstatt der Worte: „wenn letztere nicht vereinigt ist“ die Worte zu setzen: „wenn sie nicht berufen werden kann.“ Der Protokollführer wurde beauftragt, eine den vorerwähnten Beschlüssen entsprechende Wortfassung des Artikels in der morgigen Sitzung vorzulegen. Se Majestät der Kaiser von Österreich leiteten die Berathung auf den Artikel 16. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Meiningen beantragten, diesen Artikel zuerst der Minister-Conferenz zu verweisen, die hohe Versammlung beschloß jedoch die eigene Berathung. Eine Erklärung des Großherzogs von Baden über diesen Artikel liegt unter Ziffer 11 dem Protokolle bei. Bürgermeister Dr Haller von Hamburg begründete den Wunsch, daß der Stadt Hamburg mit Rücksicht auf ihre Volkszahl und Bedeutung zwei Stim­ men im Abgeordnetenkörper bewilligt würden. Ein Amendement des Herzogs von Sachsen-Coburg, Anlage 12 des Proto­ kolles[,] wurde sammt den Motiven verlesen, worauf Se Hoheit das Wort er­ griffen, um auch in mündlicher Rede Ihr Verhältniß zur Frage der mittelbaren oder unmittelbaren Wahlen auseinanderzusetzen. Käme es auf die eigene per­ sönliche Anschauung an, bemerkten Se Hoheit, so würden Sie sehr geneigt sein, den großen Werth, den man in weiten Kreisen auf jenen Unterschied lege, für einigermassen übertrieben zu halten, indem Einfluß und Bedeutung

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einer politischen Versammlung nicht immer von der Art ihrer Entstehung ab­ hingen. Allein bei dem einmal vorhandenen Stande der Dinge in Deutschland müßten Sie die Überzeugung hegen, daß eine günstige Aufnahme des Projek­ tes in der allgemeinen Meinung und die Möglichkeit seiner praktischen Durchführung wesentlich durch die Zulassung directer Volkswahlen bedingt seien, schon aus dem Grunde, weil in einer Reihe von deutschen Staaten die Kammern die Wahlen zu einer auf das Delegationsprincip gegründeten Ver­ tretung am Bunde entschieden ablehnen würden. Andererseits stünde fest, daß ein Antrag, die Abgeordnetenversammlung ausschließlich und allgemein aus directen Wahlen hervorgehen zu lassen, keine Aussicht auf Annahme ha­ ben würde, und es sei daher Sr Hoheit Bestreben gewesen, durch Ihr Amende­ ment die Möglichkeit einer Vermittlung zwischen den beiden Grundsätzen darzubieten. Des Kaisers von Österreich Majestät erwiderten hierauf, wie Sie gerne an­ erkennen wollten, daß in dem Amendement des Herzogs auf die besonderen Verhältnisse Oesterreichs Rücksicht genommen sei. Allein Sie müßten Sich deshalb nicht weniger bestimmt gegen den Vorschlag des Herzogs ausspre­ chen. Der Grundgedanke der Reformacte sei der föderative, die Staaten müß­ ten auch am Bunde in ihrer Selbständigkeit und verfassungsmäßigen Eigen­ thümlichkeit erscheinen, die constitutionellen Körperschaften der Einzelstaa­ ten, der österreichische Reichsrath z. B., könnten unmöglich am Bunde bei Seite gesetzt werden, vielmehr müsse sich gerade in deren Vereinigung am Bunde gleichsam sinnbildlich das Ganze des aus unabhängigen verfassungs­ mäßig regierten Staaten bestehenden Deutschlands darstellen. Der Vorschlag Sr Hoheit des Herzogs alterire das Fundament des Entwurfes, und schaffe ein Mittelding, welches keinem Theile genügen könne; – gegen Sr Majestät Über­ zeugung streite dieses Amendement entschieden. Die Könige von Bayern, Sachsen und Hannover erklärten Sich mit gleicher Bestimmtheit gegen den Aenderungsantrag des Herzogs. Ihre Majestäten stimmten in der Ansicht überein, daß gerade in der Heranziehung der consti­ tuirten Gewalten der Einzelstaaten zu dem politischen Leben des Bundes der wesentlichste Vorzug des österreichischen Entwurfs bestehe. Sie äußerten, wenigstens für Ihre Staaten nicht zu besorgen, daß die Kammern so wenig patriotisch denken würden, um sich dem ihnen in den gemeinsamen deut­ schen Angelegenheiten zugedachten Berufe zu entziehen. König Johann von Sachsen erinnerte noch besonders an die Entstehungsgeschichte des ganzen Reformwerkes, durch welches hauptsächlich jene Anomalie habe beseitigt werden sollen, welche in dem Gegensatze der uncontrolirten Gewalt der Re­ gierungen am Bunde zu den verfassungsmäßigen Befugnissen der Kammern in den einzelnen Staaten ihren Grund gehabt habe. Um so weniger dürfe man jetzt durch eine aus Volkswahlen hervorgehende Versammlung am Bunde das

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Verfassungsrecht der Einzelstaaten durchbrechen oder die beiden Principien miteinander vermischen. Se kön. Hoheit der Kronprinz von Württemberg äußerten dieselbe Ansicht. Des Großherzogs von Baden königl. Hoheit erklären Sich noch nicht unbe­ dingt entscheiden zu wollen. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, auf den ein­ gelegten allgemeinen Vorbehalt sich beziehend, stimmten gleichfalls gegen den Antrag des Herzogs von Sachsen-Coburg. Ebenso der Großherzog von Sachsen-Weimar, Höchstwelcher jedoch er­ klärte, für den österreichischen Entwurf nur in der Voraussetzung, daß ein Oberhaus gebildet würde, stimmen zu können. Auf Befragen Sr Majestät des Kaisers erklärte sich die erhabene Versamm­ lung mit überwiegender Mehrheit im Princip gegen die Gründung eines Ober­ hauses. Die sämmtlichen übrigen Souveräne, des Fürsten von Walde[c]k Durch­ laucht mittelst der unter Ziffer 13 anliegenden Abstimmung, gaben ihre Stim­ men gegen das Amendement des Herzogs von Sachsen-Coburg ab, ebenso die Herren Vertreter der freien Städte. Des Herzogs von Sachsen-Coburg Hoheit erklärten hierauf, daß Sie zwar Ihren Antrag nicht zurückziehen, jedoch durch dessen Ablehnung Sich nicht abgehalten finden würden, für den ganzen übrigen Inhalt des Artikels 16 zu stimmen. Se Hoheit der Herzog von Anhalt ersuchten hierauf um eine Entscheidung darüber, ob auf das nunmehr vereinigte Herzogthum Anhalt die beiden in dem Entwurfe den Herzogthümern Anhalt-Dessau-Cöthen und Anhalt-Bern­ burg zugewiesenen Stimmen übergehen würde[n]. Die Conferenz entschied auf gehaltene Umfrage im bejahenden Sinne. Se Majestät der Kaiser erwähnten, daß Se Durchlaucht der Landgraf von Hessen-Homburg gegen die Anmerkung im Entwurfe, daß in der Landgraf­ schaft keine Landesvertretung bestehe, reclamirt und für die Landgrafschaft eine Stimme im Abgeordnetenhause in Anspruch genommen habe. Se Maje­ stät ließen hierüber durch den Protokollführer näheren Aufschluß geben, wor­ auf die Conferenz beschloß, daß Hessen-Homburg ein Mitglied zur Abgeord­ netenversammlung zu entsenden haben werde. Endlich hielten Se Majestät der Kaiser Umfrage über den Antrag Hamburg’s auf Bewilligung von zwei Stimmen. Die Conferenz entschied im bejahenden Sinne. Se Majestät constatirten, daß mit Ausnahme der theilweise abweichenden Stimme des Herzogs von Sachsen-Coburg und der vorbehaltenen Stimmen von Baden und Sachsen-Weimar der ganze Artikel 16 von der Fürstenconfe­ renz mit den drei Modificationen angenommen sei, daß

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1. die beiden Anhalt’schen Stimmen dem nunmehr vereinigten Herzogthu­ me zu verbleiben hätten, 2. die Landgrafschaft Hessen-Homburg einen Vertreter zur Abgeordneten­ versammlung entsenden, 3. die freie Stadt Hamburg durch zwei Abgeordnete vertreten sein würde. Die Conferenz ging zur Berathung des Artikels 11 des Entwurfes über. Zu diesem Artikel Alinea 4 wurden von Ihren königl. Hoheiten den Groß­ herzogen von Baden, Mecklenburg-Schwerin und Sachsen-Weimar die unter Ziffer 14 bis 16 anliegenden Erklärungen und Anträge zu Protokoll gegeben. Der Antrag des Großherzog[s] von Sachsen-Weimar, Alinea 4 dieses Arti­ kels den ministeriellen Berathungen zu überweisen, fand nicht die Zustim­ mung der Conferenz. In der Discussion über den Antrag des Großherzogs von MecklenburgSchwerin, wonach der Kreis der Gegenstände der Bundesgesetzgebung ge­ schlossen und die Einführung gemeinsamer Gesetze über weitere als die in der Reformacte namentlich bezeichneten Gegenstände nicht anders als kraft freier Vereinbarung stattfinden soll, vertraten Se Majestät der Kaiser von ­Oesterreich die Ansicht, daß es eine große Unvollkommenheit des Reform­ werks sein würde, wenn man jedes Mittel des Fortschritts in der Assimilation der Gesetzgebung Deutschlands abschneiden wollte. Se kais. Majestät be­ merkten, daß Sie in diesem Punkte nicht für Sich selbst zu sprechen hätten, da Ihnen vielleicht am meisten daran gelegen sein müsse, die Selbständigkeit der Particulargesetzgebung zu wahren. Allein bei der so entschieden hervor­ tretenden Tendenz, die Unterschiede der Gesetzgebung in Deutschland immer mehr auszugleichen, hätten Sie Sich der Überzeugung nicht entziehen kön­ nen, daß diesem Streben nicht jeder Weg versperrt werden dürfe, und eben deßhalb hätten Sie Sich zu den im Entwurfe enthaltenen Vorschlägen ent­ schlossen. In ähnlichem Sinne äußerten Sich Se Majestät der König von Sachsen, zu­ gleich den Nachweis liefernd, daß durch die in den Artikeln 11 und 20 des Entwurfs verlangten Majoritäten von 17 Stimmen des Bundesrathes und 4/5 der Stimmen der Abgeordneten der Autonomie der Einzelstaaten ein voll­ kommen hinreichender Schutz gewährt sei. Auch des Königs von Hannover Majestät erklärten, nach dem bundes­ freundlichen Beispiele Sr Majestät des Kaisers von Oesterreich den Bestim­ mungen des Entwurfs beipflichten zu wollen. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg machten geltend, daß es gerade ein Vorzug der kaiserlichen Vorlage sei, daß sie für jede berechtigte Entwic­ kelung Raum lasse und der Fortbildung die Wege nicht verschließe, ein Prin­ cip, von welchem die Fürstenversammlung nicht ohne wesentlichen Nach­ theil wieder zurückkommen könne.

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Des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin königl. Hoheit hielten je­ doch die Ansicht aufrecht, daß die Souveränetät der Einzelstaaten zu sehr lei­ de und in einen prekären gleichsam flüssigen Zustand gerathe, wenn ihr, so­ bald ein bestimmtes, sei es auch hohes Stimmenverhältniß im Bundesrath und Abgeordnetenhaus dafür erreicht würde, das eigene Gesetzgebungsrecht ent­ wunden werden könnte. Jenseits des fest abzugrenzenden Bereichs der Bun­ desangelegenheiten bedürfe die Specialgesetzgebung derjenigen Garantie, die allein durch das Princip der freien Vereinbarung gewährt würde. Se Hoheit der Herzog von Nassau[,] hiemit einverstanden, führten als Beispiel an, es könnten sonst möglicher Weise selbst die Verfassungsgesetze der Einzelstaa­ ten gegen deren Willen durch einen Act der Bundes-Legislative angegriffen werden. In letzterer Beziehung entgegneten des Königs von Sachsen Majestät, daß die Bestimmung des Alinea 4 dem ganzen Zusammenhange nach sich un­ streitig nur auf Gegenstände der eigentlichen Gesetzgebung, nicht auf Verfas­ sungsgesetze beziehe, und daß entweder diese Beschränkung ausdrücklich in den Text des Artikels aufgenommen werden könnte, oder doch, künftiger In­ terpretation wegen, in das Protokoll die Bemerkung aufzunehmen wäre, daß bei den Worten des Artikels „oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes ­einen neuen seither der Gesetzgebung der Einzelstaaten angehörigen Gegen­ stand überweisen“ nicht an Verfassungsgesetze gedacht sei. Die hohe Versammlung hielt eine solche Bemerkung, wie sie hiemit in das Protokoll niedergelegt ist, für genügend. Bei der Umfrage stimmen für die Ansicht des Großherzogs von Mecklen­ burg-Schwerin Baden, Sachsen-Weimar, Luxemburg, Braunschweig, Nassau, Schaumburg-Lippe und die freie Stadt Hamburg. Der Großherzog von Meck­ lenburg-Schwerin erklärte, daß dieser Gegenstand einer von den Punkten sei, von deren befriedigender Erledigung Er Seine schließliche Zustimmung ab­ hängig machen müsse. Ein Verständigungsversuch zwischen den entgegengesetzten Ansichten wurde für erforderlich erachtet, und soll morgen desfalls Einleitung getroffen werden. S. Majestät der Kaiser von Österreich setzten Artikel 18, Alinea 1 zur Be­ rathung aus. Zu diesem Artikel stellten Ihre königl. Hoheiten die Großherzoge von Ba­ den und von Sachsen-Weimar und Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg die unter Ziffer 17 bis 19 dem Protokolle beigefügten Aenderungsanträge, wonach die Versammlung der Bundesabgeordneten in kürzeren als dreijähri­ gen Perioden einzuberufen wäre. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin waren gleichfalls des Erachtens, daß es bei dreijährigen Sitzungsperioden nicht

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Combinirter Sächsisch Nassauischer Antrag

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leicht sein Bewenden behalten könne und bevorworteten daher, sich zur jähr­ lichen Einberufung zu entschließen. Des Kaisers von Oesterreich Majestät erklärten Sich gegen diese verschie­ denen Amendements, indem Allerhöchst Sie bemerkten, daß für die Fälle wirklichen Bedürfnisses durch die dem Directorium ertheilte Befugniß, au­ ßerordentliche Sitzungen einzuberufen, genügend vorgesehen sei, der Vor­ schlag aber, die Versammlung regelmäßig in kürzeren als dreijährigen Peri­ oden tagen zu lassen, namentlich in Oesterreich wegen der dortigen Verfas­ sungsverhältnisse unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnen würde. Se Majestät müßten im Interesse der Sache dringend wünschen, daß auf den ge­ stellten Aenderungsanträgen nicht bestanden werden wollte. Se Majestät der König von Hannover schlossen sich dieser Empfehlung an. Ebenso König Johann von Sachsen, wobei übrigens Se Majestät den Aus­ druck des Wunsches zu Protokoll nehmen ließen, daß wenn es demnächst auf Ausführung des Reformwerkes ankomme, man mit der Einberufung der Ab­ geordnetenversammlung nicht unnöthig zögern, sondern sich zu dieser Maß­ regel sobald als möglich entschließen werde. Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin willigte ein, von seinem An­ trage zurückzutreten. Die Conferenz mit Ausnahme der Stimmen von Baden, Sachsen-Weimar und Sachsen-Coburg genehmigte die Fassung des kaiserlichen Entwurfs. Nachdem die nächste Sitzung auf morgen anberaumt, und für dieselbe die Berathung der Artikel 9, 20, 21, 22 und 23 auf die Tagesordnung gesetzt wor­ den war, schlossen Se kais. kön. Apostolische Majestät die heutige Sitzung. Gegenwärtiges Protokoll wurde in der Sitzung vom 28ten August verlesen und urkundlich der Unterschriften genehmigt. [Es folgen die Unterschriften.]

Der Protokollführer: Ludwig von Biegeleben k. k. Hof-und Ministerialrath   Combinirter Sächsisch Nassauischer Antrag  [Anlage] No 1.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 150. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 112.

Sachsen und Nassau legen einen Antrag zur Bildung des Bundesdirektoriums aus sechs Stimmen vor.

Combinirter Sächsisch Nassauischer Antrag. Artikel 3. Das Directorium des deutschen Bundes besteht aus sechs Stimmen.

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1. aus dem Kaiser von Oesterreich, 2. aus dem Könige von Preußen, 3. aus dem Könige von Bayern, 4.  aus den Königen von Sachsen, Hannover und Württemberg, in jährli­ chem Wechsel durch einen aus ihrer Mitte, insofern nicht eine andere gemeinschaftliche Vereinbarung unter ihnen eintritt, 5. aus einem durch den Großherzog von Baden, den Kurfürsten von Hes­ sen, den Großherzog von Hessen, den König von Dänemark, als Herzog von Holstein und Lauenburg, den König der Niederlande, als Großher­ zog von Luxemburg, den Herzog von Braunschweig, die Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz und den Herzog von Nassau zu wählenden Bundesmitgliede, 6. aus einem durch den Großherzog von Sachsen-Weimar, den Großherzog von Oldenburg, die Herzoge von Sachsen-Meiningen, Sachsen-Alten­ burg, Sachsen-Coburg-Gotha und Anhalt, die Fürsten von SchwarzburgSondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Liechtenstein, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe und Lippe, den Landgrafen von Hessen-Homburg und die freien Städte Lübeck, Frank­ furt, Bremen und Hamburg zu wählenden Bundesgliede. Die Wahlen unter 5 und 6 geschehen auf drei Jahre und unter Anwendung des in Art. 6 der Bundesacte festgestellten Stimmverhältnisses, insoferne nicht unter den unter 5 genannten Staaten eine andere gemeinschaftliche Ver­ einbarung eintritt. Die Mitglieder des Directoriums werden sich in der Regel durch Bevoll­ mächtigte am Bundesrathe vertreten lassen. Es bleibt ihnen jedoch vorbehal­ ten, sich bei wichtigeren Veranlassungen zu vereinigen, um die Befugnisse des Directoriums in Person auszuüben. Artikel 4. etc. etc. Artikel 5. Bei Absatz 3 nach den Worten: „mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt“ noch einzuschalten: „bei Stimmengleichheit wird die Zahl der Bevölkerung (nach der Bundesmatrikel) der von jeder Stimme vertretenen Staaten, also 1. Oester­ reichs, 2. Preußens, 3. Bayerns, 4. der drei Königreiche, 5. der in § 3 unter 5 genannten Staaten, 6. der ebendaselbst unter 6 genannten Staaten, nach den sich gegenüber stehenden 3 Stimmen zusammen gerechnet und solchergestalt die Majorität entschieden.

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Erklärung Badens zu Artikel 3

  Erklärung Badens zu Artikel 3  [Anlage] No 2.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 151. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 113.

Baden verlangt in einem sechsköpfigen Direktorium eine eigene, im dreijährigen Turnus mit anderen Staaten wechselnde Stimme.

Erklärung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden zu Artikel 3 (Specialdiscussion über den Antrag Seiner Hoheit des Herzogs von Nassau) Im Falle ein von den Bundesregierungen direct zu ernennendes resp. zu er­ wählendes Directorium von sechs Mitgliedern gebildet werden sollte, der Art, daß Oesterreich, Preußen, Bayern drei eigene, Sachsen, Hannover, Württemberg eine vierte gemeinschaftliche Stelle darin haben, so kommt die fünfte Stelle jedes dritte Jahr in einem regelmäßigen Turnus auf ein Jahr an Baden. Es würde dabei vorläufig gleichgültig sein, in welcher Weise die übrigen Theil­haber zusammengesetzt sind und in welcher Weise ihre Antheile an der Ausübung der Directorialbefugnisse geregelt werden.   Schlußerklärung Badens zu Artikel 3  [Anlage] No 3.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 152.

Baden verlangt die Berücksichtigung seiner Ansprüche „gemäß der Größe und Bedeutung des Landes“ bei der Feststellung des Stimmenverhältnisses im Direktorium.

Schlußerklärung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden zu Artikel 3 (Specialdiscussion über den Antrag Seiner Hoheit des Herzogs von Nassau) Ich kann mich dem Antrag des Herzogs von Nassau nur unter der Vorausset­ zung anschließen, daß die berechtigten und in der hohen Versammlung viel­ fach anerkannten Ansprüche des Großherzogthums Baden bei Feststellung des Stimmenverhältnisses in der Staatengemeinschaft genannten Antrags, in einer Weise berücksichtiget werden, welche der Größe und Bedeutung des Landes entspricht. In so ferne solche Berücksichtigung noch möglich ist, wenn eine endgültige Feststellung der neuen Bundesverfassung erfolgt, so behalte ich mir vor, auf die hier geltend gemachten Ansprüche dann zurück­ zukommen. Im Uebrigen beziehe ich mich auf meine zu Art. 3 zu Protokoll gegebene Erklärung.

Nr. 65

Frankfurt am Main, 25. August 1863

  Erklärung von Sachsen-Weimar  [Anlage] No 4.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 153. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 113.

Sachsen-Weimar behält sich seine endgültige Entschließung über die Bundesreformakte vor, bis diese in allen Teilen fertig vorliegt.

Sachsen-Weimar. Die Erklärungen, welche gestern und schon früher von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin und einigen anderen meiner hohen Bundesgenossen zum Protokoll gegeben worden sind, veran­ lassen mich, um etwaigen Mißverständnissen über meine Auffassung vorzu­ beugen, zu nachstehender Erklärung an die hohe Versammlung: Ich bin von dem lebhaftesten Wunsche beseelt, daß das unternommene große Werk zum Heile des gemeinsamen Vaterlandes gelinge und werde dazu nach meinen Kräften mitwirken. Allein, ohne hier auf die rechtliche Bedeu­ tung der von mir bereits abgegebenen Erklärungen näher einzugehen, muß ich mir doch mit Rücksicht auf die Abänderungen, welche ich bei einigen Artikeln des Entwurfs bereits beantragt habe oder noch beantragen werde, meine endliche Entschließung über das Ganze bis zu dem Zeitpuncte vorbe­ halten, wo dieses in allen seinen Theilen, auch in redactioneller Beziehung fertig vorliegt. Ich werde auch dann der schon oben gedachen Richtung mei­ nes Strebens eingedenk sein und meine persönliche Ansicht, wo es die mir obliegenden Pflichten gegen mein Land und mein Haus irgend gestatten, dem Gelingen der Sache zum Opfer bringen. Ich bitte diese Erklärung zum Protokoll zu nehmen.   Erklärung Badens zu Artikel 7 und 8  [Anlage] No 5.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 154. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 113–115.

Baden äußert Bedenken gegen die Ausweitung der Bundeskompetenzen im Hinblick auf die Frage von Krieg und Frieden. Bei einem drohenden Krieg soll der Bundesrat frühzeitig eingeschaltet werden, seine Zustimmung soll nicht erst bei der Kriegserklärung eingeholt werden müssen, sondern bereits bei militärischen Vorbereitungsmaßregeln. Außerdem ist in der Frage von Krieg und Frieden die Übereinstimmung von Österreich und Preußen erforderlich. Auch für die Erklärung der Neutralität des Bundes soll die Zustimmung des Bundesrats erforderlich sein.

Baden. Erklärung zu Artikel 7 und 8. Den Vorschlägen über die in Art. 7 vorgezeichnete formelle Organisation des auswärtigen Verkehrs könnte, in der Unterstellung der Errichtung eines Bun­

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Erklärung Badens zu Artikel 7 und 8

Nr. 65

desdirectoriums, zugestimmt werden; nur wäre auch hier von der Hereinzie­ hung der Fürstenversammlung Umgang zu nehmen und die Ratification abge­ schlossener Verträge dem Bundesrathe, als dem Organ der verfassungsmäßi­ gen und verantwortlichen Regierungen in allen Fällen zu übertragen. Mehrere gewichtige Bedenken können dagegen nicht unterdrückt werden in Betreff der über Krieg und Frieden vorgeschlagenen Bestimmungen. Vor Allem enthält die Bestimmung, daß wegen einer auch Deutschlands Sicherheit bedrohenden Gefährdung des europäischen Gleichgewichtes Vor­ bereitungen zu einem Bundeskriege von dem Directorium ergriffen werden können, verbunden mit der im Art. 1 enthaltenen Ausdehnung des Bundes­ zweckes auf Wahrung der Machtstellung Deutschlands, eine bundesgesetzli­ che Erlaubniß zur Verlassung der rein defensiven Natur des Bundes. Was nun auch immer für die Nothwendigkeit gesagt werden möchte, die Ehre Deutsch­ lands höher zu stellen als bisher, und die Sicherheit Deutschlands zu wahren, wenn sie auch nur indirect und in entfernterer Weise bedroht sei, so ist doch nicht zu läugnen, daß durch eine solche Theilnahme des Bundes an allgemei­ nen politischen Krisen zweierlei schwere Uebel heraufbeschworen werden können. Einmal die Hereinziehung sämmtlicher mittlerer und kleiner deut­ schen Staaten in Streitigkeiten, welche ihnen völlig fremd wären, und deren Beilegung ihnen lediglich Opfer aber niemals Vortheile gewährte. Zweitens ein Zwiespalt der beiden großen Mächte im Bunde, wenn sie sich in einer verschiedenen Stellung zu europäischen Fragen befinden sollten, und somit die eine die von der anderen bundesgesetzlich verlangte kriegerische Action zurückweisen würde. Eine möglichste Garantie gegen unnöthige Herbeifüh­ rung dieses Unheils wäre das wenigste, was gefordert werden könnte. Eine solche Sicherstellung dürfte dann aber einer Seits darin zu finden seyn, daß der Bundesrath nicht erst bei der förmlichen Kriegserklärung, wo in der Re­ gel gar keine Wahl mehr seyn wird, sondern schon bei der Fassung des Ent­ schlusses zur Ergreifung militärischer Vorbereitungs-Maßregeln um seine Zu­ stimmung zu befragen wäre, was immer als Grund für solche angegeben wür­ de; anderer Seits aber in der, bereits an einer früheren Stelle empfohlenen, Nothwendigkeit der Uebereinstimmung von Oesterreich und Preußen in Fra­ gen des Kriegs und Friedens. Nur auf diese Weise wäre die Möglichkeit zu beseitigen, daß eine der Großmächte entweder bundbrüchig werden, oder für vielleicht entgegenstehende Interessen Opfer und Gefahr übernehmen müßte, oder daß die kleineren Staaten als Mittel für einseitige Zwecke der europä­ ischen Mächte ausgebeutet werden könnten. Als eine auffallende Anomalie erscheint es unter allen Umständen, daß für das dem Bundesrathe einzuräumende Zustimmungsrecht zu einem Kriege ein verschiedenes Stimmenverhältniß bestimmt ist, je nachdem es sich von einem Kriege zur Abwehr eines Deutschland unmittelbar betreffenden Krieges oder

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einem solchen handelt, in den der Bund eintreten soll, obgleich zunächst nur ein in dem Bund nicht einbegriffener Gebietstheil eines Bundesgliedes be­ theiligt ist. Zu einem Unterschiede über die zur Sicherung der Gesammtin­ teressen Deutschlands für nöthig erachtete Theilnahme sämmtlicher Bundes­ glieder ist ein zureichender Grund nicht ersichtlich. Jeden Falles dürfte, wenn doch ein Unterschied für nöthig erachtet wäre, eher eine größere Stimmenzahl für Eintritt in einen Deutschland nicht unmittelbar betreffenden Kampf ange­ zeigt seyn, als die für einen rein deutschen Vertheidigungskampf. Somit wür­ de, namentlich wenn das richtiger geforderte vorgängige Einverständniß zwi­ schen Oesterreich und Preußen nicht beliebt und dadurch überhaupt eine stär­ kere Stimmenmehrheit, als die absolute, unbedenklich gemacht werden sollte, zum mindesten eine Stimmenmehrheit von 2/3 der Stimmen im Bundesrathe auch für einen nur mittelbar nothwendigen Krieg zu bestimmen seyn. Als selbstverständlich dürfte es erscheinen, daß die dem Directorium zuge­ dachte Ergreifung der in Art. 45 der Wiener Schluß-Acte der Bundesver­ sammlung übertragenen Wahrung der Neutralität des Bundes1 ebenfalls auf einem zustimmenden Beschlusse des Bundesrathes zu beruhen hätte. Solche Maßregeln sind nicht nur ihrer Art nach Kriegsrüstungen ganz gleich, son­ dern sie können auch sehr leicht zum Kriege führen. Folglich sind sie auch in gleicher Weise anzuordnen, wie Kriegsmaßregeln. Dasselbe dürfte auch der Fall seyn bei den in Art. 36 und 37 derselben Acte angeordneten Maßnahmen zur Schlichtung drohender Streitigkeiten ei­ nes Bundesglieds mit einer auswärtigen Macht.2   Sachsen-Weimar und Oldenburg zu Artikel 8  [Anlage] No 6.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 155. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 115.

Sachsen-Weimar und Oldenburg verlangen zur Entscheidung über Krieg und Frieden die Zustimmung von mindestens drei Mitgliedern des Direktoriums, wobei Österreich und Preußen übereinstimmen müssen. Ferner soll die Entscheidung, ob sich der Bund an einem Krieg beteiligt, den ein Bundesglied mit einer auswärtigen Macht führt, im Bundesrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln und nicht mit einfacher Mehrheit gefaßt werden. 1 Artikel 45 der Wiener Schlußakte lautete: „Wenn in einem Kriege zwischen auswärtigen Mächten, oder in andern Fällen Verhältnisse eintreten, welche die Besorgniß einer Verletzung der Neutralität des Bundes-Gebiets veranlassen, so hat die Bundes-Versammlung ohne Verzug im engern Rathe die zur Behauptung dieser Neutralität erforderlichen Maßregeln zu beschlie­ ßen.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 97. 2 Artikel 36 und 37 der Wiener Schlußakte regelten das Eingreifen bzw. die Vermittlung des Bundes bei Konflikten zwischen einzelnen Bundesstaaten und auswärtigen Staaten; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 96.

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Antrag von Coburg-Gotha zu Artikel 8

Nr. 65

Sachsen-Weimar und Oldenburg. Antrag zu Artikel 8. Hinter den Worten „europäische Gleichgewicht“ im Absatz 2 werde einge­ schaltet: [„]nach der übereinstimmenden Ansicht Oesterreichs, Preußens und we­ nigstens noch eines dritten Directorialmitgliedes[“]. Dem fünften Absatze werden den Worten: „die Entscheidung hierüber er­ folgt mit einfacher Stimmenmehrheit“ substituirt: [„]Ein solcher Beschluß kann nur mit zwei Drittheilen der Stimmen ge­ faßt werden.[“]   Antrag von Coburg-Gotha zu Artikel 8  [Anlage] No 6a.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 156.

Sachsen-Coburg-Gotha schließt sich den Anträgen Sachsen-Weimars und Oldenburgs (Anlage Nr. 6) an.

Coburg-Gotha. Zu Art. 8 1. In dem Alinea 2 möge nach den Worten „das europäische Gleichge­ wicht“ eingeschaltet werden: „nach der übereinstimmenden Ansicht Oester­ reichs, Preußens und mindestens noch eines Directorialmitgliedes“. 2. Am Schluß des Alinea 5 möge statt der Worte: „Die Entscheidung hier­ über erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit“, gesetzt werden: „Ein solcher Beschluß kann nur mit zwei Drittheilen der Stimmen gefaßt werden.“ Motivirung. zu 1. Die Vorbereitungsmaßregeln, zu denen das Directorium berechtigt ist, gehen so weit, daß schon durch dieselben der Krieg thatsächlich her­ beigeführt werden kann (z. B. durch die Aufstellung einer Heeresab­ theilung an der feindlichen Grenze). Es erscheint daher nothwendig, daß mindestens in dem Falle, wo Vorbereitungsmaßregeln wegen ei­ ner Gefährdung des europäischen Gleichgewichts angeordnet werden sollen, die beiden Großmächte darüber einverstanden sind. zu 2. Nach Art. 47 der Wiener Schluß-Acte3 tritt in den Fällen, wo ein Bundesstaat in seinen außer dem Bunde gelegenen Besitzungen be­ 3 Artikel 47 der Wiener Schlußakte bestimmte, daß einem Bundesstaat, der in seinen außerhalb des Bundesgebiets liegenden Besitzungen angegriffen wurde, nur dann militärische Hilfe des Bundes zuteil wurde, wenn der engere Rat mit Stimmenmehrheit eine Gefahr für das Bundes­ gebiet festgestellt hatte; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 97.

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droht oder angegriffen wird, die Verpflichtung des Bundes zur Theil­ nahme an dem Kriege dann ein, wenn der engere Rath durch Stim­ menmehrheit entscheidet, daß Gefahr für das Bundesgebiet vorhanden sei. Nach dem vorgeschlagenen Alinea 5 soll dagegen durch einfache Stimmenmehrheit, ohne Rücksicht darauf, ob das Bundesgebiet gefährdet wird oder nicht, über die Verpflichtung des Bundes zur Theil­ nahme an dem Kriege entschieden werden. Dieß dürfte zu weit ge­ hen, und daher das Erforderniß einer Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen gerechtfertigt seyn, wie eine solche Stimmenmehrheit nach dem Entwurf auch für den Fall einer Kriegserklärung und für den Fall eines Friedensschlusses gleichmäßig erfordert wird.   Erklärung Badens zu Art. XIV  [Anlage] No 7.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 157. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 115 f.

Die Erhebung der Matrikularbeiträge soll von der Bewilligung durch die Versammlung der Bundesabgeordneten abhängig sein. Das Direktorium soll für die budgetmäßige Verwendung der bewilligten Gelder verantwortlich sein.

Baden. Erklärung zu Art. XIV. Die Bewilligung der Matrikular-Beiträge durch die Versammlung der Bun­ des-Abgeordneten ist ein nothwendiges Attribut der letzteren und eine drin­ gend gebotene Ergänzung des in allen Bundesstaaten geltenden constitutio­ nellen Systems, um, ohne die Matricularbeiträge von der Bewilligung der Einzelkammern abhängig zu machen, für dieselben doch die Zustimmung der Volksvertretung zu gewinnen. Je unbedeutender verhältnißmäßig das zu Bewilligende ist, und je weniger dabei die Verhältnisse einen freien Spielraum lassen, um so mehr wird das eng beschränkte Recht der Versammlung der Bundes Abgeordneten, welches eine wesentliche Bedingung ihrer Bedeutung ist, mit den sichersten Garantien zu umgeben seyn. Es wird also nach Analogie des Steuerbewilligungsrechtes die Erhebung der Matricularbeiträge ausdrücklich von der Bewilligung der Versammlung der Bundes Abgeordneten abhängig zu machen und das Direc­ torium für verpflichtet zu erklären seyn, derselben nicht bloß einen Rechen­ schaftsbericht abzulegen, sondern sich über die budgetmäßige Verwendung des Bewilligten zu verantworten. Von besonderer Bedeutung ist dieß bei den unvorhergesehenen Ausgaben, für welche, wenn die Versammlung der Bundes Abgeordneten nicht vereinigt

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Antrag Sachsen-Weimars zu Artikel 14

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ist, das Directorium mit einfacher Zustimmung des Bundesrathes außeror­ dentliche Matricularbeiträge erheben darf. Aus der Natur der Sache und aus dem Inhalt des Art. 13, Abs. 3 und 5 ergibt sich, daß bei den unvorgesehenen Ausgaben hauptsächlich an diejenigen zu denken ist, welche durch Einschrei­ ten des Bundes für Erhaltung der inneren Ruhe und Ordnung, oder bei Zwi­ stigkeiten zwischen Bundesgliedern sowie durch Bundesexecutionen entste­ hen. Gerade in derartigen Fällen, in welchen es sich nicht um rechtlich oder thatsächlich nothwendige Leistungen, sondern um Verwendungen zu politi­ schen Zwecken handelt, ist die entscheidende Mitwirkung der Versammlung der Bundes Abgeordneten von der größten Bedeutung. Es sollte deshalb auch der Fall, in welchem ohne ihre Zustimmung außerordentliche Matricularbei­ träge ausgeschrieben werden können, nicht so bestimmt werden, „wenn die Versammlung nicht vereinigt ist“, sondern so: „wenn sie nicht berufen wer­ den kann“, und bei ihrem späteren Zusammentritt hat das Directorium seine Handlungsweise vor ihr nicht nur zu rechtfertigen, sondern zu verantworten.   Antrag Sachsen-Weimars zu Artikel 14  [Anlage] No 8.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 158.

Sachsen-Weimar beantragt redaktionelle Änderungen zu Artikel 14 der Reformakte, wonach die ordentlichen und außerordentlichen Bundesausgaben durch die Versammlung der Bundesabgeordneten ausdrücklich zu genehmigen sind.

Sachsen-Weimar. Antrag zu Artikel 14, al. 2. Ich beantrage, daß das Wort „ordentlichen“ gestrichen werde, da auch die au­ ßerordentlichen Ausgaben in den Voranschlag aufzunehmen sind; ferner daß hinter dem Worte „Bundes Abgeordneten“ die Worte „zur Genehmigung“ eingeschaltet werden, damit jedem etwaigen Zweifel über die Bedeutung der Vorlage vorgebeugt werde. Endlich würde es sich empfehlen, geeignete Vor­ kehrungen für den Fall zu treffen, daß die Voranschläge von den Abgeordne­ ten im Ganzen nicht genehmigt werden. Ich beantrage, daß die Ministercon­ ferenz angewiesen wird, auch in dieser Beziehung Vorschläge zu machen.   Antrag Oldenburgs zu Art. 14  [Anlage] No 9.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 159. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 116 (Auszug).

Oldenburg beantragt ebenfalls die Genehmigung der Bundesausgaben durch die Versammlung der Abgeordneten.

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Oldenburg. Antrag zu Art. 14. I. Alinea 2 werde wie folgt gefaßt: Es läßt von drei zu drei Jahren nach eingeholter Zustimmung des Bun­ desrathes den Voranschlag der Bundesausgaben aufstellen und der Ver­ sammlung der Bundesabgeordneten zur Genehmigung vorlegen. II. Hinter Alinea 3 als Alinea 4 zu setzen: Kommt in Betreff des Voranschlags eine Einigung mit der Versammlung der Bundesabgeordneten nicht zu Stande, so ist der bisherige Voran­ schlag bis zu einer Verständigung maßgebend.   Sachsen-Coburg zu Art. 14  [Anlage] No 10.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 160. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 116 (Auszug).

Sachsen-Coburg-Gotha beantragt klärende Formulierungen zu Artikel 14 der Reformakte.

Sachsen-Coburg. Zu Art. 14. 1. Um zu vermeiden, daß für den Fall der Nichtgenehmigung eines Voran­ schlags alsbald ein Zustand der Verwirrung eintrete, wird beantragt: den Voranschlag für ordentliche und außerordentliche Ausgaben besonders aufzustellen, und nach Alinea 3 folgenden Zusatz anzufügen: Kommt in Betreff des Voranschlags eine Vereinbarung zwischen dem Directorium und der Versammlung der Bundesabgeordneten nicht zu Stande, so können die in dem letzten vereinbarten Voranschlage als or­ dentliche bezeichnete Ausgaben bis weiter bewirkt und die zur Deckung derselben erforderlichen Matrikularumlagen ausgeschrieben werden. 2. wird [sic] in dem Alinea 2 zwischen den Worten „der Versammlung der Bundesabgeordneten“ und „Vorlagen“ die Worte „zur Genehmigung“ einge­ schaltet werden.   Erklärung Badens zu Artikel XVI  [Anlage] No 11. HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 161. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 116 f.

Baden erklärt, daß die Versammlung der Bundesabgeordneten nicht durch Delega­ tion aus den einzelstaatlichen Kammern, sondern durch direkte Volkswahl gebildet werden soll, um ihr Kraft und Autorität zu verleihen.

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Erklärung Badens zu Artikel XVI

Baden. Erklärung zu Artikel XVI.

Nr. 65

Unter allen Reformvorschlägen ist der der Bildung einer Versammlung von Bundesabgeordneten zur Vertretung der Bundesbevölkerung wenn nicht der wichtigste doch der glücklichste. Die Analogie der Einzelverfassungen er­ heischt eine constitutionelle Structur auch der Gesammtverfassung und diese wird die gleiche Kräftigung wie jene aus der Heranziehung des Volkes zur Theilnahme an der Ausübung der öffentlichen Gewalt ziehen. Das Maß von Hoffnungen, das man auf diese neue Institution setzen darf, hängt einer Seits von den Rechten und der politischen Stellung ab, welche der Versammlung der Bundesabgeordneten eingeräumt werden, und anderer Seits von der Art ihrer Zusammensetzung. Die ersteren sind nicht hier zu bespre­ chen; nur das eine ist hervorzuheben, daß sie ziemlich eng umgränzt und nach der Natur der Verhältnisse kaum einer erheblichen Ausdehnung fähig sind. Die Bewilligung der Matricularbeiträge hat keine große Bedeutung; die Theilnahme an der überdieß in enge Gränzen gewiesenen Bundesgesetzge­ bung verleiht einem parlamentarischen Körper an und für sich nicht viele Macht und wird dadurch noch wirkungsloser, daß das als Regierung gegen­ überstehende Bundesdirectorium äußerst selten genöthigt seyn wird, neue Gesetze zu Stande zu bringen. Vor Allem aber fehlt es gegenüber der Ver­ sammlung der Bundesabgeordneten an einem verantwortlichen Ministerium; das Directorium hängt in seinem politischen Verhalten nicht von jener, son­ dern von den es ernennenden Regierungen und mittelbar vielleicht von den Ständen des betreffenden Landes ab. Die ungünstige Stellung der Bundesabgeordneten, welche in der staaten­ bündischen Verfassung kaum wesentlich zu verbessern ist, enthält die drin­ gende Aufforderung, wenigstens das andere Moment, aus welchem dieselben Kraft und Autorität ziehen können, die Art ihrer Ernennung auf das sorgfäl­ tigste zu beachten. Von diesem Gesichtspunkte aus muß aber die Delegation aus den Einzelkammern verworfen, und die directe Volkswahl, mit welcher sich die Vertheilung der Abgeordneten auf die einzelnen Länder nach deren Bevölkerungszahl naturgemäß verbindet, auf das entschiedenste befürwortet werden. Mögen immerhin für die eine oder die andere Ernennungsart der Bundesabgeordneten von verschiedenen staatsrechtlichen Gesichtspunkten aus mancherlei Gründe geltend gemacht werden können, unter den gegebe­ nen Verhältnissen ist nur von der directen Wahl der gewünschte Erfolg einer wahrhaft starken deutschen Volksvertretung zu erwarten; sie kann ihre Macht und ihre Autorität nur zu einem sehr geringen Theil auf ihre nothwendig be­ schränkten Rechte stützen, sie muß sie fast ganz und ausschließlich aus ihrer Wurzel ziehen, dem Volke, mit welchem sie deshalb in die unmittelbarste Be­ ziehung gebracht werden muß.

Nr. 65

Frankfurt am Main, 25. August 1863

  Amendement von Sachsen Coburg und Gotha  [Anlage] No 12.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 162. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 117 (Auszug).

Sachsen-Coburg und Gotha schlägt ein Amendement zu Artikel 16 vor. Danach soll die Abgeordnetenversammlung zum Teil aus Delegierten, zum Teil aus direkt gewählten Volksvertretern bestehen.

Amendement des Herzogs von Sachsen Coburg und Gotha. Zu Art. 16: Anstatt der Absätze 1, 2 und 3 der jetzigen Fassung möge es hei­ ßen wie folgt: Die Versammlung der Bundes Abgeordneten geht theils durch Delega­ tion aus den Vertretungskörpern der einzelnen deutschen Staaten, theils durch Wahl aus dem Volke hervor. Sie besteht aus 300 Mitgliedern. Oesterreich entsendet zum Bunde 75 vom Reichsrath aus der Zahl seiner den deutschen Bundeslanden ange­ hörigen Mitglieder oder aus den Mitgliedern der Landtage des Bundes­ gebiets gewählte Abgeordnete. Die aus den übrigen deutschen Staaten zu entsendenden Abgeordneten gehen zur Hälfte aus den Vertretungskörpern, zur Hälfte aus Volkswah­ len hervor. In denjenigen Ländern, in welchen das Zweikammer-System existirt, entsendet jede der beiden Kammern die gleiche Anzahl von Abgeordne­ ten. Wenn aus einem Staate nur Ein Abgeordneter zu entsenden ist, geht der­ selbe lediglich aus Volkswahlen hervor. Wo die Zahl der aus einem Staate zu entsendenden oder von den beiden Kammern eines Staates zu delegirenden Abgeordneten mehr beträgt, aber nicht durch 2 theilbar ist, wird die Gesetzgebung des betreffenden Landes bestimmen, welche Zahl von Vertretern der Delegation und der Volkswahl, so wie beziehungsweise jeder der beiden Kammern zuzuwei­ sen ist. Absatz 5 möge wegfallen, dagegen aber folgender Zusatz gemacht werden: Die aus den Volkswahlen hervorgehenden Abgeordneten werden auf die Dauer von drei Jahren gewählt. Anmerkung: Die näheren Bestimmungen über das Wahlrecht, die Wählbarkeit, den Wahlmodus und, für den Fall der Auflösung der Versammlung der Bundes­ abgeordneten über das Erlöschen des Mandats bleiben den Ministerialconfe­ renzen vorbehalten.

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Amendement von Sachsen Coburg und Gotha

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Motive. Gegen die Bildung der Versammlung der Bundesabgeordneten durch Volks­ wahlen pflegt principiell angeführt zu werden, daß dieß System einem Bunde selbstständiger Staaten nicht entspreche. Indeß der deutsche Bund ist nicht ein lediglich völkerrechtlicher Bund. Schon die bisherigen Grundgesetze ha­ ben demselben4 in dem, wenn auch eng begränzten, Einmischungsrechte in innere Verhältnisse und in der Beschränkung der freien Bewegung der einzel­ nen Staaten nach Außen bundesstaatliche Elemente beigemischt und diese Elemente sind in dem Entwurfe der Reformacte verstärkt und vermehrt. Vom practischen Standpunkte aus wird gegen das System der Volkswahlen angeführt, daß gegenüber einer durch dieselben gebildeten Vertretung die Executive des Bundes zu schwach seyn würde. Indeß in ruhigen Zeien würde die Executive jeder Art von Volksvertretung gegenüber immer stark genug seyn, in unruhigen Zeiten aber wird eine durch Delegation entstandene Versammlung, deren Mitglieder die Mehrheiten, nicht aber zugleich die Minderheiten der Particularvertretungen repräsentiren, der Executive regelmäßig mehr Gefahr bringen, als eine Repräsentation, die aus Volkswahlen hervorgeht. Gegen das Princip der Delegation spricht aber, 1. daß eine Delegirtenversammlung nicht der Ausdruck der Meinung der Nation, sondern von mitunter geringen Mehrheiten einzelner weniger Körper­ schaften ist und daß dieselbe in ihrer Gesammtheit sehr leicht nicht die Mehr­ heit, sondern eine sehr geringe Minderheit der Nation darstellen kann, 2.  daß eine Auflösung der Delegirtenversammlung voraussichtlich ohne Erfolg ist, 3. daß die Wünsche der deutschen Bevölkerung unläugbar auf ein VolksParlament gerichtet sind, die Reform aber grade den Zweck erfüllen soll, die Wünsche derselben zu befriedigen; 4. daß die ganze Reform auf diesem Wege gefährdet wird, weil voraus­ sichtlich das Delegirtenproject dem Widerspruche verschiedener Landesver­ tretungen begegnen wird. Die Herstellung einer Versammlung der Bundesabgeordneten aus Volks­ wahlen würde daher wünschenswerth seyn. Stößt indeß dieses System andererseits auf einen unbesiegbaren Wider­ stand, so wird vielleicht eine Vermittlung der widersprechenden Forderungen durch ein gemischtes System, wie es das vorstehende Amendement enthält, möglich seyn, – ein System, welches keineswegs allen Wünschen vollständig Rechnung trägt, aber vielleicht die äußerste Gränze des Möglichen noch nicht überschreitet, übrigens sich dadurch rechtfertigt, daß es 4 Emendiert. Vorlage: denselben.

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1. dem doppelten Charakter des Bundes als Staatenbundes und Bundes­ staats entspricht, indem es die Elemente eines Staaten- und Volkshauses ver­ einigt, 2. eine Auflösung wenigstens zum Theil erfolgreich machen kann, 3. die Zahl der ständigen Mitglieder der Versammlung auf ein geringeres Maß zurückführt.   Erklärung von] Waldeck  [Anlage] No 13.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 163. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 118.

Waldeck hält nur eine direkt gewählte Volksvertretung für vollständig genügend, sieht aber auch in einer Delegiertenversammlung schon einen Fortschritt.

Waldeck. Ich halte nur eine aus directer Wahl hervorgehende Volksvertretung am Bun­ de für eine vollständig genügende und wünsche, daß das Reformproject die­ sem entsprechend geändert werde, ohne jedoch hiervon meine Zustimmung zu der Vorlage abhängig machen zu wollen, da ich schon in einer Delegirten­ versammlung einen Fortschritt erkenne.   Erklärung Badens zu Art. XI  [Anlage] No 14.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 164. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 118.

Baden wendet ein, daß durch die in der Reformakte vorgesehene Änderung der Bundesgrundgesetze mit einer Mehrheit von 4/5 der Stimmen die Weiterentwicklung des Bundes im Vergleich mit dem bisherigen Recht kaum erleichtert würde, während es andererseits dazu kommen könnte, daß solche Beschlüsse gegen eine Minorität von vier Mittelstaaten gefaßt würden.

Baden. Erklärung zu Art. XI, 4. Da der Bund auch in seiner neuen Gestalt eben nur ein Bund sein soll, in wel­ chem die gemeinschaftlichen Angelegenheiten vertragsweise nach dem Wil­ len der Majorität geleitet werden, würde die Strenge des Princips fordern, daß jede Aenderung des Grundvertrags, jede Ausdehnung desselben auf neue Ma­ terien nur durch Stimmeneinhelligkeit beschlossen werden könnte. Practisch ist diesem, für die Fortentwicklung des Bundesverhältnisses hinderlichen Grundsatz dadurch nicht viel vergeben, daß Aenderungen der fraglichen Art mit einer Majorität von 4/5 der Stimmen beschlossen werden können, freilich

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Antrag von Mecklenburg-Schwerin

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aber darnach auch die Fortbildung des Bundes im Vergleich mit dem gegen­ wärtigen Recht kaum erleichtert. Ob durch diesen geringen Gewinn die im­ merhin möglichen Nachtheile der Principwidrigkeit ausgeglichen werden, wie sie z. B. dann hervortreten würden, wenn die Minorität aus 4 Mittelstaa­ ten bestände, mag dahingestellt bleiben.   Antrag von Mecklenburg-Schwerin  [Anlage] No 15.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 165.

Mecklenburg-Schwerin wendet sich gegen eine zu starke Ausdehnung der Bundesgesetzgebung auf Kosten der „Eigenthümlichkeit“ der Einzelstaaten.

Mecklenburg-Schwerin. 4. Zu Art. 11, pag. 12, alinea 4 beantragt Mecklenburg-Schwerin, die Worte: „oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes einen neuen seither der Gesetz­ gebung der Einzelstaaten angehörigen Gegenstand überweisen“ wegzulassen, auch demgemäß die Fassung des Entwurfs pag. 22 und 23 im Art. 20 dahin zu ändern, daß für gemeinsame Gesetze in solchen Angelegenheiten, welche durch diese Reformacte der Bundesgesetzgebung nicht zugewiesen sind, die freie Vereinbarung der Bundesstaaten erforderlich bleibt. Eine so ausgedehnte Befugniß der Faktoren der Bundesgesetzgebung, daß Kraft derselben alle Gegenstände der Gesetzgebung von den Einzelstaaten auf die Bundesgewalt übertragen werden könnten, erscheint nicht genügend gerechtfertigt. Die Unabhängigkeit und historisch berechtigte Eigenthümlich­ keit der einzelnen deutschen Staaten, welche durch die Reform des Bundes nicht aufgehoben, sondern nur den praktischen Bedürfnissen einer kräftigen Action der Gesammtheit untergeordnet werden soll, würde damit nicht beste­ hen können.   Antrag Sachsen-Weimars zu Art. 11  [Anlage] No 16.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 166. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 118 (Auszug).

Sachsen-Weimar beantragt eine weitere Prüfung von Artikel 11 der Reformakte und schlägt vor, es eventuell bei dem bestehenden Bundesrecht zu belassen.

Sachsen-Weimar. Antrag zu Art. 11. Aus den schon zu Art. 9 ausgeführten Gründen scheint mir auch, daß alinea 4 Art. 11 einer weiteren Prüfung rücksichtlich der Tragweite durch die in Aus­

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sicht genommenen Ministerialconferenzen unterworfen werden sollte, even­ tuell beantrage ich, daß es bei dem bestehenden Bundesrechte bewenden möge.   Erklärung Badens zu Art. XVIII.  [Anlage] No 17.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 167. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 118 f.

Baden erklärt sich für jährliche Sitzungsperioden der Abgeordnetenversammlung, weil deren politisches Ansehen leiden würde, wenn sie nur alle drei Jahre einberufen würde, wie das die Reformakte vorschlägt. Die Volksvertretung hat zudem die Aufgabe, „durch Geltendmachung der nationalen Idee“ dem Bund einen größeren Zusammenhalt zu geben. Der regelmäßige Wiederzusammentritt darf auch nicht von der Entscheidung des Direktoriums und damit dem Ermessen der Regierungsbehörden abhängig gemacht werden.

Baden. Erklärung zu Art. XVIII. Die Summe der Geschäfte, welche die Versammlung der Bundesabgeordne­ ten zu erledigen haben wird, ist eine so mäßige, daß dafür eine je im dritten Jahre abgehaltene Sitzung vielleicht genügen wird, und auch das Bundes­ budget würde sich ohne erhebliche Inconvenienzen für dreijährige Perioden feststellen lassen. Aber das politische Ansehen jener Versammlung würde bei so seltener Berufung derselben empfindlich leiden. Einen wahren Gewinn für das nationale Leben kann sie aber nur dann gewähren, wenn sie als ein ge­ achteter, durch seine politische Bedeutung imponirender Körper an der Bun­ desthätigkeit Theil nimmt, und daß sie dies möglichst ununterbrochen, d. h. in jährlich wiederkehrenden Sitzungen thue, ist nothwendig nicht nur, damit die Reform die von ihr erwarteten Früchte trage, sondern selbst, damit die Neue­ rungen nicht Schaden bringen. Die Bundesthätigkeit soll, ohne daß die Ein­ zelstaaten etwas von ihren Rechten aufgeben, gesteigert und in weiterem Um­ fange als bisher durch Majoritätsbeschlüsse bestimmt werden. Muß man dar­ auf gefaßt sein, daß daraus härtere Frictionen als bisher unter den Einzelstaaten entspringen werden, so ist es geboten, für eine beschwichtigende und ausglei­ chende Macht zu sorgen. Diese kann nirgends anders als in der Vertretung des deutschen Volkes gefunden werden, die durch Geltendmachung der nationa­ len Idee dem Bunde den Zusammenhalt zu geben hat, welcher gegenüber den ihm zugemutheten Leistungen in seinen übrigen Institutionen schwerlich in genügendem Maaße gefunden werden kann. Ein möglichst stetiges Beisam­ mensein der Versammlung der Bundesabgeordneten ist für das Gedeihen des Bundes eine wesentliche Bedingung, auch wenn nicht schon die Rücksicht,

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Antrag Sachsen-Weimars zu Art. 18

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ihr eine höhere Stellung als den Einzelkammern anzuweisen, geböte, sie in nicht längeren Zwischenräumen als diese zusammentreten zu lassen, die in allen größeren deutschen Staaten alle 2 Jahre, in den größten jährlich berufen werden. Erscheinen einjährige Perioden für die Sitzungen der Versammlung der Bundesabgeordneten aus allgemeinen politischen Erwägungen geboten, so bringt es schon die Folgerichtigkeit des Systems mit sich, daß sie nach einer Auflösung innerhalb einer absolut bestimmten Frist wieder berufen werden muß. Die dehnbare Vorschrift des Entwurfs, nach einer Auflösung seien in den Einzelstaaten auf Auffordern des Directoriums die Neuwahlen so bald als möglich vorzunehmen und nach deren Beendigung werde das letztere zur Wiederberufung der Versammlung schreiten, läßt dem Ermessen des Directo­ riums einen zu weiten Spielraum und macht dieses wie die Versammlung selbst von dem guten Willen der Einzel-Regierungen abhängig. Wird nach dem zu Art. 16 Bemerkten die directe Volkswahl an die Stelle der Delegation gesetzt, so fällt ein großer Theil der bei dem letzteren System für unvorherge­ sehene Wahlen eintretenden Unbequemlichkeiten weg, und wie groß auch diese sein möchten, sie können es nie rechtfertigen, den Wiederzusammentritt einer aufgelösten Volksvertretung statt von dem Gesetz, von dem Ermessen verschiedener Regierungsbehörden abhängig zu machen.   Antrag Sachsen-Weimars zu Art. 18  [Anlage] No 18.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 168. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 119.

Sachsen-Weimar hält einen kürzeren Sitzungsturnus der Abgeordnetenversammlung – mindestens alle zwei Jahre – für unvermeidlich.

Sachsen-Weimar. Antrag zu Art. 18, al. 1.

Ich halte es für unvermeidlich, die Abgeordnetenversammlung in kürzeren Fristen zusammenzuberufen und beantrage, daß dies alljährlich, mindestens alle zwei Jahre geschehen möge.   Coburg-Gotha zu Art. 18  [Anlage] No 19.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 169. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 119 (Auszug).

Sachsen-Coburg und Gotha beantragt zusätzlich zum dreijährigen Sitzungsturnus der Abgeordnetenversammlung ihre Einberufung „ein Mal während jeder Finanz-Periode“.

Nr. 66

Frankfurt am Main, 25. August 1863

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Coburg-Gotha. Zu Art. 18. Satz 1 möge unter Wegfall der jetzigen Fassung lauten wie folgt: Die Versammlung der Bundesabgeordneten wird regelmäßig in jedem dritten Jahre im Monat Mai zur Feststellung des Voranschlags der Bun­ desausgaben und außerdem noch Ein Mal während jeder Finanz-Periode nach Frankfurt a/M einberufen. Sie kann etc. etc.

66. Beust an Roggenbach

GLA Karlsruhe, 48/1527. Note. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 26. August 1863. Veröffentlicht in der Berliner Allgemeinen Zeitung Nr. 418 v. 8. September 1863 und im Frankfurter Journal Nr. 250 v. 9. September 1863. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 199–201.

Die Fürstenversammlung hat den österreichischen Entwurf einer Reformakte in ihrer ersten Sitzung einstimmig als Grundlage ihrer Verhandlungen angenommen. Nur ­dadurch war es möglich, „einen festen Boden der Einigung“ zu gewinnen und der Bevölkerung die Gewißheit zu geben, daß es den Fürsten mit der Gewährung bestimmter Zugeständnisse Ernst sei. Ein den badischen Darlegungen entsprechendes Verfahren würde jede Aussicht auf ein Resultat der Verhandlungen in Frankfurt von vornherein vereiteln. Die konstitutitonellen Bedenken Badens gegen eine Annahme der Reformakte durch die Fürsten sind nicht gerechtfertigt.

Frankfurt am Main, 25. August 1863 Der Unterzeichnete hat die Note sammt Beilage zu empfangen die Ehre ge­ habt, welche der Präsident des Großherzoglich Badischen Ministeriums des Großherzoglichen Hauses und des Aeußern, Herr Freiherr von Roggenbach unter gestrigem Datum an ihn zu richten die Gefälligkeit hatte.1 Derselbe hat nicht ermangelt diese Schriftstücke dem Könige, seinem ­Allergnädigsten Herrn, zu unterbreiten und ist von Seiner Majestät ermächtigt jene geehrte Mittheilung in Nachstehendem zu erwiedern. Das Promemoria, auf welches die Beilage der gefälligen Note Bezug nimmt2, hat bekanntlich in der auf dessen Erlaß unmittelbar folgenden ­Sitzung des Fürstentags von Seiten Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich eine Erläuterung erfahren, welche geeignet war die hohe Versammlung über 1 Beust bezieht sich auf die Note Roggenbachs vom 24. August 1863, mit welcher dieser den deutschen Regierungen die badische Note an Rechberg vom 22. August 1863 (Dok. 62) über­ mittelt hatte. 2 Siehe Dok. 57.

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Beust an Roggenbach

Nr. 66

dessen Tragweite vollständig zu beruhigen, und in der That den Erfolg hatte, daß sofort mit Vertrauen und Entschlossenheit in die Berathung eingetreten wurde. Erscheint hienach eine Erörterung der Bedeutung des vorgedachten Promemoria an und für sich wohl kaum mehr an der Zeit, so erachten es gleichwohl Seine Majestät der König für geboten, sich über Ihre eigenen Auf­ fassungen bezüglich der im Gange befindlichen Berathung auszusprechen, nachdem Gleiches von Seiten Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden solchergestalt Allerhöchstihnen gegenüber geschehen ist. Die Fürstenversammlung hat in ihrer ersten Sitzung einstimmig den Be­ schluß gefaßt, den von Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich ihr vorge­ legten Entwurf einer Reformacte als Grundlage der Verhandlung anzunehmen. Ließ dieser Beschluß den vereinigten Fürsten volle Freiheit, sowohl der Mei­ nungsäußerung über die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs, als der bin­ denden Annahme desselben, so hatte man sich gleichwohl davon Rechenschaft abzulegen, daß die Verhandlung sich eben auf der wesentlichen Grundlage des Entwurfs zu bewegen habe und daß daher auch die allseits als dringendes Be­ dürfniß anerkannte Erzielung eines positiven Resultats nur dann zu erreichen sei, wenn die Verhandlung unter den Fürsten sich den wichtigsten und ent­ scheidendsten Bestimmungen des Entwurfs sofort zuwende. Diese Bestim­ mungen treten so klar aus dem Ganzen des Entwurfs hervor, und lassen alle übrigen dermaßen untergeordnet erscheinen, daß eine unabänderliche Feststel­ lung der Ersteren sich als vollkommen zulässig erweist, ohne daß dadurch ir­ gend welche Schwierigkeiten für die etwaigen Modificationen der Letzteren in einer Ministerconferenz veranlaßt werden könnten. Auf diese Weise allein war es aber möglich den doppelten Zweck zu erreichen, welchen die hier vereinig­ ten Fürsten nothwendig im Auge haben mußten, nämlich einerseits unter sich einen festen Boden der Einigung zu gewinnen, und andererseits durch Kund­ gebung dieser Einigung nach außen ihren Bevölkerungen die Gewißheit zu geben, daß es mit der Einigung unter den Fürsten und mit der Gewährung be­ stimmter Zugeständnisse Ernst sei; denn ohne die Erstere können die Letzte­ ren keinen Werth haben und es wird für alle einsichtsvollen Patrioten ein grö­ ßerer Gewinn sein beschränktere Zugeständnisse aus den Händen der verei­ nigten Fürsten, als die Verheißung weitergehender Concessionen aus denen einer einzelnen Regierung zu empfangen. Seine Majestät der König, des Un­ terzeichneten Allergnädigster Herr, haben sich glücklich geschätzt in dieser Auffassung Sich auch mit solchen Bundesgliedern zu begegnen, deren politi­ sche Anschauungen sonst von den Ihrigen abweichen und sich vielleicht mehr der Thunlichkeit weitergehender Zugeständnisse zuneigen, gleichwie dies ge­ genüber von denen der Fall war, die in manchen Punkten die Vorschläge des kaiserlichen Cabinets als zu weit gehend betrachteten und dem Zwecke der Einigung gern manches Opfer der Überzeugung brachten.

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Frankfurt am Main, 25. August 1863

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Der König, des Unterzeichneten Allergnädigster Herr, weiß der gewissen­ haften Auffassung, welche den Darlegungen der Großherzoglichen Regierung zu Grunde liegt alle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Allerhöchstderselbe vermag aber ebensowenig die Überzeugung zu unterdrücken, daß ein diesen Darlegungen entsprechendes Verfahren, wollte es von sämmtlichen Theilneh­ mern befolgt werden, von vorn herein jede Aussicht auf das Zustandekom­ men irgend eines Resultats nothwendig vereiteln müßte. Daß die verfassungsmäßige Zustimmung der Landesvertretungen vollkom­ men gewahrt sei, wird seiten der Großherzoglichen Regierung anerkannt. Was dagegen die Hinweisung auf die in der Verfassung des Großherzogthums be­ gründete Unverantwortlichkeit des Souveräns betrifft, so ist der Unterzeichne­ te noch besonders in dem Falle auf diese Frage näher einzugehen, da solche, wäre sie von entscheidender Bedeutung[,] nothwendig auch bei den übrigen hohen Mitpaciscenten ihre Erörterung und Erledigung erheischen würde. Der constitutionellen Unverantwortlichkeit des Souveräns steht die Ver­ antwortlichkeit der Minister gegenüber. An diese Verantwortlichkeit haben nur die Landesvertretungen Anspruch und dieser Anspruch macht sich da­ durch geltend, daß, ohne Gegenzeichnung der verantwortlichen Minister, nicht Hand­lungen vollzogen werden dürfen, welche die Rechte der Landes­ vertretungen und deren verfassungsmäßige Wirksamkeit in irgend einer Wei­ se berühren. Der Vorbehalt der Zustimmung der Landesvertretungen schließt somit jenen der ministeriellen Verantwortlichkeit in sich. Die in Frankfurt versammelten hohen Souveräne sind sämmtlich von ihren Ministern begleitet und erhalten sich mit ihnen in steter Verbindung, damit eben die Minister im Stande bleiben die hier gefaßten Beschlüsse den Landesvertretungen gegen­ über zu vertreten; es ist die Aufgabe eines Jeden, diese seine Verantwortlich­ keit zur Geltung zu bringen und sein Gewissen eben so zu wahren, wie dies ihm bei den Regierungshandlungen im eigenen Lande zwischen Fürst und Landesvertretung obliegt. Nur der Landesvertretung gegenüber ist der Minister verantwortlich und diese Verantwortlichkeit tritt mit der Ausführung des gefaßten Beschlusses ein; bis dahin ist es Sache seines Gewissens, sich mit dem Staatsoberhaupte zu verständigen; der Beschluß endlich verletzt aber nicht das constitutionelle Princip, selbst wenn er noch nicht das äußere Merkmal der ministeriellen Contrasignatur trägt. Eine weitergehende Auffassung der ministeriellen Ver­ antwortlichkeit dagegen, welche die fürstliche Initiative einer Beschränkung unterwerfen wollte, würde ihre Anlehnung nicht innerhalb, sondern außerhalb der Landesvertretung zu suchen haben und könnte daher nach diesseitiger Ansicht als eine berechtigte nicht wohl angesehen werden. Indem der Unterzeichnete Seine Excellenz den Herrn Freiherrn von Rog­ genbach ersucht vorstehende Darlegung zur Kenntniß Seiner Königlichen

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König Wilhelm an König Georg V.

Nr. 67

Hoheit des Großherzogs bringen zu wollen, benutzt er diesen Anlaß zu der Versicherung seiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Beust   König Wilhelm an König Georg V. 

67. König Wilhelm von Württemberg1 an König Georg V. von Hannover

NLA Hannover, Dep. 103, Best. VIII, Nr. 89. Telegramm. Gesendet: 7.32 Uhr. Ankunft: 7.36 Uhr.

Württemberg kritisiert die Bevorzugung Bayerns im Direktorium und wird in dieser Frage wie Hannover und Sachsen stimmen.

Stuttgart, 26. August 1863 Seiner Majestät König von Hannover Fr[ankfur]t. Ich habe die Bevorzugung von Bayern in der Angelegenheit des Directoriums und Stimmenvertheilung stets für ein Unrecht gegen die anderen Könige an­ gesehen, ich habe daher meinem Sohn2 den Befehl ertheilt, in dieser Angele­ genheit ganz wie Hannover und Sachsen zu votiren. Der König von Württemberg

68. Rössing an Berg1

NLA Oldenburg, Best. 31-15-13, Nr. 95 II. Geheimer Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 28. August 1863.

Rössing berichtet über seine Kontakte mit den Regierungen kleinerer und mittlerer Staaten, die danach streben, Preußen das Alternat im Bundesvorsitz zu verschaffen. Baden nimmt einen dem Reformprojekt sehr abgeneigten Standpunkt ein, ebenso einige andere Regierungen. Auch Rössing glaubt nicht an ein Resultat und wird danach streben, eine Ministerkonferenz zu verhindern, solange nicht eine grundsätzliche Einigung mit Preußen herbeigeführt ist.

Geheim

Frankfurt am Main, 26. August 1863

Die Anlage wird vielleicht von Interesse sein.2 1 Wilhelm I., König von Württemberg (1781–1864), regierte von 1816–1864; ADB, Bd. 43, S. 209–213. 2 Kronprinz Karl von Württemberg, der König Wilhelm in Frankfurt vertrat.

1 Karl Heinrich Ernst (seit 1838 Freiherr) von Berg (1810–1894), 1849 bis 1874 oldenburgi­ scher Staatsrat und Innenminister, 1874–1876 Vorsitzender des Staatsministeriums. Vgl. Bio­ graphisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, S. 69 f. 2 Die Anlage liegt nicht in der Akte.

Nr. 69

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Frankfurt am Main, 26. August 1863

Ueber den schließlichen Verlauf der gegenwärtigen Fürsten-Versammlung läßt sich noch keine bestimmte Prognose stellen. Ueber den Artikel 8 wurde gestern und wird noch heute und morgen verhandelt werden. Die Regierun­ gen, mit welchen ich hier in nähere Verbindung getreten bin, nämlich die sämmtlichen Thüringischen Staaten, die Städte und Braunschweig, auch Ba­ den und verschiedene andere, wollen Garantien, daß Preußen in betreffs Krieg oder Frieden nicht so leicht majorisirt werden kann, so wie sie auch dafür streben, Preußen das Alternat im Vorsitz zu verschaffen. An diesem Puncte kann die ganze Sache scheitern; Specielleres hierüber mitzutheilen, ist in der Kürze nicht wohl möglich. Baden fängt an, einen dem Projecte sehr abgeneigten Standpunct einzuneh­ men, Sachsen-Altenburg desgleichen und schwerlich wird mit diesen beiden Regierungen eine Einigung erzielt werden. Weimar ist sehr vorsichtig in ­weiteren Concessionen und Herr von Watzdorf scheint überall nicht an ein schließliches Resultat zu glauben, womit auch ich mehr oder weniger über­ einstimme. Ich werde dahin streben, daß wir nicht zu Minister-Conferenzen übergehen, ehe nicht durch weitere Communication mit Preußen festgestellt ist, daß mit einiger Sicherheit eine Einigung mit Preußen zu erwarten ist. von Rössing

69. Protokoll Nr. 6 der Frankfurter Fürstenkonferenz

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 230, 286, 297–299, 304, 307 f., 313 f. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 120–125.

Zu den Artikeln 3, 11 und 14 der Reformakte werden die Vermittlungsbemühungen fortgesetzt. Zu den Artikeln 9 und 20 wird keine allseitige Einigung erzielt, mehrere Monarchen äußern Vorbehalte. Die Artikel 21 und 22 werden einstimmig angenommen. Artikel 23 wird kontrovers diskutiert und die weitere Beratung darüber vertagt.

Frankfurt am Main, 26. August 1863 Protokoll der sechsten Sitzung der Fürstenconferenz abgehalten zu Frankfurt a/M am 26ten August 1863 von 11 bis 3 Uhr. Gegenwärtig waren sämmtliche im Protokolle der ersten Sitzung genannte Mitglieder der Conferenz mit Ausnahme des durch Unwohlsein verhinderten Herzogs von Sachsen-Altenburg. Bei Eröffnung der Sitzung bemerkten Se kk. Apostolische Majestät, daß zur Erledigung der Differenz über Artikel 11 des Entwurfs einer Reformacte

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Protokoll Nr. 6 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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Alinea 4 eine Vorberathung im Comité erforderlich erscheine. Die Großher­ zoge von Baden und Mecklenburg-Schwerin, die Herzoge von Nassau und Sachsen-Coburg, und die Herren Vertreter von Lübeck und Hamburg wurden ersucht, sich dieser Aufgabe zu unterziehen. Se kais. Majestät ließen durch den Protokollführer eine den Beschlüssen der vorigen Sitzung entsprechende neue Redaction des Artikels 14 vorlegen. Diese Redaktion – Anlage 1 des gegenwärtigen Protokolles – wurde mit der Modification genehmigt, daß statt der Worte: „der bisherige Voranschlag“ die Worte: „der Voranschlag der vorhergehenden Periode“ gesetzt wurden. Nur behielten Se königl. Hoh. der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin Sich Ihre schließliche Erklärung über diesen Artikel bis zur Schlußfassung über den Artikel 20 vor. Bezugnehmend auf den in der letzten Berathung über die Directorialfrage eingelegten Vorbehalt gaben Se königl. Hoheit der Kurfürst von Hessen den unter Ziffer 2 anliegenden neuen Aenderungsantrag zum Artikel 3 des Ent­ wurfs zu Protokoll. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich waren der Meinung, daß dieser An­ trag als Dissens des Kurfürsten bis zur Schlußabstimmung werde stehen blei­ ben müssen. Die Conferenz zeigte sich hiemit einverstanden. Se Majestät brachten bei diesem Anlasse in Erinnerung, daß es zur schließlichen Feststel­ lung des Artikels 3 auch noch einer Verständigung innerhalb der Gruppe der die fünfte Stimme führenden Fürsten bedürfe. Se kais. Majestät, zur Tagesordnung übergehend, lenkten die Berathung auf den Artikel 9. Eine Erklärung Badens zu diesem Artikel, sowie Aenderungsanträge der Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar und Oldenburg, sowie des Herzogs von Sachsen-Coburg liegen dem Protokolle unter Ziffer 3, 4, 5, 6 und 7 bei. Die umfassende Discussion, zu welcher diese in der Hauptrichtung ­übereinstimmenden Anträge Anlaß gaben, führte zu den folgenden Ergeb­ nissen: 1. Alinea 1 des Artikels wurde einstimmig angenommen. 2. Die Beibehaltung des 1ten Satzes des Alinea 2, lautend: „Das Directorium hat jedoch auch seinerseits darüber zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde“ wurde mit allen Stimmen, ausgenommen Baden und Sachsen-Weimar, – wel­ ches sich auf sein Amendement bezog, – gutgeheißen, nachdem bemerkt wor­ den war, daß diese Bestimmung die Pflicht zur Wachsamkeit, nicht die Be­ rechtigung zu einer Action in den Einzelstaaten in sich schließe. Mecklen­ burg-Schwerin stimmte in der aus Anlage 8 ersichtlichen Weise. 3. Betreffend den zweiten Satz des Alinea 2:

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„Sind Ruhestörungen zu besorgen, so ist es berufen, auf deren Verhü­ tung hinzuwirken“ fand zwar der Vorschlag Sr Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg, diese Einwirkungen auf bundesfreundlichen Rath zu beschränken, mehrfache Un­ terstützung, namentlich bei dem Herrn Vertreter für Hamburg, doch entschied sich die Conferenz für Streichung dieses Satzes. 4. Die Conferenz beschloß, den dritten Satz des Alinea 2 durch eine ein­ fache Bezugnahme auf die Artikel 25 bis 28 der Wiener Schlußacte, deren Handhabung künftig dem Directorium obliegen werde, zu ersetzen.1 Der Protokollführer wurde beauftragt, den Artikel in der diesen Beschlüs­ sen entsprechenden Fassung morgen wieder vorzulegen. Die erhabene Versammlung ging zur Berathung über den Artikel 20 des Entwurfes über. Außer den Anträgen des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin (Anlage 3 zum Protokolle der dritten Sitzung) und der unter Ziffer 9 anliegenden Er­ klärung des Großherzogs von Baden, wurde von des Großherzogs von Sach­ sen-Weimar kön. Hoheit laut Anlage Ziffer 10 zu diesem Artikel der Antrag gestellt, daß derselbe vorerst der Ministerconferenz zur Berathung überwie­ sen werde. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich und Se Majestät der König von Sachsen bevorworteten angelegentlich die Berathung durch die Fürstenconfe­ renz, wofür sich die hohe Versammlung mit allen Stimmen, diejenige des Großherzogs von Sachsen-Weimar ausgenommen, entschied. Des Königs von Hannover Majestät stellten hierauf denjenigen Abände­ rungsantrag zu Alinea 2 Punkt 1 dieses Artikels, welcher dem gegenwärtigen Protokolle unter Ziffer 11 beiliegt. Dasselbe berührt zugleich den noch ausge­ setzten Punkt im Artikel 11 Alinea 4, sowie den Artikel 25. Se Majestät König Georg begründeten mündlich noch näher diesen Antrag, nach welchem im Interesse der Erhaltung der vertragsmäßigen Fundamental­ principien des Bundes ein Unterschied zwischen dem Bundesgrundvertrag und der Bundesverfassung durchgeführt, und nur die Aenderung der letzteren, nicht die des ersteren, der Thätigkeit der gesetzgebenden Organe des Bundes überlassen werden soll. Wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes beschloß jedoch die Conferenz, die Berathung über denselben auszusetzen. 1 In Artikel 25–28 der Wiener Schlußakte war im Detail geregelt worden, in welchen Fällen und auf welche Weise der Bund als Gesamtheit bzw. die Bundesversammlung berechtigt war, zur Wiederherstellung der inneren Ruhe und Ordnung in einem Mitgliedsstaat des Bundes einzu­ greifen. Eine Bundesintervention war vor allem dann zulässig, wenn ein „offener Aufruhr“ stattfand oder wenn es „gefährliche Bewegungen in mehreren Bundesstaaten“ gab. Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 94 f. – Zur Diskussion auf dem Fürstentag über diese Artikel siehe unten Anlage 3–8 zu Dok. 69 u. Anlage 1 zu Dok. 70.

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Sie beschloß ferner, auf Antrag Sr Majestät des Königs von Sachsen, die Berathung des Alinea 2 Punkt 4, insoweit letzterer Punkt sich auf die Ausdeh­ nung der Bundeslegislative auf neue Gegenstände bezieht, erst dann vorzu­ nehmen, wenn das zur Ausgleichung der Differenz über Artikel 11 Alinea 4 eingesetzte Comité seinen Bericht erstattet haben würde. Der Artikel 20 gelangte sonach heute zur Berathung mit Ausnahme des Punktes 1 im Alinea 2, sowie derjenigen Stellen im Punkte 4 und im Alinea 3, welche sich auf die Frage der Ausdehnbarkeit der Bundesgesetzgebung und auf Abänderung der Bundesverfassung beziehen. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin entwickel­ ten mündlich näher Ihren Antrag (zu Artikel 16–22)[,] wonach der Abgeord­ netenversammlung in den Gegenständen der Bundesgesetzgebung eine be­ schließende Befugniß, im Übrigen aber, insbesondere was die Bewilligung der Bundes-Matrikular-Umlagen betreffe, nur eine berathende Stellung gege­ ben werden solle. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich, sowie Ihre Majestäten die Könige von Sachsen und Hannover sprachen gegen diesen Vorschlag, dessen Zweck­ mäßigkeit insbesondere der König von Sachsen bestritt, da in der Bewilli­ gung eines bloßen Berathungsrechtes eine halbe Maßregel, die sich nicht aufrechthalten lasse, erblickt werden müsse. Auf gehaltene Umfrage über den Mecklenburgischen Antrag stimmten Ihre kön. Hoheiten die Großherzo­ ge von Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz für denselben, sämmtliche übrige Stimmen waren verneinend. Der Großher­ zog von Mecklenburg-Schwerin erklärte, den Antrag, der Abgeordnetenver­ sammlung hinsichtlich der Bewilligung der Matrikular-Umlagen eine be­ rathende, nicht aber eine beschließende Stellung zu geben, aufrecht erhalten zu müssen, da dieser Punkt vorzugsweise zu denjenigen gehöre, von deren befriedigender Erledigung Mecklenburg-Schwerin seine schließliche Erklä­ rung über Annahme oder Ablehnung des Entwurfs abhängig machen zu müs­ sen glaube. Zu Artikel 20 Alinea 2 Punkt 4 stellten sodann Se königl. Hoheit den weite­ ren Antrag, unter die Gegenstände, worüber die Bundesgesetzgebung allge­ meine Grundzüge festzustellen habe, auch ein deutsches Handwerkerrecht aufzunehmen, glaubten jedoch, da von mehreren Seiten Bedenken dagegen erhoben wurden, den Antrag an dieser Stelle nicht weiter verfolgen zu sollen. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich hielten hierauf Umfrage über das Ganze des Artikels 20 mit Ausnahme der soeben erwähnten noch ausgesetz­ ten Stellen im Alinea 2 Punkt 1 und 4 und im Alinea 3. Dieselbe überwiegen­ de Mehrheit, nämlich sämmtliche Stimmen bis auf jene von Sachsen-Weimar und beiden Mecklenburg, und den Vorbehalt von Baden, nahmen den Artikel 20 in der bezeichneten Ausdehnung an.

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Die Conferenz ging zur Berathung des Artikels 21 des Entwurfes über, welchen Artikel sie, da von keiner Seite Bemerkungen gegen denselben erho­ ben wurden, einstimmig annahm. Ebenso wurde der Artikel 22 einstimmig angenommen. Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden ließen jedoch zu den Artikeln 21 und 22 die unter Ziffer 12 und 13 anliegenden Erklärungen zu Protokoll geben. Des Kaisers von Oesterreich Majestät lenkten die Berathung auf den Artikel 23. Zu diesem Artikel stellten Se Majestät der König von Hannover zwei Ab­ änderungsanträge, von welchen der erste dahin ging, daß die Einladungen zu den Fürstenversammlungen von Sr Majestät dem Kaiser von Oesterreich ­allein auszugehen hätten, auf Allerhöchstdessen Ruf auch jetzt die Fürsten Deutschlands sich freudig zu gemeinsamer Berathung eingefunden hätten. Se Majestät der Kaiser Franz Joseph bemerkten, Sie hätten für den Vor­ schlag, daß die Einladungen gemeinschaftlich von den Monarchen von ­Oesterreich und Preußen ausgehen sollten, den Beweggrund gehabt, daß es Ihnen wünschenswerth erschienen sei, vorzugsweise in dem Augenblicke, in welchem die deutschen Fürsten sich in Person zu vereinigen hätten, schon in der Form des Verfahrens die Einigkeit zwischen den beiden deutschen Mäch­ ten hervortreten zu lassen. Nach dem zweiten Antrage Sr königl. Hannover’schen Majestät hätte der im Alinea 4 des Entwurfes den deutschen Standesherren eingeräumte Antheil an einer Curiatstimme in der Fürstenversammlung wegzufallen. Se Majestät entwickelten die Ansicht, daß den Standesherren, auch wenn man die freundlichsten Gesinnungen für sie hege und das ihnen widerfahrene historische Unrecht beklage, in einer wesentlich zur Ausübung von Souverä­ netätsrechten berufenen Versammlung ein Platz nicht wohl eingeräumt wer­ den könne. Denselben Gesichtspunkt vertraten Ihre kön. Hoheiten der Kronprinz von Württemberg und der Großherzog von Baden, Höchstwelcher, Bezug neh­ mend auf Seine unter Ziffer 14 anliegende Erklärung zum Artikel 23, zwar den Wunsch äußerte, es möchte den Standesherren in einer neuen Ordnung der Bundesverhältnisse in irgend einer Weise eine bevorzugte Stellung ange­ wiesen werden, jedoch der Meinung waren, daß sie eine solche Stellung nicht in einer Versammlung von Fürsten mit principiell verschiedenem Berufe, son­ dern nur in einem Oberhause würden finden können. Letzterer Ansicht pflichteten Se kön. Hoheit der Großherzog von SachsenWeimar bei. Se Durchlaucht der Fürst zu Schaumburg-Lippe stimmte gleichfalls für den Antrag des Königs von Hannover, mit dem Bemerken, daß die Fürstenver­

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sammlung souveräne Interessen vertrete und ihre Wirksamkeit nach Artikel 25 in Souveränetätsacten bestehen würde, weshalb auch nur Souveräne oder deren Vertreter dazu berufen sein möchten. Übrigens hegten Se Durchlaucht den lebhaften Wunsch, daß den deutschen Standesherren eine einflußreiche und umfassende Wirksamkeit, etwa in einem deutschen Oberhause einge­ räumt werde. Se Majestät der König von Sachsen erklärten Sich wiederholt gegen die Gründung eines Oberhauses. Ebenso Se Majestät der Kaiser von Oesterreich, Allerhöchstwelche die Überzeugung aussprachen, daß ein Oberhaus, wie es am deutschen Bunde zusammengesetzt werden könnte, sich in einem conse­ quenten und permanenten Gegensatz zur Abgeordnetenversammlung bewe­ gen und jede Entwickelung hemmen würde. Die große Mehrheit der erhabe­ nen Versammlung bekannte sich zu der gleichen Meinung. Für den Antrag des Königs von Hannover wurde von mehreren Seiten auch der Grund geltend gemacht, daß die Theilnahme der Standesherren an der Fürstenversammlung auf ihr Verhältniß in den Einzelstaaten zurückwirken und die mitunter nicht gerade leichten Beziehungen zwischen ihnen und den Regierungen, denen sie unterworfen seien, noch erschweren würde2. Einverstanden mit der Bestimmung des kais. Entwurfes zeigten Sich dage­ gen Ihre kön. Hoheiten die Großherzoge von Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin, sowie der Großherzog von Oldenburg, Höchstwel­ cher gestützt auf Artikel 6 der Bundesacte3 die Gründe des Rechtes und der Billigkeit für eine endliche Berücksichtigung der wohlbegründeten Ansprü­ che der Standesherren hervorhob. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg bevorworteten gleichfalls entschieden den kais. Vorschlag, besonders hervor­ hebend, daß ein Anspruch der Standesherren, im persönlichen Vereine der Fürsten Deutschlands repräsentirt zu sein, gewissermassen schon aus dem ih­ nen allgemein zugestandenen Rechte der Ebenbürtigkeit folge, daß aber das Maß ihres Einflusses in der Fürstenversammlung jedenfalls ein zu bescheide­ nes sein werde, um die vom politischen Standpunkte aus vorgetragenen Be­ denken rechtfertigen zu können. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich bemerkten, die beiden Antheile der Standesherren an einer Curiatstimme in der Fürstenversammlung seien wohl nicht so sehr zu fürchten, daß gegen das vorgeschlagene Zugeständniß politische Gründe von Erheblichkeit geltend gemacht werden könnten. An 2 Emendiert. Vorlage: würden. 3 In Artikel 6 der Bundesakte hieß es: „Ob den mediatisirten vormaligen Reichsständen auch einige Curiatstimmen in Pleno zugestanden werden sollen, wird die Bundes-Versammlung bey der Berathung der organischen Bundes-Gesetze in Erwägung nehmen.“ Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 87; QGDB I/1, S. 1511.

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ihrem Verhältnisse in den Einzelstaaten würden die Standesherren durch den Einfluß jener zwei Antheile sicher nichts zu ändern vermögen. Keine Gefahr sei mit dem Vorschlage verbunden. Die Standesherren würden aber ihre Theilnahme am Fürstentage als eine Ehrensache betrachten, sie als sol­ che sehr hoch halten und eine große Genugthuung und Beruhigung wegen der früher erlittenen Verluste darin erblicken. Ein anderer Augenblick als der jetzige, um den Standesherren gerecht zu werden, und den Versprechun­ gen, mit welchen man sie vertröstet habe, Ehre zu machen, werde nicht kommen, und Se Majestät betrachteten es daher als Pflicht, den Vorschlag des Entwurfs auf das wärmste zu vertreten, und wollten den dringenden Wunsch aussprechen, daß die hohe Conferenz diesen Vorschlag nicht fallen lassen möge. Ihre Majestäten die Könige von Bayern und Hannover wünschten hierauf Aufschub der Entscheidung, und die Conferenz beschloß, die Abstimmung auszusetzen. Se königl. Hoheit Prinz Heinrich der Niederlande brachten zum Artikel 23 den unter Ziffer 15 dem Protokolle beigefügten Antrag ein. Um denselben näher prüfen zu können, beschloß die Conferenz die Berathung später vorzu­ nehmen. Des Kronprinzen von Württemberg kön. Hoheit stellten zu Alinea 3 des Artikels 23 die Frage, ob die Souveräne geeigneten Falles nicht auch durch andere Prinzen, als durch die des eigenen Hauses, sich in der Fürstenver­ sammlung sollten vertreten lassen können. Die Conferenz war der Meinung, daß die Beschränkung auf Prinzen des eigenen Hauses nicht nothwendig sei, sondern auch Mitglieder anderer deutscher Fürstenhäuser den Auftrag zur Stellvertretung erhalten könnten. Der Protokollführer wurde beauftragt, eine entsprechende Redaktion vorzulegen. Die Berathung des Artikels 23 wurde hiemit für heute verlassen, die nächste Sitzung auf morgen anberaumt, und außer der Erledigung der heute ausgesetzt gebliebenen Punkte zu den Artikeln 9, 11, 20 und 23 die Bera­ thung der Artikel 24, 26, 27 Punkt 3, und 28 Punkt 3 auf die Tagesordnung gesetzt. Schließlich wurde das Protokoll der Sitzung vom 24ten dieses Monats vor­ gelesen, genehmigt und unterzeichnet, wobei die darin enthaltene Angabe, daß dem Antrage Sr Hoheit des Herzogs von Nassau zum Artikel 6 des ­Entwurfs eine Folge nicht gegeben worden sei, dahin berichtiget wurde, daß vielmehr die Conferenz beschlossen habe, der Antrag solle in das Protokoll niedergelegt werden.4 4 Siehe dazu oben S. 306.

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Neue Redaktion des Artikels 14

Nr. 69

Die Verlesung und Genehmigung des heutigen Protokolles erfolgte in der Sitzung vom 29ten August. Urkundlich der Unterschriften [Es folgen die Unterschriften.]

Der Protokollführer. Ludwig von Biegeleben k. k. Hof- und Ministerialrath   Neue Redaktion des Artikels 14  [Anlage] No 1.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 270. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 125.

Aufgrund der Änderungsanträge von Baden, Sachsen-Weimar, Oldenburg und Sachsen-Coburg und Gotha wird eine neue Fassung von Artikel 14 der Reformakte vorgeschlagen.

[Neue Redaktion des Artikels 14] Nach den Ergebnissen der Discussion über die zum Artikel 14 von Ihren ­königl. Hoheiten den Großherzogen von Baden, Sachsen-Weimar und von Oldenburg, so wie von Sr Hoheit dem Herzoge von Sachsen-Coburg ge­ stellten Aenderungsanträge könnte der genannte Artikel die folgende Fassung erhalten: Das Directorium läßt die aus den Matrikularbeiträgen der einzelnen Staaten gebildete Bundescasse verwalten. Es läßt von drei zu drei Jahren den Voranschlag der ordentlichen und außerordentlichen Bundesauslagen aufstellen und nach eingeholter Zu­ stimmung des Bundesrathes der Versammlung der Bundesabgeordneten zur Genehmigung vorlegen. Es läßt die von der Versammlung der Bundesabgeordneten genehmigten Matrikular-Umlagen ausschreiben. Kommt in Betreff des Voranschlags eine Einigung mit der Versammlung der Bundesabgeordneten nicht zu Stande, so ist der bisherige Voran­ schlag bis zu einer Verständigung maßgebend. Zur Deckung etc. etc.   Kurhessen zu Artikel 3 

[Anlage] No 2.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 272. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 125.

Kurhessen schlägt ein siebenköpfiges Bundesdirektorium vor. Neben den ständigen Mitgliedern Österreich, Preußen und Bayern sollen vier Mitglieder jährlich von den übrigen Bundesregierungen gewählt werden.

Nr. 69

Frankfurt am Main, 26. August 1863

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Kurhessen. Artikel 3 des Entwurfes. Das Direktorium des deutschen Bundes besteht aus dem Kaiser von Oester­ reich, dem Könige von Preußen, dem Könige von Bayern und aus vier der am 8ten, 9ten und 10ten Armee-Corps betheiligten Souveräne und freien Städte. Letztere vier Direktorialmitglieder werden jährlich von allen Bundesregie­ rungen, außer Oesterreich, Preußen und Bayern nach relativer Stimmenmehr­ heit in der Weise gewählt, daß denselben bei dieser Wahl je für 25 000 Seelen ihrer matrikularmäßigen Bevölkerung Eine Stimme zukommt.   Erklärung Badens zu Art. IX  [Anlage] No 3.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 276 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 125–127.

Baden äußert Einwände gegen die in der Bundesreformakte vorgesehene Ausweitung der Rechte des Bundes bzw. des Direktoriums im Hinblick auf die Erhaltung des inneren Friedens in den Einzelstaaten. Baden plädiert dafür, die entsprechenden restriktiveren Bestimmungen der Wiener Schlußakte beizubehalten, da diese dem Prinzip der Bundesverfassung mehr entsprechen.

Baden. Erklärung zu Art. IX. Die Befugniß des Bundes, unter dem Titel der Sorge für Erhaltung der öffent­ lichen Ordnung in die inneren Angelegenheiten der einzelnen Bundesstaaten einzugreifen, ist im Vergleich mit Art. 25–28 der Wiener Schluß-Akte5 be­ deutend und in einer für die Selbstständigkeit der Einzelstaaten wie die politi­ sche Freiheit in Deutschland gleich bedenklichen Weise erweitert. 1. Während nach Art. 25 der Wiener Schluß-Akte6 die Mitwirkung des Bundes zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Ruhe in einem Einzelstaate ausdrücklich als Ausnahme bezeichnet ist, wird in Art. 9 der Reformacte das Directorium neben den Einzelregierungen dazu berufen, über Erhaltung des 5 Die Artikel 25–28 der Wiener Schlußakte regelten das Eingreifen des Bundes bei inneren ­Unruhen in einzelnen Staaten; vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsge­ schichte, Bd. 1, S. 94 f. 6 Artikel 25 der Wiener Schlußakte lautete: „Die Aufrechthaltung der innern Ruhe und Ord­ nung in den Bundesstaaten steht den Regierungen allein zu. Als Ausnahme kann jedoch, in Rücksicht auf die innere Sicherheit des gesammten Bundes, und in Folge der Verpflichtung der Bundes-Glieder zu gegenseitiger Hülfsleistung, die Mitwirkung der Gesammtheit zur Erhal­ tung oder Wiederherstellung der Ruhe, im Fall einer Widersetzlichkeit der Unterthanen gegen die Regierung, eines offenen Aufruhrs, oder gefährlicher Bewegungen in mehreren Bundes­ staaten, Statt finden.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 94.

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Erklärung Badens zu Art. IX

Nr. 69

inneren Friedens zu wachen. Es leuchtet ein, daß eine solche Concurrenz der Bundes- und der einzelnen Staatsgewalt dem Princip der Bundesverfassung widerspricht, welches eine Einwirkung des Bundes auf die inneren Verhält­ nisse eines einzelnen Staates nur aus einem der beiden Gesichtspunkte als zuläßig erscheinen läßt, daß entweder die Gesammtheit gefährdet ist und also in ihrem eigenen Interesse einschreitet, oder die einzelne Regierung der Hilfe des Bundes bedarf, die ihr nach dem Bundesvertrag gewährt wird. 2. Die Wiener Schluß-Acte Art. 25 gestattet ein Einschreiten der Bundes­ gewalt nur zu dem Zwecke, um geschehenen Widersetzlichkeiten oder einem wirklichen Aufruhr gegenüber zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Ruhe mitzuwirken. Dagegen wird durch Art. 9 der Reformacte dem Directori­ um der sehr viel weiter gehende Auftrag ertheilt, selbstständig zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde. Verbindet man da­ mit den weiteren Satz, dasselbe habe, wenn Ruhestörungen zu befürchten sind, auf deren Verhütung hinzuwirken, ohne daß die Voraussetzungen oder die Mittel des Handelns irgend näher bezeichnet sind, ohne daß nur der Nothwendigkeit der Mitwirkung der Einzelregierung gedacht wird, so könnte sich das Directorium sogar für berufen erachten, gegen eine Regierung einzu­ schreiten, von deren politischen Maximen es eine Gefährdung des inneren Friedens in Deutschland befürchtete. 3. Der Würde der Einzelregierungen und der Gesundheit des Staatslebens, welche durch Einwirkung von Aussen leicht sehr empfindlich geschädigt wird, entspricht es, das Eingreifen des Bundes nur als äußerste Eventualität zu gestatten, und es wäre deshalb zu bedauern, wenn die weise Vorschrift der Wiener Schluß-Akte Art. 267 wegfiele, nach welcher erst nach Erschöpfung aller verfassungsmäßigen und gesetzlichen Mittel der Beistand des Bundes angerufen werden kann. 4. Da die Gefahr eines Aufruhrs und die Zweckmäßigkeit der gegen den­ selben anzuwendenden Mittel am sichersten von der betreffenden Regierung 7 Artikel 26 der Wiener Schlußakte lautete: „Wenn in einem Bundesstaate durch Widersetzlich­ keit der Unterthanen gegen die Obrigkeit die innere Ruhe unmittelbar gefährdet, und eine Ver­ breitung aufrührerischer Bewegungen zu fürchten, oder ein wirklicher Aufruhr zum Ausbruch gekommen ist, und die Regierung selbst, nach Erschöpfung der verfassungsmäßigen und ge­ setzlichen Mittel, den Beistand des Bundes anruft, so liegt der Bundes-Versammlung ob, die schleunigste Hülfe zur Wiederherstellung der Ordnung zu veranlassen. Sollte im letztgedach­ ten Falle die Regierung notorisch außer Stande seyn, den Aufruhr durch eigene Kräfte zu un­ terdrücken, zugleich aber durch die Umstände gehindert werden, die Hülfe des Bundes zu be­ gehren, so ist die Bundes-Versammlung nichts desto weniger verpflichtet, auch unaufgerufen zur Wiederherstellung der Ordnung und Sicherheit einzuschreiten. In jedem Falle aber dürfen die verfügten Maßregeln von keiner längern Dauer seyn, als die Regierung, welche die bun­ desmäßige Hülfe geleistet wird, es nothwendig erachtet.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deut­ schen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 94.

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Frankfurt am Main, 26. August 1863

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selbst beurtheilt werden kann, welcher die möglichst baldige Unterdrückung desselben am meisten angelegen sein muß, wird die beschränkende Bestim­ mung der Wiener Schluß-Akte Art. 26 Billigung verdienen, daß ohne Anrufen der bedrohten Regierung der Bund nur dann einzuschreiten habe, wenn die­ selbe durch die Umstände gehindert war Bundeshilfe zu begehren, und sie notorisch ausser Stand ist, den Aufstand durch eigene Kräfte zu unterdrücken. Die erste, wesentlichste und begründetste Beschränkung ist in Art. 9 ganz, bei der zweiten das nicht unerhebliche Wörtchen „notorisch“ weggefallen und dadurch die Möglichkeit gegeben, durch allzu eiliges Einschreiten des Bun­ des ein Uebel, das unterdrückt werden sollte, zu vergrößern. 5. Endlich ist in Art. 9 die Vorschrift der Wiener Schluß-Akte Art. 26 be­ seitigt, daß die vom Bunde angeordneten Maßregeln nicht von längerer Dauer sein dürfen, als die Regierung, welcher die bundesmäßige Hilfe geleistet wird, es nothwendig erachtet, eine durch die Natur des Bundesverhältnisses mit Nothwendigkeit gebotene Beschränkung der Bundesgewalt. Wird es nicht vorgezogen, in Art. 9 nur die Organe zu bestimmen, welche künftig statt des Bundestages die in Art. 25–28 der Wiener Schluß-Akte be­ stimmten Aufgaben zu erfüllen haben, sondern sollen diese selbst bezeichnet werden, so empfiehlt sich die Formulirung derselben in der Wiener SchlußAkte als die präcisere und dem Princip der Bundesverfassung mehr entspre­ chende.   Mecklenburg-Schwerin zum Artikel 9  [Anlage] No 4.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 278. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 127.

Mecklenburg-Schwerin lehnt die Fassung des Artikels 9 ebenfalls ab, weil die darin enthaltene Befugnis zur Einmischung des Direktoriums in die inneren Angelegenheiten der Einzelstaaten zu weit gehe.

Mecklenburg-Schwerin. Zum Artikel 9 Im letzten Alinea würden die Worte: „Das Direktorium hat jedoch auch seinerseits darüber zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde. Sind Ruhestörun­ gen zu besorgen, so ist es berufen, auf deren Verhütung hinzuwirken“ wegzulassen sein, da eine so weit gehende Befugniß zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der einzelnen Staaten nicht erforderlich ist. Die richtigen Grenzen solcher Befugniß sind auch theils in den unmittelbar fol­ genden Bestimmungen des Art. 9, theils im Art. 10 enthalten.

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Antrag Sachsen-Weimars zu Artikel 9

  Antrag Sachsen-Weimars zu Artikel 9  [Anlage] No 5.

Nr. 69

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 280. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 127.

Sachsen-Weimar ist besorgt über die Tragweite des Artikels 9 und plädiert für eine zurückhaltendere Fassung.

Sachsen-Weimar. Antrag zu Artikel 9. Die hier vorgeschlagene auf allgemeine Erweiterung der in Art. XXV und XXVI der Schluß-Acte enthaltenen Bestimmungen berechnete Fassung be­ rühret die Stellung der Einzelstaaten in den wichtigsten Beziehungen und wird daher von Sachsen-Weimar (von mir) beantragt, sie rücksichtlich ihrer Tragweite einer weiteren Erwägung zu unterziehen; jedenfalls würden die Worte „oder wenn sie der nöthigen Mittel zur Bewältigung der Unruhen ent­ behret“ wegzulassen sein.   Antrag Oldenburgs zu Artikel 9  [Anlage] No 6.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 282. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 127 (Auszug).

Oldenburg befürchtet einen Mißbrauch des Artikels 9 und beantragt eine Entschärfung.

Oldenburg Antrag zu Artikel 9. Im letzten Alin. werden die Worte „oder wenn sie der nöthigen Mittel zur Bewältigung der Unruhen entbehrt“ gestrichen. Gründe. Die Bestimmung geht über die der Artikel 25 bis 28 der Wiener Schlußakte hinaus und kann unverkennbar leicht gemißbraucht werden, wenn etwa ein­ geschritten würde, ehe die verfassungsmäßigen Mittel zur Bewältigung der Unruhe von Seiten der betreffenden Regierung erschöpft worden.   Coburg-Gotha zu Art. 9 

[Anlage] No 7.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 284. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 127 f. (Auszug).

Sachsen-Coburg und Gotha beantragt eine Entschärfung des Artikels 9, um „Mißdeutungen“ zu vermeiden.

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Coburg-Gotha Zu Art. 9 Alinea 2.

1. zu Satz 2. Es möge nach den Worten [„]auf deren Verhütung[“] hinzugefügt werden „durch bundesfreundlichen Rath“ Da nach Ausbruch der Unruhen ein unmittelbares Einschreiten des Direc­ toriums regelmäßig nur auf Antrag der betheiligten Regierung stattfinden soll, so schließt schon die jetzige Fassung des Entwurfs jedes Einschreiten bei nur drohenden Unruhen aus. Indeß wird es wünschenswerth sein, den Satz vor künftigen Mißdeutungen sicher zu stellen, wünschenswerther freilich, daß derselbe ganz wegfalle. 2. Zu Satz 3. Es mögen die Worte „oder wenn sie der nöthigen Mittel zur Bewältigung der Unruhen ent­ behrt“ gestrichen werden. Befindet sich die betheiligte Regierung in der That außer Stande die ausge­ brochenen Unruhen zu bewältigen, so liegt es in ihrem eigenen Interesse, den Bund anzurufen. So lange dies aber nicht geschieht, erscheint auch ein Ein­ schreiten des Bundes gegen den Willen der betheiligten Regierung nicht ge­ rechtfertigt.   Antrag Mecklenburg-Schwerins zu Artikel 9  [Anlage] No 8.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 287. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 128.

Mecklenburg-Schwerin zieht seinen Antrag zu Artikel 9 (Anlage Nr. 4) teilweise zurück, nachdem der zweite Satz des Artikels entfallen soll, so daß dem Direktorium keine Befugnis „zu unaufgefordertem Einschreiten“ erteilt wird.

Mecklenburg-Schwerin zieht seinen Antrag zu Artikel 9 alinea 2 insoweit zurück, daß es auf die Weg­ lassung der Worte: [„]Das Directorium hat jedoch auch seiner Seits darüber zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde[“] nicht weiter einen Werth legt, nachdem die Weglassung der zunächst weiter folgenden Worte beliebt und dabei constatirt worden, daß durch die Verpflich­ tung des Direktorii darüber zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde, demselben eine Befugniß zu unaufgefordertem Ein­ schreiten nicht ertheilt seyn soll.

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Erklärung Badens zu Artikel 20

  Erklärung Badens zu Artikel 20  [Anlage] No 9.

Nr. 69

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 289. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 128 f.

Baden wendet gegen Artikel 20 der Reformakte ein, daß nicht alle dort aufgeführten Materien zur gesetzgebenden Gewalt des Bundes gehören, so zum Beispiel das Vereinswesen, während andere Gegenstände wie das Gewichts-, Maß-, Münz- und Pa­ tentwesen zweckmäßigerweise gemeinsam geregelt werden können. Ferner soll die Grenze genauer bestimmt werden zwischen Bundesgesetzen, die mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, und solchen, bei denen eine größere Mehrheit erforderlich ist.

Baden. Erklärung zu Artikel 20. Die gesetzgebende Gewalt des Bundes würde an sich über die Feststellung seiner Verfassung und der zu ihrer Ausführung und Handhabung erforder­ lichen Einrichtungen nicht hinausreichen; es ist aber zu billigen, wenn sie daneben auch auf einzelne andere Materien ausgedehnt wird, deren gleichmä­ ßige Normirung in ganz Deutschland mehr oder minder dringend aus Zweck­ mäßigkeitsgründen geboten ist. Nur muß gegenüber dem Entwurf der Vor­ behalt gemacht werden, daß keineswegs alle Materien, welche er der Bundes­ gesetzgebung zuweist, nach bestehendem Bundesrecht dahin gehören, daß einzelne, wie z. B. das Vereinswesen, das nur aus vorübergehenden polizei­ lichen Rücksichten durch Bundesbeschluß geordnet wurde8, besser ausge­ schieden bleiben, und daß umgekehrt andere Materien, z. B. das Gewicht-[,] Maaß- und Münzsystem, das Patentwesen u. a. nur durch gemeinsame Rege­ lung zweckmäßig geordnet werden können. Daß Aenderungen in der Bundesverfassung, Herstellung neuer organischer Einrichtungen oder Ausdehnung der s. g. gesetzgebenden Gewalt des Bundes auf Gegenstände, die ihr bisher nicht unterlagen, nur mit einer größeren als der einfachen Stimmenmehrheit beschlossen werden können, entspricht der Natur der Verhältnisse, während die Forderung von nur 4/5 der Stimmen in der Versammlung der Bundesabgeordneten zu weit gehen und eine unnöthige, fast unüberwindliche Schwierigkeit für die fraglichen Aenderungen begrün­ den dürfte. Selbstverständlich ist es übrigens, um mißlichen Differenzen in der Zu­ kunft vorzubeugen, dringend geboten, die Gränze zwischen den Fällen, in welchen Bundesgesetze mit einfacher Majorität votirt werden können, und denjenigen, in welchen eine größere Mehrheit gefordert wird, möglichst scharf zu bestimmen, und um einen sicheren Ausgangspunkt zu haben, müs­ 8 Baden bezieht sich auf den Bundesbeschluß über das Vereins- und Versammlungswesen vom 13. Juli 1854, vgl. QGDB III/2, Dok. 52.

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sen in unzweideutiger Weise als „neu zu errichtende organische Einrichtun­ gen“ alle bezeichnet werden, welche thatsächlich jetzt nicht bestehen, und zu den „neu der gesetzgebenden Gewalt des Bundes zu übertragenden Gegen­ ständen“ alle gerechnet werden, über welche der Bund nach seiner gegenwär­ tigen Verfassung Beschlüsse zu fassen nicht berechtigt ist oder über welche thatsächlich Bundesbeschlüsse, obgleich solche statthaft gewesen wären, nicht gefaßt sind. Wird dadurch das Gebiet der Bundesgesetzgebung enger umgränzt, als wünschenswerth ist, so kann diesem Uebelstande durch aus­ drückliche Aufnahme bestimmter organischer Einrichtungen und Gesetzes­ materien unter die der Bundesgesetzgebung unterliegenden Gegenstände in der Reformacte selbst, welche doch der allgemeinen Zustimmung bedarf, ab­ geholfen werden, ohne durch ungenaue Bestimmung später Zweifel und Streitigkeiten hervorzurufen.   Antrag Sachsen-Weimars zu Artikel 20  [Anlage] No 10.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 291. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 129.

Sachsen-Weimar beantragt eine nähere Prüfung des Verhältnisses zwischen dem Direktorium und der Versammlung der Bundesabgeordneten, da die jeweiligen Rechte und Pflichten in vielerlei Beziehung noch unklar seien.

Sachsen-Weimar Antrag zu Artikel 20.

Aus den schon bei Artikel 11 von mir angedeuteten Gründen meine ich, daß der Umfang der Berechtigungen der Bundes-Abgeordneten einer umfassen­ den Prüfung durch die Minister-Konferenzen unterzogen werden müsse, be­ vor die h. Souveraine darüber Entschließung fassen. Ich stelle daher den An­ trag, daß diese Entschließung heut [sic] ausgesetzt und der Artikel der Mini­ ster-Konferenz zur weiteren näheren Prüfung überwiesen, hierbei der ersteren aber auch Auftrag gegeben werde, genau zu erwägen und in bestimmten Sät­ zen zu formuliren, wie die gegenseitigen Rechte und Pflichten des Direktori­ ums gegenüber den Bundesabgeordneten künftig sich gestalten werden, da dieß nach der Vorlage in vielen Beziehungen noch unklar ist.   Hannover zu Artikel 20 

[Anlage] No 11.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 294. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 129 (Auszug).

Hannover beantragt eine Beschränkung der Kompetenz der Abgeordnetenversammlung zur Änderung der Bundesverfassung. Der Grundvertrag des Bundes soll nur durch „einhelligen Beschluß der Bundesglieder“ geändert werden können.

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Hannover zu Artikel 20

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Hannover. Zu Artikel 20. Artikel 20 legt der Abgeordneten-Versammlung beschließende Befugniß in Bezug auf Abänderungen der Bundesverfassung bei. Hier müßte wohl eine Beschränkung eingeschoben werden. Zwischen Grundvertrag und Constitution des Bundes besteht ein Unter­ schied, welcher schon in den Wiener Verhandlungen über die Bundesacte vorkam. Zum ersten gehören: die Gründung des Vereins, sein Zweck, die Competenz der Gesellschaft den Einzelstaaten gegenüber, die Herstellung der Organe, welche die Bundesgewalt ausüben, und der Antheil, welchen die Bundesglieder an der Bundesgewalt bekommen. Die Aenderung dieses Theils der Bundesbestimmungen, der eigentliche Vertrag der Bundesglieder, kann unmöglich dem gewöhnlichen gesetzgebenden Gange der Bundesorgane, de­ ren Recht aus ihm originirt[,] unterworfen werden, sondern sie muß dem ein­ helligen Beschluß der Bundesglieder selbst vorbehalten bleiben, wenn man das Fundament und die Existenz des Vereins nicht in Fluß bringen will. Auch sind sie von den europäischen Mächten garantirt. Dagegen Aenderung der ­eigentlichen Verfassung des Bundes, also die Bestimmungen über die Aus­ übung der Befugnisse, welche dem Bundesorgan vom Verein übertragen ist, und andere nicht zu den Fundamentalsätzen des Bundes gehörige Bestim­ mungen mögen der Thätigkeit des gesetzgebenden Organismus überlassen werden. Daß der Fürstenversammlung im Artikel 25 die Ratifikation9 vorbehalten ist, verbessert weder den principiellen Fehler, noch bringt es den Grundver­ trag außer Bewegung. Ich erlaube mir daher zu beantragen,10 1. bei Artikel 11 und 20, wo von Aenderung der Bundesverfassung die Rede ist, hinzuzufügen: „jedoch mit Ausnahme der Bestimmungen, welche zum Grundvertrag des Bundes gehören“; 2. bei Artikel 25 am Schlusse den Gegenständen, welche den Mitgliedern des Bundes vorbehalten bleiben, hinzuzufügen: „Aenderung und authentische Auslegung des Bundesgrundvertrages durch einhelligen Beschluß der Bundesglieder.“ 3. in den Ministerconferenzen, welche dem gegenwärtigen Fürstencongres­ se folgen sollen, eine Scheidung zwischen Grundvertrag und Constitution zu machen und dem später wieder zusammentretenden Fürstencongresse vorzu­ schlagen, damit sie durch diesen beschlossen wird.   9 Emendiert. Vorlage: Ratihabition. 10 Emendiert. Vorlage: beantragen, daß.

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Frankfurt am Main, 26. August 1863

  Erklärung Badens zu Artikel 21  [Anlage] No 12.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 300. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 129 f.

Baden plädiert dafür, den Artikel 21 der Reformakte so zu fassen, daß Konflikte der Abgeordnetenversammlung mit den einzelstaatlichen Kammern vermieden werden, weil die Autorität der Abgeordnetenversammlung leiden würde, wenn ein Teil ihrer Beschlüsse von den Einzelkammern „bestätigt, amendirt oder verworfen werden kann“.

Baden. Erklärung zu Artikel 21. Schon zu Art. 1 ist auf das Mißliche aufmerksam gemacht, das es hat, die Bundesgewalt zur Vermittlerin von Particulargesetzen zu machen. Für das Di­ rectorium als eine Regierungsbehörde ist übrigens die Aufgabe immerhin lös­ bar. Dagegen droht sie ohne entsprechende Vortheile die Versammlung der Bundesabgeordneten, wenn auch diese damit betraut wird, in Conflicte mit den Einzelkammern zu verwickeln, die auf das sorgfältigste zu vermeiden sind. Es kann der Autorität jener ersten Versammlung, welche in ihrem Be­ reich der der Einzelkammern unbedingt übergeordnet sein muß, nur schaden, wenn ein Theil ihrer Beschlüsse von den letzteren bestätigt, amendirt oder verworfen werden kann.   Erklärung Badens zu Artikel 22  [Anlage] No 13.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 302. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 130.

Baden ist der Auffassung, daß es nicht zulässig ist, die Fürstenversammlung über die Vorstellungen und Beschwerden der Versammlung der Abgeordneten entscheiden zu lassen. Das Direktorium soll gegenüber der Abgeordnetenversammlung verantwortlich sein für die rechtmäßige Befolgung der Bundesgesetze und der Beschlüsse des Bundesrates. Die Abgeordentenversammlung soll auch das Recht erhalten, vor dem Bundesgericht gegen die Maßnahmen des Direktoriums zu klagen.

Baden. Erklärung zu Artikel 22. Das Recht der Vorstellung und Beschwerde, für jede parlamentarische Ver­ sammlung unentbehrlich und von doppelt großer Bedeutung für die im Uebri­ gen so schwach mit politischen Befugnissen ausgestattete Versammlung der Bundesabgeordneten[,] setzt begriffsmäßig eine zur Erledigung verpflichtete und zu jeder Zeit erreichbare Behörde voraus. Wenn also auch die Fürsten­ versammlung nicht aus den zu Art. 23 vorzutragenden Gründen überhaupt als unzuläßig erschiene, so könnte jedenfalls sie nicht zur Entscheidung über die

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Erklärung Badens zu Artikel 23

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Vorstellungen und Beschwerden der Versammlung der Bundesabgeordneten berufen werden (Art. 25 Abs. 4); denn sie ist nur vorübergehend und regel­ mäßig nicht während der Sitzungen jener Versammlung vereinigt (Art. 23 Abs. 1) und sie wäre nach unverletzlichen staatsrechtlichen Grundsätzen un­ verantwortlich. Die Einrichtung, durch welche konstitutionelle Vorstellungen und Be­ schwerden erst ihre volle Bedeutung erhalten, ein rechtlich und politisch ver­ antwortliches Ministerium[,] ist in dem Bunde nach seiner Natur nicht mög­ lich; das Erreichbare sollte aber doch geschehen, d. h. das Directorium für die Befolgung der geltenden Bundesgesetze und der Beschlüsse des Bundesrathes auch der Versammlung der Bundesabgeordneten gegenüber für verantwort­ lich erklärt und, soweit eine gerichtliche Verfolgung nach der Beschaffenheit der einzelnen Fälle möglich ist, jene Versammlung zur Erhebung einer Ankla­ ge vor dem Bundesgerichte legitimirt werden, welche selbstverständlich nicht gegen die hohen unverantwortlichen Träger der Directorialgewalt, sondern nur gegen deren verantwortliche Räthe gerichtet sein könnte.   Erklärung Badens zu Artikel 23  [Anlage] No 14.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 305 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 130–132.

Baden spricht sich gegen die in der Reformakte vorgeschlagene Bildung einer Fürstenversammlung aus, da sie unnötig und schädlich sei. Ihre Geschäfte sollten dem Bundesrat übertragen werden. Damit erledigt sich auch die Beiziehung der Standesherren in die Fürstenversammlung, die unzulässig ist. Die Standesherren können durch die Bildung eines Oberhauses mit der neuen Bundesordnung versöhnt werden.

Baden. Erklärung zu Artikel 23.

Wie immer die künftige Organisation der Bundesbehörden sein mag, unter allen Voraussetzungen scheint von der vorgeschlagenen Fürstenversammlung Abstand genommen werden zu sollen. Zu ausserordentlichen Zusammenkünften werden sich zu jeder Zeit auf den Ruf Ihrer Majestäten des Kaisers von Oesterreich und des Königs von Preu­ ßen sämmtliche Bundesfürsten versammeln zur gemeinschaftlichen persön­ lichen Berathung aussergewöhnlich wichtiger Maßregeln. Allein gegen eine regelmäßige geschäftliche Zusammenkunft dieser Art dürften sich nach­ folgende Einwendungen aufdrängen: Voraussichtlich möchte das persönliche Erscheinen der Souveraine in sehr vielen Fällen auch bei dem besten Willen unmöglich sein, und zwar gerade das der größten am meisten. Sehr bald würde also ohne Zweifel die Ent­sendung

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von Prinzen die Regel werden. Damit aber wäre der hauptsächlichste Zweck der vorgeschlagenen Einrichtung verfehlt, nämlich die persönliche Annähe­ rung und Ausgleichung11, und der Eindruck der Macht und Einigkeit. Zur Be­ sorgung der für die Fürstenversammlung projectirten gewöhnlichen Geschäfte aber möchten Prinzen der regierenden Häuser entschieden weniger geeignet sein, als die zum Bundesrathe abgeordneten Geschäftsmänner. Während auch Erstere mit Instructionen versehen sein müßten, (indem sie doch nicht etwa gegen die Ansichten der Häupter von Haus und Staat würden verfügen sollen), stünde den letzteren eine genauere Kenntniß der zu erledigenden Gegenstände zur Seite. Da überdieß für die Stimmenzählung der Fürstentage dasselbe Ver­ hältniß in Art. 24 vorgeschlagen ist, wie es im Bundesrathe gelten soll, so liegt auch hierin kein Grund zu einer besonderen Versammlung. Die der Fürstenversammlung bestimmten Geschäfte dürften einen so außer­ gewöhnlichen Apparat nicht erfordern. – Die Aufnahme neuer Bundesmitglie­ der und die Veränderung von Stimmverhältnissen würde kaum je vorkommen, dann aber auch durch das Organ des Bundesrathes jedenfalls nur mit Stimmen­ einhelligkeit entschieden werden können. – Die Entscheidung12 über Beschlüs­ se der Abgeordneten-Versammlung möchte in der Regel nur Sache der Form sein, nachdem die betreffenden Gegenstände von dem Directorium und von dem Bundesrathe in Folge ihrer Instructionen bisher behandelt und zu einem Ende geführt waren. – Wo dem aber nicht so wäre, wie allerdings bei Abände­ rungen vorgeschlagener Gesetze, bei Beschwerden oder bei Benützung der In­ itiative von Seite der Abgeordneten-Versammlung, möchte weitaus in den mei­ sten Fällen eine länger dauernde und eingehendere Geschäftsbehandlung erfor­ derlich sein, als sie der Fürstenversammlung zugemuthet werden könnte. Die bei einer Fürstenversammlung kaum zu vermeidenden gelegentlichen Verzögerungen der Zusammenkunft könnten unter Umständen die Erledigung dringender Geschäfte in schädlicher Weise hinausschieben. Hauptsächlich aber dürfte gegen den ganzen Gedanken geschäftlicher Für­ stenversammlungen der Umstand sprechen, daß das persönliche Eintreten der regierenden Fürsten in Staatsangelegenheiten, welche keinerlei Verantwort­ lichkeit unterworfen sind und sich des Schutzes keiner verantwortlichen Dec­ kung erfreuen, mit dem, sicher auch aus Gründen des monarchischen Princips sorgfältig zu wahrenden, System constitutioneller Regierungen unvereinbar, eine schreiende Anomalie in demselben wäre. Die nothwendigerweise hieraus entstehenden Conflicte mit den Landes-Ständeversammlungen und selbst mit 11 In der Originalvorlage stand hier ursprünglich in Klammern der folgende, durchgestrichene Zusatz: „(indem sie doch nicht etwa gegen die Ansichten der Häupter von Haus und Staat würden verfügen sollen)“. 12 Emendiert. Vorlage: Entscheidungen.

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Erklärung von Heinrich Prinz der Niederlande

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den eigenen Ministerien wären aber um so unerfreulicher, da sie, wie nachge­ wiesen, nichts weniger als durch ein wahres Bedürfniß oder auch nur Interes­ se veranlaßt sein würden. Aus allen diesen Gründen dürfte sich daher, auch in der Unterstellung einer Annahme des ganzen übrigen neuen Organismus, die völlige Beseitigung der vorgeschlagenen regelmäßigen Fürstenversammlung als nothwendig ergeben, in welchem Falle dann die Besorgung der ihr zugedachten Geschäfte von dem Bundesrath selbstverständlich wäre. Bei dieser Auffassung erscheint es als überflüssig, auf die Unzuläßigkeit der Beiziehung einiger Standesherren in den Fürstenrath noch besonders die übrigens sehr nahe liegenden Gründe geltend zu machen, wenn gleich zuge­ geben werden muß, daß es sehr erwünscht wäre, diese hervorragende und für die tüchtige patriotische Leistung im Staatsleben besonders berufene Klasse von Staatsangehörigen in irgend einer Weise mit einer neuen Ord­ nung der Bundesverhältnisse zu versöhnen. – Dazu ist dieses Hereinziehen in den principiell verschiedenen Geschäftskreis der Fürstenversammlung, deren Thätigkeit auf der Berücksichtigung der Interessen von Staaten ­beruht, nicht geeignet, sondern nur die Bildung eines durch Zufügung von populären Elementen auch in dem Ansehen der Nation wohlbegründeten Oberhauses.   Erklärung von Heinrich Prinz der Niederlande  [Anlage] No 15.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 309, 312. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 132 f.

Prinz Heinrich warnt vor der Einrichtung einer Fürstenversammlung, da diese sich den Haß und das Mißtrauen der Bewegungspartei zuziehen wird. Er plädiert dafür, eine andere „Gleichgewichts-Macht“ zu bilden, indem nicht die Fürsten persönlich, sondern der aus dem engeren Rat der bisherigen Bundesversammlung hervorgehende Bundesrat für die Erhaltung der inneren Ordnung und Sicherheit verantwortlich sein soll. Die Fürsten können sich bei Fragen von hoher Wichtigkeit versammeln, aber diese Versammlungen können keine periodischen sein.

[Erklärung von Heinrich Prinz der Niederlande] Die Wichtigkeit wahrnehmend, welche der Institution der Fürstenversamm­ lung beigelegt wird, halte ich es für meine Pflicht folgende Erklärung und Vorschlag vorzutragen. Welches ausgleichende Element wird man der voraussichtlich zu erwarten­ den Tendenz zu Übergriffen von Seiten der Bundesabgeordneten entgegenset­ zen, da man ihnen so ausgedehnte Vollmachten zur Erhaltung der Ordnung, der Sicherheit und der souveränen Unabhängigkeit der Fürsten und der Völ­ ker des deutschen Bundesgebietes ertheilt?

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Frankfurt am Main, 26. August 1863

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Wenn ich mich nicht täusche, so ist nur die Fürstenversammlung von sou­ veränen Fürsten zusammengesetzt. Demzufolge müßen also die Unruhen und Bewegungen des Volkes von den Fürsten in Person bekämpft und aufgehalten werden. Die Fürsten werden ohne Zweifel diese Pflicht zu erfüllen wissen, allein die Folgen davon werden sich bald fühlbar machen. Man wird Haß und Mißtrauen gegen die Fürsten hervorrufen, während man doch deren persönli­ che Verantwortlichkeit in ihren Ländern durch constitutionelle Einrichtungen zu sichern sucht. Man wird den Keim zu einer Revolution in Deutschland ­legen, deren Verantwortlichkeit auf die Fürsten zurückfällt, welche die Initia­ tive der Einführung einer solchen Institution ergriffen haben, oder auch wird die unwiderstehliche Macht der Ereignisse die Nothwendigkeit zeigen davon zurückzukommen. Da die Fürsten es für ihre Pflicht halten die Initiative der Reformen zu er­ greifen, warum einen Zustand hervorrufen, welchen die Bewegungspartei nur annehmen wird um die Haltlosigkeit desselben zu zeigen und eine Waffe mehr gegen die Fürsten daraus zu machen. Ich unterwerfe diese Anschauung der Prüfung jedes Unparteiischen, der die Erfahrungen, welche die Geschich­ te lehrt, benützend, denselben Gefahren für eine vielleicht sehr nahe Zukunft zuvorkommen will, und ich bitte inständig und im Interesse für das Glück und die Ruhe der deutschen Fürsten und Völker, man wolle eine andere „Gleichgewichts-Macht“ schaffen als die Fürstenversammlung. Der Name thut nichts zur Sache, vorausgesetzt, daß die regierenden Fürsten nicht der Nothwendigkeit ausgesetzt sind die Volksübergriffe persönlich zu bekämpfen. Als Ausgangspunkt den kaiserlichen Vorschlag nehmend und mich auf die Worte beziehend, mit denen S. k. k. ap. Majestät in der gestrigen Sitzung er­ klärte, daß Sein Projekt das conservative Prinzip zur Basis habe, glaube ich, daß der kaiserliche Gedanke sich verwirklichen könnte, indem man die Per­ sonen der souveränen Bundesfürsten durch den Art. 4 des kais. Projektes ­sicher stellt, welcher sagt: „der engere Rath der Bundesversammlung wird umgestaltet zu dem Bundesrathe. Als Stellvertretung der Fürsten ist derselbe berufen seine Ansicht zu äußern und mit dem Direktorium gemeinschaftlich Beschlüße zu fassen.“ Ich frage nun, wenn man dieses conservative Prinzip für die laufenden ­Geschäfte aufrecht erhält, warum sollte man es nicht anwenden in Bezug auf das Prinzip des plenum der Bundesversammlung um so eine „ausgleichende Versammlung“ zu schaffen? Ich meine so – in jedem Falle wo das kaiserliche Projekt von der „Fürsten­ versammlung“ redet, Art. 6 § 3, Art. 9 § 4, Art. 15 § 4, Art. 23, Art. 24 und Art. 25[,] würde sich der „Bundesrath“ welcher die souveränen Bundes­ fürsten vertritt, zu der Anzahl von Mitgliedern ausdehnen, welche für das ­plenum der Bundesversammlung festgestellt ist, also 69 und zwar durch Ab­

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sendung von 52 Mitgliedern für das Bundesrath-Plenum von jedem Fürsten nach der für das jetzige Plenum bestehenden Matrikel. Auf diese Weise könnte meiner Ansicht nach die konservative Idee des kai­ serlichen Projektes zur Ausführung gelangen, indem zugleich die Personen der regierenden Fürsten gegen die gesetzgebende Berührung des Volksele­ mentes geschützt würden. Wenn die Befugnisse, welche dem „Bundesrathe“ so zugetheilt werden, die Ausführung meines Planes hindern sollten, so modificire ich denselben fol­ gendermaßen: Jeder Bundesfürst hat das Recht so viele Abgeordnete als Mitglieder zu diesem „Oberhause“ zu schicken, als er Stimmen im plenum der Bundesver­ sammlung abzugeben hat. Ich gebe zu daß die Fürsten sich versammeln um Fragen von hoher Wich­ tigkeit zu berathen und zu entscheiden, wie z. B. Tausch von Bundesgebiet, Erbstreitigkeiten, Veränderungen in der Verfassung des Bundes, welche der gewöhnlichen Gesetzgebung fremd sind, aber diese Versammlungen können natürlich nicht periodisch wiederkehrende sein. 25. August 1863 Heinrich Prinz der Niederlande m/p

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 317, 340, 343–345, 348, 353–356, 358 f. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 133–139.

Artikel 8 der Reformakte wird mit leichten Änderungen angenommen, ebenso Artikel 9 und Artikel 23, Alinea 3. Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin berichtet, daß es nicht gelungen ist, im Vermittlungskomitee eine Einigung über die Artikel 11 und 20 zu erzielen. Es folgt eine längere Diskussion, die Abstimmung über die beiden Artikel wird auf die nächste Sitzung terminiert. Die Konferenz berät danach weiter über die noch offenen Punkte von Artikel 23. Artikel 24 und 26 werden einstimmig angenommen.

Frankfurt am Main, 27. August 1863 Protokoll der zu Frankfurt a/M am 27. August 1863 von Vormittags 11 bis 1½ Uhr abgehaltenen siebenten Sitzung der Fürstenconferenz. Anwesend waren sämmtliche im Protokolle der ersten Sitzung genannte Al­ lerhöchste, Höchste und Hohe Theilnehmer an der Conferenz, mit Ausnahme

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Sr königl. Hoheit des Großherzogs von Baden und Sr Hoheit des Herzogs von Sachsen-Altenburg. Se Majestät der Kaiser eröffneten die Sitzung mit der Bemerkung, daß die Comité-Berathung, welche in Bezug auf den Artikel 8 des Entwurfes Alinea 2, 4, 5 und 7 statt gefunden habe, im Wesentlichen zu einer Einigung über die an die hohe Versammlung zu erstattenden Vorschläge geführt und Se Majestät der König von Sachsen es übernommen habe, die den Ansichten des Comité entsprechende neue Redaction vorzulegen. Se königl. Sächsische Majestät schlugen hierauf im Namen des Comité vor: 1. das Alinea 2 des Entwurfes abzuändern, wie folgt: „Bei Gefährung der Sicherheit des Bundes, insbesondere wenn derselbe oder ein einzelner Theil des Bundesgebietes mit einem feindlichen Angriffe bedroht ist, hat das Directorium u.s.w.“ 2. anstatt des Schlußsatzes des Alinea 5 zu setzen: „Die Entscheidung hierüber erfolgt ebenfalls mit zwei Drittheilen der Stimmen.“ 3. im Übrigen die Fassung des Entwurfes beizubehalten. Se königl. Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar erklärten, daß Sie Sich im Comité mit diesen Vorschlägen nur unter der Modification einver­ standen erklärt hätten, daß ad 1 anstatt des Wortes „insbesondere“ die Worte: „das heißt“ gesetzt würden. Gegen die Fassung des Comité wurde von keiner anderen Seite ein An­ stand erhoben. Auf gehaltene Umfrage wurde die sächsische Redaction mit Ausnahme des abweichenden Antrags des Großherzogs von Sachsen-Weimar einstimmig angenommen. Mit allen Stimmen erfolgte ferner die Annahme des Artikels 9 in der aus der Anlage 1 ersichtlichen von dem Protokollführer in Gemäßheit der Be­ schlüsse der vorigen Sitzung vorgelegten Fassung. Ebenso die Annahme des Alinea 3 des Artikels 23 in der aus der Anlage 2 ersichtlichen Redaction. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich luden hierauf Se königl. Hoheit den Großherzog von Mecklenburg-Schwerin ein, der hohen Versammlung von den Verhandlungen des zur Ausgleichung der Meinungsverschiedenheiten über Artikel 11 Alinea 4 und Artikel 20 Absatz 2 und 3 eingesetzten Comité’s Mittheilung machen zu wollen. Se königl. Hoheit berichteten, daß das Comité zu keiner Einstimmigkeit habe gelangen können, die Majorität sich jedoch zu dem – unter Ziffer 3 dem Protokolle anliegenden – modificirten Vorschlage geeinigt habe, wobei sie des engen Zusammenhangs wegen zugleich die Punkte 1 und 2 im zweiten Absatze des Artikels 20, sowie das gestern von des Königs von Hannover

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Majestät in Bezug auf Abänderungen der Bundesverfassung gestellte Amen­ dement in Betracht gezogen habe, welches letztere im Falle der Annahme ­ihres Vorschlags gleichzeitig seine Erledigung gefunden haben werde. Bür­ germeister Haller als Urheber des Vorschlags könne, sobald die Conferenz es wünsche, die nähere Begründung vortragen. Zur Motivirung des Vorschlags bemerkte hierauf der Herr Bürgermeister von Hamburg, daß derselbe viel weniger weit gehe, als das Mecklenburgische Amendement, indem er nicht Übereinstimmung sämmtlicher Bundesstaaten, sondern nur Einhelligkeit der 17 (jetzt 21) Stimmen des engeren Rathes (Bun­ desrathes) erfordere, um einen bisher der Territorial-Gesetzgebung zuständi­ gen Gegenstand der Bundesgesetzgebung zu überweisen. Eine solche Bestim­ mung erscheine, wenn sie auch vom Gesichtspunkte des Unitarismus für sehr verwerflich werde erklärt werden, vom Gesichtspunkte des Staatenbundes als nothwendiges Minimum zur Schutzwehr der Autonomie der Einzelstaaten. Übrigens habe sich bei Besprechung der Frage die Analogie derselben mit der Frage über die Abänderung der Bundesverfassung als eine so schlagende auf­ gedrängt, daß eine gleichmäßige Behandlung beider Fälle für unabweislich erachtet worden sei. In beiden erfordere der neue Vorschlag Stimmeneinhel­ ligkeit im Bundesrath; unter dieser Voraussetzung aber abstrahire er dagegen von dem Requisit einer 4/5 Majorität in der Abgeordnetenversammlung für diejenigen Fälle, wo die Initiative vom Directorium ausgehe; denn es liege kein Grund vor, die Annahme eines vom Bundesrath einstimmig gewünsch­ ten Gesetzes in der Versammlung zu erschweren. Dagegen scheine es wün­ schenswerth die Initiative der Abgeordnetenversammlung durch das Erforder­ niß einer Majorität von 3/4 der Stimmen einigermassen zu beschränken, da sonst zu befürchten stehe, daß allzu viele Anträge auf Abänderung der Bun­ desverfassung oder Erweiterung der gesetzgebenden Gewalt des Bundes von der Versammlung gestellt werden möchten. Die Bestimmung des Artikels 20 über die in der Abgeordnetenversammlung erforderliche qualificirte Majorität sei daher an einer andern Stelle, nämlich ganz zuletzt als Zusatz zu dem, die Initiative der Versammlung betreffenden Schluß-Alinea versetzt worden. Gleichzeitig sei der Ausdruck „organische Einrichtungen“, welcher im Arti­ kel 20 sub 2 vorkomme, in dem neuen Vorschlage vermieden worden, weil seine Bedeutung zweifelhaft sei und eine Menge von sogenannten organi­ schen Einrichtungen füglich als bloße Gesetze behandelt werden sollten, die den Erschwerungen, mit denen man eine Veränderung der Grundgesetze um­ geben müsse, nicht zu unterwerfen seien. Daher sei der Ausdruck „Abände­ rung oder Erweiterung der Bundesverfassung“ in der an die Stelle von 1 und 2 tretenden No 1 gebraucht worden. Dr Roeck von Lübeck erklärte: daß er zwar in der gestrigen Versammlung sich nicht für den Mecklenburg-Schwerin’schen Antrag ausgesprochen habe,

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daß er jedoch durch den Austausch der Ansichten in der Commission be­ stimmt worden sei, dem vorgelegten Majoritäts Entwurfe beizutreten. Hin­ sichtlich der Punkte wegen Überweisung eines seither der Gesetzgebung der einzelnen Staaten angehörigen Gegenstandes an die gesetzgebende Gewalt des Bundes scheine es ihm geboten, daß die Aufrechthaltung der Particular­ gesetzgebung mehr gesichert werde, als es nach dem Vorschlage in dem Ent­ wurfe der Reformacte zu erwarten sei, damit insbesondere solche Gesetzge­ bungs-Gegenstände, welche mit den Verhältnissen und Eigenthümlichkeiten einzelner Staaten in engem Zusammenhange ständen, wie z. B. Handels- und Schiffahrts-Gegenstände, der Autonomie der betreffenden Regierungen nicht zu leicht entzogen werden könnten. Überdies liege die Besorgniß nicht fern, daß der hervorgehobene Punkt des Entwurfes in den weiteren Stadien, welche derselbe noch zu bestehen haben werde, die Annahme der Reformacte er­ schweren dürfte, wenn das in der fraglichen Beziehung vorgeschlagene Stim­ menverhältniß aufrecht erhalten werden sollte. Bürgermeister Duckwitz von Bremen fand den neuen Vorschlag besonders auch aus dem Grunde empfehlenswerth, weil darin das Erforderniß einer aus­ nahmsweisen Stimmenmehrheit für organische Einrichtungen fallen gelassen sei. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg bemerkten, daß Sie, wie schon in der gestrigen Discussion, so auch im Comité, die Bestimmungen des kais. Entwurfs gegen den Vorschlag, für Verfassungsänderungen und für Ausdeh­ nung der gesetzgebenden Befugnisse das Erforderniß der Stimmeneinhellig­ keit wieder aufzustellen, entschieden vertreten hätten, und die Überzeugung von den Nachtheilen dieses letzteren Vorschlags auch jetzt festhalten zu müs­ sen glaubten. Majorität und Minorität im Comité hätten sich in zu diametra­ lem Gegensatze befunden, als daß eine Vermittlung hätte gelingen können. Auf der Einen Seite hätten für die Autonomie der Einzelstaaten Besorgnisse gewaltet, die der kais. Entwurf nach Sr Hoheit Ansicht nicht rechtfertige, auf der andern seien die der Bundesgesetzgebung im Entwurf gesetzten Schran­ ken eher schon zu enge als zu weit gefunden worden. Se Hoheit könnten nur wiederholt für die Zulassung von Mehrheitsbeschlüssen stimmen. In demselben Sinne sprachen Se Majestät der König von Sachsen, bemer­ kend, es werde sich gewiß niemals eine Majorität von 17 Stimmen finden, um z. B. den Hansestädten Gesetze, die ihren particularen Interessen widerstre­ ben würden, aufzudringen. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich bekannten Sich gleichfalls wieder­ holt zu der Ansicht, daß man durch ein Zurückkommen auf das Erforderniß der Stimmeneinhelligkeit jedem Vorwärtsschreiten zu größerer Gemeinsam­ keit in der Gesetzgebung vollkommen die Thüre verschließen würde. Nach Sr Majestät Erachten würde es übrigens vorzuziehen sein, Berathung und Ab­

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stimmung über die früher vorbehaltenen Stellen der beiden Artikel 11 und 20 und über den späteren Abänderungsantrag Sr Majestät des Königs von Han­ nover nicht zu vermischen, sondern beide Gegenstände auseinander zu hal­ ten. Se kaiserliche Majestät schlugen vor, für heute zur Besprechung des han­ noverschen Antrags überzugehen, die Abstimmung über diese Fragen aber, da sie sorgfältige Erwägung erheischten, auf morgen zu vertagen. Die Conferenz war hiemit einverstanden. In der hierauf stattgehabten Erörterung des Antrags Sr königl. Hannover­ schen Majestät ließen Se königl. Hoheit der Großherzog von Oldenburg die unter Ziffer 4 anliegende Aeußerung zu Protokoll geben, und vertraten auch mündlich die Ansicht, daß es schwer sei, einen Gegensatz zwischen dem Grundvertrag und der Constitution des deutschen Bundes aus den Begriffen abzuleiten, und daß ein solcher Unterschied nicht ohne sehr bedenkliche Con­ sequenzen aufgestellt werden könne. Wie es sich aber auch hiemit verhalte, jedenfalls dürfe dem Auslande kein Recht der Einsprache gegen die innere Verfassungsentwickelung Deutschlands in irgend einer Beziehung eingeräumt werden, und wenn allerdings die deutsche Bundesacte eine europäische Sanc­ tion erhalten habe, so beziehe sich diese Sanction eben auch auf diejenigen Bestimmungen der Bundesacte, in welchen das Recht freier Ausbildung und Abänderung im Inneren Deutschlands Ausdruck gefunden habe. Se Majestät König Georg bemerkten, Sie glaubten nicht besser darthun zu können, daß der Wille, jede Einmischung des Auslandes in innere deutsche Angelegenheiten fern zu halten, Ihnen angestammt sei, als indem Sie daran erinnerten, daß es einst, als Frankfurt zuerst von Bundestruppen besetzt wor­ den sei1, einen Souverän, König Wilhelm IV.2 gegeben habe, welcher ge­ sagt habe, daß Er, der König von Hannover, es Sich Selbst, dem Könige von England, nicht erlauben würde, gegen jene Maßregel Einwand zu erheben. Im Übrigen wurde in der Discussion von verschiedenen Seiten, namentlich von Sr Majestät dem Könige von Bayern und von Sr königl. Hoheit dem Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin, der hohe Werth vollkommen aner­ kannt, welcher auf jedes Mittel, die Fundamentalgrundsätze des Bundes mit besonderen Garantien zu umgeben, gelegt werden müßte. Nicht weniger wur­ de aber auch die Schwierigkeit hervorgehoben, den in dem hannoverschen Antrage aufgestellten Unterschied durchzuführen, was am wenigsten den 1 König Georg V. bezieht sich auf das Eingreifen von Bundestruppen in Frankfurt im Jahr 1833. Nach dem sogenannten „Frankfurter Wachensturm“ vom 3. April 1833 wurden am 15. April zur Wiederherstellung der Ordnung und zum Schutz der Bundesversammlung 2500 Mann Bundestruppen in Frankfurt stationiert. Vgl. Müller, Der Deutsche Bund, S. 19. 2 Wilhelm IV. (1765–1837), 1830–1837 König von Großbritannien und Irland sowie König von Hannover; ADB, Bd. 43, S. 13–20; Hannoversches biographisches Lexikon, S. 389.

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conferenzen überlassen werden könne. Eine weitere schriftliche Minister­ ­ otivirung des Antrages, welche Se Majestät der König von Hannover über­ M geben ließen, liegt unter Ziffer 5 dem Protokolle bei. Die Abstimmung soll, wie bereits erwähnt, morgen stattfinden. Die Conferenz ging zur Berathung der zum Artikel 23 noch vorbehaltenen Punkte, nämlich des luxemburgischen Amendements und der Frage wegen des Stimmrechts der Standesherren über. In letzterer Hinsicht beschloß je­ doch die Versammlung, auf Antrag Sr Majestät des Kaisers von Oesterreich, die Discussion erst nach der Berathung des Artikels 28 Punkt 3 wieder vorzu­ nehmen, weil möglicher Weise die Art der Erledigung dieses letzteren Punk­ tes auf die Entscheidung über den Antrag zu Gunsten der Standesherren von Einfluß sein könnte. Zum Amendement Sr königl. Hoheit des Prinzen Heinrich der Niederlande bemerkten sodann Se königl. Hoheit der Großherzog von MecklenburgSchwerin, daß auch nach Ihrer Ansicht ein Mittel wünschenswerth erscheine, die Personen der Fürsten gegen die unmittelbare Berührung mit der Abgeord­ netenversammlung und den Andrang ihrer Forderungen zu schützen. Der Ge­ danke des luxemburgischen Antrags scheine Ihnen richtig, wenn derselbe auch zu weit von der angenommenen Basis der Berathungen abliege. Se königl. Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar beriefen Sich auf Ihre früheren Aeußerungen wegen einer ersten Kammer. Bürgermeister Haller von Hamburg, die Berechtigung des Luxemburgi­ schen Antrags in soferne anerkennend, als auch nach seiner Auffassung die Fürstenversammlung gegenüber der Abgeordnetenversammlung in constitu­ tionellem Sinn zu sehr bloßgestellt sei, wünschte bei diesem Anlasse, wie­ wohl der Artikel 25 nicht zur Berathung in der Fürstenconferenz bestimmt sei, darauf aufmerksam zu machen, daß über die Tragweite dieses Artikels manche Zweifel bestünden. Es scheine ihm, als ob Bundesrath und Abgeord­ netenversammlung überall als die Factoren der Bundesgesetzgebung erschei­ nen sollten, nicht bloß, wenn die Initiative von den Fürsten ausgehe, sondern auch wenn es sich um die Genehmigung oder Nichtgenehmigung eines Vor­ schlags der Abgeordnetenversammlung handle. Nach seiner Auffassung sollte nur die formelle Sanction der Gesetze, nachdem die Übereinstimmung zwi­ schen Abgeordnetenversammlung und Bundesrath bereits hergestellt worden, der Fürstenversammlung vorbehalten bleiben. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz äußerten gleichfalls die Meinung, daß, wenn auch nach der Lage der Sache das Project des Prinzen Heinrich zu weit führe, der Character fürstlicher Versammlungen einigermassen darunter leiden könnte, wenn die Fürsten ohne weitere Dec­ kung unmittelbar und persönlich einem repräsentativen Körper gegenüberge­ stellt würden.

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Des Königs von Sachsen Majestät entgegneten dem Bürgermeister Haller, daß Sie diese Bedenken nicht theilen und in der constitutionellen Verantwort­ lichkeitsfrage durchaus kein Hinderniß erblicken könten, dem in so vieler Be­ ziehung sich empfehlenden Vorschlag eines persönlichen Eingreifens der Für­ sten in die Bundesangelegenheiten Folge zu geben. Fürstenrath und Bundes­ rath seien nach dem kais. Entwurf gewissermassen identisch, und sowie die Minister die Verantwortlichkeit für die Verfassungsmäßigkeit der Instructio­ nen an die Vertreter im Bundesrathe tragen müßten, so würde dies auch der Fall sein hinsichtlich der Abstimmungen am Fürstentage, da diese einfach an die Stelle der Weisungen an die Mitglieder des Bundesrathes treten und so gut wie diese von den Fürsten mit den Ministern, von welchen sie sich ohne­ hin meist begleiten lassen würden, berathen werden könnten. Nachdem Se Majestät der König von Sachsen Ihre Gründe gegen den Lu­ xemburgischen Antrag noch näher entwickelt hatten, ersuchten Se Majestät der Kaiser die Versammlung, zwischen diesem Antrage und dem österreichi­ schen Entwurfe abzustimmen, worauf sämmtliche Anwesende, mit Ausnahme Ihrer königlichen Hoheiten des Großherzogs von Sachsen-Weimar und des Prinzen Heinrich der Niederlande sich für den letzteren erklärten. Seine kaiserliche Majestät stellten der Tagesordnung gemäß den Artikel 24 zur Berathung. Se Majestät der König von Sachsen ergriffen das Wort, um zu bemerken, es sei von einigen Seiten wegen der Schwierigkeit in einer persönlichen Ver­ sammlung der Fürsten die Curiatstimmen zu bilden und abzugeben, die An­ nahme des Abstimmungsmodus im jetzigen Plenum der Bundesversammlung anempfohlen worden. Allein dem stehe entgegen, daß im Fürstenrathe nicht füglich ein andres Stimmverhältniß zur Anwendung kommen könne, als im Rathe der Bevollmächtigten der Fürsten, und es werde daher gewiß das Beste sein, angemessene Verabredungen wegen der Art der Stimmgebung der Curi­ en in der Fürstenversammlung zu treffen. Nachdem hierauf auch Se Majestät der Kaiser von Oesterreich die Beibe­ haltung der Bestimmung des Entwurfes angelegentlich bevorwortet und Ihre königlichen Hoheiten die Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin und von Oldenburg erwähnt hatten, daß in Ihren Curien sich kaum besondere Schwie­ rigkeiten ergeben würden, wurde auf gehaltene Umfrage der Artikel 24 des Entwurfes mit allen Stimmen unverändert angenommen. Die Conferenz ging zum Artikel 26 über. Seine Majestät der König von Hannover wünschten die Meinung Seiner königlich sächsischen Majestät darüber zu erfahren, ob nicht für die Errich­ tung eines gemeinsamen Cassationshofes hinlängliche Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe vorhanden seien. Der König von Sachsen glaubte unter den jetzigen Verhältnissen diese Frage nicht bejahen zu können, ohne

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jedoch ausschließen zu wollen, daß ein solches Bedürfniß sich später heraus­ stellen könnte. Die Conferenz nahm den Artikel unverändert an. Zu Artikel 27 Punkt 3 wurde mit allen Stimmen, diejenige des Großher­ zogs von Oldenburg ausgenommen, beschlossen die Worte „den Souverän“ zu streichen. Endlich wurde zu der unter Ziffer 6 dem Protokolle anliegenden Erklärung Hannovers und Braunschweigs die Erläuterung gegeben, daß die dort er­ wähnten Bestimmungen nicht zu denjenigen gehörten, deren Berathung und Feststellung in der Fürstenconferenz beabsichtigt sei. Die nächste Sitzung wurde auf morgen anberaumt, und nebst den heute vorbehaltenen Punkten die Artikel 28 Alinea 3, 23 Alinea 4 und 36 auf die Tagesordnung gesetzt. Das heutige Protokoll wurde in der Sitzung vom 1. September verlesen und urkundlich der Unterschriften genehmigt. [Es folgen die Unterschriften.]

Der Protokollführer: Ludwig von Biegeleben k. k. Hof- und Ministerialrath   Neue Fassung Artikel 9 

[Anlage] No 1.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 338.

Neue Fassung des Artikels 9 der Reformakte gemäß den Beschlüssen der Fürstenkonferenz.

Artikel 9. Die Sorge für die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und der Gesetz­ lichkeit in den einzelnen Bundesstaaten liegt zunächst den betreffenden Re­ gierungen ob. Das Direktorium hat jedoch auch seinerseits darüber zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde. Treten Fälle von Ruhestö­ rungen ein, so hat das Direktorium diejenigen Befugnisse auszuüben, welche die Art. 25 bis 28 der Wiener Schlußakte der Bundesversammlung zuweisen.   Zusatz zu Artikel 23 

[Anlage] No 2.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 339.

Zusatz zu Artikel 23 der Reformakte.

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Mecklenburg-Schwerin zu Artikel 11 und 20

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Ziffer 2. Zu Artikel 23 Alinea 3 Die nicht persönlich erscheinenden Souveräne können sich durch einen Prin­ zen ihres oder eines anderen regierenden deutschen Hauses als Alter Ego ver­ treten lassen.   Mecklenburg-Schwerin zu Artikel 11 und 20  [Anlage] No 3. HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 341. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 139.

Amendement Mecklenburg-Schwerins zu Artikel 11 und 20 der Reformakte.

Mecklenburg-Schwerin.

Zu Art. 11. Gesetzesvorschläge, welche eine Abänderung oder Erweiterung der Bun­ desverfassung in sich schließen, oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes einen neuen, seither der Gesetzgebung der einzelnen Staaten angehörigen Ge­ genstand überweisen, können im Bundesrath nur mit Stimmeneinhelligkeit genehmigt werden. Zu Art. 20 a) im Alinea 2 statt 1) und 2) zu setzen: „1) auf Abänderung oder Erweiterung der Bundesverfassung.“ b) das Alinea 2 „Gesetzesvorschläge“ u.s.w. zu streichen. c) zu dem Alinea 4 hinzuzusetzen: „Gesetzesvorschläge, welche p. (wie oben) können in der Versammlung der Bundesabgeordneten nur mit einer Mehrheit von wenigstens 3/4 der Stimmen beschlossen werden.“   Oldenburg zu Artikel 20  [Anlage] No 4.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 346. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 140.

Oldenburg beantragt, Änderungen der Bundesverfassung künftig der einstimmigen Beschlußfassung der Fürstenversammlung zu überweisen.

Oldenburg Zum Antrag von Hannover zu Artikel 20. Der Antrag geht dahin: Aenderung der eigentlichen Verfassung des Bundes, der Bundesgesetzgebung zu entziehen und sie der einstimmigen Beschlußfas­ sung der Fürstenversammlung zu überweisen.

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Es sind wohl alle Regierungen darüber einig, daß die jetzt beabsichtigten Aenderungen der Bundesverfassung nicht einseitig von den Fürsten gesche­ hen können, und hieße es die Befugniße der Fürstenversammlung ungebühr­ lich erweitern, wenn man ihr jetzt das Recht beilegen wollte, jede beliebige Verfassungs-Aenderung ohne Zustimmung der Versammlung der Bundes-Ab­ geordneten vorzunehmen. So wie es bisher möglich war, die Bundesverfassung zu ändern, ohne da­ durch in Conflict zu gerathen mit der Wiener Congreßakte oder mit den euro­ päischen Mächten, die dabei betheiligt waren, so können auch die bisherigen bundesgesetzlichen Bedingungen solcher Aenderung stets verändert werden. Dem steht der Umstand nicht entgegen, daß die Bundesacte integrirender Theil der Wiener Congreßakte geworden ist.3   Hannover zu Artikel 20 

[Anlage] No 5.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 349. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 140 (Auszug).

Hannover beantragt, im Artikel 20 der Reformakte eine Unterscheidung zwischen dem Grundvertrag und der Verfassung des Bundes einzuführen.

Hannover. Zu Art. 20. Daß im Begriffe ein Unterschied zwischen Grundvertrag und Ver­ fassung des Bundes besteht, ist unleugbar. Selbstständige Staaten müssen sich vorher durch Vertrag zu einer Union vereinigt und eine Bundesgewalt errich­ tet haben, ehe davon die Rede sein kann, in welchen Formen und Grenzen sich die errichtete Bundesgewalt bewegen soll. Die Bundesacte selbst deutet auf diesen Unterschied. Denn in der Einleitung zu den besonderen Bestim­ mungen der Bundesacte scheidet sie zwischen den Puncten, welche die Feststellung des Bundes betreffen und solchen Bestimmungen, welche andere Ge­ genstände betreffen. Bekanntlich sind nur die ersten in die Wiener Congreß­ acte aufgenommen. Auch Art. 6 scheidet zwischen der Bundesacte und den Grundgesetzen des Bundes, welche letztere gleichbedeutend mit Bundesver­ fassung sind; und im Art. 10 wird, nachdem durch den Grundvertrag der Bund und sein ausübendes Organ, die Bundesversammlung, errichtet war, festgestellt, daß die Bundesversammlung die Grundgesetze des Bundes d. h. dessen Verfassung abfassen sollte. 3 Es folgt in der Originalvorlage der gestrichene Satz: „Die Worte ,Grundvertrag‘ und ,Constitu­ tion‘ scheinen nicht geeignet, eine Unterscheidung zu rechtfertigen, die an sich nicht berech­ tigt ist. Zoepf[l] Staatsrecht Theil 1 Pag. 275.“ – Der Verweis bezieht sich auf Heinrich Zoepfls „Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts“, Teil 1, 5. Aufl. 1863, S. 274 f.

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Hannover und Braunschweig zu Artikel 27 und 28

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Die Trennung in Grundvertrag und Verfassung oder Grundgesetze des Bundes läßt sich aber auch machen. Allerdings hat die Wiener Schlußacte beide dadurch vermengt, daß sie die Bestimmungen des Grundvertrages selbst meistentheils in sich aufnahm. Es läßt sich aber beides wieder sondern, wenn die Puncte der Art. 1–11 der Bundesacte als grundvertragsmäßige Be­ stimmungen zu Grunde gelegt werden und dann die Bestimmungen, welche zu ihnen gehören, aus der Wiener Schlußacte und aus dem vorliegenden Pro­ jecte entnommen und hinzu gelegt werden. Es wird freilich oft zweifelhaft bleiben, ob etwas zum Grundvertrage oder zu der Verfassung des Bundes, zu den Grundgesetzen, gehört; die Ministerconferenz kann aber diesen Zweifel erörtern und der künftig wieder zusammmentretende Fürstencongreß ent­ scheidet. Man könnte ferner vielleicht gegen den Antrag anführen, daß der Unter­ schied zwischen Grundvertrag und Constitution leicht schädlich angewandt werden könne, so wie es im Jahre 1849 und 1850 geschah, wo behauptet wur­ de, daß die Verfassung des Bundes weggefallen sei und nur höchstens der Grundvertrag d. h. der Bundesrahmen noch bestehe, aber ohne Inhalt. Damals lag jedoch der Fehler nicht in dem Unterschied selbst, sondern darin, daß die Scheidung falsch gemacht wurde; man nahm nemlich den Begriff der Bun­ desverfassung viel zu weit und legte ihr Puncte bei, welche zum Grundver­ trag gehörten und nicht weggefallen waren.   Hannover und Braunschweig zu Artikel 27 und 28  [Anlage] No 6.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 357. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 140.

Hannover und Braunschweig beantragen die Überweisung der Bestimmungen von Artikel 27, Nr. 3 und Artikel 28, Nr. 2 an die vorgesehene Ministerkonferenz zu weiterer Beratung.

Hannover & Braunschweig Wir müssen wünschen, daß die Bestimmungen im Artikel 27 Nr. 3, sowie im Artikel 28 Nr. 2 zu näherer Berathung an die beabsichtigte Minister-Confe­ renz verwiesen werden, da diese Bestimmungen Verhältnisse Unserer Länder berühren, welche zuvor noch einer eingehenden näheren Erwägung bedürfen. Wir beantragen daher die Verweisung der ausgehobenen Bestimmungen an die bevorstehende Minister-Conferenz zu weiterer Berathung.

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Frankfurt am Main, 28. August 1863

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71. Protokoll Nr. 8 der Frankfurter Fürstenkonferenz

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 362, 397, 402, 404, 413, 418 f., 422. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 140–144.

Im Vermittlungskomitee für Artikel 11 und 20 wurde noch keine Einigung erzielt. Es wird beschlossen, das Komitee zu vergrößern und eine weitere Vermittlung zu versuchen. Artikel 28 wird gegen einige Gegenstimmen und Vorbehalte angenommen. Zu Artikel 23 wird keine Einigung erzielt. Artikel 36 wird mit allen Stimmen außer der von Baden angenommen.

Frankfurt am Main, 28. August 1863 Protokoll der achten Sitzung der Fürstenconferenz abgehalten zu Frankfurt a/M, am 28ten August 1863 Vormittags 11 bis 1 ½ Uhr. Mit Ausnahme des durch Unwohlsein verhinderten Herzogs von Sachsen-­ Altenburg waren sämmtliche im Protokolle der ersten Sitzung genannte Mit­ glieder der erhabenen Versammlung gegenwärtig. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich bemerkten, daß in dem zur Verein­ barung über die vorbehaltenen Punkte der Artikel 11 und 20 eingesetzten Co­ mité eine Einigung der Ansichten nicht zu erzielen gewesen sei. Die Abstim­ mungen würden daher voraussichtlich gleichfalls in verschiedenem Sinne ausfallen, und unter diesen Umständen würde es sich vielleicht empfehlen, das Comité, von dessen sechs Mitgliedern vier für den Abänderungsantrag Sr königl. Hoheit des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin, zwei für das System des Entwurfs sich ausgesprochen hätten, noch durch einige Mitglie­ der zum Zwecke einer abermaligen Überprüfung zu verstärken. Se Majestät der König von Bayern stellten hierauf den unter Ziffer 1 dem gegenwärtigen Protokolle beigefügten Vermittlungsantrag, wonach bei Aende­ rungen der Bundesverfassung das Erforderniß der Stimmen-Einhelligkeit auf einige speciell bezeichnete Fundamentalbestimmungen zu beschränken wäre. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Meiningen traten diesem Antrage bei. Se kk. Apostolische Majestät erinnerten, daß sonach 1. in Bezug auf die Frage der Ausdehnbarkeit der Bundesgesetzgebung zu entscheiden sei, zwischen der Bestimmung des Artikels 11 des Entwurfs und dem Amendement des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin, 2. in Bezug auf Abänderungen der Bundesverfassung abzustimmen sei zwischen drei Systemen, nämlich dem hannover’schen Antrage, mit der bayerischen Modification, dem Amendement des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin, den Bestimmungen der Artikel 11 und 20 des Entwurfs.

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Des Königs von Bayern Majestät constatirten, daß ein wesentlicher Unter­ schied zwischen dem bayerischen und dem hannoverschen Antrage bestehe. Allerhöchst-Sie müßten Sich dagegen erklären, daß Stimmen-Einhelligkeit, wie im hannover’schen Antrage, zu einer Regel erhoben, oder vollends, wie in dem Mecklenburgischen Vorschlage, auf alle Fälle des Artikels 11 Alinea 4 ausgedehnt werde, weil jedem zeitgemäßen Fortschritt dadurch ein großes Hemmniß in den Weg gelegt würde. Bei der Umfrage ad 1 theilten sich die Stimmen fast in gleicher Anzahl zwischen dem Entwurfe und dem Mecklenburgischen Antrage. Bei den Umfragen über die verschiedenen ad 2 vorliegenden Anträge ergab sich gleichfalls für keinen derselben eine überwiegende Stimmenmehrheit. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg ließen gegen das hannover’sche Amendement zu Artikel 20 die unter Ziffer 2 anliegende motivirte Abstim­ mung zu Protokoll geben. Es wurde hierauf nach dem Antrage Sr Majestät des Kaisers beschlossen das durch drei Mitglieder zu verstärkende Comité um eine nochmalige Be­ gutachtung zu ersuchen. Ihre Majestäten die Könige von Sachsen und Hanno­ ver und Se königl. Hoheit der Kronprinz von Württemberg wurden gebeten, an der Comité-Berathung Theil zu nehmen. Beteffend den von Sr königl. Hoheit dem Großherzoge von MecklenburgSchwerin zu Artikel 16 bis 22 gestellten Antrag, der Abgeordneten-Versamm­ lung in Sachen des Bundeshaushalts nur eine berathende Stimme zu verlei­ hen, ließen Se Majestät der König von Hannover die in der sechsten Sitzung mündlich gegebene Motivirung der gegentheiligen Ansicht in schriftlicher Aufzeichnung – unter Ziffer 3 hier beigefügt – zu Protokoll geben. Bürgermeister Haller von Hamburg stellte hierauf unter Bezugnahme auf die gestrige Erörterung über das Verhältniß des Fürstentages zu der Abgeord­ netenversammlung den Antrag, daß Artikel 25 des Entwurfs, namentlich Ali­ nea 2, in der Fürstenconferenz berathen und festgestellt werden möge. Die Conferenz beschloß indessen, bei der Tagesordnung zu bleiben, wobei übri­ gens Ihre Majestäten der Kaiser von Oesterreich und der König von Sachsen erklärten, daß Sie Ihrerseits vollkommen bereit sein würden, in eine Discus­ sion über den Artikel 25 einzutreten. Die hohe Versammlung ging zur Berathung des Artikels 28 Punkt 3 über. Se Majestät der König von Bayern erklärten Sich mit dem Princip dieses Satzes einverstanden, hielten aber wegen der möglichen Collisionen mit den Verfassungen und Gesetzen der einzelnen Staaten eine genauere Erwägung der Fassung und deshalb Verweisung an die Minister-Conferenz für noth­ wendig. Des Kronprinzen von Württemberg königl. Hoheit stellten laut Anlage 4 des Protokolles den Antrag, daß der Zusatz beigefügt werde:

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„Bei Beschwerden über Verletzungen, welche Gesetze zum Gegenstande haben, die vor dem Jahr 1863 ergangen sind, findet vorstehende Bestimmung keine Anwendung.“ Se Majestät der König von Sachsen trugen darauf an, daß im Interesse der Vermeidung möglichen Zurückgreifens auf frühere Verfassungsstreitigkeiten ein Zusatz beschlossen werde, dahin lautend: „Gegenwärtig in anerkannter Wirksamkeit stehende Verfassungen können durch Klagführung bei dem Bundesgerichte nicht angefochten werden.“ Se Majestät der Kaiser von Oesterreich erklärten, daß Sie im Hinblick auf die Bedenken, zu welchen die Bestimmung des Entwurfs bei einigen Ihrer hohen Bundesgenossen Anlaß gegeben habe, einen Vermittlungsvorschlag vorbereitet hätten, welcher diese Bedenken zu beseitigen wohl vollkommen geeignet sein dürfte. Dieser Vorschlag gehe nämlich dahin, dem Punkte 3 die Beschränkung beizufügen: „soweit das betreffende Rechtsverhältniß nicht vor dem 1ten Januar 1863 durch Bundesbeschluß oder durch die einschlägige Bundesgesetzgebung ge­ regelt ist.“ Nachdem hierauf des Königs von Bayern Majestät Sich dahin ausgespro­ chen hatten, daß Sie dieser dem oben geäußerten Bedenken vorbeugenden Fassung würden beitreten können, und nachdem ebenso Se königl. Hoheit der Kronprinz von Württemberg den neuen kaiserlichen Vorschlag mit dem Ihri­ gen vollkommen übereinstimmend fanden, wurde Punkt 3 des Artikels 28 mit den beiden von Oesterreich und Sachsen vorgeschlagenen Zusätzen von allen Stimmen gegen diejenige Ihrer königl. Hoheiten der Großherzoge von Meck­ lenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Oldenburg, Höchstwelche zwar für den Punkt 3, aber nicht für die beiden beschränkenden Zusätze stimmten, sowie unter dem Vorbehalt des Großherzogs von Baden angenommen. Se königl. Hoheit von Baden ließen zum Punkt 3 des Artikels 28, ferner zu den gestern in Höchst-Ihrer Abwesenheit berathenen Artikeln 26 und 27 Ali­ nea 3, endlich nachträglich zur Berathung über den von dem Großherzoge von Oldenburg zu Artikel 14 gestellten Antrag diejenigen Erklärungen über­ geben, welche unter Ziffer 5, 6, 7 und 8 dem Protokolle beigefügt sind. Se Majestät der Kaiser lenkten die Berathung auf Artikel 23, letztes Alinea den standesherrlichen Antheil an einer Curiatstimme betreffend. Se Majestät der König von Bayern erklärten Sich dafür, daß dieser Absatz an die Ministerconferenz verwiesen werde. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg wendeten Sich in längerem Vortrage gegen die Gründe, welche dem Antrage auf Zulassung einiger stan­ desherrlicher Stimmen in der Fürstenversammlung entgegengesetzt worden seien. Dieser Antrag sei nicht ohne Anlehnung an positive Ansprüche gestellt. An den Artikel 6 der Bundesacte, welcher den Standesherren einige Stimmen

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im Plenum in Aussicht stelle, sei bereits erinnert worden1, aber auch der Aachener Congreß habe die Billigkeit ihres Anspruchs anerkannt, und es sei von den Congreßmächten laut Note vom 27. November 1818 den Höfen von Oesterreich und Preußen überlassen worden, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann eine Verhandlung am Bunde über das standesherrliche Stimmrecht ­einzuleiten wäre.2 Gerade die Schöpfung [sic] eines Institutes, wie der Für­ stentag, biete die Gelegenheit, jenen bis jetzt unerfüllt gebliebenen Verspre­ chungen gerecht zu werden. In doppelter Richtung seien Bedenken geäußert worden, theils nehme man Anstoß an der mangelnden Legitimation der Standes­herren, an Souveränetätsacten Theil zu nehmen, theils besorge man, die Standesherren würden ihre Berechtigung im Bundesrathe benützen, um den Regierungen in den einzelnen Staaten Schwierigkeiten zu bereiten. Allein den Unterschied der souveränen und nichtsouveränen Stellung könne man vielleicht durch eine etwas veränderte Fassung des Entwurfs bezeichnen, auch eine ausdrückliche Clausel hinzufügen, um sich gegen Consequenzen, die etwa auf die Verhältnisse in den Einzelstaaten wollten gezogen werden, zu verwahren. In diesem Sinne stellten Se Hoheit das unter Ziffer 9 dem ­Protokolle beigefügte Amendement. Eventuell beantragte der Herzog, laut Anlage 10, den beiden Vertretern der deutschen Standesherren in der Fürstenversammlung nur eine berathende Stimme zuzugestehen. Se Majestät der König von Hannover setzten hierauf auseinander, daß Sie, obwohl in der Anerkennung der Ansprüche der Standesherren mit Sr Hoheit dem Herzoge übereinstimmend, nach reiflicher Überlegung dennoch nicht die Überzeugung hätten gewinnen können, daß in einer persönlichen und in emi­ nentem Sinne zur Ausübung von Regierungsrechten berufenen Versammlung der Fürsten den Standesherren eine Mitwirkung eingeräumt werden könne. Dagegen gaben Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Stre­ litz Ihr volles Einverständniß mit dem kaiserlichen Entwurfe zu erkennen, welchem in erster Reihe zuzustimmen Sie Sich umsomehr für verpflichtet hielten, als jetzt die einzige Gelegenheit gegeben sei, gegen die Standesher­ ren als ehemalige Mitstände der Fürsten Gerechtigkeit zu üben. 1 Siehe dazu oben S. 354. 2 Auf dem Aachener Kongreß vom 29. September bis 21. November 1818 hatten die Monarchen von Österreich, Rußland und Preußen sowie Regierungsvertreter von Frankreich und Großbri­ tannien über Maßnahmen zur Bekämpfung der revolutionären Bewegungen in Europa beraten. Gleichzeitig wurde Frankreich auf dem Kongreß wieder in den Kreis der europäischen Groß­ mächte aufgenommen. Darüber hinaus beschäftigte sich der Kongreß auch mit noch ungelö­ sten innerdeutschen Streitfragen, darunter dem Problem der Standesherren. Siehe dazu Erbe, Revolutionäre Erschütterung, S. 361 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 694; Schulz, Normen und Praxis, S. 64–72.

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Ihre königl. Hoheiten die Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin und Oldenburg stimmten in gleichem Sinne. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich, auf die von dem Herzoge von Sachsen-Coburg gegebene Darlegung Sich berufend, waren der Meinung, daß gegen den nach Ihrer Überzeugung gerechten und wohlbegründeten Vor­ schlag des Entwurfs doch jedenfalls jedes Bedenken schwinden müßte, wenn eines der Amendements Sr Hoheit des Herzogs angenommen würde. Se Majestät der König von Sachsen erklärten, daß Sie in dieser speciellen Frage, wiewohl sonst der eigenen Entscheidung durch die Fürstenconferenz geneigt, für die von Sr Majestät dem Könige von Bayern beantragte Verwei­ sung an die Ministerialconferenz stimmen zu sollen glaubten. Die Meinungen hierüber theilten sich, und die hohe Conferenz beschloß, daß die Stimmen gezählt werden sollten. Mit 15 gegen 13 Stimmen wurde die Verweisung an die Ministerconferenz beschlossen. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich erklärten ausdrücklich zu Protokoll, daß Sie für die Entscheidung durch die Fürstenconferenz und für die Bewil­ ligung eines Stimmrechtes an die Standesherren Ihre Stimme abgegeben ­hätten. Dieselbe Erklärung ließen Ihre königl. Hoheiten die Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Oldenburg zu Protokoll nehmen, sowie Se Hoh. der Herzog von Sachsen-Coburg. Die Conferenz ging zur Berathung des Artikels 36 über. Derselbe wurde mit allen Stimmen genehmigt, diejenige Sr königl. Hoheit des Großherzogs von Baden ausgenommen, Höchstdessen Erklärung zu diesem Artikel unter Ziffer 11 beiliegt. Für morgen wurde der Bericht des Comité über die vorbehaltenen Punkte der Artikel 11 und 20, dann die Berathung über den Abänderungsantrag Sr königl. Hoheit des Kurfürsten von Hessen zum Artikel 3 auf die Tagesordnung gesetzt. Sodann wurde das Protokoll der fünften Sitzung, vom 25ten dieses Monats vor­ gelesen, genehmigt und unterzeichnet, und hierauf die Sitzung aufgehoben. Das heutige Protokoll wurde in der Sitzung vom 1ten September vorgelesen und urkundlich der Unterschriften genehmigt. [Es folgen die Unterschriften.]

  Antrag Bayerns zu Artikel 11  [Anlage] No 1.

Der Protokollführer Ludwig von Biegeleben k. k. Hof- und Ministerialrath

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 395. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 144.

Vermittlungsvorschlag Bayerns zum Artikel 11 der Reformakte.

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Coburg-Gotha zu Art. 20

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Bayern. Im Artikel 11 wäre nach Alinea 4 folgender Beisatz zu machen: „Vorschläge auf Abänderungen der Artikel 1, 3 und 11 der Bundesacte, insoweit nämlich dieser Artikel 11 nicht durch die Reformacte modificirt ist, sowie der Artikel 1 und 2 der Reformacte können im Bundesrathe nur mit Stimmeneinhelligkeit genehmigt werden.“   Coburg-Gotha zu Art. 20  [Anlage] No 2.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 398. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 144 (Auszug).

Der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha weist die hannoversche Auffassung zurück, daß es einen Unterschied zwischen Grundvertrag und Verfassung des Deutschen Bundes gebe. Eine Änderung der Bundesverfassung ist auch durch eine Mehrheit der Stimmen möglich. Das Ausland hat kein Recht, sich solchen Änderungen zu widersetzen, die deutsche Nation hat ihre Verfassung selbst zu bestimmen.

Coburg-Gotha Motivirung gegen das Amendement Hannovers ec. zu Art. 20. Der Unterschied zwischen Grundvertrag und Verfassung des deutschen Bun­ des findet sich nirgends in den Bundesgrundgesetzen ausgesprochen. Auch scheint derselbe nicht aus dem Begriffe und der Entstehungsgeschichte des Bundes hergeleitet werden zu können. Der deutsche Bund beruht nicht auf einem freien blos völkerrechtlichen Vertrage vollkommen unabhängiger Staaten. Die Staaten, welche den Bun­ desvertrag schlossen, hatten sämmtlich zu dem deutschen Reiche gehört. Die deutsche Nation hatte ein Recht darauf, daß sie wieder durch ein staatsrechtli­ ches Band vereinigt werde, welches ihr einen Ersatz für den aufgelößten Reichsverband gebe. Der Zutritt zum deutschen Bunde war daher ein nothwendiger und ist auch damals als solcher aufgefaßt worden. Ebenso ist in den Bundesgrundgesetzen anerkannt, daß der deutsche Bund gleich einem Staate beständig, unauflöslich, unkündbar sei. Bei diesem Charakter des deutschen Bundes muß, wie bei staatlichen Ge­ meinschaften, jeder Theil seiner Verfassung, einschließlich der Bestimmun­ gen des sog. Grundvertrags durch Stimmenmehrheiten, wenn auch durch qua­ lificirte, verändert werden können. Am Wenigsten hat das Ausland irgend ein Recht sich solchen Veränderun­ gen zu widersetzen. Dasselbe hat keinen Theil der Bundesacte garantirt, es hat einzelne Theile derselben nur anerkannt. Die deutsche Nation hat ihre Verfassung selbst zu bestimmen, sie ist freie Herrin ihrer Geschicke.

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Die Stimmenmehrheit von 17 gegen 4 steht practisch ohne Zweifel der Stimmeneinhelligkeit gleich. Dieselbe enthält aber die Anerkennung, daß die deutsche Nation nicht durch ein liberum veto dem Schicksale der alten Repu­ blik Polen verfallen solle3 und giebt ihr ein Mittel ihre Zustände friedlich und verfassungsgemäß fortzuentwickeln.   Antrag Hannover zur Abgeordnetenversammlung  [Anlage] No 3.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 382. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 145 (Auszug).

Hannover beantragt, der Abgeordnetenversammlung nicht nur eine beratende Stimme zu gewähren, sondern ihr das formale Zustimmungsrecht zu den Gesetzen zu erteilen.

Hannover.

Seine Majestät der König von Hannover bemerkte: Dem Grundsatz nach, und an und für sich, sei in monarchischen Staaten den Landesvertretungen in der Gesetzgebung allerdings nur eine berathende Stimme beizulegen. Die Geschichte der Entwicklung der Stände in den ein­ zelnen deutschen Staaten erweise aber, – wie auch die hannoverischen Lande, ohne sie jedoch als maßgebend anführen zu wollen, dazu das Beispiel liefer­ ten, – daß selbst den Feudallandschaften, wenigstens einzelnen derselben schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts ein unbedingtes Zustimmungs­ recht in der Gesetzgebung hätte zugestanden werden müssen. Als später im Königreiche Hannover, neben diesen Feudalständen der einzelnen Landes­ theile die allgemeine Ständeversammlung des Königreichs gebildet worden, habe man daher Anfangs auch nur ein rathsames Gutachten zu den Gesetzen eingeräumt. Aber schon nach Verlauf von 14 Jahren, 1833, hatte ihr das un­ bedingte Zustimmungsrecht gewährt werden müssen. Nach den bekannten Verfassungskämpfen von 1837 bis 1840 sei zwar von der Regierung versucht worden, das Recht der allgemeinen Stände wieder auf ein rathsames Gutach­ ten zurückzuführen, es sei jedoch nur erreicht worden, daß ihnen die Mitwir­ kung zu den Gesetzen zugesichert werden mußte, was in Wirklichkeit nur ein 3 Im polnischen Reichstag, dem Sejm, hatten Mitte des 17. Jahrhunderts die Adelsfraktionen es durchgesetzt, daß durch einen einzelnen Einspruch Beschlüsse verhindert werden konnten. Das führte in der Folge dazu, daß in vielen wichtigen Fragen eine Beschlußfassung unmöglich und der Sejm damit handlungsunfähig wurde. Die politische Blockade war einer der Gründe für den Zerfall Polens und die Intervention der Großmächte Rußland, Preußen und Österreich, die Ende des 18. Jahrhunderts Polen unter sich aufteilten. Vgl. Bleitner/Tenzer, Polen, S. 552– 557.

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Württemberg zu Artikel 28

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verstecktes Zustimmungsrecht gewesen. Und nach Verlauf von 8 Jahren, durch die Umwälzungen von 1848, hätte ihnen doch das unbedingte Zustim­ mungsrecht wieder eingeräumt werden müssen, und hätten sie dies auch bei der Umbildung der Verfassung nach den von dem Bunde vorgeschriebenen Grundsätzen behalten.4 Der Schluß hieraus sei, daß wenn im Laufe der Zeit den Feudallandschaften der einzelnen Landestheile schon im vorigen Jahr­ hundert, und der allgemeinen Ständeversammlung in diesem Jahrhunderte nach und nach das Zustimmungsrecht zu den Gesetzen hätte zugestanden werden müssen, dieses Recht von einem so bedeutenden und gewichtigen Körper, wie die Vertreter der einzelnen Staaten am Bunde seien, gewiß unbe­ dingt beansprucht und von der öffentlichen Meinung für ihn gefordert werden würde. Da es nun im practischen Erfolge ganz gleichgültig wäre, ob eine Landesvertretung blos ein rathsames Gutachten oder das Zustimmungsrecht besitze, da man doch die Gesetze nicht gegen das rathsame Gutachten der Stände erlassen könne, so stimmten Allerhöchstsie unbedingt für den Ent­ wurf, der Abgeordnetenversammlung das Zustimmungsrecht zu ertheilen; zu­ mal es in politischer Hinsicht in jeder Beziehung rathsamer sei, derselben das Zustimmungsrecht gleich zu gewähren, als daß man es ihr später auf ihren Antrag und auf das allgemeine Drängen doch gewähren müßte, wo es dann allgemein als eine den Bundesregierungen abgedrungene Concession angese­ hen werden würde.   Württemberg zu Artikel 28  [Anlage] No 4. HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 403.

Württemberg schlägt ein Amendement zu Artikel 28 vor.

Württemberg. Zu Artikel 28 dritter Satz. Württemberg glaubt annehmen zu können, daß eine rückwirkende Kraft die­ ser Bestimmung auf keinen Fall beabsichtigt sein könne, u. beantragt daher wenigstens den Zusatz: „Bei Beschwerden über Verletzungen, welche Geset­ ze5 zum Gegenstand haben die vor dem Jahr 1863 ergangen sind, findet vorstehende Bestimmung keine Anwendung.“

4 Zur Verfassungsentwicklung im Königreich Hannover während des Vormärz siehe: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 84–115; Teiwes/Kolb, Beiträge. 5 In der Vorlage ursprünglich: Gesetze und Verfügungen.

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  Erklärung Badens zu Art. 28  [Anlage] No 5.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 405. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 145 f.

Baden äußert Bedenken gegen die Zuständigkeit des Bundesgerichts im Hinblick auf die in den Artikeln 13–18 der Bundesakte garantierten Rechte, weil dies bloß „allgemeine Zusagen“ seien, die nicht beim Bund mit einer „Klage auf Vollstreckung“ durch die Einzelstaaten durchgesetzt werden dürften.

Baden. Erklärung zu Art. 28, Abs. 3. Der Vorschlag, dem Bundesgerichte eine (schiedsgerichtliche) Entscheidung einzuräumen bei Klagen von einzelnen Berechtigten, Corporationen und gan­ zen Klassen wegen Nichtgewährung der ihnen in Art. 13–18 der Bundesacte garantirten Rechte6, dürfte in seiner jetzigen allgemeinen Fassung einem doppelten Bedenken unterliegen. Einmal enthalten mehrere dieser Bestimmungen der Bundesacte, so na­ mentlich Art. 13, 16, b; 18, d.[,] nur ganz allgemeine Grundsätze und Zusa­ gen, welche zu ihrer Ausführbarkeit nothwendig noch einer besonderen Lan­ desgesetzgebung bedürfen. Unzweifelhaft ist nun die Unterlassung einer sol­ chen Ausführung nicht zu billigen, und steht den durch die Nichtausführung Betroffenen eine Beschwerde bei der Bundesgewalt auf Erfüllung der Bun­ despflicht durch Erlassung eines entsprechenden Gesetzes, also die Veran­ lassung eines politischen Aktes, zu, wobei dann eine leichtere Zulassung der Beschwerdeführer, als sie in manchen Fällen beim Bunde stattfand, ganz an der Stelle sein mag; allein hieraus folgt nicht, daß ein Gericht mit einer Klage auf Vollstreckung angegangen werden kann. Offenbar kann der Richter nur auf die Herausgabe eines dem einzelnen Kläger zustehenden bestimmten Rechtes erkennen, nicht aber den Staat zur Erlassung eines allgemeinen ­Gesetzes verurtheilen oder gar selbst ein solches Gesetz erlassen. Ein Recht jener Art besteht nun aber bei blos allgemeinen Zusagen noch nicht, eben we­ gen Mangel des Gesetzes; also findet auch keine zulässige gerichtliche Klage 6 Es handelte sich um die Bestimmungen zur Einführung einer „landständischen“ Verfassung in allen Bundesstaaten (Artikel 13), die Rechte der Standesherren (Artikel 14), vom Bund ge­ währten Pensionen an geistliche und weltliche Individuen (Artikel 15), die garantierte Gleich­ heit der bürgerlichen und politischen Rechte der christlichen Konfessionen (Artikel 16), den „Besitz und Genuß“ der Posteinrichtungen durch das Haus Thurn und Taxis (Artikel 17), die Bestimmungen über die Gleichbehandlung der Untertanen aller Bundesstatten im Hinblick auf das Grundeigentum, die Militärpflicht, die Freizügigkeit von Personen und Vermögen sowie schließlich die angekündigte gleichförmige Regelung der Pressefreiheit und des literarischen Urheberrechts (Artikel 18). Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsge­ schichte, Bd. 1, S. 89 f.; QGDB I/1, S. 1513–1517.

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Erklärung Badens zu Artikel 26

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statt. Demnach müßten jeden Falles die Rechte, welche zu einer Klage bei dem Bundesgerichte befugen sollten, auf solche beschränkt werden, welche unmittelbar und im einzelnen Falle zur Anwendung zu bringen wären. Zweitens aber dürfte es auch bei den zu einer Klage bei Gericht sich ­eignenden Rechten, namentlich bei den in Art. 14 verliehenen7, nothwendig sein, die Bestimmung ausdrücklich auszusprechen, daß die über den Gegen­ stand verfassungsmäßig zu Stande gekommenen Landesgesetze bei dem Bun­ desgerichte als die zunächst angewendeten Normen und als authentische Aus­ legungen der betreffenden allgemeinen Bestimmungen der Bundesacte zu gelten hätten. Dieß ist allerdings an sich selbstverständlich; allein da eine an­ dere Auffassung von Seiten des Bundesgerichtes die größten Verwirrungen in längst geordneten Zuständen und vielleicht bedenkliche Gährungen in einzel­ nen deutschen Staaten erzeugen könnte, so erforderte die Vorsicht eine be­ stimmte Erklärung.   Erklärung Badens zu Artikel 26  [Anlage] No 6.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 407 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 146 f.

Baden äußert diverse Einwände gegen die in der Bundesreformakte vorgesehenen Kompetenzen und die Organisation des Bundesgerichts.

Baden. Erklärung zu Artikel 26. Ein Bundesgericht war schon längst Wunsch und Bedürfniß, dem Vorschlag zur Errichtung eines solchen dürfte somit gerne zugestimmt werden. Specielle Auslassungen über die Modalitäten einer Institution, die in so verschiedenartiger Weise ausgeführt werden kann und die jedenfalls nicht wenig technische Schwierigkeiten darbietet, sind aber kaum möglich; man beschränkt sich deshalb auf Andeutung einiger allgemeiner Gesichtspunkte. Wenn hinsichtlich der Competenz des Bundesgerichtes die privat- und die öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten geschieden werden (Art. 27 u. 28), so ist dieß im Grundsatz wohl zu billigen; bei beiden wird ein verschiedenartiges Verfahren anzuwenden, vielleicht wird auch das Gericht für alle Fälle der zweiten Art (nicht bloß für einen einzelnen, Art. 28 Ziff. 4) in anderer Weise 7 Die Rechte der Standesherren umfaßten: Ebenbürtigkeit mit dem Hochadel; Steuerprivilegien; Freizügigkeit; Weitergeltung von Familienverträgen; privilegierter Gerichtsstand und Freiheit von der Militärpflicht; Ausübung der Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit in erster und zweiter Instanz; Forstgerichtsbarkeit; Ortspolizei; Kirchen- und Schulaufsicht. Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 88 f.; QGDB I/1, S. 1513–1515.

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als für Fälle der ersten Art zusammenzusetzen sein. Dagegen hat es Beden­ ken, die Zuständigkeit des Bundesgerichtes in publizistischen Streitigkeiten als eine schiedsrichterliche zu bezeichnen, da daraus der Mangel eines Zwangs des Gerichts über die streitenden Theile gefolgert werden könnte. Die hauptsächlich in’s Auge zu fassende Zuständigkeit des Bundesgerich­ tes in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten sollte, auch abgesehen von dem zu Art. 28 Abs. 3 besonders zu Bemerkenden, genauer bestimmt sein. Zu rich­ terlicher Entscheidung auch vor einem staats- und völkerrechtlichen Tribunal eignen sich jedenfalls nicht, wie nach dem Wortlaut des Art. 28 Ziff. 1 anzu­ nehmen wäre, alle Streitigkeiten zwischen Bundesgliedern, sondern nur die rein nach Rechtsgrundsätzen entscheidbaren, und wenn nach Ziff. 4 dessel­ ben Artikels Streitigkeiten einer Regierung und einer Landesvertretung dann vor das Bundesgericht gehören sollen, wenn zur Austragung derselben nicht schon anderweitig Mittel und Wege gesetzlich vorgeschrieben sind, so wird dieß einer genaueren Bestimmung bedürfen, es wird namentlich nicht zuläßig sein, den einen oder den anderen Theil in dem Gebrauch verfassungsmäßig zuläßiger politischer Mittel durch Anrufen des Gerichtes zu hemmen. Die specifische in der Reformacte dem Bundesgericht zugewiesene Ge­ richtsbarkeit wird einen Gerichtshof von 15 Mitgliedern, nicht genügend, wahrscheinlich nicht einmal in dem Maaße beschäftigen, um in demselben die nothwendige Frische zu erhalten. Von dieser Seite her empföhle sich, den­ selben zur allgemeinen deutschen Cassationsinstanz in allen nach gemeinsa­ men deutschen Gesetzen zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten zu machen, zugleich das einzige Mittel, um jenen eine gleichmäßige Anwendung zu si­ chern. Damit wird aber das Bundesgericht so vorherrschend ein Civilgericht, daß für alle publicistisch-politische Streitigkeiten, deren Entscheidung in rein civilistischem Geiste weder wünschenswerth noch durchführbar ist, eine Ver­ stärkung durch Elemente mehr politischer Art geboten erscheint. Der denkba­ ren Combinationen giebt es so viele, daß es nicht rathsam erscheint, schon in einem so frühen Stadium der Berathung wie das gegenwärtige darauf einzu­ gehen. Der in der Reformakte Art. 31 Abs. 5 und 6 für einen einzelnen Fall gemachte Vorschlag hat wohl mehrere Bedenken gegen sich. Da die von den Kammern zu designirenden Mitglieder aus deren Mitte hervorgehen sollen, erscheinen sie zu sehr als Parthei, was in Verbindung damit, daß sie immer die Minderzahl des ganzen Collegiums bilden sollen, ihren Einfluß leicht vollständig neutralisiren könnte; und da es in das Belieben der ersten Kam­ mern gestellt ist, ob sie mit den8 zweiten über das zu designirende außer­ ordentliche Mitglied des Bundesgerichts sich einigen oder abwechselnd mit jenen für sich allein eines designiren wollen, entsteht die Gefahr, daß bei 8 Emendiert. Vorlage: dem.

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Erklärung Badens zu Art. 27

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­Berufung der ausserordentlichen Mitglieder von ganz heterogenen Gesichts­ punkten ausgegangen werde. Eine Bezeichnung der von dem Bundesgericht zu befolgenden Rechtsnor­ men, wie sie in Art. 30 enthalten ist, gehört wohl nicht in das Verfassungsge­ setz über seine Einrichtung. Dasselbe hat wie jedes Gericht nach den über­ haupt giltigen, auf den einzelnen Streitfall anwendbaren Rechtsnormen zu entscheiden. Diese gelegentlich bei Organisation des Gerichtes in bindender Weise zu bestimmen, ist sehr bedenklich, und wenn gar in Art. 30 Abs. 1 die früher von den Reichsgerichten befolgten Rechtsquellen herangezogen wer­ den, die auf die mittlerweile völlig veränderten Verhältnisse nur sehr selten und in höchst beschränktem Maaße anwendbar sind, so ist zu befürchten, daß dieß Anlaß zu den schlimmsten Verwirrungen geben werde. Auch damit wird man sich nicht einverstanden erklären können, daß nach­ träglich allen früheren Bundesbeschlüssen über Streitigkeiten oder Beschwer­ den rückwirkend Rechtskraft beigelegt werde, als seien sie richterliche Ur­ theile, da sie doch möglicher Weise nur Entschließungen der politischen Con­ venienz waren. Daß schiedsrichterliche Entscheidungen des Bundes oder die durch denselben vermittelten Austrägal-Urtheile unabänderlich sind und blei­ ben, versteht sich von selbst; weiter darf man aber im Interesse des Bundes wie der Einzelnen nicht gehen, das verletzt würde, wenn plötzlich politischen, also als wandelbar gedachten Verfügungen, die Unabänderlichkeit der res ju­ dicata beigelegt würde.   Erklärung Badens zu Art. 27  [Anlage] No 7.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 409. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 147 f.

Baden spricht sich dagegen aus, dem Bundesgericht eine Zuständigkeit für Klagen gegen den Souverän einzuräumen.

Baden. Erklärung zu Art. 27 Abs. 3. Bei dem Vorschlage, dem zu gründenden Bundesgerichte eine Zuständigkeit bei „Klagen gegen den Souverain“ einzuräumen, muß wohl eine irrthümliche Fassung angenommen werden. Klagen gegen die Person eines souverainen Fürsten finden nach dem Rechte keines deutschen Landes statt, da sie mit dem Begriffe des Staatsoberhauptes und dem in sämmtlichen neueren Verfas­ sungen anerkannten Grundsatze der persönlichen Unverletzbarkeit und Un­ verantwortlichkeit unvereinbar sind. Eine Berufung auf die Deutschen Reichsgerichte würde nicht Platz greifen, theils weil die zur Zeit des Reiches bestehende Landeshoheit keine Souverainetät war, theils weil ein Bundesge­

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richt kein von einer über den Fürsten stehenden kaiserlichen Autorität einge­ setztes Reichsgericht sein würde. Hiermit will keineswegs das Privilegium für Fürsten in Anspruch genommen werden, in Privatrechtsstreitigkeiten, welche Vermögensverhältnisse betreffen, die Gesetze nicht beachten zu dür­ fen; vielmehr wird sittliche Pflicht und Ehre immer verlangen, Klagen gegen die fürstliche Vermögensverwaltung zuzulassen. Allein dieses dürfte auch vollkommen genügen, und somit beim Bundesgerichte nur eine Klage gegen die Civilliste (oder die Hofkammer) zuzulassen sein in den, wohl sehr selte­ nen Fällen, daß in einem deutschen Staate für solche Klagen nicht längst eine Gerichtsbarkeit anerkannt sein sollte.   Erklärung Badens zu Art. 14  [Anlage] No 8.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 411. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 148.

Baden sieht seine Bedenken gegen die Fassung von Artikel 14 durch den oldenburgischen Vermittlungsvorschlag nicht beseitigt.

Baden. Nachträgliche Erklärung zu Art. 14. zu dem Antrage Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Oldenburg. Der Vermittlungsvorschlag beseitigt die in der früheren Erklärung zu Art. 14 hervorgehobenen Bedenken nicht. Statt unzweideutig den Rechtsgrundsatz auszusprechen, daß Matrikularbeiträge (wie in den einzelnen Staaten Steuern) nur mit Bewilligung der Versammlung der Bundesabgeordneten erhoben wer­ den können, wird umgekehrt dieser Rechtsgrundsatz eigentlich aufgegeben, indem der Haushalt des Bundes bis zur Vereinbarung eines neuen Budgets nach dem alten fortgeführt werden soll. Praktisch ist überdieß dieses Aus­ kunftsmittel kaum anwendbar, da die Bundesausgaben hauptsächlich für Bau­ ten, Anschaffungen ec. ec. verwendet werden und deshalb unausgesetzt sehr beträchtlichem Wechsel unterliegen. Die weiteren in der früheren Erklärung hervorgehobenen Bedenken wegen des Mangels einer eigentlichen Verantwortlichkeit des Bundesdirectoriums und in Betreff ausserordentlicher Ausgaben für Executionen u. a. werden durch den Vermittelungsvorschlag nicht berührt.   Coburg-Gotha zu Artikel 23  [Anlage] No 9.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 414. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 148.

Sachsen-Coburg-Gotha legt einen Änderungsvorschlag zu Artikel 23 vor.

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Coburg-Gotha zu Art. 23

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Coburg-Gotha

Zu Art. 23. 1) Absatz 1: Nach den Worten: „Städte Deutschlands“ möge eingeschaltet werden: „unter Zuziehung zweier Vertreter der deutschen Standesherrn“. und 2) Absatz 4: Möge es statt: „zwei Vertretern“ heißen: „den beiden Vertretern“ 3) und am Schlusse des Absatzes hinzugefügt werden: „Die Zuziehung von Vertretern der deutschen Standesherrn zu der Für­ stenversammlung soll an den Verhältnissen der deutschen Standesherrn zu den Einzelstaaten, denen sie angehören, Nichts ändern“.   Coburg-Gotha zu Art. 23 

[Anlage] No 10.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 416. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 148 f.

Sachsen-Coburg-Gotha legt einen weiteren Änderungsvorschlag zu Artikel 23 vor.

Coburg-Gotha Eventueller Vorschlag zu Art. 23. Für den Fall, daß das Hauptamendement sowie die Fassung des Entwurfs auf entschiedenen Widerspruch stoßen sollte, könnte das Amendement No 2 als solches wegfallen und statt des letzten Absatzes des Entwurfs gesetzt werden: „den beiden Vertretern der deutschen Standesherren steht in der Fürsten­ versammlung eine berathende Stimme zu.“   Baden zu Artikel 36 

[Anlage] No 11.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 420. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 149.

Baden macht einen Vorschlag zur Umformulierung von Artikel 36.

Baden. Bemerkung zu Artikel 36. Es dürfte zweckmäßiger sein, an die Stelle der vorgeschlagenen Feststellung: die nicht geänderten Bundesgesetze haben in Gültigkeit zu bleiben, also eines Grundsatzes, welcher sich eigentlich von selbst versteht, die Bestimmung zu setzen: es habe alsbald eine Revision der gesammten bestehenden Bundesge­

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setze – etwa durch den Bundesrath – zu geschehen, um dieselben in Einklang mit den neuen Satzungen zu bringen. Wenn nämlich eine solche Revision nicht stattfindet, sind ohne alle Zweifel in manchen Punkten weitaussehende Streitigkeiten über das was noch gelte und aufgehoben sei, zu erwarten, da die Anpassung des Alten an das Neue keineswegs eine leichte und unzweifel­ hafte Aufgabe ist. Würde eine solche Harmonisirung, wie allerdings zu er­ warten steht, eine9 Mitwirkung der Abgeordnetenversammlung bei einzelnen abzuändernden Punkten erfordern, so wäre diese vielleicht vortheilhaft zur Ingangsetzung und Beschäftigung der neuen Versammlung und nützlich zur Erprobung derselben.

72. Protokoll Nr. 9 der Frankfurter Fürstenkonferenz

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 425, 457 f., 467 f., 471, 474–476, 479. Original mit eigenhändigen Unterschriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 149–155.

Das Vermittlungskomitee für Artikel 11 und 20 der Reformakte legt seine Änderungsanträge vor, die von allen Staaten mit Ausnahme Badens, das seinen Vorbehalt aufrechterhält, genehmigt werden. Es schließt sich eine längere Diskussion über die Zusammensetzung des Direktoriums an, die mit einer grundsätzlichen Einigung über ein sechsköpfiges Direktorium gemäß dem sächsischen Vorschlag endet. Lediglich Kurhessen erhält noch einen Vorbehalt aufrecht. Sachsen-Coburg und Gotha beantragt noch eine Änderung von Artikel 14, die allseits angenommen wird, mit Ausnahme des Vorbehalts von Baden. Österreich stellt fest, daß am nächsten Tag die Schlußabstimmung über die Reformakte erfolgen könne und legt dazu ein Promemoria über die Bedeutung der Schlußabstimmung vor. Baden, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar und Kurhessen erklären sich nicht in der Lage, im Sinne des Promemoria für eine einfache Annahme oder Ablehnung der Bundesreformakte zu stimmen, da ihre diversen Vorbehalte nicht ausgeräumt seien. Es wird ein neunköpfiges Komitee eingesetzt, das darüber Bericht erstatten soll, wie die Beratungen der Konferenz in der Schlußabstimmung abzuschließen seien.

Frankfurt am Main, 29. August 1863 Protokoll der zu Frankfurt a/M, am 29ten August 1863 von Vormittags 11 bis Nachmittags 3 Uhr abgehaltenen neunten Sitzung der Fürstenconferenz. Se königl. Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar zeigten an, daß Sie für Se Durchlaucht den wegen Unwohlseins verhinderten Fürsten von 9 Emendiert. Vorlage: einer.

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Protokoll Nr. 9 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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Schwarz­burg-Sondershausen die Stimme führen würden. Ebenso erwähnten Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, daß Se Hoheit des Herzogs von Sachsen-Altenburg Verhinderung durch Unwohlsein noch fortdaure. Sämmtliche übrige im Protokolle der ersten Sitzung genannte Al­ lerhöchste, Höchste und Hohe Theilnehmer an der Conferenz waren anwe­ send. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich eröffneten die Berathung mit dem Bemerken, daß die hohe Versammlung den Final-Antrag des zur Verständi­ gung über die vorbehaltenen Punkte der Artikel 11 und 20 eingesetzten Comité’s zu vernehmen haben werde. Im Namen des Comité’s legte hierauf Bürgermeister Haller von Hamburg die aus der Anlage 1 des gegenwärtigen Protokolles ersichtlichen im Comité vereinbarten Aenderungsanträge zu den gedachten Artikeln vor, und fügte mündlich diejenigen Motive hinzu, von welchen unter Ziffer 2 eine Aufzeich­ nung beiliegt. Se Durchlaucht der Fürst zu Schaumburg-Lippe brachten in Anregung, ob nicht statt einer Majorität von 3/4 der mitstimmenden Abgeordneten eine ­solche von 3/4 sämmtlicher Mitglieder, nicht bloß der anwesenden, verlangt werden sollte, indem sonst der Fall vorkommen könnte, daß bei der Be­ schlußfähigkeit von 200 Mitgliedern eine Stimmenzahl von 150 genügend sein würde, um eine Verfassungsänderung zu beschließen. Ihre Majestäten der Kaiser von Oesterreich und der König von Sachsen er­ klärten Sich gegen diesen Vorschlag, da durch die verlangte Stimmen-Einhel­ ligkeit im Bundesrathe jede Verbesserung der Bundesverfassung und Gesetz­ gebung ohnehin schon so sehr gehemmt sei, daß man nicht noch neue Er­ schwerungen hinzufügen sollte. Nach dem Vorschlage Sr Durchlaucht könnte die Versammlung in den Fall kommen, nur mit Stimmeneinhelligkeit be­ schließen zu können. Auch machten Se Hoheit der Herzog von Sachsen-­ Coburg als Mitglied des Comité darauf aufmerksam, daß der neue Antrag auf einem mit Mühe zu Stande gekommenen Compromiß beruhe, welches durch Abänderungen im Einzelnen leicht sofort wieder im Ganzen in Frage gestellt werden könnte. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich erklärten Sich hierauf über die An­ träge des Comité’s dahin, daß Sie den Vorschlag in der Abgeordnetenver­ sammlung nicht 4/5, sondern nur 3/4 der Stimmen zu verlangen, und noch mehr den Vorschlag, organische Einrichtungen nicht ferner an das Erforder­ niß der Stimmen-Einhelligkeit zu binden, nur mit Freuden begrüßen könnten, Allerhöchst-Ihnen somit nur das Bedenken bleibe, daß durch die in den Fäl­ len der Artikel 11 und 20 geforderte Einhelligkeit im Bundesrathe Verfassung und Gesetzgebung des Bundes allzu strenge abgeschlossen und an zweck­ mäßiger Entwickelung und gesundem Fortschritt gehindert würden. Dieses

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Bedenken sei ein gewichtiges, indessen wollten Se Majestät es opfern und den Commissionsanträgen zustimmen, um überhaupt einen Abschluß dieses Theils der Berathungen zu ermöglichen. Bei der Umfrage erklärten zunächst Se Majestät der König von Bayern, für das Erforderniß der Stimmen-Einhelligkeit nicht in weiterer Ausdehnung, als in der in Ihrem Amendement bezeichneten, zu stimmen. Nachdem sich indes­ sen nunmehr alle anderen Stimmen mit den Anträgen des Comité’s vereinig­ ten, zeigten Se Majestät Sich bereit, um die Einigkeit nicht zu hindern, Aller­ höchst-Ihren Antrag fallen zu lassen. Die Anträge des Comité’s zu den Artikeln 11 und 20 wurden sonach mit allen Stimmen, den Vorbehalt von Baden ausgenommen, genehmigt. Nach Erledigung dieses Gegenstandes bemerkten des Kaisers von Oester­ reich Majestät, daß von den seither noch offengebliebenen Punkten der von der Fürstenconferenz berathenen Artikel jetzt nur noch die Directorialfrage einem Abschlusse entgegenzuführen wäre. Zur Lösung dieser Frage sei von Hannover, Württemberg, Kurfürstenthum und Großherzogthum Hessen ein neuer Antrag gestellt und bereits den hohen Theilnehmern an der Conferenz zur Kennntiß gebracht worden. Nach dem­ selben solle eine siebente Directorialstimme in der Weise eingeführt werden, daß die vierte und fünfte Gruppe des sächsisch-nassauischen Vorschlags1 vereinigt würden, und zusammen statt zwei Mitgliedern des Directoriums de­ ren drei zu ernennen hätten. Se Majestät müßten vor Allem wünschen, daß die Wahrscheinlichkeit einer Verständigung über diese Frage, die schon so nahe gerückt gewesen sei, nicht wieder in die Ferne trete. Allerhöchst-Sie müßten indessen anerkennen, daß die Meinungen noch frei seien, und daß es ganz von der Conferenz abhänge, zwischen den früheren Vorschlägen und dem neuesten mit sorgfältiger Erwägung aller Verhältnisse eine Wahl zu treffen. Se Majestät fragten, ob vielleicht einer der hohen Antragsteller zur weiteren Be­ gründung des Vorschlags das Wort zu nehmen wünsche. Dem gegenwärtigen Protokoll ist der erwähnte Antrag nebst Motiven unter Ziffer 3 beigefügt. Se königl. Majestät von Hannover erklärten, das Wort zunächst den weni­ ger unmittelbar Betheiligten überlassen zu wollen. Des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz königl. Hoheit bemerkten hier­ auf, es seien nach Ihrer Ansicht, nachdem früher kein Beschluß zu Stande gekommen sei, auch diejenigen Mitglieder der Conferenz, die früher für den sächsisch-nassauischen Antrag gestimmt hätten, noch vollkommen in der Lage, auch einer andern Lösung, die ihnen zweckmäßig erscheine, zuzustim­ men. Was Ihre eigene Meinung betreffe, so hielten Sie die möglichst kleine 1 Siehe Anlage 1 zum Protokoll Nr. 5 der Fürstenkonferenz vom 25. August, oben S. 328 f.

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Protokoll Nr. 9 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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Mitgliederzahl des Directoriums für die beste. Da die Dreizahl schwer aus­ führbar scheine, so hätten Sie für den kaiserlichen Entwurf gestimmt, und nur ungerne Sich entschlossen, in die sechste Directorialstimme einzuwilligen. Die Zahl 7 nähere sich noch mehr der Zahl 17, da indessen die Zahl 7 nicht nöthige, zu künstlichen Mitteln zu greifen, um im Falle der Stimmengleich­ heit eine Entscheidung herbeizuführen, so scheine sie vor der Zahl 6 aller­ dings den Vorzug zu verdienen, und Se königl. Hoheit könnten daher dem Antrage Hannovers, Württembergs und der beiden Hessen beitreten. Se Majestät der König von Sachsen bestätigten Ihrerseits, daß Sie an der vollen Berechtigung, noch in der jetzigen Lage der Sache einen neuen Antrag zu stellen, keinen Zweifel hegten. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Meiningen nahmen hievon Anlaß, auf den ursprünglichen kaiserlichen Vorschlag der fünf Stimmen zurückzukom­ men. Se Majestät der Kaiser erklärten indessen, daß Sie diesen Vorschlag, nachdem Sie denselben dem Zwecke der Einigung zum Opfer gebracht hät­ ten, als beseitigt betrachteten, und nur wünschen könnten, daß die hohe Ver­ sammlung zwischen der sächsisch-nassauischen Combination von sechs Stimmen und der neuesten von sieben Stimmen, die vielleicht manche Vorzü­ ge biete, sich entscheide. Se Majestät der König von Hannover bemerkten, daß Sie, nachdem der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz gesprochen, Sich auch Ihrerseits ver­ anlaßt fänden, für die formelle wie materielle Berechtigung Ihres Antrags das Wort zu ergreifen. Se Majestät recapitulirten hierauf den Sachverlauf, um dar­ zuthun, daß der neue Antrag nicht etwa formell bereits präcludirt gewesen sei, zugleich aber hoben Se Majestät hervor, daß es Allerhöchst Ihnen und den übrigen an dem Antrage betheiligten Souveränen der Sache nach darauf ange­ kommen sei, eine zweckmäßige und für Alle annehmbare Lösung darzubieten. Diese Lösung schließe sich enge an den sächsisch-nassauischen Vorschlag an, entspreche vollständiger, als dieser, allen berechtigten Interessen, verbessere denselben unter dem Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit, und enthalte für Niemanden eine ungleiche Behandlung. Des Kaisers von Oesterreich Majestät luden die hohe Versammlung ein, zwischen dem sächsisch-nassauischen Antrage und dem Antrage Hannovers, Württembergs und der beiden Hessen abzustimmen. Mit Ausnahme des Königs von Hannover, des Kronprinzen von Württem­ berg, des Kurfürsten von Hessen, des Großherzogs von Hessen und des Groß­ herzogs von Mecklenburg-Strelitz stimmten sämmtliche Mitglieder der Con­ ferenz für Beibehaltung des sächsisch-nassauischen Antrags. Ihre königl. Hoheiten der Großherzog von Hessen und der Kronprinz von Württemberg, dann Se Majestät der König von Hannover gaben hierauf die Erklärung ab, den Ausspruch der Majorität annehmen zu wollen. Des Kur­

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fürsten von Hessen königl. Hoheit zeigten Sich gleichfalls bereit, dem u­ rsprünglich sächsischen Antrage beizutreten, dagegen müßten Sie gegen die nassauische Modification2 desselben ernste Bedenken hegen und Sich Ihre Entschließung vorbehalten. Se kais. kön. Apostolische Majestät constatirten, daß bis auf diesen letzte­ ren Vorbehalt die Directorialfrage nunmehr erledigt und daß überhaupt die Fürstenconferenz am Ende der Specialdiscussion derjenigen Artikel ange­ langt sei, die nicht der Berathung durch die Minister vorbehalten worden ­seien. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg beantragten jedoch, daß vor dem Schlusse der Specialberathung noch eine Abänderung an den von der Conferenz beschlossenen Bestimmungen des Artikels 14 vorgenommen wer­ den möge. Se Hoheit glaubten nämlich, daß es nicht in der Intention gelegen habe, in Folge des Amendements des Großherzogs von Oldenburg zu Artikel 14 den Grundsatz aufzustellen, daß bei mangelndem Einverständnisse zwi­ schen Directorium und Abgeordnetenversammlung über den Voranschlag nicht nur die ordentlichen, sondern auch die außerordentlichen Geldbewilli­ gungen des früheren Budgets bis zu weiterer Verständigung fortdauern soll­ ten. Se Hoheit nahmen Bezug auf die unter Ziffer 4 dem heutigen Protokolle beigefügte Auseinandersetzung, formulirten aber dann Ihren Antrag näher ­dahin, daß nach dem Beispiel einer in der sächsischen Verfassung enthaltenen Bestimmung das Alinea 4 des Artikels 14 den Zusatz erhalte: „insoferne die darin enthaltenen Ausgaben nicht ausdrücklich nur für einen vorübergehenden, bereits erreichten Zweck bestimmt sind.“ Die hohe Conferenz nahm diesen Vorschlag einstimmig an, mit Ausnahme des badischen Vorbehalts. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich bemerkten hierauf, daß da nunmehr in der nächsten Sitzung zu der vorbehaltenen Schlußabstimmung geschritten werden könnte, Allerhöchst-Sie geglaubt hätten, Ihre Ansichten über die Be­ deutung dieser Schlußabstimmung den hohen Theilnehmern an der Conferenz in einem Promemoria, welches Sie gestern hätten vertheilen lassen, darlegen zu sollen. Se Majestät ersuchten um Mittheilung der Bemerkungen, zu wel­ chen dieses Promemoria (Anlage 5 des gegenwärtigen Protokolles) Ihren ho­ hen Verbündeten etwa Veranlassung dargeboten hätte. Ihre Majestäten die Könige von Bayern, Sachsen und Hannover, sowie die große Mehrzahl der Mitglieder der Conferenz fanden gegen die in dem er­

2 Antrag des Herzogs von Nassau in der vierten Sitzung des Fürstentags vom 24. August 1863 zur Bildung eines sechsköpfigen Direktoriums, Anlage 5 zum Protokoll der vierten Sitzung, siehe oben S. 314 f.

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wähnten Aktenstücke niedergelegte Auffassung irgend ein Bedenken nicht zu erheben. Ihre königl. Hoheiten die Großherzoge von Baden, Mecklenburg-Schwerin und Sachsen-Weimar hielten es dagegen von Ihrem Standpunkte aus nicht für leicht, sich im Sinne des Promemoria zu einer einfachen Annahme oder Ab­ lehnung der Ergebnisse der seitherigen Berathung zu entschließen. Auch Se königl. Hoheit der Kurfürst von Hessen nahmen Anstand, eine solche Alter­ native für Sich anzuerkennen. In der vertraulichen Besprechung, welche sich an diese Einwendungen knüpfte, vertrat der Großherzog von MecklenburgSchwerin die Ansicht, daß die Gesammt-Abstimmung, um ein wahres Resul­ tat zu liefern, das Verhältniß der einzelnen Stimmführer zu den gefaßten Be­ schlüssen vollständig und richtig, also mit den eingelegten Vorbehalten dar­ stellen müsse, daß ein Verzicht auf diese Vorbehalte als zu beengend für die Überzeugung der Einzelnen nicht gefordert werden könne, und daß die Vor­ behalte, wenn es demnächst zur Unterhandlung mit den in Frankfurt nicht anwesenden Bundesgliedern komme, vielleicht selbst ein endliches Einver­ ständniß würden erleichtern können. Gegen diese Auffassung verwahrten Sich Se Majestät der Kaiser von Oesterreich, indem Allerhöchstdieselben be­ merkten, daß die ganze Berathung ihren Zweck verfehlt haben würde, wenn nicht aus derselben ein Werk hervorginge, welches die Theilnehmer ungeach­ tet einzelner ihren Wünschen nicht entsprechender Bestimmungen anzuneh­ men entschlossen wären, und wenn nicht dieser Entschluß gegenüber den in Frankfurt nicht vertretenen Regierungen ohne Vorbehalt ausgesprochen wür­ de. Geschehe dies nicht, so brauchten die nicht vertretenen Regierungen nichts Andres zu thun, als darauf hinzuweisen, daß die Proponenten selbst nicht Willens wären, den Entwurf für sich anzunehmen. In irgend einem Zeit­ punkte müsse die Ausscheidung derjenigen erfolgen, welche dem Entwurfe nur unter Bedingungen, die von der großen Mehrheit abgelehnt seien, zuzu­ stimmen gesonnen wären. Preußen gegenüber dürfe das in Frankfurt erreichte Einverständniß unmöglich als durch eine lange Reihe von Vorbehalten be­ dingt erscheinen. Komme es zu der anzuhoffenden Verständigung mit Preu­ ßen, dann sei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß in Folge des Gangs der Unterhandlung auf einzelne Vorbehalte zurückgegriffen würde, nur müß­ ten natürlich die in der Frankfurter Berathung ausgesprochenen Zustimmungen auch für die Unterhandlung mit Preußen bindend sein. Auch Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg setzten auseinander, daß die Special-Vorbehalte, wenn sie auch jetzt um des Ganzen willen fallen ge­ lassen werden müßten, deßhalb doch nicht für ihre Urheber völlig verloren gehen würden. Vielmehr würden sie als in die Akten niedergelegt erscheinen, um die Einzelnen vor ihrem Gewissen und vor Allen, die es angehe, zu recht­ fertigen, auch könnte vielleicht die kais. Regierung ausdrücklich ersucht wer­

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den, die Vorbehalte in diesem Sinne einzuregistriren. Nur als conditio sine qua non der Zustimmung zum ganzen Werke könnten die Vorbehalte unmög­ lich jetzt noch aufrecht erhalten werden, wenn sie nicht dasselbe bedeuten sollten, wie eine Ablehnung. Se Majestät der König von Sachsen äußerten, daß Sie Sich in der That den Abschluß der seitherigen Verhandlung gar nicht anders vorzustellen vermöch­ ten, als in der Art, daß die Einzelnen nunmehr erklärten, ob sie das Resultat so, wie es jetzt vorliege, für sich annehmen wollten oder nicht. Wenn man nein sage, so sei hievon die Folge, daß man eben nicht an der Antragstellung – denn um eine solche handle es sich – betheiligt sei. Se Majestät müßten üb­ rigens dringend empfehlen, das Ganze anzunehmen. In wesentlichen Haupt­ punkten sei im Grunde keine Differenz geblieben, Opfer hätten im Einzelnen von Allen gebracht werden müssen, und für Ihren eigenen Theil wollten Sie versichern, daß Sie das Werk annehmen würden, selbst wenn Sie in wichtige­ ren Punkten überstimmt worden wären, als das der Fall gewesen sei. Se königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz bemerkten, daß nach Ihrer Auffassung der Entwurf die von der Conferenz zu beschlie­ ßende Grundlage zu bilden habe, welche dem Gesammtbunde zu weiterer Behandlung vorzulegen sein werde. Bürgermeister Dr Haller erklärte, daß er seinerseits, unter dem beim Beginn der Conferenzen zu Protokoll erklärten Vorbehalt der Zustimmung des Senats von Hamburg, kein Bedenken tragen werde, die Schlußabstimmung durch ein einfaches Ja abzugeben, und daß nach seiner Auffassung dieses Ja, für jeden, der es spreche, die Bedeutung habe, daß er an dasselbe in der Voraussetzung der Zustimmung sämmtlicher deutscher Staaten gebunden sei. Nehme die ganze erlauchte Conferenz den Entwurf in diesem Sinne an, so werde diese Thatsache eines mächtigen Ein­ druckes in Deutschland nicht verfehlen. Die Besprechung wendete sich hierauf überhaupt zu dem Verfahren, wel­ ches nunmehr gegenüber den in der Conferenz nicht vertretenen Staaten zu beobachten wäre. Se königl. Hoheit der Großherzog von MecklenburgSchwerin stellten in dieser Beziehung den unter Ziffer 6 dem Protokolle bei­ gefügten Antrag. In Betracht der Wichtigkeit der so eben besprochenen Fragen beschloß die Conferenz, daß ein aus neun Mitgliedern bestehendes Comité zur Berichter­ stattung über die Art und Weise, wie die Conferenzberathungen in der Schluß­ sitzung abzuschließen wären, eingesetzt und diesem Comité namentlich so­ wohl der Antrag Sr königl. Hoheit des Großherzogs von Mecklenburg-Schwe­ rin, als die Aeußerung des Bürgermeisters Dr Haller zur Begutachtung überwiesen werden solle. Der Großherzog von Oldenburg, die Herzoge von Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg, dann Bürgermeister Haller von Hamburg einerseits, der Großherzog von Baden, der Kurfürst von Hessen, die

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Comité-Antrag zu Artikel 11 und 20

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Großherzoge von Sachsen-Weimar und von Mecklenburg-Schwerin anderer­ seits wurden ersucht, unter dem Vorsitze des Königs von Sachsen zu dieser Comité-Berathung zusammentreten zu wollen. Ferner wurde beschlossen, daß nunmehr eine Übersicht der durch die Für­ stenconferenz festgestellten Bestimmungen des Entwurfs durch den Proto­ kollführer verfaßt werden solle, um der Gesammt-Abstimmung zu Grunde gelegt zu werden. Nach Verlesung, Genehmigung und Unterzeichnung des Protokolles der Sitzung vom 26ten August wurde hierauf die heutige Sitzung aufgehoben. Das gegenwärtige Protokoll wurde in der Sitzung vom 1ten September vor­ gelesen und urkundlich der Unterschriften genehmigt. [Es folgen die Unterschriften.]

Der Protokollführer: Ludwig von Biegeleben k. k. Hof- und Ministerialrath   Comité-Antrag zu Artikel 11 und 20  [Anlage] No 1.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 427. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 155.

Vermittlungsvorschlag zu den Artikeln 11 und 20 der Reformakte.

Comité-Antrag.

Zu Art. 11. Alinea 4 folgendermaßen zu fassen: Gesetzesvorschläge, welche eine Abänderung der Bundesverfassung, oder einen Zusatz zu derselben enthalten, oder der gesetzgebenden Ge­ walt des Bundes einen neuen, seither der Gesetzgebung der Einzelstaa­ ten angehörigen Gegenstand überweisen, können im Bundesrath nur mit Einhelligkeit sämmtlicher 21 Stimmen genehmigt werden. Zu Art. 20. a) Im Alinea 2, statt 1 und 2, zu setzen: 1. auf Abänderungen der Bundesverfassung und Zusätze zu derselben. b) Das Alinea 3 folgender Maßen zu fassen: Gesetzesvorschläge, welche eine Abänderung der Bundesverfassung oder einen Zusatz zu derselben enthalten, oder der gesetzgebenden Ge­ walt des Bundes einen neuen, seither der Gesetzgebung der Einzelstaa­ ten angehörigen Gegenstand überweisen, können in der Versammlung der Bundesabgeordneten nur mit einer Mehrheit von wenigstens 3/4 der Stimmen angenommen werden.

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c) Zu dem Alinea am Schlusse hinzuzufügen: Betreffen solche Vorschläge eine Abänderung der Bundesverfassung oder einen Zusatz zu derselben, oder die Ueberweisung eines neuen, seither der Gesetzgebung der Einzelstaaten angehörigen Gegenstand an die gesetzgebende Gewalt des Bundes, so können sie von der Abgeord­ netenversammlung nur mit einer Mehrheit von wenigstens 3/4 der Stim­ men beschlossen werden.   Motive zu den Änderungsanträgen  [Anlage] No 2.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 428.

Motive des Komitees zu den Änderungsanträgen betreffend Artikel 11 und 20 der Reformakte.

Alle Mitglieder des verstärkten Comités waren darüber einverstanden, daß die Bundesacte, wie jedes andere Gesellschaftsstatut, theils solche Abschnitte enthalte, welche als Grundbedingungen des geschlossenen Vertrages funda­ mental sind, und daher nicht ohne absolute Einstimmigkeit sollen geändert werden dürfen, theils solche, welche nur organische und regiminelle Bestim­ mungen darstellen und der Abänderung durch Majorität unterzüglich seyn müssen. Allein die Grenzlinie zwischen beiden ist schwer festzustellen und wird immer zweifelhaft und streitig bleiben, wie denn ja z. B. die von Seiner Baierischen Majestät als fundamental bezeichneten 3 ersten Artikel der Bun­ desacte3 schon Seiner Hannoverschen Majestät zur Constituirung dessen, was Sie als Grundvertrag bezeichnet wissen wollen, bei weitem nicht genü­ gen, und in der That nicht füglich bestritten werden kann, daß Bestimmun­ gen, wie der Art. 6 sie über das respective Stimmengewicht der Bundesge­ nossen giebt4, zu den vertragsmäßigen Grundbedingungen des Bundes ge­ hören. Das Comité ist daher nach näherer Erörterung zu der Ueberzeugung gelangt, daß man von einer Abgränzung der beiden Arten von Bestimmungen abstrahiren und die Unterscheidung in jedem einzelnen vorkommenden Fall der Natur der Sache überlassen müsse, dagegen aber den Schutz der verfas­ sungsmäßigen Einzelrechte vielmehr in den bei Verfassungsänderungen über­ haupt einzuhaltenden Formen des Verfahrens, also in gewissen Erschwerun­ gen zu suchen habe, mit denen dergleichen Aenderungen immer zu umgeben 3 Die ersten drei Artikel der Bundesakte betrafen die Bildung eines „beständigen Bunde[s]“, den Bundeszweck und die Gleichberechtigung der Bundesstaaten; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 85; QDGB I/1, S. 1508 f. 4 Artikel 6 der Bundesakte regelte die Stimmenverteilung im Plenum der Bundesversammlung; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 86; QDGB I/1, S.  1510 f.

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Änderungsantrag zur Bildung des Direktoriums

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seien, um jede Gefahr der Ueberstürzung abzuwenden. In dieser Beziehung sind mehrere Auskunftsmittel berathen worden, namentlich das Expediens welches die sächsische Verfassung an die Hand giebt, daß nämlich Verfas­ sungsänderungen erst nach wiederholtem Beschlusse in zwei von einander getrennten Diäten erfolgen können. Man ist indeß zu der übereinstimmenden Ansicht gelangt, daß es nach Lage der deutschen Verhältnisse allen Bedürf­ nissen entspreche, wenn zu einer Abänderung der Bundesverfassung Stim­ meneinhelligkeit im Bundesrath und 3/4 Majorität in der Abgeordnetenver­ sammlung erfordert werde, und zwar letzteres auch in denjenigen Fällen, wo der Abänderungsvorschlag von der Initiative des Bundesraths (also des Direc­ toriums) ausgehe. Dies würde dann gleichmäßig auf den Fall anzuwenden seyn, wo zwar nicht eine Abänderung der Verfassung, sondern die Ueberwei­ sung eines bisher der Territorialgesetzgebung zuständig gewesenen Gegen­ standes an die Bundesgesetzgebung in Frage stehen würde. Der jetzt von dem verstärkten Comité der hohen Versammlung unterbreite­ te Vorschlag unterscheidet sich somit von dem Mecklenburg-Schwerinischen Antrage, wie dieser aus der früheren Comité-Verhandlung modificirt hervor­ gegangen ist, nur darin, daß nicht nur bei Vorschlägen, welche von der Abge­ ordnetenversammlung ausgehen, sondern auch bei denjenigen, welche [von] dem Directorium an diese Versammlung gebracht werden, eine 3/4 Majorität der Abgeordnetenversammlung verlangt wird, wenn sie eine Abänderung der Bundesverfassung oder eine Ausdehnung der gesetzgebenden Gewalt des Bundes betreffen.   Änderungsantrag zur Bildung des Direktoriums  [Anlage] No 3.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 459 f., 462. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 155 f. (Auszug).

Änderungsantrag von Hannover, Württemberg, Kurhessen und Großherzogtum Hessen zur Bildung des Direktoriums.

Hannover, Württemberg, Kurfürstenthum & Großherzogthum Hessen. Der kön. Sächsische Vorschlag hatte für Sachsen, Hannover und Württem­ berg Eine Stimme im Directorium und ebenso Eine solche Stimme für Kur­ hessen und sämmtliche Großherzogthümer beantragt. Dieser Vorschlag wurde durch Majoritätsbeschluß angenommen, allein bald erhoben sich Anstände in Bezug auf seine Ausführung, welche nun eine Einigung in dieser Frage als noch nicht gesichert erscheinen lassen. Inzwischen müssen die Souveraine mehr und mehr wünschen, in ihre eige­ nen Staaten zurückkehren zu können und drängt daher die Zeit immer mehr zum Schluße der hiesigen Conferenzen.

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Um so mehr erscheint es dennoch als geboten, einen Ausweg zu suchen, welchem die allseitige Zustimmung zu Theil werden könnte, und welcher so die Conferenz vor der herben Nothwendigkeit schützen würde, dem deut­ schen Volke gegenüber zu erklären, daß sie über eine mit dynastischen Inter­ essen verknüpfte Frage nicht habe zur Einigung gelangen können. Dem Wunsche, einen solchen Ausweg zu finden, verdankt der beiliegende Vorschlag seine Entstehung. Er beruht auf der Erwägung, daß der kön. sächsi­ sche Vorschlag sehr vielseitige Zustimmung gefunden habe, daß daher die Grundidee desselben beizubehalten und nur durch einige Modificationen des­ selben auf Beseitigung der gegen ihn noch bestehenden Einwürfe hinzuwirken sei. Es sollen daher die Bestimmungen jenes Vorschlags über die 1te, 2te und 3te Stimme und die Bestimmungen über die zur 6ten Stimme vereinte Curie ganz unverändert belassen, an den Befugnissen, welche der Vorschlag in dieser Hin­ sicht gewähren wollte, nichts geändert und nur die nach dem Sächsischen Vor­ schlage zur 4ten und 5ten Stimme berufenen Curien in Eine vereint, dieser Curie aber dann im Ganzen 3 Stimmen im Directorium übertragen werden. Für letzteres spricht wohl der Umstand, daß den in dieser Curie zu vereini­ genden Staaten bisher in der engeren Bundesversammlung 9 Stimmen, also mehr als die Hälfte der sämmtlichen Stimmen, zukamen; ferner daß diese Staaten an matricularmäßiger Bevölkerung im Ganzen 7 283 902 Seelen, also mehr als das Doppelte von Bayern und bis auf ganz weniges das vierfache [sic] der zur 7ten Stimme vereinten Staaten zählen. Es spricht aber dafür noch mehr die Thatsache, daß eine Anzahl von nur sechs Stimmen im Directorium es nothwendig macht, für die Fälle möglicher Stimmengleichheit künstliche Bestimmungen zu treffen, während die Zahl von 7 Stimmen eine einfachere, natürlichere und darum auch dem deutschen Volke gewiß willkommenere Geschäftsbehandlung möglich macht. Durch die Vorschrift, daß bei der Wahl die Stimmen nach der für das Ple­ num der Bundesversammlung geltenden Norm gerechnet werden, finden die Machtverhältnisse der einzelnen Staaten wohl die billigste Beachtung und wird zugleich den drei Königreichen dafür einiger Ersatz gewährt, daß sie, welche nach dem Sächsischen Vorschlage für sich allein Eine Stimme erhiel­ ten, nun in eine Curie von 11 Staaten treten sollen, welche doch im Ganzen nur 3 Stimmen erhält. Mit Rücksicht auf die Gründe hat bereits eine Mehrheit der zunächst be­ theiligten Staaten sich mit diesem neuen Vorschlage einverstanden erklärt, und darf wohl gehofft werden, es dürften auch die übrigen ihm zustimmen, und durch diese Zustimmung dazu beitragen, daß die hier vereinten Souveräne ihrerseits dem deutschen Volke zeigen, wie sie wenigstens unter sich da wohl sich zu einigen verstanden, wo es gilt, einen Grundstein zu dem Werke der Einigung und Größe des deutschen Vaterlandes zu legen.

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Änderungsantrag zur Bildung des Direktoriums

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Antrag von Hannover, Württemberg, Kurfürstenthum und Großherzogthum Hessen. Antrag betreffend Zusammenschmelzung der N. N. 4 und 5 des sächsischen Projekts: Nro. 4 möge folgendermaßen lauten: 4) Aus den Königen von Sachsen, Hannover und Württemberg, dem Großherzoge von Baden, Kurfürsten von Hessen, Großherzog von Hes­ sen, Großherzog von Luxemburg, Herzog von Braunschweig, Groß­ herzog von Mecklenburg-Schwerin, Herzog von Nassau und dem Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, welche aus ihrer Mitte drei ­ Direktorial­mitglieder wählen. Die Stimmen werden bei der Wahl nach Maßgabe des Art. 6 der Bundes Akte gezählt. Bevölkerung nach der Matrikel. 1 200 000 Sachsen Hannover 1 305 351 Württemberg 1 395 462 Baden 1 000 000 Kurhessen 567 868 Großherzogthum Hessen 619 500 Luxemburg 253 583 Braunschweig 209 600 Mecklenburg-Schwerin 358 000 Nassau 302 769 Mecklenburg-Strelitz 71 769 7 283 902 Holstein 360 000 Sachsen-Weimar 201 000 " -Coburg 111 600 " -Meiningen 115 000 " -Altenburg 98 200 Oldenburg 220 718 Anhalt-Dessau 52 947 " -Bernburg 37 046 " -Cöthen 32 454 Schwarzburg-Sondershausen 45 117 " -Rudolstadt 53 937 Liechtenstein 5546 Waldeck 51 877

Stimmen im plenum 4 4 4 3 3 3 3 2 2 2 1 31

Nr. 72

Reuß ä. L. Reuß j. L. Schaumburg-Lippe Lippe-Detmold Hessen-Homburg Lübeck Frankfurt Bremen Hamburg

Frankfurt am Main, 29. August 1863

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22 255 52 206 21 000 72 062 20 000 40 650 47 850 48 500 129 800 1 839 765

  Coburg Gotha zu Artikel 14  [Anlage] No 4.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 469 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 156 (Auszug).

Änderungsantrag von Sachsen-Coburg und Gotha zu Artikel 14 der Reformakte.

Coburg Gotha Die angenommene Fassung des Entwurfs giebt der Versammlung der Bun­ desabgeordneten auf der einen Seite: ein Ausgabebewilligungsrecht und nimmt ihr auf der anderen Seite das Recht, selbst solche Ausgaben, welche nur außer­ ordentliche sind, zu verweigern, vorausgesetzt nur, daß solche außerordentli­ chen Ausgaben einmal früher genehmigt wurden. 1. Hierdurch wird das Bewilligungsrecht fast illusorisch. Denn wenn z. B. der erste Voranschlag in Betreff der außerordentlichen Ausgaben in Folge vorübergehender außerordentlicher Bedürfnisse sehr reichlich bemessen war (wie dieß für den Titel „Festungsbau“ in Folge des bevorstehenden Umbaus der Bundesfestungen grade jetzt der Fall sein wür­ de)[,] so wird die Bundesregierung es nunmehr für alle Zeiten ruhig darauf ankommen lassen können, daß die Abgeordneten-Versammlung die ihr vorzu­ legenden ferneren Voranschläge verwerfe. Denn sie hat in dem ersten gesetz­ lich fortgeltenden Voranschlage reichliche Mittel, um alle ihr gutdünkenden nicht blos ordentlichen, sondern auch außerordentlichen Ausgaben zu bewir­ ken. 2. Die Bestimmung muß dahin führen, daß die Vereinbarung des ersten Voranschlags auf große Schwierigkeiten stoßen und namentlich die Befugniß zu Uebertragungen, sowie alle außerordentlichen Ausgaben auf das Aeußerste werden beschränkt werden.

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Promemoria des Kaisers von Österreich

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3. Eine solche Bestimmung, die mit der einen Hand nimmt, was die andere gegeben hat, muß an sich Verstimmung und gegen das ganze Reformwerk Mißtrauen erzeugen. Grade jetzt zeigt der in Preußen ausgebrochene Conflict, wohin die Behauptung führt, daß auch die außerordentlichen Ausgaben einer älteren Periode ferner bewirkt werden können. Es würde daher besser sein, zu sagen, daß der Voranschlag überhaupt nicht der Genehmigung der Abgeord­ netenversammlung unterliegen solle. Es werden dann keine irrthümlichen Hoffnungen erweckt. 4. Darin, daß die ordentlichen Ausgaben im unterstellten Falle fortbewirkt werden können, darf eine Verstärkung des Finanzrechts der AbgeordnetenVersammlung gesehen werden; für das Recht, auch die außerordentlichen Ausgaben fortzubewirken, läßt sich wohl schwerlich ein Grund anführen, der nicht auch gegen jede entscheidende Betheiligung einer Volksvertretung an den Finanzen überhaupt spräche. Die guten Wirkungen einer solchen Bethei­ ligung werden indeß heute wohl nur Wenige, die ganz unzweifelhafte prakti­ sche Nothwendigkeit derselben wird Niemand läugnen. Es wird wohl nur auf einem Redactionsversehen beruhen, daß im letzten Satze hinter dem Worte „Voranschlag“ weggeblieben ist „soweit derselbe die ordentlichen Ausgaben betrifft.“ Sollten diese Worte oder ähnliche nicht hinzugefügt werden, so ist jeden­ falls keine Aussicht, daß die Reformacte je die Zustimmung der Landesver­ tretungen finde.   Promemoria des Kaisers von Österreich  [Anlage] No 5.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 493 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 167 f.

Der Kaiser sieht von einigen Detailfragen abgesehen ein allgemeines Einverständnis über die Bundesreformakte als gegeben und beantragt die Einberufung einer Ministerkonferenz in Frankfurt im unmittelbaren Anschluß an den Fürstentag, um das Reformwerk gänzlich abzuschließen.

[Frankfurt am Main, 28. August 1863] Promemoria [des Kaisers von Österreich].

Nachdem der Augenblick gekommen ist, wo nach erfolgter Feststellung der entscheidendsten und wesentlichsten Puncte der Verhandlungsgrundlage zum völligen Abschlusse der ernsten Aufgabe, welche die souverainen Fürsten und die Vertreter der freien Städte nach Frankfurt geführt hat, nur mehr noch die Berathung über die offen gelassenen Detailfragen von weniger hervortre­ tendem Belange aussteht, so halten Sich Se Majestät der Kaiser von Oester­

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Frankfurt am Main, 28. August 1863

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reich des erhabenen Einverständnisses AllerhöchstIhrer Bundesgenossen da­ mit für versichert, daß diese schließlichen Verhandlungen einer zu versam­ melnden Ministerconferenz zu überweisen seien. Auf das Innigste vertraut mit der hochwichtigen Frage des Augenblicks so wie nicht minder mit den Gedanken ihrer Fürsten über deren Inhalt und Ge­ staltung zum wahren Wohle des gemeinsamen Vaterlandes, werden die in Be­ rathung tretenden Minister eingehender Instructionen nicht bedürfen; nach Seiner Majestät Erachten wären jedoch deren Grenzen bestimmt zu ziehen und zwar insbesondere die Bevollmächtigten in den Stand zu setzen, die von der Fürstenversammlung ihrer Prüfung zugewiesenen Entwurfs-Artikel so weit zu erledigen, daß nur noch die Ratification der Souveraine vorbehalten bliebe. Zugleich wären die Minister anzuweisen, keine derjenigen Bestim­ mungen, welche Seitens der Fürsten nach gemeinsamer reiflicher Erörterung bereits festgestellt worden sind, an den Ministerconferenzen zum Gegenstan­ de abermaliger Discussion zu nehmen und überhaupt von dem Grundsatze auszugehen, es seien die ausgesetzten Artikel im Geiste jener angenommenen auszufüllen und in diesem Sinne das Reformwerk zu ergänzen und abzu­ schließen. Was den Zeitpunct anbelangt, in welchem zu diesen Conferenzen zu schrei­ ten wäre, sind zwei verschiedene Meinungen laut geworden. Nach der Einen hätte schon das vorliegende Ergebniß des Fürstentages an Se Majestät den Kö­ nig von Preußen mit der Einladung gebracht zu werden, zu den vorerst in Aus­ sicht genommenen Ministerialconferenzen AllerhöchstIhren Bevollmächtigten abzusenden. Nach der anderen Ansicht hätte die Ministerconferenz unverweilt zu beginnen und jener Schritt zur Herbeiführung allseitig gewünschter Ver­ ständigung erst nach Abschluß der Gesammtberathungen zu geschehen. Seine Majestät der Kaiser glauben dieser letzteren Meinung und zwar aus folgenden Gründen beitreten zu sollen. Wenn gegen die sofortige Aufeinanderfolge der Conferenzen Bedenken geltend gemacht werden, welche sich aus den gegründeten Ansprüchen Preu­ ßens auf gebührende Rücksichtsnahme herleiten lassen, so glauben Seine Majestät der Kaiser vielfach bewiesen zu haben, daß AllerhöchstDenselben nichts ferner liege, als deren Außerachtlassung. Aber gerade deshalb dürfte die Einladung zur Theilnahme an Berathungen unangemessen erscheinen, welche im Verhältnisse zu jenen der Fürstentage in zweiter Linie stehen, und wobei, den feststehenden Vereinbarungen der Conferenz der Souvaine gegen­ über, dem Vertreter Sr Majestät des Königs eine Betheiligung angesonnen würde, die mit den ebenerwähnten schuldigen Rücksichten schwer in Ein­ klang zu bringen sein möchte. Endlich kann wohl Niemand, dem daran liegt, daß das mit so aufopfernder, patriotischer Hingebung dem bisherigen inhaltreichen Ergebnisse zugeführte

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Antrag von Mecklenburg-Schwerin

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Werk zu völligem Abschlusse gebracht, und nicht durch unnöthigen Aufschub bedauerlichen Verzögerungen ausgesetzt werde, die hohe Wichtigkeit des ­unmittelbaren Anschlusses der Ministerconferenzen an die persönlichen Be­ rathungen der Souveraine verkennen wollen. Deutschland sieht einem baldi­ gen ganzen Resultate mit Spannung entgegen; diese Erwartung in das in nahe Aussicht Gestellte ist eine berechtigte und die Aufforderung unabweisbar, ­Alles aufzubieten, um Enttäuschungen zuvorzukommen. Von diesen Erwägungen ausgehend, zählen Seine Majestät auf die Zustim­ mung der hohen Mitverbündeten, wenn AllerhöchstDieselben die ungesäumte Vereinigung der hier versammelten Minister der souverainen Fürsten und der Vertreter der freien Städte zur möglichst zu beschleunigenden Lösung der ih­ nen gestellten Aufgabe in Ministerialconferenzen, und zwar sofort in Frank­ furt selbst, beantragen.   Antrag von Mecklenburg-Schwerin  [Anlage] No 6.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 477. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 157.

Mecklenburg-Schwerin beantragt, das bisherige Konferenzergebnis den an der Konferenz nicht beteiligten Souveränen vorzulegen. Sofern mit Preußen eine Einigung zu erwarten sei, sollen anschließend Österreich und Preußen zu einer Ministerkonferenz einladen, die die Bundesreformakte abschließen soll.

Mecklenburg-Schwerin. Antrag. r Die Regierung S Majestät des Kaisers von Oesterreich nunmehr zu ersuchen, das bisherige Resultat der Conferenzverhandlungen den an der Conferenz nicht betheiligten deutschen Souverainen vorzulegen und deren Aeußerungen darüber zu veranlassen. Sobald Oesterreich und Preußen die gemeinsame Ueber­zeugung gewonnen, daß von der Eröffnung einer Minister-Conferenz eine schließliche Vereinigung zu erwarten sei, wäre eine Conferenz von Be­ vollmächtigten aller Mitglieder des deutschen Bundes durch beide Mächte zu berufen, deren Aufgabe sein würde, die endliche Vereinbarung und Schlußre­ daction einer deutschen Bundesreform-Akte zu Stande zu bringen. Das neue Grundgesetz wäre auf Grundlage der bestehenden Bundesverfassung zum Abschlusse zu bringen.

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Frankfurt am Main, 29. August 1863

  Großherzog Friedrich I. an Kaiser Franz Joseph I. 

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73. Großherzog Friedrich I. von Baden an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich

GLA Karlsruhe, 48/1527. Eigenhändiges Schreiben.

Der Großherzog ist der Einladung zum Fürstentag in der Annahme gefolgt, es gehe dort nicht darum, einen Beschluß über einen vollständig ausgearbeiteten Reformvorschlag herbeizuführen, sondern darum, vor dem Vaterland die einmütige Anerkennung der Notwendigkeit einer Reform durch die Fürsten zu dokumentieren und ihre Entschlossenheit zu zeigen, eine mit dem deutschen Volk zu vereinbarende Reformakte herbeizuführen. Der Großherzog hat die ernstesten Bedenken gegen die Verwirklichung des österreichischen Reformplans, der den Bedürfnissen der Gegenwart nicht entspricht. Eine wahre und wirkliche Erneuerung des Bundes im Geiste unserer Epoche ist nicht der modifizierte alte deutsche Staatenbund, sondern der neue deutsche Bundesstaat. Der Großherzog erklärt, daß er dem Entwurf der Reformakte seine Zustimmung versagen muß.

Frankfurt am Main, 29. August 1863 Durchlauchtigst-Großmächtigster Kaiser, Hochgeehrtester Herr Vetter und Bruder! Euere Kaiserl. Königliche Majestät geruhten in dem gnädigen Handschreiben vom 31. v. M.1 Mich mit Allerhöchst Ihrem Entschlusse bekannt zu ma­ chen, Ihren sämmtlichen Mitverbündeten, den souverainen Fürsten und freien Städten Deutschlands, die Eröffnung einer gemeinsamen Berathung über die Frage vorzuschlagen, wie die deutsche Bundesverfassung unter Aufrechthal­ tung ihrer wesentlichen Grundlagen, aber zugleich unter wohlerwogener Be­ rücksichtigung der politischen Bedürfnisse der Gegenwart, neu befestigt und ausgebildet werden könnte. Sowohl die hohe Wichtigkeit, als die Erwägung, daß die Lösung der vielfachen mit derselben verbundenen Schwierigkeiten einem unmittelbaren Austausche zwischen den Souverainen leichter, als einer Unterhandlung durch Bevollmächtigte gelingen könnte, – so geruhten Ew. Majestät der Ankündigung dieses Entschlusses beizufügen, – haben Aller­ höchstdenselben zugleich den Wunsch gegeben, es möge Ihren erhabenen Verbündeten genehm sein, sich in Person mit Ihnen zu der gedachten Be­ rathung zu vereinigen. Ew. Majestät geruhten ferner, Mich in eben diesem Handschreiben mit der Einladung zu beehren, Ihnen in Frankfurt am Main, wohin Allerhöchstdieselben Sich am 16. August d. J. zu begeben die Absicht hegten, zu dem bezeichneten heilsamen Werke, als Bundesgenosse und als Freund der Sache Deutschlands, die Hand zu reichen.

1 Siehe Dok. 32.

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Großherzog Friedrich I. an Kaiser Franz Joseph I.

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Die fast gänzliche Entbehrung näherer Mittheilungen über die beabsich­ tigten Constructionen dieses Werkes, sowie der Umstand, daß sich die dem­ selben zugedachte und in so kurzer Frist anberaumte Berathung auf den Kreis der deutschen Bundesfürsten und der Vertreter der freien deutschen Städte beschränken sollte, ließ Mich, der Natur der Sache nach und gegen­ über den gegenwärtigen Verfassungszuständen in den einzelnen deutschen Staaten, nicht annehmen, daß diese Berathung von einem vollständig aus­ gearbeiteten Reformvorschlage ausgehen, und noch weniger, daß sie die so­ fortige Discussion und Beschlußfassung über diesen Vorschlag selbst aus­ schließlich zum Gegenstande haben werde. Ich glaubte vielmehr gewiß zu sein, daß es sich bei der persönlichen Berathung der deutschen Bundesfür­ sten und der Vertreter der freien deutschen Städte nur darum handeln könne, die Einmüthigkeit ihres Anerkenntnisses des vorhandenen Bedürfnisses nach einer Verbesserung unseres jetzigen gemeinsamen öffentlichen Rechtszu­ standes und der bereitwilligen Entschlossenheit zur Abhilfe des Bedürfnisses dadurch unter sich und vor dem Vaterlande zu documentiren, daß sie sich über die Richtpunkte des Weges einigten, der nunmehr ohne ferneres Säu­ men zu betreten und zu verfolgen sei, um unter den allseitig dazu erforder­ lichen Leistungen und Hingaben, diese Abhilfe in einer mit dem deutschen Volke zu vereinbarenden und abzuschließenden Reformacte wirksam herbei­ zuführen. In dieser Gewißheit konnte Ich Mein ehrerbietiges Dank- und Erwide­ rungsschreiben an Euere Kaiserl. Königl. Majestät vom 9. d. M. mit dem Ausdruck der Hoffnung begleiten, daß es dem opferbereiten, unermüdlichen Streben der deutschen Fürsten und ihrer Regierungen möglich sey, die Schwierigkeiten zu überwinden, welche bisher einem Erfolge im Wege stan­ den. Ich konnte darin versichern, daß Ich einem Versuche, welcher bestimmt sei, eine so wichtige und wirksame Anregung zu geben, gerne Meine Mitwir­ kung widmen werde, daß Ich nicht anstehen dürfe, der ergangenen Einladung Folge zu leisten. Euere Kaiserl. Königl. Majestät haben Uns hier jedoch nicht bloß die Ge­ sichtspunkte zu erkennen zu geben geruht, nach denen Allerhöchstdieselben die als nothwendig erkannte Bundesreform anzustreben gewillt sind, sondern Uns den Entwurf einer in allen Einzelheiten ausgeführten Reformacte des Deutschen Bundes überreichen lassen und Uns bei Unserem ersten Zusam­ mentreten am 17. d. M. zu bedenken gegeben, ob es in Unserem gemeinsa­ men Interesse liege, um der möglichen Verbesserungen willen, die Annahme dieses Entwurfes auch nur um eine kleine Frist zu verzögern. Eure Majestät haben dabei zuzufügen geruht, daß es von Uns, die Wir hier erschienen sind, nunmehr abhänge, durch die That zu beweisen, daß für Uns die Frage der Erneuerung des Bundes reif, daß in Unseren Gemüthern der Entschluß die

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Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907)

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Großherzog Friedrich I. an Kaiser Franz Joseph I.

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deutsche Nation nicht länger die Mittel zu höherer politischer Entwickelung entbehren zu lassen, feststehe. Geleitet von dem Pflichtgefühl, woran diese Worte mahnen, und eingedenk Meiner Verantwortung gegen Baden und das gesammte Vaterland, habe Ich den Mir hier mitgetheilten Entwurf in seinen leitenden Principien und nach seinen nothwendigen und möglichen Folgen gewissenhaft zu ergründen und mit den gegenwärtig in Ausübung befindlichen Bundesbestimmungen zu ver­ gleichen gesucht. Ich würde glücklich sein, wenn Ich in Folge dessen dem Entwurfe, als ei­ nem gewissen Bessern, aus persönlicher Ueberzeugung zustimmen, wenn Ich die Zuversicht Euerer Majestät theilen könnte, daß die unveränderte Annah­ me und demgemäße Verwirklichung des neuen Planes, im Vergleiche mit dem gegenwärtigen Zustande, einen hohen oder doch einen sicheren Gewinn für Deutschland einschließe. Wie Ich Mich indeß schon, ganz am Eingange Unserer Verhandlungen, bei der von Uns beschlossenen erneuerten Einladung an Seine Majestät den ­König von Preußen, ausser Stande sah, dem in dem Entwurfe des desfallsigen Einladungsschreibens aufgenommenen Satze, daß Wir in dem mitgetheilten Vorschlage allseitig eine geeignete Basis für Unsere Verhandlungen erkannt hätten, völlig sachentsprechend zu finden, und von einem Widerspruche ge­ gen die hierauf beliebte und beibehaltene Substituirung des Wortes Grundlage an die Stelle des obengenannten anderen Wortes nur unter der von Mir erklär­ ten und andererseits als richtig zugegebenen Voraussetzung abgestanden bin, daß es nicht in der Meinung liege, aus dieser Form einer allgemeinen Aus­ sprache über den Entwurf einen Schluß auf die Billigung seiner Principien und seines materiellen Inhaltes herzuleiten, so haben Mich seitdem die ern­ stesten Bedenken über die Verwirklichung der mittels des gegenwärtigen Vor­ schlags von Euerer Kaiserl. Königl. Majestät beabsichtigten Verbesserung der jetzigen deutschen Bundesverfassung, aller ihrer sonst offenkundigen Unzu­ länglichkeit ungeachtet, nicht verlassen. Ich zweifle, ob die vorgeschlagene unveränderte Art der Theilung der Executive durch die Uebertragung an ein von bestimmten einzelnen Directorialhöfen zu instruirendes Bundes-Directo­ rium geeignet sein wird, die Bedingungen der Eintracht unter den sämmtli­ chen deutschen Bundesfürsten dauernd zu stärken oder dem alsdann allein von diesem Directorium zu repräsentirenden Gesammtwillen aller Bundes­ mitglieder einen der Wirklichkeit ihrer gegenseitigen Berechtigungen mehr als jetzt entsprechenden Ausdruck zu geben, ob die jetzt vorgeschlagene aus­ drückliche Aufnahme einer die Sicherheit des Deutschen Bundes bedrohen­ den Gefährdung des europäischen Gleichgewichtes in den Kreis der KriegsEventualitäten des Bundes, die bisherigen Bürgschaften für die thatsächliche Erhaltung seines wesentlich neutralen Charakters vermehren wird, ob die Be­

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Frankfurt am Main, 29. August 1863

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rufung von Abgeordneten des Volks zum Deutschen Bunde, wenn dieser Bund selbst noch die Natur einer völkerrechtlichen Verbindung der Deut­ schen Einzelstaaten behalten und also eine Duplicität dieser Einzelstaaten und des Bundes, der sie verbindet, ganz wie bisher, fortbestehen soll, nament­ lich dann eine gedeihlichere Wirksamkeit des Bundes erhoffen läßt, wenn diese Berufung nicht auf dem Wege unmittelbarer Wahlen durch die Bevölke­ rungen, sondern in der vorgeschlagenen Weise mittelst Delegation durch die verschiedenartig gestalteten Landtage der Einzelstaaten erfolgen würde; ja, wie nach der offenen Aussprache Euerer Kaiserl. Königl. Majestät, alle Erwä­ gungen, die Allerhöchstdieselben bei dem Entwurfe im Einzelnen geleitet ha­ ben, in ihrem tieferen Grunde nur Einem einzigen Gedanken entstammen, dem Glauben nämlich, daß es an der Zeit sei, den Bund, den unsere Väter schlossen, im Geiste unserer Epoche zu erneuern, so steht für Mich im Prin­ cip die Ueberzeugung fest, daß eine Aenderung der Bundesverfassung, bloß in ihrer formellen Einrichtung, die politischen Bedürfnisse der Gegenwart nicht befriedigen, daß sie hierauf auch noch jetzt beschränkt, die andauernde Entbehrung nur noch fühlbarer machen wird, daß eine solche wahre und wirkliche Erneuerung des Bundes im Geiste unserer Epoche nicht der modifi­ cirte alte deutsche Staatenbund, sondern der neue deutsche Bundesstaat ist. Dieses principiellen Standpunktes ungeachtet, habe Ich Mich bestrebt, den auf anderen Grundlagen construirten Entwurf einer Reformacte des Deut­ schen Bundes in seinen Einzelbestimmungen wenigstens, soviel möglich Meiner vorbezeichneten Auffassung des Zeitbedürfnisses sachlich anzunä­ hern, und zu dem Ende bei der hohen Versammlung zunächst um Feststellung einer den ruhigen und geordneten Gang der Discussion sichernden, und eine bestimmte Schlußfassung ermöglichende Geschäftsordnung nachgesucht. Ich habe sodann, nicht minder im ausschließlichen Interesse sachlicher Förde­ rung, die einstweilige Unterbrechung Unserer Konferenz durch zwischenzeit­ liche Berathung des Entwurfs in einem Kreise von Fachmännern Unseres Vertrauens, wiederholt als wünschenswerth bezeichnet, Ich habe endlich in den jedesmal nachträglich Meinen mündlichen Aeußerungen entsprechenden Protokollar-Bemerkungen in den Einzel-Bestimmungen das Meiner Ansicht nach Richtige und Dienliche und geschäftlich Brauchbare möglichst zu ver­ treten und zu erreichen getrachtet. Da die hohe Versammlung jedoch weder jenem Ersuchen noch diesem Wunsche hat genügen, und auch Meinen Be­ merkungen zu dem Inhalt des Entwurfes die beabsichtigte Anerkennung in wesentlichen Theilen nicht hat zu Theil werden lassen, so sehe Ich Mich zu der Erklärung genöthigt, daß Ich den Entwurf in der Art, wie er, seinen Resul­ taten nach, aus den seitherigen Beschlußfassungen der Majorität der hohen Versammlung hervorgegangen ist, nicht bloß seinem Princip, sondern auch seiner jetzigen formellen und materiellen Gestaltung nach, nicht gut zu hei­

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Protokoll Nr. 10 der Frankfurter Fürstenkonferenz

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ßen vermag und ihm daher Meine Zustimmung jetzt auch im Ganzen versa­ gen muß. Es ist Mir ein Bedürfniß diesen, für Mich pflichtgebotenen Entschluß mit den Mich dazu bestimmenden Motiven Euerer k. k. Majestät noch vor der Abstimmung auf dem Wege schriftlicher Mittheilung hiermit ehrerbietigst zu Allerhöchstdero unmittelbarer Kenntniß zu bringen. Indem Ich nichtsdestoweniger an der Hoffnung festhalte, daß Wir, verei­ nigt mit dem mächtigen Fürsten, der jetzt in Unserer Mitte fehlt, das zur Zeit unvollendet bleibende Reformwerk in einer den gerechten Wünschen des deutschen Volkes entsprechenden Weise, von dieser oder einer geeigneteren Grundlage aus, zum Segen des Vaterlandes baldigst weiter führen und mit dem lebhaften eigenen Wunsche an Unseren hierauf gerichteten ferneren ­gemeinschaftlichen Bemühungen förderlichen Antheil zu nehmen, bitte Ich Euere Kaiserl. Königl. Majestät auch bei diesem Anlasse die erneuerte Ver­ sicherung der vollkommensten Hochachtung und Verehrung zu genehmigen, womit Ich unwandelbar zu verharren die Ehre habe Euerer kaiserl. Königl. Majestät gehorsamster Vetter u. Bruder

74. Protokoll Nr. 10 der Frankfurter Fürstenkonferenz

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 482–484, 487, 497, 500 f., 504, 519, 530, 545 f., 551 f. Original mit eigenhändigen Unter­ schriften. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 158–166.

Die Konferenz berät ausgiebig über Satz 1 des Artikels 5 der Bundesreformakte, wonach Österreich den Vorsitz im Direktorium und im Bundesrat erhalten soll. Diese Bestimmung wird von der Mehrheit der Fürsten angenommen, während einige für die Offenhaltung der Frage plädieren und Baden für eine Streichung des Satzes stimmt. Nach längerer Diskussion wird ferner beschlossen, daß einige noch strittige Punkte in den von der Fürstenconferenz genehmigten Entwurf aufgenommen, aber bei weiteren Verhandlungen im Anschluß an den Fürstentag einer Revision unterzogen werden sollen. Einige Staaten geben Vorbehalte zu einzelnen Bestimmungen zu Protokoll. Es erfolgt die Schlußabstimmung, bei der 24 Monarchen und städtische Vertreter die Bundesreformakte annehmen. Sechs Fürsten (Baden, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Niederlande, Waldeck, Reuß jüngere Linie) versagen ihre Zustimmung und geben diesbezügliche Erklärungen zu Protokoll. Die Fürsten und städtischen Vertreter, die für die Bundesreformakte gestimmt haben, unterzeichnen anschließend eine Schlußerklärung und eine kollektive Mitteilung an die preußische Regierung mit der Einladung, der Bundesreformakte beizutreten. Der Kaiser hält eine abschließende Ansprache und beendet sodann die Fürstenkonferenz.

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Frankfurt am Main, 1. September 1863

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Frankfurt am Main, 1. September 1863 Protokoll der zu Frankfurt a/M. am September 1863 von Vormittag 10 bis 1 Uhr abgehaltenen zehnten Sitzung der Fürstenconferenz. Anwesend waren mit Ausnahme Sr Hoheit des Herzogs von Sachsen-Alten­ burg sämmtliche im Protokolle der ersten Sitzung genannte Fürsten und Ver­ treter der freien Städte. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich bemerkten, daß nachdem in einer früheren Sitzung der Conferenz die Berathung über Alinea 1 des Artikels 5 ausgesetzt geblieben sei, es nunmehr erforderlich sein dürfte, auch über diese Bestimmung des Entwurfs Beschluß zu fassen. Se Majestät fügten hinzu, daß die hohe Versammlung die Gründe zu würdigen wissen werde, welche Aller­ höchst Sie bestimmten, an dieser Berathung, da der Gegenstand Sie persön­ lich angehe, nicht Theil zu nehmen, sondern Sich während derselben zurück­ zuziehen und Se Majestät den König von Bayern zu ersuchen, die Leitung der Verhandlung zu übernehmen. Ehe Sie Sich jedoch entfernten, dürften Sie nicht unterlassen, das Recht Oesterreichs auf das Präsidium im Bunde auch für die Zukunft auf das allerbestimmteste zu wahren, und den angelegent­ lichen Wunsch auszusprechen, daß die Bestimmung des Entwurfes, so wie sie liege, unverändert möge angenommen werden. Es könne dies nicht hindern, daß wie bei anderen Fragen, so auch bei dieser, diejenigen Allerhöchst-Ihrer Verbündeten, welche etwa mit ihrer Erklärung irgend welche Vorbehalte ver­ binden zu müssen glaubten, diese Vorbehalte in das Protokoll niederlegen lie­ ßen. Se Majestät der Kaiser verließen hierauf den Saal. Des Königs von Bayern Majestät eröffneten die Berathung über Alinea 1 des Artikels 5 des Entwurfes. Ihre Majestäten die Könige von Sachsen und Hannover und Se königl. Ho­ heit der Kronprinz von Württemberg erklärten mit der Bestimmung des Ent­ wurfs einverstanden zu sein. Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden sprachen die Ansicht aus, daß die Bestimmung über das Präsidium aus dem Entwurfe wegzulassen wäre. Ihre königl. Hoheiten der Kurfürst von Hessen und der Großherzog von Hessen erklärten Ihr Einverständniß mit der Bestimmung des Entwurfes. Des Großherzogs von Oldenburg königl. Hoheit äußerten, daß nach Ihrer Auffassung die erlauchte Versammlung nur eine Sr Majestät dem Kaiser von Oesterreich schuldige Rücksicht erfülle, wenn sie in dem jetzigen Stadium der Berathung, da es sich noch nicht um einen definitiven Abschluß handeln könne, die Discussion über den das Präsidium im Bunde betreffenden Punkt noch fernerhin ausgesetzt sein lasse. 1ten

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Protokoll Nr. 10 der Frankfurter Fürstenkonferenz

Nr. 74

Dieser Meinung pflichteten Se königl. Hoheit der Großherzog von Sach­ sen-Weimar und Se Durchlaucht der Fürst von Walde[c]k bei. Dagegen bemerkten Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg, daß zwar bei der früheren Berathung des Artikels 5 der Punkt wegen des Präsidiums habe offen gelassen werden können, daß aber jetzt, wo es auf den GesammtAbschluß der Berathungen ankomme, nothwendig in irgend einer redactio­ nellen Form die Art, wie der Vorschlag des Entwurfs von der Conferenz be­ handelt worden sei, erkennbar gemacht werden müsse. Ein einfaches Weglas­ sen, wie bei denjenigen Punkten, die an die Ministerconferenz verwiesen seien, erlaube die Sachlage nicht, es werde also vielleicht von Seite derjeni­ gen hohen Mitglieder der Conferenz, welche gegen die Beibehaltung des Ali­ nea 1 Bedenken hegten, irgend ein Vorschlag über die Form der Erledigung dieses Gegenstandes erwartet werden können. Se Majestät der König von Sachsen sprachen in dieser Beziehung die Über­ zeugung aus, daß die Conferenz sich entweder für Stehenlassen oder für Streichung des ersten Satzes des Artikels 5 werde entscheiden müssen, da ein Mittelweg, eine Formel, die ein bloßes Nichtberathen oder Offenhalten aus­ drücke, der Lage des Geschäftes nicht entspreche. Im Falle der Streichung des ersten Alinea wäre auch das zweite Alinea, als des Zusammenhanges dann entbehrend, wegzulassen und der Artikel 5 hätte mit den Worten anzu­ fangen: „Alle Beschlüsse u.s.w.“ Se Majestät müßten aber lebhaft bevorwor­ ten, daß dieser Artikel des Entwurfs wie alle anderen behandelt, also stehen gelassen werde, sobald eine entschiedene Majorität sich für denselben aus­ spreche und die Minorität bei dem Vorbehalt Beruhigung finden könne, in ei­ nem späteren Stadium, wenn es nämlich zu Verhandlungen mit den in Frank­ furt nicht vertretenen Bundesgliedern komme, auf ihre abweichende Ansicht zurückzukommen. Dieser Vorbehalt sei bereits im Allgemeinen eingelegt, es unterliege indessen gewiß keinem Anstande, ihn bei diesem Anlasse auch noch besonders auszudrücken. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg erklärten, daß Sie für das Ste­ henbleiben der Bestimmung des Entwurfes stimmen, bei der Wichtigkeit der Sache aber den Vorbehalt, daß dieser Beschluß künftigen Verhandlungen nicht präjudicire, ausdrücklich hinzufügen würden. In ähnlichem Sinne bemerkte Bürgermeister Dr Roeck von Lübeck, daß nach seiner Auffassung der Beschluß, die Bestimmung des Entwurfes beizu­ behalten, sich eben nur auf die jetzige Lage des Geschäftes und auf die anwesenden Paciscenten mit Vorbehalt der Unterhandlung mit den künftigen be­ ziehe, und daß er keinen Anstand nehmen werde, in diesem Sinne für die Beibehaltung zu stimmen. Bürgermeister Duckwitz von Bremen constatirte, daß er seinerseits diesen Vorbehalt als selbstverstanden betrachte.

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Frankfurt am Main, 1. September 1863

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Nachdem Niemand das Wort mehr verlangte, hielten Se Majestät der König von Bayern Umfrage, und es stimmten Bayern, Sachsen, Hannover, Württem­ berg, Kurhessen, Großherzogthum Hessen, Mecklenburg-Strelitz, Braun­ schweig, Nassau, Sachsen-Meiningen, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarz­ burg-Rudolstadt, Liechtenstein, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe und die freien Städte Bremen und Frankfurt einfach für die Beibehaltung der Be­ stimmung des Entwurfes. Ihre königl. Hoheiten die Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin, Sach­ sen-Weimar, Oldenburg und Prinz Heinrich der Niederlande, sowie Se Durch­ laucht der Fürst von Walde[c]k und die freie Stadt Hamburg stimmten für Offenhaltung des in Rede stehenden Punktes. Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg stimmten, laut Anlage 1 des ge­ genwärtigen Protokolles für Beibehaltung des Entwurfes unter der Vorausset­ zung, daß damit künftigen Verhandlungen in keiner Weise vorgegriffen werde. In derselben Voraussetzung stimmten Se Hoheit der Erbprinz zu Anhalt und die freie Stadt Lübeck für den Entwurf. Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden stimmten für Streichung des Alinea 1. Nachdem hierauf Se Majestät der König von Bayern constatirt hatten, daß mit einer überwiegenden Mehrheit von Stimmen, von welchen einige den er­ wähnten Vorbehalt hinzugefügt hätten, die Fassung des Entwurfes angenom­ men sei, wurde Se Majestät der Kaiser von Oesterreich von der Beendigung der Discussion über den Artikel 5 benachrichtigt, und erschien wieder in der Versammlung, deren Berathungen Allerhöchstderselbe nunmehr zunächst auf die Frage lenkte, wie die Ministerconferenzen, welchen die Feststellung der nicht von den Fürsten selbst berathenen Theile des Entwurfs einer Reformac­ te vorzubehalten seien, am zweckmäßigsten einzurichten wären. Se Majestät beriefen Sich1 hiebei auf das dem Protokolle unter Ziffer 2 anliegende Pro­ memoria. Bei dieser Veranlassung stellten jedoch Se Majestät der König von Hanno­ ver und Se Hoheit der Herzog von Braunschweig, laut Anlage 3 des Protokol­ les des Antrag, die erwähnten zur Berathung durch eine Ministerconferenz ausgesetzten Artikel und Artikeltheile, – mit vorläufiger Ausnahme des Punk­ tes 3 im Artikel 27 und des Punktes 2 im Artikel 28, sowie unter Wegfall des Schlußsatzes des Artikels 23, – im Ganzen anzunehmen. Se Majestät der König von Sachsen unterstützten diesen Antrag, indem Allerhöchstdieselben bemerkten, daß eine Überweisung der als mehr secun­ där ausgeschiedenen Artikel an die Minister zu manchen Schwierigkeiten führen würde, während Se Majestät andererseits nach genauer Prüfung Sich 1 Emendiert. Vorlage: sich.

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überzeugt hätten, daß gegen die Annahme en bloc keine ernstlichen Beden­ ken bestünden, indem die von den Fürsten nicht berathenen Artikel theils bloße Folgesätze, theils Ausflüsse aus dem Bundesrechte seien, und ohnehin, wenn das Reformwerk einen erwünschten Verlauf nehme, später jedenfalls noch Verhandlungen stattfinden müßten. Der Schlußsatz des Artikels 23 müsse dann allerdings wegfallen, und auch das Verlangen Hannovers und Braunschweigs, daß Artikel 27 Punkt 3 und Artikel 28 Punkt 2 einstweilen und bis zu genauerer Prüfung und anderweiten Feststellung von der Ge­ sammt-Annahme ausgeschlossen bleiben, könne Sr Majestät bei der Natur der durch diese Punkte berührten Materien nicht anders als gerechtfertigt er­ scheinen. Der Vorschlag, keine Ministerconferenzen zu halten, sondern die nichtbe­ rathenen Theile des Entwurfs nunmehr im Ganzen anzunehmen, fand viel­ seitigen Anklang, und nur dagegen erhoben sich Bedenken, ob es statthaft erscheine, aus den Bestimmungen über das Bundesgericht die erwähnten beiden Punkte, da sie zu den wesentlichsten der ganzen Einrichtung gehör­ ten, bis auf Weiteres gänzlich wegzulassen. Se königl. Hoheit der Großher­ zog von Oldenburg erklärten Sich überhaupt – laut Anlage Ziffer 4 – gegen jede Verkürzung der in dem Abschnitte über das Bundesgericht in Aussicht gestellten Rechtsgarantien. Ebenso hielten Se Hoheit der Herzog von Sach­ sen-Coburg es für nachtheilig, einzelne Bestimmungen des Entwurfs von der Gesammt-Annahme auszuschließen. Bürgermeister Dr Roeck von Lübeck war der Ansicht, daß die beiden Punkte nicht fehlen dürften, und daß na­ mentlich gegen die Eröffnung einer schiedsrichterlichen Instanz wohl auch kaum irgend eine besondere Cautel sich als erforderlich herausstellen dürfte. Se Majestät der König von Hannover erklärten, daß Hannover und Braun­ schweig in Bezug auf die endliche Feststellung der beiden Punkte nicht etwa ein Präjudiz aufstellen wollten, aber allerdings mit Rücksicht auf einige in Erwägung kommende Fragen von zarter Natur sich vorerst noch eine ge­ nauere Bedachtnahme und eine modificirte Fassung des Entwurfs vorbehal­ ten müßten. Bürgermeister Haller, gegen die Weglassung der beiden Punkte sprechend, hielt es für ein allseitig annehmbares Auskunftsmittel, daß ein die Revision derselben ausdrücklich vorbehaltender Beschluß zu Protokoll ge­ nommen, und dadurch der Zweck des hannover-braunschweigischen Antrags erfüllt würde, ohne in den Beschlüssen der Conferenz eine Lücke zu lassen, welche den Vorschlag der Errichtung eines Bundesgerichtes so wesentlich, wie die Beiseitesetzung jener Punkte beeinträchtigen würde. Se Majestät der König von Hannover und Se Hoheit der Herzog von Braunschweig zeigten Sich nicht abgeneigt, hierauf einzugehen, und willigten in die Aufnahme der beiden Punkte, nachdem die Conferenz, wie hiemit beurkundet wird, be­ schlossen hatte:

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„daß Punkt 3 des Artikels 27 und Punkt 2 des Artikels 28, wiewohl in den von der Fürstenconferenz genehmigten Entwurf aufgenommen, bei weiterer Verhandlung einer Revision unterzogen werden sollen.“ Einstimmig beschloß ferner die Conferenz, daß nach dem Antrage Sr Maje­ stät des Königs von Hannover und Sr Hoheit des Herzogs von Braunschweig der Schlußsatz des Artikels 23 wegzufallen habe, – wobei Se Durchlaucht der Fürst von Liechtenstein übrigens bemerkten, daß Sie im Princip mit dem Vor­ schlage einer Stimmberechtigung der Standesherren einverstanden seien. Vor der weiteren Abstimmung über jenen Antrag Hannovers und Braun­ schweigs ließen hierauf Se Hoheit der Herzog von Sachsen-Meiningen die unter Ziffer 5 anliegende Aeußerung über den Artikel 25 des Entwurfs zu Protokoll geben, eine Aeußerung, welcher Se Hoheit der Herzog von Sach­ sen-Coburg Sich anschlossen. In Bezug auf eben diesen Artikel 25 erklärte auch Bürgermeister Dr Haller von Hamburg, daß er zwar einige ihm erheblich scheinende Einwendungen gegen denselben habe, sich jedoch mit der Bitte begnüge, diese seine Erklä­ rung zu Protokoll zu nehmen, und daß er in der Hoffnung, es werde noch bei einer späteren Gelegenheit die Veranlassung geboten sein, jene Einwendun­ gen zur Sprache zu bringen, sich nicht abgehalten finde, der Annahme en bloc aller noch ausstehenden Artikel pure zuzustimmen. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich ersuchten hierauf die hohen Anwe­ senden, über die Frage, ob die sämmtlichen von der Fürstenconferenz nicht im Einzelnen berathenen Bestimmungen des Entwurfes, den Schlußsatz des Artikels 23 ausgenommen, im Ganzen anzunehmen seien, mit Ja oder Nein abzustimmen. Es erfolgte ein einstimmiges Ja, wobei übrigens Se königl. Hoheit der Großherzog von Baden Sich auf die eingelegten Vorbehalte bezogen. Bürgermeister Duckwitz von Bremen begrüßte dieses Resultat mit dem Ausrufe, daß der Augenblick, wo die deutschen Fürsten ihr Werk durch einen so einmüthigen Entschluß zu Ende geführt hätten, in der Geschichte Deutsch­ lands unvergessen bleiben werde. Nachträglich stellten Se Majestät der Kaiser von Oesterreich zur Redaction des Entwurfes noch den Antrag, daß der zu Artikel 28 Punkt 3 beschlossene Zusatz, also lautend: „Gegenwärtig in anerkannter Wirksamkeit stehende Verfassungen kön­ nen durch Klagführung bei dem Bundesgerichte nicht angefochten wer­ den.“ an den Schluß des Artikels 30 versetzt werde, wo er seine passendere Stelle finde. Die Conferenz nahm diesen Antrag an. Ein in der neunten Sitzung noch offen gebliebener Punkt, die Directorial­ frage betreffend, fand gleichfalls heute seine Erledigung. Des Kurfürsten von

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Hessen königl. Hoheit ließen nämlich Höchst-Ihre Einwilligung in den säch­ sisch-nassauischen Vorschlag zu Protokoll nehmen. Nachdem hiemit die Specialberathung vollständig abgeschlossen war, rich­ teten Se kk. Apostolische Majestät an die erhabene Versammlung die Auffor­ derung, nunmehr zu der vorbehaltenen Schlußabstimmung über das Gesammt Ergebniß der gepflogenen Berathung zu schreiten. Se Majestät bemerkten, daß Sie, um jedem möglichen Mißverständnisse über die Schlußabstimmung und deren Bedeutung zuvorzukommen, folgende drei Fragen gesondert stel­ len zu sollen glaubten: 1. Nimmt die Versammlung das Schlußresultat der Verhandlungen an? 2. Lassen die einzelnen Mitglieder die noch bestehenden Widersprüche fal­ len? 3. Hält die Versammlung sich so lange an diese Beschlüsse gebunden, bis die hier nicht vertretenen Bundesglieder den ihnen mitgetheilten Entwurf entweder definitiv abgelehnt oder uns ihre Gegenvorschläge eröffnet ha­ ben? Se Majestät ersuchten zunächst über die erste Frage: Nimmt die Versammlung das Schlußresulat der Verhandlungen an? mit ja oder nein abzustimmen. Ihre Majestäten der Kaiser von Oesterreich, die Könige von Bayern, Sach­ sen und Hannover, Ihre königl. Hoheiten der Kronprinz von Württemberg, der Kurfürst von Hessen, die Großherzoge von Hessen, von MecklenburgStrelitz und von Oldenburg, Ihre Hoheiten die Herzoge von Braunschweig, von Nassau, von Sachsen-Meiningen und von Sachsen-Coburg-Gotha, Se Ho­ heit der Erbprinz von Anhalt, Ihre Durchlauchten die Fürsten von Schwarz­ burg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt, von Liechtenstein und von Schaumburg-Lippe, dann die Vertreter der vier freien Städte Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg bejahten diese erste Frage. Der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz motivirte Seine Zustimmung mittelst der unter Ziffer 6 anliegenden Erklärung. Weitere Beitrittserklärung gaben Se Majestät der Kaiser von Oesterreich im Namen und in Vollmacht Sr Durchlaucht des Landgrafen von Hessen-Hom­ burg und Se Majestät der König von Sachsen im Namen der Frau Fürstin Vor­ münderin Reuß älterer Linie ab. Von 24 deutschen Regierungen wurde sonach das Schlußresultat der Ver­ handlungen angenommen. Verneint wurde die Frage 1 von Ihren königl. Hoheiten den Großherzogen von Baden, von Mecklenburg-Schwerin und Sachsen-Weimar, dem Prinzen Heinrich der Niederlande und Sr Durchlaucht dem Fürsten von Walde[c]k. Diese verneinenden Abstimmungen wurden motivirt durch die unter Ziffer 7, 8, 9, 10 und 11 dem Protokolle beigefügten Erklärungen.

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Se Durchlaucht der Fürst zu Reuß jüngere Linie hatten Anfangs nicht abge­ stimmt, schlossen Sich aber dann, mittelst der Erklärung Anlage 12, dem Vo­ tum des Großherzogs von Sachsen-Weimar an. Betreffend die beiden weiteren Fragen, welche Se Majestät der Kaiser zur Feststellung der Bedeutung der Schlußabstimmung zu stellen beabsichtigten, trug Bürgermeister Dr Roeck zur Fragestellung darauf an, daß anstatt des Ausdrucks „fallenlassen“ die Worte „auf sich beruhen lassen“ gewählt wer­ den möchten. Dr Haller von Hamburg dagegen entwickelte die Ansicht, daß durch die erste und dritte Frage Alles erschöpft sei und je nach der Bejahung oder Verneinung der dritten Frage die Antwort auf die zweite sich von selbst ergebe. Se Majestät der Kaiser bemerkten, daß Sie sehr gerne von der zweiten Frage absehen und sogleich die dritte stellen würden, sobald nur über jeden Zweifel feststünde, daß unter dem Schlußresultat, welches bis zur Unterhand­ lung mit Preußen bindend bleiben müsse, das aus den Mehrheitsbeschlüssen der Versammlung hervorgegangene Werk ohne die Vorbehalte zu verstehen sei, und daß diejenigen, die dasselbe gebilligt hätten, gegenüber den nicht vertretenen Staaten vereinigt und einstimmig erscheinen müßten, bis entwe­ der von Seite der Letzteren eine definitive Ablehnung erfolgt oder Gegenvor­ schläge aufgestellt sein würden. Dieselben Mitglieder der Conferenz, welche die erste Frage bejaht hatten, erklärten, daß dieses der Sinn sei, in welchem sie ihre Zustimmung zu dem Schlußresultate verstünden. Sie stimmten somit auf gehaltene Umfrage für Bejahung der Frage unter 3. Eine besondere Fragestellung ad 2 wurde hierauf nicht weiter für erforderlich erachtet. Auf Ersuchen Sr Majestät des Kaisers von Oesterreich legten hierauf des Kö­ nigs von Sachsen Majestät der Conferenz den Bericht des in der letzten Sitzung zur Vorbereitung der Schlußverhandlung eingesetzten Comité’s von neun Mitglieder[n] vor. Dieser Bericht ist unter Ziffer 13 dem gegenwärtigen Proto­ kolle beigefügt. Se Majestät machten im Namen des Comité’s zunächst den Vor­ schlag, daß diejenigen Mitglieder der Conferenz, welche bei der so eben erfolg­ ten Schlußabstimmung den Entwurf der Reformacte angenommen hätten, die in dem erwähnten Berichte in Antrag gebrachte Erklärung unterzeichnen möchten. Die Fassung dieser Erklärung gab erstens zu der Bemerkung Anlaß, daß nachdem einige der Mitglieder der Conferenz die Reformacte nicht angenom­ men hätten, die Worte: „Die hier versammelten“ zu ersetzen wären durch die Worte: „die unterzeichneten“. – Die hohe Versammlung entschied sich zwei­ tens dafür, am Schlusse der Erklärung statt des Ausdrucks: „bundesverfas­ sungsmäßige Verständigung“ den Ausdruck „allseitige Verständigung“ zu ge­ brauchen, um noch deutlicher zu bezeichnen, daß es sich hier um das Erfor­ derniß der Stimmeneinhelligkeit, nicht etwa um eine Hinweisung auf den Artikel 11 der Bundesacte handle.

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Auf Anordnung Sr Majestät des Kaisers wurde während der Sitzung eine Reinschrift der gedachten Erklärung mit diesen beiden Abänderungen gefer­ tigt, und sofort von denjenigen Allerhöchsten, Höchsten und Hohen Theilneh­ mern an der Conferenz, welche für die Annahme der Reformacte gestimmt hatten, unterzeichnet. Diese Urkunde liegt im Original unter Ziffer 14 dem heutigen Protokolle bei. Zu den weiteren Vorschlägen des Comité’s und zwar zuvörderst zum Punk­ te 1, die Mittheilung an Preußen betreffend, bemerkten sodann Se Majestät der Kaiser von Oesterreich, daß ein Majoritäts- und ein Minoritätsantrag vor­ liege. Nach dem ersteren hätte die Mittheilung an Preußen von Seite Sr Maje­ stät allein, nach dem zweiten von Seite der gesammten Conferenz zu erfol­ gen. Se kaiserl. Majestät erklärten Sich für diese letztere Ansicht, nachdem auch der frühere von der Conferenz beschlossene Schritt bei dem Könige von Preußen collectiv geschehen sei2 und die Versammlung in ihrer Gesammt­ heit leichter anknüpfen könne an die Zusage des Königs, ihre Mittheilungen in sorgfältige Erwägung ziehen zu wollen. Man entschied sich allgemein, da auch die Urheber des Majoritätsantrags von ihrer Ansicht zurücktraten, für ein gemeinsames Schreiben. Se Majestät der Kaiser fügten hinzu, daß Sie in Voraussetzung eines sol­ chen Beschlusses den Entwurf eines Collectiv-Schreibens an den König von Preußen hätten abfassen lassen. Dieser Entwurf wurde durch den Protokoll­ führer vorgelesen, und in derjenigen Fassung genehmigt, welche aus der An­ lage 15 des gegenwärtigen Protokolles ersichtlich ist. Die Reinschrift wurde während der Sitzung gefertigt und sodann mit denselben Unterschriften, wie die Erklärung (Anlage 14), sowie mit derjenigen Sr Durchlaucht des Fürsten Reuß jüngere Linie versehen. Dieses Schreiben begleitet von einer Abschrift des Entwurfs einer Refor­ macte in derjenigen Gestalt, in welcher er von den Unterzeichnern genehmigt wurde, soll morgen an des Königs von Preußen Majestät abgesendet wer­ den.3 Die Punkte 2, 3 und 4 des Comité-Berichtes wurden gleichfalls angenom­ men. Zum Punkte 3 bemerkten übrigens Se Majestät der Kaiser, daß Sie durch Ihre Einwilligung in den Vorschlag, eventuell gemeinsam mit Preußen die Einladungen zu einer neuen Conferenz zu erlassen, dem Präsidialrechte ­Oesterreichs nichts vergeben haben wollten, und Se Majestät der König von Sachsen gaben hiezu die Erläuterung, daß jener Vorschlag nur aus dem Ge­ danken des kaiserlichen Entwurfes selbst hervorgegangen sei. 2 Am Rand die Anmerkung: „S. Protocoll N. 3 Beilage N. 2“. – Siehe Dok. 47. 3 Siehe Dok. 75.

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Die Conferenz beschloß ferner, daß sobald das Schreiben an den König von Preußen abgegangen sein werde, das Resultat ihrer Berathungen der Oef­ fentlichkeit übergeben werden solle. Se Majestät der Kaiser von Oesterreich wendeten Sich hierauf an die erha­ bene Versammlung mit den nachfolgenden Worten: „Wir haben Unsere Berathungen geschlossen und Meine hohen Verbünde­ ten werden Mir erlauben, einige kurze Abschiedsworte zu Ihnen zu sprechen. In zehn Sitzungen haben Wir Uns über eine lange Reihe der schwierigsten und verwickeltsten Fragen geeinigt. Nicht in einem einzigen Falle hat in Un­ serem Kreise ein Sonderinteresse die schließliche Einigung verhindert. Unser Aller Opferwilligkeit hat sich bewährt. Es erscheint Mir dies als eine große Thatsache und wenn Wir gewiß Alle mit hoher Genugthuung auf so viele Be­ weise der Eintracht und Selbstverläugnung, von welcher Unsere Beschlüsse Zeugniß abgelegt haben, zurückblicken, so darf Ich für Meinen Theil viel­ leicht eine Regung von Stolz Mir verzeihen, wenn Ich gewahre, wie vollstän­ dig Meine Hoffnung auf das unmittelbare Zusammenwirken der deutschen Fürsten sich gerechtfertigt hat. Für die Freundschaft und das Vertrauen, welches Meine erhabenen Bun­ desgenossen Mir persönlich entgegengebracht haben, bitte Ich den Ausdruck Meines tiefempfundenen Dankes anzunehmen. Unser erster deutscher Fürstentag trennt sich nunmehr. Er trennt sich mit dem Wunsche, daß ein zweiter, sobald als möglich ihm folgend, alle Glieder des großen Ganzen vereinigen und Unsere Bemühungen krönen möge. Der Schutz des Allmächtigen bleibe bei Uns Allen und bei Deutschland!“ Se Majestät der König von Bayern knüpften an diese Schlußworte des Kai­ sers die folgende Ansprache: „Unsere Verhandlungen sind beendigt, und es beseelt Uns die erhebende Hoffnung, daß durch dieselben der Grund gelegt sei zu einem für das gemein­ same Vaterland segensreichen Werke. Es durchdringt Uns aber auch wohl Alle das Gefühl des lebhaftesten Dankes gegen Se Majestät den Kaiser von Oesterreich, sowohl für die gegebene Anregung als für die Ausdauer und bundesfreundliche Gesinnung, mit welcher Se Majestät Sich der Leitung Un­ serer Berathungen unterzogen hat. Ich zweifle nicht, im Sinne Aller hier anwesenden verehrten Bundesgenos­ sen zu handeln, indem Ich jenem Gefühle Worte leihe, und Sr Majestät dem Kaiser Unsern innigsten Dank ausspreche. Möge der Himmel das begonnene Werk zum Heile Deutschlands vollenden und Alle, welche dazu mitgewirkt, sich bald dieses schönsten Lohnes ihrer Bemühungen erfreuen lassen!“ Die ganze Versammlung erhob sich, um ihr Einverständniß mit den so eben vernommenen Worten Sr Majestät des Königs von Bayern auszudrücken.

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Sachsen-Coburg und Gotha zu Art. 5

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Auf Antrag Sr kk. Apostolischen Majestät wurde hierauf der mitanwesende Bürgermeister von Frankfurt, Dr Müller, von der ganzen erlauchten Versamm­ lung ersucht, bei dem Senat und der Bevölkerung Frankfurts dem Dankgefüh­ le aller Mitglieder des Fürstentages für die gastfreundliche und herzliche Auf­ nahme, die sie in der freien Stadt gefunden, Ausdruck leihen zu wollen. Zum Schlusse fand die Verlesung, Genehmigung und Unterzeichnung der Protokolle der siebenten, achten und neunten Sitzung statt. Bei diesem Anlas­ se ließen Se kön. Hoheit der Großherzog von Baden, zur Richtigstellung der in dem Protokolle der neunten Sitzung enthaltenen Angabe, daß der Antrag Sr Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg wegen des Artikels 14 einstimmig angenommen worden sei, die unter Ziffer 16 anliegende Erklärung, ferner eine nachträgliche Erklärung zum Artikel 3 – Anlage Ziffer 17 – zum Proto­ kolle überreichen. In Betreff der Beurkundung des heutigen Protokolles endlich traf die hohe Versammlung, damit die Abreise der Fürsten nicht aufgehalten werde, die Abrede, daß die Herren Vertreter der vier freien Städte ersucht und bevoll­ mächtigt werden sollten, das Protokoll Namens der gesammten Versammlung zu controliren und zu genehmigen, womit dieselben sich einverstanden er­ klärten. Die Unterschriften der hohen Souveräne wurden demgemäß in bianco ge­ geben, mit der Maßgabe, daß durch die Hinzufügung der Unterschriften der Herren Bürgermeister das Protokoll als regularisirt und genehmigt gelten sol­ le. – Die Conferenz der souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands wurde hiemit geschlossen. Am 3ten September 1863 Vormittags 9 Uhr wurde sodann das gegenwärtige Protokoll von dem Protokollführer in Gegenwart der vier Herren Vertreter der Städte verlesen, und von denselben in der vorstehenden Fassung, urkundlich ihrer unten beigefügten Unterschriften, kraft der erhaltenen Ermächtigung für die Gesammtheit der Versammlung genehmigt. [Es folgen die Unterschriften.]

Der Protokollführer Ludwig von Biegeleben k. k. Hof- und Ministerialrath   Sachsen-Coburg und Gotha zu Art. 5  [Anlage] No 1.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 485. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 166.

Sachsen-Coburg und Gotha stimmt für die Beibehaltung der ursprünglichen Fassung des Artikels 5.

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Herzog von Sachsen-Coburg u. Gotha Zu Art. 5 Alinea 1 des Entwurfs Ich stimme für Beibehaltung der Fassung unter der Voraussetzung, daß damit künftigen Verhandlungen in keiner Weise vorgegriffen werde.   Promemoria des Kaisers von Österreich  [Anlage] No 2.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 488 f.

Promemoria [des Kaisers von Österreich].4   Hannover und Braunschweig zu Artikel 23, 27 und 28  [Anlage] No 3.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 490. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 168.

Hannover und Braunschweig beantragen die Annahme einiger strittiger Punkte der Artikel 23, 27 und 28.

Hannover u. Braunschweig. Hannover und Braunschweig tragen darauf an, die zur Berathung durch eine Ministerconferenz ausgesetzten Artikel und Artikeltheile im Ganzen anzuneh­ men, jedoch unter Wegfall des Schlußsatzes von Art. 23, ferner der No 3 des Art. 27 und der No 2 des Art. 28, was die beiden letzteren betrifft nur für jetzt und unter Vorbehalt auf sie näher bei der Verhandlung mit den nicht vertrete­ nen Bundesgliedern zurückzukommen.   Oldenburg zum Bundesgericht  [Anlage] No 4.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 495. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 168.

Oldenburg wiederholt seine Bedenken gegen die Vereinbarungen in Bezug auf das Bundesgericht.

Oldenburg Ich muß nochmals meine Bedenken dagegen hervorheben daß die durch das Bundesgericht in Aussicht gestellten Rechtsgarantien verkümmert oder ein­ geschränkt werden. Aus demselben Grunde habe ich auch schon gegen die anderen Vereinbarungen gestimmt welche in Bezug auf das Bundesgericht gefaßt sind. 4 Dieses Dokument ist identisch mit dem bereits dem Protokoll der 9. Sitzung des Fürstentags als Anlage 5 beigefügten Promemoria, siehe Dok. 72, S. 408–410.

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Erklärung des Herzogs von Sachsen Meiningen

  Erklärung des Herzogs von Sachsen Meiningen  [Anlage] No 5.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 498 f. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 168 f.

Der Herzog von Sachsen-Meiningen äußert Bedenken gegen die Beteiligung der Fürstenversammlung am Gesetzgebungsverfahren, die zu Schwierigkeiten mit den eigenen Ministern und der öffentlichen Meinung führen könne. Es wäre besser gewesen, die Beschlußfassung über Gesetze dem Bundesrat zuzuweisen und der Fürstenversammlung lediglich die Sanktion der von Bundesrat und Abgeordnetenversammlung beschlossenen Gesetze zu überlassen.

Erklärung des Herzogs von Sachsen Meiningen Die Bestimmungen im Art. 25 über die Gegenstände der Beschlüsse der Für­ stenversammlung erscheinen mir nicht unbedenklich. Ich besorge, daß die Beschlußfassung, welche Derselben in Bezug auf die Anträge der Abgeordne­ ten in Angelegenheiten der Gesetzgebung (alin. 2) überwiesen ist, schon in geschäftlicher Beziehung, – man denke an die Berathung umfassender Geset­ ze – mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden sein wird. Namentlich er­ scheint es mir aber mißlich, daß die Fürsten ohne ihre verantwortlichen Rath­ geber, die Minister, bindende Beschlüsse und zwar über Angelegenheiten von der größten Wichtigkeit fassen sollen, zu deren Durchführung in ihren Staa­ ten sie dann doch wieder der Minister, die bei jenen nicht mitgewirkt haben, nothwendig bedürfen. Es muß dies zu Unzulänglichkeiten führen. Auch wird die Beschlußfassung, die man der Fürstenversammlung zugewiesen hat, sie nicht selten in die Nothwendigkeit versetzen, den Anträgen des Abgeordne­ tenhauses entgegenzutreten, und dieß dazu benutzt werden, um die öffentli­ che Meinung gegen sie aufzureizen, und das Organ der Fürstenversammlung mißliebig zu machen, während allen diesen Nachtheilen begegnet worden wäre, und es in Uebereinstimmung mit dem Art. 11 gestanden haben würde, wenn man die Beschlußfassung in Gesetzgebungssachen dem Bundesrath überwiesen und lediglich die Sanction der von Letzterem, übereinstimmend mit den Abgeordneten beschlossenen Gesetzen, der Fürstenversammlung vor­ behalten hätte. So großen Werth ich auf eine solche Modification des Art. 25 auch lege, so will ich doch, um die so wünschenswerthe Basis zur weiteren Verhandlung mit den noch nicht beigetretenen deutschen Bundesfürsten zu gewinnen, in dem jetzigen Stadium meinerseits keine Schwierigkeiten entgegenstellen, sondern zu Protokoll hiermit erklären, daß ich zu allen bisher noch nicht be­ rathen gewesenen Artikeln und also auch zu dem Art. 25 meine Zustimmung ertheile, mir indessen vorbehalte, bei etwa späteren Verhandlungen auf obige Bedenken zurückzukommen.

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  Abstimmung von Mecklenburg Strelitz  [Anlage] No 6.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 502. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 169.

Der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz stimmt der Reformakte zu unter der Voraussetzung, daß die Änderung der Bundesverfassung „durch allseitige Zustimmung auf bundesverfassungsmäßigem Weg“ herbeigeführt wird und die bestehende Bundesverfassung bis dahin gültig bleibt.

Großherzog von Mecklenburg Strelitz. Während der Berathungen habe ich um der Einigung und um der Kräftigung des Bundes willen entgegenstehende Ansichten und Wünsche der Mehrheit unterzuordnen für Pflicht erachtet, jedoch daran festgehalten, daß in dem bundesrechtlich verbürgten Verhältnisse der Landesgesetzgebung und der Landesverfassungen zum Bunde keine, und in der Bundesverfassung selbst eine Abänderung erst dann eintrete, wenn dieselbe durch allseitige Zustim­ mung auf bundesverfassungsmäßigem Wege herbeigeführt werden kann, bis dahin demnach die Bundesverfassung in Bestand und Gültigkeit verbleibe. Da diesen meinen Voraussetzungen genügt ist und ich übrigens in dem Ent­ wurf einer Reform Acte, wie derselbe nunmehr festgestellt worden, eine Grundlage für die weiterhin erforderlichen Verhandlungen finde, so stimme ich in diesem Sinne und in so weit einer Beschlußfassung bei, welche für die Fortführung des gemeinsamen Werkes in dem bundesrechtlichen Wege die Rechte aller Genossen des Bundes wahrt.   Schlußerklärung Badens  [Anlage] No 7.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 505–508. Veröffentlicht u. a. in: Frankfurter Journal, Erste Beilage zu Nr. 250 v. 9. September 1863. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 170–173; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 4, 1863, S. 72–75.

In seiner Schlußerklärung legt der Großherzog von Baden dar, daß sich ein aus wenigen Staaten gebildetes Direktorium nicht als leitende Behörde des Bundes eignet, sondern nur der Bundesrat, in dem alle Staaten vertreten sind. Die Ausführung der vom Bundesrat gefaßten Beschlüsse kann einem vollziehenden Ausschuß überlassen werden. Wichtiger als eine Reduktion der bisher im Bundestag geführten Stimmen ist die unzweideutige Anerkennung von Majoritätsbeschlüssen, doch läßt sich dieser Grundsatz unter den gegebenen Verhältnissen nicht ausnahmslos durchführen, weil die Großmächte Österreich und Preußen im Falle des Dissenses dem inneren Lebensgesetz ihrer eigenen Staaten folgen müssen. Das Einverständnis von Österreich und Preußen kann durch eine Majorität nicht ersetzt werden. Die bedeutendste Kräftigung wird der Bund aus der herzustellenden Volksvertretung ziehen, dies aber nur, wenn sie aus direkten Volkswahlen hervorgeht. In der Volksvertretung soll die nationale Einheit ihren Ausdruck finden. Neben dem Recht zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung sollte die Versammlung der Bundesabgeordneten das Recht zur jährlichen Bewilligung des

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Bundeshaushalts haben. Andererseits müssen die Einzelstaaten gegen Eingriffe des Bundesdirektoriums in ihre inneren Angelegenheiten geschützt werden. Der Großherzog von Baden verweigert seine Zustimmung zu den Artikeln 3, 5, 8, 9 und 14 der Reformakte und stimmt darüber hinaus gegen den Entwurf der Reformakte insgesamt. Ohne eine vorherige Abstimmung der Großmächte über das Reformwerk würde dieses nur in einer weiteren Schwächung des Deutschen Bundes enden.

Baden. Schlußerklärung. In den Erklärungen zu den einzelnen zur Discussion gebrachten Artikeln der Reformacte sind die Bedenken niedergelegt, welche dieselben hervorrufen, und mittelbar ergeben sich daraus auch die positiven Anschauungen über Art und Umfang der Reform, welche auf der gegebenen Grundlage des Staaten­ bundes möglich und rathsam erscheinen. Da der Bund, so lange er seine gegenwärtige Natur als ein bloßer Staaten­ bund beibehält, nicht von einer in ihm selbstständig constituirten Regierungs­ gewalt, sondern nach Instruction der Einzelregierungen durch deren Beauf­ tragte geleitet werden kann, so fordert nicht bloß die Rücksicht auf das glei­ che Recht aller, sondern selbst das Interesse des Ganzen, daß auch allen ein verhältnißmäßiger Antheil an der Bildung des Gesammtwillens eingeräumt werde. Zur eigentlich leitenden Behörde des Bundes eignet sich deshalb nicht ein irgend wie aus einigen wenigen Bundesgliedern zusammengesetztes und ausschließlich von denselben zu instruirendes Directorium, sondern nur der Bundesrath selbst, in welchem den beiden Großmächten statt der bisher im engeren Rathe geführten einen, mehrere Stimmen einzuräumen, durch die be­ stehenden Machtverhältnisse gerechtfertigt ist. Die Ausführung des einmal durch Beschluß des Bundesrathes festgestell­ ten Bundeswillens kann dagegen zweckmäßig einem kleineren Collegium überlassen werden, welches, da es sachlich als vollziehender Ausschuß des Bundesrathes erscheint und jedenfalls an dessen Instructionen gebunden wer­ den müßte, richtiger auch formell als ein solcher Ausschuß, nicht als ein selbstständiges Directorium bestellt wird. Die Bildung des bestimmenden Ge­ sammtwillens im Bunde wird durch Mitwirkung sämmtlicher Bundesglieder nicht mehr verzögert, als durch Mitwirkung von nur 5 oder 6; durch die Zu­ lassung zahlreicherer vermittelnder Einflüsse wird sie umgekehrt erleichtert und der Bund gegen die Gefahren geschützt, welche ihm aus dem unmittelba­ ren Gegensatz einiger weniger Directorialhöfe und den unter ihnen, ohne Mitwirkung der Mehrzahl der Bundesglieder gefaßten formellen Mehrheits­ beschlüssen drohen würden. Dagegen wird der Vollzug des einmal fest­ gestellten Bundeswillens mit allen bei der Ausführung sich ergebenden ­Detailfragen durch Ueberlassung desselben an einen kleineren Ausschuß an ­Energie gewinnen, und nahezu unentbehrlich erscheint eine derartige Einrich­

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tung, um der Bundesregierung eine constitutionelle Vertretung der Landes­ bevölkerung an die Seite stellen zu können. Weit wichtiger für eine reguläre und sichere Thätigkeit der Bundesregie­ rung als eine eventuelle Reduction der jetzt am Bundestage geführten Stim­ men, ist die klare und unzweideutige Anerkennung der Majoritätsbeschlüsse. Aber auch dieser Grundsatz, so naturgemäß und wünschenswerth er an sich ist, läßt sich unter den gegebenen Verhältnissen nicht ausnahmslos durchfüh­ ren. Ein formeller Majoritätsbeschluß kann die Thatsache nicht wegräumen, daß eine etwa dissentirende Großmacht dem inneren Lebensgesetze ihres Staates folgen wird und muß; er brächte nur über den Bund die Calamität ei­ nes formell gültigen, aber thatsächlich unausführbaren Beschlusses, und damit die Gefahr gegenseitiger Erbitterung oder selbst einer vollständigen Zerrei­ ßung des Bundes. Die wichtigsten Entschließungen desselben in seinen Bezie­ hungen nach Außen und entscheidende Umgestaltungen im Innern sind durch die Natur der Verhältnisse an das Einverständniß Oesterreichs und Preussens geknüpft, das durch eine Majorität von 2/3 nicht ersetzt werden kann. Unter dieser Voraussetzung verliert allerdings die vorgeschlagene Ausdeh­ nung der Bundeszwecke den größten Theil ihrer realen Bedeutung, aber eine gewaltsame Anspannung der Bundesgewalt zu größeren Leistungen, als sie, so lange die beiden Großstaaten mit einer ihr überlegenen Macht neben derselben stehen, zu erfüllen vermag, kann diese Leistungen selbst doch nicht hervor­ bringen und bedroht die Existenz des Bundes, dessen Erhaltung, wenn gleich mit bescheidener Wirksamkeit, ein wichtiges nationales Interesse bildet. Die bedeutendste Kräftigung wird der Bund aus der herzustellenden Volks­ vertretung ziehen, die aber freilich nur, wenn sie aus directen Volkswahlen hervorgehen würde, die von ihr gehofften Früchte tragen kann, und da sie den einzigen Entgelt für das vorübergehende Opfer des Bundesstaates bildet, des­ halb nur in solcher Gestalt zu empfehlen ist, wenn gleich Oesterreich zuge­ standen werden mag, daß es seinen besonderen Verhältnissen entsprechend, auf dem Princip der Delegation für sich beharre. – In ihr soll die in keinem anderen Organe des Bundes zur unmittelbaren Erscheinung kommende natio­ nale Einheit ihren Ausdruck finden; sie ist dazu berufen und sie allein ist dazu befähigt, allmählig eine größere praktische Einheit unseres Staatslebens zu vermitteln und die Ausbildung einer selbstständigen mit reicherem Inhalt aus­ gestatteten Bundesgewalt vorzubereiten. Eine jede Versammlung von Vertretern des Volkes bedarf, soll ihre Stellung nicht vollkommen inhaltlos sein, neben dem Rechte der Mitwirkung bei der Gesetzgebung, einen wirksamen Einfluß auf Feststellung des Staatshaus­ haltes. Der Versammlung der Bundesabgeordneten würde eine wenig würdige Aufgabe verbleiben, wollte ihr das Recht entzogen sein, den Bundeshaushalt durch eine jährlich wiederkehrende Bewilligung festzustellen.

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Schlußerklärung Badens

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Während somit einerseits die Befugnisse der Bundescentralinstitutionen im Entwurfe gestärkt werden müssen, wird es nöthig sein, andererseits die Ein­ zelstaaten gegen die mögliche Einmischung des Bundesdirectoriums in deren inneres Regierungs-System sicherzustellen, wie es Art. 9 auch in seiner jetzi­ gen Fassung noch möglich macht. Die wesentlichen materiellen Voraussetzungen, von deren Eintreten Ich Meinen Beitritt zu einer Reformacte zur Zeit abhängig mache, fassen sich demnach dahin zusammen: Ich stimme nicht: 1., für Errichtung eines von einzelnen Directorialhöfen zu instruirenden Bundes-Directoriums, welches ohne die Schranke constitutioneller Verant­ wortlichkeit seine Befugnisse auszuüben hat (Art. 3 und 5). Ich stimme nicht: 2., für das principielle Aufgeben des in den realen Verhältnissen begründe­ ten und in der bisherigen Bundespraxis beobachteten Grundsatzes, daß die beiden Deutschen Großmächte ein vorgängiges Einverständniß unter sich hergestellt haben müssen, bevor ein Bundesbeschluß in bestimmten, speciell zu bezeichnenden wichtigsten Fragen gefaßt werden soll (Art. 8). 3. Ich stimme nicht für eine aus Delegirten zu bildende Volksvertretung, wenn auch befürwortet werden kann, daß von einer aus directen Volkswahlen zu bildenden Nationalrepräsentation Oesterreichische Abgeordnete deßhalb nicht auszuschließen seyen, wenn solche, den bestehenden Verhältnissen des Kaiserstaates entsprechend, nach dem Princip der Delegation gewählt werden (Art. 16). 4. Ich stimme nicht für die thatsächliche Vernichtung des Zustimmungs­ rechtes der Bundesabgeordneten bei Feststellung des Bundeshaushalts durch Beschränkung deren Bewilligungsrechtes auf neue, den Voranschlag der vor­ hergehenden Periode verändernde Budget-Positionen (Art. 14). 5. Ich stimme endlich nicht bei zur Ausdehnung der Befugnisse des Direc­ toriums auf das Recht und die Pflicht der Ueberwachung, daß der innere Frie­ de Deutschlands nicht gestört werde (Art. 9). Muß auch bereitwilligst zugegeben werden, daß es gelungen ist, wesentli­ che Verbesserungen des Entwurfes zu verwirklichen, so hat sich doch aus den Besprechungen der hohen Fürstenversammlung nach der Zusammenstellung deren Beschlüsse ergeben, daß die Majorität der Ansichten zu einer Art der Reform sich neigt, welche diesen von Mir in den eingereichten Separat-Vota näher begründeten Wünschen nicht in ausreichendem Maaße entspricht, noch auch andere, daselbst ausgesprochene, wenngleich minder wesentliche Be­ denken beseitigt. Da nun nach dem Vorschlag Seiner Kaiserlich Königlichen Majestät Meine jetzige Abstimmung zugleich einen Verzicht auf fernere Geltendmachung die­

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ser von Mir gestellten Anforderungen mit sich bringen würde, so stimme Ich nunmehr auch gegen den vorliegenden Entwurf im Ganzen. Wie bereit Ich auch sein mag, jederzeit Opfer Meiner Rechte und Meiner Stellung zu bringen, wo dieselben dem Zustandekommen des großen nationa­ len Werkes der Einigung Deutschlands gebracht sind, ja wie bereit Ich wäre, denselben auch das schwerere Opfer der Ideen zu bringen, wornach [sic] sich nach Meiner festen Ueberzeugung die künftige Verfassung Deutschlands zum Wohle deutschen Volkes und Landes gestalten muß, wenn unter allen Meinen Verbündeten, wenn von der Gesammtheit der deutschen Souveraine ein Ein­ verständniß über eine davon verschiedene neue Verfassungsform des Deut­ schen Bundes hergestellt wäre:­so halte Ich Mich so lange zu dieser Hinge­ bung weder für berechtigt, noch für verpflichtet, als nicht feststeht, daß da­ durch das Zustandekommen einer solchen neuen, den gerechten Ansprüchen des badischen Landes und des Deutschen Volkes entsprechenden Bundesre­ form auch wirklich zum Abschluß gebracht werde. Zur Zeit ist aber weit eher die umgekehrte Befürchtung gerechtfertigt, daß durch die, in einem unabänderlich die Zustimmenden verpflichtenden Be­ schlusse liegende Erschwerung des Zutritts der in der hohen Versammlung nicht vertretenen Souveraine das Werk sich auch von formeller Seite mehr bedroht als gefördert finden möchte, um so mehr, als ausgesprochen ist, daß die berathenen Artikel in der Form, in welcher sie aus hoher Versammlung hervorgehen, auch dem Wortlaute nach festgestellt, und für die künftigen Mi­ nisterconferenzen unveränderlich normirt gelten sollen. Ich habe wiederholt hervorgehoben, wie äußerst wünschenswerth für die Förderung des unternommenen Werkes es sich erweisen würde, wollte ohne eine vorgängige Abstimmung über die berathene Reform-Akte, deren nun­ mehrige Mittheilung an Seine Majestät den König von Preussen erfolgen und zunächst die Bedingungen des Beitritts der Deutschen Großmächte festge­ stellt werden, ohne deren Theilnahme das begonnene Werk der Einigung nur in einer neuen Schwächung des Deutschen Bundes und in einer weiteren ­Lösung der Zusammengehörigkeit der wichtigsten Bestandtheile des gemein­ samen Vaterlandes endigen würde. Trotzdem der Gegensatz der Meinungen in der Abstimmung über das Ge­ sammtwerk nunmehr zum Ausdruck gekommen ist, findet sich indessen eine weitere Verhandlung im Falle einer Mittheilung des bisherigen Resultates der Berathungen an die in der Versammlung nicht vertretenen Staaten nicht aus­ geschlossen. In derselben kann es gelingen, einige der wesentlichsten für die nationale Einheit und Wohlfahrt des Deutschen Vaterlandes, wie die Selbst­ ständigkeit seiner Staaten bedrohliche und mit den Rechtsansprüchen seiner Völker nicht übereinstimmende Verfügungen aus dem Entwurfe zu entfernen, dadurch auch für Baden eine Verständigung zu ermöglichen und so das unter­

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Abstimmung von Mecklenburg-Schwerin

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nommene Werk einem gedeihlichen Abschluß näher zu führen. – Indem Ich Mich für diesen erwünschten Fall im Voraus bereit erkläre, an etwaigen spä­ teren geschäftlichen Conferenzen über die schließliche Festsetzung eines dann etwa auszuarbeitenden Grundgesetzes des Deutschen Bundes, falls dazu nach erfolgter Verständigung der Deutschen Großmächte eine gemeinsame Einladung beider ergehen würde, Mich bereitwilligst betheiligen zu wollen, behalte Ich Mir schließlich zu diesem so verbesserten und auf bundesverfas­ sungsmäßigem Wege in freier Vereinbarung mit den5 gesetzmäßig berufenen Vertretern der Nation zu vollendenden Werke Meinen Beitritt vor.   Abstimmung von Mecklenburg-Schwerin  [Anlage] No 8.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 570. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 173 f.

Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin lehnt es ab, der Reformakte definitiv zuzustimmen und erklärt, daß das Werk nur durch das einmütige Zusammenwirken der beiden deutschen Großmächte zum erfolgreichen Abschluß gebracht werden kann.

Mecklenburg-Schwerin muß sich bei dem jetzigen Stande der Sache der gewählten Fragestellung ge­ genüber ablehnend erklären. Es constatirt auch seiner Seits das große Resultat der Verhandlungen der von Sr Majestät dem Kaiser von Oesterreich nach Frankfurt eingeladenen Souveraine und freien Städte, welches in der thatsächlich erreichten Ueber­ einstimmung über eine Reihe der wichtigsten Puncte einer Reform des deut­ schen Bundes besteht. Da das hochwichtige Werk voraussichtlich noch durch mehrere Stadien gehen wird, so behält Mecklenburg-Schwerin für dieselben sich freie Prüfung und Berathung zu seinem Theile vor. Schließlich legt es Werth darauf zu erklären, daß es nur in dem einmüthigen Zusammenwirken der beiden mächtigsten Bundesglieder den Weg erblickt wie das von Sr Maje­ stät dem Kaiser bis hierher so hochherzig geleitete Werk auf bundesgemäßem Wege zum endlichen Abschluß zu bringen ist.   Abstimmung von Sachsen-Weimar  [Anlage] No 9. HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 572. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 174.

Der Großherzog von Sachsen-Weimar lehnt es zur Zeit ab, der Reformakte zuzustimmen, da noch nicht geklärt ist, wie Preußen sich zum Frankfurter Entwurf verhalten wird und da ohne das Zusammenwirken der beiden Großmächte eine Verbesserung der Bundesverfassung unmöglich ist. 5 Emendiert. Vorlage: der.

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[Sachsen-Weimar.] Da ich eine Verbesserung der Bundesverfassung Deutschlands von Herzen wünsche und erstrebe, ich eine solche ohne das Zusammenwirken beider Großstaaten zum Besten des gemeinsamen Vaterlandes für unmöglich halte, in diesem Augenblicke aber noch unbekannt ist, wie die eine derselben, Preu­ ßen, zu dem vorliegenden Entwurf sich verhalten wird, muß ich meiner schon früher abgegebenen Erklärung gemäß, zur Zeit ablehnend antworten. Hierbei erkläre ich aber ausdrücklich, sobald jenes Zusammenwirken erfolgt, mit um so größerer Bereitwilligkeit was in meinen Kräften liegt, zu leisten, um das große Ziel zu erreichen, wegen dessen wir uns hier vereinigten, nämlich das Wohl des gesammten Vaterlandes. Karl Alexander Großherzog von Sachsen.   Abstimmung von Luxemburg  [Anlage] No 10.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 574. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 174.

Der Vertreter der Niederlande stimmt „gegen das Ganze des Reformentwurfs“.

Erklärung für Luxemburg Obwohl ich bereits in der Conferenz vom 24ten August erklärt habe, daß ich, in Betreff meiner besonderen Stellung, Alles „Ad referendum“ nehmen müsse und daß ich daher, unter demselben Vorbehalte, auch für das Ganze des Re­ formprojects würde stimmen können6, so befinde ich mich doch, – in Folge der Kaiserlichen Mittheilung vom 28ten August7, welche verlangt daß ich auf einige Puncte verschiedener Ansicht, welche jedoch das Resultat eben so inniger, als wahrer Ueberzeugung sind, verzichten möge, – und in Erwägung, daß in den Ministerial Conferenzen kein Artikel des Reform-Entwurfs, wel­ cher in den Conferenzen der Fürsten angenommen worden ist, aufs Neue discutirt werden soll, – so wie in der Absicht, Sr Majestät, dem Könige, GroßHerzog von Luxemburg, meinem erhabenen Herrn, volle Freiheit der Ent­ schließung und des Handelns vorzubehalten, – in der Lage, gegen das Ganze des Reform-Entwurfs stimmen zu müssen. Heinrich Prinz der Niederlande, Stellvertreter des Königs Groß-Herzog von Luxemburg. 6 Siehe Dok. 64, Anlage 2. 7 Siehe Dok. 72, Anlage 5.

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Abstimmung von Waldeck

  Abstimmung von Waldeck  [Anlage] No 11.

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HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 575. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 175.

Der Fürst von Waldeck legt dar, daß eine Bundesreform ohne das Zusammenwirken der beiden Großstaaten nicht gelingen kann. Er kann dem Reformentwurf nicht zustimmen, weil dadurch der spätere Zutritt Preußens erschwert würde.

Walde[c]k. Eine Bundesreform kann ohne das Zusammenwirken beider Großstaaten in einer den Interessen des Bundes und der Nation entsprechenden Weise nicht zur Geltung kommen und es ist auch der Zutritt Preußens in dem von Sr Ma­ jestät dem Kaiser vorgelegten Projecte ausdrücklich vorausgesetzt. Ich kann es – wenn ich auch meine Bedenken gegen einige Bestimmungen des Ent­ wurfs hier zurücktreten lassen will – doch nicht für angemessen halten, daß derselbe auch nur in den bisher berathenen Hauptpuncten schon jetzt in ir­ gend einer, die Theilnehmer an der Conferenz bindenden Weise festgestellt werde, weil dadurch der spätere Zutritt Preußens erheblich erschwert werden würde. Aus diesem Grunde sehe ich mich außer Stande, dem Schlußresultate der Conferenzen zuzustimmen. Daß indessen meine Ablehnung keine defini­ tive ist, ergiebt sich aus der Motivirung derselben. Durch meine Erklärung auf den Antrag in Betreff des einzuhaltenden weiteren Verfahrens werde ich meine Bereitwilligkeit darthun, mich den Schritten anzuschließen, welche ich von meinem Standpuncte aus zur Herbeiführung einer zeitgemäßen Bundes­ reform geeignet finde. Georg Victor F. v. Waldeck u. Pyrmont.   Abstimmung von Reuß jüngere Linie  [Anlage] No 12.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 577. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 175.

Der Fürst von Reuß jüngere Linie schließt sich der Erklärung von Sachsen-Weimar an.

Reuß j. L. Ich schließe mich der Erklärung Sr. K. H. des Großherzogs von Weimar an. Heinrich LXVII. Reuß j. L.   Comité-Bericht  [Anlage No 13.]

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 520, 523, 524. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 175 f.

Das Komitee schlägt eine Schlußerklärung vor, gemäß welcher der Kaiser von Österreich ersucht wird, das Konferenzresultat dem König von Preußen vorzulegen und die weiter erforderlichen Schritte einzuleiten. Nach Einigung von Österreich und Preu-

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ßen soll eine Konferenz aller im Bund vertretenen Staaten die Bundesreformakte beschließen und auf der Grundlage der bestehenden Bundesverfassung das neue Grundgesetz zum Abschluß bringen.

Comité-Bericht. (Mitglieder: Sachsen, Kurhessen, Baden, Sachsen-Weimar, MecklenburgSchwerin, Oldenburg, Sachsen Meiningen, Sachsen-Coburg, Hamburg). Das Comité, welches zur Prüfung der beiden Anträge von Hamburg und Mecklenburg, Anlage 1 und 2 niedergesetzt worden ist, hat sich über folgen­ den Vorschlag geeinigt, welchem nur in einem einzigen Punkte ein abwei­ chender Minoritätsvorschlag hinzugefügt ist. Nachdem S. M. der Kaiser von Österreich die im Promemoria vom 28. d. M.8 in Aussicht gestellte Schlußabstimmung vorgenommen haben werden, möge die folgende Erklärung zur Unterzeichnung vorgelegt werden. Die hier versammelten deutschen Fürsten und Vertreter der freien Städte erklären sich bereit, die künftige Verfassung Deutschlands nach Maßga­ be der hier gefaßten Beschlüsse, so viel an ihnen liegt, zu vollenden und ins Leben zu führen und zu diesem Zwecke mit den hier nicht vertrete­ nen Bundesfürsten, insbesondere dem Könige von Preussen, eine bun­ desverfassungsmäßige Verständigung auf dem Grunde jener Beschlüsse anzustreben. Es möge demnächst von der hohen Conferenz beschlossen werden: 1.) S. M. den Kaiser von Österreich nunmehr zu ersuchen, das Schlußre­ sultat der Conferenzverhandlungen Sr M. dem Könige von Preussen vor­ zulegen.*  2.) Seine Majestät den Kaiser von Österreich zu ersuchen, die demnächst weiter erforderlichen Schritte einzuleiten. 3.) den Wunsch zu Protokoll auszusprechen, daß sobald Österreich und Preussen die gemeinsame Ueberzeugung gewonnen, daß von der Eröff­ nung einer Conferenz, in welcher alle deutschen Bundesstaaten vertreten wären, eine schließliche Vereinigung zu erwarten sei, eine solche Confe­ renz durch beide Mächte berufen werden möge, um die endliche Verein­ barung und Schlußredaktion einer deutschen Bundesreformakte zu Stan­ de zu bringen. *

Minoritaetsvorschlag von Sachsen, Sachsen Meiningen, Coburg und Hamburg statt 1.): 1.) das Schluß-Resultat der Conferenz-Verhandlungen Sr Maj. dem Könige von Preussen mit­ telst eines gemeinsamen Schreibens der versammelten Fürsten und Vertreter der freien Städte vorzulegen.

8 Siehe Dok. 72, Anlage 5.

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Erklärung der Fürsten und freien Städte

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4.) das vereinbarte neue Grundgesetz auf Grundlage der bestehenden Bundesverfassung zum formellen Abschluße zu bringen. Anlage I. Hamburg. Entwurf einer Erklärung. Die hier versammelten deutschen Fürsten und Vertreter der freien Städte er­ klären sich bereit, die künftige Verfassung Deutschlands nach Maaßgabe der hier gefaßten Beschlüsse, so viel an Ihnen liegt, zu vollenden und in’s Leben zu führen, vorausgesetzt, daß auch die hier nicht vertretenen Bundesfürsten sich mit jenen Beschlüssen einverstanden erklären. Anlage II. Mecklenburg-Schwerin. Antrag. Die Regierung Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich nunmehr zu ersu­ chen, das bisherige Resultat der Conferenzverhandlungen den an der Confe­ renz nicht betheiligten deutschen Souverainen vorzulegen und deren Aeusse­ rungen darüber zu veranlassen. Sobald Oesterreich und Preussen die gemein­ same Ueberzeugung gewonnen, daß von der Eröffnung einer Conferenz, in welcher alle deutsche Bundesstaaten vertreten sind, eine schließliche Vereini­ gung zu erwarten sei, wäre eine solche durch beide Mächte zu berufen, um die endliche Vereinbarung und Schlußredaction einer deutschen Bundesre­ form­acte zu Stande zu bringen. Das neue Grundgesetz wäre auf Grundlage der bestehenden Bundesverfassung zum Abschluß zu bringen.   Erklärung der Fürsten und freien Städte  [Anlage No 14.]

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 527. Behändigte Ausfertigung. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 176 f.

22 Fürsten bzw. Bürgermeister erklären ihre Bereitschaft, auf der Grundlage der in Frankfurt gefaßten Beschlüsse die Verfassung Deutschlands zu vollenden und dabei eine Einigung mit Preußen anzustreben

Erklärung. Die unterzeichneten deutschen Fürsten und Vertreter der freien Städte erklä­ ren sich bereit, die künftige Verfassung Deutschlands nach Maßgabe der hier gefaßten Beschlüsse, so viel an ihnen liegt, zu vollenden und ins Leben zu führen und zu diesem Zwecke mit den hier nicht vertretenen Bundesfürsten,

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insbesondere dem Könige von Preußen, eine allseitige Verständigung auf dem Grunde jener Beschlüsse anzustreben. Frankfurt a/M, am 1ten September 1863. Franz Joseph Johann Karl, Kronprinz von Württemberg Friedrich Wilhelm, Kurfürst v. Hessen Ludwig Großherzog von Hessen Friedrich W. Gh. v. M[ecklenburg-­ Strelitz] Wilhelm H. v. Braunschweig

Max Georg Rex

Peter Großherzog von Oldenburg Adolph H[erzog] von Nassau Friedrich Erbprinz zu Anhalt

N. F. Haller Bürgermeister von Hamburg K. L. Roeck, Bürgermeister von Lübeck Dr Müller Bürgermeister von Frankfurt Duckwitz Bürgermeister von Bremen Adolph Georg Fst. [zu] S[chaumburg-]L[ippe] Johann Fürst zu Liechtenstein F. Günther Fst. zu Schwarzburg Ernst [von Sachsen-Coburg und Gotha] [-Rudolstadt] Günther Fürst zu Schwarzburg Sondershausen m/p. Bernhard Hz. [von] S[achsen-Meiningen]9  9    Die Fürsten und freien Städte an König Wilhelm I.  [Anlage] No 15.

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 531. Abschrift. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 177 f.

Schreiben der Mehrheit der in Frankfurt versammelten Fürsten an König Wilhelm I. von Preußen. – Das Schreiben ist separat ediert in Dok. 75.

  Abschlußfassung der Bundesreformakte  [Anlage No 16.]

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Protocol­ le, fol. 532–543. Metallographie. Der Entwurf liegt in Abschrift vielfach in den Archiven der Einzelstaaten vor und wurde mehrfach in der deutschen Presse veröffentlicht, z. B. in der Extra­ beilage zum Frankfurter Anzeiger Nr. 209 vom 4. September 1863 und der Extrabeilage zu Nr. 455 der Frankfurter Postzeitung vom 5. September 1863; Wiener Zeitung Nr. 206 vom 8. September 1863, S. 643–646; weitere zeitgenössische Drucke: Der Fürsten-Congreß in seinem geschichtlichen Zusammenhange. Nebst der Ansprache Sr. K. K. Apostolischen Majestät und 9 Es fehlen die Unterschriften der Fürsten von Baden, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Schwerin, (Niederlande-) Luxemburg, Waldeck und Reuß j. L., die der Reformakte nicht zustimmten.

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Abschlußfassung der Bundesreformakte

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dem vorgelegten Entwurfe einer Reformakte des Deutschen Bundes, Frankfurt a. M., Verlag der Buchhandlung von A. Bömel, 1863, S. 27–40; Das Staatsarchiv, Bd. 8, S. 179–194; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 4, 1863, S. 69–72. Die Reformakte ist ediert in: Huber (Hrsg.), Dokumente, Bd. 2, S. 142–153 (nach dem Staatsarchiv); Wehner, Die deutschen Mittelstaaten, S. 444–455 (fotomechanischer Nachdruck aus Huber); Kotulla, Deutsches Verfas­ sungsrecht; Brandt u. a. (Hrsg.), Handbuch zur europäischen Verfassungsgeschichte, T. 3: CDROM, Nr. 11.1.2.2.4 (nach dem Staatsarchiv). – Vorlage für die Edition ist die metallographierte Fassung in den offiziellen Protokollen des Fürstentags aus dem HHStA Wien, PA II 101. Die Änderungen beziehen sich vor allem auf die Artikel 3, 5, 8, 9, 11, 14, 16, 20, 27, 28 und 30.

Abschlußfassung der Reformakte des Deutschen Bundes.

Entwurf einer Reformakte des deutschen Bundes Abschnitt I. Allgemeine Verfügungen. Artikel 1. Erweiterung des Bundeszweckes. Die Zwecke des deutschen Bundes sind: Wahrung der Sicherheit und Machtstellung Deutschlands nach Aussen, Wahrung der öffentlichen Ord­ nung im Innern, Förderung der Wohlfahrt der deutschen Nation und Ver­ tretung ihrer gemeinsamen Anliegen, Schutz der Unverletzbarkeit und ver­ fassungsmäßigen Unabhängigkeit der einzelnen deutschen Staaten, Schutz des öffentlichen Rechtszustandes in denselben, Gemeinsamkeit der Gesetz­ gebung im Bereiche der dem Bunde verfassungsmäßig zugewiesenen Ange­ legenheiten, Erleichterung der Einführung allgemeiner deutscher Gesetze und Einrichtungen im Bereiche der gesetzgebenden Gewalt der einzelnen Staaten. Artikel 2. Neue Organe des Bundes. Die Leitung der Bundesangelegenheiten wird von den souveränen Fürsten und freien Städten Deutschlands einem aus ihrer Mitte hervorgehenden Di­ rektorium übertragen. Ein Bundesrath wird aus den Bevollmächtigten der Regierungen gebildet. Eine Versammlung der Bundesabgeordneten wird periodisch einberufen werden. Eine Fürstenversammlung wird periodisch zusammentreten. Ein Bundesgerichtshof wird errichtet.

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Abschnitt II. Direktorium und Bundesrath. Artikel 3. Bildung des Direktoriums. Das Direktorium des deutschen Bundes besteht aus sechs Stimmen 1.) Aus dem Kaiser von Österreich, 2.) Aus dem Könige von Preussen, 3.) Aus dem Könige von Bayern, 4.) Aus den Königen von Sachsen, Hannover und Württemberg in jähr­ lichem Wechsel durch einen aus ihrer Mitte, insofern nicht eine andere ge­ meinschaftliche Vereinbarung unter ihnen eintritt, 5.) Aus einem durch den Großherzog von Baden, den Kurfürsten von ­Hessen, Großherzog von Hessen, den König von Dänemark als Herzog von Holstein und Lauenburg, den König der Niederlande als Großherzog von ­Luxemburg, den Herzog von Braunschweig, die Großherzoge von Mecklen­ burg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz und den Herzog von Nassau zu wählenden Bundesmitgliede. 6.) Aus einem durch den Großherzog von Sachsen-Weimar, den Großher­ zog von Oldenburg, die Herzoge von Sachsen-Meiningen, Sachsen-Alten­ burg, Sachsen-Coburg Gotha und Anhalt, die Fürsten von Schwarzburg-Son­ dershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Liechtenstein, Walde[c]k, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe und Lippe, dem Landgrafen von Hessen-Homburg und die freien Städte Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg zu wählenden Bundesgliede. Die Wahlen unter 5 und 6 geschehen auf drei Jahre und unter Anwendung des im Art. 6 der Bundesakte festgestellten Stimmverhältnisses, insoferne nicht unter den unter 5 genannten Staaten eine andere gemeinschaftliche Ver­ einbarung eintritt. Die Mitglieder des Direktoriums werden sich in der Regel durch Bevoll­ mächtigte am Bundessitze vertreten lassen. Es bleibt ihnen jedoch vorbehal­ ten, sich bei wichtigen Veranlassungen zu vereinigen, um die Befugnisse des Direktoriums in Person auszuüben. Artikel 4. Bildung des Bundesrathes. Der Bundesrath besteht aus den Bevollmächtigten der 17 Stimmen des enge­ ren Rathes der Bundesversammlung. Österreich und Preussen führen im Bun­ desrathe je drei Stimmen, so daß die Zahl der Stimmen sich auf 21 erhöht. Die für das Direktorium ernannten Bevollmächtigten werden in der Regel ihre Regierungen auch im Bundesrathe vertreten.

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Abschlußfassung der Bundesreformakte

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Artikel 5. Vorsitz im Direktorium und im Bundesrathe. Art der Abstimmung. Verhältniß zu den vollmachtgebenden Regierungen. Hülfsbehörden.

Den Vorsitz im Direktorium und im Bundesrathe führt Österreich. Im Falle der Verhinderung des österreichischen Bevollmächtigten geht der Vorsitz auf Preussen über. Mit dem Vorsitze sind keine andern Befugnisse, als die zur formellen Lei­ tung der Geschäfte erforderlichen verbunden. Alle Beschlüsse des Direktoriums werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit wird die Zahl der Bevölkerung (nach der Bun­ desmatrikel) der von jeder Stimme vertretenen Staaten, also 1. Österreichs, 2. Preussens, 3. Bayerns, 4. der drei Königreiche, 5. der im Art. 3 unter 5 ge­ nannten Staaten, 6. der ebendaselbst unter 6 genannten Staaten, nach den sich gegenüberstehenden drei Stimmen zusammengerechnet und solchergestalt die Majorität entschieden. Die Beschlüsse des Bundesrathes werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt, soferne nicht die nachfolgenden Artikel Ausnahmen von diesem Grundsatze anordnen. Die Direktorialbevollmächtigten, sowie die Mitglieder des Bundesrathes sind an die Weisungen ihrer Regierungen gebunden. Doch sind die Regierun­ gen und vorzugsweise die Direktorialhöfe verpflichtet, ihre Bevollmächtigten mit thunlichst ausgedehnten Instruktionen zu versehen, damit der Gang der Bundesgeschäfte durch den Verkehr zwischen den Bevollmächtigten und ih­ ren Vollmachtgebern so wenig wie möglich aufgehalten werde. Die Beziehungen zwischen dem Direktorium und den einzelnen Regierun­ gen werden durch deren Bevollmächtigte im Bundesrathe vermittelt. Die Militär-Commission ist dem Direktorium untergeordnet. Als weitere Hülfsbehörden werden demselben eine Commission für Inneres und Justiz, eine Finanz Commission und eine Commission für Handels und Zollsachen beigegeben. Direktorium und Bundesrath haben ihren Sitz zu Frankfurt a/M. Artikel 6. Allgemeiner Grundsatz betreffend die Befugnisse des Direktoriums und Bundesrathes.

Die vollziehende Gewalt des Bundes wird durch das Direktorium ausgeübt. Das Direktorium kann sich bei Ausübung dieser Gewalt des Beirathes des Bundesrathes bedienen, ist aber an dessen Beschlüsse nur in den Fällen ge­ bunden, für welche die nachfolgenden Artikel dies ausdrücklich vorschrei­ ben.

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In den Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung vertritt das Direktorium die Gesammtheit der Bundesregierungen auf Grund der Beschlüsse des Bun­ desrathes, beziehungsweise der Fürstenversammlung. Artikel 7. Auswärtige Verhältnisse. Die völkerrechtliche Vertretung des Bundes in seiner Eigenschaft als Ge­ sammtmacht steht dem Direktorium zu. Der präsidirende Direktorialbevollmächtigte nimmt die Beglaubigungsund Abberufungsschreiben der fremden diplomatischen Agenten entgegen. Er vermittelt den schriftlichen und mündlichen Verkehr mit denselben auf Grund der Beschlüsse des Direktoriums und in dessen Namen. Das Direktorium hat das Recht zum Zwecke der Unterhandlung über Ge­ genstände der Bundesthätigkeit diplomatische Agenten jedes Ranges bei aus­ wärtigen Staaten zu beglaubigen. Die Beglaubigungs- und AbberufungsSchreiben dieser Agenten, sowie die ihnen zugehenden Instruktionen werden von dem präsidirenden Direktorialbevollmächtigten im Namen und Auftrag des Direktoriums vollzogen. Verträge mit auswärtigen Staaten über Gegenstände der Bundesthätigkeit können von dem Direktorium nur mit Zustimmung der Fürstenversammlung oder wenn diese nicht vereinigt ist, mit Zustimmung des Bundesrathes rati­ fizirt werden. Soferne solche Verträge den Bereich der Bundesgesetzgebung berühren, kann deren Ratifikation nur mit Vorbehalt der Zustimmung der Ver­ sammlung der Bundesabgeordneten erfolgen. Artikel 8. Krieg und Frieden. Dem Direktorium liegt die Sorge für die äußere Sicherheit Deutschlands ob. Bei Gefährdung der Sicherheit des Bundes, insbesondere wenn derselbe oder ein einzelner Theil des Bundesgebietes mit einem feindlichen Angriffe bedroht ist, hat das Direktorium alle durch die Umstände erforderten militäri­ schen Vorsichts- und Vorbereitungsmaßregeln anzuordnen. Es übt zu diesem Zwecke sämmtliche nach der Bundeskriegsverfassung dem Bunde zustehende Befugnisse aus. Insbesondere kommt es ihm zu, die Kriegsbereitschaft und Mobilmachung des Bundesheeres oder einzelner Con­ tingente desselben zu beschließen, für die rechtzeitige Instandsetzung der Bundesfestungen zu sorgen, den Bundesfeldherrn zu ernennen, die Bildung des Hauptquartiers und der Heeresabtheilungen zu veranlassen, eine eigene Kriegskasse des Bundes zu errichten. Zu einer förmlichen Kriegserklärung des Bundes ist ein im Bundesrathe mit zwei Drittheilen der Stimmen gefaßter Beschluß erforderlich.

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Ergibt sich die Gefahr eines Krieges zwischen einem Bundesstaate, ­ elcher zugleich außerhalb des Bundesgebietes Besitzungen hat, und ei­ w ner  auswärtigen Macht, so hat das Direktorium den Beschluß des Bundes­ rathes darüber, ob der Bund sich am Kriege betheiligen wolle, zu veran­ lassen. Die Entscheidung hierüber erfolgt ebenfalls mit zwei Drittheilen der Stimmen. Wird das Bundesgebiet durch feindliche Streitkräfte angegriffen, so tritt der Stand des Bundeskrieges von selbst ein. Das Direktorium hat das Recht, Friedensunterhandlungen einzuleiten und zu diesem Zwecke eigene Bevollmächtigte zu ernennen und mit Instruktionen zu versehen. Es hat jedoch über die Bedingungen des Friedens die Ansicht des Bundesrathes zu vernehmen. Die Annahme und Bestätigung des Frie­ densvertrages kann nur auf Grund eines mit einer Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen gefaßten Beschlusses des Bundesrathes geschehen. In dem Falle des Art. 45 der Wiener Schlußakte hat das Direktorium die zur Behauptung der Neutralität des Bundes erforderlichen Maßregeln zu be­ schließen. In Bezug auf Streitigkeiten einzelner deutscher Staaten mit auswärtigen Staaten hat das Direktorium die durch die Art. 36 und 37 der Wiener Schluß­ akte der Bundesversammlung zugewiesenen Befugnisse auszuüben. Artikel 9. Innere Sicherheit.

Die Sorge für die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und der Gesetz­ lichkeit in den einzelnen Bundesstaaten liegt zunächst den betreffenden Re­ gierungen ob. Das Direktorium hat jedoch auch seinerseits darüber zu wachen, daß der innere Friede Deutschlands nicht gefährdet werde. Treten Fälle von Ruhestö­ rungen ein, so hat das Direktorium diejenigen Befugnisse auszuüben, welche die Art. 25 bis 28 der Wiener Schlußakte der Bundesversammlung zuweisen. Artikel 10. Friede und Eintracht zwischen den Bundesgliedern.

Das Direktorium hat für die Erhaltung des Friedens und der Eintracht unter den Bundesgliedern Sorge zu tragen. Selbsthilfe zwischen Bundesgliedern ist untersagt, und jedem Versuche zu einer solchen hat das Direktorium Einhalt zu thun. Bei Streitigkeiten aller Art zwischen Bundesstaaten hat es seine Vermitt­ lung eintreten zu lassen, und, falls der Vergleichsversuch erfolglos ist, die Verweisung an das Bundesgericht zu beschließen.

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Artikel 11. Bundesgesetzgebung. Das Direktorium übt auf Grund der Beschlüsse des Bundesrathes Namens der deutschen Regierungen das Recht des Vorschlages in Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung aus (Art. 20). In gleicher Weise steht demselben die Initiative auch in denjenigen Angele­ genheiten zu, in welchen die Erlassung eines gemeinsamen Gesetzes oder die Gründung einer gemeinsamen Einrichtung von der freien Zustimmung der einzelnen Staaten abhängt, die Wirksamkeit des Bundes gegenüber diesen letzteren sich somit nur als eine vermittelnde darstellt (Art. 21). Der Bundesrath hat in beiden Fällen die in die Versammlung der Bundes­ abgeordneten einzubringenden Vorlagen vorzubereiten. Gesetzesvorschläge, welche eine Abänderung der Bundesverfassung oder einen Zusatz zu derselben enthalten, oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes einen neuen seither der Gesetzgebung der Einzelstaaten angehörigen Gegenstand überweisen, können im Bundesrathe nur mit Einhelligkeit sämmtlicher 21 Stimmen genehmigt werden. Vorschläge, durch welche einzelnen Bundesgliedern besondere, nicht in den gemeinsamen Verpflichtungen Aller begriffene Leistungen oder Verwilli­ gungen für den Bund angesonnen werden, bedürfen der freien Zustimmung aller betheiligten Regierungen. Über Religionsangelegenheiten findet kein Beschluß anders als mit allseiti­ ger freier Zustimmung statt. Artikel 12. Bundes-Executive. Das Direktorium hat dafür zu sorgen, daß die Bundesgesetze, die Bundesbe­ schlüße, die Erkenntnisse des Bundesgerichtes, die am Bunde vermittelten Vergleiche, die vom Bunde übernommenen Garantien durch die betheiligten Regierungen vollzogen werden. Ergeben sich hiebei Hindernisse irgend einer Art, so steht es dem Direkto­ rium zu, das Geschäft der Vollziehung unmittelbar von Bundeswegen in die Hand zu nehmen. Es kann zu diesem Zwecke Kommissäre ernennen und den­ selben, wenn nöthig, eine angemessene Truppenzahl zur Verfügung stellen. Artikel 13. Militär-Angelegenheiten. Dem Direktorium liegt die Handhabung der Kriegsverfassung des deutschen Bundes ob. Es führt die durch diese Verfassung dem Bunde in Bezug auf das Bundesheer, die Bundesfestungen und die Küstenvertheidigung überwiesenen

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Geschäfte. Es hat sich der genauen und vollständigen Erfüllung der militäri­ schen Bundesverpflichtungen in allen Bundesstaaten zu versichern, auch auf zweckmäßige Übereinstimmung in der Organisation des Bundesheeres hinzu­ wirken. Es hat sein Augenmerk unausgesetzt dahin zu richten, daß das Heer­ wesen des Bundes ohne unnöthige Belastung der Bevölkerungen im Frieden gekräftigt, vervollkommnet und in einem allen Anforderungen an die Wehr­ kraft Deutschlands entsprechenden Stande erhalten werde. Werden zu diesem Zwecke neue gesetzliche Bestimmungen, organische Vorschriften oder Änderungen der Bundeskriegsverfassung erforderlich, so hat das Direktorium dieselben im Bundesrathe in Anregung zu bringen. Bedarf das Direktorium in den Fällen der Art. 9, 10 und 12 der unmittel­ baren Verfügung über militärische Mittel, so hat es die Stellung der für den jedesmaligen Zweck am meisten geeigneten Truppenkörper zum Bundesdien­ ste zu beschließen. Ist der Zweck dieser Maßregel erreicht, so hat die Verwendung zum Bun­ desdienste wieder aufzuhören. Die Kosten der Verwendung von Truppen im Bundesdienste hat der Bund, vorbehältlich aller gesetzlich begründeten Ersatzverbindlichkeiten vorschuß­ weise zu bestreiten. Die im Bundesdienste stehenden Truppen tragen die Abzeichen des Bun­ des. Während gemeinsamer Übungen, überhaupt während jeder Vereinigung der Contingente mehrerer Bundesstaaten werden gleichfalls diese Abzeichen getragen. Artikel 14. Bundesfinanzen. Das Direktorium läßt die aus den Matrikularbeiträgen der einzelnen Staaten gebildete Bundeskasse verwalten. Es läßt von drei zu drei Jahren nach eingeholter Zustimmung des Bundes­ rathes den Voranschlag der ordentlichen und ausserordentlichen Bundesaus­ lagen aufstellen und der Versammlung der Bundesabgeordneten zur Geneh­ migung vorlegen. Es läßt die von der Versammlung der Bundesabgeordneten genehmigten Matrikularumlagen ausschreiben. Kommt in Betreff des Voranschlags eine Einigung mit der Versammlung der Bundesabgeordneten nicht zu Stande, so ist bis zu einer Verständigung der Voranschlag der vorhergehenden Periode maßgebend, insoferne die darin enthaltenen Ausgaben nicht ausdrücklich nur für einen vorübergehenden be­ reits erreichten Zweck bestimmt sind.

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Zur Deckung unvorhergesehener Bundesausgaben kann das Direktorium mit Genehmigung des Bundesrathes und der Versammlung der Bundesabge­ ordneten, oder, wenn letztere nicht vereinigt ist, unter Vorbehalt der Rechtfer­ tigung vor derselben außerordentliche Matrikularumlagen ausschreiben. Es läßt den Rechenschaftsbericht über die abgelaufene dreijährige Periode des Bundeshaushaltes der Versammlung der Bundesabgeordneten vorlegen. Artikel 15. Verhaeltniß zur Versammlung der Bundes Abgeordneten. Dem Direktorium steht die Einberufung, Eröffnung, Vertagung, Auflösung, Schließung der Versammlung der Bundesabgeordneten zu. Zur Einberufung ausserordentlicher Sitzungen derselben bedarf dasselbe jedoch der Zustimmung des Bundesrathes. Das Direktorium hat vor der Versammlung der Abgeordneten die Ge­ sammtheit der Bundesregierungen zu vertreten, insbesondere wird es die vom Bundesrathe genehmigten Gesetzesentwürfe und sonstigen Vorlagen einbrin­ gen und für die darüber in der Abgeordnetenversammlung zu eröffnende Ver­ handlung geeigneten Falles Commissäre ernennen. Es ist berechtigt, der Ver­ sammlung der Abgeordneten Mittheilungen über allgemeine Bundesangele­ genheiten zugehen zu lassen, und dessen Ansicht darüber einzuholen. Nach dem Schlusse der Session der Abgeordneten-Versammlung wird es die Ergebniße der Verhandlungen desselben der Schlußfassung der Fürsten­ versammlung unterziehen oder falls eine solche ausnahmsweise nicht stattfin­ den sollte, die Schlußfassung im Bundesrathe veranlassen. Abschnitt III. Die Versammlung der Bundesabgeordneten. Artikel 16. Zusammensetzung der Versammlung. Die Versammlung der Bundesabgeordneten geht durch Delegation aus den Vertretungskörpern der einzelnen deutschen Staaten hervor. Sie besteht aus 302 von diesen Körpern gewählten Mitgliedern. Österreich entsendet zum Bunde 75 vom Reichsrathe aus der Zahl seiner den deutschen Bundesländern angehörigen Mitglieder oder aus den Mitglie­ dern der Landtage des Bundesgebiethes gewählte Abgeordnete. Preussen entsendet 75 Abgeordnete aus der Zahl der Vertreter der deut­ schen Bundeslande im preuss. Landtage. Bayern entsendet 27 Abgeordnete; Sachsen, Hannover, Württemberg ent­ senden je 15, Baden 12, Kurhessen 9, Gßherzth. Hessen 9, Holstein u. Lauen­ burg 5, Luxemburg und Limburg 4, Braunschweig 3, Mecklenburg-Schwerin

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und Mecklenburg-Strelitz zusammen 6, Nassau 4, Sachsen-Weimar 3, Sach­ sen Meiningen, Sachsen Altenburg u. Sachsen-Coburg Gotha je 2, Oldenburg 3, Anhalt 2, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Liech­ tenstein, Waldec[k], Reuß ä. Linie und Reuß j. Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Hessen-Homburg je 1, die freien Städte Lübeck, Frankfurt, Bremen je 1, Hamburg 2 Abgeordnete und zwar alle diese Staaten aus der Mitte ihrer Vertretungskörper. In denjenigen Staaten, in welchen das Zweikammersystem besteht, wählt die erste Kammer Ein Drittheil, die zweite Kammer zwei Drittheile der Bun­ desabgeordneten. Wo die Abgeordnetenzahl nicht durch 3 theilbar ist, wird die betreffende Regierung bestimmen, wie die Zahl der Vertreter unter beide Kammern zu vertheilen sei. Artikel 17. Nähere Bestimmungen über die Art der Bildung der Versammlung. Die Wahl der Bundesabgeordneten erfolgt in jedem Staate sogleich nach dem Zusammentritte der betreffenden Landesvertretung. Sie erfolgt für die Dauer des Mandats der wählenden Körperschaft, bleibt jedoch nach Ablauf dieses Mandats oder nach Auflösung der wählenden Körperschaft bis zur erfolgten Neuwahl der nächstfolgenden Versammlung wirksam. Die persönliche Fähigkeit zur Mitgliedschaft der wählenden Körperschaft entscheidet zugleich über die persönliche Fähigkeit zur Mitgliedschaft der Versammlung der Bundesabgeordneten. Für je 3 Bundesabgeordnete wird ein Ersatzmann gewählt. Diejenigen Wahlkörperschaften, die weniger als drei Bundesabgeordnete zu ernennen ha­ ben, wählen je einen Ersatzmann. Die Landesvertretungen der Einzelstaaten können ihre Abgeordneten zum Bunde nicht an Instruktionen binden. Die Bundesabgeordneten beziehen gleichmässige Taggelder und Reiseent­ schädigungen aus der Bundeskasse. Artikel 18. Einberufung, Vertagung, Auflösung der Versammlung. Die Versammlung der Bundesabgeordneten wird regelmässig in jedem dritten Jahre im Monat Mai nach Frankfurt a/M einberufen. Sie kann vom Direktori­ um mit Zustimmung des Bundesrathes jederzeit zu einer ausserordentlichen Sitzung einberufen werden. Eine Vertagung der Versammlung kann vom Direktorium höchstens für eine Zeit von zwei Monaten ausgesprochen werden. Durch eigenen Beschluß kann sich die Versammlung höchstens auf 8 Tage vertagen. Im Falle einer Auflösung der Versammlung wird das Direktorium unverzüglich die Bundes­

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regierungen auffordern, die Neuwahlen so bald als thunlich vornehmen zu lassen. Sobald die Neuwahlen erfolgt sind, wird das Direktorium zur Wieder­ einberufung der Versammlung schreiten. Die Regierungen werden in der Regel dafür sorgen, daß die Ständekam­ mern der einzelnen Staaten nicht gleichzeitig mit der Versammlung der Bun­ desabgeordneten tagen. Artikel 19. Innere Einrichtung der Versammlung.

Die Versammlung der Bundesabgeordneten wählt ihren Präsidenten, ihre Vi­ cepräsidenten und Schriftführer. Die Sitzungen der Versammlung sind öffentlich. Die Geschäftsordnung wird bestimmen, unter welchen Bedingungen vertrauliche Sitzungen stattfin­ den können. Die Versammlung prüft die Vollmachten ihrer Mitglieder und entscheidet über die Zulassung derselben. Zur Beschlußfähigkeit der Versammlung ist die Anwesenheit von wenig­ stens zwei Drittheilen der Mitglieder erforderlich. Die Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt, soferne nicht die nachfolgenden Artikel Ausnahmen von diesem Grundsatze anordnen. Die Versammlung wird mit Genehmigung des Direktoriums ihre Ge­ schäftsordnung feststellen. Artikel 20. Beschließende Befugniß der Versammlung.

Der Versammlung der Bundesabgeordneten steht das Recht beschließender Mitwirkung zur Ausübung der gesetzgebenden Gewalt des deutschen Bundes zu. Die gesetzgebende Gewalt des Bundes erstreckt sich: 1. Auf Abänderungen der Bundesverfassung und Zusätze zu derselben, 2. Auf den Bundeshaushalt, 3. auf Feststellung allgemeiner Grundzüge für die Gesetzgebung der Einzel­ staaten über die Angelegenheiten der Presse und der Vereine, über literarisches und künstlerisches Eigenthumsrecht, über Heimatrecht, Ansässigmachung und allgemeines deutsches Bürgerrecht, über gegenseitige ­Vollstreckung rechts­ kräftiger Erkenntnisse, über Auswanderungen, sowie über diejenigen Gegen­ stände von gemeinsamem Interesse, deren allgemeine Regelung etwa künftig der gesetzgebenden Gewalt des Bundes durch verfassungsmässige Beschlüsse des Direktoriums (Art. 11) und der Abgeordnetenversammlung würde übertra­ gen werden.

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Gesetzesvorschläge, welche eine Abänderung der Bundesverfassung oder einen Zusatz zu derselben enthalten, oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes einen neuen seither der Gesetzgebung der Einzelstaaten angehörigen Gegenstand überweisen, können in der Versammlung der Bundesabgeordne­ ten nur mit einer Mehrheit von wenigstens drei Viertheilen der Stimmen an­ genommen werden. Wie das Direktorium, so besitzt auch die Abgeordnetenversammlung das Recht, Bundesgesetze in Vorschlag zu bringen. Betreffen solche Vorschläge eine Abänderung der Bundesverfassung oder einen Zusatz zu derselben oder die Überweisung eines neuen seither der Ge­ setzgebung der Einzelstaaten angehörigen Gegenstandes an die gesetzgeben­ de Gewalt des Bundes, so können sie von der Abgeordnetenversammlung nur mit einer Mehrheit von wenigstens drei Viertheilen der Stimmen beschlossen werden. Artikel 21. Berathende und vermittelnde Befugniß der Versammlung. Die Versammlung der Bundesabgeordneten ist gleich dem Direktorium be­ rechtigt, in Angelegenheiten, welche dem Bereiche der gesetzgebenden Ge­ walt des Bundes nicht zugewiesen sind, die Einführung gemeinsamer Gesetze oder Einrichtungen auf dem Wege freier Vereinbarung in Antrag zu bringen. Um in den einzelnen Staaten zur Ausführung gelangen zu können, bedür­ fen jedoch die in Angelegenheiten solcher Art von der Abgeordnetenver­ sammlung gefaßten Beschlüsse der Zustimmung der betreffenden Regierun­ gen und Vertretungen (Art. 25). Artikel 22. Recht der Vorstellung und der Beschwerde. In allen Angelegenheiten des Bundes steht der Versammlung der Bundesab­ geordneten das Recht der Vorstellung und der Beschwerde zu. Abschnitt IV. Die Fürstenversammlung. Artikel 23. Einrichtung der Fürstenversammlung. In der Regel wird nach dem Schlusse der ordentlichen oder ausserordentli­ chen Sitzungen der Versammlung der Bundesabgeordneten eine Versamm­ lung der souveränen Fürsten und der obersten Magistrate der freien Städte Deutschlands sich vereinigen. Der Kaiser von Österreich und der König von Preussen gemeinschaftlich erlassen die Einladungen zur Fürstenversammlung.

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Die nicht persönlich erscheinenden Souveräne können sich durch einen Prinzen ihres oder eines anderen regierenden deutschen Hauses als Alter ego vertreten lassen.10 Artikel 24. Stimmordnung. Die Verhandlungen der Fürstenversammlung tragen den Charakter freier Be­ rathung und Verständigung zwischen unabhängigen und gleichberechtigten Souveränen an sich. Deutschlands Fürsten und freie Städte sind jedoch über­ eingekommen, die für die Beschlüsse des Bundesrathes geltende Stimmord­ nung in der Art auch unter sich in Anwendung zu bringen, daß ein Beschluß der Fürstenversammlung nicht aufgehalten werden kann, wenn die bejahen­ den Stimmen das im Bundesrathe je nach der Natur des Gegenstandes vorge­ schriebene Stimmverhältniß erreichen. Artikel 25. Gegenstaende der Beschlüsse der Fürstenversammlung. Die Fürstenversammlung nimmt die ihr durch das Direktorium unterlegten Ergebnisse der Verhandlungen der Abgeordnetenversammlung in Erwägung. Sie faßt die endgültigen Beschlüsse über diejenigen Anträge der Versamm­ lung der Bundesabgeordneten, welche nicht der Zustimmung der Vertretungs­ körper in den einzelnen Staaten bedürfen. Sie läßt die mit ihrer Sanktion versehenen Bundesgesetze sowohl durch das Direktorium als in den einzelnen Staaten verkündigen. Sie pflegt Berathung wegen thunlichster Förderung der Ausführung über diejenigen Anträge der Versammlung der Bundesabgeordneten, über welche der endgültige Beschluß den verfassungsmässigen Gewalten der einzelnen Staaten zusteht (Art. 11 und 21). Sie prüft die Vorstellungen und Beschwerden der Versammlung der Abge­ ordneten in allgemeinen Bundesangelegenheiten und läßt dem Direktorium die betreffenden Entschließungen zugehen. Sie kann alle für das Gesammtvaterland wichtige Angelegenheiten in den Kreis ihrer Berathung ziehen. Über folgende Gegenstände: Aufnahme neuer Mitglieder in den Bund, Änderung des Stimmverhältnisses im Bunde bei verändertem Besitzstande der Bundesglieder, – steht die Schlußfassung ausschließlich der Fürstenversammlung zu. 10 Folgende, im ursprünglichen Entwurf enthaltene Bestimmung, wurde fallengelassen: „Zwei Vertretern der deutschen Standesherren wird in der Fürstenversammlung ein Antheil an einer Curiatstimme (anstatt des erloschenen Antheils der beiden Hohenzollern) zugestanden.“

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Abschnitt V. Das Bundesgericht. Artikel 26. Doppelte Eigenschaft des Bundesgerichtes. Das Bundesgericht entscheidet im Namen des deutschen Bundes theils in richterlicher, theils in schiedsrichterlicher Eigenschaft. Artikel 27. Richterliche Wirksamkeit des Bundesgerichtes.

Revision vorbehalten

Das Bundesgericht in seiner richterlichen Eigenschaft kann angerufen wer­ den: 1. Von Bundesregierungen oder von Privatpersonen gegen den deutschen Bund, wenn erstere gegen Letzteren Ansprüche aus privatrechtlichen Ti­ teln erheben, und ein besonderer Gerichtsstand hierwegen nicht begründet ist; 2. Von Privatpersonen gegen mehrere Bundesglieder, wenn bestritten ist, welche der letzteren eine Forderung der ersteren zu befriedigen habe; 3. Von Privatpersonen gegen die Civilliste oder den Staatsfiskus ª eines einzelnen Bundesstaates, wenn wegen der behaupteten auf ∆ privatrechtlichen Titeln beruhenden Forderung in der Verfassung ¬ ­ ∆ oder Gesetzgebung des betreffenden Staates kein Gerichtsstand º ­begründet ist. 4. Von Privatpersonen behufs der Eröffnung des Rechtsweges gegen eine einzelne Bundesregierung, wenn erstere auf Grund der Verfassung und der bestehenden Gesetze des Landes und nach Erschöpfung der landesgesetz­ lichen Mittel der Abhülfe, über Verweigerung oder Hemmung der Rechtspfle­ ge Beschwerde führen; 5. Von Bundesregierungen gegen andere Bundesregierungen, wenn der kla­ gende Theil Befriedigung einer Geldforderung oder Erfüllung eines privat­ rechtliche Leistungen betreffenden Vertrages oder Schadloshaltung wegen Nichterfüllung eines solchen Vertrages verlangt, – 6. In denjenigen Fällen, für welche dem Bundesgerichte, mit Zustimmung des Direktoriums und des Bundesrathes, durch die Verfassung oder Gesetzge­ bung eines Einzelstaates eine richterliche Gewalt besonders übertragen wer­ den sollte; endlich tritt 7. in Fällen, wo es sich zwischen zwei oder mehreren Mitglie­ dern des Bundes um den vorläufigen Schutz des jüngsten Besitzstandes han­ delt, das Bundesgericht an die Stelle des nach Art. 20 der Wiener Schlußakte zu bezeichnenden obersten Gerichtshofs.

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Revision vorbe­ halten

Artikel 28. Schiedsrichterliche Wirksamkeit des Bundesgerichtes. Der schiedsrichterlichen Entscheidung des Bundesgerichtes werden vom ­Direktorium nach vergeblich versuchter Vermittlung, auf Verlangen des einen oder des anderen der streitenden Theile überwiesen: 1. Alle nicht zu der im Artikel 27 unter 5 erwähnten Kategorie gehörigen Streitigkeiten zwischen Mitgliedern des Bundes; 2. Streitigkeiten zwischen Mitgliedern regierender deutscher ­Familien über Thronfolge, Regentschaft, Regierungsfähigkeit, Vor­ ª ∆ mundschaft, sowie über Ansprüche an das Hausfideikommiß, in­ ¬ soferne nicht über das Verfahren in dergleichen Streitigkeiten und ∆ ­deren Entscheidung durch die Verfassung des betreffenden Landes, º Hausgesetze oder Verträge besondere Bestimmung getroffen ist. 3. Streitigkeiten zwischen der Regierung eines Bundesstaates und einzel­ nen Berechtigten, Corporationen oder ganzen Klassen, wenn dieselben wegen Verletzung der ihnen durch die Bundesverfassung (Art. 13­–18 der BAkte) ge­ währleisteten Rechte Klage führen, soweit das betreffende Rechtsverhältniß nicht vor dem 1. Januar 1863 durch Bundesbeschluß oder durch die einschlä­ gige Landesgesetzgebung geregelt ist. 4. Streitigkeiten zwischen der Regierung und der Landesvertretung eines Bundesstaates über Auslegung oder Anwendung der Landesverfassung, sofer­ ne zur Austragung solcher Streitigkeiten nicht schon anderweitig Mittel und Wege gesetzlich vorgeschrieben sind, oder dieselben nicht zur Anwendung gebracht werden können. Artikel 29. Sonstige Aufgaben des Bundesgerichtes. Damit in der Anwendung gemeinsamer deutscher Gesetze über Civil- oder Strafrecht die möglichste Gleichartigkeit bestehe, ist das Bundesgericht berufen, in Fällen, wo sich bezüglich dieser Anwendung in der Rechtsprechung der ober­ sten Gerichtshöfe der Bundesstaaten Verschiedenheiten ergeben, das Direkto­ rium, behufs der weiter erforderlichen Veranlassung, auf das Bedürfniß einer authentischen Auslegung oder gesetzlichen Regelung aufmerksam zu machen. Das Bundesgericht hat dem Direktorium auf Erfordern rechtliche Gutach­ ten zu erstatten, insoferne es sich nicht um Fälle handelt, in welchen das Bun­ desgericht demnächst selbst zuständig werden kann. Artikel 30. Besondere Bestimmungen. Wo keine besondern Entscheidungsnormen vorhanden sind, hat das Bundes­ gericht nach den in Rechtsstreitigkeiten derselben Art vormals von den

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Reichsgerichten subsidarisch befolgten Rechtsquellen, insoferne solche auf die jetzigen Verhältnisse der Bundesglieder und auf die Streitsachen selbst noch anwendbar sind, zu erkennen. Streitigkeiten oder Beschwerden, welche bereits vor Errichtung des Bun­ desgerichtes durch einen Bundesbeschluß endgültig erledigt worden sind, können nicht von Neuem vor dem Bundesgerichte angebracht werden. Gegenwärtig in anerkannter Wirksamkeit stehende Verfassungen können durch Klagführung bei dem Bundesgerichte nicht angefochten werden. Artikel 31. Zusammensetzung des Bundesgerichtes. Das Bundesgericht besteht aus einem Präsidenten, zwei Vicepräsidenten und zwölf ordentlichen Beisitzern. Für die schiedsrichterliche Entscheidung in Streitfällen zwischen Regierung und Ständen eines Bundesstaates (Art. 28 unter 4) wird das Bundesgericht durch zwölf außerordentliche Beisitzer ver­ stärkt. Zwölf ordentliche Mitglieder des Bundesgerichtes werden von den Regie­ rungen aus den Mitgliedern der obersten Gerichtshöfe ernannt. Österreich und Preussen ernennen je zwei, Bayern einen, die folgenden 14 Stimmen des Bundesrathes in einem der Reihenfolge der Stimmordnung entsprechenden Wechsel sieben ordentliche Beisitzer. Drei ordentliche Beisitzer des Bundesgerichtes ernennt das Direktorium mit Zustimmung des Bundesrathes aus der Zahl der ordentlichen öffentlichen Rechtslehrer an den deutschen Hochschulen. Das Direktorium ernennt ferner mit Zustimmung des Bundesrathes aus der Mitte der fünfzehn ordentlichen Mitglieder des Bundesgerichtes den Präsi­ denten und die beiden Vicepräsidenten. Alle diese Ernennungen erfolgen auf Lebensdauer. Die 12 ausserordentlichen Mitglieder des Bundesgerichtes werden von den Regierungen auf Vorschlag und aus der Mitte der Ständeversammlungen auf 12 Jahre ernannt. Diese Ernennungen geschehen durch dieselben Regierun­ gen, beziehentlich in derselben Reihenfolge, wie die Ernennungen der ordent­ lichen Beisitzer. Wo zwei Kammern Einen Bundesrichter zu bezeichnen haben, wechselt in Ermanglung eines Einverständnisses das Recht des Vorschlages zwischen denselben, wobei das Loos den Anfang zu bestimmen hat. Sollte sich demnächst das Bedürfniß einer Vermehrung der Mitgliederzahl des Bundesgerichtes herausstellen, so kann das Direktorium, mit Zustimmung des Bundesrathes, eine solche Vermehrung beschließen. Die Zahl der ausser­ ordentlichen Beisitzer muß alsdann im gleichen Verhältnisse wie die der or­ dentlichen erhöht werden.

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Das Bundesgericht hat seinen Sitz zu Frankfurt a/M. Die ordentlichen Mit­ glieder müssen am Sitze des Bundesgerichtes wohnen. Die Kanzleibeamten des Bundesgerichtes werden auf dessen Vorschlag vom Direktorium ernannt. Die Aufstellung einer Bundesanwaltschaft bleibt vorbehalten. Artikel 32. Grundzüge der Verfassung des Bundesgerichtes. Das Bundesgericht wird in mehrere Senate eingetheilt werden, damit eine zweckmässige Vertheilung der Geschäfte in Senats- und in Plenar-Sitzungen stattfinde u. in den zur richterlichen Entscheidung des Bundesgerichtes gehö­ rigen Fällen (Art. 27) ein Instanzenzug hergestellt werde. Die schiedsrichterlichen Entscheidungen des Bundesgerichtes (Art. 28) er­ folgen in ordentlicher und, wenn sie Streitigkeiten zwischen Regierungen und Ständen eines Bundesstaates betreffen, in ausserordentlicher Plenarsitzung, zu welcher letzteren der Präsident die sämmtlichen ordentlichen und ausser­ ordentlichen Beisitzer einberuft. Die in den gesetzlichen Formen gefällten Schiedssprüche unterliegen kei­ ner weiteren Berufung u. sind sofort vollziehbar. Artikel 33. Unabhängige Stellung des Bundesgerichtes. Die ordentlichen Mitglieder des Bundesgerichts werden für den Bund in Eid und Pflicht genommen und vom Bunde aus der Matrikularkasse besoldet. Sie können nach ihrer Ernennung weder Geldbezüge, noch Ehrenauszeichnungen von einem einzelnen Bundesgliede erhalten. Gegen ihren Willen können sie nur durch einen Spruch des Bundesgerichtes selbst von ihrem Amte entlassen werden. Nach erreichtem 70. Lebensjahre kann das Direktorium sie mit vol­ lem Gehalte in den Ruhestand versetzen. Die ausserordentlichen Mitglieder des Bundesgerichtes, zur Ausübung ih­ res Amtes einberufen, werden gleichfalls für den Bund in Eid und Pflicht ge­ nommen u. erhalten vom Bunde Reiseentschädigungen u. Funktionsgebühren aus der Matrikularkasse. Ein Reglement wird die betreffenden Gehalte u. Gebühren feststellen. Artikel 34. Bundesgerichts Statut. Die näheren Bestimmungen über die Verfassung des Bundesgerichtes sowie über das Verfahren vor demselben werden durch ein Statut getroffen werden, welches das Bundesgericht zu entwerfen und dem Direktorium zur weiteren Veranlassung vorzulegen haben wird.

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Erklärung Badens

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Artikel 35. Wegfall der früheren gerichtlichen Bundeseinrichtungen. Mit Einführung des Bundesgerichtes kommen die seitherigen Bestimmungen über Austrägalinstanz, beziehentlich das Bundesschiedsgericht, auch die Competenz der Bundesversammlung in den im Art. 29 der Wiener Schlußak­ te bezeichneten Fällen und der Bundesbeschluß vom 15. September 1842 in Wegfall. Dagegen bewendet es auch fernerhin bei Art. 24 der Schlußakte.11 Schlußbestimmung. Artikel 36. Die bestehenden Bundesgesetze behalten ihre Kraft und Gültigkeit, soweit sie nicht durch die vorstehenden Bestimmungen abgeändert werden. [Anlage] No 16[a].

HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 547. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 178.

Baden Erklärung. Ich habe zu dem Zusatz-Antrag des Herzogs von Coburg zu dem Oldenburgi­ schen Antrag zu Art. 14 erklärt, daß Ich genannten Zusatz zwar für eine Ver­ besserung erachte, Mich aber doch auf Meine frühere Erklärung zu Art. 14 berufen müsse.   Erklärung Badens  [Anlage] No 17. HHStA Wien, PA II 101. Deutscher Bund. Fürstenkongreß in Frankfurt 1863. Original-Proto­ colle, fol. 549. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 179.

Baden. Erklärung. Zu Artikel 3 wiederhole Ich Meine frühere zu diesem Artikel gegebene Ab­ stimmung, welche lautet: „Ich kann mich dem Antrag des Herzogs von Nassau nur unter der Voraus­ setzung anschließen, daß die berechtigten und in der hohen Versammlung vielfach anerkannten Ansprüche des Großherzogthums Baden bei Feststel­ lung des Stimmenverhältnisses in der Staatengemeinschaft genannten Antrags in einer Weise berücksichtigt werden, welche der Größe und Bedeutung des Landes entspricht. In so ferne solche Berücksichtigung noch möglich ist, wenn eine endgültige Feststellung der neuen Bundesverfassung erfolgt, so 11 Siehe oben S. 255 f., Anm. 5.

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behalte ich mir vor, auf die hier geltend gemachten Ansprüche dann zurück­ zukommen. Im Uebrigen beziehe ich mich auf meine zu Art. 3 zu Protocoll gegebene Erklärung.“   Die Fürsten und freien Städte an König Wilhelm I. 

75. Die deutschen Fürsten und Bürgermeister der freien Städte an König Wilhelm I. von Preußen

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/76, fol. 13–15. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Veröffentlicht u. a. in: Frankfurter Postzeitung Nr. 454 v. 4. September 1863. Druck: ­Staatsarchiv, Bd. 8, S. 177 f.; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 4, 1863, S. 75 f.; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 755 f.; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 134.

Die Fürsten und Bürgermeister übersenden die in Frankfurt beschlossene Reformakte des Deutschen Bundes und appellieren an den preußischen König, sich dem Ziel „einer heilsamen Reform“ der Bundesverfassung anzuschließen.

Frankfurt am Main, 1. September 1863 Allerdurchlauchtigster, Großmächtiger Fürst! Angesichts des Schreibens, mittelst dessen Eure Majestät unter dem 20ten v. M.1 die Einladung haben beantworten wollen, welche Wir, die in Frankfurt a/M versammelten deutschen Fürsten und Vertreter der freien Städte, an Eure Majestät zu richten Uns gedrungen gefühlt haben, können Wir nach Beendi­ gung Unserer Berathungen Uns nicht trennen, ohne Eure[r] Majestät noch­ mals Unser innigstes Bedauern darüber auszudrücken, daß Wir Allerhöchst Ihre persönliche Mitwirkung zu dem unternommenen großen Werke entbeh­ ren mußten. Gerne schöpfen Wir jedoch aus Euer Majestät Versicherung, daß Aller­ höchstdieselben jede Mittheilung, die Ihre Bundesgenossen an Sie werden gelangen lassen, mit der von Euer Majestät jederzeit der Entwickelung der gemeinsamen vaterländischen Interessen gewidmeten Bereitwilligkeit und Sorgfalt in Erwägung ziehen würden, die für Uns Alle so kostbare Hoffnung auf eine endliche allgemeine Verständigung. Aus Unseren Berathungen ist der dem gegenwärtigen Schreiben beigefügte Entwurf einer Reformacte des deutschen Bundes hervorgangen.2 Von deutscher Eintracht und opferwilliger Gesinnung sämmtlich beseelt, sind Wir unter Uns über denselben vollkommen einig geworden und werden es als ein hohes Glück für Uns Alle und für Unsere Völker betrachten, wenn 1 Siehe Dok. 54. 2 Siehe Dok. 74, Anlage 16.

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Karl Alexander an König Wilhelm I.

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nunmehr in der Brust Eurer Majestät, Unseres mächtigen und wohlgesinnten Bundesgenossen, Entschließungen reifen werden, durch welche Deutschland, Dank dem Einverständnisse seiner Fürsten, auf der bundesgesetzlichen Grundlage an das Ziel einer heilsamen Reform seiner Verfassung gelangen wird. Auch bei diesem abermaligen wichtigen Anlasse erneuern Wir den Aus­ druck der bundesfreundlichen Gesinnungen, von welchen Wir für Euer Maje­ stät beseelt sind. Franz Joseph Johann Georg

Max Karl, Kronprinz v. Württemberg Friedrich Wilhelm Kurfürst von Hessen Ludwig Großherzog von Hessen

Friedrich W[ilhelm] G[roß]h[erzog] v. M[ecklenburg-Strelitz] Peter, Großherzog von Olden­ Bernhard H[erzog] z. S[achsen-­ burg Meiningen] Ernst [von Sachsen-­Coburg und Gotha]. Wilhelm H[erzog] v. Braunschweig Adolph H[erzo]g [zu] Nassau In Vertretung: Friedrich Erbprinz zu Anhalt. F. Günther F[ürst] z. Schwarzburg Günther Fürst zu Schwarzburg R[udolstadt] Sondershausen. Heinrich LXVII Fürst Reuß j. L. Johann Fürst zu Liechtenstein Adolph Georg F[ürst] z. S[chaumburg] L[ippe] Roeck Bürgermeister d. fr. Stadt Lübeck Dr. Müller Bürgermeister der fr. Stadt Frankfurt Duckwitz Bürgermeister der fr. Stadt Bremen N. F. Haller Bürgermeister der fr. Stadt Hamburg

  Karl Alexander an König Wilhelm I. 

76. Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar an König Wilhelm I. von Preußen

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/76, fol. 16 f. Schreiben. Behändigte Ausfertigung, kontrasigniert von Minister von Watzdor f.

Der Großherzog will die Bedenken gegen die Frankfurter Reformakte noch nicht fallenlassen. Es ist aber sein Wunsch, daß das Reformwerk gelingt, und er bittet daher den preußischen König, es einer „geneigten Prüfung“ zu unterwerfen und anschließend in weitere Verhandlungen über die Bundesreform einzutreten.

Nr. 76

Wilhelmsthal, 5. September 1863

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Wilhelmsthal, 5. September 1863 Durchlauchtigster Großmächtigster König, freundlich lieber Vetter, Bruder und Schwager! Ew. Majestät werden das Schreiben erhalten haben, mit welchem die Mehr­ zahl der in Frankfurt a/M. zur Berathung einer Bundes-Reform versammelt gewesenen deutschen Bundesfürsten und die Vertreter der freien Städte Höchstdenenselben den am Schlusse der Berathung von ihnen festgestellten Entwurf einer Reform-Akte zu weiterer geneigter Erklärung mittheilen.1 Ich habe dieses Schreiben nicht mitvollzogen, weil Ich Mich an dem definitiven Abschluß des Entwurfs zur Zeit noch nicht betheiligen wollte und Ich wollte dieß nicht, weil ohne Preußens Beitritt das Reformwerk nicht zur Ausführung gebracht werden kann und Mir daher der Zeitpunkt noch nicht gekommen schien, die verschiedenen Bedenken, welche Mir und mehreren Meiner Bun­ desgenossen gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs beigegangen sind, dem Gelingen des unternommenen Werkes zum Opfer zu bringen. Daß aber das Werk gelinge, ist darum nicht weniger Mein lebhaftester Wunsch und von diesem Wunsche beseelt, ersuche daher auch Ich Ew. Majestät auf das Ange­ legentlichste, das bisherige Resultat der Konferenz-Verhandlungen, von wel­ chem Ich annehme, daß es sich in Höchstdero Händen befindet, einer geneig­ ten Prüfung zu unterwerfen und deren Ergebniß zur Kenntniß Höchstdero deutschen Bundesgenossen zu bringen, damit es auf dem Grunde neuer gemeinsamer Berathungen gelingen möge, eine gedeihliche Reform der ­ ­deutschen Bundes-Verfassung allseitig fest zu vereinbaren und in’s Leben zu ­rufen. Ich verkenne keineswegs, daß die Vorlagen noch nicht zu dem Ziele führen, an welches Deutschland gelangen muß, wenn es, unter sorgfältiger Wahrung seiner wohlberechtigten Eigenthümlichkeiten, für die innere Ent­ wickelung und äußere Sicherheit völlig sichernde Grundlagen haben soll, und Ich lasse dahin gestellt sein, ob die Vorlagen allenthalben den Ansprüchen gerecht werden, welche Preußen im eigenen wie im allgemeinen Interesse zu erheben hat. Allein wie in dieser letzteren Beziehung im Wege weiterer Ver­ handlungen etwaigen Mängeln abgeholfen werden kann, so wird nicht in ­Abrede gestellt werden können, daß die Vorlagen immerhin zu einem erfreu­ lichen Vorschritt nach jenem Ziele die Möglichkeit bieten. Ich gebe mich der zuversichtlichen Hoffnung hin, in diesen Erwägungen den Ansichten Ew. Majestät zu begegnen und wiederhole daher das angele­ gentliche Ersuchen, daß Höchstdieselben Angesichts täglich dringender her­ vortretenden Bedürfnisses einer inneren Beruhigung des gemeinsamen Vater­ 1 Siehe Dok. 75.

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Rechberg an die kaiserlichen Gesandtschaften

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landes, hierfür in Gemeinschaft mit Höchstdero deutschen Bundesgenossen die geeigneten Schritte thun mögen. Auch bei dieser Gelegenheit erneuere Ich den Ausdruck derjenigen vorzüg­ lichen Hochachtung und aufrichtigsten Freundschaft, mit welchem Ich zu verharren die Ehre habe Ew. königlichen Majestät dienstwilliger Vetter[,] Bruder und Schwager Karl Alexander v. Watzdorf.

77. Rechberg an die kaiserlichen Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Kassel, Darmstadt, Frankfurt und Leipzig

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 33: Weisungen nach Frankfurt 1863, August/September. Vertraulicher Erlaß. Metallographie. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deut­ schen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 298 f.

Rechberg hat in Frankfurt mit den Ministern von Bayern, Sachsen, Hannover, Würt­ temberg, Kurhessen, Großherzogtum Hessen und Nassau vereinbart, daß keine Seite sich auf Separatverhandlungen mit Preußen über das Reformwerk einläßt. Die Frage, wie bei fortgesetzter Negation Preußens weiter zu verfahren sei, wurde noch nicht förmlich besprochen, Österreich mußte sich mit dem allgemeinen Versprechen der Fürsten zufriedengeben, die Reformakte durchführen zu wollen und sich darauf beschränken, die Frage offenzuhalten und zu verhüten, daß ein eventuelles Veto Preußens gegen eine partielle Durchführung der Reform als berechtigt anerkannt werden könnte. Österreich muß den Anschein vermeiden, als sei ein Bund im Bund gegen Preußen das Ziel seiner deutschen Politik. Andererseits darf aber auch nicht der Eindruck entstehen, als sei der österreichischen Regierung die praktische Durchführung der Reformakte gleichgültig. Wo immer die Erkenntnis sich zeigt, daß eventuell auch ohne Preußen auf der Grundlage der Reformakte mit der Neugestaltung des Bundes begonnen werden müßte, sollen die Gesandten diese Anschauung unterstützen, ohne sich auf einen förmlichen Auftrag ihrer Regierung zu berufen.

Reservirt.

Wien, 13. September 1863

Während wir der Antwort Sr Majestät des Königs von Preußen auf das Schrei­ ben der deutschen Souveräne vom 1ten d. Mts. noch entgegensehen, halten wir für nützlich, Ihnen zu Ihrer persönlichen Orientirung einstweilen die nachfolgenden Notizen streng vertraulich mitzuteilen. Vor meiner Abreise von Frankfurt hatte ich mit den Ministern von Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, beiden Hessen und Nassau eine Bespre­

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chung, welche das von den föderativ gesinnten Höfen nunmehr zunächst zu beobachtende Verhalten zum Gegenstande hatte. Das Ergebniß dieser Unter­ redung war an erster Stelle ein vollkommenes Einverständniß darüber, daß die betreffenden Regierungen sich nicht in Separat-Unterhandlungen mit Preußen über das Reformwerk einlassen, sondern die aus Berlin zu erwarten­ den Eröffnungen sich einander mittheilen und vor deren Beantwortung in ge­ meinschaftliche Erwägung ziehen würden. Ebenso verabredete ich mit den Herren Ministern der genannten Staaten, daß Interpellationen, welche etwa von den preußischen Gesandten an den verschiedenen Höfen in Bezug auf das Reformwerk an die Minister würden gerichtet werden, stets dahin zu beantworten wären, daß man nicht in der Lage sei, in einseitige Unterhandlungen über das zu Frankfurt gemeinsam Festgestellte einzutreten. Dagegen mußte ich es in Frankfurt vorerst noch für verfrüht halten, einen anderen wichtigen und nach dem Schluße der Fürstenconferenz sich gleich­ sam von selbst aufdrängenden Theil der schwebenden Frage schon förmlich in den Bereich der Besprechung und Verständigung der Cabinete hineinzuzie­ hen. Ich meine die Frage, welche thatsächliche Folge den Beschlüßen des Frankfurter Fürstentages im Falle fortgesetzter Negation Preußens zu geben sein wird. Oesterreich mußte sich in Frankfurt in dieser Beziehung mit einem ganz allgemein gehaltenen Versprechen der Fürsten, für die Durchführung der Reformakte zu wirken, begnügen, und im Übrigen sich darauf beschränken, jene Seite der Frage vollkommen offen zu erhalten, und zu verhüten, daß in irgend einer Weise ein Veto Preußens gegen eine partielle Ausführung der Reform als berechtigt anerkannt und dadurch der Zukunft präjudicirt werde. Bis auf Weiteres erheischt die Vorsicht, daß auch Sie in Ihren Aeußerungen nicht unaufgefordert über diese Linie hinaus gehen, und das kaiserliche Cabi­ net nicht dem Scheine aussetzen, als sei ein Bund im Bunde gegen Preußen das freiwillig und ohne klar ausgesprochene Nothwendigkeit gewählte Ziel seiner deutschen Politik. Anderentheils ist es aber auch nicht minder wichtig, daß Sie nicht etwa den Eindruck entstehen laßen, als könne Oesterreich zuge­ ben, daß das unternommene große Werk ein todter Buchstabe bleibe, und als blicke die kaiserliche Regierung mit Gleichgültigkeit auf die hochwichtige Frage der praktischen Durchführung der Ergebniße des Frankfurter Congre­ ßes. Überall, wo Sie die Erkenntniß wahrnehmen werden, daß eventuell auch ohne Preußens Zustimmung auf der Grundlage und nach Analogie der Re­ formakte ein thatsächlicher Anfang mit der politischen Neugestaltung des Bundes gemacht werden müßte, wollen Sie, ohne sich auf empfangene Auf­ träge zu berufen, es sich anglegen sein laßen, durch Ihre Sprache dazu beizu­ tragen, daß diese Anschauung sich befestige und in der Überzeugung der dor­ tigen maßgebenden Persönlichkeiten immer mehr Boden gewinne.

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Sie werden dabei besonders auch darauf hinweisen können, daß die Wahr­ scheinlichkeit eines schließlichen Einlenkens des königlich preußischen ­Hofes sich zuverläßig in demselben Verhältniße erhöhen würde, in welchem die jetzt in Berlin augenscheinlich noch genährte Hoffnung, die Bemühungen der föderativ gesinnten Fürsten durch bloße Enthaltung oder durch unan­ nehmbare Gegenvorschläge zu völliger Unfruchtbarkeit verurtheilen zu kön­ nen, sich als eine Täuschung erweisen würde. Alles Weitere behalten wir uns bis zum Eingange der Antwort des Königs von Preußen vor [Zusatz für Dresden, Hannover & Frankfurt] und bemerken nur noch, daß wir es Ihrer Umsicht ganz anheimgeben, ob Sie in den geeig­ neten Wegen mehr persönlichen Verkehres sich dafür verwenden zu sollen glauben, daß auch *** sich nicht etwa abgesondert und ohne vorherige Ver­ ständigung mit den Mitunterzeichnern des Schreibens vom 1ten September zu irgend welchen Auseinandersetzungen gegenüber Preußen herbeilaße. Empfangen *** die Versicherung meiner vollkommenen ***

78. Bericht des preußischen Staatsministeriums an König ­Wilhelm I.

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/53, fol. 61–68. Bericht. Abschrift; von den Ministern unterzeichneter Entwurf in: GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/69, fol. 11–25; ebd. fol. 34–49 eine nicht unterzeichnete Reinschrift aus dem Nachlass Kaiser Wilhelms I. Weitere Abschriften: ebd. fol. 26–33; GStA Berlin PK, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 287, fol. 268–275; I. HA, Rep. 81, Gesandtschaft Dresden nach 1807, Nr. 442; I. HA, Rep. 81, Wien II, Nr. 322, Vol. 1; GLA Karlsruhe, 48/1527. Veröffentlicht u. a. in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 223 vom 24. September 1863. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 4, S. 166–171 (Reinkon­ zept); Staatsarchiv, Bd. 8, S. 206–212; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 779–786 (Kon­ zept).

Es ist nötig, die wünschenswerten Bundesreformen mit Sorgfalt und Vorsicht anzustreben. Die von anderer Seite angeführten Gründe für die verlangte Reform erschüttern das Vertrauen auf den Bestand der Bundesverträge. Statt einer Verständigung mit Preußen über die Grundzüge der Reform hat Österreich einseitig die Reformakte ausgearbeitet. Die Umstände der Einladung zum Fürstentag in Frankfurt erwecken den Eindruck, als sei Österreichs Ziel nicht in erster Linie die Beteiligung Preußens, sondern die Verwirklichung eines Separatbündnisses gewesen. Der vorgelegte Entwurf der Reformakte ist für Wilhelm I. weder als König von Preußen noch als deutscher Fürst annehmbar. Das Einverständnis der mächtigsten Mitglieder über die Zielpunkte der gemeinsamen Bestrebungen bildet die unentbehrliche Grundlage jeder wirksamen Aktion des Bundes. Jede der beiden deutschen Großmächte muß ein Veto gegen Kriegserklärungen haben, so lange nicht das Bundesgebiet angegriffen wird, denn keine Großmacht kann sich in dieser Frage einer Majorität unterwerfen. Preußen erhebt ferner den Anspruch auf „vollkommene Gleichheit“ mit Österreich bei der Leitung des Bundes, d. h. die Parität des Präsidialrechts zwischen den beiden Groß-

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mächten. Schließlich fordert Preußen die Schaffung einer direkt gewählten Vertretung der deutschen Nation. Erst wenn Österreich auf diese Grundlagen eingeht, sollen auf gemeinsame Einladung Österreichs und Preußens Ministerkonferenzen zusammentreten, um über einen definitiven Reformplan zu verhandeln.

Berlin, 15. September 1863 Euerer Majestät Allerhöchsten Befehlen entsprechend, beehrt sich das StaatsMinisterium über die von der Kaiserlich Oesterreichischen Regierung ange­ regte Bundesreformfrage in Nachstehendem allerunterthänigst zu berichten. Die erste Anregung zu einer dem nationalen Bedürfniß entsprechenden Ausbildung der Bundes-Verfassung ist von Preußen ausgegangen, ehe die Er­ eignisse von 1848 hereinbrachen.1 Die ernsten Erfahrungen, die darauf ge­ folgt sind, haben weder in den Regenten noch in dem Volke Preußens das Bestreben vermindert, dem berechtigten Verlangen nach Verbesserung der be­ stehenden Einrichtungen Befriedigung zu verschaffen; aber sie haben die Schwierigkeiten richtiger erkennen lassen und heilsame Lehren gegeben, die zur Vorsicht mahnen müssen in einer großen Sache. Sie haben auch gezeigt, daß es nicht wohlgethan ist, das vorhandene Maaß des Guten zu unterschät­ zen und das Vertrauen auf bestehende Institutionen zu untergraben, ja diese selbst zu erschüttern, ehe das Bessere mit Sicherheit in Aussicht steht. Diese Erwägungen ließen es Eurer Majestät als geboten erscheinen, in Zei­ ten, welche jedem2 Theilnehmer des Bundes den Werth der aeußeren und inneren Sicherheit, die ihm derselbe bisher gewährte, besonders anschaulich machen, die wünschenswerthen Reformen nur mit sorgfältiger Schonung des vorhandenen Maaßes von Einigkeit und von Vertrauen auf die Bürgschaften der bestehenden Bundes-Verträge anzustreben. Wir haben aus den uns von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten vorgelegten Aktenstücken er­ sehen, daß dieselbe Vorsicht von anderer Seite nicht beobachtet, die Aende­ rung der Bundes Verfassung vielmehr aus Gründen verlangt worden ist, deren 1 Das preußische Ministerium bezieht sich hier auf den Reformplan, den der außenpolitische Berater König Friedrich Wilhelms IV., Joseph Maria von Radowitz (1797–1853), im Novem­ ber 1847 unter dem Titel „Denkschrift über die vom deutschen Bunde zu ergreifenden Maß­ regeln“ vorgelegt hatte. Darin wurde vorgeschlagen, die Zensur abzuschaffen, die Protokolle der Bundesversammlung zu veröffentlichen, das Bundesmilitärwesen zu vereinheitlichen, ein oberstes Bundesgericht einzusetzen, die Rechtsvereinheitlichung im Bund voranzutreiben und den Zollverein auf das gesamte Bundesgebiet auszudehnen. Vgl. dazu Hassel, Radowitz, S.  452 ff.; Meinecke, Radowitz, S. 50–58; Steinhoff, Preußen und die deutsche Frage, S. 19– 32; Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 38–40. Druck der Denkschrift in: Radowitz, Gesammelte Schriften, Bd. 3, S. 314–337; Auszug in: Fenske (Hrsg.), Vormärz und Re­ volution, S. 243–247. 2 Emendiert. Vorlage: jeden.

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Darlegung das Vertrauen auf den Werth und den Bestand der Bundesverträge schwer erschüttern und Zweifel an denselben hervorrufen mußte, welche noch heut der Widerlegung harren. Um so dringender wäre zu wünschen gewesen, daß die Einleitung von Ver­ handlungen zur Verbesserung und Befestigung der so gelockerten Beziehun­ gen auf Wegen erfolgt wäre, welche einen befriedigenden Abschluß mit mög­ lichster Sicherheit in Aussicht stellten. Unter denselben lag ohne Zweifel der Versuch einer Verständigung Preußens mit Oesterreich über die Grundzüge der zu machenden Vorschläge am nächsten, und konnte das Kaiserlich ­Oesterreichische Cabinet einer bundesfreundlichen Aufnahme derselben von Seiten Eurer Majestät gewiß sein. Statt dessen ist von Oesterreich einseitig die demnächst in Frankfurt vorgelegte Reform-Akte ausgearbeitet und über den Inhalt derselben Eurer Majestät am 3. August d. J. so unvollständige Mittheilung gemacht worden3, daß sich darauf ein Urtheil über die Tragwei­ te der Vorschläge nicht begründen ließ. Nur die beabsichtigte Form der Ver­ handlung war klar und gab Eurer Majestät zuerst zu den gerechten Bedenken Anlaß, welche Allerhöchstdieselben gegen das Beginnen des Werkes durch einen schleunig zu berufenden Fürsten-Congreß, in dem Schreiben vom 4. August d. J. an Se Majestät des Kaiser von Oesterreich, ausgesprochen ha­ ben.4 Nicht wenige Tage einer unvorbereiteten Besprechung und nicht der edel­ ste persönliche Wille der Fürsten konnten ein Werk zum Abschluß bringen, dessen Schwierigkeiten nicht allein in den verschiedenen persönlichen An­ sichten, sondern in den Verhältnissen liegen, welche tief im Wesen der deut­ schen Nation wurzeln und Jahrhunderte hindurch in wechselnden Formen sich immer von Neuem geltend gemacht haben. Nichtsdestoweniger haben Eure Majestät Ihre Bereitwilligkeit ausgespro­ chen, im Interesse eines so großen Werkes auch auf einen, ohne Preußens Mitwirkung vorbereiteten Versuch desselben einzugehen und nur den Auf­ schub der vorgeschlagenen Fürsten-Versammlung bis zum 1ten October d. Js. verlangt, ein Aufschub, welcher neben wesentlichen außerhalb der Sache lie­ genden Hindernissen der Betheiligung Eurer Majestät durch die für einen Congreß zahlreicher Souveräne nothwendigen geschäftlichen Vorbereitungen bedingt war. Wenn ungeachtet dieses Entgegenkommens Eurer Majestät und nachdem Allerhöchstdero wohlbegründete Weigerung, am 16. August d. Js. in Frankfurt zu erscheinen, dem Kaiserlich Oesterreichischen Cabinette be­ kannt war, die Einladung zu diesem Tage dennoch unter einem, der ersten Mittheilung an Eure Majestät vorhergehenden Datum, an alle Genossen des 3 Siehe Dok. 33. 4 Siehe Dok. 35.

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Bundes erlassen wurde, so können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, als ob dem Kaiserlich Oesterreichischen Cabinette von Hause aus nicht die Be­ theiligung Preußens an dem gemeinsamen Werke, sondern die Verwirklichung des Separat-Bündnisses als Ziel vorgeschwebt habe, welches schon in der ­ersten, an Eure Majestät gelangten Mittheilung vom 3. August für den Fall in Aussicht genommen wurde, daß Preußen sich den Anträgen Oesterreichs nicht anschließen werde. Die Letzteren sind auch bis zum heutigen Tage nicht amtlich zur Kenntniß der Königlichen Regierung gelangt; dagegen ist Eurer Majestät durch das von einem Theile der in Frankfurt a/M. versammelt gewesenen Fürsten und den Vertretern der freien Städte an Allerhöchstdieselben gerichtete Schreiben vom 1. Septbr. d. Js. das von den hohen und höchsten Unterzeichnern dieses Schreibens bedingungsweise angenommene Ergebniß der Frankfurter Ver­ handlungen, mitgetheilt worden.5 Diese Mittheilung haben Euere Majestät Ihrem Staats-Ministerium überge­ ben, in Ausführung der in Allerhöchstdero Antwort-Schreiben an die Theil­ nehmer des Fürstentages d. d. Baden den 20. August6 ausgesprochenen Ab­ sicht, Allerhöchstdero Entschließungen erst dann feststellen zu wollen, wenn durch geschäftsmäßige Bearbeitung der Angelegenheit von Seiten Ihrer Räthe die zu erwartenden Abänderungen der Bundes-Verfassung in ihrem Verhält­ nisse zu der berechtigten Machtstellung Preußens und zu den berechtigten Interessen der Nation eingehend geprüft sein würden. Als Ergebniß dieser Prüfung haben sich die gewichtigsten Bedenken herausgestellt, welche den Entwurf für Euere Majestät weder als König von Preußen noch als Deutscher Fürst annehmbar erscheinen lassen, wenn nicht Veränderungen mit ihm vor­ genommen werden, welche seine Grundlagen selbst berührend, seinen gan­ zen Character wesentlich verändern. Wie der Entwurf vorliegt, kann unser allerunterthänigster Antrag nur dahin gehen, daß es Euerer Majestät gefallen möge, demselben die Allerhöchste Zustimmung zu versagen. Die verhältnißmäßige Schwäche des Bundes, im Vergleich zu der der deut­ schen Nation innewohnenden Gesammtkraft, beruht in der Schwierigkeit, die Bundes-Central-Gewalt so zusammen zu setzen und mit solchen Attributio­ nen zu versehen, daß sie kräftig und wirksam sei, zugleich aber die berechtig­ te Unabhängigkeit der einzelnen Staaten schone und erhalte und der Bedeu­ tung der einzelnen Bundesglieder nach Maaßgabe ihrer eigenthümlichen und selbstständigen Machtverhältnisse Rechnung trage. Diese Schwierigkeit wur­ zelt in einer tausendjährigen Geschichte des Landes und läßt sich bei dem besten Willen aller Betheiligten weder schnell noch vollständig überwinden. 5 Siehe Dok. 75. 6 Siehe Dok. 54.

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Sie steigert sich nothwendig in dem Maaße, als dem Bunde die Aufgabe gestellt wird, nicht nur seinem ursprünglichen Zwecke entsprechend, die ­ ­Sicherheit seiner Theilnehmer und des Bundesgebiets zu gewährleisten, son­ dern auch in der äußeren wie in der inneren Politik die Zwecke eines einheit­ lichen Staatswesens zu erfüllen. Bis in die letzten Decennien ist es deshalb mit Sorgfalt vermieden worden, die Haltbarkeit des Bundes durch eine Erweiterung seines ursprünglichen Zweckes auf die Probe zu stellen. Man sagte sich mit Recht, daß das Einver­ ständniß der mächtigsten Mitglieder über die Zielpunkte der gemeinsamen Bestrebungen, die unentbehrliche Grundlage jeder wirksamen Aktion des Bundes bilde. Und diese Gemeinsamkeit ist um so schwerer herzustellen und festzuhalten, als weder Preußen noch Oesterreich der Freiheit vollständig ent­ sagen können, ihre Stellung zu den Fragen Europäischer Politik nach den In­ teressen der Gesammtheit ihrer Monarchien zu regeln. Der vorliegende Entwurf löst diese Schwierigkeit durch den einfachen Me­ chanismus einer Mehrheits-Abstimmung im Schooße des Directoriums und durch eine Erweiterung des Bundeszweckes bis zu dem Maße, daß die Politik jeder dieser beiden Mächte in der durch das Centralorgan des Bundes zu be­ stimmenden Gesammtpolitik des Letzteren aufzugehen habe. In der Theorie ist diese Lösung eine leichte, in der Praxis ist ihre Durchführung unmöglich und trägt den Keim der Voraussetzung in sich, daß das neue Bundes-Verhält­ niß in vergleichsweise kürzerer Zeit als das alte, um uns der Worte des Kai­ serlich Oesterreichischen Promemoria zu bedienen, den Eindruck von „Re­ sten einer wankend gewordenen Rechtsordnung machen werde, welcher der bloße Wunsch, daß die morschen Wände den nächsten Sturm noch aushalten mögen, die nöthige Festigkeit nimmermehr zurückgeben könnte.“7 Um einer beklagenswerthen Eventualität vorzubeugen, erscheint es uns un­ erläßlich, daß der Bund durch eigene Aktion in die Beziehungen der Europä­ ischen Politik nur mit dem Einverständnisse der beiden Großmächte eingreife und daß jeder der Letzteren ein Veto mindestens gegen Kriegs-Erklärungen, so lange nicht das Bundesgebiet angegriffen ist, zustehe. Dieses Veto ist für die Sicherheit Deutschlands selbst unentbehrlich. Ohne dasselbe würde je nach den Umständen die eine oder die andere der beiden Großmächte in die Lage kommen, sich der anderen, durch eine Majorität we­ niger Stimmen verstärkten, – ja, selbst mit der anderen zusammen, sich der Majorität dieser Stimmen unterwerfen zu sollen – und doch der Natur der Dinge nach, und ihrer eigenen Existenz halber, sich nicht unterwerfen zu können. Man kann sich einen solchen Zustand auf die Dauer nicht als möglich denken. Es können Institutionen weder haltbar sein noch jemals werden, wel­ 7 Siehe oben Dok. 33, S. 190.

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che das Unmögliche von Preußen oder von Oesterreich fordernd – nämlich, sich fremden Interessen dienstbar zu machen – den Keim der Spaltung unver­ kennbar in sich tragen. Nicht auf der gezwungenen, oder geforderten und doch nicht zu erzwingenden Unterordnung der einen Macht unter die andere, sondern auf ihrer Einigkeit, beruht die Kraft und die Sicherheit Deutschlands. Jeder Versuch, eine große politische Maßregel gegen den Willen der einen oder der anderen durchzusetzen, wird nur sofort die Macht der realen Verhält­ nisse und Gegensätze zur Wirksamkeit hervorrufen. Es wäre eine verhängnißvolle Selbsttäuschung, wenn Preußen sich zu Gun­ sten einer scheinbaren Einheit Beschränkungen seiner Selbstbestimmung im voraus auferlegen wollte, welche es im gegebenen Falle thatsächlich zu ertra­ gen nicht im Stande wäre. Der Anspruch jeder der beiden Großmächte auf ein derartiges Veto ist um so weniger ein unbilliger zu nennen, als die Berechtigung, eine Kriegs-Erklä­ rung zu hindern, verfassungsmäßig jeder Minorität beiwohnt, welche 1/3 der Stimmen auch nur um 1 übersteigt. (Art. 40 d. W. Sch. A.)8 Ein solches Drittheil aber, sobald ihm keine der beiden Großmächte angehört, niemals eine Bevölkerung repräsentiren kann, welche der der Preußischen oder der Oesterreichischen Bundesländer gleich käme. Die 4 Königreiche, Baden und beide Hessen bilden zusammen das an Volkszahl stärkste Drittheil der Plenar­ stimmen, welches sich ohne Betheiligung einer der Großmächte combiniren läßt; sie haben zusammen 12 916 000 Einwohner und 25 Stimmen im Ple­ num, also 3 über 1/3. Es bestehn 23 Stimmen im Plenum, welche zusammen nur 2 400 000 Einwohner ihrer Staaten vertreten, und jeder Kriegs-Erklärung ihr gemeinsames Veto entgegensetzen können. Um wieviel mehr hat Preußen, mit einer Bevölkerung von 14 ½ Millionen im Bunde, auf dasselbe Recht An­ spruch. Aber nicht blos da, wo es auf Verhütung von Unternehmungen ankommt, durch welche die Festigkeit des gemeinsamen Bandes in Frage gestellt wer­ den kann, sondern auch in Betreff der Betheiligung an der regelmäßigen Thätigkeit des Bundes, erscheint es nothwendig, daß die Formen der Bun­ des-Verfassung der Ausdruck der wirklichen Verhältnisse und Thatsachen seien. Preußen ist als deutsche Macht nicht nur Oesterreich ebenbürtig, sondern es hat innerhalb des Bundes die größere Volkszahl. Die formelle Gleichstel­ lung Preußens und Oesterreichs ist daher schon zu verschiedenen Epochen 8 Artikel 40 der Wiener Schlußakte: „Sieht sich der Bund zu einer förmlichen Kriegs-Erklärung genöthiget, so kann solche nur in der vollen Versammlung nach der für dieselbe vorgeschrie­ benen Stimmenmehrheit von zwey Drittheilen beschlossen werden.“ Huber (Hrsg.), Doku­ mente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 97.

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Gegenstand der Verhandlung gewesen und bei Gründung der provisorischen Bundes-Central-Commission in Folge der Uebereinkunft vom 30. September 1849 haben beide deutsche Großmächte in völlig gleicher Stellung die ­Ausübung der Centralgewalt für den deutschen Bund, Namens sämmtlicher Bundes-Regierungen, übernommen.9 Auf dem Gebiete, in welchem bisher die Competenz des Bundes sich bewegte, steht der Vorsitz dem Kaiserlich Oesterreichischen Hofe vertragsmäßig in der Form der geschäftlichen Lei­ tung der Bundes-Versammlung zu. Bei neu zu schaffenden Institutionen aber auf dem Gebiete umfassender Erweiterungen der Attribute und Befugnisse des Bundes und für Organe, welche den Bund wesentlich nach Außen zu ver­ treten bestimmt sind, kann Preußen eine bevorzugte Stellung Oesterreichs nicht zulassen, sondern erhebt den Anspruch auf eine vollkommene Gleich­ heit. Daß es sich in dem Reform-Entwurfe, ungeachtet der Bezeichnung des Vorsitzes als einer nur formellen Leitung der Geschäfte, nicht um eine unwe­ sentliche Aeußerlichkeit handelt, wird um so mehr einleuchten, wenn man sich erinnert, daß selbst unter den alten Verhältnissen Preußen sich gegen eine ungerechtfertigte Ausdehnung der Bedeutung des Präsidialrechts hat verwah­ ren müssen*10 ,  welche dasselbe zu einem wesentlichen politischen Vorrecht Oesterreichs und zu dem characteristischen Ausdruck der deutschen Einheit stempeln wollte. Nach solcher Erfahrung würde die Preußische Regierung nicht der Verstän­ digung ein erlaubtes Opfer – und zwar ein Opfer an Oesterreich, nicht an Deutschland – bringen, sondern ein Unrecht am eigenen Lande begehen, wenn sie bei erweiterter Competenz des Bundes und bei erhöhter Bedeutung der dem Präsidium vorbehaltenen diplomatischen Beziehungen nach außen, auf den Anspruch der Gleichstellung verzichtete. Indem wir Euer Majestät die Parität Preußens mit Oesterreich und die Bei­ legung eines Veto in den oben bezeichneten Grenzen als unseres allerunter­ thänigsten Dafürhaltens nothwendige Vorbedingungen der Zustimmung zu einer Erweiterung des Bundeszweckes und der Competenz der Bundes-Cen­  *

conf. Depesche des Grafen Rechberg an den Kaiserlich Oesterreichischen Gesandten in Dres­ den vom 5ten November 1861 und Anlage dazu; und Depesche des Grafen von Bernstorff an den Freiherrn von Werther vom 2. Februar 1862.10

  9 Übereinkunft zwischen Österreich und Preußen über die Bildung der interimistischen Bun­ deszentralkommission vom 30. September 1849; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 548–550. 10 Vgl. QGDB III/3, Dok. 88 sowie Staatsarchiv, Bd. 2, S. 151–154; Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 332–336; Flöter, Beust und die Reform des Deutschen Bundes, S.  341 f.

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tral-Behörde bezeichnen, verkennen wir nicht, daß damit die Aufgabe einer Vermittelung der divergirenden dynastischen Interessen Behufs Erleichterung der einheitlichen Aktion des Bundes nicht gelöst wird. Den Streit derselben durch die Majoritätsabstimmungen der im Directorium vertretenen Regierun­ gen kurzer Hand zu entscheiden, scheint uns weder gerecht, noch politisch annehmbar. Das Element, welches berufen ist, die Sonder-Interessen der ein­ zelnen Staaten im Interesse der Gesammtheit Deutschlands zur Einheit zu vermitteln, wird wesentlich nur in der Vertretung der deutschen Nation gefun­ den werden können. Um die Institution der letzteren in diesem Sinne zu einer fruchtbringenden zu machen, wird es nothwendig sein, sie mit entsprechende­ ren Attributionen auszustatten, als dies nach dem Frankfurter Entwurf der Fall sein soll, und ihre Zusammensetzung so zu regeln, daß die Bedeutung eines jeden Bundeslandes den seiner Wichtigkeit angemessenen Ausdruck darin finde. Die ausgedehnten Befugnisse, welche in der Reform-Akte dem aus wenigen und ungleichen Stimmen zusammengesetzten Directorium, mit und ohne Bei­ rath des Bundesrathes, gegeben werden; die unvollkommene und den wirkli­ chen Verhältnissen nicht entsprechende Bildung der, an Stelle einer NationalVertretung vorgeschlagenen „Versammlung von Bundes-Abgeordneten“, wel­ che durch ihren Ursprung auf die Vertretung von Partikular-Inte­ressen, nicht von deutschen Interessen hingewiesen ist, und die auf einen kleinen Kreis ver­ hältnißmäßig untergeordnete[r] Gegenstände beschränkte und dennoch vage und unbestimmte Befugniß auch dieser Versammlung – lassen jede Bürgschaft dafür vermissen, daß in der beabsichtigten neuen Organisation des Bundes die wahren Bedürfnisse und Interessen der deutschen Nation und nicht partikulari­ stische Bestrebungen zur Geltung kommen werden. Diese Bürgschaft kann Euer Majestät Staats-Ministerium nur in einer wah­ ren, aus directer Betheiligung der ganzen Nation hervorgehenden NationalVertretung finden. Nur eine solche Vertretung wird für Preußen die Sicherheit gewähren, daß es nichts zu opfern hat, was nicht dem ganzen Deutschland zu Gute komme. Kein noch so künstlich ausgedachter Organismus von Bundes­ behörden kann das Spiel und Wiederspiel dynastischer und partikularistischer Interessen ausschließen, welches11 sein Gegengewicht und sein Correctiv in der National-Vertretung finden muß. In einer Versammlung, die aus dem gan­ zen Deutschland nach dem Maaßstab der Bevölkerung durch directe Wahlen hervorgeht, wird der Schwerpunkt, so wenig wie außer Deutschland, so auch nie in einen einzelnen, von dem Ganzen sich innerlich loslösenden Theil fal­ len; darum kann Preußen mit Vertrauen in sie eintreten. Die Interessen und Bedürfnisse des Preußischen Volkes sind wesentlich und unzertrennlich iden­ 11 Emendiert. Vorlage: welcher.

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tisch mit denen des deutschen Volkes; wo dies Element zu seiner wahren ­Bedeutung und Geltung kommt, wird Preußen niemals befürchten dürfen, in eine seinen eigenen Interessen widerstrebende Politik hineingezogen zu wer­ den; – eine Befürchtung, die doppelt gerechtfertigt ist, wenn neben einem Or­ ganismus, in welchem der Schwerpunkt außerhalb Preußens fällt, die wider­ strebenden partikularistischen Elemente principiell in die Bildung der Volks­ vertretung hineingebracht werden. Wir haben uns erlaubt in Vorstehendem nur die wesentlichsten Mängel her­ vorzuheben, ohne deren Beseitigung unseres allerunterthänigsten Dafürhal­ tens, eine Bundesreform der vorgeschlagenen Art für Preußen nicht annehm­ bar ist. Auch halten wir eine Kritik der Einzelnheiten [sic] des vorliegenden Entwurfs für unfruchtbar, so lange eine Verständigung über jene Hauptpunkte nicht erreicht ist. Wir stellen deshalb Eurer Majestät allerunterthänigst an­ heim, über die Letzteren zunächst mit Allerhöchstdero Bundesgenossen in Verhandlung zu treten und sobald Euere Majestät der Geneigtheit begegnen, auf die vorstehend angedeuteten Grundlagen einzugehen, die Kaiserlich ­Oesterreichische Regierung zu ersuchen, in Gemeinschaft mit Eurer Majestät Regierung Ministerial-Conferenzen zu anderweiter Feststellung eines dem­ nächst den deutschen Fürsten und freien Städten zur Genehmigung vorzule­ genden Reformplanes zu berufen. Von dem Beschlusse der deutschen Souve­ räne wird es alsdann abhängen, ob sie über dasjenige, was sie der Nation darzubieten beabsichtigen, die Aeußerung der Letzteren selbst durch das ­Organ gewählter Vertreter vernehmen, oder ohne deren Mitwirkung die ver­ fasungsmäßige Einwilligung der Landtage jedes einzelnen Staates herbeizu­ führen versuchen wollen. Für Euer Majestät Regierung wird der nahe bevorstehende Zusammentritt des Landtages die Gelegenheit darbieten, die Auffassung der Preußischen Lan­ des-Vertretung in Betreff des Inhalts der vorliegenden Reformakte und der von der Königlichen Regierung derselben gegenüber vertretenen Grundsätze, ken­ nen zu lernen, und wie wir nicht zweifeln, werden die Kundgebungen der Preußischen Landes-Vertretung schon jetzt mit Bestimmtheit erkennen lassen, daß nur solche Aenderungen der bestehenden Bundesverträge auf ihre dem­ nächstige verfassungsmäßige Zustimmung zu rechnen haben, vermöge deren die Würde und die Machtstellung Preußens und die Interessen der gesammten deutschen Nation in gleichem Maaße ihre Berücksichtigung finden. Das Preußische Volk bildet einen so wesentlichen Bestandtheil des deut­ schen und ist in seinen Bedürfnissen und Interessen wie in seinen Wünschen und Gesinnungen mit der Gesammtheit der Nation so innig verwachsen, daß die Stimme des Preußischen Landtags zugleich die bisher fehlenden Anhalts­ punkte für die Beurtheilung der Aufnahme der beabsichtigten Institutionen von Seiten des deutschen Volkes gewähren wird.

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Das Staats-Ministerium. (gez.) v. Bismarck. v. Bodelschwingh. v. Roon. Gr. v. Itzenplitz. v. Mühler. Gr. zur Lippe. v. Selchow. Gr. zu Eulenburg.12

79. König Wilhelm I. an Kaiser Franz Joseph I.

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 33: Weisungen nach Frankfurt 1863, August/September. Abschrift. Identische Schreiben ergingen an sämtliche Fürsten, die die Frank­ furter Bundesreformakte angenommen hatten. Das Schreiben wurde veröffentlicht im Frankfurter Journal Nr. 267 vom 26. September 1863. Behändigte Ausfertigung des Schreibens in: HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 940, fol. 304 f. (an den König von Sachsen); HStA München, MA 495 (an den König von Bayern); HStA Wiesbaden, Abt. 210, Nr. 11433 (an den Herzog von Nassau). Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 212 f.; Die aus­ wärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 802 f. (Konzept); Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 134 f.

Wilhelm I. kann die Reformakte nicht als Grundlage einer neuen Bundesverfassung annehmen, da sie nicht den wirklichen Verhältnissen und Bedürfnissen entspricht. Preußen kann nur unter drei Vorbedingungen einer durchgreifenden Bundesreform zustimmen: 1. ein Veto Preußens und Österreichs gegen jeden Krieg, der nicht zur Abwehr eines Angriffs auf das Bundesgebiet unternommen wird; 2. die volle Gleichberechtigung Preußens im Vorsitz des Bundes; 3. eine direkt gewählte Volksvertretung mit erweiterten Kompetenzen.

Berlin, 22. September 1863 Durchlauchtigster großmächtigster Kaiser, besonders freundlich vielgeliebter Herr Vetter, Bruder und Freund. Durch das Schreiben, welches Ew. kais. Majestät in Gemeinschaft mit ande­ ren deutschen Fürsten und Vertretern der freien Städte am 1ten d. M. an Mich gerichtet haben, sind die in Frankfurt a/M berathenen Bundesreform-Vor­ schläge zu Meiner Kenntniß gelangt. Ich habe dieselben der sorgfältigen Er­ wägung unterzogen, welche Ich in Meinem am 20ten v. M. an Ew. kais. M. gerichteten Schreiben1 zugesagt hatte. Diese Prüfung hat Mir nicht die Ueberzeugung gewähren können, daß die vorgeschlagene Reform-Akte in ihrer gegenwärtigen Gestalt geeignet sei, ei­ 12 Die Mitglieder des preußischen Staatsministeriums: Bismarck, Ministerpräsident und Außen­ minister; Carl von Bodelschwingh (1800–1873), Finanzminister; General Albrecht von Roon (1803–1879), Kriegs- und Marineminister; Graf Heinrich Friedrich August von Itzenplitz (1799–1883), Handelsminister; Heinrich von Mühler (1813–1874), Justizminister; Leopold Graf zur Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld (1815–1889), Justizminister; Werner von Selchow (1806–1884), Landwirtschaftsminister; Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg (1815–1881), Innenminister. Angaben nach: ADB; NDB; Mann (Bearb.), Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus; Haunfelder/Pollmann (Bearb.), Reichstag des Norddeutschen Bundes; Büsch (Hrsg.), Handbuch der preußischen Geschichte, Bd. 2.   1 Siehe Dok. 54.

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König Wilhelm I. an Kaiser Franz Joseph I.

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nen Abschluß Unserer vieljährigen Bemühungen um die Verbesserung der Bundes-Verfassung zu bilden. In dem Entwurfe habe Ich nicht den Ausdruck der wirklichen Verhältnisse und Bedürfnisse, deren Berücksichtigung allein ei­ nem solchen Werke Leben und Dauer verleihen kann, zu erkennen vermocht. Ich darf daher nicht zögern, es Ew. kais. M., wenn auch mit Bedauern, aus­ zusprechen, daß Meine Pflichten als König von Preussen und als deutscher Fürst es Mir nicht gestatten, den Mir mitgetheilten Entwurf als die Grundlage einer neuen Bundesverfassung anzunehmen. Ich vermag in eine Erweiterung des bisherigen vertragsmäßigen Bundes­ zweckes und der Competenz der Bundes-Central-Behörde nur dann zu willigen, wenn dieselbe mit voller und gerechter Rücksichtnahme auf das Gewicht Preus­ sens im Bunde und auf die Gesammt-Interessen der deutschen Nation erfolgt. In diesem Sinne betrachte Ich als Vorbedingungen Meiner Zustimmung zu einer durchgreifenden Reform der bestehenden Bundesverträge, die Verständigung über drei Punkte, mit deren näherer Darlegung bei Ew. kais. M. Regg Ich Mei­ nen Minister der ausw. Angel. beauftragt habe. Dieselben bertreffen: 1o das veto Preussens und Oesterreichs mindestens gegen jeden Bundes­ krieg, welcher nicht zur Abwehr eines Angriffs auf das Bundesgebiet unter­ nommen wird. 2o die volle Gleichberechtigung Preussens mit Österreich zum Vorsitze und zur Leitung der Bundes-Angelegenheiten. 3o Eine Volksvertretung, welche nicht aus Delegation, sondern aus direkten Wahlen nach Maßgabe der Bevölkerung der einzelnen Staaten hervorgeht, und deren Befugnisse zu beschließender Mitwirkung in Bundes-Angelegenheiten Gegenstand der Verhandlung, aber jedenfalls ausgedehnter zu bemessen sein würden, als in dem vorliegenden Entwurfe einer Reform-Akte der Fall ist. Vor einer Verständigung über diese Grundlagen, kann Ich ein gedeihliches Ergebniß der Erörterung der sonstigen Einzelheiten des Mir mitgetheilten Ent­ wurfes nicht in Aussicht nehmen. Ich habe daher Meinem Minister der ausw. Angel. den Auftrag ertheilt, über die ersteren mit Ew. kais. M. Regg in Unter­ handlung zu treten, in der Hoffnung, daß es Ew. kais. M. gefallen werde, sobald das erforderliche Einvernehmen angebahnt sein wird, in Gemeinschaft mit Mir die Berufung von Ministerial-Conferenzen zu veranlassen, welche die definiti­ ve Beschlußnahme der deutschen Souveräne vorzubereiten haben würden. Genehmigen Ew. kais. M. die Versicherung der ausgezeichnetsten Hoch­ achtung und wahren Freundschaft, womit Ich verbleibe Ew. kais. Majestät freundwilliger Vetter, Bruder u. Freund (gez.) Wilhelm (gegengez.) von Bismarck

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Berlin, 22. September 1863

80. Bismarck an Sydow

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 287, fol. 264 f. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 24. September 1863. Gleichlautende Erlasse ergingen am 22. September 1863 an die preußischen Gesandten bei den am Frankfurter Fürstentag beteiligten Regierungen. Druck: Bismarck, Die ge­ sammelten Werke, Bd. 4, S. 174–176 (Kanzleikonzept).

Bismarck unterrichtet Sydow über die Ablehnung der Bundesreformakte durch Preußen. Die Basis des Reformentwurfs ist unhaltbar. Für eine praktische Reform ist eine gemeinsame Basis nötig, deren Hauptpunkte die preußische Regierung in ihrer Antwort an die deutschen Fürsten bezeichnet hat. Preußen wünscht, daß neben theoretischen Reformerwägungen auch den praktischen Fragen, auf denen die Sicherheit Deutschlands beruht – vor allem der Kriegsverfassung des Bundes –, Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Berlin, 22. September 1863 Seine Majestät der König, unser allergnädigster Herr, hat unterm 22ten d. Mts. das Collectiv-Schreiben der in Frankfurt a/M versammelt gewesenen deut­ schen Fürsten und Vertreter der freien Städte vom 1ten September d. Js.1 mittelst identischer, an jeden einzelnen der Unterzeichner gerichteten Schrei­ ben, zu beantworten geruht. In demselben haben Seine Majestät die Motive, welche Allerhöchstdieselben zur Ablehnung des vorgelegten Reform-Ent­ wurfs bewogen haben, kurz angedeutet und zugleich die Vorbedingungen ­bezeichnet, über welche ein Einverständniß erzielt sein müsse, ehe man auf einer richtigen Grundlage in Verhandlungen über eine den praktischen Be­ dürfnissen der Nation, wie den wirklichen Machtverhältnissen der deutschen Staaten, entsprechende Bundes-Reform mit Aussicht auf Erfolg eintreten könne. Beim Erlaß der Allerhöchsten Schreiben ist mir der Auftrag ertheilt wor­ den, die darin berührten Punkte, den betheiligten Regierungen gegenüber, ­näher zu erläutern. Ich glaubte diesem Allerhöchsten Auftrage nicht besser entsprechen zu können, als durch Mittheilung desjenigen Aktenstückes, in welchem das ­Königliche Staats-Ministerium seine Erwägungen über die in Rede stehende hochwichtige Frage Seiner Majestät dem Könige vorgetragen hat.2 Die deutschen Angelegenheiten sind in so hohem Maße zugleich innere Preußische Fragen und es werden die wichtigsten der letzteren immer in so engem Zusammenhange und mit solcher Rücksicht auf die allgemeinen deut­ schen Verhältnisse behandelt, daß es keinem Anstand unterliegt, dieses Ak­

1 Siehe Dok. 75. 2 Siehe Dok. 78.

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Bismarck an Sydow

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tenstück unmittelbar in der vorliegenden Form zur Kenntniß unserer Bundes­ genossen zu bringen. In dem Berichte des Königlichen Staats-Ministeriums ist die Reformakte in ihrem Detail keiner besonderen Besprechung unterzogen worden. Wir mußten eine solche, an die einzelnen Artikel derselben anknüpfende theoreti­ sche Kritik für eine unfruchtbare Arbeit halten. Um so mehr, als nach dem umfangreichen Schriftwechsel, welcher sich an das Reformprojekt des Frei­ herrn von Beust und an die identischen Noten vom 2. Februar 1862 ­knüpfte3, die theoretischen Erörterungen der einschlagenden Fragen erschöpft worden sind. Die Basis des neusten, von der Kaiserlich Oesterreichischen Regierung aufgestellten Reform-Entwurfs ist dieselbe geblieben, welche in den iden­ tischen Noten angedeutet und in den vorjährigen Anträgen am Bunde, in Be­ treff der Delegirten-Versammlung zum Zweck der Begründung einer neuen Bundesgesetzgebung u. s. w.4, schon des Weiteren ausgeführt worden war. Wir haben diese Basis wiederholt und zuletzt noch in unseren Erklärungen am Bunde vom 18ten December v. Js.5 und 22ten Januar d. Js.6 als unhaltbar nachgewiesen, und können uns für die Verfolgung praktischer Reformzwecke jetzt lediglich darauf beschränken, die Hauptpunkte zu bezeichnen, über wel­ che zunächst, Behufs Gewinnung einer neuen und zwar gemeinsamen Basis für die Reform der Bundes-Verhältnisse, ein Einverständniß unter den deut­ schen Regierungen zu erzielen sein wird. Daß von der andern Seite hierzu sich Bereitwilligkeit zeige, ist ebenso un­ ser lebhafter Wunsch, als daß die Opferwilligkeit auf dem theoretischen Re­ formgebiet nicht ausschließen möge, gleichzeitig hochwichtigen praktischen Fragen, auf deren Lösung Deutschlands Sicherheit beruht, vor Allem der Kriegsverfassung des Bundes ernstliche Förderung angedeihen zu lassen. Euer Excellenz wollen die im Original und Abschrift beifolgenden Schrei­ ben Seiner Majestät des Königs an ihre Adressen gelangen lassen, auch der Schaumburg Lippeschen und Lichtensteinschen [sic] Regierung den Bericht des Königlichen Staats-Ministeriums vom 15. September d. J. abschriftlich mittheilen. Für die Gesandtschafts-Akten ist von beiden Aktenstücken ebenfalls eine Abschrift beigefügt. v. Bismarck

3 Siehe dazu QGDB III/3, bes. Dok. 86, 94, 107 u. 108. 4 Siehe QGDB III/3, Dok. 140. 5 Siehe QGDB III/3, Dok. 155. 6 Siehe oben Dok. 20, S. 83–85.

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Wien, 26. September 1863

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81. Rechberg an die kaiserlichen Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Kassel, Darmstadt, Wiesbaden, Frankfurt, Leipzig und Berlin (für beide Mecklenburg)

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 33: Weisungen nach Frankfurt 1863, August/September, Beilage zu Nr. 113/1863. Erlaß. Metallographie. Behändigte Ausfertigung an Freiherr von Reger in Wiesbaden in: HStA Wiesbaden, Abt. 210, Nr. 11389.

Österreich nimmt mit tiefem Bedauern Kenntnis von der Ablehnung der Reformakte seitens Preußens. Preußen will sich offenbar nicht ernsthaft auf eine Bundesreform einlassen, sondern versucht die Ausbildung der Bundesverfassung durch die Aufstellung unannehmbarer Bedingungen zu vereiteln. Die drei preußischen Forderungen (Veto gegen einen Bundeskrieg, Gleichberechtigung mit Österreich und gewählte Volksvertretung) sind unvereinbar mit dem Föderativprinzip in Deutschland. Als nächsten Schritt faßt Rechberg gleichlautende Depeschen der 24 zustimmenden Staaten an die preußische Regierung ins Auge, in denen die preußischen Forderungen widerlegt werden und Preußen erneut eingeladen wird, auf der Grundlage der Reformakte in Verhandlungen einzutreten.

Wien, 26. September 1863 Freiherr von Werther übergab mir gestern zur Beförderung an Seine Majestät den Kaiser das von des Königs von Preußen Majestät gleichlautend an die hohen Unterzeichner des Collektivschreibens vom 1ten l. Mts. gerichtete Ant­ wortschreiben, begleitet von einer Depesche des königlichen Minister-Präsi­ denten Herrn von Bismarck, welcher letzteren eine Abschrift des von dem königlichen Staatsministerium am 15ten d. Mts. dem Könige erstatteten Vor­ trags beigefügt war.1 Diesen Vortrag kennen Sie bereits durch die Öffentlich­ keit, welche demselben gegeben wurde, und ich unterrichte Sie daher voll­ ständig von der Sachlage, indem ich Ihnen Abschriften des königlichen Ant­ wortschreibens und der Depesche des Herrn von Bismarck übersende. Ich habe nicht gesäumt, die erwähnten Schriftstücke an Seine Majestät den Kaiser, Allerhöchstwelcher in Ischl weilt2, zu befördern. Den Eindruck wel­ che sie auf Seine Majestät hervorbringen werden, kann ich indeßen nur zu deutlich vorhersehen. Der Kaiser wird mit tiefem Bedauern von den Erklä­ rungen Preußens Kenntniß nehmen, und ich kann nicht zweifeln, daß dieses Gefühl auch dasjenige aller anderen deutschen Souveräne und Regierungen sein wird, welchen die Antwort Preußens in diesem Augenblicke vorliegt. Diese Antwort rechtfertigt in der That auf das vollständigste die vielfach im voraus gehegte Besorgniß, daß Preußen sich nicht ernstlich auf die Re­ 1 Siehe Dok. 78. 2 In Bad Ischl befand sich die Sommerresidenz von Kaiser Franz Joseph I.; Wilkie, Die Kaiser­ villa in Bad Ischl.

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Rechberg an die kaiserlichen Gesandtschaften

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formbestrebungen seiner Bundesgenoßen einlaßen, sondern nur bestrebt sein werde, durch Aufstellung unannehmbarer Bedingungen den Zweck der Aus­ bildung der Bundesverfassung zu vereiteln. Die drei Präjudicialpunkte, von deren vorgängiger Anerkennung der königlich preußische Hof seinen Ent­ schluß, überhaupt über eine Reform des Bundes zu unterhandeln, abhängig machen will, sind nach unserer Überzeugung nicht nur vollkommen unver­ einbar mit der Erhaltung des Föderativprincips in Deutschland, sondern es erscheint uns auch als sehr bezeichnend, daß Preußen den präcisen Vorschlä­ gen seiner Verbündeten allgemeine Forderungen gegenüberstellt[,] mit wel­ chen sich bei ihrer Lückenhaftigkeit und unbestimmten Form ein klarer Be­ griff nicht verbinden läßt. Eine unerfreuliche, nicht aber eine schwierige Auf­ gabe wird es sein, diese Lücken und Unklarheiten, sowie die auffallenden Widersprüche, in welche die preußischen Minister in dem Vortrage vom 15ten d. Mts. sich verwickelt haben, im Einzelnen näher nachzuweisen. Ich glaube aber, daß die deutschen Regierungen sich dieser Aufgabe nicht werden ent­ ziehen können, nachdem sie[,] wie außergewöhnlich dies auch sein möge, von Seite Preußens förmlich aufgefordert worden sind, einen von dem könig­ lichen Staatsministerium an den König gerichteten Vortrag zum Gegenstande ihrer Erwägungen zu machen. Der einzige Umstand, von welchem wir mit Befriedigung Act nehmen können, ist der, daß der König und seine Minister den in einem früheren ministeriellen Vortrage formulirten Vorwurf, als ob durch die Frankfurter ­ ­Reformvorschläge der Würde und Machtstellung Preußens zu nahe getreten werde, wenigstens nicht direct und ausdrücklich gegenüber den deutschen Souveränen zu wiederholen für angemeßen erachtet haben. Ich kann übrigens für heute nur beabsichtigen, Ihnen meine ersten Eindrüc­ ke wiederzugeben, und daher auch in Bezug auf die Schritte, zu welchen die Theilnehmer an dem Frankfurter Reformwerke sich nunmehr gedrängt finden werden, nur eine ganz vorläufige Ansicht auszusprechen. Wie mir scheint, sollte eine in bundesfreundlichem Tone gehaltene gründliche Widerlegung der preußischen Aufstellungen ausgearbeitet, und dem Berliner Cabinet mit­ telst gleichlautender Depeschen sämmtlicher an der Reformacte betheiligter Regierungen mit dem dringenden Ausdrucke der Hoffnung übergeben wer­ den, daß Preußen auf den gestellten unannehmbaren Vorbedingungen nicht beharren[,] sondern in Unterhandlungen auf Grundlage der bereits von 24 deutschen Regierungen genehmigten Vorschläge eingehen werde. Eine An­ deutung, daß diese Vorschläge unmöglich ohne practische Folgen bleiben könnten, dürfte dabei vollkommen an ihrem Platze sein. Auch dürften vielleicht einige derjenigen Höfe[,] welche zwar die Re­ formakte nicht im Ganzen genehmigt, aber doch an dem Frankfurter Fürsten­ tage in einer dem Hauptzwecke nicht abgeneigten Weise sich betheiligt ha­

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ben, namentlich die Höfe von Mecklenburg-Schwerin und Sachsen-Weimar, einzuladen sein, sich diesem Schritte wenigstens insoweit anzuschließen, als sie dies mit ihren Ansichten übereinstimmend finden werden. Die vorstehenden Bemerkungen werden Ihnen bis auf Weiteres zur Richt­ schnur für Ihre Äußerungen dienen, und ich brauche nicht erst hinzuzufügen, daß ich Ihren Berichten über die Art, wie die preußische Antwort in *** be­ urtheilt wird, mit dem lebhaftesten Interesse entgegensehe. Empfangen *** die Versicherung meiner vollkommenen ***

82. Artikel in der Frankfurter Postzeitung1

Frankfurter Postzeitung Nr. 500 v. 29. September 1863, Abends.

Nach der preußischen Ablehnung der Bundesreformakte ist Deutschland keinen Zoll weiter als zuvor. Preußen weicht jeder bestimmten Erklärung über seine weitere Beteiligung am Bundesleben aus. Es wagt nicht, den Staatenbund fallenzulassen, kann sich aber auch nicht entschließen, Maßnahmen zu seiner Erhaltung zu ergreifen. Durch den Bericht des preußischen Ministeriums über die Reformakte „zieht sich ein Gefühl der entschiedensten Abneigung, das sich bis zur Feindseligkeit steigert und sorgfältig bemüht ist, die wohlgemeinten Schritte gleichberechtigter Genossen als so viel Attentate auf die Macht und Ehre des preußischen Staates darzustellen“. Durch die preußische Erklärung ist die Sachlage nicht verändert worden, doch tritt „die ernste Pflicht festen Handelns […] an den bundestreuen Teil der deutschen Staaten noch gebieterischer heran“.

Frankfurt am Main, 29. September 1863 Die preußische Erklärung. Die Antwort des preußischen Monarchen ist erfolgt. Hat Deutschland sie als unbedingte Ablehnung aufzufassen oder ist unter der ablehnenden Form eine bedingte Annahme zu verstehn? Das ist nicht leicht zu beantworten und nur so viel klar, daß abermals eine höchst unklare Kundgebung vorliegt, welche weder als bestimmtes Ja noch als festes Nein aufzufassen ist. Im Bericht des Gesammtministeriums wird die Mangelhaftigkeit des Bun­ deslebens und die Nothwendigkeit einer Reform ausdrücklich zugestanden. Der Werth dieser Erklärung findet sich aber sofort durch die weiteren Erläute­

Gms2

1 Die Frankfurter Postzeitung war eine der ältesten deutschen Zeitungen. Sie wurde 1615 vom kaiserlichen Postmeister Johann von den Birghden gegründet und erschien bis 1866; Estermann, Zeitungsstadt Frankfurt, S. 11. 2 Kürzel des Redakteurs.

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Artikel in der Frankfurter Postzeitung

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rungen bis zur inhaltlosen Phrase abgeschwächt, daß es nicht wohlgethan sei, das vorhandene Maß des Guten zu unterschätzen, daß die wünschenswerthen Reformen nur mit sorgfältiger Schonung des vorhandenen Maßes von Einheit und von Vertrauen auf die Bürgschaften der bestehenden Bundesverträge an­ zustreben seien ec. Das Ministerium trägt auf Versagung der Allerhöchsten Zustimmung an. Dieser gewichtigen Erklärung wird aber zugleich die Spitze dadurch abgebro­ chen, daß ausdrücklich beigefügt wird: „wie der Entwurf vorliegt“. Es han­ delt sich also nur, wie der Jurist sagen würde, um eine Zurückweisung „wie angebracht“, nicht um eine definitive Ablehnung des Anspruchs. Durchliest man die weiteren Argumentationen, so wird darin der Beweis versucht, daß die wesentlichen Grundzüge des Reformplans völlig verfehlt seien. Es wird darauf hingewiesen, „wie das Einverständniß der beiden Groß­ mächte über die Zielpunkte der gemeinsamen Bestrebungen[“] die unentbehr­ liche Grundlage jeder wirksamen Action des Bundes bildet. Das Princip des Majoritätszwangs wird als unrichtig bezeichnet. Aber dennoch findet sich keine Zurückweisung des als fehlerhaft dargestellten Vorschlags, sondern nur die Aufstellung gewisser Forderungen, Abtretung des Mitpräsidiums, Einräu­ mung eines Veto und directe Volkswahlen. Ueber die weitere Frage, ob denn im Falle der Gewährung solcher Ansprüche die preußische Regierung mit dem Entwurfe einverstanden sein wird, ist aber eine bestimmte Zusicherung gleichfalls unterblieben. In diesem Falle will Preußen erst in die Aufnahme von Verhandlungen willigen. Ein anderweiter Reformplan soll dann festge­ stellt und den Regierungen vorgelegt werden. Ministerconferenzen sollen stattfinden und erst dann mit einer Nationalversammlung oder den Landtagen das Weitere versucht werden. Deutschland ist mithin um keines Zolles Breite weiter als zuvor. Zu den zahllosen ähnlichen Kundgebungen der preußischen Regierung in Sachen des Bundes liegt eine neue vor, deren Charakter sich nur dahin bezeichnen läßt: Preußen weicht jeder bestimmten Erklärung über seine fernere Betheiligung am Bundesleben aus. Es erkennt dessen Mängel an, ist aber nicht gesonnen, zur Abhilfe einen entscheidenden Schritt zu thun. Es wagt nicht, den beste­ henden und rechtlich begründeten Staatenbund fallen zu lassen, kann sich aber eben so wenig dazu entschließen, die zur Erhaltung desselben erforderli­ chen Maßregeln zur Hand zu nehmen. In früheren Betrachtungen haben wir bereits auszuführen versucht, daß jede Concession an Preußen allerdings nur dann denkbar erscheint, wenn ein Einverständniß der übrigen Staaten mit dieser Bundesmacht „über die Ziel­ punkte der gemeinsamen Bestrebungen“ gewonnen sein wird. Dauert das jet­ zige System einer Sonderpolitik Preußens zur Erlangung der Hegemonie oder Annexion der übrigen Staaten fort, so wäre jede Vermehrung der preußischen

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Frankfurt am Main, 29. September 1863

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Machtstellung geradezu ein Selbstmord von Seiten der schwächeren Genos­ sen. Als natürlicher Zielpunkt der übrigen Bundesstaaten erschiene dann ge­ rade ein Verhältniß, welches dem bundesfeindlich gesinnten Großstaat jede Möglichkeit entzieht, seine Pläne durchzuführen. Nur wenn Preußen seinen bisherigen Sonderbestrebungen entsagt und dafür bindende Garantien gibt, wird von einer Erhöhung seiner Machtstellung im Bunde die Rede sein kön­ nen. Sind in den jetzt ergangenen Staatsschriften der preußischen Regierung solche Zusicherungen gegeben? Die Erklärung der Rathgeber der Krone zeigt eine Gesinnung, wie sie unter Bundesgenossen nicht leicht gefunden werden kann. Durch alle Sätze des mi­ nisteriellen Actenstücks zieht sich ein Gefühl der entschiedensten Abneigung, das sich bis zur Feindseligkeit steigert und sorgfältig bemüht ist, die wohlge­ meinten Schritte gleichberechtigter Genossen als so viel Attentate auf die Macht und Ehre des preußischen Staates darzustellen. Auf jeder Seite ist von den Machtverhältnissen Preußens die Rede, eine Haltung, welche mit der wirklichen Lage der Dinge durchaus nicht übereinstimmt – man kann dem preußischen Staate bedeutende Kräfte nicht absprechen, wodurch aber die Ei­ genschaft besonderer Macht begründet werden soll, das läßt sich bei Hinblick auf die neueste Geschichte und die jetzigen Lagen des preußischen Staats nach außen und innen wahrhaftig nicht verstehen. Macht entsteht aus dem rüstigen Gebrauch und den siegreichen Erfolgen staatlicher Kräfte; in den Kräften an sich liegt nur das Material, und kein Staat wird Macht erringen, der seine vielen Kräfte nicht zu rühren und zu großen Erfolgen zu benutzen weiß oder vom Glück verlassen ist. Durch die Erklärung der preußischen Krone ist die Sachlage nicht ver­ ändert worden. Sie wird aber klarer und die ernste Pflicht festen Handelns tritt an den bundestreuen Theil der deutschen Staaten noch gebieterischer heran.

83. Artikel in der Constitutionellen Zeitung

Constitutionelle Zeitung Nr. 226 v. 30. September 1863.

Der Plan zu einer deutschen Bundesreform ist gescheitert, weil Österreich Preußen nicht in seiner Stellung als Großmacht respektiert hat. Der Fürstentag war „eine Festfeier der Habsburger Politik“, die preußische Reaktion darauf ist lediglich eine „klägliche Protestation“. Die deutsche Idee hat mit beiden nichts zu schaffen, weder die Ziele Österreichs noch des Bismarckschen Preußen können Deutschland zum Heil führen. Die deutsche Einheit ist erst möglich, wenn Österreich und Preußen den dritten Faktor einbeziehen: das deutsche Volk. Dieses ist „der alleinige Kitt […], der ohne ,Blut und Eisen‘ den Dualismus heben kann“.

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Artikel in der Constitutionellen Zeitung

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Dresden, 30. September 1863 Deutschland zwischen Oesterreich und Preußen Unsere Leser werden sich vielleicht noch erinnern, daß wir bei dem Zusam­ mentritte des Fürstentages zu Frankfurt die bestimmte Ansicht aussprachen, wie sich ein Ergebniß desselben nur in dem Falle herausstellen würde: daß man damit das preußische Volk auf seine Seite bekomme und diesem mit einem Schlage das jetzige Regiment vom Halse schaffe. Der Plan einer ­ ­deutschen Bundesreform wird nur glücken, sagten wir damals, wenn er das Ministerium Bismarck zur Unmöglichkeit macht. Alle Welt weiß in diesem Augenblick, daß das nicht geschehen und jeder nur irgend Einsichtige wird jetzt längst darüber im Klaren sein, daß ohne die­ se erste und unerläßliche Vorbedingung die ganze Geschichte als in’s Wasser gefallen zu betrachten ist. Oesterreich hat zu früh triumphirt und die Maske zu zeitig fallen lassen. Seine Scheinerfolge der neuesten Zeit haben es übermüthig und unvorsichtig gemacht. Ohne alle Zurückhaltung sich gehen lassend, hat es wiederum nur gezeigt, daß es nichts gelernt und nichts vergessen hat. Es war ohne Zweifel ein stolzes und erhebendes Gefühl für den Kaiser Franz Joseph: die deutschen Fürsten durch ein keck hingeworfenes Wort um sich zu versammeln. Die Antwortschreiben Einiger flossen von Ergebenheit und Unterthänigkeit so üppig über, daß es dem jungen Monarchen kaum zu verdenken war, wenn er sich im Geiste schon in der Rolle seiner Vorfahren, d. h. als Imperator auf dem römisch-deutschen Throne – erblickte. Um die Sache voll zu machen, fehlte nur, daß der König von Preußen als „Marquis von Brandenburg“1 sich dem Schweif der deutschen Fürsten anschloß, und um der Welt dies Schauspiel wirklich zu geben, hat sich der kühne Habsbur­ ger, wie man bekennen muß, keine Mühe verdrüßen [sic] lassen. Zum Glück hat das aber nicht geholfen. Die Hohenzollern sind harte Köpfe und so sehr sie auch abarten mögen, sie sind doch immer Enkel des großen Friedrich2, dessen Ruhm und geschichtliche Bedeutung für sie verpflichtend ist und sie ewig vor dem Kniefall eines Ottokar’s3 bewahren muß. Aber selbst, wenn das nicht der Fall, wenn die eigenen Nachkommen Friedrich II. seiner uneingedenk wären, das preußische Volk würde sich seiner erinnern 1 Als Markgraf von Brandenburg wäre der preußische König gewissermaßen als Vasall des Kai­ sers in eine untergeordnete Stellung geraten. 2 König Friedrich II. (der Große) von Preußen (1712–1786). 3 Ottokar II. Přemysl (um 1232–1278), 1253–1278 König von Böhmen, mußte sich nach der Wahl Rudolfs I. zum römisch-deutschen König 1273 auf Druck anderer Reichsfürsten und des Papstes den Habsburgern unterwerfen und deren Oberhoheit im Reich anerkennen; ADB, Bd. 24, S. 768–772.

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Dresden, 30. September 1863

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und sich mit Verachtung von einem Herrscher abwenden, der durch sein Be­ nehmen die Thaten und Glorie jenes unsterblichen Königs beschimpfte. Sind jene Glorie und Thaten doch mit dem Blute eines ganzen Menschengeschlechts erkauft und weh dem Volke, welches so etwas je zu vergessen im Stande wäre! Aber Gott sei Dank, es ist nicht vergessen, wenigstens in Preußen nicht! Nur die Habsburger konnten das, und sich dabei einbilden: sie hätten das Preußen noch vor sich, dem sie einst großmüthig den Königstitel anzuneh­ men gestatteten. Die Zeiten haben sich geändert. Preußen ist eine Großmacht geworden und kann jetzt nur mitleidig lächeln, wenn man es neben Baiern und Württemberg ec. stellt. Die preußischen Könige haben ihren Titel nicht von Napoleon er­ halten4, sie sind Könige durch ihr Volk. Darum hält auch das Volk in Preußen das Königthum noch so hoch und fest, selbst den Entwürdigungen gegenüber, in die es die Bismarck’sche Wirthschaft gebracht. Es lächelt über die Laune ­König Wilhelms: König von Gottes Gnaden zu sein. Es weiß die Sache besser oder nimmt sie in anderem Sinne. Insofern allerdings: Volkesstimme Gottes­ stimme ist, so ist auch ein König durch das Volk zugleich König durch Gott. Wie dem aber auch sei, so viel steht fest: Preußen kann nicht unter Oester­ reich kommen und wird es niemals. Wenn Oesterreich Preußen demüthigt, de­ müthigt es Deutschland, wenigstens das protestantische Deutschland, und daß es das nicht einsah und begriff, das eben zeigt uns klar, daß es nichts gelernt. Hätten die Habsburger die deutsche Geschichte verstehen gelernt und wäre es ihnen heiliger Ernst um die deutsche Bundesreform, so hätten sie damit anfangen müssen: Preußen in der Stellung zu respektiren, die es nun einmal hat. Mit diesem Respekt an der Spitze der guten Sache hätten sie im Fluge die Ordonnanzenherrschaft Bismarck’s gestürzt und um eine abgegriffene und et­ was fadenscheinige Redensart zu gebrauchen: eine neue Aera über Preußen gebracht. Nur mit dieser und der historischen Anerkennung Preußens ließ sich eine Einigung Deutschlands ins Auge fassen und zu Stande bringen. Die Habsbur­ gischen Prätensionen aber sind ein verfehltes Mittel dazu, ein ebenso verfehl­ tes, als in Preußen die der knabenhaften Vergewaltigung der obotritischen5 Junkerpartei. 4 Anspielung auf die Erhebung der Kurfürsten von Bayern und Württemberg zu Königen im Jahr 1806 im Rahmen der Gründung des Rheinbundes durch Napoleon I. Vgl. Fehrenbach, Vom Ancien Regime zum Wiener Kongress, S. 79 ff.; Körner, Geschichte des Königreichs Bayern; Engisch, Das Königreich Württemberg. 5 Die Dynastie der Obodriten herrschte von 1131 bis 1918 nahezu ununterbrochen in Mecklen­ burg. Das Adjektiv obodritisch hatte im 19. Jahrhundert einen pejorativen Beiklang im Sinne einer reaktionären Herrschaft.

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Gutachten des Ministeriums von Sachsen-Altenburg

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Diese obotritische Junkerpartei hat sich eine frevelhafte Mühe gegeben, sich an Oesterreich zu reiben und diesen Staat herauszufordern, und da er denn endlich in der eclatantesten Art von der Welt den Handschuh aufhebt, was thun jene Lorgnetten- und Phrasenhelden mit ihrem Säbelgerassel? – Sie laufen nach England, dort eine Vermittlung mit eben dem Oesterreich zu er­ bitten, das sie so lange auf’s Bitterste aufgereizt. Es ist das vielleicht nur eine Zeitungsente. Aber auch als solche schon hat die Nachricht ihre Bedeutung: sie zeigt, wessen man diese Leute für fähig hält. Und in der That, so viel erhellt aus Allem, daß die Habsburgische und die Bismarcksche Politik einander würdig sind und daß Deutschland weder von der einen, noch von der andern etwas zu erwarten hat. Der Frankfurter Fürstentag war eine Festfeier der Habsburger Politik und was jetzt die Regierung in Preußen vornimmt, klingt leidlich, ist aber nichts, als eine äußerst klägliche Protestation gegen jene. Die deutsche Idee hat mit beiden nichts zu schaffen und sieht mit Schmerz oder Apathie auf ein Thun, das nur den Zwiespalt, nicht aber eine Kräftigung und Einigung Deutschlands zu Tage legt. Weder die Strebziele Oesterreichs, noch die des Bismarckschen Preußen können Deutschland zum Heile führen. Erst wenn Oesterreich und Preußen einsehen, daß sie nichts vermögen ohne den dritten Factor: das deut­ sche Volk, daß nur dieses der alleinige Kitt ist, der ohne „Blut und Eisen“6 den Dualismus heben kann: erst dann ist eine Einheit in der Dreiheit möglich, und eine Dreiheit in der Einheit.

84. Gutachten des Ministeriums von Sachsen-Altenburg an Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 289, fol. 88–96. Gutachterlicher Vortrag. Abschrift. Wei­ tere Abschriften in: GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/70, fol. 59–66; HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 940, fol. 417–424 (der sächsi­ schen Regierung mitgeteilt am 11. Oktober 1863); HStA München, MA 495 (der bayerischen Regierung mitgeteilt am 11. Oktober 1863); GLA Karlsruhe 48/1527 (der badischen Regierung mitgeteilt am 11. Oktober 1863); StA Wiesbaden, Abt. 210, Nr. 11389; StA Marburg, Bestand 9a, Nr. 643, fol. 89–96.

Es herrscht eine große Unklarheit über die Zielpunkte der deutschen Einheitsbestrebungen. Es ist schwierig, die Grenzen des Ausführbaren zu erkennen. Die herzogliche Regierung erkennt an, dass es wünschenswert ist, den materiellen und geistigen Verkehr im Deutschen Bund von den noch bestehenden Schranken zu befreien. Sie ver6 Anspielung auf die Rede Bismarcks vor der Budgetkommission des preußischen Abgeordne­ tenhauses am 30. September 1862: „… nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut.“ Bismarck, Werke in Auswahl, Bd. 3, S. 3.

Nr. 84

Altenburg, 1. Oktober 1863

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kennt auch nicht, dass manche Normen der Bundesverfassung den Einheitsbestrebungen nicht förderlich sind und den Zeitbedürfnissen nicht entsprechen. Allerdings liegen die Hindernisse für eine stärkere Einigung weniger in der Bundesverfassung als in den gegensätzlichen Interessen der beiden deutschen Großmächte begründet. Dieser Dualismus ist ein historischer Faktor, der nicht „ohne Zerstörung der wichtigsten nationalen Kultur- und Machtelemente“ beseitigt werden kann. Das österreichische Bundesreformprojekt läuft in vielen Punkten darauf hinaus, den Deutschen Bund zu einem „Staatenvereine mit bundesstaatlichen Aufgaben und Zielpunkten und bundesstaatlicher Organisation“ umzuwandeln. Das ist angesichts der realen Verhältnisse undurchführbar. Jede Revision der Bundesverfassung muß sich in sehr engen Grenzen bewegen und den einmal gegebenen Dualismus anerkennen. Das Ergebnis der Frankfurter Verhandlungen hat durch die Erklärung Preußens die „Kraft einer wirklichen Vereinbarung“ schon wieder verloren, und es ist zu empfehlen, die bisherige traditionelle und zurückhaltende Regierungspolitik des Herzogtums in der deutschen Frage beizubehalten.

Altenburg, 1. Oktober 1863 Durchlauchtigster Herzog, Gnädigster Herr! Eure Hoheit haben uns schriftliche gutachterliche Vortragserstattung aufgege­ ben über die Frage, wie sich Seitens Höchstdero Regierung gegenüber den von dem K. K. Österreichischen Kabinet aufgestellten und in der Frankfurter Fürstenversammlung berathenen, beziehentlich abgeänderten Entwurf einer Reformacte des deutschen Bundes, so wie gegenüber der von der Krone Preu­ ßen auf die Mittheilung derselben unter dem 22. d. M. sämmtlichen deut­ schen Bundesgliedern abgegebenen Erklärung zu äußern sei. Bevor wir zur näheren Erörterung der uns gestellten Frage schreiten, sei es uns vergönnt, einige allgemeinere politische Betrachtungen vorauszuschicken. Vor Allem haben wir uns zu vergegenwärtigen, daß es bei großen politi­ schen Fragen, wie die einer umfassenden Umgestaltung des deutschen Bun­ des es ist, die Aufgabe der kleineren Staaten nie sein kann, unabhängig von den sie umgebenden größeren Staaten selbstständige Bahnen zu gehen, daß es mithin ihren Leitern nur so lange vergönnt ist, den eigenen Anschauungen und Überzeugungen nachzugehen, als nicht die Regierungen der sie umge­ benden größeren Staaten sich über das Einschlagen anderer Bahnen geeinigt haben. Andererseits aber erscheint es uns aber auch als eine Gewissenspflicht jeder Regierung, nicht ohne eine solche äußere Nöthigung den von ihr für richtig erkannten Standpunkt zu verlassen. Werfen wir zunächst nun einen Rückblick auf die Einheitsbestrebungen in Deutschland, wie sie sich theils im Volke, in der Presse und in Versammlun­ gen[,] theils in den Regierungskreisen bisher geltend gemacht haben, so er­ giebt sich für uns leider die Überzeugung, daß, wenn von denjenigen Bestre­

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Gutachten des Ministeriums von Sachsen-Altenburg

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bungen abgesehen wird, die weniger die Stärkung der Einheitsmomente und der Machtstellung des gesammten Deutschland, als entweder die Stärkung partikularstaatlicher Machtstellungen oder den Umsturz des monarchischen Verfassungsprincips zum Ziele haben, eine große Unklarheit eben so wohl über die Zielpunkte als über die zur Erreichung derselben erforderlichen Mit­ tel herrscht. Ihren geschichtlichen Ausgangspunct haben diese Bestrebungen der neueren Zeit einerseits in dem Wiedererstehen eines gemeinsamen natio­ nalen geistigen Lebens zu Ende des verflossenen und zu Anfang dieses Jahr­ hunderts, andererseits in dem glücklichen Kampfe gegen die Vergewaltigung eines mächtigen Nachbars in den Jahren 1813–15; ihre weitere Entwickelung haben sie nach Verlauf einer Periode des Latentseins gefunden in den moder­ nen Umgestaltungen des gesammten Güterverkehrs und der darauf beruhen­ den Nothwendigkeit der Beseitigung der die einzelnen deutschen Staaten trennenden wirthschaftlichen Schranken, in dem allseitigen Verlangen nach stärkerer Betheiligung des Volks an der Regierungsgewalt und endlich wie­ derum unter dem Druck der Furcht vor einer neuen Vergewaltigung mächti­ ger Nachbarn bei gestörter Einigkeit der beiden deutschen Großmächte. Als wesentlich mitwirkend erscheint dabei in neuester Zeit die mehr von dem Auslande und am wenigsten im deutschen Interesse importirte, aber fast zu einem Axiom der politisirenden Menge gewordene Idee, daß jede Nation d. h. jede durch Abstammung, Sprache und Sitten verbundene menschliche Genos­ senschaft die Aufgabe habe, sich auch zu einem einheitlichen politischen Ganzen zu gestalten. Bei einer so großen Verschiedenheit der Ausgangs- und Zielpunkte von Bestrebungen und Manifestationen, die sich aber sämmtlich unter dem bald guten Glaubens bald nicht, gewählten Schilde des deutschen Einheitsstrebens äußerlich vereinigen, erscheint es ungemein schwierig, die Grenzen des Aus­ führbaren und des der Nation im Ganzen, wie den Einzelstaaten wahrhaft Frommenden klar zu erkennen und consequent festzuhalten. Es wird diese Schwierigkeit noch durch einen zweiten Factor erhöht, dies ist die ebenfalls fast zum Axiom gewordene, aber in der Geschichte nicht bewahrheitete poli­ tische Idee, daß im politischen Volksleben fehlende sittliche oder sonstige ­reale Momente durch Verfassungsnormen zu ersetzen oder zu schaffen seien, daß sich z. B. wahre politische Freiheit auch da, wo es an der sittlichen Frei­ heitsgrundlage im Volke fehlt, durch Verfassungsnormen erzeugen lasse, so auch daß sich die Einigung Deutschlands ungeachtet der sich widerstreben­ den und sich gegenseitig die Wa[a]ge haltenden realen in den beiden deut­ schen Großstaaten verkörperten Mächte mittels einer diesen Dualismus negi­ renden Verfassungsbestimmung erzielen lasse, wogegen doch schon die Na­ tur der sittlichen Dinge lehrt und die Geschichte allenthalben erweist, daß das Verfassungsgesetz beziehentlich der Verfassungsvertrag eines Einheits- oder

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Bundesstaats wie eines Staatenbundes nur die Aufgabe erfüllen kann, die in einem Volks- und Staats- oder Staaten-Leben vorhandenen Factoren in ihrer politischen Action zu regeln, so daß jedem derselben eine seiner Realität an­ gemessene Rechtssphäre angewiesen und damit das Hervorbrechen von, die Existenz und das Gedeihen der Gesammtheit gefährdenden Machtäußerungen des einen oder des andern verhütet und daß für die gesammtheitliche Action nach Außen ein möglichst großer Überschuß von einheitlich wirkenden Kräf­ ten erzielt werde. Jedes Project einer Reform der deutschen Bundesverfassung wird demnach vor Allem nach dem doppelten Gesichtspuncte zu prüfen sein: inwieweit das Streben nach einer engeren politischen Einigung der deutschen Bundes­staaten vom geschichtlichen und praktisch politischen Standpuncte aus gerechtfertigt ist, und inwieweit dem Einheitsstreben Ausdruck gebende Verfassungsbe­ stimmungen dazu geeigenschaftet1 sind, dem wirklichen Einigungsbedürfnis­ se wirkliche Befriedigung zu schaffen. Die Herzogl. Regierung an ihrem Theile hat nun zu keiner Zeit verkannt, daß es wünschenswerth sei, den deutschen Bundesstaaten gemeinsam in der Waagschale der Europäischen Politik ein größeres Gewicht beigelegt, ferner den innern sowohl materiellen als geistigen Verkehr in Deutschland von man­ chen noch bestehenden Schranken befreit zu sehn, und für mancherlei ge­ meinsame Interessen aller deutschen Volksstämme und Länder oder mehrerer unter ihnen auch äußerlich hervortretende Centralpuncte zu haben. Die Her­ zogl. Regierung hat ferner zu keiner Zeit verkannt, daß die bestehenden Bundes­verfassungsnormen Manches enthalten, was selbst berechtigten Ein­ heitsbestrebungen nicht förderlich oder sonst den Zeitbedürfnissen nicht ­entsprechend ist. Eben so wenig hat sie aber verkennen können, daß die der Befriedigung solchen berechtigten Einheitsbestrebens entgegenstehenden Hindernisse, weit weniger in der Bundesverfassung, als in der Art und Weise ihrer Handhabung und insonderheit in dem Auseinandergehen der jeweiligen wirklichen oder vermeintlichen Interessen der beiden deutschen Großmächte, bezüglich in anderseitigen particularischen [sic] Bestrebungen ihren Grund hatten, welche letztere indeß immer nur dann zu einem Erfolge gelangen konnten, wenn die beiden deutschen Großmächte nicht einig waren. Wir ha­ ben hier nicht zu untersuchen, inwieweit bei dem Mangel an Einigkeit zwi­ schen den beiden Großmächten die Verschiedenheit der berechtigten Particu­ lar-Interessen und inwieweit nur vermeintliche solche die Ursache bildeten, und ob die Mehrzahl der Fälle, in denen sich etwa ein unberechtigter Particu­ larismus geltend machte, auf der Seite der einen oder der andern Großmacht liege. Vielmehr haben wir hier nur diesen Dualismus als einen in der neuern 1 Emendiert. Vorlage: geeignetschaftet.

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Geschichte Deutschlands gegebenen und ohne Zerstörung der wichtigsten ­nationalen Kultur- und Machtelemente nicht zu beseitigenden Faktor zu be­ trachten. Zum Mindesten würde die Beantwortung der Frage, ob es rathsam und möglich sei, denselben in der Wirklichkeit zu beseitigen, und mit wel­ chen Mitteln dies geschehen könne, nicht bei Gelegenheit einer angestrebten Bundesverfassungsrevision zu erörtern und zum Austrag zu bringen sein. Ei­ nes besonderen Nachweises aber, für die geschichtliche Begründung jenes Dualismus und die reale Berechtigtung desselben wird es kaum bedürfen. Das Mißlingen aller bisherigen, diesen Dualismus ignorirender deutscher Ei­ nigungsbestrebungen ist fast allein schon Beweis genug für die Realität des­ selben. Im Übrigen bedarf es nur eines Hinweises auf die Hauptmomente in der Geschichte Deutschlands seit der Reformation[,] insonderheit eines noch­ maligen Hinweises darauf, daß der von Österreich und Preußen gemeinsam geführte und siegreich gekämpfte Freiheitskrieg und hauptsächlich nur dieser die reale Grundlage des Einheitsbewußtseins Deutschlands noch heute ist, und daß dieser Grundlage nur das für Deutschland so segensreich gewordene Institut des Zollvereins auf dem wirthschaftlichen Gebiete zur Seite steht. Gehen wir nun weiter zur Prüfung des Kaiserlich Österreichischen Entwur­ fes einer Bundesreformacte in seinen Grundzügen und zu diesem Zwecke zur Vergleichung desselben mit den bisherigen Bundesverfassungsbestimmungen über, so ergeben sich uns zunächst als die characteristischen Unterschiede zwischen diesen folgende. Der Entwurf will dem Bunde höhere und weitere Zwecke prädiciren, als dies die bisherige Bundesverfassung that. Letztere bezeichnet als Zweck des Bundes „die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten“ (Art. 54 der Wiener Congreß-Akte, Art. 1 der Wiener Schlußacte); der Kai­ serlich Österreichische Entwurf dagegen, welcher in dieser Beziehung durch die Berathungen der Fürstenconferenz eine Änderung nicht erlitten hat, prädi­ cirt dem Bunde folgende Zwecke: 1. Wahrung der Sicherheit und Machtstellung Deutschlands nach Außen; 2. Wahrung der öffentlichen Ordnung im Innern; 3. Förderung der Wohlfahrt der deutschen Nation und Vertretung ihrer gemeinsamen Anliegen; 4. Schutz der Unverletzbarkeit und verfassungsmäßigen (d. i. bundesver­ fassungsmäßigen) Unabhängigkeit der einzelnen deutschen Staaten; 5. Schutz des öffentlichen Rechtszustandes in den einzelnen Staaten; 6.  Gemeinsamkeit der Gesetzgebung im Bereiche der dem Bunde verfassungsmäßig zugewiesenen Angelegenheiten; 7. Erleichterung der Einführung allgemeiner deutscher Gesetze und Ein­ richtungen im Bereiche der gesetzgebenden Gewalt der einzelnen Staaten.

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Es wird schon nach dieser Gegenüberstellung eines weiteren Beweises nicht bedürfen, daß dem rein staatenbundlichen Character des Bundes, wie ihn die bisherige Verfassung bestimmt festhielt und aussprach, bezüglich der staatlichen Zwecke, als: Schutz des Rechts und der Interessen nach Außen und Innen, und Gemeinsamkeit der Gesetzgebung in den wichtigeren Zwei­ gen des öffentlichen Lebens, der Bundes- oder vielmehr einheitsstaatliche Character mindestens der Idee und dem anzustrebenden Endziele nach substi­ tuirt werden soll. Dasselbe Princip drückt sich auch darin aus, daß dem Bun­ de und als solchem direct eine vollziehende (Art. 6 und 12) und eine oberst­ richterliche Gewalt (Art. 26) beigelegt wird. – Es kann hierbei füglichst außer Betracht bleiben, daß die Realisirung eines Theils jener obigen Zwecke und Ziele, nach der ursprünglichen Fassung der Art. 11 und Art. 24 des Entwurfs von der Übereinstimmung einer größeren Mehrzahl von Bundesgliedern, nach der von der Frankfurter Fürstenconferenz adoptirten Fassung von der Einstimmigkeit der Stimmen im Bundesrathe abhängig gemacht wird. Haben sich einmal die bis dahin unabhängigen deutschen Staaten zu einem Bundes­ staat mit jenen weitgreifenden Einheits-Zwecken und Zielen vereinigt, dann würde nur Mangel an Consequenz oder Bundestreue die Zustimmung zu al­ len zur Erreichung derselben erforderlichen Mitteln versagen lassen. Jeden­ falls aber würde, wenn man sich die Bundesverfassung im Einzelnen nach Maaßgabe der im Art. 1 des Entwurfs vorgesteckten Ziele2 ausgebaut und verwirklicht denkt, dem einzelnen Bundesstaate kaum ein wesentlich weiterer Wirkungskreis und eine weitere Bedeutung bleiben, als etwa einem der Kron­ länder im Österreichischen Kaiserreich, oder einer Provinz im Königreich Preußen; es würde aber auch bei einem derartigen Anstreben einer anschei­ nend auf Verwirklichung des abstracten Nationalitätsprincips gerichteten Ein­ heit eine Anomalie, ja eine Unmöglichkeit sein, einerseits der deutschen Na­ tion nicht angehörige Volksstämme, wie die Cechen, Mähren und Slovenen, die Slovaken und Romanen, die einen großen Theil der Bevölkerung der deutschen Bundesländer Österreichs bilden, dem deutschen Bunde einverleibt zu lassen und andererseits von deutschen Volksstämmen bewohnte Länder, die dem Bundesgebiet nicht angehören und unter der Botmäßigkeit von Bun­ desgliedern stehen, wie die deutschen zum Bunde nicht gehörigen Provinzen oder Provinztheile Preußens, den deutschen Theil Schleswigs u.s.w. von dem neu zu schaffenden Bundesstaate auszuschließen. Betrachten wir nun ferner die von dem Kaiserlichen Entwurfe in Aussicht ge­ nommenen Bundesorgane, nämlich Bundesdirectorium, Bundesrath, Versamm­ lung der Bundesabgeordneten, Fürstenversammlung und Bundesgerichtshof, ge­ genüber den jetzt bestehenden Bundes-Organen, so ergiebt sich Folgendes: 2 Emendiert. Vorlage: Zieles.

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An die Stelle der bisherigen engeren Bundesversammlung tritt mit derjeni­ gen Erweiterung des Machtumfanges, welche aus der Vertauschung des3 staaten­bundlichen mit dem bundesstaatlichen Grundcharacter des Bundes von selbst folgt, in allen wesentlichen Puncten das Bundesdirectorium, in wel­ chem Österreich, Preußen und Bayern je eine Virilstimme und die übrigen Bundesglieder nach dem ursprünglichen Entwurf 2, nach dem Frankfurter Amendement 3 Kuriat-Stimmen führen sollen. Dem Bundesrath dagegen, der seiner Zusammensetzung nach abgesehen von der Vermehrung der Stimmen­ zahl Österreichs und Preußens um je Eine, ganz der bisherigen engeren Bun­ desversammlung entspricht, verbleiben nur sehr unwesentliche Attribute. Die vollziehende Gewalt des Bundes soll lediglich dem Directorium zufallen, demselben liegt nach Art. 12 ob darüber zu wachen, daß der innere Friede in den einzelnen deutschen Staaten und der Frieden und die Eintracht zwischen diesen (Art. 9 und 10) nicht gefährdet werde, und es hat die dazu nöthigen Maaßregeln zu ergreifen; in seiner Hand liegt dem thatsächlichen Erfolge nach die Entscheidung über Krieg und Frieden; es hat seinerseits zu entschei­ den ob der Bund oder ein Theil desselben Seitens einer auswärtigen Macht mit einem feindlichen Angriffe bedroht ist und hat bei Bejahung dieser Frage alle durch die Umstände erforderten Vorsichts- und Vorbereitungsmaaßregeln selbstständig anzuordnen, also auch solche, die den wirklichen Krieg unver­ meidlich zu machen geeignet sind; nur bei einer förmlichen Kriegserklärung hat der Bundesrath mitzuwirken (Art. 8). – Das Directorium hat ferner in ­Bezug auf Streitigkeiten einzelner deutscher Staaten die durch die Art. 36 und 37 der Wiener Schlußakte der Bundesversammlung zugewiesenen Befugnisse auszuüben. Dem Directorium steht die Einberufung, Eröffnung, Vertagung, Auflösung, Schließung der Versammlung der Bundesabgeordneten zu, nur ­allein zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen derselben bedarf es der Zustimmung des Bundesraths; dasselbe hat die in der praktischen Tragweite höchstwichtige Aufgabe, die Gesammtheit der Bundesregierungen vor der Versammlung der Abgeordneten zu vertreten. – Das Directorium empfängt nun aber, sofern es sich nicht lediglich um Ausführung von Beschlüssen des Bundesraths und der Fürstenversammlung in der diesen vorbehaltenen, vor­ zugsweis [sic] nur auf das Gesetzgebungs- und Verfassungsgebiet beschränk­ ten Sphäre handelt (Art. 11 und 25), seine Instructionen nicht etwa von der Gesammtheit des Bundes, sondern die Bundesdirectorialmitglieder sind gleich denen des Bundesraths an die Weisungen ihrer Regierungen gebunden. Bundesrath und Fürstenversammlung bilden im Wesentlichen die Analogie zu der bisherigen Bundesplenarversammlung, nur daß die Bundesakte für die Beschlüsse dieser stets eine Stimmenmehrheit von 2/3, der Entwurf für die 3 Emendiert. Vorlage: der.

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Beschlüsse jener dagegen nur die einfache absolute Stimmenmehrheit als Re­ gel vorschreibt und daß die Stimm-Vertheilung und Bildung im Bundesrath wie in der Fürstenversammlung gerade eben so erfolgen soll, wie nach der bisherigen Verfassung in dem engeren Rath der Bundesversammlung. Für­ stenversammlung und Bundesrath verhalten sich zu einander wie eine Kör­ perschaft von Mandanten zu der der Mandatare; letztere tritt vorzugsweise bei den vorberathenden und einleitenden, erstere bei den sanctionirenden le­ gislatorischen oder sonstigen Entschließungen in Wirksamkeit. Als eigentli­ che Vertreter des Interesses der einzelnen Particularstaaten können beide Kör­ perschaften nur in so weit gelten, als die Stimmen in ihnen Viril- und nicht Kuriatstimmen sind, d. i. also nur für die Staaten der ersten 11 Kurien des bisherigen engeren Raths; für die übrigen Bundesglieder bleibt eine Vertre­ tung ihrer particularstaatlichen Berechtigungen und Interessen gar nicht be­ stehen, so weit sie nicht durch die in der Frankfurter Konferenz abgeänderte Fassung des Art. 11 wieder hergestellt wird, nach welcher nämlich Gesetz­ vorschläge, welche eine Abänderung der Bundesverfassung in sich schließen, oder auf Kosten des Bundes eine neue organische Einrichtung begründen sol­ len, oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes einen neuen, seither der Ge­ setzgebung der Einzelstaaten angehörigen Gegenstand überweisen, im Bun­ desrath nur mit Einhelligkeit genehmigt werden können. Beispielsweise wür­ den also etwanige [sic] Änderungen in der Bundeskriegsverfassung, sofern sie dem Bunde keine neuen Kosten verursachen, wie etwa Aufhebung der Reserve-Infanterie-Division pp. lediglich durch Majoritätsbeschlüsse des Bundesdirectoriums und des Bundesraths verfügt werden können. Wir vermögen hiernach weder in dem vorgeschlagenen Bundesdirectorium eine Garantie für eine einheitliche das Gesammtinteresse aller Theile gleich­ mäßig fördernde oberste Bundesleitung, noch in dem Bundesrath und der Fürstenversammlung eine Gewähr für eine gleichmäßige Wahrung berechtig­ ter particulärer Interessen zu erblicken. Der dem Bunde zugedachte bundesstaatliche Charakter hat ferner in dem Kaiserlichen Entwurfe consequenter Weise zu zwei neuen Bundesorganen ge­ führt, dem Bundesgericht und der Bundes-Abgeordnetenversammlung. Beide Institutionen würden wir, wenn wir die Umwandlung des deutschen Bundes in einen Bundesstaat für räthlich und möglich hielten, als den Anforderungen der Gegenwart vollkommen entsprechend, mit Freuden zu begrüßen haben, wir würden dann auch keinen so großen Werth darauf legen, daß es conse­ quenter sein möchte, die Bundes-Abgeordneten direct von dem Volke und nicht durch die nach ganz anderen Rücksichten, als denen des deutschen Ge­ sammtinteresses gewählten Landesvertretungen wählen zu lassen, wir wür­ den vielmehr der letzteren Wahlart, zumal wenn der erstmaligen Wahl eine Integralerneuerung der betheiligten Landesvertretungen vorausginge, den

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Vorzug geben, ja wir würden uns mit einem Offenlassen dieser Frage für die Einzelgesetzgebung befreunden können, da gerade in den allgemeinen natio­ nalen Fragen ein specifischer Unterschied zwischen den Ansichten der Lan­ desvertretungen und der weiteren öffentlichen Meinung kaum irgendwo ­bemerkbar geworden ist, dagegen müßten wir beide Institutionen für höchst bedenklich halten, wenn nicht gleichzeitig die innere Einheit und Stärke der Executive einerseits und die Möglichkeit der Geltendmachung berechtigter particulärer Interessen auf Seiten der kleineren Staaten andrerseits, mehr ver­ bürgt wäre, als dies in dem Directorium nach seiner Zusammensetzung und seiner Abhängigkeit von den vollmachtgebenden Specialregierungen bezie­ hentlich in der nach Kurien stimmenden Fürstenversammlung und dem Bun­ desrath der Fall ist. Vor Allem aber müssen wir unter den in der einleitenden Betrachtung hervorgehobenen realen Verhältnissen und von der dort nieder­ gelegten historischen und politischen Grundanschauung aus die Umwandlung des Deutschen Bundes zu einem Staatenvereine mit bundesstaatlichen Aufga­ ben und Zielpunkten und bundesstaatlicher Organisation überhaupt für prac­ tisch undurchführbar und deshalb jeden darauf abzielenden Versuch für un­ räthlich ansprechen. Wir halten vielmehr dafür, daß jedes Streben nach Revision der Gesammt­ verfassung des deutschen Bundes, wenn es überhaupt Aussicht auf positiven praktischen Erfolg haben soll, sich in sehr engen Grenzen zu bewegen und sich mehr die verfassungsmäßige Anerkennung des einmal gegebenen Dua­ lismus als die Negation desselben, so wie die Ermöglichung diesem Dualis­ mus und der auch in den übrigen deutschen Staaten vorhandenen Verschie­ denheit der realen Interessen Rechnung tragender Separatvereinigungen zum Zielpuncte zu nehmen, im Übrigen aber auf die factische Kraft und Macht des im Deutschen Volke allenthalben hervortretenden Gemeinsamkeitsbe­ wußtseins zu vertrauen habe. Eure Hoheit haben unter wesentlicher Billigung dieser Anschauungen und Erwägungsresultate Höchstsich an den Verhandlungen und Beschlußfassun­ gen der Frankfurter Fürstenconferenz, soweit dies Höchstdenselben aus Ge­ sundheitsrücksichten überhaupt gestattet war, nur in sehr beschränkter Weise betheiligt4 und dies auch Höchst Ihren hohen und höchsten Mitverbündeten durch Vermittelung der beiderseitigen, mit den auswärtigen Angelegen­ heiten betrauten in Frankfurt mitanwesenden Minister mittelst Note vom 22. bezüglich 24. August d. J. schon in einem frühen Stadium der Verhandlungen kund gethan. Das Schlußergebniß der Frankfurter Verhandlungen, das über­ 4 Der Herzog von Altenburg hatte nur an den ersten vier Sitzungen der Fürsten zwischen dem 17. und 24. August 1863 persönlich teilgenommen. In den folgenden sechs Sitzungen vom 25. August bis 1. September war er aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend.

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dies durch die inmittelst erfolgte Erklärung der Krone Preußen die Kraft einer wirklichen Vereinbarung bereits wieder verloren haben dürfte, kann, so sehr es auch ein hervorstehendes Zeugniß für die Opferbereitwilligkeit der Fürsten Deutschlands ablegt, nach unserer unmaaßgeblichen Ansicht keinen ausrei­ chenden Grund bieten, die von Euer Hoheit bis dahin festgehaltenen und der traditionellen Regierungs entsprechenden Anschauungen zu [v]er­ lassen.5 Eben so wenig möchte derzeit hierzu in den neueren, in den Grund­ anschauungen übrigens damit im Einklang stehenden Gegenvorschlägen des Königlich Preußischen Kabinets ein Anlaß zu finden sein, zumal da dieselben noch weit davon entfernt sein dürften, unmittelbar eine Einigung der sich wi­ derstreitenden Ansichten und Interessen herbeizuführen. Es dürfte vielmehr bei dem dermaligen Sachstande gerathen sein, daß Eure Hoheit Höchst Sich Ihren hohen Bundesgenossen gegenüber die weitere Erklärung bis dahin, wo festere Anknüpfungspunkte zu einer Verständigung zwischen den beiden deutschen Großmächten gewonnen sein werden, vorbehalten. Ob es in Euer Hoheit Intentionen liegen möchte, Höchstdero Bundesgenos­ sen etwa durch Mittheilung des gegenwärtigen Berichts im Wege ministeriel­ ler Noten von den diesseits obwaltenden Anschauungen nähere Kenntniß zu geben, darüber haben wir lediglich Euer Hoheit gnädigster Eröffnung entge­ genzusehen, die wir in tiefster Ehrerbietung beharren Euer Hoheit unterthänigstes Ministerium (gez.) v. Larisch. K. Pierer.6 Sonnenkalb.7   Frankfurt am Main, 1. Oktober 1863 

85. Artikel in der Frankfurter Postzeitung

Frankfurter Postzeitung Nr. 504 v. 1. Oktober 1863, Abends.

Die große Mehrheit der deutschen Regierungen strebt nach einer Neubelebung des Staatenbundes, doch Preußen verweigert dabei jede Mitwirkung. Die preußische Handlungsweise ist unmoralisch und widerrechtlich. Die bundestreuen Regierungen sollen jedoch den Bruch mit Preußen vermeiden, weil dies zum Bürgerkrieg führen würde. 5 In allen Vorlagen steht: „und der traditionellen Regierungs entsprechenden Anschauungen zu erlassen.“ 6 Karl Pierer (1802–1882), 1849–1882 Mitglied des Staatsministeriums von Sachsen-Altenburg; Schwabe (Hrsg.), Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, S. 274. 7 Carl Victor Sonnenkalb (1814–1869), Notar, Hofadvokat und Geheimer Staatsrat, 1848–1853 Vorsitzender des Gesamtministeriums von Sachsen-Altenburg, 1855–1863 Leiter des Finanz­ departements; Best/Weege (Hrsg.), Biographisches Handbuch, S. 323 f.

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Artikel in der Frankfurter Postzeitung

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Frankfurt am Main, 1. Oktober 1863 Die preußische Ablehnung und das Bundesrecht. Uebereinstimmend mit ihren Bevölkerungen strebt die große Mehrheit der deutschen Bundesregierungen nach Neubelebung des Staatenbundes. Während Preußen dieses Bedürfniß anerkennt und es sich in der letzten ministeriellen Staatsschrift sogar zum Verdienst anrechnet, bei jeder Gelegen­ heit und schon vor 1848 zu einer dem nationalen Bedürfniß entsprechenden Ausbildung der Bundesverhältnisse Anregung gegeben zu haben – verweigert es jede Mitwirkung zu Erreichung solchen Ziels. Die preußische Regierung findet sich nicht einmal bewogen, mit eigenen Gegenvorschlägen aufzutreten. Negirend, hinhaltend, geradezu feindlich ist die Stellung, welche sie zu dieser Frage genommen hat. Daß ein solches Gebahren den Satzungen des Bundesrechts diametral wi­ derstreitet, kann doch wohl einer Ausführung nicht bedürfen. In jeder Asso­ ciation ist es erste Rechtspflicht, daß die Genossen zur Erreichung des Ge­ sellschaftszwecks alle Anstrengungen einsetzen und im Thun wie im Lassen nichts versäumen, was die Förderung der gesellschaftlichen Wohlfahrt erzie­ len und erleichtern kann. Ein Bundesgenosse, welcher zur Erreichung der Zwecke der Gemeinschaft seine geistige oder materielle Mitwirkung ver­ weigert und von Reformen nichts wissen will, ohne welche doch seinem ei­ genen Geständniß nach die Association zerfallen muß, handelt nicht nur un­ moralisch, sondern widerrechtlich. Er verletzt das Recht des Bundes. Wenn er aber sogar nach Auflösung der Föderation und Ausdehnung seiner eigenen Machtverhältnisse auf Kosten der schwächeren Verbündeten strebt, so liegt hier ein Bruch des Bundesvertrags vor, wie er schwerer nicht gedacht wer­ den mag. In den Verhältnissen aller Associationen – mögen sie sich nun auf politi­ sche, wirthschaftliche, wissenschaftliche oder rein gesellige Zwecke beziehen – haben sich über das, was in solchen Fällen Rechtens ist, feste Regeln aus­ gebildet. Der Grundsatz ist unbestrittener und unentbehrlicher Theil alles ­Genossenschaftsrechts, daß dem pflichtwidrig handelnden Genossen die ­Mitgliedschaft gekündigt wird. Er bedarf gar keiner geschriebenen positiven Normirung, sondern liegt im Grundbegriffe des Verhältnisses, da er eine Le­ bensbedingung jeder Association bildet und kein Verein bestehen kann, wenn einzelne Gesellschafter als Gegner der Association und des Vereinszweckes auftreten. Es möchte sich daher der Satz hinreichend begründen, daß der am Bund und dessen Zwecken haltende Theil der Genossen rechtlich befugt er­ Gms1

1 Kürzel des Redakteurs.

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scheint, die Ausscheidung der bundeswidrig handelnden Glieder zu verlan­ gen, eine Forderung, welche mit dem Begriff der „Unauflöslichkeit des Bun­ des“ keineswegs collidirt. Der Bund bleibt bestehen, und nur einzelne Genos­ sen werden zum Austritt bestimmt. Dennoch erscheint die Frage, ob Preußen vom deutschen Staatenbunde ausgeschlossen werden kann, als eine völlig unpraktische. Zerwürfnisse der Staaten, welche aus den Differenzen ihrer Regierungen entstehn, sind vor­ übergehend und heilbar. Aber ein Act, wodurch ganze Staaten und Bevölke­ rungen in ihrem Denken und Fühlen schwer betroffen werden, würde eine Kluft hervorrufen, welche sich auch im Laufe langer Jahre nicht würde aus­ füllen lassen. Er wäre das erste Signal zum Bürgerkrieg, bei welchem er der Regierung den Haß und die Sympathien des preußischen Volkes als Bundes­ genossen zuführen würde. Ein solcher äußerster Schritt wäre für beide Thei­ le um so gefahrvoller, als freilich Preußen die übrigen Genossen nicht zu hindern vermöchte, die Exclusion zu beschließen und ihre föderativen Be­ rathungen und Beschlüsse demnächst ohne Zuziehung Preußens fortzuset­ zen – wohl aber ohne positive Bestimmungen des Bundesrechts nicht seines Antheils am Bundeseigenthum für verlustig erklärt werden kann, wohin ­namentlich die Bundesfestungen gehören, in deren Mitbesitz es sich sogar befindet. Liegen ferner, wie wir zu zeigen versucht haben, wesentliche Hindernisse einer bundestreuen Politik in den eigenthümlichen Verhältnissen des jetzigen preußischen Staatslebens und sind diese gewiß nur vorübergehender Natur – fordert endlich die Natur der Verhältnisse, welche stärker ist, als der üble Wil­ le der Staatsmänner, vom Staate Preußen gebieterisch die Rückkehr auf die Bahnen der Verständigung mit Deutschland, so kann und darf der Staaten­ bund nicht mit diesen äußersten Schritten vortreten. Das Mittel der Heilung wäre schädlicher als das Uebel selbst. Wir vertrauen der erprobten Einsicht der deutschen Regierer, daß sie den rechten Weg finden und mannhaft einschlagen werden. Ist aber die Stimme wissenschaftlicher Forschung berechtigt, ihr bescheidenes Votum abzugeben, so wird es erlaubt sein, den Wunsch auszusprechen, daß ein Bruch auf Leben und Tod mit der zweiten deutschen Großmacht vermieden werden möge, ja sogar jede herausfordernde Stellung der Feindschaft. Den bundestreuen Re­ gierungen stehn Kräfte und Mittel genug zu Gebote, um ohne Verletzung der Grundlagen des Bundesrechts und förmlichen Bruch mit Preußen die aus dem jetzigen Zustand entspringenden Gefahren von der Nation abzuwenden.

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Bundesexekution gegen Dänemark

Nr. 86

86. Bundesbeschluß zur Einleitung einer Bundesexekution gegen Dänemark

ProtDBV 1863, S. 440–444. Druck in: Staatsarchiv, Bd. 5, S. 421–425; Huber (Hrsg.), Doku­ mente, Bd. 2, S. 182 f. (nur Beschluß).

Die Bundesversammlung beschließt eine Bundesexekution gegen Dänemark, um den Bundesbeschlüssen in den Herzogtümern Holstein und Lauenburg Geltung zu verschaffen. Mit der Exekution werden die Regierungen von Preußen, Österreich, Sachsen und Hannover beauftragt. Sachsen und Hannover sollen je einen Zivilkommissar bestellen, die im Auftrag des Deutschen Bundes die Verwaltung der Herzogtümer übernehmen.

29. Sitzung

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§ 228. Verfassungsangelegenheit der Herzogthümer Holstein und Lauenburg. (28. Sitz. § 218 v. J. 1863). Präsidium eröffnet die Abstimmung über die von den vereinigten Ausschüs­ sen1 in der letzten Sitzung (Prot. § 218) eingebrachten Anträge bezüglich der Holstein-Lauenburgischen Verfassungsangelegenheit.2 1 Als „vereinigte Ausschüsse“ wurden der Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfas­ sungsangelegenheit und der Exekutionsausschuß bezeichnet. Ersterer war am 29. Oktober 1857 beschlossen und am 5. November 1857 eingesetzt worden, Mitglieder waren die Bundes­ tagsgesandten von Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg und Kur­ hessen, Stellvertreter waren die Gesandten von Mecklenburg und Baden. Berichterstatter war der bayerische Bundestagsgesandte. Der Exekutionsausschuß war als permanentes Gremium aufgrund der Exekutionsordnung von 1820 eingerichtet worden und hatte die Aufgabe, die Beachtung und Durchführung der Bundesgrundgesetze und Bundesbeschlüsse zu überprüfen. Auf der Grundlage der Berichte des Exekutionsausschusses konnte die Bundesversammlung förmliche Exekutionsverfahren beschließen, wie dies auch in der Frage der Herzogtümer Hol­ stein und Lauenburg geschah. Die Mitglieder des Exekutionsausschusses waren 1858 neu ge­ wählt worden, danach gehörten dem Ausschuß die Bundestagsgesandten von Österreich, Preu­ ßen, Bayern, Sachsen und Württemberg an, Stellvertreter waren die Gesandten von Hannover und Baden. Den „vereinigten Ausschüssen“ gehörten demnach die Vertreter von Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg und Kurhessen an. Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zu deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 116; ProtDBV 1857, S. 630–634, 787; ProtDBV 1858, S. 182. 2 Die staatsrechtliche Stellung der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg hatte schon mehrfach Anlaß zu kontroversen Verhandlungen in der Bundesversammlung gegeben. Im Sommer 1863 wurde das Problem wieder akut, weil die dänische Regierung erneut Schritte einleitete, um das Herzogtum Schleswig in den dänischen Gesamtstaat einzugliedern, was ­indessen die staatsrechtliche Trennung Schleswigs vom Herzogtum Holstein, das dem Deut­ schen Bund angehörte, bedeutet hätte. Dies lief zum einen dem alten Grundsatz zuwider, ­wonach die Herzogtümer „up ewig ungedeelt“ sein sollten, zum anderen erblickte die deutsche

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Frankfurt am Main, 1. Oktober 1863

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Oesterreich, Preussen und Bayern: treten den Anträgen bei. Königreich Sachsen. Die Königliche Regierung stimmt den Ausschußan­ trägen zu, wünscht aber 1) daß den mit der Execution zu beauftragenden Regierungen Vorschüsse aus der Matrikularcasse zu Bestreitung der Kosten gewährt werden, 2) daß die rechtzeitige Aufstellung der Reserve gesichert werde, und 3) daß auch eine Ablösung der Königlich-Sächsischen und Königlich-­ Hannöverischen Truppen durch Truppen anderer Contingente für den Fall vorbehalten werde, wenn die Dauer der Besetzung sich längere Zeit ­hinziehen sollte. Hannover. Die Königliche Regierung stimmt den Anträgen der vereinigten Ausschüsse bei, jedoch nur unter folgenden Voraussetzungen: erstens, daß in der Verständigung, welche die vier mit der Execution beauftragten allerhöch­ sten Regierungen über die Art und Weise der Bereithaltung und Heranzie­ hung von Reserven abschließen, eine genügende Sicherstellung der kleinen Truppe verabredet werde, die nach den Anträgen der Ausschüsse in die Her­ zogthümer Holstein und Lauenburg einrücken soll; zweitens, daß, wenn zu der Zeit, wo die Execution ausgeführt werden soll, die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, die Königlich-Dänische, Herzoglich-Holsteinische-Lauenbur­ gische Regierung werde der Execution Widerstand entgegenstellen, dann die Execution nicht von Sachsen und Hannover allein unmittelbar ausgeführt werde, sondern auch Oesterreich und Preussen ein gleichmäßiges Contingent zu den einrückenden Truppen stellen; drittens, daß die Kosten für die Mobil­ machung und Verwendung der Truppen, welche zur Execution und Reserve bestimmt werden, nicht von den mit der Execution beauftragten Regierungen vorgeschossen, sondern durch Vorschüsse aus der Bundes-Matrikularcasse gedeckt werden. Württemberg. Die Königliche Regierung ist mit dem Antrage auf Verfü­ gung der Bundesexecution überhaupt und eventuell auch mit den vorgeschla­ genen Modalitäten derselben einverstanden; in erster Linie stimmt sie jedoch, Nationalbewegung in der dänischen Politik den Versuch, deutsche Gebiete in den dänischen Staat einzugliedern und damit die Rechte und Interessen der deutschen Nation zu verletzen. Die Bundesversammlung sah in dem dänischen Vorgehen einen Verstoß gegen das Bundes­ recht und drohte schon im Sommer 1863 mit einer Bundesexekution in Holstein für den Fall, daß Dänemark damit fortfuhr, die bestehende verfassungsrechtliche Stellung des Herzogtums zu verändern. In dem Ausschußgutachten vom 19. September 1863, das dem hier edierten Bundesbeschluß zugrunde lag, war beantragt worden, eine Bundesexekution gegen die däni­ sche Regierung in Holstein zu beschließen, um die Bundesbeschlüsse in Holstein durchzuset­ zen; ProtDBV 1863, § 218, S. 424–430; Überblick über die komplizierten Entwicklungen in der Schleswig-Holstein-Frage bei Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 450–515. Allgemein: Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins.

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Bundesexekution gegen Dänemark

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um den Zweck der Maßregel genügend zu sichern, dafür, daß die Zahl der zu Besetzung der Herzogthümer Holstein und Lauenburg bestimmten Bundes­ truppen bedeutend höher gegriffen werde, als die vereinigten Ausschüsse dieß beantragt haben. Baden. Die Großherzogliche Regierung hat bereits in ihrer am 9. Juli d. J. in der 22. Sitzung der hohen Bundesversammlung abgegebenen Erklärung3, womit sie ihre von den Anträgen der vereinigten Ausschüsse abweichende Abstimmung begründete, sich dahin ausgesprochen, daß sie von Verfolgung des damals in Aussicht genommenen Executionsverfahrens auf der Basis von Grundlagen, welche Dänemark ferner anzuerkennen verweigert hat, keinerlei irgend wünschenswerthen Erfolg für das künftige Loos der deutschen Her­ zogthümer vorauszusehen vermöge. Von dem Beharren auf dem Wege einer in dem Herzogthum Holstein sich vollziehenden Execution vermag die Großherzogliche Regierung auch jetzt nicht die Erreichung eines für das Interesse der Herzogthümer segensreichen Resultates oder die endliche Gestaltung einer dem deutschen Rechte entspre­ chenden Ordnung der politischen Verhältnisse der Herzogthümer zu erhoffen. Fest in ihrer damals ausgesprochenen Ueberzeugung, die hervorging aus ernster Erwägung der bestehenden politischen Zustände des Gesammtvater­ landes, wie der rechtlichen Lage der mit Dänemark schwebenden Streitfrage, kann die Großherzogliche Regierung, trotz der erneuerten Weigerung und selbst drohenden Hinweisungen der mit ihrer bundesrechtlichen Stellung im Widerstreite befindlichen Königlich-Herzoglichen Regierung, der Einleitung des Executionsverfahrens gegen dieselbe nicht zustimmen. Dagegen erachtet sie durch die Seitens der Königlich-Herzoglichen Regie­ rung stattgefundene beharrliche, auf ergangene Aufforderung fortgesetzte Mißachtung vertragsmäßiger Verbindlichkeit nunmehr den Deutschen Bund und die ihn bildenden deutschen Bundesstaaten auch ihrerseits für frei von allen durch die Vereinbarungen von 1851 und 1852 und die darauf gegründe­ ten Ordnungen4 für sie geschaffenen Verpflichtungen. 3 ProtDBV 1863, S. 338 f. Am 9. Juli 1863 hatte die Bundesversammlung über den am 18. Juni 1863 von den Vereinigten Ausschüssen für die Schleswig-Holsteinische Frage erstatteten Be­ richt abgestimmt. Siehe dazu ProtDBV 1863, S. 237–262 (18. Juni), 338–352 (9. Juli). Druck der Bundestagsverhandlungen in: Staatsarchiv, Bd. 5, S. 218–245, 256–271. 4 Die badische Regierung bezieht sich auf die internationalen Vereinbarungen über die Schles­ wig-Holstein Frage, die auf den Londoner Konferenzen der europäischen Großmächte abge­ schlossen worden waren: das erste Londoner Protokoll vom 4. Juli 1850 sowie das zweite Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852. Druck in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 602–604, 610 f. – Die Londoner Protokolle wurden vom Deutschen Bund, der daran nicht beteiligt war, nicht anerkannt, ebenso hielten viele Einzel­ staaten die Regelungen nicht für verbindlich.

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Sie erkennt ihrerseits nur noch in dem unveränderten alten, in den Europä­ ischen Verträgen vielfach sanctionirten Rechte die ferner bestehende Grund­ lage des Staatsrechts der Herzogthümer und dessen künftiger Entwicklung. – Sie betrachtet dieses Recht wiederhergestellt in allen seinen Theilen für das Verhältniß der beiden Herzogthümer Holstein und Schleswig unter sich für die gegenwärtigen und künftigen Beziehungen derselben zu dem Deutschen Bunde und vor Allem in Betreff der legitimen in den Herzogthümern allein geltenden Erbfolgeordnung des Herzoglichen Hauses. Mit dieser ihrer Erklärung verbindet die Großherzogliche Regierung aber den wiederholten Ausdruck ihrer Bereitwilligkeit, an Maßregeln, die von der Mehrheit ihrer Bundesgenossen beschlossen werden, die ihr zufallende Mit­ wirkung nach allen ihren Kräften zu leisten, wie auch zu jeglicher Abwehr der Vergewaltigung deutschen Rechtes die Hand zu bieten. Kurhessen und Großherzogthum Hessen: stimmen den Anträgen zu. Dänemark wegen Holstein und Lauenburg. Der substituirte Gesandte muß sich, unter Zurückbeziehung auf die früher und zwar insbesondere in der Sitzung vom 27. August d. J. auf Anlaß des Bundesbeschlusses vom 9. Juli d. J. Namens der Königlichen Regierung abgegebenen Erklärungen und Verwahrungen, etwa für erforderlich erachtete weitere Darlegung des von der Königlichen Regierung in der obschwebenden Angelegenheit einge­ nommenen Standpunktes vorbehalten, auch alle Rechte und die freie Ent­ schließung Seiner Majestät des Königs wie im Allgemeinen, so auch ­namentlich gegen die Consequenzen der in der Sitzung vom 19. v. M. ein­ gebrachten Ausschußanträge ausdrücklich reserviren, ist übrigens aber an­ gewiesen, sich für jetzt, was die betreffenden Anträge selbst angeht, der ­Abstimmung zu enthalten. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte ist angewie­ sen, gegen die Anträge des Ausschußberichtes zu stimmen. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der substituirte Ge­ sandte stimmt den Anträgen zu und behält wegen mangelnder Instruction der Herzoglich-Sachsen-Coburg-Gothaischen Regierung eventuell eine Erklärung vor. Braunschweig und Nassau, sowie Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz: treten den Anträgen bei. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte hat den Anträgen zu­ zustimmen und für Oldenburg dabei wie folgt sich auszusprechen: Obwohl die Großherzoglich-Oldenburgische Regierung mit der 15. Curie in der Bundestags-Sitzung vom 9. Juli d. J. gegen die Anträge vom 18. Juni gestimmt hat und nicht in der Lage sich befindet, ihre damals ausführlich vor­ getragenen Bedenken gegen dieselben fallen zu lassen, erachtet sie es den­ noch für ihre Pflicht, auf Grund des einmal gefaßten Beschlusses vom 9. Juli

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ein möglichst einmüthiges Handeln aller Bundesregierungen auch ihres ­Theils bereitwillig zu fördern. Darum nimmt sie keinen Anstand, nunmehr dem auf Beschließung des Executionsverfahrens gerichteten Antrage der vereinigten Ausschüsse zuzustimmen. Indessen scheint es ihr bei der gegenwärtigen Sachlage nothwendig, zugleich die Möglichkeit näher in Betracht zu ziehen, welche durch die Erklärung der Königlich-Dänischen Regierung vom 27. Au­ gust d. J. angezeigt ist, daß der Vollzug der Bundesexecution von der Krone Dänemark als Anlaß ergriffen werde zur Eröffnung eines Krieges gegen den Deutschen Bund. Es behält sich daher die Großherzogliche Regierung vor, einen auf diesen Fall gerichteten besonderen Antrag hoher Bundesversamm­ lung zu unterbreiten. Die Fürstlich-Schwarzburg-Sondershausensche Regierung schließt sich der Großherzoglich-Oldenburgischen an. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Homburg. Der Gesandte stimmt den Anträgen bei und hat sich für Reuß jüngerer Linie auf frühere in dieser Angelegenheit zu Protokoll gegebene Erklärungen zurückzubeziehen. Freie Städte. Der Gesandte tritt den Anträgen bei. Hierauf erfolgte nachstehender Beschluß: I. die Königlich-Dänische, Herzoglich-Holstein-Lauenburgische Regierung hat ihre bundesmäßigen Verpflichtungen bezüglich der Verfassungsverhältnis­ se der Herzogthümer Holstein und Lauenburg nicht erfüllt, und insbesondere dem Bundesbeschlusse vom 9. Juli d. J. durch ihre Erklärung vom 27. August d. J. nicht Folge geleistet; es ist daher nunmehr das geeignete Executionsver­ fahren zu beschließen, um die Ausführung der Bundesbeschlüsse vom 11. Fe­ bruar und 12. August 1858, vom 8. März 1860, vom 7. Februar 1861 und 9. Juli 18635, soweit dieselbe nicht bereits stattgefunden hat, in den genann­ ten beiden Herzogthümern herbeizuführen; II. der Auftrag zur Vollziehung ist an die Kaiserlich-Oesterreichische, die Königlich-Preussische, die Königlich-Sächsische und die Königlich-Hannö­ verische Regierung zu ertheilen, und zwar sind 1) die höchsten Regierungen von Sachsen und Hannover zu ersuchen je einen Civilcommissär zu ernennen, welche eintretenden Falles nach der ihnen dieserhalb von der Bundesversammlung zu ertheilenden Instruction das Execu­tionsverfahren zu leiten und demzufolge, bis zur vollständigen Errei­ chung des ad I bezeichneten Executionszweckes, im Auftrage des Deutschen 5 ProtDBV 1858, S. 166 f., 999 f.; ProtDBV 1860, S. 132 f.; ProtDBV 1861, S. 59; ProtDBV 1863, 349 f.

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Bundes die Verwaltung der Herzogthümer Holstein und Lauenburg anstatt und im Namen des Königs-Herzogs, unbeschadet der nur zeitweise sistirten Rechte Desselben, zu führen haben würden und 2) dieselben höchsten Regierungen zu veranlassen, den Civilcommissären eine Truppenabtheilung von etwa 6000 Mann, in zwischen ihnen zu verabre­ dender Zusammensetzung, beizugeben, zugleich aber auch die höchsten Re­ gierungen von Oesterreich und Preussen zu ersuchen, in Gemeinschaft mit denen von Königreich Sachsen und Hannover zur sofortigen Unterstützung der gedachten Truppenabtheilung im Falle thatsächlichen Widerstandes gegen die Executionsvollstreckung überlegene Streitkräfte bereit zu halten; III. von diesem Beschlusse ist der Königlich-Herzoglichen Regierung auf Grund des Artikels IV der Executionsordnung6 durch ihren Herrn Gesand­ ten Mittheilung zu machen und zugleich an dieselbe unter motivirender Hin­ weisung auf den Ausschußvortrag vom 18. Juni d. J., den Bundesbeschluß vom 9. Juli d. J. und den dem gegenwärtigen Beschlusse zu Grunde liegen­ den Ausschußvortrag die Aufforderung zur Folgeleistung und Anzeige da­ rüber binnen drei Wochen zu richten; IV. von diesem Beschlusse sind die höchsten Regierungen von Oesterreich, Preussen, Sachsen und Hannover durch ihre Herren Gesandten mit dem Er­ suchen in Kenntniß zu setzen, daß sie alles Nöthige der Art vorbereiten ­möchten, um die beschlossenen Maßregeln auf die nächste Aufforderung der Bundesversammlung sofort in Vollzug setzen zu können.   Vereinbarungen für einheitlichen Patentschutz 

87. Vereinbarungen über einen einheitlichen Patentschutz im Deutschen Bund

ProtDBV 1863, S. 489–499.

Der Bund formuliert einheitliche Regelungen für die Erteilung von Patenten und die gegenseitige Geltung der Patente.

Frankfurt am Main, 8. Oktober 1863 Beilagen 1 und 2 zu § 237 des Protokolls der 30. Sitzung der Deutschen Bundesversammlung vom 8. October 1863.

6 Exekutionsordnung des Deutschen Bundes vom 3. August 1820; ProtDBV 1820, S. 222–225; Druck: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 116–119.

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Beilage 1. A. Vereinbarung über die bei Gewährung des Patentschutzes für Erfindungen zu beobach­ tenden allgemeinen Bestimmungen. Gegenstand des Patentschutzes. §. 1. Gegenstand des Patentschutzes sind: Erzeugnisse, Erzeugungsmittel und Verfahrungsweisen, sowie Verbesserungen an solchen, vorausgesetzt, daß diesel­ ben zur Zeit der Anmeldung (§§. 6 und 10) noch neu sind. Als neu ist nicht anzusehen, was schon 1) im Bereiche eines der contrahirenden Staaten entweder ohne dort durch ein Patent geschützt zu sein, ausgeführt, oder gangbar oder auf irgend eine andere Weise bekannt ist (§. 26); 2) in einem anderen Staate ohne Geheimhaltung ausgeführt, gangbar oder sonst allgemeiner bekannt ist; 3) durch ein veröffentlichtes Druckwerk des In- oder Auslandes dergestalt beschrieben oder dargestellt ist, daß darnach durch jeden Sachverstän­ digen die Ausführung erfolgen kann. §. 2. Ausgenommen von dem Patentschutze sind: a) Naturproducte; b) wissenschaftliche und technische allgemeine Sätze ohne vorliegende bestimmte Form der Ausführung; c) Erzeugnisse der Literatur und der bildenden Künste; d) Formen der äußeren Gestalt und Verzierung (Muster, Modelle); e) Gegenstände, deren Ausübung gegen die guten Sitten oder die Landes­ gesetze verstößt. §. 3. Den einzelnen Staaten bleibt vorbehalten, Nahrungsmittel, Getränke und Arz­ neien von dem Patentschutze auszuschließen. Personen, welchen Patentschutz gewährt wird. §. 4. Der Patentschutz wird gewährt sowohl physischen als juristischen Personen, auf Verlangen auch Firmen oder Erwerbsgesellschaften.

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§. 5. Jeder contrahirende Staat verpflichtet sich, die Angehörigen der anderen Ver­ tragsstaaten in Bezug auf Patentschutz den eigenen gleich zu behandeln (vgl. jedoch §. 9). Die Ausdehnung vorstehender Bestimmung auf Personen, welche keinem der Vertragsstaaten angehören, bleibt den einzelnen Staaten überlassen. Vorbedingungen des Patentschutzes. §. 6. Wer auf Patentschutz Anspruch macht, hat bei der dazu bestimmten Behörde schriftlich darum anzusuchen. Die Patentgesuche (Anmeldungen) müssen enthalten: 1) die allgemeine, aber bestimmte Bezeichnung des Gegenstandes; 2) die Angabe der Dauer, für welche das Patent gewünscht wird; 3) die Erklärung, ob die Urkunde auf Namen oder Firma ausgestellt wer­ den soll; 4) die Erklärung, ob Geheimhaltung der Patentbeschreibung nebst Beila­ gen verlangt wird, oder nicht. Das Patentgesuch ist mit Namen (Vor- und Zunamen, beziehungsweise Fir­ ma) und Wohnort des Ansuchenden zu unterzeichnen. §. 7. Dem Patentgesuche ist unter besonderem Verschlusse eine Beschreibung bei­ zufügen, welche den Gegenstand, für welchen der Patentschutz begehrt wird, vollständig und deutlich dergestalt darzulegen hat, daß darnach durch jeden Sachverständigen die Ausführung erfolgen kann, und in welcher die Punkte, welche als neu in Anspruch genommen werden, bestimmt hervorzuheben sind. Soweit dieß zur Deutlichkeit nöthig ist, sind der Beschreibung Abbildun­ gen, Modelle oder Probestücke, ebenfalls verschlossen, beizufügen. Die Beschreibung ist eben so zu unterzeichnen wie die Anmeldung. Auf den äußeren Umhüllungen sind Beschreibung und sonstige Beilagen ebenfalls mit dem Namen und Wohnort des Ansuchenden und dem Patentge­ genstande zu bezeichnen. §. 8. Gegenstände, welche nicht als zusammengehörige Theile einer Erfindung be­ trachtet werden können, müssen getrennt angemeldet und auch in den Be­ schreibungen getrennt gehalten werden.

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§. 9. Die Bestimmungen darüber, ob von auswärtigen Ansuchenden die Stellung eines im Inlande wohnenden Bevollmächtigten gefordert werden soll, bleibt den einzelnen Staaten überlassen. Patentertheilung. §. 10. Die Anmeldungsbehörde ist verpflichtet, dem Ansuchenden über jedes den Vorschriften im §. 6 entsprechende und mit den im §. 7 vorgeschriebenen Beilagen versehenen Patentgesuch einen Empfangschein auszustellen, wel­ cher Tag und Stunde der Anmeldung, Namen (§. 6) und Wohnort des An­ suchenden, den Gegenstand der Erfindung und die Stückzahl der Beilagen zu enthalten hat. Mangelhafte Patentgesuche sind ohne Ertheilung eines Scheines zur Ver­ vollständigung und Verbesserung zurückzugeben. §. 11. Zur Eröffnung des Verschlusses einer Patentbeschreibung und ihrer Beilagen sind nur die zur Prüfung (§. 12) oder zur Patentertheilung und im Falle eines Streites die zu dessen Verhandlung oder Entscheidung zuständigen Behörden berechtigt. §. 12. Die zur Prüfung befugte Behörde hat nach Oeffnung der Beilagen sich ohne Zeitverlust zu überzeugen, ob Gesuch und Beilagen in ihrem Inhalte überein­ stimmen und ob die Beschreibung den im §. 7 aufgestellten Erfordernissen entspricht. Ist dieß nicht der Fall, so wird das Gesuch nebst Beilagen zur Ver­ besserung zurückgegeben. Erfolgt die Zurückgabe, weil die Beschreibung nicht den im ersten Absatze des §. 7 enthaltenen Vorschriften entspricht, so gilt erst der Zeitpunkt der Einreichung der vervollständigten Beschreibung als Anmeldungszeit. §. 13. Ergibt sich bei der Prüfung, daß der Gegenstand des Gesuches unter eine der in den §§. 2 und 3 aufgeführten Ausnahmen gehört, so wird das Gesuch ­sofort zurückgewiesen. §. 14. Eine Prüfung der Neuheit und Nützlichkeit des Gegenstandes findet nicht statt. §. 15. Sind die Bedingungen der Patentertheilung §§. 6–8 erfüllt und liegen gegen dieselbe keine in den §§. 2 und 3 bezeichneten Anstände vor, so wird dem

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Ansuchenden von der dazu bestimmten Behörde eine Patenturkunde ausge­ stellt, welche den Namen (§. 6) und Wohnort des Patentinhabers, eine kurze und bestimmte Bezeichnung des Gegenstandes, die Anmeldungszeit (§§. 10 und 12) und die Dauer des Patentes enthält. Hinsichtlich der Bezeichnung des Patentgegenstandes ist die Behörde nicht an dieselben Ausdrücke gebunden, welche in dem Patentgesuche gebraucht sind. Auf der Urkunde sind die gesetzlichen Bestimmungen über Umfang des Patentschutzes, über die Gründe der Nichtigkeit und über das Erlöschen von Patenten, sowie über die zu erlegenden Taxen abzudrucken. §. 16. Den einzelnen Regierungen bleibt vorbehalten, bei Aushändigung der Urkun­ de den Patentinhabern nach Maßgabe von §. 35 solche Bedingungen vorzu­ schreiben, deren Nichtbefolgung die Untersagung der Ausübung des Patentes zur Folge haben würde. §. 17. Ueber Gegenstände, welche nach §. 8 nicht in einer Anmeldung und Be­ schreibung zusammengefaßt werden dürfen, können auch nur besondere ­Urkunden ausgestellt werden. Obliegenheiten der Patentbehörden. §. 18. Längstens binnen vierzehn Tagen nach Ausfertigung der Patenturkunde ist die Ertheilung des Patentes von Amtswegen öffentlich bekannt zu machen. In der Bekanntmachung sind Name (§. 6) und Wohnort des Inhabers, der Gegenstand, wie er in der Urkunde bezeichnet ist, der Tag der Ausstellung und die Dauer des Patentes anzugeben, und ist, wenn die Beschreibung nicht geheim gehalten werden soll, dieser Umstand zu erwähnen. Die contrahirenden Staaten werden sich vierteljährlich Verzeichnisse der verliehenen Patente mittheilen. In gleicher Weise ist die Verlängerung, die Nichtigkeitserklärung (§§. 24 und 25) und das Erlöschen (§. 27, Ziffer 2, 3 und 4) von Patenten bekannt zu machen und mitzutheilen. §. 19. Ueber die ertheilten Patente ist ein Register zu halten, aus welchem außer den in die Bekanntmachung aufzunehmenden Rubriken auch die Anmeldungszeit (§§. 10 und 12) ersichtlich sein muß. Die Einsicht dieses Registers steht Jedermann frei.

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§. 20. Patentbeschreibungen und Beilagen sind unter gehöriger Controle aufzu­ bewahren und wenn sich der Patentberechtigte nach §. 6 für Geheimhaltung erklärt hat, gegen Jedermann, mit Ausnahme der zu deren Einsichtnahme ­berechtigten Beamten und Sachverständigen, geheim zu halten. Nach der Nichtigkeitserklärung oder dem Erlöschen eines Patentes hört diese Verpflichtung zur Geheimhaltung auf. §. 21. Jeder Patentbehörde steht frei, in welcher Weise sie die nicht oder nicht mehr geheim zu haltenden Beschreibungen veröffentlichen oder sonst zugänglich machen will. Patentdauer. §. 22. Patente sollen auf keine längere Dauer als fünfzehn Jahre ertheilt werden. Die Patentdauer ist vom Datum der Patenturkunde an zu berechnen. Jedem Staate steht frei, zu bestimmen, ob Patente für kürzere Zeit ertheilt werden können, und ob alsdann die ertheilten Patente durch Verlängerung bis auf die längste zulässige Dauer auszudehnen, oder ob die Urkunden stets auf die längste zulässige Dauer in der Art auszustellen sind, daß die Patente durch Nichtzahlung der Taxe (§. 23) für einzelne der Abschnitte, in welche die Zeit von 15 Jahren für diesen Zweck zu zerlegen ist, erlöschen. Verlängerungen dürfen nur dann bewilligt werden, wenn der Patentberech­ tigte so zeitig darum ansucht, daß die Bekanntmachung der Verlängerung noch vor Ablauf der Zeit erfolgen kann, für welche das Patent bereits ertheilt ist. Die Festsetzung des Zeitpunktes, bis zu welchem Verlängerungen nachge­ sucht werden können, bleibt den einzelnen Regierungen überlassen. Patenttaxen. §. 23. Für die Ertheilung von Patenten ist in jedem Staate eine Taxe zu erheben, ­deren Betrag für jedes Jahr oder jeden Abschnitt von mehreren Jahren nach einem bestimmten Verhältnisse wächst. Die Bestimmung der Höhe der Taxe, sowie der etwa zu erhebenden Stem­ pel- und sonstigen Gebühren ist jedem einzelnen Staate überlassen. Rückzahlung der Taxe kann weder im Falle der Nichtigkeitserklärung, noch in demjenigen des Erlöschens in Anspruch genommen werden.

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Nichtigkeit und Erlöschen der Patente. §. 24. Ein Patent ist als nichtig aufzuheben, wenn sich ergibt: a) daß die Beschreibung wesentliche Theile der Erfindung verschweigt oder unrichtig darstellt; b) daß schon vor dem Zeitpunkte der Anmeldung desselben in einem der contrahirenden Staaten auf denselben Gegenstand ein anderer Angehöri­ ger eines der Vertragsstaaten ein Patent angemeldet und erlangt hat, oder c) daß der Gegenstand des Patentes schon zur Zeit der Anmeldung nicht mehr neu war. Für die Beurtheilung dieser Fragen bildet lediglich die eingereichte Be­ schreibung (§. 7) die Grundlage. §. 25. Sind in einer Beschreibung mehrere Punkte als neu bezeichnet, und ergibt sich, daß nur einzelne derselben nicht neu sind, so wird zwar ein Schutz in Bezug auf diese Punkte nicht weiter gewährt, im Uebrigen aber das Patent aufrecht erhalten. §. 26. Erweist sich, daß der Gegenstand des Patentes zwar einzelnen Personen schon vor der Anmeldung bekannt gewesen, von diesen aber geheim gehalten worden ist, so bleibt das Patent in Kraft, jedoch jenen Personen gegenüber ohne Wirkung. §. 27. Ein Patent erlischt: 1) mit Ablauf der Zeit, auf welche es ertheilt oder verlängert ist; 2) durch Verzichtleistung (vgl. §. 22); 3) bei Gegenständen, welche schon im Auslande patentirt waren, mit dem Ablaufe oder der Aufhebung des früheren ausländischen Patentes; 4) wenn der Patentberechtigte nicht binnen zwei Jahren nach Ertheilung des Patentes angefangen hat, in dem Staate, für welchen dasselbe er­ theilt wurde, seine Erfindung auszuüben. Auf Nachweis genügender Verhinderungsgründe kann diese Frist jedoch höchstens bis zum Ablau­ fe des dritten Jahres verlängert werden. §. 28. Ueber die Nichtigkeit eines Patentes (§§. 24 und 25) oder das Erloschensein aus den im §. 27 unter 2, 3 und 4 aufgeführten Gründen entscheidet die zur Patentertheilung zuständige Behörde.

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§. 29. Ein erloschenes Patent kann aus keinem Grunde wieder aufleben. §. 30. Jedermann steht frei, die Gültigkeit eines Patentes anzufechten. Umfang des Patentschutzes. §. 31. Der Patentberechtigte hat innerhalb des Bereiches, für welchen die Patentur­ kunde ausgestellt ist, auf Patentschutz so lange Anspruch, als nicht das Patent erloschen oder für nichtig erklärt ist. §. 32. Der Patentschutz erstreckt sich auf die ausschließliche Anfertigung oder ­Ausführung des Patentgegenstandes; – bei Maschinen, Werkzeugen, Fabrik­ räthen, sowie bei Verfahrungsweisen auch auf die ausschließliche An­ ge­ wendung. §. 33. Die Einfuhr von und der Handel mit Artikeln, welche mit den patentirten übereinstimmen, wird durch den Patentschutz nicht beschränkt, eben so we­ nig der Gebrauch solcher Artikel, so weit solche nicht zu den Erzeugungsmit­ teln (§. 32) gehören. Es soll jedoch Jeder, welcher einen Gegenstand öffentlich feilbietet, der mit dem patentirten übereinstimmt, auf Antrag des Patentinhabers genöthigt werden können, die Bezugsquelle anzugeben. §. 34. Das Partikularrecht entscheidet darüber, ob und in wie weit mit dem Patente ein Recht zum Gewerbebetriebe oder zur Niederlassung erworben wird. §. 35. Das Patent als solches sichert den Berechtigten dagegen nicht, daß die Aus­ übung der Erfindung aus sitten-, gesundheits- oder sicherheitspolizeilichen Rücksichten untersagt werden kann (vgl. §. 16). §. 36. Patente, welche auf Verbesserungen an bereits patentirten Gegenständen aus­ gestellt werden, schließen die Befugniß zur Ausübung des bereits Patentirten nicht in sich.

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§. 37. Das Recht des Patentschutzes kann auf Andere übertragen und vererbt werden. Eingriffe in das Patentrecht. §. 38. Die Bestimmung der Behörden, welche über Eingriffe in Patentrechte (§. 32) und etwaige damit zusammenhängende Entschädigungsansprüche zu ent­ scheiden und die Maßregeln zum Schutze der Patentrechte anzuordnen ha­ ben, sowie des dabei zu beobachtenden Verfahrens bleibt den einzelnen con­ trahirenden Staaten vorbehalten. Das Partikularrecht entscheidet darüber, ob außer den nöthigen Sicherungs­ maßregeln gegen fernere Eingriffe in das Patentrecht auch auf Strafe zu er­ kennen ist. Es soll jedoch: 1) ein Verfahren wegen Verletzung eines Patentrechtes nur auf Antrag des Verletzten eingeleitet; 2) in allen Fällen, wo die Beschreibung geheim gehalten und dem Betref­ fenden nicht bekannt war, auf den ersten Eingriff nur das Verbot ferne­ rer Eingriffe ausgesprochen und sollen die zur Sicherstellung des Ver­ letzten erforderlichen provisorischen Maßregeln verfügt; 3) von den über Eingriffe in das Patentrecht entscheidenden Behörden die Entscheidung über die Einwendung, daß das Patent nichtig (§§. 24 und 25) oder aus einem der im §. 27 unter 2–4 angeführten Gründe bereits erloschen sei, der zur Entscheidung hierüber zuständigen Behörde über­ lassen werden (§. 28). Schlußbestimmung. §. 39. Jedem contrahirenden Staate ist die Erlassung der speciellen Bestimmungen über das Patentwesen anheimgestellt, doch dürfen dieselben vorstehenden Ver­ abredungen nicht widersprechen. §. 40. Die contrahirenden Staaten verpflichten sich, von allen Vorschriften über das Patentwesen, sowie von den zur Entgegennahme der Anmeldung und Erthei­ lung von Patenten zuständigen Behörden und von allen in diesen Beziehun­ gen vorgehenden Veränderungen sich gegenseitig in Kenntniß zu setzen. §. 41. Der Beitritt zu dieser Vereinbarung steht jedem der Staaten des Deutschen Bundes und zwar auch für die nicht zum Bunde gehörigen Theile seines Staatsgebietes offen.

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Beilage 2. B. Vereinbarung über gegenseitige Geltung der Patente. Art. I. Die contrahirenden Staaten verpflichten sich, unter den nachstehenden Vor­ aussetzungen und Bedingungen die in einem derselben von der zuständigen Behörde ertheilten Patente in ihrem Gebiete eben so gelten zu lassen, als wenn sie von ihrer eigenen Patentbehörde ertheilt worden wären. Art. II. Rücksichtlich der Patente, welche in allen contrahirenden Staaten Geltung ha­ ben sollen, kommen, so weit nicht in den folgenden Artikeln besondere Vor­ schriften enthalten sind, die Bestimmungen der Vereinbarung A in Anwendung. Diese Patente sind als „Vereinspatente“ zu bezeichnen. In der Patenturkunde sind diejenigen Staaten zu benennen, für welche das Patent Geltung haben soll. Art. III. Vereinspatente dürfen nur an Personen ertheilt werden, die in demjenigen der contrahirenden Staaten, in welchem das Patent ausgestellt wird, ihren Wohn­ sitz haben. Art. IV. Von der Ertheilung eines Vereinspatentes sind die Patentbehörden aller übri­ gen contrahirenden Staaten unverzüglich in Kenntniß zu setzen. Dieselben haben die Bekanntmachung eben so zu bewirken, wie bei Lan­ despatenten. Durch diese Bekanntmachung wird die Geltung des Patentes in dem betref­ fenden Staaten bedingt. Findet auf ein Vereinspatent in einem einzelnen Staate §. 2 lit. e oder §. 3 der Vereinbarung A Anwendung, so ist die betreffende Landesbehörde befugt, die Veröffentlichung der Patentertheilung zu unterlassen, jedoch verpflichtet, hiervon die Behörde, welche das Patent ertheilt hat, unverweilt in Kenntniß zu setzen.

Art. V. Vereinspatente werden nur auf fünfzehn Jahre ausgestellt, und ist vor Ausfer­ tigung der Urkunde die Taxe mindestens für drei Jahre vorauszubezahlen. Auch ist die Gültigkeit für jede folgende dreijährige Periode von Einzahlung des Taxbetrages vor Ablauf der vorhergehenden drei Jahre abhängig.

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Für einen Gegenstand, welcher in einem der contrahirenden Staaten unter Patentschutz steht, kann dem Patentberechtigten statt des Landespatentes ein Vereinspatent ertheilt werden, jedoch nur noch auf diejenige Zeitdauer, wel­ che nach Abrechnung der seit Ertheilung des Landespatentes verflossenen Zeit zur Erfüllung von fünfzehn Jahren übrig ist. Die Taxe für die noch lau­ fende Dauer wird dann dergestalt berechnet, als ob das Patent schon vom Anfange an als Vereinspatent genommen worden wäre. Art. VI. Die contrahirenden Staaten werden für Vereinspatente – einschließlich etwaiger Stempelgefälle und Gebühren – Taxen nach gleichförmigen Sätzen erheben. Ueber die Höhe der Taxen wird nach der jeweiligen Zahl und Größe der dieser Vereinbarung beitretenden Staaten besondere Verständigung stattfin­ den. Es soll jedoch: 1) die fünfzehnjährige Periode in Zeitabschnitte von je drei Jahren getheilt und für jeden folgenden dieser dreijährigen Abschnitte der Taxbetrag höher gestellt werden, als für den vorhergehenden; 2)  die Taxe für ein Vereinspatent in jedem Falle niedriger sein, als die Summe aller in den contrahirenden Staaten bestehenden Landespatent­ taxen, jedoch auch nicht unter dem Betrage der höchsten Landespatent­ taxe festgestellt werden. Diese Taxen sind nur in dem Staate zu bezahlen, in welchem das Patent ertheilt wird. Eine Theilung derselben unter die contrahirenden Staaten findet nicht statt. Art. VII. Die Nichtigkeit eines Vereinspatentes wird auch im Falle der Umwandlung eines Landespatentes in ein Vereinspatent (Art. V.) nach der Lage der Sache zu dem Zeitpunkte beurtheilt, wo das Vereinspatent angemeldet worden ist. Ist der Gegenstand eines Vereinspatentes in einem der contrahirenden Staa­ ten schon durch ein Landespatent geschützt, und ist nicht das eine von beiden Patenten nach §. 24. unter b der Vereinbarung A als nichtig aufzuheben, so hat das Vereinspatent dem früheren Landespatente gegenüber keine Wirkung. Art. VIII. Der Bedingung rechtzeitiger Ausübung (§. 27 unter 4 der Vereinbarung A) wird hinsichtlich der Vereinspatente durch rechtzeitigen Beginn der Aus­ übung in einem der contrahirenden Staaten genügt. Die Verlängerung der Ausübungsfrist steht derjenigen Behörde zu, welche das Patent ertheilt hat.

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Art. IX. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung der Beschreibungen und ihrer Beilagen (§. 20 der Vereinbarung A) hört für Vereinspatente mit Aushändigung der Pa­ tenturkunde auf. Art. X. Ueber die Nichtigkeit sowohl, wie über das Erlöschen eines Vereinspatentes hat in Gemäßheit des Grundsatzes im §. 28 der Vereinbarung A die zuständi­ ge Behörde desjenigen Staates zu entscheiden, in welchem das Patent ausge­ stellt ist. Wird daher bei einer Behörde eines der contrahirenden Staaten die Gültig­ keit eines Vereinspatentes angefochten, so ist die Entscheidung hierüber durch Vermittlung der Patentbehörde des betreffenden Staates jener Behörde zu überweisen. Sind zum Behufe der Entscheidung Erörterungen in einem anderen der contrahirenden Staaten erforderlich, so wird die Patentbehörde des letzteren auf Requisition der entscheidenden Behörde dieselben anstellen oder veran­ lassen. In Verhandlungen dieser Art liquidirt jede Behörde die Kosten nach den in dem betreffenden Staate in Verwaltungssachen üblichen Sätzen. Die contrahirenden Staaten verpflichteten sich, die erwachsenen Kosten auf erfolgte Requisition von dem verpflichteten Theile erheben und nöthigen­ falls beitreiben zu lassen. Art. XI. Die Nichtigkeit, sowie das Erlöschen eines Vereinspatentes vor Ablauf ­seiner Dauer ist nach Vorschrift des Art. III mitzutheilen und bekannt zu machen. Art. XII. Ueber Eingriffe in die aus einem Vereinspatente erwachsenen Rechte ent­ scheidet die nach den Landesgesetzen zuständige Behörde des Beklagten und in den dort vorgeschriebenen Formen. Wird im Laufe einer solchen Verhandlung die Nichtigkeit oder das Erlo­ schensein des Patentes behauptet, so ist nach Art. X zu verfahren. Jede Patentbehörde ist verpflichtet, zum Behufe der Entscheidung über eine anhängige Patentstreitigkeit der zuständigen Behörde auf deren Requisi­ tion die deponirte Beschreibung nebst Beilagen auszuantworten. Wegen Beitreibung der erwachsenen Kosten gilt auch hier die Bestimmung am Schlusse des Art. X.

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Art. XIII. Jedem deutschen Bundesstaate, welcher der Vereinbarung unter A beigetreten ist, steht der Beitritt zu dieser Vereinbarung offen, auch für die nicht zum Bunde gehörenden Theile seines Staatsgebietes. Die Bestimmung über die Dauer des Vertrages wird besonderer Verständi­ gung vorbehalten. Es sollen jedoch durch den etwaigen Austritt eines Staates die vorher ausgestellten Vereinspatente ihre Gültigkeit für das Gebiet dessel­ ben nicht verlieren. Art. XIV. Jedem contrahirenden Staate ist unbenommen, sich mit anderen, dieser Ver­ einbarung ebenfalls beitretenden Bundesstaaten wegen einer gemeinschaft­ lichen Patentbehörde zu einigen.

88. Zirkulardepesche Rechbergs an die kaiserlichen Gesandtschaften in Dresden, Hannover, Stuttgart, Kassel, Darmstadt, Frankfurt und Leipzig

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 33: Weisungen 1863 III–XII, Nr. 119. Erlaß. Metallographie.

Es gibt noch keine Übereinstimmung darüber, wie die Erklärung Preußens zur Reformakte beantwortet werden soll. Rechberg plädiert dafür, daß die deutschen Regierungen in gleichlautenden Depeschen nach Berlin die preußische Auffassung widerlegen. Österreich wird eine entsprechende Darlegung ausarbeiten und teilt den befreundeten Regierungen die Grundgedanken seiner Argumentation mit. Die drei preußischen Forderungen (Veto, Gleichberechtigung mit Österreich, gewählte Volksvertretung) werden zurückgewiesen, da sie keine Verbesserung der Bundesverfassung bringen, nicht auf Rechtstiteln beruhen und unausführbar bzw. „gemeingefährlich“ sind. Rechberg hofft, daß Preußen noch nicht das letzte Wort gesprochen hat und doch noch auf die Bundesreformakte eingeht.

Wien, 8. Oktober 1863 Nach den Berichten unserer Gesandtschaften hat sich bis jetzt in den Ansich­ ten der betheiligten Regierungen über die Form, in welcher die Erklärung Preußens über die Reformakte beantwortet werden soll, noch keine Überein­ stimmung herausgestellt. Mehrere Höfe haben sich mit den Bemerkungen un­ seres Erlaßes vom 26ten September1 vollkommen einverstanden gezeigt, und uns zu verstehen gegeben, daß das kaiserliche Cabinet es übernehmen 1 Siehe Dok. 81.

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möge, den Entwurf einer identischen Gegenerklärung abzufaßen. An anderen Orten schien man geneigt, sich von einer zwar dem Inhalte nach möglichst übereinstimmenden[,] aber nicht gerade gleichlautenden, sondern von den einzelnen Regierungen frei redigirten Entgegnung eine größere Wirkung zu versprechen. Eine dritte Meinung, die wir indeßen nicht theilen, gieng dahin, daß es im Sinne der in der letzten Sitzung der Fürstenconferenz gefaßten Be­ schlüße liege, der kaiserlich oesterreichischen Regierung allein die weitere Diskußion mit Preußen zu überlaßen. Damit die Antwort an das Berliner Cabinet sich nicht zu sehr verzögere, möchten wir wünschen, über diese formelle Vorfrage bald zu einem Einver­ ständniße zu gelangen. Ohne auf die bloße äußere Form der Antwort einen zu hohen Werth zu legen, glauben wir im Intereße der Sache wiederholt bevor­ worten zu sollen, daß der Vortrag, welchen die preußischen Minister zunächst an Se Majestät den König, dann aber gewißermaßen an ganz Deutschland ­gerichtet haben, in einem gemeinschaftlichen und mittelst gleichlautenden ­Depeschen in Berlin zu übergebenden Aktenstücke widerlegt würde. Neben einem solchen gemeinsamen Gesinnungsausdrucke wäre es jeder Regierung unbenommen, hinzuzufügen, was sie etwa für sich besonders zu vollständige­ rer Darlegung ihrer Anschauung auszusprechen wünschte. Jedenfalls befin­ den wir uns aber in dem Falle, entweder blos zu unserem eigenen Gebrauche, oder als Vorarbeit für eine Denkschrift der an der Reformakte betheiligten Regierungen eine Beleuchtung jenes preußischen ministeriellen Vortrags aus­ zuarbeiten, – und es wird vielleicht zur Förderung der Verhandlungen bei­ tragen, wenn wir unseren Verbündeten den Gedankengang[,] dem wir hiebei folgen zu können glauben, schon in einer vorläufigen Übersicht mittheilen. Nachstehende Andeutungen werden diesen Zweck erfüllen. Der einleitende mehr retrospektive Theil des Vortrags der preußischen Mi­ nister fordert in vielfacher Beziehung eine Kritik heraus, doch glaubt die kai­ serliche Regierung, daß die Widerlegung jede unfruchtbare Polemik im Gei­ ste hoher Versöhnlichkeit vermeiden und ausschließlich auf den praktischen Zweck gerichtet bleiben solle. Man wird sich daher darauf beschränken kön­ nen, zu fragen, worauf die preußischen Minister den Anspruch gründen, daß Deutschland künftig wieder auf die Haltbarkeit der so vielfach mißachteten und von allen Seiten für ungenügend erklärten Bundesverfaßung vertrauen solle? Man wird fragen müssen, welche Garantie dafür geboten sei, daß diese Verfaßung fortan wieder in ihrem ganzen Umfange, in allen ihren Artikeln, in denjenigen, aus welchen Preußen Rechte ableitet, wie in den andern, welche ihm Pflichten auferlegen, und seine freie Bewegung beschränken, getreulich werde vollzogen werden? Es wird auf die grellen Widersprüche der preußi­ schen Darstellung hinzuweisen sein, auf den Umstand z. B., daß derselbe Vor­ trag, welcher das Vertrauen in das bestehende Maß der Einigung nicht zu

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u­ ntergraben räth, gleich nachher auseinandersetzt, wie der Bund ohne ein Veto für Preußen, also ohne eine wesentliche Änderung seiner Verfaßung, je­ der Sicherheit entbehre, das Unmögliche von Preußen verlange, und unrettbar der Spaltung verfallen sei! Ebenso erklären die preußischen Minister die Übereinstimmung zwischen Österreich und Preußen wiederholt für die unent­ behrliche Grundlage jeder wirksamen Action des Bundes, fügen aber sogleich hinzu, daß diese Übereinstimmung schwer herzustellen und festzuhalten sei, und verlangen statt eines Mittels, diese Schwierigkeit zu überwinden, das förmliche Recht, den Mangel an Übereinstimmung durch ein Veto zu konsta­ tiren. Ferner würden wir hervorheben, daß selbst wenn die volle Geltung der Bundesverträge nach Wort und Geist für alle Fälle unbedingt gesichert wäre, das Reformbedürfniß demungeachtet nicht beseitigt sein würde, nachdem die Theilnahme eines Vertretungskörpers an den Bundesangelegenheiten, somit auch eine verstärkte Exekutive nicht mehr zu entbehren seien. Preußen verei­ nige sich also mit seinen Bundesgenoßen, damit dieser schwierige und wich­ tige Fortschritt sich auf der gesetzlichen Grundlage und mit Achtung aller Rechte vollziehe, und Staat und Gesellschaft in Deutschland durch den nothwendig gewordenen Entwicklungsproceß nicht gefährlicher Erschütte­ rung ausgesetzt werde. Einmal hiezu entschloßen, werde Preußen hoffentlich das Gewicht der ge­ gen die drei von ihm aufgestellten Vorbedingungen sprechenden Gründe mit Unbefangenheit zu würdigen wißen. Über diese drei Punkte würden wir sodann etwa Folgendes bemerken: 1. Die Forderung eines Veto. Weder Preußen noch Oesterreich können der Freiheit vollständig entsagen, ihre Stellung zu den Fragen europäischer Politik nach den Interessen der Ge­ sammtheit ihrer Monarchie zu regeln. Ausgehend von diesem Satze erklären die preußischen Minister den An­ spruch, daß die Politik jeder dieser beiden Mächte in der durch das CentralOrgan des Bundes zu bestimmenden Gesammtpolitik des letzteren aufzuge­ hen habe, in der Praxis für unausführbar. Durch eine Erweiterung des Bundeszweckes und durch den Mechanismus einer Mehrheitsabstimmung könne diese Schwierigkeit nicht gelöst werden. Also die reine Negation ein Veto für beide Mächte. Hier muß nun zunächst auffallen, daß die preußischen Minister im Namen beider Großmächte sprechen, daß sie die Bedingung des Veto zugleich für Oesterreich aufstellen, während dieses selbst nicht an eine solche Bedingung gedacht hat.

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Allerdings war es für die Verfaßer jenes Vortrags nicht eben leicht, die Un­ abhängigkeit von einer gemeinsamen deutschen Politik für Preußen allein zu fordern! Warum aber verlangt Österreich seinerseits diese Unabhängigkeit nicht? Weil es überzeugt ist, daß sowohl Oesterreich als Preußen den Kreis der ­Intereßen[,] für welche sie als große Mächte einzustehen berufen sind, um ihrer Selbsterhaltung willen nicht auf den eigenen Ländercomplex, getrennt von Deutschland, beschränken, sondern auf das gesammte Deutschland aus­ dehnen müßen. Nur die Anerkennung dieser Gemeinsamkeit, nur der Wille die gesammtdeutschen Intereßen als die eigenen zu behandeln, kann bewir­ ken, daß die Intereßen Preußens, wie Österreichs mit denjenigen Deutsch­ lands zusammenfallen. Ohne diesen Willen besteht keine solche Identität, es können im Gegentheile die bedenklichsten Kontraste entstehen. Soll die eine Macht ein Veto gegen einen Krieg im Süden, die andere gegen einen Krieg im Norden einlegen dürfen? Und soll nur das nichtösterreichische und nicht­ preußische Deutschland verpflichtet sein einen Gesammtwillen des Bundes anzuerkennen? Ein Veto Preußens könnte sich übrigens jedenfalls nur gegen einen von bundeswegen zu erklärenden Krieg richten, das Kriegs- und Friedensrecht der Souveräne könnte es diesen nicht entziehen. Man würde also ein System von Separatbündnißen grundsätzlich autorisiren, ja hervorrufen, wenn man den beiden Großmächten das Recht einräumen wollte, die Entscheidung des Bun­ des über Krieg und Frieden zu hemmen. Die Reformakte gewährt übrigens, wie nicht zu verkennen ist, die höchst­ mögliche Garantie dafür, daß in der Bundesabstimmung nur das klare und unbestreitbare Intereße Deutschlands zum Ausdruck gelange. Was der Vortrag vom 15ten September über die Stimmverhältniße im Plenum sagt[,] ist nicht genau zutreffend, da die Reformakte kein Plenum kennt. Von den 21 Stim­ men des Bundesraths der Reformakte haben Oesterreich und Preußen 6, Dä­ nemark und die Niederlande, die präsumtiv ohnehin meist gegen einen Bun­ deskrieg sein werden, 2 zu führen, es bleiben also 13 rein deutsche Stimmen übrig, und von diesem müßen sich 11 mit den Stimmen der einen Großmacht vereinigen, wenn gegen die Ansicht der andern eine Kriegserklärung beschlo­ ßen werden soll. Dies gewährt wohl mehr als hinreichende Sicherheit. 2. Die Forderung der Gleichstellung mit Österreich. Zuvörderst wäre hier das von der angeblich größeren Volkszahl entnommene Argument zu widerlegen, so wie der Nachweis zu liefern, daß die BundesCentral-Commißion von 1849, welche kein getheiltes Präsidium, sonder[n] ein unter Rechtswahrung auf kurze Zeit zugelaßenes dualistisches Inter­

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regnum war2, in keiner Beziehung als ein précédent für den Anspruch auf Parität gelten könne. Dann wäre zu einer genaueren Prüfung des Einwandes der preußischen Minister überzugehen, daß das vertragsmäßige Präsidialrecht Österreichs sich wohl auf die bestehenden Bundeseinrichtungen, nicht aber auf neu zu schaf­ fende erweiterte Institutionen beziehe. In einem festen und wirksamen Bunde hat die erste Stelle ohne Zweifel höheren Werth als in einem unwirksamen und lockeren. In diesem Sinne hebt sich allerdings durch die Reformakte auch der Werth des Präsidialrechtes, und es kann vom deutschen Standpunkte aus nur erfreulich gefunden werden, wenn die preußischen Minister dies anerkennen. Was aber speciell die Rechte und den Einfluß des Präsidiums im Verhältniß zu den Rechten und dem Einfluße der Bundesorgane als solcher betrifft, so erscheint es wenigstens als zweifelhaft, ob die Annahme der Reformakte nicht eher eine Verminderung als eine Vermehrung der ersteren in sich schließen würde. Seither war die Bundesversammlung mit ihren Commißionen das einzige Organ des Bundes, Oesterreich hatte daher überall den Vorsitz, wo der Bund als solcher erschien. Dieser Vorsitz konnte sich in einem unkontrollirten Organ vielleicht entschie­ dener geltend machen, als dies in einem kontrollirten der Fall wird sein kön­ nen. Gerade in den neu zu schaffenden Institutionen ist von einem Vorzuge Oesterreichs nicht die Rede, in der Abgeordnetenversammlung u. dem Bun­ desgerichte ist das Anrecht auf das Präsidium für Alle gleich. Oesterreich wird also wie seither, nur da wo die Regierungen direkt vertreten sind, präsi­ diren, im Directorium und Bundesrath, wie früher im Plenum und dem enge­ ren Rathe der Bundesversammlung. Und auch in diesem Bereiche zeigt die Reformakte nirgends das Bestreben, die Präsidialbefugniße auszudehnen, sie sucht dieselben im Gegentheile überall auf das strengste formelle Geschäfts­ bedürfniß zu beschränken, das Recht auf Substitution im Vorsitze, welches Preußen seither nicht besessen, bietet sie ihm an, und da wo die Fürsten per­ sönlich einwirken werden, wo es sich um Berufung der Fürstenversammlung handelt, hat der Kaiser von Oesterreich freiwillig sich erboten, die Initiative mit dem Könige von Preußen zu theilen. Die Vorschläge der Reformakte erscheinen daher jedenfalls als gerecht­ fertigt, während die Bedingung Preußens auf keinem bestimmten Rechtstitel 2 Mit der Übereinkunft vom 30. September 1849 hatten Österreich und Preußen vereinbart, eine paritätisch besetzte Bundeszentralkommission zu bilden, die interimistisch bis zum 1. Mai 1850 die Zentralgewalt in Deutschland ausüben sollte. Der Zweck des sogenannten Interims war die Erhaltung des Deutschen Bundes, doch sollte die Regelung der deutschen Verfas­ sungsverhältnisse der freien Vereinbarung überlassen bleiben. In der Praxis erlangte die Kom­ mission keine politische Bedeutung. Druck der Übereinkunft in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 548–550.

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beruht. Vom österreichischen Standpunkte aus erscheint das Präsidium als ein Ehrenvorzug, vom allgemeinen deutschen als ein formeller Ausdruck der Bundeseinheit. Er bietet jedenfalls auch den Vorzug größerer Stabilität in der Geschäftsführung dar. Ein anderer Sinn ist ihm niemals beigelegt worden. Preußen, ein so guter Wächter der eigenen Ehre und Würde, begehre nicht von der verbündeten Macht den Verzicht auf ein Ehrenrecht, welches es ihr unmittelbar nach der glorreichsten Epoche der preußischen Geschichte frei­ willig antrug, es versage sich nicht der Erwägung[,] daß ein wechselndes Prä­ sidium die künftige Verfaßung Deutschlands schon in der Form als weniger einheitlich erscheinen lassen würde, als es die seitherige war. 3. Die Forderung direkter Wahlen. Hier wird vor Allem auf den völlig unbestimmten Charakter dieser Bedin­ gung, welche die allererheblichsten Fragen ohne Antwort läßt, hingedeutet werden müssen. Soll ein streng conservatives Wahlreglement für die Volkswahlen in allen deutschen Staaten eingeführt werden? Wie wäre dies auszuführen? Wie wäre es irgend denkbar, daß die Majoritä­ ten der Kammern in den Einzelstaaten einwilligen sollten, eine ihnen fremd und feindlich gegenüberstehende Versammlung solchen Ursprungs anzuer­ kennen? Sollen Wahlen und Classen, wie in Preussen, sollen Wahlen mit Census, ohne Census, mit allgemeinem Stimmrecht, in ganz Deutschland stattfinden? Eine Versammlung der letzteren Art würde vielleicht die Forderungen des politischen Radikalismus, die sich gegen alle Regierungen wenden, rück­ sichtslos vertreten, ja den völligen Umsturz des Bestehenden anstreben. Kei­ neswegs aber ist vorauszusetzen, daß eine solche Versammlung an Patriotis­ mus, an wahrer Erkenntniß der Gesammtinteressen Deutschlands, an Opfer­ willigkeit für die Gesammtheit eine von den Kammern der Einzelstaaten gewählte Versammlung übertreffen würde. Worauf gründet sich ferner die Annahme, daß der speciell preussische Standpunkt in einer aus allgemeinen Wahlen hervorgehenden Versammlung mehr als bei indirekten Wahlen mit dem allgemein deutschen Standpunkte sich identificiren würde? Es liegt nur Eine Erfahrung vor, die Paulskirche. Damals war Österreich vollständig vertreten, zwischen Berlin und Frankfurt demungeachtet ein Zwiespalt, wie ihn eine regelmäßig gewählte Kammervertretung hoffentlich niemals herbeiführen würde. Oder soll etwa durch ein Staatenhaus oder Herrenhaus ein Correktiv gegen die Gefahren der allgemeinen Wahlen gefunden werden? Der Vortrag vom

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15ten September schweigt hierüber völlig. Und was wäre mit einem perma­ nenten Conflikt zwischen einem Staatenhause und einem vielleicht die ex­ tremsten Forderungen vertretenden Volkshause gewonnen? Über alles dieses müßte man den näheren Erklärungen Preussens vorerst entgegensehen. Jedenfalls aber müßen die Regierungen, welche die Re­ formakte angenommen haben, offen aussprechen, daß sie gegen ihre Pflicht zu handeln glauben würden, wenn sie auf das Experiment von 1848 sich von neuem einließen. Sie haben den redlichen Willen, den deutschen Staatenbund zu einer wahrhaft nationalen Institution zu erheben, aber es giebt für sie ein nec plus ultra, welches sie klar und bestimmt zu bezeichnen nicht einen Au­ genblick Bedenken tragen können. Welcher unermeßliche Gewinn für Alle, vielleicht selbst für Preussens ei­ gene innere Befriedigung, wenn Preussen das Prinzip der Delegation annäh­ me, wie dies doch Graf Bernstorff empfahl? Es wäre dann zugleich für die Vertretung am Bunde die einfachste Form, die bei den verwickelten deut­ schen Verhältnissen möglich ist, da sämmtliche constitutionellen Körper­ schaften Deutschlands in der Einen Versammlung der Bundesabgeordneten vertreten wären. Am Schlusse wäre sodann unseres Erachtens das Ergebniß der Prüfung der einzelnen preußischen Vorbedingungen etwa wie folgt zusammenzufassen. Von diesen Bedingungen können die beiden ersten ihrer Natur nach un­ möglich unter den Gesichtspunkt einer Verbesserung der Bundesverfassung gebracht werden. Die erste, das Veto, enthält sogar einen augenfälligen Rück­ schritt. Für die zweite, die Theilung des Präsidiums, lassen sich jedenfalls nur speciell preußische Motive geltend machen, Motive, die gleichfalls nicht un­ ter dem Titel eines Fortschritts in der Entwickelung der Bundesverfassung vorgebracht werden können. Die dritte Bedingung endlich ist zu allgemein gehalten, als daß ein bestimmter Begriff mit ihr zu verbinden wäre, – so, wie sie jetzt lautet, muß sie sich entweder als unausführbar, oder als gemeinge­ fährlich darstellen. Also ist gewiß die Hoffnung gerechtfertigt, daß Preussen nicht das letzte Wort gesprochen habe, daß es sich der Grundlage, welche bereits von 24 Re­ gierungen angenommen ist, und deren Annahme durch Preussen auch von ­einigen der fehlenden freudig begrüßt werden würde, bundesfreundlich zu­ wenden werde, in welchem Falle selbstverständlich der kön. preussischen ­Regierung in Bezug auf die Wünsche, die sie aussprechen würde, um die ­Reformakte zu höherer Vollkommenheit gebracht zu sehen, die größe Bereit­ willigkeit ihrer Bundesgenossen entgegenkommen würde. Dann würden die deutschen Fürsten, den König von Preussen in ihrer Mit­ te, freudig und vertrauensvoll das vollendete Werk besiegeln.

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Knesebeck an König Georg V.

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Vorstehendes wäre die Skizze einer Gesammt-Erklärung, wie sie nach un­ serem Dafürhalten von den Vertretern der Souveräne und Regierungen, wel­ che sich an dem Frankfurter Fürstentage betheiligt haben, den preussischen Aufstellungen mit gutem Recht und hoffentlich auch nicht ohne überzeugen­ de Wirkung gegenübergestellt werden könnte. Aus nahe liegenden Gründen können wir Sie nicht ermächtigen, diese Vorarbeit, eben weil sie nur den Werth einer solchen haben soll, aus der Hand zu geben, aber ich wünsche, daß Sie die gegenwärtige Depesche (zur Mittheilung durch Vorlesen bei den Höfen, bei welchen beglaubigt zu sein Sie die Ehre haben), zur Kenntniß bringen und ich wiederhole zum Schlusse, daß diese Mittheilung nur den Zweck hat, eine schließliche Verständigung über den Schritt, der nunmehr ge­ gen Preussen zu thun ist, zu erleichtern.3 Empfangen dieselben die Versicherung meiner vollkommen[en] ***

89. Knesebeck an König Georg V. von Hannover

NLA Hannover, Dep. 103, Best. VIII, Nr. 291. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Beusts Ansichten über die Fortführung der Bundesreform haben in Wien keine günstige Aufnahme gefunden. Auch Schrenk kritisiert die Beustschen Vorschläge: es sei unpassend, wenn die Minister die von den Souveränen beschlossene Reformakte ­ amendieren würden; man dürfe nicht immer weiter der öffentlichen Meinung nachgeben; die Wahl einer Delegiertenversammlung zur Beratung der Reformakte sei ein revolutionärer Schritt; die Annahme der Reformakte durch die einzelstaatlichen Parlamente bringe die Regierungen in eine schlechtere Position. Knesebeck glaubt, daß Bayern in der Reformfrage künftig passiv bleiben wird.

No. 44.

München, 9. Oktober 1863

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! Gestern Abend ist der geheime Finanzdirektor von Bar1 hier eingetroffen, um als Vertreter Hannovers an der Vorconferenz Theil zu nehmen.2 Heute früh 3 Der letzte Satz steht in dieser unvollständigen bzw. syntaktisch nicht schlüssigen Form in der Vorlage.

1 Carl Ludwig von Bar (1802–1880), Geheimer Finanzdirektor und Mitglied des hannoveri­ schen Staatsrats; Wrage, Der Staatsrat im Königreich Hannover, S. 92 f.; NDB, Bd. 1, S. 579. 2 Knesebeck bezieht sich auf die Beratungen der Mittelstaaten Bayern, Württemberg, Großher­ zogtum Hessen, Kurhessen, Nassau sowie von Frankfurt, die im Vorfeld der Berliner Zollkon­ ferenz vom November 1863 stattfanden, auf der über die Erneuerung des Zollvereins und die Freihandelsverträge verhandelt werden sollte, die Preußen 1862 mit Frankreich und 1863 mit

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München, 9. Oktober 1863

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habe ich ihn dem Baron Schrenk vorgestellt und hat er darauf sogleich an der heutigen Sitzung der Conferenz Theil genommen. Die letztere wird sehr bald beschlossen werden können, indem die Bevollmächtigten von Bayern, Württemberg, beiden Hessen, Nassau und Frankfurt, welche sie bis jetzt ge­ bildet haben, in ihren Ansichten über die Erhaltung des Zollvereins und seine Beziehungen zu Oesterreich eine große Uebereinstimmung gezeigt haben. Um es Herrn von Bar zu erleichtern sich über den Stand der Dinge zu orien­ tiren, ist die heutige Sitzung nur sehr kurz gewesen, wogegen morgen die Verhandlungen fortgesetzt und vielleicht auch abgeschlossen werden sollen. Der Baron Schrenk sprach mir heute über die Vorschläge des Barons Beust in Bezug auf die Fortführung des deutschen Reformwerkes, über welche ich die Ehre hatte am 28ten September aus Stuttgart unterthänigst zu berichten. Der letztere war durch Krankheit verhindert worden, nach Berchtesgaden zu kommen, um mit Seiner Majestät dem Könige von Bayern darüber Rück­ sprache zu nehmen, und deshalb direct nach Wien gegangen, wo aber seine Ansichten keine günstige Aufnahme gefunden haben sollen. Um sich etwas die Hand im Spiele zu behalten, hat sich Baron Beust darauf, wie Baron Schrenk mir sagte, an der Ausarbeitung der identischen Note mit Herrn von Biegeleben betheiligt. Auf die Beust’schen Vorschläge zurückkommend sprach Herr von Schrenk sich dahin aus, daß es ganz unpassend sei von Ministern eine Acte amendiren zu lassen, welche von den Souverainen persönlich ausgearbeitet sei; daß das beständige Nachgeben gegen die sogenannte öffentliche Meinung auf eine Bahn von Concessionen führe, wo zuletzt kein Halt mehr gemacht werden könne; daß die Wahl einer Delegirten-Versammlung ad hoc, um die Reform­ acte zu berathen, eventuell anzunehmen, ein revolutionärer Schritt sei, der mit dem bestehenden Bundesrecht nicht in Einklang gebracht werden könne und daß endlich die Annahme der Reformacte durch die Ständeversammlun­ gen der einzelnen Staaten die betreffenden Regierungen in eine schlechtere Position brächte als bisher, indem sie dann ihren Kammern gegenüber gebun­ den seien und bei etwaigen Verhandlungen mit Preußen keine Modificationen der Reformacte zugestehen könnten. Ich fragte hierauf den Minister, was er vermuthe daß in der Reformsache nun geschehen werde, worauf er auf die identische Note an Preußen, als Antwort auf dessen Schreiben an die deut­ schen Fürsten nebst Anlage, hinwies. Belgien abgeschlossen hatte. Das Ergebnis dieser Beratungen war die sogenannte Münchner Registratur vom 12. Oktober 1863, eine zollpolitische Grundsatzerklärung der beteiligten Staaten. Vgl. dazu Hahn, Der Deutsche Zollverein, S. 176 f.; Kreutzmann, Die höheren Beam­ ten, S. 193–196; Fox, Wirtschaftliche Integration, S. 116; Druck der Münchner Registratur in: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 5, S. 802–804.

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Aufruf des Deutschen Reformvereins

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Ich glaube, daß sowohl Seine Majestät der König von Bayern, als auch Sein erster Minister der Ansicht sind für die Reform des deutschen Bundes für jetzt genug gethan zu haben und nur ungern in die unvermeidliche Ent­ wickelung dieser Angelegenheit eingreifen werden. Wenn der König nicht diese Ansicht hegte, so würde Er gewiß nicht nach Rom und auf so lange ge­ gangen sein. In tiefster Ehrfurcht ersterbe ich Eurer Königlichen Majestät allerunterthänigster E. v. d. Knesebeck.

90. Aufruf des Deutschen Reformvereins

Mainzer Journal Nr. 236 v. 10. Oktober 1863.

Der Reformverein lädt alle großdeutschen Vereine zu einer Versammlung in Frankfurt am Main am 28. Oktober ein, um über die von den Fürsten geschaffene Grundlage einer gemeinsamen Bundesreform zu beraten.

Mainz, 10. Oktober 1863 Aufruf. Der Sieg bei Leipzig, erkämpft von dem nach langer unheilvoller Spaltung endlich wieder zum innigen opferfreudigen Bunde vereinigten Volke, brach das Joch der Fremdherrschaft und gab dem Vaterlande die Selbstständigkeit, die Freiheit wieder. Die fünfzigjährige Erinnerung der Befreiungsschlacht am 18. October1 selbst gemeinsam zu feiern, und was dem Vaterlande heute Noth thut zu be­ sprechen, lag vor Allem Denen nahe, welche für die unabweisbar gewordene Reform der deutschen Verfassung eintreten und dabei als obersten Grundsatz festhalten: „Erhaltung der vollen Integrität Deutschlands und Bekämpfung jedes Be­ strebens, welches die Ausschließung irgend eines Theiles von Deutschland zum Zwecke oder zur Folge hätte.“

1 Die sogenannte „Völkerschlacht“ bei Leipzig vom 16.–19. Oktober zwischen russischen, preu­ ßischen, österreichischen und schwedischen Truppen und der napoleonischen Armee endete mit der Niederlage Napoleons und führte zum endgültigen Zusammenbruch seiner Herrschaft in Deutschland. Im Jahr 1863 wurde vielerorts in Deutschland das 50-jährige Jubiläum dieses Ereignisses gefeiert, das zum nationalen Befreiungsmythos geworden war. Vgl. Platthaus, 1813.

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Der Verwirklichung jenes Gedankens an jenem ewig ruhmvollen Tage selbst aber tritt die Thatsache entgegen, daß die Jubelfeier der Leipziger Schlacht eine so allgemeine in allen Gauen des deutschen Vaterlandes seyn wird, daß die Meisten an diesem Tage nicht in der Heimath werden fehlen wollen. Indem wir deßhalb, anknüpfend an die gesammten deutschen Erinnerungs­ feste des großen Befreiungskampfes, einen späteren Tag wählen, laden wir nicht nur die Mitglieder unseres Vereins, sondern auch jene aller anderen großdeutschen Vereine und alle Freunde der gesammtdeutschen Reformbe­ strebungen zu einer allgemeinen Versammlung der gesammten großdeutschen Partei auf den 28. October l. J. nach Frankfurt am Main hiermit ein. Die allgemeine Versammlung wird der Besprechung der gegenwärtigen Lage des Gesammt-Vaterlandes, insbesondere der durch einmüthiges Zusam­ menwirken deutscher Fürsten und freier Städte geschaffenen Grundlage einer gemeinsamen Bundesreform gewidmet sein. An diese Versammlung wird sich eine solche der Mitglieder des Reform­ vereins behufs der Besprechung der besonderen Angelegenheiten desselben, namentlich der Wahl des Ausschusses für das nächste Jahr anschließen, weß­ halb wir die Mitglieder bitten, sich gefälligst mit ihren Legitimationskarten versehen zu wollen. Wo und von welchem Tage an die Eintrittskarten zu der General-Versamm­ lung in Frankfurt a. M. in Empfang genommen werden können, wird seiner Zeit besonders bekannt gemacht werden. Der Ausschuß des deutschen Reform-Vereines. Im Namen desselben: Lerchenfeld.2 – v. Wydenbrugk.3

2 Gustav Freiherr von Lerchenfeld (1806–1866) war nach dem Studium der Rechtswissenschaft von 1830–1841 Richter in Landau, Frankenthal und Bamberg. Von 1845 bis 1866 war er Mit­ glied der bayerischen Abgeordnetenkammer, 1848 wurde er während der Revolution Innenund Finanzminister, seit 1849 führte er die liberale Kammeropposition im bayerischen Land­ tag. Seit 1862 war er Vorsitzender des Deutschen Reformvereins; ADB, Bd. 18, S. 421 f. 3 Oskar von Wydenbrugk (1815–1876) war 1848 Minister in Sachsen-Weimar-Eisenach und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung gewesen. Nachdem er 1854 als letzter deut­ scher Märzminister zurückgetreten war, zog er sich für einige Jahre aus der Politik zurück. Seit 1859 in München lebend, begann er sich zunächst literarisch und dann auch politisch wieder für die deutsche Einigung zu engagieren. Er war einer der Initiatoren der Großdeutschen Ver­ sammlung in Frankfurt im Oktober 1862, auf der der Deutsche Reformverein gegründet wur­ de. Wydenbrugk wurde zweiter Vorsitzender des Reformvereins, von 1863 bis 1867 war er Bevollmächtigter des Herzogs Friedrich von Augustenburg, den er in München und Wien ver­ trat; ADB, Bd. 44, S. 383–392.

Großherzog Friedrich Franz II. an König Wilhelm I. 522   Großherzog Friedrich Franz II. an König Wilhelm I. 

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91. Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin an König Wilhelm I. von Preußen

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/76, fol. 24–28. Schreiben. Behändigte und von Mini­ ster von Oertzen gegengezeichnete Ausfertigung. Praes.: 20. Oktober 1863.

Mecklenburg-Schwerin stimmt mit Preußen überein, daß bei jeder Bundesreform die Natur des Staatenbundes, dem zwei europäische Großmächte angehören, berücksichtigt werden muß. Daraus folgt, daß Österreich und Preußen ein Veto gegen Bundeskriege, die nicht zur Abwehr von Angriffen auf das Bundesgebiet unternommen werden, gebührt, und daß ferner die Stellung beider Mächte im Bund vollkommen gleichberechtigt sein muß, doch soll Preußen nicht unbedingt auf der formellen Teilung des Vorsitzes im Bund beharren. Entscheidend sind nicht neue Normen für die Leitung des Bundes, sondern die praktische Einigkeit der Großmächte im Bund. Im Hinblick auf die dritte preußische Vorbedingung einer Bundesreform, die direkt gewählte Volksvertretung, hält Mecklenburg-Schwerin daran fest, daß die Einführung des konstitutionellen Systems in den Bund eine politische Unmöglichkeit darstellt. Ebenso wie die republikanische Form untergräbt auch das System des Konstitutionalismus die bestehende Ordnung in Deutschland und arbeitet der Umsturzpartei in die Hand. Die Bestrebungen seit 1851 zur Wiederherstellung einer festen Rechtsordnung in Deutschland waren nicht energisch genug. Der falsche Konstitutionalismus hat neue Eroberungen gemacht.

Schwerin, 13. Oktober 1863 Durchlauchtigster, Großmächtigster König, Freundlich lieber Herr Vetter und Oheim! Die günstige Beurtheilung meines Verhaltens auf dem Fürstencongresse zu Frankfurt, welche Ew. Königliche Majestät in Höchstdero Schreiben vom 22. September dieses Jahres mir zu erkennen geruht haben1, schätze ich mir zur hohen Ehre. Ich glaube daraus zugleich eine Ermuthigung entnehmen zu dürfen, über die das erwähnte Schreiben begleitenden Mittheilungen im Be­ treff der von Ew. Königlichen Majestät für nöthig erklärten Vorbedingungen einer Bundesreform offen mich auszusprechen, und hoffe, daß Ew. ­Königliche Majestät diese Offenheit auch in denjenigen Puncten nicht mißbilligen wer­ den, wobei ich ernste Bedenken gegen den Inhalt jener Mittheilungen nicht unterdrücken kann. Was die Möglichkeit einer durchgreifenden Reform der deutschen Bundes­ verfassung betrifft, so stimme ich vollständig mit allem überein, was über den Werth der bestehenden Bundesverträge in den von Ew. Königlichen Majestät gebilligten Documenten zu dem Ende gesagt ist, um die Forderung zu recht­ 1 König Wilhelm I. von Preußen an Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin, Berlin, 22. September 1863, Abschrift im LHA Schwerin, MdaA, Nr. 100.

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fertigen, daß bei jeder Bundes-Reform die Natur eines Staatenbundes, der zwei europäische Mächte zu seinen Mitgliedern zählt, berücksichtigt werden müsse. Daraus folgt mit Nothwendigkeit erstens, daß Oesterreich und Preu­ ßen mindestens gegen einen Bundeskrieg, welcher nicht zur Abwehr eines Angriffs auf das Bundesgebiet unternommen wird, ein veto gebührt, und zweitens daß die Stellung beider Mächte im Bunde eine vollkommen gleich­ berechtigte sein muß. Dies letztere Princip der Gleichberechtigung würde in seiner Anwendung auf den Vorsitz und die Leitung der Bundesangelegenhei­ ten, wie es mir scheint, eine etwas einfachere[,] minder schwierige Auffas­ sung zulassen, wenn man anerkennen wollte, daß Vorsitz und Geschäftslei­ tung nicht ein und dasselbe sind, obwohl thatsächlich das Zusammenfallen beider einen bedeutenden Theil des politischen Uebergewichts Oesterreichs im Bunde bisher gebildet hat. Sollte nun für die Zukunft eine gleiche Vertheilung des die Leitung der Bundesangelegenheiten mit sich führenden politischen Einflusses zwischen Oesterreich und Preußen erstrebt werden, so dürfte vor allen Dingen nicht außer Acht zu lassen sein, daß dieser Einfluß nicht ausschließlich auf dem Gebiete des Rechts liegt, folglich in vielen[,] vielleicht in den wichtigsten Beziehungen überhaupt gar nicht Gegenstand der Gleichberechtigung sein kann. In einem Bunde, zu dessen wesentlichen Grundgesetzen die Gleichbe­ rechtigung aller seiner Mitglieder sowie deren unabhängiges Stimmrecht ge­ hört und nach allseitiger Absicht auch ferner gehören soll, läßt sich ein leiten­ der Einfluß auf die Gesammtheit nur sehr theilweise durch Vorschriften über die Geschäftsleitung sichern, im Wesentlichen wird derselbe davon abhängig sein und bleiben, ob die Politik der mächtigsten Bundesglieder dadurch, daß sie den wahren Interessen der Gesammtheit entspricht, das Vertrauen und den Anschluß der übrigen Mitglieder gewinnt oder nicht. Die bisherige Geschich­ te des deutschen Bundes bestätigt dies schlagend. Oesterreich und Preußen gemeinsam haben stets alle Schritte des Bundes nach außen, alle seine Maaß­ regeln nach innen mit sicherem Erfolge geleitet, getrennt von der anderen hat keine der beiden Mächte dies zu thun vermogt [sic], und dieselben Erfahrun­ gen würden auch in Zukunft ohne Zweifel sich wiederholen, selbst wenn ganz andere als die bisher gültigen Normen über Vorsitz und Geschäftsleitung vereinbart werden sollten. Mit Recht wird man daher vom praktischen Stand­ punkte aus solchen, den Vorsitz und die Theilnahme an der Geschäftsleitung von einander trennenden Vereinbarungen nur eine untergeordnete Bedeutung beimessen. Wird aber, wie es das neue Bundesreformproject bezielt, die Lei­ tung der Bundesangelegenheiten wesentlich in den Händen eines engeren Di­ rectorii concentrirt, so geht sie dadurch in demselben Maaße schon von selbst auf das letztere über und es ist damit die Möglichkeit gegeben, den leitenden politischen Einfluß in befriedigenderer Weise gleich zu vertheilen, insoweit

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dies Ziel überhaupt durch Vereinbarungen über die formelle Behandlung der Geschäfte zu erreichen ist. Der bloße Vorsitz bleibt dann mehr nur ein histo­ risch begründeter Rang oder Ehrenvorzug, dessen Aufgeben auf der einen Seite allerdings schwierig, auf der anderen aber im gemeinsamen politischen Interesse nicht erforderlich erscheint. Von ungleich größerer Bedeutung als die beiden ersten von Ew. Königli­ chen Majestät ausgesprochenen Vorbedingungen einer Bundesreform ist die dritte, welche eine Volksvertretung verlangt, die nicht aus Delegation, son­ dern aus directen Wahlen nach Maaßgabe der Bevölkerung der einzelnen Staaten hervorgeht und deren beschließende Mitwirkung in Bundesangele­ genheiten noch ausgedehnter bemessen werden soll, als in dem neuen Ent­ wurfe der Reformacte der Fall ist. Im Allgemeinen darf ich wohl bemerklich machen, daß sowie ich in den Verhandlungen der Frankfurter Fürstenconfe­ renz meine im Obigen näher dargelegten mit den von Ew. Königlichen Maje­ stät approbirten wesentlich übereinstimmenden Ansichten in der allgemeine­ ren Form ausgesprochen habe, daß Preußen gleiche Präsidial-Befugnisse wie Oesterreich gebührten, mein Widerspruch gegen die in dem Entwurfe einer Reformacte vorgeschlagene Einrichtung einer deutschen Volksvertretung am Bunde ausdrücklich nicht gegen die Berufung regelmäßiger Versammlungen zur Berathung der deutschen Angelegenheiten am Bunde überhaupt, sondern gegen die Ausrüstung derselben mit Befugnissen, die der constitutionellen Doctrin entnommen sind, gerichtet war, weil ich die Einführung des constitu­ tionellen Systems in die Bundes-Institutionen unter den jetzt gegebenen Um­ ständen für eine politische Unmöglichkeit halte. Deutschland besteht aus der Gesammtheit der zum deutschen Bunde verei­ nigten Staaten, welche als solche ihr Heil und ihre Macht nur in der Einigkeit, nicht in einer die Existenz der einzelnen Staaten aufhebenden Einheit erblic­ ken und erstreben können. Ein neben den einzelnen Staaten oder außerhalb derselben bestehendes Deutschland giebt es nicht. Man kann von einem sol­ chen nur insofern reden, als es thatsächlich jetzt in Deutschland allerdings eine Parthei giebt, welche die deutsche Einheit durch Auflösung der einzelnen Staaten erstrebt. Diese der bestehenden rechtlichen Ordnung ausgesproche­ nermaßen feindselige[,] gleichwohl unter dem Schutze derselben für jetzt noch mit „legalen Waffen“ kämpfende Parthei verlangt bekanntlich eine Ver­ fassung für Deutschland, durch welche der Schwerpunkt in eine aus directen Wahlen nach Maaßgabe der Bevölkerung hervorgegangenen Versammlung gelegt wird. Die Einen fordern gradezu die Reichsverfassung von 1849, die Andern nur ein deutsches Parlament, sei es in republicanischer Form oder nach dem Systeme des Constitutionalismus, letztere indem sie richtig erken­ nen, daß dadurch die bestehende Ordnung in Deutschland ebenso sicher als durch eine Revolution und zwar in den freien Städten nicht minder als in den

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Schwerin, 13. Oktober 1863

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monarchischen Staaten untergraben, und der Fortbestand aller dieser Staaten unmöglich gemacht wird. Die deutschen Regierungen sind der Umsturzpar­ thei gegenüber bisher nur darin einig gewesen, daß sie durch fortschreitende Nachgiebigkeit den gemeinsamen Feind zu gewinnen und zufrieden zu stel­ len gehofft haben. Vielleicht haben die in einflußreichen Kreisen noch immer mächtigen Täuschungen des doctrinairen Constitutionalismus, dieses Gegen­ theils der englischen Verfassung, welches die Continental-Staaten in demsel­ ben Maaße an den Rand des Verderbens geführt hat und jetzt noch führt, in welchem diese Staaten zu einer politischen Bedeutung berufen sind, dazu bei­ getragen, der Umsturzparthei in Deutschland die günstige Stellung zu sichern, in der sie sich befindet. Die Erfahrung lehrt nun aber nicht, daß erbitterte Feinde durch Concessionen zu gewinnen sind, die Blätter der Geschichte sind voll von blutigen Beweisen des Gegentheils. Was würde aus Deutschland werden, wenn es gelänge, die einzelnen Staaten und mit ihnen die Grund­ lagen der deutschen Nationalität, mit welchen alle bessern Elemente des Rechts, der Ordnung und der Treue eng verwachsen sind, zu zerstören und den politischen Haß, der aus dem Particularismus selbst immer neue Nahrung schöpfen würde, unter der Herrschaft eines parlamentarischen Parthei-Regi­ ments zu entzünden, während das Ausland nicht ermangeln würde, die Ver­ wirrung auszubeuten? Es wird, wie ich glaube, einer Verwahrung von meiner Seite nicht bedürfen gegen den Vorwurf allzu trüber Combinationen. Die Thatsachen von 1848 reden deutlich. Die Bestrebungen des Jahres 1851 und der zunächst folgenden Jahre zur Wiederherstellung einer festen g­ emeinsamen Rechtsordnung in Deutschland waren nicht energisch und nicht erfolgreich. Der falsche Constitutionalismus hat neue Eroberungen gemacht, und auf ­einem der wichtigsten Gebiete ist der Kampf zwischen ihm und der monar­ chischen Rechtsordnung in diesem Augenblicke noch unentschieden. In der österreichischen Reformacte ist dann der Versuch gemacht, das parlamentari­ sche Princip gradezu einzuführen, die nothwendigen Consequenzen dessel­ ben aber durch einzelne Vorsichtsmaßregeln zu hemmen. Preußen hat zwar diesen Versuch als einen bedenklichen und unpraktischen bezeichnet[,] aber nur deshalb, weil er nicht weit genug gehe, und um seinerseits vollständig zu gewähren, was von der Umsturz-Parthei verlangt wird, nämlich directe Wah­ len nach der Volkszahl, woraus ein noch weiter gehendes entscheidendes Be­ schließungsrecht von selbst folgt. Daß ich diese Wendung der Sache nach meiner innersten Ueberzeugung für eine die Existenz aller deutschen Staaten und des deutschen Bundes ge­ fährdende halte, und daher überall, wo ich Gelegenheit dazu habe, gegen de­ ren Einführung mich erklären werde, wird nach dem Obigen einer besonde­ ren Rechtfertigung nicht bedürfen. In den mir zugegangenen Mitteilungen finde ich diesen Vorschlag hauptsächlich durch die der deutschen Nation zu­

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stehenden Ansprüche und dadurch motivirt, daß nur unter dieser Vorausset­ zung Preußen auf eine Bundesreform eingehen könne. Ich bekenne, daß ich diese letztere Berechnung nicht für richtig, und die preußische Volksvertre­ tung, auch wenn sie aus einer directen Wahl nach der Bevölkerung hervorge­ gangen, keineswegs für identisch und politisch übereinstimmend mit einer deutschen auf gleiche Weise gebildeten Volksvertretung halte. Sollte ich aber, wie ich mich gern bescheide, hierunter irren, so würde ich doch glauben, daß es über den Zweck der Sicherung des Preußen gebührenden Einflusses in Deutschland weit hinausgehen würde, wenn für diesen Zweck ein Mittel in Bewegung gesetzt würde, welches die Annullirung der mindermächtigen Staaten vielleicht bewirken, zugleich aber auch für Preußen selbst die be­ denklichsten Folgen mit sich führen würde. Indem ich schließlich Ew. Königlichen Majestät meine volle Bereitwillig­ keit ausspreche, allen etwanigen [sic] Vorschlägen über eine Reform des deutschen Bundes, worüber Höchstdieselben mit Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich Sich vielleicht vereinigen mögten, meine persönlichen Ueber­zeugungen, wiewohl nur insoweit ich Gewissens halber dazu im Stande bin, unterzuordnen, bitte ich in der mir lange zur Gewohnheit gewordenen vertrauensvollen Verehrung für Ew. Königliche Majestät, daß Allerhöchst­ dieselben in dieser so überaus wichtigen Frage den Bedenken, welche ich vorstehend gegen die aufgestellte dritte Vorbedingung einer Bundesreform zu erheben mir erlaubt habe, eine nochmalige nähere Prüfung angedeihen lassen und Ihren mächtigen Einfluß dahin geltend machen wollen, daß die sinkende Bahn der politischen Concessionen an die Umsturzparthei, auf welcher Deutschland sich befindet, verlassen werde und daß die Einigkeit Deutsch­ lands vor allen Dingen ihren Mittelpunkt darin wiederfinde, daß die äußere und innere Sicherheit Deutschlands und die Unabhängigkeit und Unverletz­ lichkeit der einzelnen deutschen Staaten erhalten bleibe. Indem ich mich verpflichtet halte, Ew. Königlichen Majestät durch die an­ liegende Abschrift den Inhalt eines Schreibens zur Kenntniß zu bringen, wel­ ches ich unter dem heutigen Datum in dieser Angelegenheit an Seine Maje­ stät den Kaiser von Oesterreich habe abgehen lassen, beharre ich mit der Ver­ sicherung der treuesten Anhänglichkeit und Verehrung als Ew. Königlichen Majestät dienstwilligst ergebener Vetter und Neffe Friedrich Franz v. Oertzen

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Berlin, 20. Oktober 1863

92. Geffcken1 an Curtius

Archiv der Hansestadt Lübeck, Alte Senatsakten, Deutscher Bund, B 91. Privatschreiben. Eigen­ händige Ausfertigung. Lect. in Cur.: 21. Oktober 1863.

Solange der Bund in seiner völkerrechtlichen Form bestehen soll, ist eine Bundesreform unmöglich. Mit der Reformakte würde kein wirklicher Vorteil erzielt, sie würde vielmehr große Gefahren für die kleineren Staaten bringen. Österreich hat die Reformakte nicht aus dem Drang initiert, etwas für die deutsche Einheit zu tun, sondern sein Vorgehen ist dem Bewußtsein seiner inneren und äußeren Verlegenheiten sowie der Hoffnung, die Fehler der Bismarckschen Politik auszubeuten, entsprungen. Nach dem vollständigen Umschwung der Stimmung in Deutschland ist das österreichische Reformprojekt als tot anzusehen.

Berlin, 20. Oktober 1863 Hochgeehrter Herr Senator, Ich habe mich bisher jeder Aeußerung über die deutsche Reformfrage enthal­ ten, weil ich zu keiner Mitwirkung berufen war und es deshalb gerne vermied meinen von der Haltung meiner Regierungen abweichenden Ansichten Aus­ druck zu geben. Da Sie aber in Ihrem eben empfangenen Schreiben mich zu einer solchen Aeußerung auffordern[,] kann ich nicht zögern dem nachzu­ kommen und bitte nur diese Zeilen als ganz persönlich und vertraulich anzu­ sehen. – Ich glaube mich mit der Frage eingehend beschäftigt zu haben und bin zu dem Ergebniß gekommen, daß so lange der Bund in seiner völker­ rechtlichen Natur bestehen soll, eine Reform deßelben nicht möglich ist, ich meine es heißt von ihm: sit ut est aut non sit.2 Jeder Versuch eine wirkliche Einheit der Aktion herzustellen wird an dem Widerstande der dynastischen Interessen scheitern. Wenn ich nun die Reformakte an sich, abgesehen von den Zwecken welche Oesterreich für sich dabei verfolgt, prüfe, so kann ich mich nicht davon überzeugen, daß damit ein wirklicher Vorteil erzielt wür­ de[,] wohl aber glaube ich, daß die Verwirklichung des Projektes für die klei­ nern Staaten erhebliche Gefahren bringen würde. Die Reformakte schafft in meinen Augen einen sehr complicirten Mechanismus, von dem ich bezweifle daß er beßer als die jetzigen Organe des Bundes functioniren würde, ohne der 1 Friedrich Heinrich Geffcken (1830–1896), 1856–1866 Geschäftsträger bzw. (ab 1859) Mini­ sterresident der Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck in Berlin; ADB, Bd. 55, S. 763– 770; NDB, Bd. 6, S. 127 f.; DBE, Bd. 3, S. 587. 2 „Er sei, wie er ist, oder er sei nicht.“ – Die zum geflügelten Wort gewordene Wendung geht auf Papst Clemens XIII. (1758–1769) zurück, der 1762 die Forderung des französischen Königs Ludwig XV. nach einer Reform des Jesuitenordens mit den Worten zurückwies: „Sint, ut sint, aut non sint“ (Sie sollen sein, wie sie sind, oder sie sollen nicht sein). Vgl. Bartels, Veni, Vidi, Vici, S. 168.

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Geffcken an Curtius

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Centralgewalt mehr wirkliche Kraft zu geben; das Direktorium aber halte ich namentlich für uns gefährlich, ich sehe keine Beseitigung der Gegensätze darin[,] wenn man die Stimmen des engern Rathes auf 7 oder 5 reducirt, son­ dern nur eine Verschärfung des bisherigen Antagonismus, ich vermag mir keine Vorstellung von der Wirksamkeit des Bundesrathes zu machen und ich halte die periodisch wiederkehrenden Fürstenversammlungen namentlich für uns kleine Republiken sehr bedenklich, es würde dabei an Eingriffen in inne­ re Verhältniße nicht fehlen. Noch ehe ich irgend etwas von dem Inhalt des Reformprojektes wußte, schrieb ich von Helgoland bereits an Herrn Syndikus Merck, ich sei überzeugt es werde sich im Wesentlichen um einen Vorschlag handeln, wie er auf den Dresdner Conferenzen3 gemacht sei und wenn ich glaube, daß damals mit Recht sich die kleinern Staaten dagegen entschieden aussprachen, so kann ich mir ihre jetzige Zustimmung nur aus dem Eindruck der allgemeinen Stimmung erklären. – Gehe ich nun von dem Projekte an sich auf die Absichten Oesterreichs[,] so steigern sich meine Bedenken noch. Daß das Wiener Cabinet die Sache aus innerm Drang etwas für Deutschlands Einheit zu thun unternommen[,] scheint mir wenig seinen Antecedentien zu entsprechen, sein Vorgehen scheint mir vielmehr aus dem Bewußtsein ent­ sprungen zu sein, daß die innern und äußern Verlegenheiten Oesterreichs sich in einer Weise steigerten, welche ihm die Unterstützung Deutschlands immer nothwendiger machten und es hoffte die Fehler der Bismarckschen Politik ausbeuten zu können[,] indem es durch Ueberraschung einen großen Coup machte. Indeß es hat sich doch gezeigt, welche Realität Preußen selbst in ­seiner gegenwärtigen Lage ist, das Project ist gescheitert. Um übrigens die ganze Rücksichtslosigkeit, ja die mala fides4 Oesterreichs bei seinem isolirten Vorgehen zu ermeßen, muß man die Unterredung der beiden Monarchen in Gastein in Anschlag bringen.5 Der König hat diese Unterhaltung gleich nie­ dergeschrieben[,] nach dem [sic] der Kaiser ihn verlaßen und mir ist der In­ halt von jemandem mitgetheilt, welcher dies Manuscript gelesen hat, leider kann ich Ihnen denselben nicht wiedersagen, da ich mich durch mein Wort verpflichten mußte davon keinen Gebrauch zu machen, nur soviel darf ich sagen, daß wenn der König in seinen Aeußerungen wenig Verständniß für die Situation bewiesen, er doch durch die rasch folgende, vordatirte Einladung höchst peinlich überrascht sein mußte. Ich mache Oesterreich keinen Vorwurf darüber, daß es seine Intereßen rücksichtslos verfolgt[,] aber ich glaube 3 Die Dresdener Konferenzen zur Reform des Deutschen Bundes von 1850/51; vgl. dazu QGDB III/1; Flöter/Wartenberg (Hrsg.), Die Dresdener Konferenz. 4 Arglist, Hinterlist. Wörtlich übersetzt: der böse Glaube. 5 Die Unterredung der beiden Monarchen in Bad Gastein hatte am 2. August 1863 stattgefun­ den. Vgl. oben Dok. 39, Anm. 3.

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Dresden, 20./21. Oktober 1863

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nicht[,] daß es unsre Aufgabe sein kann es darin zu unterstützen. Namentlich wo das Projekt, nach dem vollständigen Umschwung der Stimmung in Deutschland, als tot zu bezeichnen ist, glaube ich nicht[,] daß wir an Demon­ strationen teilzunehmen haben, welche zu keinem praktischen Resultat führen können, wohl aber uns mit Preußen gründlich verfeinden würden. Sie wi­ ßen[,] wie ich über das Bismarcksche Regiment denke, wir haben gewiß kei­ ne Veranlaßung demselben Sympathie zu zeigen, aber ich glaube auch nicht[,] daß wir uns ohne sachliche Zwecke mit Preußen unnöthig schlecht stellen sollen, da der Berührungspunkte und gemeinsamen Intereßen so viele sind. Danach kann ich es nur mit Freuden begrüßen, wenn Lübeck, Bremen und Oldenburg die Mitwirkung zu den von Oesterreich vorgeschlagenen Schritten ablehnen und hoffe[,] daß Hamburg diesem Beispiele folgen wird. – Ich den­ ke Sie verübeln es mir nicht, daß ich Ihrer Aufforderung mich über die Sache zu äußern, ohne Rückhalt nachgekommen bin, ich kann meine Ansicht mit dem Worte des Großherzogs v. Baden resumiren, daß wenn die Einzelstaaten Opfer bringen sollen[,] auch etwas geschaffen werden muß, was ihnen dafür realen Ersatz bietet. [Es folgen Bemerkungen zu Steuer- und Finanzangelegenheiten der Hansestädte.]

Hochachtungsvoll ergebenst der Ihrige Geffcken.   Dresden, 20./21. Oktober 1863 

93. Rantzau1 an Bismarck

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/70, fol. 67–76. Bericht. Behändigte Ausfertigung mit Marginalien und Anstreichungen Bismarcks. Praes.: 22. Oktober 1863.

Beust macht der preußischen Regierung heftige Vorwürfe wegen ihrer Zurückweisung der Bundesreformakte. Der sächsische König sei durch den Bericht des preußischen Staatsministeriums vom 15. September 1863 persönlich verletzt worden. Preußen habe alle Reformversuche vereitelt und den Nationalverein geduldet, der auf den Umsturz des Bundes hinarbeite. Beust spricht sich gegen das direkte Wahlrecht aus, es würde zur Revolution führen. Ferner ist Beust gegen ein Veto für Preußen und Österreich, denn dieses löse den Bund auf. Rantzau warnt Beust eindringlich davor, sich an einer identischen Note der deutschen Regierungen gegen Preußen zu beteiligen. Das österreichische Verfahren in der Reformfrage sei rücksichtslos und verletzend gegenüber Preußen.

1 Otto Carl Josias Graf zu Rantzau (1809–1864), 1863–1864 preußischer Gesandter in Dresden; Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 461.

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Rantzau an Bismarck

Politischer Bericht No 100. Vertraulich!

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Dresden, 20./21. Oktober 1863

Die in der „Europe“ veröffentlichte Circular-Depesche des Grafen Rechberg über die preußische Circular-Depesche vom 26ten v. Mts.2 gab mir gestern Veranlassung zu einer längeren Unterredung mit dem Minister von Beust über diese Angelegenheit. Unter Bezugnahme auf dieses Actenstück, sagte ich Herrn von Beust, daß, wie ich erfahren, verschiedene Deutsche Regierungen nicht Willens seien, auf diesem Wege mit Oesterreich fortzuschreiten, und daß ich mich der Hoffnung hingäbe, daß auch die Königlich Sächsische Regierung sich an einer identi­ schen Kundgebung nicht betheiligen werde. Der Herr Minister äußerte, eine identische Antwort an Preußen sei durch­ aus geschäftsmäßig; es würde nichts darin liegen, was unsere Regierung ver­ letzen könnte,3 und es würde ihm leid sein, wenn man es in Berlin in einem anderen Sinne auffassen sollte. Ein collectiver, identischer Schritt würde, bemerkte ich, als eine anti-preu­ ßische Coalition erscheinen, und er könnte sich nicht verhehlen, daß eine sol­ che Demarche nothwendig verletzen müsse. Ich fühlte mich gedrungen, drin­ gend davon abzuraten. Jede der Regierungen könne sich aussprechen, wie sie es für angemessen erachte, aber eine identische Erwiderung sei weder formell gerechtfertigt, noch überhaupt rathsam. Freiherr von Beust trat dieser Ansicht auf das Entschiedenste entgegen. Er entwickelte mit größter Lebhaftigkeit die ganze Sachlage, wie er sie auffaßt. Die Reformfrage, sagte er, ist uns über den Kopf gewachsen.4 Sie muß5 jetzt6 ihre Lösung finden. Zu verschiedenen Malen sei es versucht worden, fuhr er fort; Preußen habe es immer vereitelt. Er ging alle Stadien der Reformfrage durch und hob hervor, wie man in Preußen in den vergangenen Jahren den Nationalverein, der doch auf den Umsturz des Bundes hingearbeitet, geduldet habe, und wie ein Zustand hervorgerufen sei, der unhaltbar geworden. ­Oesterreich habe nun seine Vorschläge gemacht, und der König Johann habe Sich nicht gescheut, die Mission nach Baden zu übernehmen, auf die Gefahr hin, mit einem refus zurückzukehren.7 Er habe aber unseren Allergnädigsten 2 Rantzau bezieht sich offenbar auf die preußische Depesche vom 22. September und die öster­ reichische Depesche vom 26. September 1863, siehe oben Dok. 80 und 81. 3 Anstreichung am Rand mit Fragezeichen. 4 Marginalie Bismarcks: allerdings. 5 Fragezeichen Bismarcks. 6 Fragezeichen Bismarcks. 7 Gemeint ist die Reise König Johanns von Sachsen nach Baden-Baden, wo er am 19. August 1863 in einem persönlichen Treffen den preußischen König im Auftrag der in Frankfurt ver­ sammelten deutschen Monarchen zur Teilnahme am Fürstentag zu bewegen versucht hatte. Siehe oben. Dok. 47. Siehe dazu Wehner, Die deutschen Mittelstaaten, S. 187–189.

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Dresden, 20./21. Oktober 1863

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Herrn gebeten und auch die Zusage erhalten, daß Seine Majestät die Vorlagen der Fürsten-Versammlung entgegennehmen und in bundesfreundlichem Sinne prüfen würden.8 Das sei auch geschehen, bemerkte ich; worauf Herr von Beust entgegnete, der König Johann sei tief verletzt durch den Bericht des Staats-Ministeriums an Seine Majestät. Und um mir keinen Zweifel darüber zu lassen, zeigte mir Freiherr von Beust ein Schreiben, welches der König Johann an ihn, während seiner Abwesenheit, in Erwiderung auf einen Bericht des Herrn von Beust aus Wien, gerichtet hatte, und worin es heißt: es sei Seiner Majestät lieb, daß Herr von Beust dem Baron Werther (auf die Aeußerung: der König Johann werde wohl die Vermittlung übernehmen) geantwortet habe, daß Er Sich nicht wieder so leicht dazu verstehen werde; und der König bezeichnet den Bericht des Staats-Ministeriums als „Grobheiten“.9 Auf meine Frage, ob ich hiervon Erwähnung thun sollte, ermächtigte mich der Minister ausdrücklich Gebrauch davon zu machen.10 Ich drückte dem Herrn von Beust meine größte Ueberraschung und mein lebhaftestes Bedauern darüber aus, daß der König Sich verletzt gefühlt. Ich gestände ihm, daß es mir vollkommen unverständlich wäre und mich im höchsten Grade überraschte. Es wäre mir, beim Lesen des Berichtes, auch nicht der Schatten eines solchen Gedankens gekommen und ich begriffe nicht, wie der allverehrte König etwas Persönliches in dem Berichte vom 15ten September habe finden können, der ja nur die Sache in’s Auge faßte, und daß es ja nicht im Entferntesten in der Absicht habe liegen können, den König persönlich irgendwie zu berühren. Der Bericht beträfe ja nicht Sach­ sen, sondern Oesterreich. Der Minister erwiderte mit Bitterkeit: Freilich, es sei im Berichte eigent­ lich nur die Rede von Preußen und Oesterreich, von Oesterreich und Preu­ ßen! Außerdem wisse er wohl, daß man auf die Wahlen habe wirken wollen, aber wenn man, wie sein König, Tage und Nächte daran gesetzt, wenn man alle Mühe daran gewandt,11 um zu vermitteln und auszugleichen, und dann die Arbeit nicht einmal geprüft, sondern, noch ehe man die Vorlagen erhalten, wie ein weißes Blatt hingeworfen würde, so sei das „nicht schön“. Ich bemerkte, er werde doch der Preußischen Regierung das Recht zuge­ stehen, von ihrem Standpunkte aus eine Angelegenheit zu erörtern, die Preu­ ßen so nahe berühre, und ohne Preußen überhaupt gar nicht gelöst werden könnte. Der Bericht des Königlichen Staats-Ministeriums sei ja nur gegen das   8 Marginalie Bismarcks: ist geschehen.   9 Fragezeichen Bismarcks. 10 Marginalie Bismarcks: Darin liegt schon eher eine Grobheit! 11 Marginalie Bismarcks: an eine verfehlte Sache, leider!

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oesterreichische Verfahren, das im höchsten Grade verletzend gewesen, wie er selbst fühlen müsse, wenn er es auch nicht ausspräche, und gegen die ­oesterreichischen Reform-Vorschläge gerichtet, und da er keinen Theil daran habe, wie er mir früher versichert, so könne es den König und ihn garnicht berühren. Sie hätten ja erst in Frankfurt die Vorlagen kennen gelernt. Freiherr von Beust wiederholte, sie seien ihm allerdings unbekannt gewe­ sen, aber man habe sich jetzt zu einer gemeinsamen Grundlage geeinigt und verpflichtet, auf dieser Basis weiter zu gehen.12 Ich machte bemerklich, daß nach der Erklärung vom 1ten September die Re­ gierungen sich nur verpflichtet hätten, so viel an ihnen läge, und unter der Be­ dingung der Zustimmung Preußens, auf Grundlage der Reformakte, zum Zwecke der Verständigung mit Seiner Majestät dem Könige und den anderen dissentirenden Regierungen, weiter zu verhandeln; daß sie daher jetzt frei wä­ ren, da Preußen seine Zustimmung versagt, und daß ich Grund hätte anzuneh­ men, daß viele Regierungen sich nicht würden geneigt finden lassen, unter die­ sen Umständen und auf diesem Wege, mit Oesterreich weiter zu gehen. Ich warf zugleich hin, Herr von Beust habe sich ja immer eine selbstständige Stel­ lung bewahrt, er solle sich jetzt doch nicht in’s Schlepptau nehmen lassen. In’s Schlepptau, versicherte er, würde er sich nicht nehmen lassen, aber in gutem Glauben wären alle Regierungen, die die Erklärung gezeichnet, an die­ se Grundlage gebunden; es würde nicht ehrlich sein jetzt davon zurückzutre­ ten. Es käme auch nichts dabei heraus, wenn jede Regierung ihre Ansicht ausspräche; die eine sagte dies, die andere jenes. Es käme darauf an festzu­ stellen, was die Ansicht sei, und wenn eine Anzahl von Regierungen eine An­ sicht über die Reformfrage gewonnen hätten, so müsse dieselbe festgestellt werden. Auch den Kammern müsse man Etwas vorlegen können, und sie müßten sich aussprechen. Freiherr von Beust erwähnte im Laufe der Unterredung, zum Beweise wie unrichtig es wäre die Reformakte für Preußen nachtheilig zu finden: Ein13 Preuße, und ein guter Preuße, der für sein Land fühlte, habe ihm gestanden, daß er die Ansicht nicht theile, die nun einmal in Preußen gegen die Reform­ akte herrsche; und der Minister fügte hinzu, das Directorium, wie es jetzt ge­ bildet sei, zur Unzufriedenheit Oesterreichs, sichere Preußen die Majorität in allen zweifelhaften Fragen.14 In Preußen, erwiderte ich, ist über die Reformakte nur Eine Meinung. Wiederholt sprach sich Freiherr von Beust gegen das directe Wahlrecht aus. Das sei der Kern der ganzen Frage. Abgeordnete, aus freien Wahlen her­ 12 Marginalie Bismarcks: nur zu! aber wohin? 13 Von Bismarck (?) doppelt unterstrichen. 14 Marginalie: ? !

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vorgegangen, würden sich an nichts gebunden achten; nicht als Preußen, Bai­ ern, Sachsen würden sie sich fühlen, sondern als Deutsche, und sie würden verlangen, daß die Executiv-Gewalt ihre Befehle ausführe. Von einer Garan­ tie für die einzelnen Staaten wäre da keine Rede. Es führte zur Revolution.15 Ich hob hervor, daß nach der Ansicht meiner Regierung, der geringste Cen­ sus mehr Garantie darbieten würde, als der Wahlmodus mancher deutscher Staaten, auch Preußens; aber alles, was ich anführen konnte, überzeugte be­ greiflicher Weise den Sächsischen Minister nicht. Delegirte, erwiderte er, ­wären doch gebunden durch ihren Eid an ihren Regenten und ihr Land,16 sie gingen aus den Kammern hervor und wären auch diesen verantwortlich;17 es wären ferner Mitglieder der ersten Kammern darunter, und das sei nicht hoch genug anzuschlagen. Kurz, Freiherr von Beust hält directe Wahlen, mit oder ohne Census, für schlechthin unausführbar und verwerflich. Was ferner das Veto anbelangt, so versicherte er, mit Ausnahme weniger Regierungen würden Alle dagegen stimmen. Ein Veto für Preußen und Oester­reich löse den Bund auf.18 Meiner Bemerkung, daß das Veto ja faktisch doch bestehe und immer be­ stehen würde, entgegnete der Minister: es bestehe leider faktisch – leider! – aber wenn es in die Verfassungs-Urkunde hineingesetzt würde, so löse es den Bund auf. Die Parität endlich stellte Herr von Beust als eine reine Formalität dar, was ich natürlich in keiner Weise zugeben konnte. Am Schlusse der Unterredung, die ich, trotz der unfreiwilligen Ausführ­ lichkeit dieses Berichtes, nur im Wesentlichen wiedergegeben, sagte ich dem Minister, ich hätte pour l’acquit de ma conscience19 ihn abmahnen wollen von identischen Schritten, ich spräche ihm meine eigene Ansicht aus und meine Ueberzeugung, daß identische Noten eine Verständigung nicht fördern könnten; daß sie meine Regierung nicht umstimmen, sondern verletzen wür­ den, und ich bäte ihn die Sache nochmals einer reifen Erwägung zu unter­ ziehen. Ich kann diesen Bericht nicht schließen, ohne die Ueberzeugung wieder­ holt auszusprechen, daß das Dresdener Cabinet, tief gekränkt durch das Miß­ lingen des Congresses, an dem der König Johann und sein Minister so her­ 15 Marginalie Bismarcks: warum ließ man dann die Sache nicht ruhen, sondern zwang uns zum Kampf? Oestreichs Verfahren fördert allerdings die Revolution und compromittirt die Für­ sten. 16 Marginalie Bismarcks: das ist jeder Unterthan. 17 Fragezeichen Bismarcks. 18 Marginalie Bismarcks: wir haben das Veto nur verlangt, falls die Bundes-Competenz erwei­ tert wird; ohne dasselbe vernichtet diese Erweiterung unsre Stellung als Großmacht. 19 Französisch für: um mein Gewissen zu beruhigen.

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vorragenden Theil genommen, Alles aufbieten wird, um zu irgend einem practischen Erfolg zu gelangen.20 Post-Scriptum. Dresden, den 21. Oktober 1863. Ich habe soeben den Minister von Beust gefragt, ob das Schreiben des Königs Johann und die Aeußerung Seiner Majestät über den Bericht des Königlichen Staats-Ministeriums vom 15ten v. Mts. sich auf den Bericht im Allgemeinen bezöge, oder auf eine bestimmte Stelle? Ich hätte den Bericht heute wieder geprüft, und es wäre mir unverständlich geblieben, wodurch der König Sich habe verletzt fühlen können, da es ja nur die Sache beträfe. Freiherr von Beust bat mich zu beachten, daß es ein „Privatbillet des Kö­ nigs an ihn sei“; worauf ich bemerkte, er habe mich aber doch ermächtigt davon Gebrauch zu machen, und da es mir darauf ankomme, genau Bericht zu erstatten, so hätte ich mir diese Frage erlaubt. Der Minister erwiderte, er habe mich allerdings dazu ermächtigt; es wäre dem Könige lieb, wenn man es in Berlin erführe, und er fuhr dann fort: das Einzige, was der König Johann aus Baden zurückgebracht hätte nach Frank­ furt sei die Zusage unseres Allergnädigsten Herrn gewesen, jede Mittheilung des Fürstentages mit Bereitwilligkeit und Sorgfalt in Erwägung zu ziehen. Es sei darauf der Bericht des Staats-Ministeriums erschienen, worin die Bestrebungen des Fürstentags als solche bezeichnet würden, deren unverkennbare Absicht es sei, Preußen die ihm gebührende Machtstellung in Deutschland und in Europa zu verkümmern.21 Und an einer anderen Stelle spreche der Bericht von dem Versuche zur Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Würde Preußens.*22 Ich antwortete, dieser Ausspruch des Staats-Ministeriums sei vollkommen begründet,23 aber er beträfe Oesterreich, nicht Sachsen. Er müsse doch selbst anerkennen, daß das Verfahren Oesterreichs rücksichtslos und verletzend für Preußen gewesen, und man könne doch nicht über die Absicht der Wiener Vorlagen im Zweifel sein. * Dieser Passus, auf den Herr von Beust sich bezieht, ist im Bericht des Königlichen StaatsMinisteriums vom 2ten nicht vom 15ten Septbr. o. [Anmerkung Rantzaus]. 20 Marginalie Bismarcks: allerdings scheint H. von B. sehr gereizt zu sein, natürliche Folge wenn ein kluger Mann sich auf politische Thorheiten eingelassen hat. 21 Marginalie Bismarcks: durchaus wahr. 22 Marginalie Bismarcks: ebenso unbestreitbar. 23 Marginalie Bismarcks: sehr richtig.

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Freiherr von Beust schwieg. Ich fuhr fort, ich verlangte nicht, daß er es ausspräche, aber es handelte sich doch in der That und Wahrheit nur von den oesterreichischen Bestrebun­ gen. Und wenn der König Johann Sich verletzt fühlte, so brauchte ich ihm doch wohl nicht zu sagen, wie hoch der König, mein Allergnädigster Herr, den König Johann stelle, und wie ergeben Seine Majestät Ihm sei. Freiherr von Beust entgegnete, das wisse er sehr wohl. Eine Absicht, den König Johann zu verletzen, sei nicht da gewesen, aber er könne mir doch nicht zugeben, daß der Bericht des Staats-Ministeriums nur gegen die oester­ reichischen Vorschläge gerichtet sei – es läge viel dazwischen – und es sei ja bekannt, daß der König Johann einen thätigen Antheil an den Verhandlungen in Frankfurt genommen. Ich würde fürchten, die Geduld Eurer Excellenz zu sehr in Anspruch zu nehmen, wenn ich die ganze Unterredung, die im Wesentlichen eine Wieder­ holung unserer gestrigen Unterhaltung war, wiederzugeben versuchte, aber erwähnen muß ich noch, daß Herr von Beust den Wunsch dringend aussprach, daß eine identische Antwort in Berlin nicht ungünstig möchte aufgefaßt wer­ den, und dann hinzufügte, er reise heute nach Nürnberg, wo sich auch Graf Rechberg einfinden werde, worauf ich wiederholte, identische Mittheilungen könnten die Verständigung nur gefährden. Genehmigen Euere Excellenz die Versicherung meiner größten Ehrerbie­ tung. Rantzau.   Nürnberg, 24. Oktober 1863 

94. Platen an König Georg V. von Hannover

NLA Hannover, Dep. 103, Best. VIII, Nr. 291. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Abschrift für das königliche Gesamtministerium ebd., Best. VIII, Nr. 90 I. Praes.: 26. Oktober 1863.

Die Minister von Österreich, der vier Königreiche, von Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Nassau, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen und Schaumburg-Lippe beraten über die Reaktion auf die preußische Ablehnung der Bundesreformakte. Österreich und die Mittelstaaten von Bayern bis Nassau sind für eine entschiedene Zurückweisung der drei preußischen Vorbedingungen für eine Bundesreform, die anwesenden Minister der Kleinstaaten lehnen dies ab. Wegen des Widerstandes von Hannover gegen die Beantwortung der preußischen Vorschläge durch identische Noten wird beschlossen, jeder Regierung die Form ihrer Antwort zu überlassen. In der Diskussion über die Frage, welches Mittel der „Pression“ man anwenden könne, wenn Preußen auf seinen Vorbedingungen beharrt, stellt Beust den Antrag, die Reformakte sämtlichen Kammern der Einzelstaaten zur Annahme vorzulegen. Platen erklärt sich entschieden gegen diesen Antrag. Dem schließen sich die Minister von Großherzogtum Hessen, Nassau, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen und Bayern an. In einer

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Platen an König Georg V.

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vertraulichen Sitzung mit den mittelstaatlichen Ministern spricht Rechberg die Frage einer „partiellen Durchführung“ der Reformakte gestützt auf Artikel 11 der Bundesakte an. Dagegen erheben die Minister von Hannover und Bayern Widerspruch, so daß die Sitzung ergebnislos beendet wird.

Nürnberg, 24. Oktober 1863 Allerdurchlauchtigster Großmächtigster Allergnädigster König und Herr, Ew. königlichen Majestät beehre ich mich allerunterthänigst zu berichten, daß ich am 22. d. M. Nachmittags hier in Nürnberg eingetroffen bin. Ich fand hier bereits vor: den Grafen Rechberg mit dem Geheimen Rath von Biegeleben[,] ferner den Freiherrn von Schrenck, den Freiherrn von Beust, den Freiherrn von Hügel, den herzoglich sachsen-coburgischen Minister von Seebach, den herzoglich sachsen-meiningenschen Minister von Krosigk und den fürstlich schaumburg-lippischen Präsidenten von Lauer1. Indessen konnten die Sit­ zungen an jenem Tage noch nicht begonnen werden, weil der Freiherr von Dalwigk2 und der Fürst Wittgenstein3 erst gegen Abend hier anlangten. Vom kurfürstlich hessischen Minister Abée4 traf ein Telegramm ein, in welchem er seine Ankunft auf Sonntag den 25. d. M. in Aussicht stellte, da er wegen wichtiger Conseilsitzungen Cassel jetzt nicht verlassen könne; es ist ihm vom Grafen Rechberg darauf erwiedert, daß am Sonntage die hiesigen Berathun­ gen schon beendet sein würden. Gestern, am 23. Morgens, fand die erste Sitzung statt, nachdem zuvor die in einem metallographirten Exemplar anliegende, in Hannover bereits früher be­ kannt gewordene oesterreichische Denkschrift zur Vertheilung gebracht war.5 Graf Rechberg eröffnete die Sitzung mit einigen einleitenden Worten und schlug dann vor folgende drei Punkte zur Discussion zu verstellen: 1. Sind die von Preußen für eine Reform des Bundes gestellten Vorbedin­ gungen (Theilung des Präsidiums zwischen Oesterreich und Preußen; Veto beider Mächte für den Fall eines Bundeskrieges, sofern es sich nicht um die 1 Friedrich Wilhelm Rudolf Eduard Freiherr Lauer von Münchhofen, 1849–1871 Präsident der Landesregierung von Schaumburg-Lippe; Bringmann Handbuch der Diplomatie, S. 376. 2 Carl Friedrich Reinhard Freiherr von Dalwigk zu Lichtenfels (1802–1880), 1850–1871 Au­ ßenminister des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, seit 1852 Leiter des Gesamtministeri­ ums; ADB, Bd. 47, S. 612–615; NDB, Bd. 3, S. 495 f. 3 August Ludwig Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1788–1874), 1852–1866 nassauischer Ministerpräsident; Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 680. 4 Conrad Abée (1806–1873), 1858–1861 kurhessischer Bundestagsgesandter, 1860 Justizmini­ ster, 1863–1866 Außenminister von Kurhessen; NDB, Bd. 1, S. 6; DBE, Bd. 1, S. 2. 5 Die Denkschrift liegt der Akte nicht bei; es handelt sich um das Memorandum, das Rechberg am 30. Oktober 1863 an Károlyi übermittelte, siehe unten Dok. 96.

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Vertheidigung des Bundesgebiets handelt und Schaffung einer aus directen Wahlen nach dem Maßstabe der Bevölkerung hervorgehenden Vertretung) annehmbar oder nicht? 2. In welcher Form ist Preußen auf seine Mittheilung zu antworten? Und 3. Was soll geschehen für den Fall, daß die hier vertretenen Regierungen die preußischen Vorbedingungen ablehnen, Preußen aber bei ihnen beharrt? Graf Rechberg forderte ohne die Ansicht des kaiserlichen Cabinets auszu­ sprechen, die versammelten Minister auf, sich zunächst über die erste Frage zu äußern. Freiherr von Schrenck erklärte sich für die unbedingte Verwerfung der preußischen Vorbedingungen, indem er in seinem Vortrage des Näheren ent­ wickelte, daß dieselben mit6 dem in Frankfurt a/M. festgestellten Reform­ entwurfe völlig unvereinbar seien. Dieselbe Ansicht theilten die Herren von Beust, von Hügel, von Dalwigk und der Prinz Wittgenstein und auch ich schloß mich ihr an, und hob dabei besonders hervor, daß die Realisirung der drei preußischen Vorschläge, weit entfernt eine Reform des gegenwärtig bestehenden Bundes zu bilden, zur ­völligen Auflösung des Bundes führen müßten. Der herzoglich sachsen-coburgische Minister von Seebach erklärte, daß er sich an etwaigen Beschlüssen der Versammlung nicht betheiligen könne, weil er von seinem gnädigsten Herrn beauftragt sei, Alles nur ad referendum zu nehmen. Sein gnädigster Herr halte übrigens den preußischen Vorschlag in Betreff des Veto für unannehmbar, sei dagegen rücksichtlich des Alternats und der directen Volkswahlen geneigt, auf die Wünsche Preußens einzuge­ hen, wenn damit eine Verständigung erzielt werden könne. Auch der meiningensche Minister von Krosigk war beauftragt, etwaige Be­ schlüsse nur ad referendum zu nehmen. Seine persönliche Ansicht stimmte in Betreff des Alternats und der directen Wahlen mit den Aeußerungen des Herrn von Seebach überein; er hielt aber sogar dafür, daß auch die Forderung wegen des Veto nicht unbedingt abgelehnt werden müsse und glaubte, daß man in dieser Beziehung sich Preußen gegenüber dahin erklären solle, daß man ­bereit sei, in Bezug auf Krieg und Frieden einfach die Bestimmungen der Wiener Schlußacte in die Reform-Akte wieder aufzunehmen. Herr von Lauer konnte nach seiner Instruction ebenfalls nur ad referendum nehmen. Er war für Ablehnung des Veto und der directen Volkswahlen[,] meinte aber, daß man wegen des Alternats allein die Sache nicht scheitern lassen dürfe. Zum Schluß nahm der Graf Rechberg das Wort, bekämpfte die Ansichten, welche von den drei letztgedachten Herren ausgesprochen waren und ent­ 6 Emendiert. Vorlage: in.

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schied sich für die unbedingte Ablehnung der preußischen Vorschläge. Nach­ dem er darauf noch constatirt hatte, daß sämmtliche Minister, mit alleiniger Ausnahme derjenigen, von welchen das Verhandelte nur ad referendum ge­ nommen worden, sich für die Ablehnung der preußischen Gegenvorschläge erklärt hatten, verstellte er sodann den zweiten Punkt hinsichtlich der Form, in welcher Preußen geantwortet werden solle, zur Discussion. Hier war Freiherr von Schrenk der Ansicht, daß es das Zweckmäßigste sei, die Antwort in identischen Noten zu ertheilen, da es nicht genüge, die Gegen­ vorschläge abzulehnen, sondern auch eine Verschiedenheit in den Motiven der Ablehnung möglichst vermieden werden müsse. Nothwendig erscheine es ihm aber dabei, daß auch die hier nicht vertretenen Regierungen sich an den identischen Noten betheiligten. Könne dies nicht erreicht werden, so scheine ihm die identische Form bedenklich, da dann dadurch von vornherein eine Spaltung constatirt werde. Freiherr von Beust war ebenfalls entschieden für die identische Form, da nur durch diese auf Preußen Eindruck gemacht werden könne. Ebenso Freiherr von Hügel, der zugleich beantragte, daß die oesterreichi­ sche Denkschrift als Grundlage für die der identischen Note zu gebende Form benutzt werden möge. Desgleichen Freiherr von Dalwigk, jedoch schloß sich derselbe ausdrück­ lich der Vorbedingung des Herrn von Schrenk an, daß nämlich sämmtliche Regierungen, deren Fürsten die Reformacte unterzeichnet haben[,] sich an der identischen Note betheiligen müßten. Der Prinz Wittgenstein hielt es zunächst für das Angemessenste, daß das Oesterreichische Gouvernement im Namen sämmtlicher Regierungen in einer an Preußen zu richtenden Note, deren Motivirung man dem kaiserlichen Hofe überlassen möge, die Gegenvorschläge ablehne, wollte sich jedoch der Abfas­ sung einer identischen Note für den Fall nicht widersetzen, daß seine Ansicht nicht die Majorität in der Versammlung erhalte. Herr von Seebach dagegen glaubte sich um so weniger für die identische Form aussprechen zu können, als er in der Sache selbst einen von den Vorred­ nern verschiedenen Standpunkt eingenommen habe und nur das für das Wich­ tige halte, daß die Forderung des Veto abgelehnt werde. Auch Herr von Krosigk und Herr von Lauer sprachen gegen eine identi­ sche Note. Desgleichen erklärte ich selbst, der mir von Ew. königlichen Majestät er­ theilten Instruction gemäß, mich entschieden gegen eine solche. Ich begrün­ dete meine Ansicht im Wesentlichen folgendermaßen: 1. Es sei durchaus kein wahres Bedürfniß vorhanden, die Antworten iden­ tisch oder auch nur ähnlich im Wortlaut zu fassen. Die Hauptsache sei, daß die preußischen Gegenvorschläge abgelehnt würden und daß dabei nachge­

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wiesen werde, daß dieselben keine Reform der bestehenden Bundesverfas­ sung enthielten. Wenn nur dieser Grundgedanke den Noten als Thema unter­ liege, so sei es gleichgültig, in welchen Variationen sich die einzelnen Regie­ rungen über das Thema ergingen. Sodann 2. scheine es mir auch der Würde der Regierungen mehr zu entsprechen, wenn sie ihre Antworten an Preußen nicht nach einem oesterreichischen Mo­ dell einrichteten und selbst in Oesterreichs eigenem Interesse scheine es mir zu liegen, daß die einzelnen Regierungen auch in der Form selbstständig auf­ träten. Bei Anlaß der letzten identischen Noten7 sei meiner allerhöchsten Regierung vielfach der Vorwurf gemacht, daß sie eine oesterreichische Note copirt habe und müsse man sich daher hüten, jetzt einen ähnlichen Vorwurf hervorzurufen. 3. Werde die Ablassung identischer Noten preußischerseits gewiß als ein besonders feindseliger Schritt angesehen werden, den man der Sache wegen um so mehr vermeiden müsse, als kein Grund dazu vorliege. Endlich 4. sei es schon deshalb zweckmäßiger, die Form der Antworten verschie­ denartig zu gestalten, weil, wie die Noten vom Februar 1862 bewiesen hätten, die Verschiedenartigkeit der Gründe die Widerlegung erschweren werde. Graf Rechberg und die Minister von Bayern, Sachsen, Württemberg, Groß­ herzogthum Hessen und Nassau beeilten sich nun, die von mir angeführten Gründe zu bekämpfen und es entspann sich daraus eine sehr lebhafte Debatte, in welcher ich ziemlich vereinzelt stand. Da man auf directem Wege meinen Widerstand nicht zu beseitigen vermochte, nahm man seine Zuflucht zu Ver­ gleichsvorschlägen. Freiherr von Schrenk beantragte, man möge dem preußi­ schen Gouvernement die oesterreichische Denkschrift übersenden, und könne dann jede Regierung in einer Begleitdepesche das hinzufügen, was sie für nöthig halte. Herr von Hügel milderte diesen Vorschlag dahin, daß allein Oester­reich der preußischen Regierung die Denkschrift als Beilage zu seiner Note zukommen lassen solle und die übrigen Regierungen sich nur im Allge­ meinen auf die Denkschrift beziehen möchten. Herr von Beust wünschte, daß die Denkschrift sofort durchgegangen werde, um die Hauptgrundsätze, wel­ che den Antworten als Anhaltspunkte dienen sollten, festzustellen. Ich lehnte indessen alle diese Vergleichsvorschläge entschieden ab, und konnte mich dabei auf die nach dem Obigen angeführten Gründe gegen die 7 Platen bezieht sich auf die identischen Noten von Österreich, Bayern, Hannover, Württemberg, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Nassau und Sachsen-Meiningen an die preußische Regie­ rung vom 2. Februar 1862, in denen die Regierungen sich gegen die in der preußischen Note vom 20. Dezember 1861 aufgestellten Grundsätze, insbesondere die Auffassung, wonach ein durch freie Vereinbarung gebildeter Bundesstaat innerhalb des Staatenbundes möglich und statthaft sei, verwahrt hatten. Vgl. dazu QGDB III/3, Dok. 100 und 107.

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Identität der Noten überhaupt um so mehr beziehen, als dieselben im Ganzen auch gegen die Vergleichsvorschläge paßten. Ich erläuterte nochmals, daß die Hauptsache die Ablehnung der preußischen Vorschläge sei; zu dieser sei mei­ ne allerhöchste Regierung bereit; man werde ihr gewiß das Vertrauen schen­ ken, daß sie es verstehen werde, die Nothwendigkeit der Ablehnung vom Standpunkte der Föderation selbstständig zu deduciren. Hiermit wurde die Discussion geschlossen und der Beschluß gefaßt, daß von der identischen Form Abstand genommen und es jeder Regierung über­ lassen bleiben solle, ihre Antwort selbstständig und ohne gegebenes oder ver­ einbartes Modell zu formuliren. Die erste Sitzung, welche bereits viele Stunden gedauert hatte, wurde nach diesem Beschluß geschlossen. Heute, am 24. Oktober, fand die zweite Versammlung statt zur Verhand­ lung über den oben hervorgehobenen dritten Punkt. Graf Rechberg bemerkte im Eingange, daß man schon jetzt die Eventuali­ tät einer nochmaligen Ablehnung Preußens in’s Auge zu fassen und sich dar­ über zu verständigen haben werde, was in diesem Falle in Bezug auf die Durchführung der Reform geschehen könne. Er wisse wohl, daß ohne Preu­ ßen die Reformacte nicht lebendig werde, vielleicht sei es aber möglich, auf Preußen in irgend einer Weise eine wirksame Pression auszuüben, die es be­ stimme, auf Verhandlungen einzugehen. Er bitte die Herren Minister, sich über diesen Punkt aussprechen zu wollen. Freiherr von Schrenk verkannte die Nothwendigkeit einer baldigen Durch­ führung der Reformacte nicht, erklärte sich aber außer Stande, ein Mittel an­ zugeben, was zu diesem Resultate führen könne, da Preußen, seiner Ansicht nach, nicht nachgeben werde. Er war damit einverstanden, daß ohne Preußen an eine Durchführung des Reformprojekts nicht zu denken sei. Herr von Beust wollte eine wirksame Pression in der Annahme der Reform­ acte Seitens der Kammern der einzelnen Länder erblicken und beantragte, daß sämmtliche Regierungen zu diesem Zwecke ihren Ständen eine Vorlage machen sollten. Dieser Antrag wurde von Herrn von Hügel lebhaft unterstützt und auch Graf Rechberg fand in demselben ein geeignetes Mittel. Ich dagegen erklärte mich entschieden gegen diesen Antrag, da jenes Pres­ sionsmittel sehr leicht zum Vortheile Preußens ausfallen könne. Es sei näm­ lich bei der Art und Weise, wie mehrere deutsche Ständeversammlungen zu­ sammengesetzt seien, sehr wahrscheinlich, daß sich die Majorität derselben gegen eine Delegirten-Versammlung und für ein aus direkten Volkswahlen hervorgehendes Parlament aussprechen und das Zugeständniß des Alternats für zweckmäßig erklären werde. Derartige Beschlüsse aber würden Preußen in seinem Widerstande nur bestärken und die Regierungen in große Verlegen­

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heit setzen. Ich könne deshalb unter keiner Bedingung auf den Antrag des Herrn von Beust eingehen. Herr von Dalwigk, der Prinz Wittgenstein, Herr von Seebach, Herr von Krosigk und Herr von Schrenk traten hierauf meiner Ansicht bei und wurde der sächsische Antrag verworfen. Nachdem sodann Graf Rechberg noch sein Bedauern darüber ausgespro­ chen hatte, daß das Reformwerk an dem Widerstande Preußens zu scheitern und ohne praktische Folgen zu bleiben drohe, wurde die Sitzung geschlossen. Ich beabsichtigte, noch am heutigen Tage meine Rückreise anzutreten, wurde aber daran durch den dringenden Wunsch des Grafen Rechberg verhin­ dert, der mich bat, noch einer vertraulichen Sitzung beizuwohnen, die ohne Beisein der Herren von Seebach, von Krosigk und von Lauer stattfinden soll­ te. Graf Rechberg kam in dieser vertraulichen Sitzung nochmals auf die Nothwendigkeit einer wenigstens partiellen Durchführung des Reformwerks zurück, wobei er sich auf Art. XI der Bundesakte stützte. Ich ergriff hiergegen das Wort und bemerkte, daß Hannover stets mit aller Entschiedenheit die auf den erwähnten Art. XI gegründeten Unionsbestrebun­ gen Preußens bekämpft habe, und daß es daher außer Stande sei, jetzt densel­ ben Artikel zur Durchführung des Reformprojektes anzurufen. Hannover sei entschlossen, so lange an der Bundesverfassung unerschütterlich festzuhalten, als dieselbe nicht auf bundesverfassungsmäßigem Wege abgeändert sei. Herr von Schrenk sprach sich in ähnlichem Sinne aus und auch die übrigen Minister zeigten wenig Neigung, auf eine partielle Durchführung des Re­ formprojekts einzugehen, wenn sie auch den Art. XI der Bundesakte nicht als Hinderniß betrachteten. Da Graf Rechberg zu der Ueberzeugung gelangte, daß auf diesem Wege nichts zu erreichen sei, so schloß er die Sitzung. Er ist so eben nach Wien zurückgereist. Ich beabsichtige, morgen früh über Frankfurt a/M. nach Cassel mich zu begeben, wo ich mit dem Minister Abée über die bewußte Convention Rück­ sprache nehmen will.8 In tiefster Devotion ersterbe ich als Ew. königlichen Majestät allerunterthä­ nigster, treugehorsamster und pflichtschuldigster Diener. Platen-Hallermund. 8 Es ist nicht klar ersichtlich, auf welche Konvention sich Platen bezieht. Möglicherweise ist die Alvenslebensche Konvention vom 8. Februar 1863 gemeint, in der Preußen und Rußland eine militärische Zusammenarbeit bei der Niederschlagung des polnischen Aufstands vereinbart hatten.

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Programm der Großdeutschen Versammlung

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95. Programm der Großdeutschen Versammlung zu Frankfurt am Main1

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/62, fol. 151. Druck von August Osterrieth in Frank­ furt a. M. Druck: Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 4, 1863, S. 83 f.

Der Fürstentag in Frankfurt war eine patriotische Tat, und die Bundesreformakte ist eine geeignete Grundlage für die Entwicklung der Verfassung Deutschlands. Die Versammlung billigt die Durchführung der Reformakte „durch baldige Berufung der ­Abgeordneten der geeinigten Staaten“ und macht Vorschläge für eine Verbesserung der Reformakte.

Frankfurt am Main, 28. Oktober 1863 I. Die Versammlung erkennt in der Berufung und dem Zusammentritte des deutschen Fürstentags, woraus die Reformacte hervorgegangen, eine patrioti­ sche That. II. Die Versammlung erkennt nämlich in der Reformacte eine geeignete Grund­ lage für die Entwicklung der Verfassung Deutschlands zu festerer Einheit und größerer Freiheit, und spricht sich für deren Annahme aus. III. Die Versammlung hofft, daß alle Regierungen und Landesvertretungen, wel­ che bei dem Abschlusse der Bundesreform für das gesammte Deutschland mitzuwirken haben, der Folgen eingedenk sein werden, welche eintreten müssen, wenn sie die Zustimmung zu der Reformacte entweder versagen oder an unzulässige Bedingungen knüpfen. IV. Die Versammlung billigt, daß zur Herstellung der noch fehlenden Einigkeit jedes mit dem Grundgedanken der Reformacte vereinbare Entgegenkommen stattfinde, sie empfiehlt aber, daß auch bei noch nicht gelöstem Gegensatze die Durchführung der Reformacte innerhalb der Grenzen des bestehenden Rechtes, namentlich durch baldige Berufung der Abgeordneten der geeinigten Staaten gefördert werde. 1 Exakt ein Jahr nach der Gründung des Deutschen Reformvereins fand in Frankfurt vom 28. Oktober bis 2. November 1863 die zweite großdeutsche Versammlung statt. Vgl. dazu: Verhandlungen der Großdeutschen Versammlung zu Frankfurt a. M. vom 28. October 1863.

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V. Insofern eine Revision der Reformacte eintreten sollte, empfiehlt die Ver­ sammlung dringend folgende Verbesserungen: 1)  Die Wiederherstellung des Art. 14 der Reformacte (Feststellung des Bundesfinanzhaushalts) in seiner ursprünglichen Fassung. 2)  Die Wiederannahme des Grundsatzes (Art. 11), daß bei Abänderungen der Bundesverfassung und Zusätzen zu derselben 17 Stimmen unter 21 genügen. 3)  Festsetzung einer zweijährigen Periode für die regelmäßigen Versamm­ lungen der Bundes-Abgeordneten anstatt einer dreijährigen. 4)  Die Aufnahme einer Bestimmung, wodurch die regelmäßige Thätigkeit der Versammlung der Bundes-Abgeordneten auch in dem Falle der Auf­ lösung derselben gesichert wird, namentlich durch Feststellung des Grundsatzes, daß die Neuwahlen binnen bestimmter Zeit vorzunehmen sind. Frankfurt a. M., 27. October 1863. Der Ausschuß des deutschen Reform-Vereins. v. Lerchenfeld. v. Wydenbrugk. Dr. Adam. – Dr. Brinz. – F. J. Frommann. – H. von Gagern. – Dr. Gold­ mann. – Dr. Großmann. – Dr. Heydenreich. – Freiherr von Rößing. – Frei­ herr von Varnbüler. – Dr. von Waenker. – Consul Wiener. – Witte.2 2 Dr. Adam stammte aus Ulm; Dr. Alois Ritter von Brinz (1820–1887) war ein renommierter Jurist, der seit 1857 an der Universität Prag lehrte und seit 1861 Abgeordneter im böhmischen Landtag und im österreichischen Reichsrat war; später wurde er Professor in Tübingen (1866) und München (1871), wo er Rektor wurde; 1874–1887 Herausgeber der „Kritischen Viertel­ jahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“; 1883 Aufnahme in die Bayerische Akademie der Wissenschaften; Friedrich Johannes Frommann (1797–1886), renommierter Verleger in Jena, mehrfach Vorsitzender des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler (so auch 1862–1864); Heinrich von Gagern (1799–1880), liberaler Politiker und ehemaliger Präsi­ dent der Frankfurter Nationalversammlung, 1862–1864 Mitglied des Ausschusses des Deut­ schen Reformvereins, 1863–1872 Gesandter des Großherzogtums Hessen in Wien; Dr. Wil­ helm Christian Georg Goldmann (1792–1873), Geheimer Rat und Obermedizinaldirektor aus Darmstadt, 1826–1841, 1851–1856 und 1863–1866 Abgeordneter in der zweiten Kammer des Großherzogtums Hessen; Dr. Carl Joseph Wilhelm Großmann (1816–1889), Rechtsanwalt aus Wiesbaden, 1848–1851 und 1864–1865 Mitglied der zweiten Kammer von Nassau, 1858– 1863 Abgeordneter der ersten Kammer des Herzogtums Nassau; Dr. Ludwig Theodor Christi­ an Heydenreich (1805–1885), Medizinalrat aus Wiesbaden, 1851–1857 Mitglied der zweiten Kammer von Nassau, 1865 Mitglied der ersten Kammer von Nassau; Alexander Ernst August Thomas Freiherr von Rössing (1818–1906), Gutsbesitzer und Jurist, 1859–1866 ­Land- und Schatzrat in Hannover; 1856–1866 Abgeordneter im hannoverschen Landtag; 1862–1866 Prä­ sident des Deutschen Reformvereins im Königreich Hannover, 1867 Mitglied des Konstituie­ renden Reichstags des Norddeutschen Bundes; Karl Friedrich Gottlob Freiherr von Varn­büler von und zu Hemmingen (1809–1889), seit 1845 ritterschaftlicher Abgeordneter im württem-

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Rechberg an Károlyi

Nr. 96

96. Rechberg an Károlyi

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 289, fol. 104–119. Weisung mit Memorandum. Abschrift. Praes.: 5. November 1863. Weitere Abschriften im GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/70, fol. 190–205; HStA München, MA 495; HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 33. Weisungen 1863 III–XII. Die Weisung wie auch das Memorandum wurden veröffentlicht in der Wiener Abendpost Nr. 113 vom 11. November 1863, S. 453–455. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 216–225; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 4, 1863, S. 84–87 (Auszüge).

Rechberg übersendet ein Memorandum über die preußischen Vorbedingungen für eine Bundesreform. Die österreichische Regierung lehnt es ab, auf eine Verhandlung über diese Vorbedingungen einzugehen, weil dies entweder zum Bruch führen müßte oder aber von dem Ziel einer normalen Entwicklung der Bundesverfassung ablenken würde. Österreich gibt die Hoffnung auf eine friedliche Verbesserung der Bundesverfassung nicht auf und appelliert an Preußen, sich ohne Vorbedingungen auf Verhandlungen über die Bundesreformakte einzulassen.

Wien, 30. Oktober 1863 Hochgeborner Graf! Aus der an den Kaiser, u. a. H., so wie an die übrigen Unterzeichner des Schrei­ bens vom 1. Septbr. d. J.1 gerichteten Antwort Sr Majt. des Königs von Preu­ ßen2, haben Ew. Hochgeb. ersehen, daß der König die Mitwirkung Preußens zu einer durchgreifenden Reform der deutschen Bundesverfassung von der An­ nahme dreier verschiedener Vorbedingungen abhängig gemacht u. den Königl. Minister des Aeußern beauftragt hat, über diese drei präjudiciellen Punkte eine Unterhandlung mit der Kaiserl. Oesterreich. Regierung einzuleiten. Nach den Worten des Königl. Antwortschreibens, welche ich der leichteren Uebersicht wegen hier wiederhole, lauten diese Bedingungen wie folgt: bergischen Landtag, 1864–1870 württembergischer Ministerpräsident und Außenminister; Dr. Ludwig Anton von Waenker (1805–1880), Arzt und Medizinalrat aus Freiburg; Georg Adam Wiener (1821–1887), Handelsmann und österreichischer Konsul in Darmstadt; Friedrich Ernst Witte (1803–1872), Jurist, seit 1825 im hannoverschen Justizdienst, 1857–1866 außerordentli­ ches Mitglied des hannoverschen Staatsrats, 1863–1866 Vizedirektor des Obergerichts Hanno­ ver. Siehe: Namensverzeichnis der zur Versammlung angemeldeten Theilnehmer; BA Berlin, DB I/1, Nr. 95; NDB, Bd. 2, S. 617 (Brinz); NDB, Bd. 5, S. 659 f. (Frommann); NDB, Bd. 6, S. 32–36; Möller, Gagern (Gagern); Rack/Vielsmeier (Hrsg.), Hessische Abgeordnete, S.  354 f.; Lengemann, MdL Hessen 1808–1996, S. 149 (Goldmann); Weichel, Die Bürger von Wiesbaden, S.  266 f.; Lengemann, MdL Hessen 1808–1896, S. 155 (Großmann); Lengemann, MdL Hessen 1808–1996, S. 184 (Heydenreich); Haunfelder/Pollmann (Bearb.), Reichstag des Norddeutschen Bundes, S. 456 (Rössing); NDB, Bd. 39, S. 492–496 (Varnbüler); ADB, Bd. 41, S. 158 (Waenker); Hessische Biografie, URL: http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/ idrec/sn/bio/id/9468, Stand: 21. 5. 2014 (Wiener); Wrage, Staatsrat (Witte).

1 Siehe Dok. 75. 2 Siehe Dok. 79.

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1. Ein Veto Preußens u. Oesterreichs mindestens gegen jeden Bundeskrieg, welcher nicht zur Abwehr eines Angriffes auf das Bundesgebiet unternom­ men wird. 2. Die volle Gleichberechtigung Preußens mit Oesterreich zum Vorsitze u. zur Leitung der Bundes Angelegenheiten. 3. Eine Volksvertretung, welche nicht aus Delegation, sondern aus directen Wahlen nach Maaßgabe der Bevölkerung der einzelnen Staaten hervorgeht, u. deren Befugnisse zu beschließender Mitwirkung in Bundes-Angelegenheiten Gegenstand der Verhandlung, aber jedenfalls ausgedehnter zu bemessen seyn würden, als es in dem vorliegenden Entwurfe einer Reformakte der Fall ist. In Folge des Auftrags des Königs, uns diese Punkte näher dazulegen, hat der Königl. Ministerpräsident, Hr. v. Bismarck, mittelst des abschriftlich an­ liegenden, mir seiner Zeit von dem Freihrn. v. Werther mitgetheilten Erlasses, das kais. Cabinet auf einen Vortrag hingewiesen, welchen das Königl. Preuß. Staatsministerium unter dem 15. Septbr. an des Königs Majestät erstattet hat. Ich war daher in dem Falle, als ich das Schreiben des Königs an seine hohe Bestimmung beförderte, Seiner Majestät dem Kaiser zugleich die erwähnten von dem Königl. Hrn. Gesandten mir in Händen gelassenen Aktenstücke zu unterlegen, u. es mußten dieselben für die Kaiserl. Regierung der Gegenstand der aufmerksamsten u. gewissenhaftesten Erwägung bilden. Die hier beigefügte Denkschrift enthält die wesentlichen Ergebnisse dieser Prüfung. Gestützt auf die gewichtigen Einwendungen, welche sie den oben wörtlich angeführten drei Vorbedingungen entgegenstellt, muß die Kaiserl. Regierung die Ueberzeugung aussprechen, daß eine auf der Grundlage dieser Bedingungen geführte Unterhandlung dem föderativen Princip, auf dessen Anerkennung und unverbrüchlicher Geltung Deutschlands Integrität, Sicher­ heit und Wohlfahrt beruhen, schon in ihren Ausgangspunkten widerstreiten würde. Entweder müßte ein Verständigungsversuch auf Basis jener Punkte alsbald zum Bruche führen, oder er müßte bei beiden deutschen Mächten von dem Ziele einer normalen Entwickelung der Bundesverfassung in der be­ denklichsten Weise ablenken. In eine solche Unterhandlung einzutreten, ver­ mag die kaiserliche Regierung sich nicht zu entschließen, und ich wage zu hoffen, daß unsere Gründe für diese Erklärung, in ihrem Gewichte für Oester­ reich wie für Deutschland unbefangen gewürdigt, selbst in den eigenen Augen der Königliche Preußischen Regierung sich als triftig und der ernstlichsten Beachtung nicht unwerth darstellen werden. Nichts ist uns übrigens wichtiger, als hinzuzufügen, daß unser Wunsch, zu einer Verständigung mit Preußen über das in Frankfurt begonnene Werk zu gelangen, auch heute noch unverändert fortdauert. Unseren erhabenen Mon­ archen und Seine Regierung beseelt ein inniges und nicht freiwillig aufzuge­ bendes Vertrauen, daß es Deutschland nicht vorbehalten sein könne, die end­

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lich eröffnete Aussicht auf eine friedliche Verbesserung seiner inneren Verfas­ sung und äußeren Weltstellung durch Uneinigkeit abermals zu verlieren. Und nicht nur auf die hohen Zwecke der Frankfurter Reformakte, sondern selbst auf die formale Lage des Geschäftes glauben wir uns berufen zu dürfen, um zu bevorworten, daß Preußen ohne präjudicielle Bedingungen aufzustellen, sich auf die dargebotene Unterhandlung einlaße. Seine Majestät der Kaiser habe[n] zur freiesten gemeinsamen Berathung der Vorschläge Oesterreichs den Anlaß gegeben, sämmtliche Theilnehmer an der Fürstenconferenz sind auf diese Berathung rückhaltlos eingegangen, von keiner Seite sind irgend­ welche besondern Bedingungen oder Anforderungen als präjudiciell für die Mitwirkung zur gemeinsamen Aufgabe bezeichnet worden. Es fällt uns schwer, anzunehmen, daß Preußen unter diesen Umständen glauben sollte, einen hinlänglichen Beweis bundesfreundlichen Entgegenkommens abgelegt zu haben, wenn es, allein von allen deutschen Regierungen, dabei beharrte, vor seinem Eintritte in die Verhandlung die Gewährung einzelner bestimmter Zugeständnisse zu verlangen. Auf die Schlußbemerkungen unserer Denk­ schrift uns beziehend, sprechen wir daher die Hoffnung aus, daß der Königl. Preußische Hof geneigt sein werde, dieses Verlangen fallen zu lassen, und seine Stellung zur Reformfrage mit jener seiner Bundesgenossen in den so wünschenswerthen Einklang zu setzen. Ew. p. werden ersucht den gegenwärtigen Erlaß u. dessen Anlage dem ­Königl. Herrn Ministerpräsidenten in Abschrift mitzutheilen. Empfangen ec. ec. ec. gez. Rechberg. Memorandum. Eine Verhandlung, welche dem Wohle Deutschlands gewidmet ist, muß ei­ nem doppelten Gesetze gehorchen. Sie muß stets auf ihren praktischen Zweck gerichtet bleiben, und der Geist hoher Versöhnlichkeit muß sie unter allen Umständen leiten. Die Kais. Regierung verzichtet aus diesem Grunde auf eine ausführliche Beleuchtung derjenigen Sätze, mit welchen das Kön. Preußische Staats-Mini­ sterium den am 15ten September d. Js. Sr Majestät dem Könige erstatteten, dann aber gewissermaßen an ganz Deutschland gerichteten Vortrag eingelei­ tet hat. Die dort niedergelegten Auffassungen gestalten sich nämlich großen­ theils zu Vorwürfen über Oesterreichs Verfahren. Theils wenden sich jene Sätze beschwerend gegen die Art der Entstehung der Reformacte, theils zei­ hen sie die Kais. Regierung eines Mangels an Vorsicht, weil sie angeblich das vorhandene Maß des Guten unterschätzt und durch ihre Sprache dazu beige­ tragen habe, das Vertrauen auf Werth und Bestand der gegenwärtigen Institu­ tionen des Bundes zu erschüttern. Sogar die Voraussetzung ist dort, freilich in

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offenem Widerspruche mit den Thatsachen, ausgesprochen, als sei dem Kais. Oesterreichischen Cabinet nicht an einer Betheiligung Preußens, sondern an der Verwirklichung eines Separatbündnisses gelegen gewesen. Um diese ver­ schiedenen Ausstellungen auf ihren wahren Werth zurückzuführen, müßte die Kais. Regierung sich in vielfachen Rückblicken in eine nahe und ferne Ver­ gangenheit ergehen. Einer so unfruchtbaren Aufgabe entsagt sie aber um so lieber, je weniger es ihr schwer fallen könnte, derselben auf das vollständigste Genüge zu leisten. Dagegen muß es ihr nahe liegen, dem Kön. Preußischen Cabinet aus Anlaß jener Beschuldigungen eine Frage von wesentlich praktischer Bedeutung vor­ zulegen. Worauf gründen die Rathgeber der Preußischen Krone plötzlich den Anspruch, daß Deutschland künftig wieder auf die Haltbarkeit der so oft miß­ achteten und für ungenügend erklärten Bundes-Verfassung vertrauen solle? Welche Garantie ist uns dafür geboten, daß diese Verfassung fortan wieder in ihrem ganzen Umfange, gegenüber allen Bundesgenossen, in allen ihren Arti­ keln, in denjenigen, aus welchen Preußen Rechte ableitet, wie in den andern, welche ihm Pflichten auferlegen und seine freie Bewegung beschränken, ge­ treulich werde vollzogen werden? Wie entfernt sind wir von jeder solchen Ga­ rantie, nachdem sogar derselbe Vortrag, welcher das Vertrauen in das bestehen­ de Maaß der Einigung nicht zu untergraben räth, wenige Seiten später, uneinge­ denk dieser Mahnung, auseinandersetzt, daß, wenn man die Bundes-Verfassung nicht ändre, wenn man nicht Preußen ein Recht des Veto einräume, welches es jetzt nicht besitzt, das Unmögliche von Preußen gefordert werde und der Bund der nöthigen Sicherheit beraubt, ja unrettbar der Spaltung verfallen sei! Erst wenn das Kön. Preuß. Cabinet die obigen Fragen klar und bestimmt beantwortet hätte, könnte es sich, wie uns scheint, in den Augen seiner Ver­ bündeten das Recht erworben haben, sich zum Vertheidiger der Bundes-Ver­ träge aufzuwerfen. Wäre dies aber auch der Fall, wäre Jedermann in Deutschland überzeugt, daß Wort und Geist der Bundes-Verträge in Zukunft die unverbrüchliche Re­ gel der Verhandlung aller deutschen Angelegenheiten bilden werde, so würde nach unserer Ueberzeugung das Bedürfniß einer Reform der Bundesverfas­ sung demungeachtet noch nicht beseitigt sein. Denn dieses Bedürfniß ist we­ sentlich dadurch herbeigeführt worden, daß im jetzigen politischen Zustande Deutschlands ohne die Theilnahme eines Vertretungskörpers an den Bundes­ angelegenheiten, somit auch ohne die Errichtung einer verstärkten Executive, der Organismus des Bundes seinen Zweck nicht mehr vollständig erfüllen kann. Mit welchem Grade von Vertrauen man auch immer auf die Geltung des gegenwärtigen Bundesrechtes zählen wolle, jedenfalls erscheint es daher als eine vollberechtigte Hoffnung, daß die Königl. Preußische Regierung mit den Bestrebungen ihrer Bundesgenossen die ihrigen vereinigen werde, damit

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ein so schwieriger und wichtiger Fortschritt sich auf der gesetzlichen Grund­ lage und mit Achtung aller Rechte vollziehe. Ist sie einmal hiezu entschlossen, dann wird die Kön. Regierung sicher auch das große Gewicht der Gründe, welche gegen die drei von ihr aufge­ stellten nunmehr näher zu betrachtenden Vorbedingungen sprechen, mit vol­ ler Unbefangenheit zu würdigen wissen. Ein Veto Oesterreichs und Preußens für den Fall eines nicht durch einen Angriff auf das Bundesgebiet veranlaßten Bundeskrieges, formelle Gleich­ stellung Preußens mit Oesterreich in der Leitung der Bundesangelegenheiten, Schaffung einer aus directen Wahlen nach dem Maßstabe der Bevölkerung hervorgehenden Vertretung – dies sind die dreierlei Anforderungen, welche das Cabinet von Berlin der Frankfurter Reformacte gegenübergestellt hat, ohne sich vor Erlangung dieser Zugeständnisse auf eine Verhandlung über dieselbe einlassen zu wollen. Ueberblickt man diese Bedingungen, so wird man sofort erkennen, daß je­ denfalls nur die letzte derselben unter den Gesichtspunkt einer die Interessen der gesammten deutschen Nation fördernden Reform der Bundesverfassung gebracht werden kann. Die beiden ersteren liegen ihrer Natur nach nicht nur entschieden außerhalb der Zwecke der Bundesreform, sondern es ist selbst nicht zu verkennen, daß sie sich zu dem Bestreben nach Kräftigung der Bun­ deseinheit in vollkommenem Gegensatze bewegen. Aus dem Titel der Bundes­ reform kann daher ihre Berechtigung sowenig wie aus dem geltenden Ver­ tragsrechte abgeleitet werden. Das Königl. Preuß. Staats-Ministerium selbst giebt dies zu erkennen, indem es für jene beiden Forderungen andere Motive, die Rücksichten nämlich auf Preußens eigene Machtstellung und freie Bewe­ gung, anführt. Soweit diese Rücksichten berechtigt sind, achtet sie jeder der Deutschen Bundesgenossen Preußens. In den Frankfurter Berathungen sind sie sorgfältig beobachtet worden, und auch in der folgenden Darlegung wird ein unpartheiisches Urtheil sie nicht vermissen. Immerhin schiene es aber wichtig, schon an dieser Stelle hervorzuheben, daß es nicht erworbene Rechte, sondern bloße Ansprüche, nicht nationale, sondern particulare Gesichtspunkte sind, auf welchen zwei der von Preußen aufgestellten Vorbedingungen beruhen. Wir wenden uns nach diesen allgemeinen Betrachtungen zur näheren Wür­ digung der mehrgedachten drei Punkte. 1. Ein Veto Oesterreichs und Preußens. Wiederholt erklärt das Königl. Preußische Staats-Ministerium in seinem Vor­ trage die Uebereinstimmung zwischen Oesterreich und Preußen für die unent­ behrliche Grundlage jeder wirksamen Action des Bundes. Derselbe Vortrag

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fügt aber sogleich hinzu, daß diese Uebereinstimmung schwer herzustellen und festzuhalten sei, und statt eines Mittels, diese Schwierigkeit zu überwin­ den, wird für die Zukunft das förmliche Recht verlangt, den Mangel an Ueber­ einstimmung durch ein Veto zu constatiren. Weder Oesterreich noch Preußen – so sagen die Preuß. Minister – können der Freiheit vollständig entsagen, ihre Stellung zu den Fragen Europaeischer Politik nach den Interessen der Gesammtheit ihrer Monarchien zu regeln. Ausgehend von diesem Satze er­ klären sie es für einen in der Praxis unausführbaren Anspruch, daß die Politik jeder dieser beiden Mächte in der Gesammt-Politik des Bundes nach den Be­ schlüssen des Central-Organs desselben aufzugehen habe. Durch den Mecha­ nismus einer Mehrheits-Abstimmung kann nach ihrer Ansicht die Lösung dieser Schwierigkeit nicht vermittelt werden. Sie ziehen sich deshalb auf die reine Negation des nationalen Bandes zurück, auf ein Veto für beide Mächte. Hier muß nun zunächst die Thatsache in’s Auge fallen, daß das Königl. Preuß. Staats-Ministerium eine Forderung, welche die Kais. Regierung selbst keineswegs für sich erhoben hat, nicht nur im Namen Preußens, sondern auch im Namen Oesterreichs aufstellt. Man zeigt sich also um Oesterreichs Unab­ hängigkeit von einer gemeinsam deutschen Politik in Berlin strenger besorgt, als in Wien. Offenbar hat man nicht für die Preuß. Monarchie allein ein so unbeschränktes Maaß der Unabhängigkeit fordern wollen. Ist nicht schon die­ ser einzige Umstand genügend, um über die Natur dieser ganzen Forderung das klarste Licht zu verbreiten? Oesterreich seinerseits begehrt kein Veto. Es steht, wie Preußen, nur mit einem Theile seiner Besitzungen im Deutschen Bunde, es ist in Europa eine selbstständige Macht, wie Preußen, nur die Anerkennung der Gemeinsamkeit mit Deutschland, nur der Wille, die gesammt­ deutschen Interessen als die eigenen zu behandeln, kann für Oesterreich, wie für Preußen, dem Beschlusse zu Grunde liegen, in Fragen Deutscher Politik sich durch die Entscheidungen des Bundes bestimmen zu lassen. Ohne diesen Willen, ohne die Erkenntniß, daß beide große Mächte den Kreis der Interes­ sen, für welche sie, als solche einzustehen berufen sind, um ihrer Selbsterhal­ tung willen nicht auf den eigenen Länderumfang beschränken dürfen, daß sie ihn auf das gesammte Deutschland ausdehnen müssen, – ohne diese Erkennt­ niß und diesen Willen fallen weder Preußens, noch Oesterreichs Interessen mit denjenigen Deutschlands zusammen. Es besteht alsdann keine solche Identität, es besteht, wenn die eine der beiden Mächte am Bunde festhält, die andere nicht, keine gerechte Gegenseitigkeit, es können und müssen dagegen die verhängnißvollsten Contraste hervortreten. Sollen diese Contraste künftig zu einer förmlichen Regel des Bundesrechtes erhoben werden? Soll die eine der beiden Mächte ein Veto gegen einen Krieg im Süden, die andere gegen einen Krieg im Norden einlegen dürfen? Und soll in Zukunft nur der nichtOesterreichische und nicht-Preußische Theil Deutschlands verpflichtet blei­

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ben, einen Gesammtwillen des Bundes in den höchsten Deutschen Angele­ genheiten anzuerkennen? Mit vollem Grunde wird übrigens zugleich hervorgehoben werden dürfen, welche starke und zuverlässige Bürgschaft die Bestimmungen der ReformActe dafür gewähren, daß in der Bundes-Abstimmung nur das klare und un­ bestreitbare Interesse Deutschlands zum Ausdrucke gelange. Was der Vortrag vom 15. Septbr. über die Stimmverhältnisse im Plenum sagt, ist nicht genau zutreffend, da die Reform-Acte kein Plenum kennt. Von den 21 Stimmen des Bundesraths der Reform-Acte haben Oesterreich und Preußen 6, Dänemark und die Niederlande, die praesumtiv ohnehin meist gegen einen Bundeskrieg sein werden, 2 zu führen, es bleiben also 13 rein deutsche Stimmen übrig, und von diesen müssen sich 11 mit den Stimmen der Einen Großmacht vereinigen, wenn gegen die Ansicht der anderen eine Kriegserklärung beschlossen werden soll. Dies gewährt wohl mehr als hin­ längliche Sicherheit. Noch eine letzte wichtige Betrachtung möge[,] ehe der Gegenstand verlas­ sen wird, gegen eine Forderung eines Veto geltend gemacht werden. Der mi­ nisterielle Vortrag vom 15. September klärt uns nicht darüber auf, ob unter diesem Veto ein bloßes Recht der Enthaltung Preußens von einem Bundes­ kriege, oder das Recht, einen solchen Krieg zu untersagen, verstanden wer­ den solle. In der ersten Unterstellung wäre der gewählte Ausdruck nicht ­genau, in der zweiten könnte sich das Veto jedenfalls nur gegen einen von Bundeswegen zu erklärenden Krieg richten, während es das Kriegs- und Friedensrecht der einzelnen Souveraine diesen nicht entziehen könnte. Es wird aber nicht erst einer besonderen Ausführung, oder der Heranziehung nahe lie­ gender Beispiele bedürfen, um zu beweisen, daß es ein System von SeparatBündnissen grundsätzlich autorisiren, ja mit Nothwendigkeit hervorrufen ­hieße, wenn man den beiden Großmächten das Recht einräumen wollte, die Entscheidung des Bundes über Krieg und Frieden zu hemmen. 2. Formelle Gleichstellung Preußens mit Oesterreich. Auch diese zweite Forderung Preußens tritt der Kais. Regierung in sehr we­ nig deutlichen Umrissen entgegen. Der mehrerwähnte Vortrag vom 15. Sep­ tember spricht sich nicht darüber aus, ob Preußen für sich allein, oder auch für andere deutsche Regierungen die Theilung der Präsidialrechte oder ein Alternat mit Oesterreich verlange. Nur im Allgemeinen wird die formelle ­Parität Preußens mit Oesterreich, somit der Verzicht der letzteren Macht auf ihren seitherigen Ehrenvorzug im Bunde, als der Ausdruck der wirklichen Verhältnisse und Thatsachen bezeichnet.

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Zur Begründung dieses Anspruchs beruft sich der Vortrag des Preuß. Mini­ steriums zuvörderst darauf, daß innerhalb des Bundes Preußens Volkszahl größer sei, als diejenige Oesterreichs. Hiergegen ist indessen Folgendes zu bemerken. In der Bundesmatrikel ist bis jetzt das behauptete Uebergewicht der Bevölkerung Preußens zu keiner Geltung gelangt, denn heute, wie zur Zeit der Feststellung der Matrikel, zahlt Oesterreich zur Bundescasse höhere Beiträge, es stellt zum Bundesheere ein höheres Contingent als Preußen. Würde aber auch die Matrikel revidirt, – wobei sich nach den der Kais. Re­ gierung vorliegenden genauen Daten kaum ein irgend nennenswerther Unter­ schied herausstellen würde, so haben doch die Stifter des Deutschen Bundes nicht auf Grund der Matrikel dem Kaiser von Oesterreich den Vorsitz übertra­ gen, und schwerlich könnte dem Grundsatze, daß die wirklichen Thatsachen und Verhältnisse zu berücksichtigen seien, eine unrichtigere Anwendung ge­ geben werden, als wenn man das relative Gewicht Oesterreichs und Preußens in Deutschland ausschließlich nach der wechselnden Ziffer der im Bunde be­ griffenen Volkszahl berechnen wollte. Als einen Vorgang für eine völlig gleiche Stellung der beiden Mächte füh­ ren sodann die Preuß. Minister die Uebereinkunft vom 30. September 1849 und die durch dieselbe eingesetzte Oesterreich.-Preuß. Central-Commission an. Aber nicht etwa das Präsidium des Bundes wurde während des damaligen Provisoriums zwischen Oesterreich und Preußen getheilt, sondern diese Mächte allein verwalteten vorübergehend, mit Ausnahme der organischen Fragen, die Angelegenheiten des Bundes, nachdem die übrigen Deutschen Staaten nothgedrungen und nur für eine kurze Uebergangszeit in jenes duali­ stische Interregnum eingewilligt hatten. Und wer hat vergessen, welche we­ nig glückliche Erinnerungen sich gerade an diese Epoche einer Art von Zwei­ herrschaft in Deutschland knüpfen? Die Central-Commission trennte sich in Uneinigkeit, und das Bundeseigenthum in den Festungen war der letzte Rest der Bundesgemeinschaft, den sie in Deutschland zurückließ. Wie überaus nahe übrigens die Versuchung liege, den Begriff eines getheil­ ten Präsidiums mit demjenigen eines dualistischen Bundesregiments zu ver­ wechseln, zeigt der Umstand, daß die Worte des Königl. Antwortschreibens vom 22. September die volle Gleichberechtigung Preußens mit Oesterreich zum Vorsitze und zur Leitung der Bundes-Angelegenheiten beanspruchen. Der Artikel 2 der Reform-Acte legt ausdrücklich die Leitung der Bundesan­ gelegenheiten in die Hände des gesammten Directoriums, in welchem das Präsidium nur eine geschäftsleitende Stellung einnimmt. Fast unwillkürlich aber giebt die Sprache Preußens der Frage des Präsidiums eine wesentlich andere Bedeutung, als ihr bisher beigelegt und in der Reformacte für die Zu­ kunft bewahrt wurde. Man hat seither das Präsidium, von Oesterreich als ein Ehrenrecht geführt, nur als den Beruf zur rein formalen Leitung der Bundes-

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Geschäfte betrachtet, und Oesterreich selbst hat erklärt, daß es in dem Vorsit­ ze ein eigentlich politisches Vorrecht nicht erblicke. Von den beiden Groß­ mächten aus dem Titel ihrer Machtstellung in Anspruch genommen, würde es dagegen, solchem Ursprunge entsprechend, seinen Charakter ändern, den Dualismus mehr oder weniger bestimmt ausprägen, und ohne irgend eine ­Garantie der Eintracht zu gewähren, das übrige Deutschland in eine mit der Würde der Fürsten wie der Nation schwer zu vereinigende bevormundete Stellung zurückdrängen. Es dürfte sonach nicht eben leicht sein, für die politischen Folgen einer Theilung des Präsidiums einzustehen. Daß sich aber für eine solche Maaß­ regel auch vom Standpunkte geschäftlicher Zweckmäßigkeit irgend welche Gründe nicht anführen lassen, dies soll hiermit nur im Vorübergehen ange­ deutet werden. Allein das Königl. Preuß. Staats-Ministerium hat in seinem Vortrage auch einen die Rechtsfrage berührenden Einwand erhoben. Es hat geltend gemacht, daß das vertragsmäßige Präsidialrecht Oesterreichs sich wohl auf die beste­ henden Bundeseinrichtungen, nicht aber auf neu zu schaffende erweiterte In­ stitutionen beziehe. Dieser Einwand erheischt eine kurze Beleuchtung, wie­ wohl vollkommen anerkannt werden muß, daß die Zustimmung der Königl. Preuß. Regierung zur Reform-Acte nur von ihrer freien Entschließung abhän­ ge. In einem festen und wirksamen Bunde hat die erste Stelle ohne Zweifel höheren Werth als in einem unwirksamen und lockeren. In diesem Sinne hebt sich in der That durch die Reform-Acte auch der Werth des Präsidialrechts, und es kann nur erfreulich sein, wenn ein solcher Gewinn als die Wirkung der vorgeschlagenen Reform vorhergesehen wird. Was aber speciell die Rechte und den Einfluß des Präsidiums im Verhältniß zu den Rechten und dem Einflusse der Bundesorgane als solche betrifft, so erscheint es mindestens als zweifelhaft, ob die Annahme der Reform-Acte nicht eher eine Verminderung als eine Vermehrung der ersteren in sich schließen würde. Seither war die BVerslg mit ihren Commissionen das einzige Organ des Bundes, Oesterreich hatte daher überall den Vorsitz, wo der Bund als solcher erschien. Dieser Vor­ sitz konnte sich in einem uncontrolirten Organ vielleicht entschiedener gel­ tend machen, als dies in einem controlirten der Fall wird sein können. Gerade in den neu zu schaffenden Institutionen ist von einem Vorzuge Oesterreichs nicht die Rede, in der Abgeordnetenverslg und dem Bundesgerichte ist das Anrecht auf das Präsidium für Alle gleich. Oesterreich würde also, wie seit­ her, nur da, wo die Regierungen direct vertreten sind, präsidiren, im Directo­ rium und Bundesrath, wie früher im Plenum und dem engeren Rathe der Bun­ desverslg. Und auch in diesem Bereiche zeigt die Reformacte nirgends das Bestreben, die Praesidial-Befugnisse auszudehnen, sie sucht dieselben im Ge­

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gentheil überall auf das strengste formelle Geschäftsbedürfniß zu beschrän­ ken, das Recht auf Substitution im Vorsitze, welches Preußen seither nicht besessen, bietet sie ihm an, und da, wo die Fürsten persönlich einwirken wer­ den, wo es sich um Berufung der Fürstenverslg handelt, hat der Kaiser von Oesterreich freiwillig Sich erboten, die Initiative mit dem Könige von Preu­ ßen zu theilen. Im Vergleich mit dem bestehenden Bundesrecht erscheinen daher die Vor­ schläge der Reformacte jedenfalls nicht nur als vollständig gerechtfertigt, sondern sie gewähren der k. Preuß. Regg. jede neue mit der Aufrechthaltung des Praesidiums irgend vereinbare Rücksicht. Eine Beeinträchtigung der Machtverhältnisse Preußens schließen sie sonach in keiner Weise in sich, wohl aber glaubt der Kaiserliche Hof mit vollem Rechte auch seinerseits dar­ auf vertrauen zu dürfen, daß eine Stellung, welche ihm Preußen unmittelbar nach der glorreichsten Epoche seiner Geschichte freiwillig antrug, auch heute noch geachtet und unter den ernsten Verhältnissen der Gegenwart nicht als ein Hinderniß der Einigung möge betrachtet werden. 3. Directe Wahlen zur Abgeordnetenversammlung Die dritte und letzte Forderung Preußens – diejenige einer direct gewählten und mit ausgedehnteren Befugnissen, als nach der Reformacte, versehenen Volksvertretung – diese Forderung stellt sich allerdings entschieden und tief eingreifend auf das Gebiet der Bundesreform. Um so gerechtfertigter aber ist das Verlangen, zu wissen, wie man sich Rechenschaft zu geben habe von der Ausführung eines so weitreichenden Gedankens, und ob in demselben auch alle Folgerungen begriffen seyen, welche eine solche Verheißung nothwendig bedingt. Der Vortrag des Königl. Preuß. Staatsministeriums vom 15. Septem­ ber befriedigt in keiner Beziehung dieses Verlangen. Wie sollen die Wahlen eingerichtet werden, aus welchen die Volksvertre­ tung am Bunde unmittelbar hervorgehen soll? Hat man ein einschränkendes in ganz Deutschland einzuführendes Wahlsystem im Auge? Wie soll ein sol­ ches in den verschiedenen Staaten zur verfassungsmäßigen Geltung gebracht werden? Sollen Wahlen nach allgemeinem Stimmrecht stattfinden? Ist an eine Erneuerung des Versuchs von 1848 gedacht? Soll ein Oberhaus das Correctiv bilden für die Gefahren allgemeiner Wahlen? Und wenn die Befugnisse des Parlamentes ausgedehnter seyn sollen, als diejenigen der Abgeordnetenver­ sammlung der Reformacte, wird dann nicht auch die Centralgewalt stärker, als das Directorium der Reformacte, organisirt seyn müssen? Ist Preußen dar­ auf vorbereitet, sich einer solchen Centralgewalt, wenn sie nicht ausschließ­ lich in seinen eigenen Händen ruht, zu unterwerfen?

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Ueber alle diese wichtigen Fragen würde man in dem Vortrage der Preußi­ schen Minister vergeblich irgend eine Antwort suchen. Nur der gewagten Vor­ aussetzung begegnet man dort, daß der specifisch Preußische Standpunkt in einer aus directen Wahlen hervorgegangenen Versammlung sich vollstän­diger, als in einer Versammlung von Delegirten, mit dem allgemeinen d­eutschen Standpunkt identificiren würde. Nur einer Nationalvertretung der ersteren Art glaubt deshalb die Königl. Preuß. Regierung Opfer bringen zu können, die ­jedoch nicht näher angedeutet werden. Als gewagt wird jene Voraussetzung wohl nicht mit Unrecht bezeichnet werden dürfen, denn bis jetzt liegt nur Eine Erfahrung vor, diejenige von 1848. Damals war Oesterreich in Frankfurt un­ vollständig, Preußen vollständig und sogar unter Hinzutritt der nicht zum Bun­ de gehörigen Provinzen vertreten, – und demungeachtet war zwischen Berlin u. Frankfurt bald ein so prägnanter Zwiespalt vorhanden, wie ihn eine regel­ mäßig gewählte Kammervertretung hoffentlich niemals herbeiführen würde. Der Unbestimmtheit der Preußischen Forderung gegenüber vermag nun aber die Kais. Oesterreich. Regierung die Vorschläge der Frankfurter Reform­ acte nur mit um so tieferer Ueberzeugung zu bevorworten. Welcher hohe ­Gewinn für Alle, wenn Preußen sich dieselben aneignete! Diese Vorschläge greifen allerdings nicht so kühn, wie das Angebot directer Wahlen, in die be­ stehende Ordnung der Dinge ein, aber sie dürfen den Vorzug beanspruchen, daß sie mit geringerer Gefahr und größerer Schonung den Zweck, den Deut­ schen Bund zu einer wahrhaft nationalen Institution zu erheben, verfolgen, u. daß sie die Zugeständnisse, die sie darbieten, vollständig u. in genauer Um­ gränzung erkennen lassen. Sie bauen auf den gegebenen Rechtsgrundlagen fort, sie entsprechen der Natur des Deutschen Bundes, sie allein ermöglichen eine Centralvertretung, ohne die Grundlagen der Bundesverfassung in Frage zu stellen u. das Verfassungsrecht der Einzelstaaten zu durchbrechen, sie ge­ stalten beide harmonisch, indem sie in folgerechter Durchführung des nun­ mehr in allen deutschen Ländern zur Geltung gekommenen constitutionellen Systems den Landesvertretungen die gebührende Mitwirkung an den Angele­ genheiten des Ganzen sichern. Extreme Forderungen, welche sich gegen alle Regierungen wenden, würden in einem direct gewählten Parlament präsumtiv eine stärkere Vertretung finden, schwerlich aber würde ein solches an Patrio­ tismus, an wahrer Erkenntniß der allgemeinen Interessen Deutschlands, an Opferwilligkeit für die Gesammtheit eine Versammlung übertreffen, in wel­ cher die Thätigkeit der gesetzlich constituirten politischen Körperschaften Deutschlands zu einer einheitlichen u. ausgleichenden Action zusammenge­ faßt wäre. Daß endlich für Preußen nicht etwa ein besonderer Grund bestehe, welcher die Annahme des Princips der Reformacte widerrathen könnte, dafür ist wohl der schlagende Beweis dadurch geliefert, daß vor nicht langer Zeit Gf. von Bernstorff schrieb:

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„Was die erste Begründung einer Volksvertretung am Bunde betrifft, so theilen wir die Ausführungen der Denkschrift des Fhn. v. Beust darin, daß eine solche wohl am besten durch Delegation von Seite der Landtage der ein­ zelnen Staaten würde erfolgen können.“3

Blickt man nun noch einmal auf die drei von Preußen aufgestellten Vorbe­ dingungen zurück, so wird man das Ergebniß der Prüfung derselben nicht unrichtig in die kurze Formel zusammenfassen können, daß der erste Punkt den Separatismus, der zweite den Dualismus, der dritte den Unitarismus be­ deute, daß die drei Punkte sonach weder mit sich selbst, noch mit den Grund­ lagen der Bundes-Verfassung im Einklange stehen. Der Kaiserl. Hof darf unter diesen Umständen die Hoffnung für gerechtfertigt halten, daß Preußen, von den vorangestellten Bedingungen absehend, sich bundesfreundlich den Vorschlägen werde zuwenden wollen, welchen bereits 24 deutsche Regie­ rungen in freier Berathung zugestimmt haben, und deren Annahme von Seite Preußens auch die letzten Zweifel der noch fehlenden beseitigen würde. Selbst einer an Einhelligkeit grenzenden Stimmenmehrheit steht allerdings die Königl. Preuß. Regierung in dieser großen Frage frei gegenüber, aber gewiß ist der Ausdruck der innigen und tiefbegründeten Ueberzeugung so vieler ihrer Bundesgenossen geeignet, ihr nicht unbeachtenswerth zu er­ scheinen, u. auf ihre eigene Entschließung einzuwirken. Gefiele es ihr, die ihr gebotenen Grundlagen einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen, und ihren Bundesgenossen darzulegen, in welchen Punkten sie die Reformacte zu höherer Vollkommenheit gebracht zu sehen wünschte, so würde ihr von allen Seiten die größte u. dankbarste Bereitwilligkeit in Bezug auf solche Wünsche entgegenkommen. Dann würde ein endlicher Abschluß vorbereitet seyn, und die deutschen Fürsten, der König von Preußen in ihrer Mitte, wür­ den unter dem Beifall der Nation freudig und vertrauensvoll das vollendete Werk besiegeln.

3 Bernstorff an Savigny, 20. Dezember 1861, Antwort auf die Reformdenkschrift Beusts vom 15. Oktober 1861, vgl. QGDB III/3, Dok. 100, Zitat S. 504.

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97. Bundesbeschluß zur Durchführung der Bundesexekution gegen Dänemark

ProtDBV 1863, S. 583–594. Druck: Staatsarchiv, Bd. 6, S. 111–122; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 4, S. 271 f. (Antrag); Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 252 f. (Antrag); Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 137 f. (Antrag).

Auf Antrag von Österreich und Preußen beschließt die Bundesversammlung nach kontroverser Debatte den sofortigen Vollzug der am 1. Oktober beschlossenen Bundesexekution gegen Dänemark. Mit der Durchführung werden die Regierungen von Österreich, Preußen, Sachsen und Hannover beauftragt.

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§ 288. Verfassungsangelegenheit der Herzogthümer Holstein und Lauenburg. (37. Sitz. § 271 v. J. 1863.)

Oesterreich und Preussen. Die Gesandten sind beauftragt, Namens ihrer al­ lerhöchsten Regierungen bei der gegenwärtigen Lage der Holsteinischen ­Angelegenheit den nachstehenden dringenden Antrag zu stellen: Hohe Bundesversammlung wolle, in Erwägung 1) daß die in Ziffer III des Bundesbeschlusses vom 1. October d. J.1 binnen drei Wochen erforderte Folgeleistung und Anzeige darüber nicht erfolgt ist; 2) daß durch die Ausführung der in’s Auge gefaßten Maßregeln den vom Deutschen Bunde innerhalb seiner Competenz zu fassenden Entschließun­ gen über die von mehreren Regierungen gestellten Anträge in der Erb­ folgefrage nicht präjudicirt wird; 3) daß die im Artikel X der Bundes-Executionsordnung vorgesehene Ge­ fahr im Verzuge als vorhanden erachtet werden muß, beschließen: 1) die in Ziffer IV des Beschlusses vom 1. October vorgesehene Aufforde­ rung zum sofortigen Vollzuge der beschlossenen Maßregeln nunmehr an die Regierungen von Oesterreich, Preussen, Sachsen und Hannover zu richten; 2) die genannten Regierungen hiervon durch ihre Herren Gesandten in Kenntniß zu setzen und denselben die geeignete Eröffnung an die KöniglichDänische Regierung, sowie die Ausführung jener Maßregeln nach Maßgabe der inzwischen von ihnen getroffenen militärischen Verabredungen anheim­ zugeben;

1 Siehe Dok. 86.

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3) die vereinigten Ausschüsse zu veranlassen, die in Bezug auf die Instruc­ tion der Civilcommissäre und die Aufbringung der erforderlichen Geldmittel nöthigen Anträge unverweilt zu stellen. Präsidium schlägt vor, der großen Dringlichkeit wegen die Abstimmung über den vorliegenden Antrag sofort vorzunehmen. Oesterreich und Preussen: treten dem Präsidialvorschlage bei. Bayern. Der Gesandte beantragt, daß dieser Antrag an die vereinigten Aus­ schüsse überwiesen werde mit dem Auftrage, morgen Vortrag zu erstatten, über welchen sodann am Donnerstag abzustimmen wäre. Hieraus würde der Vortheil entstehen, daß alle Regierungen den Wortlaut des so eben von den höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen gestellten Antrages kennen lernten, und daß auch die abweichende Ansicht, welche im Ausschusse in der Minorität geblieben ist, durch die Vortragserstattung zur allgemeinen Kenntniß gelangte. Dadurch würde einestheils klar gestellt, durch welche Meinungsverschieden­ heiten die Erstattung eines Vortrages der Ausschüsse bisher aufgehalten worden ist, und anderntheils sämmtlichen Regierungen die Möglichkeit gewährt, näch­ sten Donnerstag mit vollständiger Kenntniß der Sachlage abzustimmen. Oesterreich und Preussen. Die Gesandten müssen bemerken, daß der we­ sentliche Inhalt des von ihnen gestellten Antrages von ihren allerhöchsten ­Regierungen durch übereinstimmende Mittheilungen zur Kenntniß aller Bun­ desregierungen gebracht worden ist. Königreich Sachsen. Der Gesandte muß sich für sofortige Abstimmung aussprechen. Hannover. Zufolge der ihm ertheilten Weisungen hält sich der Gesandte verpflichtet, für die sofortige Abstimmung über den Oesterreichisch-Preussi­ schen Antrag zu stimmen. Württemberg und Baden: schließen sich dem Antrage des Königlich-Bayerischen Herrn Ge­ sandten an. Kurhessen. Der Gesandte erklärt sich für sofortige Abstimmung. Großherzogthum Hessen. Der Gesandte würde es zwar vorgezogen haben, wenn in dieser wichtigen Angelegenheit die Anträge der einzelnen Regierun­ gen nicht ohne Begutachtung des Ausschusses geblieben wären; mit Rücksicht auf die besondere Dringlichkeit einer endlichen Beschlußfassung, wodurch ein längeres Abwarten eines Ausschußvortrages bedenklich erscheint, glaubt aber der Gesandte sich für eine sofortige Abstimmung aussprechen zu sollen. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte ist mit Instruc­ tionen nicht versehen und sieht sich daher nicht in der Lage, sofort abzustim­ men.

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Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der Gesandte erklärt sich gegen sofortige Abstimmung und eventuell für die Verweisung an die vereinigten Ausschüsse. Braunschweig und Nassau. Der Gesandte schließt sich dem Antrage des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten an. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Da der Gesandte mit In­ struction über den von Oesterreich und Preussen so eben eingebrachten wich­ tigen Antrag nicht versehen ist, so stimmt derselbe gegen die sofortige Ab­ stimmung und für die Aussetzung dieser bis zur nächsten Sitzung. Für den Antrag des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten auf Verwei­ sung des Oesterreichisch-Preussischen Antrages an den Ausschuß vermag derselbe um deßwillen sich nicht auszusprechen, weil er von einer Behand­ lung des Antrages im Ausschusse den bestehenden Verhältnissen nach kein entsprechendes Resultat erwartet. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte könnte nach seinen In­ structionen sofort abstimmen, muß aber doch vorziehen, sich dem Antrage des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten auf Verweisung an die vereinig­ ten Ausschüsse anzuschließen. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Homburg, sowie Freie Städte: erklären sich für sofortige Abstimmung. Der Königlich-Bayerische Herr Gesandte sprach sich, nachdem für den seinerseits gestellten Antrag sich nicht Mehrheit der Stimmen ergeben hatte, in Uebereinstimmung mit dem Präsidialvorschlage für sofortige Abstimmung über den Oesterreichisch-Preussischen Antrag aus, welche hierauf erfolgte. Oesterreich. Der Gesandte bezieht sich auf den so eben gestellten Antrag. Preussen: deßgleichen. Bayern. Die Königliche Regierung war sofort, nachdem die Erklärung der Königlich-Dänischen Regierung vom 29. October d. J. zu ihrer Kenntniß ge­ kommen war, der Ueberzeugung, daß diese dem Bundesbeschlusse vom 1. October d. J. nicht Genüge leiste, und daß deßhalb das eingeleitete Execu­ tionsverfahren ungesäumt vollzogen werden müsse. Bevor jedoch die hierauf gerichteten Anträge zum Beschlusse erhoben werden konnten, erfolgte der Tod Seiner Majestät Friedrich VII., Königs von Dänemark, Herzogs von Schleswig-Holstein und Lauenburg.2 Hierdurch ist die Sachlage vollständig 2 Friedrich VII. Karl Christian (1808–1863), seit 1848 König von Dänemark, war am 15. No­ vember 1863 gestorben. Als König von Dänemark war er zugleich Herzog von Schleswig so­ wie Holstein und Lauenburg. Seine Nachfolge trat gemäß dem Londoner Protokoll von 1852 Prinz Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1818–1906) an, der als Chri­ stian IX. den dänischen Thron bestieg und zugleich die Erbfolge als Herzog von Schleswig, Holstein und Lauenburg beanspruchte. Letzteres wurde von Erbprinz Friedrich von Augusten-

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verändert. Die Succession in die genannten Herzogthümer ist streitig ge­ worden, wie dieß hohe Bundesversammlung selbst durch ihren Beschluß vom 28. November d. J. bezüglich der beiden zum Bunde gehörigen Herzogthü­ mer Holstein und Lauenburg anerkannt hat.3 Die Königliche Regierung hält zwar auch jetzt noch die sofortige Beset­ zung dieser beiden Herzogthümer für nothwendig. Diese kann sich aber nicht mehr ausschließlich auf die Gesichtspunkte des Beschlusses vom 1. October d. J. stützen, sie muß vielmehr nun auf den Schutz aller derjenigen Rechte gerichtet sein, zu deren Wahrung der Bund unter den jetzigen, durch den Be­ schluß vom 28. November d. J. anerkannten Verhältnissen eben so berechtigt als verpflichtet ist. Dieser Aufgabe kann durch den einfachen Vorbehalt der Erbfolgefrage nach der Ansicht der Königlichen Regierung nicht genügt werden, am wenig­ sten wenn dieser Vorbehalt so gefaßt ist, wie in dem so eben vernommenen Antrage der höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen. Die Königliche Regierung sieht sich daher außer Stande, diesem Antrage ihre Zustimmung zu geben, und muß vielmehr darauf antragen, hohe Bundes­ versammlung wolle heute beschließen: 1) die zum Zwecke der Execution früherer Bundesbeschlüsse bereits durch den Beschluß vom 1. October d. J. in Aussicht genommenen Maßregeln seien nun zum Schutze aller Rechte, deren Wahrung dem Deutschen Bunde unter den gegenwärtigen Verhältnissen obliegt, sofort in Vollzug zu setzen; 2) an die Königlichen Regierungen von Sachsen und Hannover sei das Er­ suchen zu richten, daß sie unverzüglich ihre Truppen in die Herzogthümer Holstein und Lauenburg einrücken und die Verwaltung dieser Länder durch die von ihnen bereits ernannten Civilcommissäre im Namen des Bundes er­ greifen und nach der noch zu ertheilenden Instruction führen lassen; 3) die höchsten Regierungen von Oesterreich, Preussen und Hannover ­seien zu ersuchen, daß sie die nöthigen Reservetruppen in der verabredeten Weise sofort bereit stellen; burg (1829–1880) bestritten, der selbst die Thronfolge in den Herzogtümern in Anspruch nahm und wegen seiner liberalen und deutschfreundlichen Haltung von der deutschen Öffent­ lichkeit unterstützt wurde. Am 19. November 1863 erklärte der „Augustenburger“ seinen ­Regierungsantritt als Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein. Vgl. Baumgart, Europä­ isches Konzert, S. 371; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3. S. 460–462. 3 Wegen der strittigen Erbfolge in den Herzogtümern Holstein und Lauenburg hatte die Bundes­ versammlung am 28. November 1863 die Suspendierung des holstein-lauenburgischen Stim­ me in der Bundesversammlung beschlossen, wodurch die Thronfolge in den Elbherzogtümern endgültig zu einem bundespolitischen Problem wurde, bei dem sich die Mehrheit der Bundes­ versammlung auf die Seite der nationalen Bewegung in Deutschland stellte; ProtDBV 1863, § 286, S. 575–580.

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4) die höchsten Regierungen von Oesterreich, Preussen, Sachsen und Han­ nover seien zu ersuchen, daß sie der Königlich-Dänischen Regierung von die­ sem Beschlusse Mittheilung machen und dieselbe auffordern, ihre Truppen aus den Herzogthümern Holstein und Lauenburg zurückzuziehen. Königreich Sachsen. Der Antrag, wie ihn die Majorität der Ausschüsse schließlich formulirt hatte, ergab zwar im Ausdrucke eine bedeutende Ab­ schwächung des von der Königlichen Regierung gestellten Antrags, gleich­ wohl hat dieselbe, besage telegraphischer Instruction, nicht angestanden, dazu, behufs größerer Beschleunigung der Hauptsache, ihre Zustimmung zu ertheilen, indem sie eine Wahrung ihres Standpunktes immerhin darin erblic­ ken und zugleich den beiden Großmächten die Möglichkeit des Einverständ­ nisses damit geboten zu sehen hoffen durfte. Noch weiter zu gehen und für die einfache Ausführung der Execution auf den Grund der früheren Bundes­ beschlüsse sich auszusprechen, verbietet ihr, ganz abgesehen von den Erklä­ rungen, welche sie ihren Kammern gegenüber abgegeben hat, eine gewissen­ hafte und pflichtmäßige Erwägung der Verantwortlichkeit, die sie mit ihrer Abstimmung zu übernehmen im Begriffe steht. Ein Beschluß, der nach dem Oesterreichisch-Preussischen Antrage gezo­ gen würde, hätte, selbst wenn er die Regelung der Successionsfrage dem Bunde vorbehält und selbst wenn damit die Verwahrung verbunden wird, daß die gegen den factischen Besitzer verhängte Execution nicht eine Aner­ kennung des rechtlichen Besitzes in sich schließe, dennoch den Erfolg, daß die Verfassungsfrage mit dem factischen Besitzer zu regeln versucht würde. Es ergibt sich hieraus die weitere Folge, daß in dem Falle eines Eingehens des factischen Besitzers auf die an ihn gestellten Forderungen, welche über­ dieß, soweit sie in den vorausgegangenen Bundesbeschlüssen ausgesprochen worden sind, nur einen Theil der Deutscherseits zu erhebenden Ansprüche berücksichtigen, der factische Besitzer einen, wenn auch nicht rechtlichen, doch um so mehr moralischen Titel erwirbt, in dem Besitze geschützt zu werden. Auf solche Weise kann es nicht anders kommen, als daß entweder dem Bunde im Voraus die freie Entscheidung in der Successionsfrage ent­ zogen wird, oder daß der Bund ein Verfahren beschreitet, welches unter Umständen ihm den begründeten Vorwurf nicht loyaler Handlungsweise ­ ­zuziehen und damit die Gerechtigkeit seiner Sache nur im höchsten Grade gefährden kann. Die Sächsische Regierung vermag daher nur dem Antrage der Ausschüsse wie er gegenwärtig lautet, nämlich: „Die zum Zwecke der Execution früherer Bundesbeschlüsse bereits durch den Beschluß vom 1. October d. J. in Aussicht genommenen Maßregeln seien nun zum Schutze aller Rechte, deren Wahrung dem Deutschen Bunde unter den gegenwärtigen Verhältnissen obliegt, sofort in Vollzug zu setzten,“

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nicht aber dem Antrage von Oesterreich und Preussen beizustimmen. Selbstverständlich wird sie sich einem Majoritätsbeschlusse unter allen Um­ ständen auch in so fern unterwerfen, als es sich darnach um Verwendung der diesseitigen Truppen handelt. Hannover. Da der Oesterreichisch-Preussische Antrag einen Vorbehalt in Bezug auf die Erbfolgefrage enthält und der Königlichen Regierung an mög­ lichst raschem Vollzuge der in Aussicht genommenen Maßregeln gelegen ist, so ist der Gesandte angewiesen, für den Oesterreichisch-Preussischen Antrag zu stimmen. Württemberg. Der Gesandte ist mit speciellen Instructionen hinsichtlich des vorliegenden Antrages von Oesterreich und Preussen nicht versehen, kann aber nach seiner Kenntniß von den Anschauungen der Königlichen Re­ gierung diesem Antrage nicht beipflichten, in so fern derselbe darauf gerichtet zu sein scheint, lediglich die Befriedigung derjenigen Ansprüche im Execu­ tionswege zu bewirken, welche dem Deutschen Bunde bis zum Ableben des Königs und Herzogs Friedrich VII. zustanden und er bis dahin geltend ge­ macht hatte. Die Bundesversammlung hat, indem sie die Führung der Holstein-Lauen­ burgischen Stimme suspendirte, bereits anerkannt, daß die Erbfolge in den Herzogthümern Holstein und Lauenburg streitig ist, die Königlich-Dänische Regierung geht aber in diesen Herzogthümern factisch in einer Weise vor, die auch im Hinblick auf die Rechte der Herzogthümer als unberechtigt bezeich­ net werden muß. Aus dieser Sachlage erwachsen dem Bunde Rechte und Pflichten zur Sicherung der rechtmäßigen Erbfolge, sowie aller Rechte der Herzogthümer überhaupt und zum Schutze der Bevölkerungen gegen das Vorgehen der Königlich-Dänischen Regierung, welchem nur durch Besetzung der Herzogthümer Seitens des Bundes zur Geltendmachung aller Rechte ge­ nügt werden kann, deren Wahrung dem Bunde unter den obwaltenden Ver­ hältnissen obliegt, wogegen die rechtliche Zulässigkeit des am 9. Juli d. J. beschlossenen Executionsverfahrens den gewichtigsten Bedenken unterliegt. Der Gesandte hat in der Erklärung des Königlich-Bayerischen Herrn Ge­ sandten den Standpunkt seiner allerhöchsten Regierung erkannt und tritt des­ sen Antrage bei. Baden. Der Großherzogliche Gesandte war von seiner allerhöchsten Regie­ rung beauftragt, in Betreff der Holsteinischen Angelegenheit vor Berathung und Beschlußfassung in hoher Bundesversammlung eine Erklärung abzuge­ ben. Durch den Gang der heutigen Verhandlung von der Vorbringung abge­ halten und zur Abstimmung aufgefordert, beehrt er sich, den Inhalt dieser Er­ klärung seinem Votum als Begründung vorauszuschicken. Die Großherzogliche Regierung ist der Ansicht, daß es durch die Natur und Lage der rechtlichen und factischen Verhältnisse geboten wäre, in der schwe­

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benden Verhandlung über die Bundesländer Holstein und Lauenburg und ­deren Rechte zuerst über die Frage schlüssig zu werden, ob dem bisherigen Prinzen Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, welcher nunmehr den Dänischen Thron als König Christian IX.4 bestiegen hat, bei dem evidenten Mangel einer Berechtigung durch angeborenes Erbrecht oder durch Landesrecht aus der Londoner Uebereinkunft von 1852 ein Besitztitel auf die Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg zugestanden wer­ den kann. Die Großherzogliche Regierung wird zu dieser Auffassung vornehmlich durch folgende Erwägungen geleitet: 1) Die Anerkennung oder Nichtanerkennung des dermaligen Königs von Dänemark in den Herzogthümern ist vorläufig der wichtigste der in Rücksicht kommenden Punkte, gegen welchen alle übrigen an praktischer unmittelbarer Bedeutung zurückstehen. Die Lösung dieses Punktes bringt Klarheit sowohl in die Beantwortung der Frage, welche verschiedenen Rechte zu wahren dem Deutschen Bunde ob­ liegt, als welche Mittel derselbe zu deren Schutze und Geltendmachung zu ergreifen hat, und verhindert, daß nicht Maßregeln ergriffen werden, welche eine Präjudicirung seines Rechtes enthalten könnten. Insbesondere würde jeder außergewöhnliche Aufwand für militärische Bundesleistungen als überflüssig sich nicht rechtfertigen können und der Be­ völkerung der Herzogthümer jeder Nothstand erspart werden müssen, wenn die hohe Bundesversammlung zu einer Bejahung der Frage, ob dem dermali­ gen Könige Christian IX. von Dänemark aus der Londoner Uebereinkunft von 1852 ein Rechtsanspruch auf die Thronfolge in den Herzogthümern er­ wachsen sei, gelangen könnte. Denn in solchem Falle dürfte die Dänische Regierung durch die gegen den Bundeswiderspruch gesicherte Fortdauer im Besitze der deutschen Herzogthümer nicht unschwer sich zu gütlicher und billiger Feststellung der Verfassungsangelegenheit bereit finden lassen. 2) Ohne die Bereinigung der Erbfolgefrage überhaupt und zunächst ohne diejenige des Besitztitels des dermaligen Königs Christian IX. ist eine befrie­ digende Ordnung der Landes- und Verfassungsrechte der deutschen Herzog­ thümer unmöglich und deren schließliche Ordnung ist jedenfalls davon völlig unzertrennbar, so daß von ihr absehende Proceduren am Bunde eines be­ stimmten und bestimmbaren praktischen Zieles und Erfolges entbehren müs­ sen. Erst nach Beantwortung dieser Frage wird sich auch die Möglichkeit ­ergeben, in den Herzogthümern einen Zustand herzustellen, in welchem ein Zusammenwirken der berechtigten Factoren, des erbberechtigten Successors 4 Christian IX. (1818–1906), von 1863 bis 1906 König von Dänemark.

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und der Stände des Landes, das künftige Geschick desselben befriedigend ge­ stalten kann. Nach dem Urtheile der Großherzoglichen Regierung wird die angegebene dringendste, unvermeidliche Frage gegen die Berechtigung des Königs von Dänemark Christian IX. ausfallen müssen. Die Ansprüche desselben auf die Succession in den Herzogthümern Schles­ wig, Holstein und Lauenburg stützen sich, wie schon angedeutet, auf eine von sieben europäischen Regierungen am 8. Mai 1852 zu London aus politischen Zweckmäßigkeitsrücksichten getroffene Uebereinkunft. Die Großherzogliche Regierung erkennt in dieser Uebereinkunft keinen Act, welcher für sie selbst oder den Deutschen Bund in seiner Gesammtheit, noch für die nicht zugezo­ genen betreffenden Agnaten und Landestheile irgendwelche rechtliche und bindende Bedeutung hätte; sie ist überzeugt, daß dieselbe in den Augen der Unterzeichner selbst für Dritte diese Bedeutung nicht haben kann. Indem sie aber von derselben als von einer geschichtlichen Thatsache Kenntniß erhalten hat, ist sie zugleich der Ueberzeugung, daß diese Uebereinkunft auf unerfüll­ te und nunmehr unerfüllbar gewordene Voraussetzungen gegründet war, und daß es deßhalb sogar fraglich sein wird, ob dieselbe in dem Königreiche ­Dänemark dauernd unangefochtene Geltung erwarten kann. Durch die Vorlage der zu London verabredeten Erbfolgeordnung zur Be­ stätigung durch den Dänischen Reichstag hat die Dänische Regierung seiner Zeit selbst eine Bethätigung [sic] gegeben, daß jene Uebereinkunft an sich unvollständig und unverbindlich im eigenen Lande sei. Nichts hinderte sie, den Schleswigischen, Holsteinischen und Lauenburgischen Ständen (abgese­ hen von den Rechten der Agnaten der Königlich-Herzoglichen Familie) eine gleiche Vorlage zu machen. Ohne die Befugnisse dieser Körperschaften aus früheren Gesetzen und andere Rechtspunkte zu erörtern, sei bemerkt, wie die im Jahre 1851/52 von der Königlich-Herzoglichen Regierung dem Deutschen Bunde gegenüber übernommenen Pflichten und die den Herzogthümern dadurch noch zugewachsenen Rechte forderten, daß die Stellung dieser ­ Herzog­thümer innerhalb der damaligen Dänischen Monarchie eine mit dem ­eigentlichen Königreiche Dänemark gleichberechtigte sein sollte, daß ihnen also ein so hochwichtiges Recht, wie die Entscheidung über Aenderungen in der Thronfolgeordnung, nicht vorenthalten werden durfte, sobald es jenem Königreiche eingeräumt werde, – um so mehr, als die beabsichtigte Abwei­ chung von der bestehenden Ordnung für sie eine weit größere, bedeutungs­ vollere war. Die Großherzogliche Regierung hat keinen Anstand genommen, in der von ihr in der Bundestagssitzung vom 28. v. M. gegebenen Abstimmung ihr Ur­theil über die Successionsfrage in den deutschen Herzogthümern niederzu­legen. Sie erkennt allein die Ansprüche des bisherigen Erbprinzen Friedrich von Schles­

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wig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg als begründet und zu Recht bestehend an. Sie sieht die Begründung dieser Ansprüche in dem agnatischen Verwandt­ schaftsverhältnisse desselben zu dem heimgegangenen K ­ önig-Herzoge Fried­ rich VII. und in der ursprünglichen, durch nachfolgende Thatsachen und Geset­ ze bestätigten Erbfolgeordnung der Herzogthümer Schleswig und Holstein, wie in den diesen Ländern zustehenden Verfassungsrechten. Alle die Rechtsgrundlagen sind durch die Londoner Uebereinkunft unbe­ rührt geblieben. Nach den obigen Erwägungen muß die Großherzogliche Regierung um so mehr die Rechtsverbindlichkeit derselben für den Deutschen Bund bestreiten, und sie lehnt daher wiederholt und ausdrücklich deren Anerkennung, sowie jede Einwirkung derselben auf die künftige Ordnung der schwebenden Frage ab. Ja, sie ist bei dem gegebenen Anlasse gehalten, nicht bloß gegen diesen ­einzelnen Act, sondern gegen das in demselben befolgte Princip öffentliche Verwahrung einzulegen, gegen die An- und Absicht nämlich, daß einzelnen europäischen Regierungen eine Entscheidung über die bestehenden und selbst zweifelhaften Erbfolgeverhältnisse und die damit unzertrennlich verbundenen Souverainetäts-, Verfassungs- und Volksrechte eines deutschen Bundes- oder eines anderen Staates, ohne Zuziehung und Zustimmung der davon betroffe­ nen Berechtigten und der ihnen treu anhängenden Bevölkerungen, zustehen solle. Solchen Versuchen gegenüber würde die Großherzogliche Regierung da, wo in der That alle sonstigen rechtlich und thatsächlich vorgeschriebenen Wege zur Lösung bezüglicher Differenzen erschöpft worden sind, unbedenk­ lich vorziehen, wenn der in anderen Staaten Europa’s zur Geltung gebrachte Grundsatz einer Bestätigung oder Modification des inneren Staatsrechtes durch eine allgemeine Kundgebung des Volkswillens ebenfalls als ein Factor der Entscheidung anerkannt würde. Steht nun dem Könige Christian IX. kein gültiger Anspruch zur Seite, und gibt die hohe Bundesversammlung, wie die Großherzogliche Regierung zu­ versichtlich hofft, dieser Ansicht Ausdruck, so ist der einzige Weg, welcher dem Rechte und der Würde des Deutschen Bundes entspricht, den König Christian IX. und die in seinem Namen und Auftrage in den Bundesländern befindlichen Truppentheile ungesäumt aufzufordern, diese Länder in kürze­ ster Frist zu verlassen, sich aller Regierungshandlungen in denselben und über ihre Angehörigen zu enthalten, anderenfalls nach Artikel 39 der Wiener Schlußacte5 gegen denselben zu verfahren. 5 Artikel 39 der Wiener Schlußakte lautete: „Wenn das Bundes-Gebiet von einer auswärtigen Macht feindlich überfallen wird, tritt sofort der Stand des Krieges ein, und es muß in diesem Falle, was auch ferner von der Bundes-Versammlung beschlossen werden mag, ohne weitern Verzug zu den erforderlichen Vertheidigungs-Maßregeln geschritten werden.“ Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 97.

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Die Großherzogliche Regierung ist unter diesen Verhältnissen außer Stan­ de, im gegenwärtigen Stadium Vorschlägen zuzustimmen, welche sich auf die Bundes-Executionsordnung stützen, weil sie in der Vollziehung derselben ein gegenüber Deutschland, gegenüber den Herzogthümern und gegenüber ihrem eigenen Lande ungerechtfertigtes Verfahren erblickt. Die Großherzogliche Regierung erklärt sich indeß andererseits dahin, daß sie jederzeit bereit ist, ihrer bundesgetreuen und patriotischen Gesinnung ge­ mäß auf jeden Beschluß hoher Bundesversammlung hin, welcher nicht gera­ dezu die nach ihrer Ansicht unveräußerlichen Rechte der Herzogthümer und ihres legitimen Fürsten gefährdet, an etwaigen militärischen Maßregeln op­ ferfreudig Theil zu nehmen. Sie stellt demnach schon jetzt ihre Kräfte zur Verfügung und ist gewillt, in Erwartung ernsterer Verwickelungen, unverzüg­ lich Sorge zu tragen, daß ihr Bundescontingent in Kriegsbereitschaft gestellt werde, um sich in kürzester Frist in Bewegung setzen zu können. Im Falle ihre Ansicht über die Behandlung der Angelegenheit sich mit der Entschließung des Bundes begegnet, wird sie es sogar verantworten können, auch über das Maß ihrer Bundespflichten hinaus, mit allen ihr zu Gebote ste­ henden Mitteln in eine active Mitwirkung zur Vertheidigung der heiligsten Interessen des Vaterlandes einzutreten, und sie rechnet dafür mit Zuversicht auf die Zustimmung ihrer Landesvertretung, wie auf die freudige Bereitwil­ ligkeit ihres Volkes. Aus den im Vorstehenden niedergelegten Erwägungen vermag sich der Großherzogliche Gesandte dem von den allerhöchsten Regierungen von Oester­reich und Preussen gestellten Antrage nicht anzuschließen. Er müßte in der vorgeschlagenen Form der militärischen Handlung als einem Vorgehen auf Grund der Executionsordnung und zur angeblichen Vollstreckung frühe­ rer und unter wesentlich anderen Verhältnissen gefaßter Bundesbeschlüsse eine beengende und falsche Grundlage weiteren Verfahrens und eine Gefähr­ dung von Rechten des Bundes und der betreffenden Bundesländer Holstein und Lauenburg erblicken. Dagegen hält sich der Großherzogliche Gesandte für ermächtigt, zu erklä­ ren, daß seine allerhöchste Regierung sich solchen Anträgen anzuschließen nicht ansteht, welche – wenn sie auch nicht in vollem Maße dem Standpunkte derselben entsprechen – einerseits die auch von ihr für unerläßlich gehaltene factische Besetzung der Herzogthümer Holstein und Lauenburg erzielen, an­ dererseits einer rechtsgemäßen Entscheidung über wohlbegründete Ansprü­ che des Bundes, wie dieser Bundesländer nicht vorgreifen, und insbesondere dem Rechte des nach Ansicht der Großherzoglichen Regierung zur Nachfolge in denselben berufenen Herzogs Friedrich nichts vergeben. Hiernach schließt sich der Großherzogliche Gesandte der Abstimmung des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten an; dieß jedoch nur unter der aus­

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drücklichen Voraussetzung, daß in allen wegen der Bundesländer Holstein und Lauenburg ergriffenen militärischen Maßregeln nur die Einleitung von Schritten zur Abwehr unberechtigter Fremdherrschaft und zum Schutze der Sicherheit und Selbstständigkeit jener Länder beabsichtigt sei. Kurhessen. Der Gesandte stimmt für den Oesterreichisch-Preussischen An­ trag unter dem Vorbehalte, daß der Erbfolgefrage in keiner Weise präjudicirt werde. Großherzogthum Hessen. Der Gesandte stimmt in erster Linie für die in der vorigen Sitzung Seitens seiner allerhöchsten Regierung gestellten Anträ­ ge, mit denen die in der so eben vernommenen Abstimmung des KöniglichBayerischen Herrn Gesandten enthaltenen Anträge nahezu übereinstimmen. Für den Fall, daß diese Anträge keine Majorität erlangen sollten, hält der Ge­ sandte sich übrigens für ermächtigt, zur Förderung einer Beschlußfassung auch dem vorliegenden Antrage von Oesterreich und Preussen zuzustimmen, wobei er jedoch Namens der Großherzoglichen Regierung dahin Verwahrung einzulegen hat, daß aus dieser Zustimmung zur Ausführung von Maßregeln, welche ursprünglich zum Zwecke der Execution beschlossen waren, in keiner Weise eine Anerkennung der Fortdauer der früheren Personalunion zwischen dem Königreich Dänemark und den Herzothümern Schleswig, Holstein und Lauenburg gefolgert werden könne. Zugleich hat der Gesandte an diese eventuelle Abstimmung noch die fol­ genden Bemerkungen zu knüpfen. Die Großherzogliche Regierung hat bei ihrem in der vorigen Sitzung ein­ gebrachten Antrage, „die zum Zwecke der Execution früherer Beschlüsse be­ reits in Aussicht genommenen Maßregeln nunmehr zum Schutze aller Rechte und Interessen, deren Wahrung dem Deutschen Bunde unter den gegenwärti­ gen Verhältnissen obliege, sofort in Vollzug zu setzen“ – namentlich auch die in Bezug auf Schleswig bestehenden Rechte und Interessen Deutschlands im Auge gehabt. Da nun aber die von Oesterreich und Preussen gestellten An­ träge lediglich auf den sofortigen Vollzug der durch den Bundesbeschluß vom 1. October in Aussicht genommenen Maßregeln in dem damals beabsichtig­ ten Umfange hinzielen, wonach diese Maßregeln auf die Herzogthümer Hol­ stein und Lauenburg beschränkt bleiben würden, so sieht der Gesandte sich veranlaßt, der Großherzoglichen Regierung die Stellung weiterer bestimmter Anträge in der oben angedeuteten Richtung ausdrücklich vorzubehalten. Ferner hat die Großherzogliche Regierung in der vorigen Sitzung den An­ trag gestellt, „an die Königlich-Dänische Regierung in geeignetem Wege die Aufforderung ergehen zu lassen, alle Dänischen Truppen aus den Herzogthü­ mern Holstein und Lauenburg zurückzuziehen und das Holstein-Lauenburgi­ sche Bundescontingent dem Deutschen Bunde bis auf Weiteres innerhalb des Bundesgebietes zur Verfügung zu stellen.“ Auch dieser Punkt wird durch die

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Anträge Oesterreichs und Preussens nicht berührt und der Gesandte kann da­ her nicht umhin, die Bedeutung des von der Großherzoglichen Regierung empfohlenen Schrittes bei dieser Gelegenheit nochmals nachdrücklich her­ vorzuheben. Nach Ansicht der Großherzoglichen Regierung ist ganz analog mit der bereits erledigten Frage der ferneren Zulassung des bisherigen Bun­ destags-Gesandten für Holstein und Lauenburg zu den Bundestags-Sitzungen die weitere Frage: ob der Deutsche Bund zulassen kann, daß Seine Majestät der jetzt regierende König von Dänemark, so lange er vom Deutschen Bunde als Herzog von Holstein und Lauenburg nicht anerkannt ist, dennoch Regie­ rungshandlungen in diesen Herzogthümern ausübe und insbesondere den Be­ fehl über die Bundescontingente dieser beiden Staaten behalte? Die Vernei­ nung dieser letzteren Frage erscheint daher der Großherzoglichen Regierung als eine nothwendige Consequenz des in der letzten Sitzung bezüglich der Holstein-Lauenburgischen Stimmführung gefaßten Bundesbeschlusses. Daß ein auswärtiger Souverain, dessen Eigenschaft als Mitglied des Deutschen Bundes von der Bundesversammlung nicht anerkannt, vielmehr durch den er­ wähnten Bundesbeschluß geradezu in Frage gestellt ist, dennoch das Com­ mando über einen Theil des Deutschen Bundesheeres noch in Händen hat, erscheint hiernach der Großherzoglichen Regierung als ein so anomaler Zu­ stand, daß sie dessen möglichst rasche Beseitigung für eine dringliche Aufga­ be des Deutschen Bundes erachten muß. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte befindet sich ohne Instruction über den Oesterreichisch-Preussischen Antrag und muß sich das Protokoll offen halten. Was den zunächst von Bayern gemachten Vor­ schlag einer militärischen Occupation und Sequestration der Herzogthümer Holstein und Lauenburg betrifft, so ist der Gesandte angewiesen, sich dage­ gen zu erklären. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Die Großherzoglichund Herzoglich-Sächsischen Regierungen schließen sich in erster Linie den in der Abstimmung Bayerns gestellten Anträgen an, treten jedoch in zweiter Linie eventuell auch dem Antrage von Oesterreich und Preussen bei, in dem sie es als sich von selbst verstehend voraussetzen, daß der in Gemäßheit des­ selben zu fassende Beschluß nicht als eine Anerkennung Seiner Majestät des Königs Christian von Dänemark als Herzog von Holstein und Lauenburg auf­ gefaßt werden könne. Seine Hoheit der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha insonderheit betrachten die militärische Besetzung des Herzogthums Holstein lediglich als eine Seiner Hoheit dem Herzog Friedrich von Schleswig-Hol­ stein gewährte bundesmäßige Hülfe. Dabei hat der Gesandte den höchsten Regierungen von Sachsen-WeimarEisenach und Sachsen-Meiningen etwaige besondere Erklärungen vorzube­ halten und, was das Herzogthum Lauenburg betrifft, sich im Voraus auf den

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Namens der Regierungen von Sachsen-Weimar-Eisenach, ­Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg-Gotha in das heutige Protokoll niederzulegenden Antrag zu beziehen. Braunschweig und Nassau. Der Gesandte ist angewiesen, gegen den An­ trag von Oesterreich und Preussen zu stimmen. Derselbe hat zugleich Namens der stimmführenden Herzoglich-Braun­ schweigischen Regierung zur Motivirung der Abstimmung weiter zu erklä­ ren, wie die Herzogliche Regierung an der Ueberzeugung festhalten muß, daß schon die einfache Thatsache einer gegen den König von Dänemark, in der Art, wie sie von der Kaiserlich-Oesterreichischen und der Königlich-Preussi­ schen Regierung bezielt wird, gerichteten Bundesexecution die Anerkennung desselben als Herzog von Holstein in sich schließen würde, indem die Aus­ führung einer Bundesexecution nur gegen ein Bundesglied als solches sich als rechtlich möglich darstellt. Es kommt hinzu, daß der Zweck dieser Maßregel ist, eine Erfüllung von Zusagen zu erzwingen, welche nur unter der Voraussetzung gefordert werden kann, daß vorgängig die Anerkennung des Königs von Dänemark als Herzog von Holstein erfolgt sei. Auf den Grund dieser Sachlage glaubt die Herzogliche Regierung dafür halten zu müssen, daß es nicht thunlich sei, bei einer Zustimmung zu dem Antrage der hohen Regierungen von Oesterreich und Preussen die Auffas­ sung der Herzoglichen Regierung in der Successionsfrage durch Vorbehalte wirksam zu wahren. Im Uebrigen hält sich der Gesandte für ermächtigt, den in heutiger Sitzung von dem Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten gemachten Ausführungen beizutreten. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Der Gesandte befindet sich allerdings ohne Instruction über den von Oesterreich und Preussen ge­ stellten Antrag, hätte daher gewünscht, daß ihm durch Aussetzung der Ab­ stimmung Gelegenheit gegeben wäre, solche noch einzuholen. Da aber eine Abgabe aller Stimmen in der heutigen Sitzung dringend wün­ schenswerth erscheint, und der Gesandte auf Grund der neuesten von seinen höchsten Regierungen bezüglich der Verhandlungen der Ausschüsse über die­ selbe Angelegenheit ihm zugekommenen Weisungen glaubt annehmen zu dürfen, daß die Großherzoglichen Regierungen sich der Zustimmung zu dem vorliegenden Antrage nicht entziehen werden, so sieht sich derselbe im Hin­ blick auf solche Sachlage veranlaßt, sich zustimmend zu erklären. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Zu dem Antrage von Oesterreich und Preussen, die Holsteinische Angelegenheit betreffend, ist der Gesandte in der Lage, wie folgt sich auszusprechen:

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Anhalt, in Betracht daß darin nicht das Verlangen eines Verzichtleistens an die Bundesgenossen auf ihre eigenen Auffassungen der obschwebenden Fra­ gen liegen solle, stimmt dem Antrage bei, vorbehaltlich seiner agnatischen Ansprüche auf Lauenburg und unbeschadet insbesondere der Successions­ frage in Schleswig und Holstein. Schwarzburg-Sondershausen tritt dem Antrage auf sofortige Ausführung der einfachen Execution bei, jedoch unter ausdrücklicher Wahrung der Frei­ heit fernerer Abstimmung und ohne jedes Präjudiz für die Entscheidung der streitigen Successions- und anderen Fragen. Schwarzburg-Rudolstadt stimmt mit Oesterreich und Preussen. Hierdurch ist innerhalb der 15. Stimme die Majorität gegeben. Für Oldenburg hingegen kann der Gesandte dem Antrage nicht zustimmen, da er vielmehr angewiesen worden ist, für den im Königlich-Bayerischen und im Königlich-Sächsischen Votum angeführten Ausschußantrag zu stimmen, je­ doch auch dieß immer nur in der Voraussetzung, daß hohe Bundesversamm­ lung durch die Annahme desselben die bisher festgehaltene Basis der Verein­ barungen von 1851 und 1852 verlassen wolle. Der Gesandte muß sich unter diesen Umständen im Allgemeinen auf die betreffenden früheren Anträge und Erklärungen Oldenburgs zurückbeziehen und der Großherzoglichen Regierung anderweite Erklärung, eventuell besondern Antrage ausdrücklich vorbehalten. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Homburg. Der Gesandte stimmt dem Antrage Oesterreichs und Preussens zu, in der ausdrücklichen Voraussetzung, daß durch die Ausführung der ins Auge gefaßten Maßregeln den vom Deutschen Bunde innerhalb seiner Competenz zu fassenden Entschließungen über die von mehreren Regierungen gestellten Anträge bezüglich der Erbfolgefrage in die Herzogthümer in keiner Weise präjudicirt wird und werden soll; und davon ausgehend, daß das Bundes-Exe­ cutionsverfahren und die durch die Sachlage erforderlichen Maßregeln und Maßnahmen durch die Anerkennung eines der Erbprätendenten bundesgrund­ gesetzlich auch nicht bedingt ist. Reuß jüngere Linien und Waldeck stimmen wie Bayern. Freie Städte. Der Gesandte hat nach den ihm gewordenen Instructionen Namens der Curie der freien Städte für Vollstreckung der von Oesterreich und Preussen beantragten Executionsmaßregeln mit Vorbehalt der Entschei­ dung über die vorliegende Erbfolgefrage zu stimmen. Für Bremen behält der Gesandte zu etwaiger Abgabe einer besonderen Er­ klärung das Protokoll offen. Die Bundesversammlung hat hiernach, in Erwägung: 1) daß der [sic] in Ziffer III des Bundesbeschlusses vom 1. October d. J. bin­ nen drei Wochen erforderte Folgeleistung und Anzeige darüber nicht erfolgt ist;

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2) daß durch die Ausführung der in’s Auge gefaßten Maßregeln den vom Deutschen Bunde innerhalb seiner Competenz zu fassenden Entschließungen über die von mehreren Regierungen gestellten Anträge in der Erbfolgefrage nicht präjudicirt wird; 3) daß die in Artikel X der Bundes-Executionsordnung vorgesehene Gefahr im Verzuge als vorhanden erachtet werden muß, beschlossen: 1) die in Ziffer IV des Beschlusses vom 1. October vorgesehene Aufforde­ rung zum sofortigen Vollzuge der beschlossenen Maßregeln nunmehr an die Regierungen von Oesterreich, Preussen, Sachsen und Hannover zu richten; 2) die genannten Regierungen hiervon durch ihre Herren Gesandten in Kennt­ niß zu setzen und denselben die geeignete Eröffnung an die Königlich-Dänische Regierung, sowie die Ausführung jener Maßregeln nach Maßgabe der inzwi­ schen von ihnen getroffenen militärischen Verabredungen anheimzugeben; 3) die vereinigten Ausschüsse zu veranlassen, die in Bezug auf die Instruc­ tion der Civilcommissäre und die Aufbringung der erforderlichen Geldmittel nöthigen Anträge unverweilt zu stellen.

98. Bundesbeschluß zur Durchführung der Bundesexekution gegen Dänemark

ProtDBV 1863, Separatprotokoll § 56, S. 604b–604k.

Die Bundesversammlung genehmigt die Instruktion für die nach Holstein und Lauenburg zu entsendenden Zivilkommissare, die die Bundesexekution durchführen sollen. Zur Bestreitung der Kosten wird beschlossen, eine Matrikularumlage von 17 Millionen Gulden auszuschreiben.

41. Sitzung

Frankfurt am Main, 14. Dezember 1863

Separatprotokoll § 56. Verfassungsangelegenheit der Herzogthümer Holstein und Lauenburg, insbesondere Instruction für die zur Execution in denselben bestimmten Civilcommissäre und Aufbringung der erforderlichen Geldmittel. (40. Sitz. § 288 v. J. 1863.) Der Königlich-Preussische Herr Gesandte trägt Namens der vereinigten Aus­ schüsse Nachstehendes vor: In Folge des Auftrages, welcher den vereinigten Ausschüssen durch den Bundesbeschluß vom 7. December1 d. J. ad 3 ertheilt worden ist, säumen die­ selben nicht, den nachstehenden Vortrag zu erstatten. 1 Siehe Dok. 97.

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Der Entwurf einer Instruction für die Civilcommissäre in Holstein und Lauenburg, welchen sie hoher Bundesversammlung mit dem Anheimstellen der Genehmigung hierbei überreichen,* beschränkt sich auf dasjenige, was zur Zeit als nothwendig erscheint. Weitere Bestimmungen hoher Bundesversammlung zu befürworten, wird ihnen obliegen, sobald Anträge der Civilcommissäre oder veränderte Umstän­ de solche erheischen sollten. Die beigefügte Instruction wird übrigens auch dann maßgebend bleiben können, wenn die von den höchsten Regierungen von Oesterreich und Preus­ sen bereit gestellten Reservetruppen zur Mitwirkung in den Herzogthümern Holstein und Lauenburg berufen werden, und die gedachten Regierungen dann ihrerseits, in Uebereinstimmung mit dem deßhalb bereits in dem Vortrage der vereinigten Ausschüsse vom 19. September d. J. (ad III pag. 428, 429)2 Be­ merkten, gleichfalls Civilcommissäre zu bestellen geneigt sein sollten. Was den Kostenpunkt anbetrifft, so dürfen die Kosten für Mobilmachung, Transport und Verwendung der zum sofortigen Einrücken in die Herzogthü­ mer Holstein und Lauenburg und zur Reserve bestimmten Truppen natürlich nicht den mit der Execution beauftragten höchsten Regierungen zu Last fal­ len, und es gilt ebendasselbe von den durch Absendung und Thätigkeit von Civilcommissären verursachten Kosten. Alle diese Kosten werden seiner Zeit nach Maßgabe des Artikels XIV der Executionsordnung wieder einzuziehen sein3, müssen aber einstweilen, unter Vorbehalt aller Regreßansprüche des Bundes, vorschußweise aus der Bundes­ casse bestritten werden, so weit nicht Ueberschüsse aus den Regierungsein­ künften der Herzogthümer Holstein und Lauenburg, nach dem in § 7 der In­ struction für die Civilcommissäre deßhalb Bemerkten, hierfür zu verwenden sind. Die Vorschüsse werden auf Anmeldung der erforderlichen Beträge bei dem Bundespräsidium in entsprechenden Raten aus der Bundescasse zu leisten und die für solchen Zweck erforderlichen Geldmittel nach der Bundesmatri­ kel aufzubringen sein. Die vereinigten Ausschüsse halten dafür, daß für solchen Zweck eine Ma­ trikularumlage von 17 Millionen Gulden in Aussicht zu nehmen und davon zunächst der Betrag von 5 Millionen Gulden binnen vierzehn Tagen einzu­ * M. s. die Beilage zu diesem Protokolle.

2 ProtDBV 1863, § 218, S. 424–430. 3 Exekutionsordnung des Deutschen Bundes vom 3. August 1820, Artikel 14: „Die Kosten der Execution sind auf den wirklichen, nach dem Zwecke zu bemessenden Aufwand zu beschrän­ ken. Die Bundesregierung, gegen welche die Execution verfügt worden, hat dieselben, so weit sie liquid sind, ohne Aufenthalt zu berichtigen, oder hinreichende Sicherheit dafür zu stellen.“ Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 118.

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zahlen, wegen der Termine für die weiteren Einzahlungen in Raten von je 2 Millionen Gulden aber der Antrag, nach Maßgabe des Bedürfnisses, von dem Bundespräsidium demnächst zu stellen sei. Die mit der Truppenstellung beauftragten Regierungen werden auf ihre Ausgaben diejenigen Matrikularbeiträge, welche sie in Folge der eben ge­ dachten Umlage für diesen Zweck selbst zu leisten haben, in Anrechnung bringen können, und überdieß zu veranlassen sein, ihre nach den Bestimmun­ gen des neuesten Entwurfes eines Bundes-Verpflegsreglements aufzustellen­ den Kostenberechnungen vierteljährlich an die Bundes-Militärcommission einzusenden, damit sie dieselben prüfe und übersichtlich zusammenstelle, und aus solcher Zusammenstellung den vereinigten Ausschüssen einen Aus­ zug zugehen lasse. Die berichtenden Ausschüsse glauben bestimmt voraussetzen zu dürfen, daß die Regierungen aller deutschen Staaten, welche durch den Marsch und die Aufstellung der in Folge des Bundesbeschlusses vom 7. d. M. zu mobili­ sirenden Truppen berührt werden, den mit der Truppenstellung beauftragten Regierungen in Bezug auf Eisenbahnbenutzung durch die Truppen, Canton­ nementsquartiere u. s. w. durch ihre Behörden alles dasjenige Entgegenkom­ men beweisen lassen werden, welches zur Förderung des Zweckes gereicht. Sie fassen ihre Anträge wie folgt zusammen: Hohe Bundesversammlung wolle beschließen: 1) dem von den vereinigten Ausschüssen vorgelegten Entwurfe einer In­ struction für die nach Holstein und Lauenburg zu entsendenden Civilcommis­ säre werde ihre Genehmigung ertheilt; 2) es seien die höchsten und hohen Regierungen, deren Landesgebiete durch den Marsch und die Aufstellung der aufgebotenen Bundestruppen be­ rührt werden, um bundesfreundliches Entgegenkommen gegen die Anträge der mit der Truppenstellung beauftragten Regierungen und demnächst der Commandirenden zu ersuchen; 3) es sei zum Zwecke vorschußweiser Bestreitung der Kosten des angeord­ neten Executionsverfahrens, unter Vorbehalt aller Regreßansprüche des Deut­ schen Bundes, eine Matrikularumlage von 17 Millionen Gulden in der Art auszuschreiben, daß a) zunächst die Summe von 5 Millionen Gulden binnen vierzehn Tagen einzuzahlen, b) wegen der Termine für die weiteren successiven Einzahlungen von 12 Millionen Gulden in Raten von je 2 Millionen Gulden aber die auf Antrag des Bundespräsidiums nach Maßgabe des Bedürfnisses sofort zu treffende Be­ stimmung noch vorzubehalten sei;

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4) es sei den mit den Vollzugsmaßregeln beauftragten höchsten Regierun­ gen von Oesterreich, Preussen, Königreich Sachsen und Hannover zu über­ lassen, den ungefähren Betrag der ihnen erwachsenden Kosten, behufs Er­ hebung von Vorschüssen aus der Bundescasse, bei dem Bundespräsidium ­anzumelden, und 5) es seien dieselben höchsten Regierungen zu ersuchen, ihre nach den Be­ stimmungen des neuesten Entwurfes zu einem Bundes-Verpflegsreglement und dessen Beilage 11 aufzustellenden Kostenberechnungen von drei zu drei Monaten an die Bundes-Militärcommission einzureichen, welche sie zu ­prüfen, zu einer übersichtlichen Nachweisung zu vereinigen, und aus dieser letzteren den vereinigten Ausschüssen einen Auszug vorzulegen habe; 6) von diesem Beschlusse seien die höchsten Regierungen von Oesterreich, Preussen, Königreich Sachsen und Hannover durch ihre Herren Gesandten, ferner die Civilcommissäre Seitens ihrer höchsten Regierungen, die BundesMilitärcommission und die Bundescassen-Verwaltung in Kenntniß zu setzen. Präsidium schlägt vor, über die eben vernommenen Anträge der großen Dringlichkeit wegen sofort abzustimmen. Einige Gesandtschaften, darunter jene der Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsischen Häuser und von Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg, er­ klären sich für Aussetzung der Abstimmung; die Mehrheit der Stimmen tritt aber dem Präsidialvorschlage bei, und es wird zur Abstimmung geschritten. Oesterreich: stimmt den Anträgen zu. Preussen: deßgleichen. Bayern. Der Gesandte tritt im Hinblicke auf den Beschluß hoher Bundes­ versammlung vom 7. d. M. diesen Anträgen nicht entgegen, hat dabei jedoch ausdrücklich zu bemerken, daß hierdurch der in seiner Abstimmung vom 7. d. M. niedergelegte Standpunkt der Königlichen Regierung keine Aende­ rung erleidet. Königreich Sachsen. Da die Anträge der Ausschüsse die nöthigen Bestim­ mungen zu Ausführung des am 7. d. M. gefaßten Bundesbeschlusses enthal­ ten, so stimmt der Gesandte, unter Bezugnahme auf das Namens der König­ lichen Regierung in jener Sitzung abgegebene Votum, denselben bei. Hannover. Der Gesandte hat Namens der Königlichen Regierung den An­ trägen zuzustimmen und verbindet hiermit die Anzeige, daß in der Person des diesseitigen Commissärs, wegen Verhinderung des Staatsministers a. D. von Münchhausen4, ein Wechsel eintritt. An Stelle desselben haben Seine Maje­ 4 Alexander Freiherr von Münchhausen (1813–1886), Rittergutsbesitzer, 1850/51 Staatsminister von Hannover, 1855/56 und 1866 Mitglied der zweiten hannoverschen Kammer, 1863 Zivil­ kommissar für Holstein. Vgl. Haunfelder/Pollmann (Hrsg.), Reichstag, S. 234, 441; Rothert (Hrsg.), Allgemeine hannoversche Biographie, Bd. 2, S. 561 f.; Bringmann, Handbuch der ­Diplomatie, S. 207.

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stät der König nunmehr den Geheimen Regierungsrath Nieper5 zum Civil­ commissär für Holstein zu bestimmen geruht. Württemberg. Im Interesse beschleunigter Besetzung der Herzogthümer tritt der Gesandte den Anträgen nicht entgegen, sondern stimmt denselben un­ ter Wahrung der in der Sitzung vom 7. d. M. dargelegten Standpunkte bei, behält jedoch der Königlichen Regierung die Geltendmachung aller aus dem Erbfolgestreit dem Bunde erwachsenen Rechte vor. Baden. Der Gesandte sieht sich nicht in der Lage, den von den Ausschüs­ sen gestellten Anträgen zuzustimmen, und zwar was 1) die Instruction für die Bundes-Civilcommissäre betrifft, nicht allein aus dem Grunde, weil in dieser Instruction eine Reihe nothwendig zu einer Ent­ scheidung zu bringender Punkte übergangen ist, sondern vor Allem weil in derselben weder des Verhältnisses zu Schleswig noch auch des nach Auffas­ sung der Großherzoglichen Regierung allein berechtigten Souverains der Herzogthümer nur Erwähnung gethan ist; 2) in Betreff der Matrikularumlage aber, weil durch Bezugnahme auf Arti­ kel 14 der Bundes-Executionsordnung die Last schließlich auf die Herzog­ thümer übergewälzt werden würde, während sie, nach der Auffassung der Großherzoglichen Regierung, lediglich als internationale Forderung an die Krone Dänemark zu liquidiren wäre. Im Uebrigen behält der Gesandte seiner allerhöchsten Regierung das Pro­ tokoll offen für eine etwaige weitere Erklärung. Kurhessen: tritt den Anträgen bei. Großherzogthum Hessen. Indem der Gesandte den Anträgen in Conse­ quenz des Bundesbeschlusses vom 7. d. M. zustimmt, bezieht er sich hin­ sichtlich des Standpunktes der Großherzoglichen Regierung auf das in der vorigen Sitzung abgegebene Votum. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte ist ohne In­ struction, sieht sich daher nicht in der Lage, abzustimmen und hält sich das Protokoll offen. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der Gesandte ist ebenfalls ohne Instructionen und hält sich das Protokoll offen. Braunschweig und Nassau: deßgleichen. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Der Gesandte stimmt den Anträgen zu. 5 Carl Ferdinand Nieper (1812–1879), Geheimer Regierungsrat von Hannover; 1863/64 Bun­ deszivilkommissar in den Herzogtümern Holstein und Lauenburg; Rothert (Hrsg.), Allgemeine hannoversche Biographie, Bd. 2, S. 349; http://kalliope.staatsbibliothek-berlin.de/de/eac?eac. id=133361802; BIORAB – Kaiserreich, http://zhsf.gesis.org/ParlamentarierPortal/biorabkr_ db/biorabkr_db.php?id=1749.

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Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte hält sich wegen man­ gelnder Instructionen das Protokoll offen. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Homburg. Der Gesandte stimmt zu, hält sich aber hinsichtlich der beantragten ­Matrikularumlage das Protokoll offen. Freie Städte. Der Gesandte hält sich, da er ohne Instructionen ist, das ­Protokoll offen. In Uebereinstimmung mit den Ausschußanträgen erfolgte hierauf der Beschluß: 1) dem von den vereinigten Ausschüssen vorgelegten Entwurfe einer In­ struction für die nach Holstein und Lauenburg zu entsendenden Civilcommis­ säre die Genehmigung zu ertheilen; 2) die höchsten und hohen Regierungen, deren Landesgebiete durch den Marsch und die Aufstellung der aufgebotenen Bundestruppen berührt werden, um bundesfreundliches Entgegenkommen gegen die Anträge der mit der Truppenstellung beauftragten Regierungen und demnächst der Commandi­ renden zu ersuchen; 3) zum Zwecke vorschußweiser Bestreitung der Kosten des angeordneten Executionsverfahrens, unter Vorbehalt aller Regreßansprüche des Deutschen Bundes, eine Matrikularumlage von 17 Millionen Gulden in der Art auszu­ schreiben, daß a) zunächst die Summe von 5 Millionen Gulden binnen vierzehn Tagen einzuzahlen, b) wegen der Termine für die weiteren successiven Einzahlungen von 12 Millionen Gulden in Raten von je 2 Millionen Gulden aber die auf Antrag des Bundespräsidiums nach Maßgabe des Bedürfnisses sofort zu treffende Be­ stimmung noch vorzubehalten sei; 4) den mit den Vollzugsmaßregeln beauftragten höchsten Regierungen von Oesterreich, Preussen, Königreich Sachsen und Hannover zu überlassen, den ungefähren Betrag der ihnen erwachsenden Kosten, behufs Erhebung von Vor­ schüssen aus der Bundescasse, bei dem Bundespräsidium anzumelden, und 5) dieselben höchsten Regierungen zu ersuchen, ihre nach den Bestimmun­ gen des neuesten Entwurfes zu einem Bundes-Verpflegsreglement und dessen Beilage 11 aufzustellenden Kostenberechnungen von drei zu drei Monaten an die Bundes-Militärcommission einzureichen, welche sie zu prüfen, zu einer übersichtlichen Nachweisung zu vereinigen, und aus dieser letzteren den ver­ einigten Ausschüssen einen Auszug vorzulegen haben wird; 6) von diesem Beschlusse die höchsten Regierungen von Oesterreich, Preussen, Königreich Sachsen und Hannover durch ihre Herren Gesandten, ferner die Civilcommissäre Seitens ihrer höchsten Regierungen, die BundesMilitärcommission und die Bundescassen-Verwaltung in Kenntniß zu setzen.

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Beilage zu §. 56 des Separatprotokolls der 41. Sitzung der Deutschen Bundesversammlung vom 14. December 1863. Instruction für die zur Execution in den Herzogthümern Holstein und Lauenburg bestimmten Civilcommissäre. §. 1. Die Civilcommissäre haben auf den Grund des Bundesbeschlusses vom 7. December 1863 die Verwaltung der Herzogthümer Holstein und Lauen­ burg im Auftrage des Deutschen Bundes und unbeschadet der nur zeitweise suspendirten landesherrlichen Rechte zu übernehmen und so lange zu führen, bis durch einen anderweiten Beschluß der deutschen Bundesversammlung die Beendigung des angeordneten Verfahrens bestimmt sein wird. §. 2. Es werden ihnen deßhalb hierbei neben jenem Bundesbeschlusse die demsel­ ben vorangegangenen vom 11. Februar und 12. August 1858, 8. März 1860, 7. Februar 1861, 9. Juli und 1. October 1863 zu ihrer Kenntnißnahme zuge­ fertigt.6 Auch erhalten sie durch ihre höchsten Regierungen Mittheilung von den in Gemäßheit des Bundesbeschlusses vom 1. October d. J. über Zusammenset­ zung und Bereitstellung des Executionscorps und seiner Reserven getroffenen militärischen Verabredungen, und von der in Folge des Bundesbeschlusses vom 7. December 1863 an die Königlich-Dänische Regierung gerichteten Er­ öffnung der höchsten Regierungen von Oesterreich, Preussen, Königreich Sachsen und Hannover. §. 3. Die Verwaltung ist in Ansehung aller Ressorts, unter alleiniger Leitung der ­ wecke Civilcommissäre, nach den Landesgesetzen zu führen. Alle zu diesem Z geeigneten Anordnungen, namentlich auch in Ansehung der beizubehaltenden oder durch Andere zu ersetzenden Beamten, haben die Civilcommissäre zu treffen und deren Vollzug zu fordern, nöthigenfalls mit Hülfe der BundesExecutionstruppen zu erzwingen. Bei Beendigung der Execution wird für Sicher­stellung der Erfüllung der Zusagen, welche von den Civilcommissären 6 Vgl. ProtDBV 1858, S. 161–167, 973–1000; ProtDBV 1860, S. 165–174; ProtDBV 1861, S. 54–59; ProtDBV 1863, S. 338–352, 440–444; zum Bundesbeschluß vom 1. Oktober 1863 siehe oben Dok. 86.

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den von ihnen verwendeten Beamten gemacht worden sind, Vorkehr getrof­ fen werden. §. 4. Sollte wider Erwarten dem Executionsverfahren in seinem Beginne oder Fortgange gewaltsamer Widerstand geleistet werden, so haben die Civilcom­ missäre, im Einvernehmen mit dem commandirenden General, die mit der Execution beauftragten höchsten Regierungen um Nachsendung der erforder­ lichen weiteren Reservetruppen auf den Grund des Bundesbeschlusses vom 1. October d. J. zu ersuchen. §. 5. Die Civilcommissäre haben darauf Bedacht zu sein, daß die Einwohner der beiden Herzogthümer so wenig als möglich durch die Besetzung derselben mittelst Bundestruppen belästigt werden. Es ist daher entsprechende Vergütung aller für die Truppen erforderlichen Leistungen zu veranlassen und die Truppen sind so viel als möglich zu caser­ niren. §. 6. Die Civilcommissäre haben bei ihrem Eintritt in die Herzogthümer in einer an die Landesangehörigen gerichteten Bekanntmachung den Bundesbeschluß vom 7. December 1863 und den ihnen in Gemäßheit desselben durch die ge­ genwärtige Instruction ertheilten Auftrag zur allgemeinen Kenntniß zu brin­ gen, unbedingten Gehorsam für ihre Anordnungen und willige Unterstützung ihrer auf Wahrung der Landesrechte gerichteten Aufgabe in Anspruch zu ­nehmen, und die Versicherung hinzuzufügen, daß sie für möglichst geringe Belästigung der Einwohner Sorge tragen werden, und daß demgemäß ent­ sprechende Vergütung aller Leistungen für die Truppen stattfinden wird. §. 7. Die Kosten des angeordneten Verfahrens sind, unter Vorbehalt der Wieder­ einziehung nach Maßgabe des Artikels XIV der Executionsordnung, aus den Regierungseinkünften der Herzogthümer Holstein und Lauenburg, so weit dieselben nicht zur regelmäßigen Landesverwaltung erfordert werden, be­ ziehungsweise durch Vorschuß aus der Bundescasse zu bestreiten. Die Civilcommissäre haben deßhalb aus den der Bundescasse in Einnahme zu stellenden Ueberschüssen Zahlungen für Rechnung der Bundescasse auf Requisition der Bundescassen-Verwaltung zu leisten und dieser letzteren ­monatliche Nachweise der für sie stattgefundenen Einnahmen und Ausgaben einzureichen.

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König Maximilian II. an Schrenk

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§. 8. Die oberste Leitung des angeordneten Executionsverfahrens steht der deut­ schen Bundesversammlung zu, an welche die Civilcommissäre über den Gang ihrer Verwaltung fortlaufend zu berichten, und von welcher sie, so oft ihnen besondere Anweisungen für ihr Verhalten nöthig werden, solche zu er­ bitten haben.   König Maximilian II. an Schrenk 

99. König Maximilian II. von Bayern an Schrenk

Bayerische Zeitung1, Morgenblatt Nr. 349 vom 19. Dezember 1863, S. 2007; auch in: NLA Hannover, Dep. 103, Best. VIII, Nr. 291. Druck: Staatsarchiv, Bd. 6, S. 421.

König Maximilian verweigert entschieden dem Londoner Protokoll von 1852 seine Zustimmung und erkennt die Erbansprüche des Herzogs von Augustenburg in Schleswig-Holstein an. Er ist entschlossen, für die Rechte der Herzogtümer und Deutschlands einzustehen und will dieses Ziel „bei dem Bunde und durch den Bund“ erreichen.

München, 17. Dezember 1863 Mein lieber Herr Staatsminister Freiherr von Schrenk! Von Ihrem Berichte de dato 15. December 1863 über die holstein-lauenbur­ gische Verfassungsangelegenheit habe Ich Kenntniß genommen. Indem Ich die von Ihnen bisher befolgte Politik gutheiße, nehme Ich Veranlassung zu erklären, daß Ich den Stipulationen des Londoner Protokolls fortwährend die Anerkennung verweigere, und ebenso entschieden Meine Zustimmung für ei­ nen nachträglichen Beitritt hiezu verweigern werde, daß Ich die Erbansprü­ che der herzoglichen Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburgischen Linie für rechtlich begründet erachte und bereit bin, mit allen Kräften für die Durchführung der hiedurch bedingten Politik, für die Rechte der Herzogthü­ mer und Deutschlands einzustehen, in dem festen Vertrauen, daß Ich Mich hiebei in voller Uebereinstimmung mit Meinem treuen Volke befinde. – Aber getreu Meinen Pflichten als deutscher Bundesfürst und wohl erwägend die Lage der Dinge, hoffe Ich der Zustimmung aller Besonnenen sicher zu sein, wenn Ich das vorgesteckte Ziel bei dem Bunde und durch den Bund zu er­ 1 Die Bayerische Zeitung war das offizielle Presseorgan der bayerischen Regierung. Sie ging aus der Neuen Münchener Zeitung hervor, die 1861 von der Regierung gekauft worden war. Unter einer neuen, vom Innenministerium ausgewählten und eingesetzten Redaktion erschien die Bayerische Zeitung ab April 1862 an jedem Werktag in zwei Ausgaben (Morgenblatt und Hauptblatt). Das Blatt wurde 1867 eingestellt. Vgl. Rau, Die Münchner Regierungspresse, S. 79–107.

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reichen strebe. – Ich trage Ihnen auf, Mein lieber Hr. Staatsminister, Mir un­ verweilt die nöthigen Vorschläge zu unterbreiten, um Meine hier dargelegten Absichten in’s Werk zu setzen, und ermächtige Sie, von dieser Meiner Ent­ schließung auch öffentlich Kunde zu geben. Mit bekannten Gesinnungen Ihr wohlgewogener König Max.

100. Platen an Reitzenstein1

NLA Hannover, Dep. 103, Best. VI, Nr. 1133. Weisung mit Memorandum. Behändigte Ausferti­ gung bzw. Reinschrift. Praes.: 19. Dezember 1863. Metallographie des Memorandums auch in: HStA München, MA 495.

Die Regierung von Hannover erblickt in den preußischen Bedingungen für eine Bundesreform keine Verbesserung der in der bestehenden Bundesverfassung vorhandenen Fehler und hofft, daß die preußische Regierung diese Vorbedingungen aufgibt. Im beigefügten Memorandum werden die preußischen Vorschläge ausführlich erörtert und zurückgewiesen.

Hannover, 18. Dezember 1863 Hochwohlgeborener Herr! Seiner Zeit hatte ich die Ehre, durch den Prinzen Ysenburg2 das Antwort­ schreiben Seiner Majestät des Königs von Preußen vom 22. September d. J.3 auf das Schreiben zu erhalten, welches Seine Majestät der König, un­ ser allergnädigster Herr, unterm 1sten September in Gemeinschaft mit andern in Frankfurt versammelt gewesenen Bundesgliedern bezüglich der Bundesre­ form an die Majestät von Preußen richtete4. Ich beeile mich, die allerhöchste Antwort an ihre hohe Bestimmung zu bringen. Zugleich übergab Prinz Ysenburg einen Vortrag des königlich preußischen Staatsministeriums vom 15. September5, welcher den Inhalt jener ­königlichen Antwort näher erläuterte. Aus ihm entnahm die königliche Regierung die Gründe, weshalb sich das königlich preußische Cabinet nicht eher auf eine 1 Wilhelm Freiherr von Reitzenstein (1815–1864), 1860–1864 Gesandter Hannovers in Berlin; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 208. 2 Gustav Prinz zu Ysenburg und Büdingen (1813–1883), 1859–1866 preußischer Gesandter in Hannover; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 317. 3 Siehe Dok. 79. 4 Siehe Dok. 75. 5 Siehe Dok. 78.

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Verhandlung über das Einzelne der Bundesreform einlassen wolle, als bis die Geneigtheit erklärt werde, auf folgende drei Bedingungen einzugehen: 1. Das Veto Preußens und Oestreichs mindestens gegen jeden Bundeskrieg, welcher nicht zur Abwehr eines Angriffs auf das Bundesgebiet unternommen wird. 2. Die volle Gleichberechtigung Preußens mit Oestreich zum Vorsitze und zur Leitung der Bundes-Angelegenheiten. 3. Eine Volksvertretung, welche nicht aus Delegation, sondern aus directen Wahlen nach Maaßgabe der Bevölkerung der einzelnen Staaten hervorgeht und deren Befugnisse zu beschließender Mitwirkung in Bundes-Angelegen­ heiten Gegenstand der Verhandlung, aber jedenfalls ausgedehnter zu bemes­ sen sein würden, als in dem vorliegenden Entwurfe einer Reform-Acte der Fall ist. Die königliche Regierung hat diese Zurückhaltung des königlich preußi­ schen Cabinets vom deutschen Verfassungswerke außerordentlich bedauert. Denn sie sieht auf der einen Seite, wie das Bedürfniß Deutschlands nach ­einer raschen, gemeinsamen Bundesreform drängt; und doch vermag sie anderseits nicht einzuräumen – das beiliegende Memorandum begründet diese ­Ansicht näher – daß aus einer Annahme derjenigen Grundlage, welche vom k­ öniglich preußischen Cabinet in Anspruch genommen ist, eine Verbesserung der Feh­ ler hervorgehen würde, welche gegenwärtig im Bundesgebäude enthalten sind und die Reform nothwendig machen. Sie kann daher den Wunsch nicht unterdrücken, daß die königlich preußische Regierung zu dem Beschlusse kommen möge, jene Vorbedingungen aufzugeben. Euer Hochwohlgeboren ersuche ich dem königlich preußischen Herrn Mi­ nister-Präsidenten diese Depesche vorzulesen und ihm Abschrift derselben nebst angefügtem Memorandum zu hinterlassen. Empfangen Euer Hochwohlgeboren die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Platen-Hallermund. Memorandum. Das königlich preußische Staatsministerium hat in seinem Berichte vom 15. September d. J. für die Theilnahme Preußens an der Bundesreform drei Vorbedingungen gestellt. Im Wesentlichen liegt ihnen derselbe Gedanke zu Grunde, von welchem bereits der Erlaß des Grafen Bernstorff vom 20. De­ cember 18616 ausging, daß nämlich die Theilnahme an der Bundesgewalt 6 Bernstorff an Savigny, 20. Dezember 1861, Antwort auf die Reformdenkschrift Beusts vom 15. Oktober 1861, vgl. QGDB III/3, Dok. 100.

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nach Verhältniß der Größe und Macht der Einzelstaaten geregelt werden müsse. Damals erklärte sich die königliche Regierung in ihrer Note vom 28. Februar 18627 gegen den Vorschlag, die physische Kraft und Quantität als obersten Regulator in das Bundesgebäude einzuführen. Sie vermag auch jetzt sich nicht zu überzeugen, daß eine solche Neuerung heilsam für Deutsch­ land und ausführbar im Bunde wäre, und dürfen wir um Wiederholungen zu vermeiden, auf die in jener Note entwickelten Gründe Bezug nehmen. Die einzelnen Bedingungen, welche das königlich preußische Staatsmini­ sterium vorschlägt, geben uns aber noch außer dieser allgemeinen Bemer­ kung zu folgenden Betrachtungen Anlaß. In dem Berichte vom 15. September wird gefordert: I., „daß der Bund durch eigene Action in die Beziehungen der europäischen Politik nur mit dem Einverständnisse der beiden Großmächte eingreife, und daß jeder der letztern ein Veto mindestens gegen Kriegserklärungen, so lange nicht das Bundesgebiet angegriffen ist, zustehe.“ Was enthält diese Bedin­ gung? Ohne die Zustimmung von jeder der beiden Großmächte soll in den Beziehungen des Bundes nach Außen hin (also bei Bündnissen mit auswärti­ gen Mächten, Hülfsleistung, Krieg außer dem Falle, wo der Stand des Krie­ ges von selbst ohne Erklärung eintritt, Waffenstillstand, Frieden, Absendung von Gesandten) kein Bundesbeschluß gefaßt werden dürfen oder kein gefaß­ ter Beschluß Wirksamkeit haben. Wie begründet das königlich preußische Ministerium diese Forderung? Weder Preußen, noch Oestreich könne der Freiheit vollständig entsagen, ihre Stellung zu den Fragen der europäischen Politik nach den Interessen der Gesammtheit ihrer Monarchie zu regeln; keins von ihnen könne sich in Fragen der europäischen Politik dem andern, oder Majoritätsbeschlüssen am Bunde unterwerfen; keins von ihnen fremden In­ teressen dienstbar werden; auch könne kein Majoritätsbeschluß gegen eine der beiden Großmächte erzwungen werden, und jeder Versuch, eine große ­politische Maßregel gegen den Willen der einen oder andern durchzusetzen, würde nur sofort die Macht der realen Verhältnisse und Gegensätze zur Wirk­ samkeit hervorrufen. Kann man dieser Bedingung des königlich preußischen Ministeriums zusprechen, daß sie wirklich eine ausführbare Veränderung im Bundeswesen vorschlägt? Wir bezweifeln es sehr. Erstens scheint es uns, als ob sie von einem Standpunkte ausgeht, welcher weder bei einem Staatenbunde, noch bei einem Bundesstaate zu nehmen sein dürfte. Ein Bund entsteht nur dadurch, daß die dazu gehörigen Staaten gewisse gemeinsame Angelegenheiten zu ihrem Zwecke machen und ihre Souveraini­ 7 Reitzenstein an Bernstorff, 28. Februar 1862, Abschrift im GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 81, Wien II, Nr. 302, Vol. 2.

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tät soweit beschränken und ihr specielles Interesse soweit zurückstellen, als es die Ausführung jenes Zweckes der Gesammtheit mit sich bringt. Verstärkt der Bund in seinem weiteren Verlaufe seine centrale Richtung und baut sie weiter aus in seinem Zwecke, so müssen folgeweise auch die Einzelstaaten noch weiter fortschreiten in jener Einschränkung. Und rückt ein Bund in der centralen Richtung soweit vor, daß er eine allgemeine Unterordnung der Staa­ tensouverainetäten unter den Zweck und die Gewalt des Bundes enthält, also zum Bundesstaat wird, so muß die Beschränkung der Souverainetät und des Sonderinteresse der Einzelstaaten noch ein höheres Maaß bekommen. Es liegt im Wesen der Societät und im Begriffe des Bundes, daß jeder Staat dieses Opfer bringe, mag er groß sein oder klein. Und da der deutsche Bund in sei­ nem Zwecke bereits die Sicherung nach Außen hin hat und bei einer Reform nothwendig die auswärtige Richtung des Bundes verstärkt werden muß: so hat jedes Mitglied des Vereins sein specielles Interesse namentlich diesem Theile der Bundesaufgabe unterzuordnen. Wie ist aber eine Societät, wie ein Bund möglich, wenn die mächtigsten Glieder an diesen auswärtigen Theil des Bundes herantreten und erklären woll­ten: „mag immerhin dieser Zweck im Bunde bestehen, wir können die auswärtigen Interessen unsers Reichs nicht zu Gunsten des Bundes beschrän­ ken und sie der Bundesgesammtheit theilweise opfern?“ Vermag der Bund auf anderem Wege ein Eigenthum von gemeinsamen Angelegenheiten zu bekom­ men, als daß alle Einzelstaaten ihre Souverainetät nach Innen und Außen bis zu gewissem Grade beschränken und die Summe der Einschränkung dem Bunde als Gesammtgut übertragen wird? Und wie ginge es an in einem Bun­ de, in einer Rechtsordnung, wo jeder Einzelne die Pflicht haben muß, sich dem vertragsmäßig aufgestellten Zwecke unterzuordnen, daß die Mächtigsten die Thatsache ihrer physischen Kraft als einen Befreiungsgrund von jener Pflicht gegenüberstellen? Wer sich dem Zwecke des Bundes nicht zu unterwerfen ver­ möchte, wäre kein mögliches Mitlgied für den Bund; und wer keine Verstär­ kung der einheitlichen, centralen Richtung des Bundes ertragen und sich ihr nicht unterordnen könnte, der wäre ein Hemmschuh jeder Reform des Bundes. Indeß glauben wir, daß beide Großmächte recht wohl im Stande sind, das aus­ wärtige Interesse ihrer respectiven Reiche mit der auswärtigen Aufgabe und Thätigkeit des Bundes in Einklang zu bringen und zu erhalten, zumal ihnen stets thatsächlich ein großer Einfluß auf den Betrieb der auswärtigen Richtung des Bundes bleiben wird. Rechtlich kleiner als ihre Macht ist, müssen sie sich aber machen: sonst paßt weder der Bund zu ihnen, noch sie zum Bunde. Zweitens ist, wie wir glauben, ein Vetorecht einiger Staaten im Bunde kei­ ne Form, welche zu einem Staatenbunde oder Bundesstaate paßt. Der Staatenbund muß nothwendig seine Bundesgewalt collegialisch con­ struiren und die Ausübung deren Attribute collegialisch verwalten lassen.

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Und im Bundesstaate ist die Nation Eigenthümer der Bundesgewalt und läßt sie theils durch eine Versammlung periodisch gewählter Deputirter, theils durch periodisch gewählte Beamte oder Beauftragte administriren. In beiden ist es immer eine Societätsform, in welcher der Wille der Union ausgespro­ chen wird, und in beiden lautet formell die Abstimmung des einzelnen Staats in wirklichen Unionssachen nicht so, daß er sein Nein auf sein entgegenste­ hendes Sonderinteresse gründet, sondern er nimmt seine Motive aus dem Ge­ sichtspunkt der Gesammtheit her. Wie paßt nun dazu ein Vetorecht, zweien Staaten unter der großen Zahl von Bundesgliedern, verliehen wegen Wahrung ihrer besonderen Interessen? Wir sehen nicht, wie ihr Veto eine Stelle finden kann in der Beschlußform eines Bundes. Wenn Stimmeneinhelligkeit für die auswärtige Thätigkeit des Bundes ­gefordert wäre, anstatt jenes Veto, so könnte man zwar einwenden, daß die Zweckmäßigkeit eine solche Erschwerung für das Zustandekommen von Be­ schlüssen nicht zu billigen vermöge; aber es wäre doch keine Form, welche dem Wesen eines Bundes an sich widerstrebte. Indeß an zwei Staaten das ver­ fassungsmäßige Vorrecht zu haften, daß wenn einer von ihnen, oder beide nicht zustimmen oder Einsprache thun, dann die vorgebrachte Beschlußweise der Societät nicht ihre natürliche und gewöhnliche Geltung behalten solle, und die bundesverfassungsmäßige Befugniß ihnen zu ertheilen, jenes Veto auf das besondere Interesse ihres Reichs zu stützen: das scheint uns abnorm und es findet sich schwerlich für eine solche Einrichtung ein Beispiel in den Staatsunionen, welche gegenwärtig sind oder waren. Drittens möchten wir annehmen, daß jenes vorgeschlagene Veto eine große Unbilligkeit für den Bund und für die Bundesglieder enthalten würde, welche keine Großmächte sind. Der Bericht des königlich preußischen Staatsministeriums meint: die Groß­ mächte bedürfen wegen ihrer europäischen Stellung Freiheit der Bewegung; sie können sich daher keinem Beschlusse des Bundes in auswärtigen Dingen unterwerfen, der nicht mit ihrem speciellen Interesse harmonirt. Was würde hieraus zu folgern sein? Nur das: die Großmacht kann wünschen, daß sie in einem solchen Falle von der Verbindlichkeit des Bundesbeschlusses eximirt bleibe – obschon selbst diese Befreiung mit dem Wesen einer Societät und Union unverträglich ist. Jener Bericht geht aber weiter und fordert, daß in solchem Falle überhaupt die beschlossene Maßregel des Bundes unterbleiben oder kein Beschluß zu Stande kommen solle: denn nur dieser Sinn liegt in einem Veto. Nach unserm Dafürhalten überschreitet aber dieser Vorschlag bei weitem das mögliche Maaß. Der Bund und alle übrigen Glieder des Bundes würden dann ihre Action und freie Bewegung in der Aufgabe des Bundes nach Außen hin einzustellen und das Interesse der Gesammtheit unterzuord­ nen haben, damit ein einziges Bundesglied Freiheit der Bewegung behalte

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und sein besonderes Interesse keine Beschränkung erleide. Darf man das b­ illig nennen? Soll die Dienstbarkeit, in welche das Interesse der deutschen Gesammtheit dadurch tritt, für nichts angeschlagen werden? Das königlich preußische Staatsministerium will freilich einen Grund für die Billigkeit jenes Veto in der Größe des preußischen Staates und seiner Be­ völkerungszahl finden. Wir vermögen aber dieses Argument nicht anzuerken­ nen. In einer Union souverainer Staaten kann nun einmal der Antheil an der Bundesgewalt nicht nach der Größe und Bevölkerung der Einzelstaaten be­ messen werden; sondern das Princip der Gleichheit muß herrschen. Die Frage stellt sich also so: „kann ein Mitglied des Bundes das Vorrecht beanspruchen, die regelmäßige Beschlußform aller übrigen Mitglieder durch seinen Dissens unwirksam zu machen?“ Wir sind der Ansicht, daß ein solches irreguläres Vorrecht durchaus der Billigkeit widerspräche. Viertens, das proponirte Veto würde, glauben wir, wesentliche Nachtheile für das Bundeswesen in seinem Gefolge haben. Es wäre der Ausdruck einer übermäßigen Ausdehnung der Souverainetät zweier Einzelstaaten und deren particularen Interesse[n] gegenüber dem Zwecke und Interesse des deutschen Gesammtkörpers. Da nun aber das Bundes­wesen schon ohnedieß an dem Gebrechen leidet, daß seine föderale Seite ein zu s­ tarkes Uebergewicht über sein centrales Princip erlangt hat: so enthielte jene vorgeschlagene Neuerung keine Verbesserung, sondern eine Verschlimmerung der Bundesverfassung. Das Veto würde ferner die erforderliche Eintracht im Inneren des Bundes außerordentlich gefährden und stören. Denn die Irregularität, auf welcher es beruht, und die damit verknüpfte Beschränkung der Souverainetät aller übri­ gen Mitglieder des Bundes müßte nothwendig Erbitterung und Streit hervor­ rufen, sobald die einzelne Großmacht von ihm Gebrauch macht im Gegensat­ ze zu den übrigen Mitgliedern des Bundes und wenn diese die Ueberzeugung haben, daß sie für ein wesentliches Interesse des Bundes stimmen. Jenes Veto wäre endlich ein Vorrecht, durch welches der deutsche Ge­ sammtkörper durch die Stimme eines Einzelstaats in solchen Fällen zur Un­ thätigkeit gezwungen werden könnte, wo seine Action im höchsten Interesse von Gesammtdeutschland, oder wenigstens von dem ungleich größeren Thei­ le der Bundesglieder liegt. Und muß man nicht präsumiren, daß wenn einige dreißig Bundesglieder oder die Majorität eine Bundesaktion für nothwendig oder räthlich erklärten, sie darin richtiger urtheilen, als ein dissentirender Ein­ zelstaat? II. Der Bericht des königlich preußischen Staatsministeriums stellt als zweite Vorbedingung auf: Parität Preußens mit Oesterreich hinsichtlich des Vorsitzes im Bunde und in der Leitung der Bundesangelegenheiten. Nach un­ serm Dafürhalten spricht aber Folgendes gegen diese Forderung:

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Erstens, sie gründet sich auf jene Voraussetzung, daß die Antheile der Bun­ desglieder an der Bundesregierung nach ihrem physischen Gewichte bemes­ sen werden müßten, eine Grundlage, die in keiner Union souverainer Staaten Anwendung finden kann. Zweitens, die Gründe, welchen der oesterreichische Vorsitz seine histori­ sche Entstehung verdankt, dauern noch fort. Als die deutschen Bundesgenos­ sen, Preußen an der Spitze, an Oestreich den Vorsitz für beständig und grund­ sätzlich übertrugen, wurden sie hauptsächlich von der Erinnerung geleitet, daß Oestreich das erste Bundesglied im Range ist, daß ferner die deutsche Krone viele Jahrhunderte bei dem Hause Oestreich gewesen und erst von die­ sem durch freiwillige Entsagung gekommen war; und daß von den Continen­ talmächten Oestreich am längsten und ausdauerndsten den Kampf wider die Universalherrschaft des Kaisers Napoleon geführt hatte, und nach dem Siege über Frankreich es ablehnte, die deutsche Kaiserkrone von neuem anzuneh­ men. Es läge also eine große Verletzung Oesterreichs darin, wenn es gegen­ wärtig auf die Hälfte des Besitzes jenes Ehrenvorrechts gesetzt werden sollte, ohne daß es jemals durch die Art und Weise, wie es den Vorsitz führte, den Bundesgenossen gerechten Anlaß zu Beschwerde und zum Wunsch gab, es aus dem Alleinbesitz gebracht zu sehen. Drittens, eine Reform des Bundes würde, nach unserer Meinung, keinen gerechten Grund abgeben, Oestreich aus dem Alleinbesitz zu setzen. Eine Leitung der Bundesangelegenheiten für Oestreich zu begründen, welche mehr enthielte, als die bloße formelle Leitung der Geschäfte, wie sie bisher be­ stand, ein politisches Directorium zu schaffen: davon ist ja keine Rede. Und daß die Theilung der Bundesgewalt in zwei verschiedene Räthe keinen genü­ genden Anlaß abgiebt, eine Veränderung hinsichtlich des oestreichischen Vor­ sitzes vorzunehmen, möchte daraus hervorgehen, daß auch schon bei der Schöpfung des Bundes eine solche Theilung in verschiedenen Entwürfen be­ absichtigt, aber doch stets dabei der oestreichische Vorsitz vorgeschlagen wurde. So heißt es z. B. in dem Entwurfe der drei Höfe von Wien, Berlin und Hannover d. d. 16. Oktober 1814 im Art. 7: „Die Kreisobersten sind in ihren Rechten vollkommen gleich; nur führt Oestreich in beiden Räthen der Bundesversammlung das Geschäftsdirectori­ um, worunter jedoch blos eine formelle Leitung der Geschäfte zu verstehen ist.“8 Ferner wurde in der Conferenz vom 16. Oktober 1814 von dem oestreichi­ schen und preußischen Bevollmächtigten bemerkt: das vorgeschlagene Ge­ schäftspräsidium für Oestreich sei zuerst preußischer Seits in Vorschlag ge­ bracht und oesterreichischer Seits nur unter der Bedingung angenommen, daß 8 Es handelt sich um die sogenannten „Zwölf Artikel“, vgl. QGDB I/1, Dok. 58, Zitat S. 368.

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dieses Präsidium sich blos auf den formellen Geschäftsgang beschränken s­olle, damit dem juri proponendi9 eines jeden Mitgliedes kein Abbruch ge­ schehe.10 Dasselbe wurde wiederholt in zwei neuen Entwürfen der königlich preußischen Bevollmächtigten vom Februar 1815: „Das erste Glied im Range führt im zweiten Rathe, sowie im ersten den Vorsitz, ohne mit demselben besondere Vorrechte zu verbinden.“11 Viertens, es muß den mittlern und kleinern Mitgliedern des Bundes daran liegen, daß nur eine von den beiden Großmächten das Ehrenvorrecht des Vor­ sitzes habe. Denn sowie sie überhaupt wesentlich dabei betheiligt sind, daß keine Oberherrschaft beider Großmächte oder einer von ihnen im Bunde ent­ stehe, so liegt es auch in ihrem Interesse, daß aus jenem Vorsitz keine poli­ tische Leitung, keine wahre Suprematie oder Hegemonie entspringe. Das si­ cherste Gegenmittel wider solchen Uebergang der Geschäftsleitung in eine politische Oberherrschaft wird aber stets darin bestehen, daß diejenige Groß­ macht, welche im Besitze jenes Ehrenvorrechtes ist, von der andern, die den Mitbesitz nicht hat, innerhalb der Grenzen einer bloßen formellen Geschäfts­ leitung gehalten wird, wenn vielleicht Neigung ankäme, diese Schranken zu überschreiten. Bekommen beide Großmächte den Vorsitz, so fällt dieses na­ turgemäße Gegengewicht und seine heilsame Wirkung weg. III. Der Bericht des königlich preußischen Staatsministeriums stellt als dritte Vorbedingung auf: „eine wahre, aus directer Betheiligung der ganzen Nation hervorgehende Nationalvertretung“, und größere Competenz dieser Versammlung. Wir glauben, daß sich über die Größe der Competenz würde verhandeln lassen, namentlich wenn man erst wüßte, was die königlich preußische Re­ gierung, natürlich nach Maßgabe des aufgestellten Bundeszweckes hinzu­ gefügt wünscht; deshalb können wir wohl diesen Punkt hier übergehen. Was aber die directen Wahlen und die Bemessung der Zahl der Deputirten ganz nach der Bevölkerung der Einzelstaaten betrifft, so vermögen wir dem könig­ lich preußischen Ministerium nicht beizustimmen. Solange Deutschland aus selbstständigen, souverainen Staaten mit monar­ chischer Regierungsform besteht, wird es niemals etwas Anderes sein kön­ nen, als ein Staatenbund, also eine solche Union, die aus einer Addition von Staaten entsteht, welche die Souverainetät nach Innen und Außen darin behal­ ten; die ferner den Bundeszweck auf diese Beibehaltung mit einrichtet und   9 Jus proponendi: Antrags- bzw. Vorschlagsrecht. 10 Protokoll der 2. Sitzung des Deutschen Komitees vom 16. Oktober 1814, vgl. QGDB I/1, Dok. 70, Zitat S. 470. 11 Humboldts Entwürfe einer deutschen Bundesverfassung mit bzw. ohne Kreiseinteilung vom 7. Februar 1815, § 20, vgl. QGDB I/1, Dok. 178 u. 179, Zitat S. 1074.

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die Staatensouverainetäten nicht weiter einschränkt, als der Bundeszweck es mit sich bringt, auch die Bundesgewalt aus den Staatensouverainetäten, deren Ausübung unter starker Rücksicht auf diese, construirt. Wer gehört aber zu den Souverainetäten der Einzelstaaten? Bei Errichtung des Bundes befanden sich die Regierungen im alleinigen Besitze und in un­ getheilter Ausübung der Souverainetät ihrer respectiven Staaten; es war daher folgerichtig, daß auch nur sie allein bei der Zusammensetzung der Bundesge­ walt bedacht wurden. Später änderte sich aber dieses Verhältniß; in allen Ein­ zelstaaten bekamen ständische Körper Antheil bei der Ausübung der Staaten­ souverainetät: nunmehr, wo die Regierungen nicht mehr den einzigen Factor der Staatensouverainetäten bildeten, forderte richtiges Princip und die Ge­ rechtigkeit, daß auch der zweite Factor an der Gesetzgebung des Bundes par­ ticipirte und durch diesen Antheil für die Einbuße entschädigt wurde, welche er an seiner Wirksamkeit in so fern erleidet, als der Bund seine staatsrecht­ liche Competenz aus einem Depositum von Rechten empfängt, welches den Staatensouverainetäten entnommen und in das Centrum verlegt ist. So sind es also principgerecht die Ständeversammlungen, welche als Theil­ haber der Staatensouverainetäten im deutschen Bunde die Befugniß haben müssen, an der Bundesgewalt in ihrer gesetzgebenden Thätigkeit Theil zu nehmen. Da sie aber eben so wenig wie die Regierungen diesen Antheil un­ mittelbar im Bundescentrum ausüben sollen und können, so ist die Delega­ tion bei ihnen auf gleiche Weise durch die Natur der Sache und richtiges Prin­ cip gegeben, wie bei den Regierungen. Und hinsichtlich dieser ständischen Theilnahme ist die Maxime der Macht oder Größe der Bundesglieder eben so unbrauchbar und jener Grundsatz der Gleichberechtigung eben so correct und anwendbar, wie bei dem Antheile der Regierungen an der Bundesgewalt. Denn jede Ständeversammlung ist ein juristischer Körper, an dessen Begriff und Natur die Größe des Staates keinen Unterschied macht, sowie auch das rechtliche Wesen ihrer Theilnehmer an der Souverainetät des betreffenden Staates nicht durch den Umfang des letztern bestimmt wird. Daraus folgt von selbst, daß streng genommen hinsichtlich der ständischen Theilnahme an der Abgeordnetenversammlung dasselbe Stimmverhältniß stattfinden müßte, wie es bei den Abgesandten der Regierungen am Bunde ist: Jedenfalls darf kein Uebergewicht der größten Staaten über die Majorität der anderen Staaten be­ gründet werden; wenigsten würde man damit allem demjenigen widerspre­ chen, was bisher für die Gleichberechtigung der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg geltend gemacht wurde. Wollte man nicht einmal im Bunde, obgleich er aus souverainen Staaten besteht, die gleiche Theilnahme aller Glieder an der Bundesgewalt im Principe anerkennen, wie darf man Dä­ nemark Vorwürfe machen, daß dieses im Gesammtstaate den Antheil an der Regierung der gemeinsamen Angelegenheiten nach der Volkszahl der Lan­

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destheile des dänischen Reichs vertheilte, obschon diese nur Halbstaaten sind? Das königlich preußische Ministerium ist indeß gegen eine Delegation aus den Landständen und fordert wahre Nationalvertretung aus directen Volks­ wahlen. Worauf wird aber diese Bedingung gestützt? Sie könnte sich nur darauf gründen, daß nicht die Staatensouverainetät, sondern die deutsche souveraine Nation als Einheit Eigenthümerin der Bundesgewalt sei und folg­ lich diese aus der Gesammtheit der Nation entspringe, in der Einwilligung des deutschen Volkes ihre Quelle haben müsse – eine Grundlage, welche die nord­amerikanische Union und die Schweiz haben, seitdem sie Bundesstaa­ ten sind und nach welcher die Union ihr Haus der Abgeordneten und die Schweiz ihren Nationalrath bildet. Daraus würde nicht blos folgen, daß die Staatensouverainetäten im Allgemeinen der Bundesregierung unterzuordnen seien, sondern namentlich in Bezug auf die Bundesgewalt wäre daraus abzu­ leiten, daß auch die Execution des Bundes aus der ganzen Nation oder aus der von der ganzen Nation gewählten Legislative hervorgehen müsse. Es würde ferner dann anzuerkennen sein, daß alle Bevölkerungen der Einzel­ staaten in Bezug auf die gemeinsamen Angelegenheiten nur einen Theil der souverainen deutschen Gesammtmasse bilden und in diesem Ganzen aufge­ hen müssen. Alle deutschen Einzelstaaten endlich hätten ihre Zustände, Ei­ genthümlichkeiten und Zwecke der Gewalt jenes deutsch-souverainen Gan­ zen unterzuordnen und zur Verfügung zu stellen, und die Rücksicht auf besondere Eigenschaften der Einzelstaaten als solche fände in dieser Ordnung keinen Raum. Hat nun etwa das königlich preußische Ministerium diese Grundlage und ihre Consequenzen adoptirt? Ersichtlich ist es nicht geschehen; daraus zeigt sich aber gerade, daß die Forderung der Nationalvertretung und der directen Volkswahlen einen starken principiellen Contrast gegen alles Uebrige enthält, was vom königlich preußischen Staatsministerium für die Bundesverfassung verlangt wird. Die königlich preußische Regierung fordert freie Bewegung der beiden Einzelstaaten Oestreich und Preußen hinsichtlich der auswärtigen Thätigkeit. Sie erklärt, daß keine der beiden Großmächte die auswärtige Poli­ tik nur nach ihrem eigenen Interesse regeln, nicht dem Interesse des Bundes dienstbar machen und sich nicht unterwerfen könnten. Sie verlangt ein Veto gegen den ausgesprochenen Willen der übrigen Bundesglieder und müßte consequenter Weise auch ein Veto in der Abgeordnetenversammlung verlan­ gen, wenn die Voraussetzungen richtig wären, auf die jenes Veto gegründet ist12. Sie will endlich eine Vertheilung des Antheils an der Bundesgewalt nach Maßgabe der physischen Größe der Einzelstaaten und gründet auf die 12 Emendiert. Vorlage: sind.

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Maxime der realen Verhältnisse die Forderung der Parität hinsichtlich des Vorsitzes. Welche andern Gründe könnten aber noch herbeigezogen werden, um di­ recte Nationalvertretung als nothwendig oder zweckmäßig darzustellen? Das königlich preußische Ministerium sagt in dieser Hinsicht: es sei nothwendig die Zusammensetzung der Volksvertretung am Bunde so zu re­ geln, daß die Bedeutung eines jeden Bundesstaates den seiner Wichtigkeit an­ gemessenen Ausdruck darin finde. Was würde dies bedeuten? Auch auf die Legislative des Bundes soll jenes Princip der realen Machtverhältnisse an­ gewandt, die Zahl der Deputirten nach der Bevölkerung der Einzelstaaten ­bemessen und folglich den beiden Großmächten mehr als zwei Drittel der Legislative zugetheilt werden. Wir finden indeß diese Vertheilung in der Le­ gislative, nach welcher alle übrigen Bundesglieder zu Gunsten zweier Einzel­ staaten zu ewiger Minorität verurtheilt wären, eben so unrichtig, unbillig und schädlich, wie überhaupt das ganze System, die Bundesgewalt nach dem ­physischen Gewicht der Einzelstaaten zu vertheilen. Das königlich preußische Ministerium führt ferner als Grund für eine un­ mittelbare Vertretung der deutschen Nation an, daß nur durch sie eine Ver­ mittlung und Ausgleichung der dynastischen und particularen Interessen im Interesse der Gesammtheit Deutschlands zur Einheit vermittelt werde. Wir würden aber glauben, daß diese Vermittelung und Ausgleichung eben so wohl durch eine Versammlung von Delegirten der Landstände erreicht werden kann, wenn ihr Mandat auf die Zwecke und Interessen des Ganzen lautet und sie nicht durch System und Verfassung an die Instructionen der Einzelstaaten gebunden sind. Warum sollen auch Abgeordnete der Landstände weniger pa­ triotisch und gemeinsinnig sein, als Abgeordnete aus directer Wahl? Bewie­ sen die deutschen Stände nicht schon immer die größte Hinneigung und Erge­ benheit für das allgemeine deutsche Interesse? Wir glauben, daß sie das cen­ trale Princip im Bunde besser vertreten würden als direct aber unter jenem Gesichtspunkt Gewählte, daß sie die Bedeutung des Einzellandes zur Geltung bringen sollen, aus welchem sie kommen.

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101. Aufruf des Deutschen Abgeordnetentags

Süddeutsche Zeitung Nr. 649 v. 23. Dezember 1863. Morgenblatt. Veröffentlicht in: Frankfurter Reform Nr. 154 v. 25. Dezember 1863. Druck: Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 275–277.

Der Frankfurter Abgeordnetentag hat einen 36-köpfigen Ausschuß eingesetzt, der „als Mittelpunkt der gesetzlichen Thätigkeit der deutschen Nation“ für die Wahrung der Rechte Schleswig-Holsteins sorgen und insbesondere verhindern soll, daß deut­ sche Bundestruppen der „freien Selbstbestimmung eines deutschen Volksstammes“ entgegentreten. Der Ausschuß koordiniert die Sammlung von Spenden für die schles­ wig-holsteinische Sache und die Werbung von Freiwilligen für den Kampf gegen Dä­ nemark.

Frankfurt am Main, 22. Dezember 1863 An das deutsche Volk. Zum ersten Male seit fünfzehn Jahren haben gestern hier wieder Abgeordnete des ganzen deutschen Volks gemeinschaftlich getagt.1 Kein Ruf der Fürsten, kein ausdrückliches Mandat, einzig der Ernst des Augenblicks vereinigte diese fünfhundert Abgeordnete aus allen deutschen Landen, diese Vertreter aller Parteien, soweit solche Gefühl haben für die Ehre und Unverletzlichkeit des Vaterlandes. Einmüthig hat sich die Versammlung von Mitgliedern der deutschen Landesvertretungen für das ganze und volle Recht der Herzogthümer Schleswigholstein und ihres Herzogs, Friedrich VIII., ausgesprochen. Nahezu einstimmig hat die Versammlung sodann die Einsetzung eines Ausschusses beschlossen, als Mittelpunkt der gesetzlichen Thätigkeit der deutschen Nation für Durchführung dieser Rechte. Derselbe besteht aus folgenden Mitgliedern: Aus Württemberg: Ludwig Seeger und Fetzer. Aus Baden: Häusser und Bluntschli. Aus Frankfurt: S. Müller und G. Varrentrapp. Aus Nassau: Lang. Aus Kassel: Nebelthau. Aus Darmstadt: Metz. Aus Weimar: Fries. Aus Koburg: Streit. Aus Gotha: Henneberg. Aus Hannover: v. ­Bennigsen und Miquel. Aus Braunschweig: Vieweg. Aus Bremen: Pfeiffer. Aus Hamburg: Godefroy. Aus Schleswigholstein: Wiggers. Aus Sachsen: ­Haberkorn und Mammen. Aus Bayern: K. Barth, K. Brater, Kolb, Völk, Crämer, Feustel. Aus Oesterreich: Rechbauer, Fleckh, Groß. Aus Preu1 Am 21. Dezember 1863 tagte in Frankfurt eine „Versammlung deutscher Volksvertreter“, die auf Einladung von Vertretern des Nationalvereins und des Reformvereins zusammengekommen war, um über das weitere Vorgehen in der Schleswig-Holstein-Frage zu beraten. Vgl. dazu ausführlich Biefang, Politisches Bürgertum, S. 310–334; zum 36er-Ausschuß und seiner Tätigkeit ebd. S. 334–356.

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Aufruf des Deutschen Abgeordnetentags

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ßen: v. Unruh, Löwe-Calbe, Schulze-Delitzsch, F. Duncker, v. Hoverbeck, Twesten, Pauli, v. Sybel.2 2 Adolf Seeger (1815–1865), 1862–1865 liberaler Abgeordneter der württembergischen Kammer der Abgeordneten (Fortschrittspartei); Karl August Fetzer (1808–1885), liberaler Abgeordneter der württembergischen Kammer der Abgeordneten (Deutsche Partei); Ludwig Häusser (1818–1867), 1848–1850 und 1860–1865 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Johann Caspar Bluntschli (1808–1881), Rechtswissenschaftler, seit 1861 Professor in Heidelberg und Mitglied der ersten badischen Kammer; Sigmund Müller (1810–1899), Präsident der gesetzgebenden Versammlung in Frankfurt; Georg Varrentrapp (1809–1886), Mediziner und Direktor der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft; Friedrich August Lang (1822–1866) Jurist und Journalist, 1848–1859 und 1861–1864 nassauischer Landtagsabgeordneter (Fortschrittspartei); Friedrich Nebelthau (1806–1875), Richter, ab 1864 Oberbürgermeister von Kassel, 1836–1850 und 1860–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; August Joseph Metz (1818–1874), Advokat in Darmstadt, 1850–1856 und 1862–1874 Mitglied des großherzoglich-hessischen zweiten Kammer; Hugo Friedrich Fries (1818–1889), Rechtsanwalt in Weimar, seit 1849 Mitglied des Landtags von Sachsen-Weimar-Eisenach; Fedor Streit (1820–1904), Journalist und Verleger, seit 1856 Advokat in Coburg, 1857–1867 Mitglied des Landtags von Sachsen-Coburg und Gotha; Friedrich Wilhelm Henneberg (1815–1880), Rechtsanwalt und Notar in Gotha, seit 1848 Mitglied des Landtags von Sachsen-Coburg und Gotha; Rudolf von Bennigsen (1824–1902), Gutsbesitzer und Jurist, seit 1856 Mitglied des hannoverschen Landtags; Johannes Miquel (1828–1901), Jurist, seit 1863 Mitglied des hannoverschen Landtags; Eduard Vieweg (1797–1869), Verleger, 1848–1867 Mitglied der braun­ schweigischen Landesversammlung; Friedrich Pfeiffer (1815–1879), 1852–1864 Obergerichts­ anwalt in Bremen, Mitglied der bremischen Bürgerschaft; Gustav Godeffroy (1817–1893), Kaufmann, seit 1854 Mitglied des Hamburger Senats; Moritz Wiggers (1816–1894), Advokat in Rostock und Herausgeber der „Rostocker Zeitung“; Ludwig Haberkorn (1811–1901), Jurist, seit 1849 Mitglied des sächsischen Landtags; August Franz Mammen (1813–1888), Textilfabrikant, 1863–1868 Mitglied des sächsischen Landtags; Karl Barth (1811–1886), Jurist, 1863– 1865 Mitglied der bayerischen Kammer der Abgeordneten; Karl Ludwig Theodor Brater (1819–1869), Jurist, Mitherausgeber des „Deutschen Staatswörterbuchs“, seit 1859 leitender Redakteur der „Bayerischen Wochenschrift“ und der „Süddeutschen Zeitung“, 1858–1869 Mitglied der bayerischen Kammer der Abgeordneten; Georg Friedrich Kolb (1808–1884), Journalist, seit 1860 Redakteur der „Neuen Frankfurter Zeitung“, 1863–1872 Mitglied der bayerischen Kammer der Abgeordneten; Joseph Völk (1819–1882), Advokat in Augsburg, 1855–1882 Mitglied der bayerischen Kammer der Abgeordneten; Karl Crämer (1818–1902), Fabrikant in Nürnberg, 1849–1892 Mitglied der bayerischen Kammer der Abgeordneten; Friedrich Feustel (1824–1891), Bankier, 1863–1869 Mitglied der bayerischen Kammer der Abgeordneten; Karl Rechbauer (1815–1889), Jurist 1861–1885 Mitglied des österreichischen Reichsrats (Deutschliberale Partei); Johann Anton Fleckh (1822–1876), 1860–1876 Mitglied des steirischen Landtags und des Reichsrats; Franz Groß (1815–1890), Bürgermeister von Wels, 1861–1879 Mitglied des Reichsrats; Hans-Viktor von Unruh (1806–1886), Industrieller, 1863–1871 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses; Wilhelm Löwe-Calbe (1818– 1886), Arzt, 1863–1867 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses; Franz Hermann Schulze-Delitzsch (1808–1883), Jurist und Publizist, 1861–1872 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses; Franz Gustav Duncker (1822–1888), Verleger, 1862–1877 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses; Leopold Freiherr von Hoverbeck (1822–1875), Rittergutsbesitzer, 1862–1875 Landschaftsdirektor der Provinz Preußen, 1859–1870 Mitglied des ­preußischen Abgeordnetenhauses; Karl Twesten (1820–1870), Jurist, seit 1862 Mitglied des

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Der Entschluß des deutschen Volkes, deutsche Länder von der Fremdherrschaft zu befreien, den Brüdern in Schleswigholstein wirksame Hilfe zu bringen, hat gestern seine letzte und feierlichste Bestätigung gefunden. Nun gilt es, denselben mit Entschlossenheit und Beharrlichkeit durchzuführen. Noch sind die deutschen Großmächte vom Londoner Vertrag nicht zurückgetreten, noch hat der Deutsche Bund, dessen Truppen jetzt die Grenzen Schleswigholsteins überschreiten, das Thronfolgerecht Herzog Friedrichs nicht anerkannt. Noch liegt die Besorgniß nahe, daß deutsche Bundestruppen der freien Selbstbestimmung eines deutschen Volksstammes entgegentreten. Das kann, das darf nicht geschehen. Die Entscheidung wird nicht hier in Frankfurt, sie wird in den deutschen Einzelstaaten herbeigeführt, und bei dem unheilvollen Beschluß des Bundes vom 7. December hat Eine Stimme den Ausschlag gegeben! Deutsche Männer! Es ist Eure Pflicht, fortwährend jedes gesetzliche Mittel anzuwenden, Euren Willen kund zu geben, und Eure Regierungen zu bestimmen, solchen selbständig für sich, wie beim Bunde zur Geltung zu bringen. In manchen deutschen Staaten haben sich die Landesvertretungen bis jetzt nicht aussprechen können, weil sie nicht versammelt waren. Ihr müßt dafür Sorge tragen, daß sie unverzüglich zusammenberufen werden. Aber nicht auf das, was jene beschließen und die Regierungen rasch oder zögernd, gern oder widerwillig, ausführen, darf gewartet werden. Jeder handle an seiner Stelle, als ob von seinem Thun Alles abhänge. In der Presse, in den Vereinen muß jede neue Wendung der Sachlage besprochen und erörtert werden. – Schon hat in vielen Theilen des Vaterlandes eine freiwillige Selbst­ besteuerung begonnen, damit den bedrängten und verfolgten Schleswigholsteinern geholfen, damit die Mittel zur Wiederherstellung ihres ganzen und vollen Rechtes vorbereitet und beschafft werden können. Eine solche Selbstbesteuerung muß nun überall in Stadt und Land eingeführt und so eingerichtet werden, daß ihr Ertrag reichlich und nachhaltig ausfalle. Durch den gestrigen Beschluß der Abgeordneten-Versammlung ist hiefür wie für die ganze Bewegung der oft verlangte Mittelpunkt geschaffen. Gewählt von den Vertretern der einzelnen deutschen Länder, zusammengesetzt aus Mitgliedern von Parteien, die sich oft mit Erbitterung bekämpft haben, jetzt aber entschlossen sind, für die Befreiung Schleswigholsteins einmüthig preußischen Abgeordnetenhauses; Fritz Pauli (1832–1898), 1863–1874 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses; Heinrich von Sybel (1817–1895), 1862–1864 und 1874–1880 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses. – Angaben nach: ADB; NDB; Biefang (Bearb.), Der Deutsche Nationalverein, S. XXIX–XXXV; Raberg, Biographisches Handbuch; Frankfurter Biographie; Hamburgische Biographie; Sächsische Biographie; Geschichte des Bayerischen Parlaments seit 1819; ÖBL; Mann (Bearb.), Biographisches Handbuch; Haunfel­ der, Biographisches Handbuch.

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Aufruf des Deutschen Abgeordnetentags

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zusammen zu gehen, darf der Ausschuß sich wohl der Hoffnung hingeben, daß die sämmtlichen Hilfsausschüsse für Schleswigholstein ihm mit Ver­ trauen entgegen kommen, und seine Bemühungen, ein einheitliches Handeln herbeizuführen, überall willige und entschiedene Unterstützung finden werde. Der Ausschuß wird sich in fortwährende Verbindung mit der herzoglich schleswigholsteinischen Regierung setzen; über die von dem deutschen Volke ihm zur Verfügung gestellten Geldmittel jedoch je nach dem Bedürfnisse und nach gewissenhafter Erwägung selbst entscheiden. Ungesäumt aber bittet er ihm die an vielen Orten bereits aufgehäuften Geldmittel zu überweisen. Was in der entscheidenden Stunde fehlt, kann durch noch so reichliches späteres Zuströmen nicht ersetzt werden. Ebenso sind an ihn schon jetzt die Listen der Freiwilligen einzusenden, die bereit sind, sobald Herzog Friedrich das schleswigholsteinische Heer zu den Waffen rufen kann, in dasselbe einzutreten. An vielen Orten haben die Turn-, Schützen- und Wehr-Vereine in Verbindung mit patriotischen Männern diese Sache kräftig in die Hand genommen, und eifrig übt sich dort die Jugend in allen Vorbereitungen des Kriegsdienstes. Das muß überall, soweit es die Verhältnisse und Gesetze irgend zulassen, nachgeahmt werden. Endlich ist ungesäumt und mit Ernst dahin zu wirken, daß sowohl die einzelnen deutschen Staaten auf Antrag der Landesvertretungen, wie auch die wohlhabenden Classen der Bevölkerung in denselben sich an der dort von der herzoglichen Regierung ausgeschriebenen Anleihe namhaft betheiligen, damit dieser Regierung, von welcher man überall die Action verlangt, auch die Mittel zu einer solchen rasch zur Verfügung gestellt werden. Der Ausschuß hat seinen Sitz in Frankfurt am Main. Zu seinem Vorsitzenden ist Dr. Sigismund Müller erwählt, und die ständige Commission für die geschäftliche Leitung besteht aus den Herren: Dr. S. Müller, Dr. G. Varrentrapp, Kolb, Dr. Häusser, Metz, Dr. Lang und Karl Brater. Gestützt auf den wie noch nie zuvor einmüthigen Willen der Nation hat der Ausschuß seine Thätigkeit mit Ernst aber auch mit freudiger Zuversicht be­ gonnen; er wird unter allen Umständen seine Schuldigkeit thun, thue jeder Einzelne aus dem Volke die seine! Frankfurt a. M., am 22. December 1863. Der Ausschuß der Versammlung von Mitgliedern der deutschen Landesvertretungen. Der Vorsitzende: Dr. Sigismund Müller.

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Berlin, 23. Dezember 1863

102. Bismarck an Sydow

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 33: Weisungen 1863 III–XII, Beilage zu Nr. 152. Weisung. Abschrift. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 4, S. 245 f. (Konzept).

Sydow soll mit dem österreichischen Bundespräsidialgesandten die zur Auflösung des vom Frankfurter Abgeordnetentag eingesetzten ständigen Ausschusses nötigen Maß­ nahmen besprechen.

Berlin, 23. Dezember 1863 Wir können die in Ew … Berichten dargelegten Ansichten über die höchst bedenkliche Richtung, welche der Abgeordnetentag in Frankfurt eingeschlagen hat, nur vollkommen theilen. Getragen von der intensiven Agitation Deutschlands in der Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit, haben die hervorragendsten Parteiführer offenbar den Moment für günstig erachtet, um die Parlamentsfrage in den Vordergrund zu bringen und zugleich den Versuch gemacht, durch Einsetzung des Ausschußes der Sechs und Dreißig ein Organ für einen erwarteten revolutionären Ausbruch in Bereitschaft zu halten, um dem „Rechte“ und dem „Willen“ des Volkes Ausdruck zu verleihen. Se Majestät der König haben den Frankfurter Vorgängen Allerhöchstselbst Ihre Aufmerksamkeit geschenkt, und auf die Nothwendigkeit hingewiesen, den daraus sich vorbereitenden Gefahren rechtzeitig zu begegnen. Es erscheint nothwendig und im Interesse aller deutschen Regierungen zu liegen, daß ein Entwickelungsgang, welcher sich mehr und mehr den Bahnen des Frühjahrs n 1848 nähert, rechtzeitig und entschieden abgeschnitten werde, insbesondere ist, im Interesse des Bundes, an dessen Sitz jeder Keim aufrührerischer Bewegung zu beseitigen. Ich darf annehmen, daß die kais. österreichische Regierung mit uns in dieser Beziehung einverstanden sei. Ich ersuche daher Ew … diesen ernsten Gegenstand alsbald mit Baron Kübeck vertraulich in Besprechung zu ziehen, und so schleunig als möglich vereint mit ihm diejenigen Schritte und nöthigen Falls die militärischen Maßregeln zu vereinbaren, welche nöthig sein werden, um die Auflösung des Ausschußes und die Abreise der Mitglieder desselben aus Frankfurt herbeizuführen, eventuell jede weitergehenden Manifestationen zu unterdrücken. Ich sehe einem baldgefälligen Berichte über das Geschehene entgegen.

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Rechberg an Kübeck

Nr. 103

103. Rechberg an Kübeck

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 33: Weisungen 1863 III–XII, Nr. 152. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 28. Dezember 1863. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 531 f.

Österreich und Preußen wollen am Bund gemeinsame Schritte gegen den Frankfurter Abgeordnetentag einleiten. Der von diesem eingesetzte ständige Ausschuß ist unge­ setzlich und muß aufgelöst werden, damit sich nicht die Ereignisse von 1848 wieder­ holen.

Wien, 26. Dezember 1863 Hochwohlgeborner Freiherr! Freiherr von Werther hat mir den abschriftlich anliegenden Erlaß seines Cabinetes an Herrn von Sydow1, betreffend den Frankfurter Abgeordnetentag und die daraus hervorgehenden revolutionären Agitationen, mitgetheilt, und mir den Wunsch ausgedrückt, daß Euer Excellenz so schnell als thunlich zu gemeinsamen Schritten mit Ihrem preußischen Herrn Collegen ermächtigt werden möchten. Daß wir den vom Abgeordnetentag eingesetzten Ausschuß für ungesetzlich halten, und daß es uns nothwendig erscheint, zur Auflösung desselben zu schreiten, damit sich nicht die Erfahrungen von 1848 erneuern, ist Euer Excellenz bereits bekannt, und Sie werden nicht erst eine besondere Ermächtigung abgewartet haben, um mit Herrn von Sydow sich über die zweckmäßigsten Mittel zur Erreichung dieses Zweckes zu berathen. Die Kammern der Einzelstaaten haben nicht das Recht, ständige Ausschüße anders als in den verfaßungsmäßig vorgesehenen Formen zu erwählen. Um so viel weniger kann einer mit keinem Mandat versehenen Versammlung von Abgeordneten verschiedener Staaten das Recht zugestanden werden, einen Ausschuß einzusetzen, der sich für den Mittelpunkt der Thätigkeit der gesammten Nation – sei es auch nur in einer einzelnen bestimmten ­Richtung – erklärt. Am Sitze der Bundes-Versammlung darf die anmaßliche Wirksamkeit eines solchen Ausschußes am wenigsten geduldet werden. Wir hoffen, daß Euer Excellenz und Herr von Sydow die übrigen BundestagsGesandten geneigt finden werden, sich unverzüglich die nöthigen Instructionen zu erwirken, damit der fragliche Ausschuß für gesetzwidrig erklärt und der Senat von Frankfurt angegangen werde, die Versammlungen desselben zu untersagen. Der Senat sollte sich übrigens unseres Erachtens auch schon aus eigenem Antriebe zu dieser Maßregel bewogen finden, jedenfalls aber die Sitzungen 1 Siehe Dok. 102.

Nr. 104

Frankfurt am Main, 27. Dezember 1863

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des Ausschußes polizeilich überwachen lassen, und bei dem ersten Versuche, die Attributionen eines Vollziehungsausschußes auszuüben oder wegen Einberufung eines Parlamentes zu berathen, die Auflösung des Ausschußes und die Entfernung seiner Mitglieder aus Frankfurt verfügen. Empfangen Hochdieselben, die Versicherung meiner vollkommensten Hoch­ achtung. Rechberg.

104. Sydow an Bismarck

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/62, fol. 263–267. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 29. Dezember 1863.

Ein Versuch, den Zentralausschuß des Abgeordnetentages auf der Grundlage des Bundesvereinsbeschlusses von 1854 zu unterdrücken, würde nach Ansicht des öster­ reichischen Bundespräsidialgesandten Kübeck am Bundestag voraussichtlich keine Mehrheit finden. Das Gebaren des Zentralausschusses wird getragen von der öffentli­ chen Meinung in Deutschland, von der Konnivenz einiger Regierungen und von dem Gegensatz zwischen den beiden deutschen Großmächten und den Mittelstaaten in der Schleswig-Holstein-Frage. Wenn der Gegensatz zwischen den Regierungen ausge­ glichen wird, wird auch die Gefahr, die vom Ausschuß der Abgeordneten ausgeht, schwinden. Auch Sydow hält es für bedenklich, eine Bundesmaßregel gegen den ­Abgeordnetentag zu provozieren, bevor nicht eine Verständigung mit den deutschen Regierungen darüber erfolgt ist.

Frankfurt am Main, 27. Dezember 1863 Seit Euerer Excellenz geehrtester Erlaß vom 23ten d. Mts (No. 520)1 mir am 24ten d. Mts. zugekommen ist, habe ich dessen Gegenstand, die Frage: wie dem, aus der Einsetzung eines executiven Central-Ausschusses durch die am 21. d. Mts. hier stattgefundene Abgeordneten-Versammlung hervorgehenden Mißstande ein Ziel zu setzen sei? wiederholentlich und speziell mit Baron Kübeck besprochen. Der Präsidial-Gesandte fühlt sehr lebhaft die Bedenken, welche sich an das Bestehen eines solchen Volks-Tribunals knüpfen, das eine, ohne Mandat zusammen getretene und leicht zu erneuende [sic] Abgeordneten-Versammlung geschaffen hat; aber es wird ihm, wie mir, überaus schwer, unter den Verhältnissen des jetzigen Augenblickes, Gegenmittel zu finden, welche Aussicht auf praktischen Erfolg gewähren, und nicht viel mehr die Gefahr der Hervorrufung noch größerer Übel, als die zu bekämpfenden sind, in sich tragen.2 1 Siehe Dok. 102. 2 Am Rand ein Fragezeichen (von Bismarck?).

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Sydow an Bismarck

Nr. 104

Baron Kübeck hat mich mehrmals an die Reihe der ohne jeden Erfolg gebliebenen Verhandlungen erinnert, welche, aus Anlaß andrer Mißbräuche des Vereins- und Versammlungs-Rechts, hier statt gefunden haben, und bei welchen endlich vorgezogen worden ist, die in verschiedener Richtung gestellten Anträge von Großherzogthum Hessen, Baden und Königreich Sachsen bei dem betreffenden Ausschusse auf sich beruhen zu lassen, weil von keiner der etwa möglichen Propositionen des Ausschusses ein nützliches Ergebniß gehofft werden konnte.3 Das Gebahren des Central-Ausschusses in seiner öffentlichen Bekanntmachung würde als eine lächerliche Anmaßung zu bezeichnen sein, wenn es nicht sowohl durch die allgemeine Strömung der öffentlichen Meinung in Deutschland, als in’s Besondere durch die Connivenz deutscher Regierungen und durch den, Mißtrauen gebährenden Gegensatz getragen würde, welcher derzeit zwischen den beiden deutschen Großmächten einerseits und der Mehrzahl der Mittelstaaten in Betreff der Holsteinischen Frage andrerseits noch besteht. Ein Versuch, aus Anlaß des jetzigen Vorganges die in einem sehr großen Theile von Deutschland völlig außer Anwendung gekommenen oder von den Vereinen, auf eine deutlich in die Augen fallende, einfache Weise, umgangenen Vorschriften des Bundes-Vereins-Gesetzes vom 13. Juli 18544 von Bun­ des­wegen nicht nur einzuschärfen, sondern auf eine dem jetzigen Bedürfniß entsprechende Weise zu erweitern, würde voraussichtlich nicht die Mehrheit am Bundestage für sich gewinnen. Es würden sich an dessen Behandlung alle die Erschwerungen knüpfen, welche aus der verschiedenen Stellung der Regierungen zu der Holsteinischen Sache hervorgehen. Und wenn etwa 9 Stimmen für einen PreußischÖsterreichischen Antrag zu vereinigen wären, so würde die Ausführung in mehreren Staaten so spät eintreten, und so lässig sein, daß dadurch das Ergebniß seinen Werth verlöre. Ist erst in irgend einer Weise der Gegensatz zwischen den deutschen Regierungen in der Holsteinischen Sache ausgeglichen oder der Ausgleichung näher gekommen, so wird es jedenfalls leichter als jetzt sein, die dermalen auch vielen Wohlgesinnten nicht mehr erkennbare Gränze zu ziehen und zu handhaben, auf welcher eine berechtigte und gesetzliche Theilnahme für das in Holstein und Schleswig in Frage stehende Deutsche Interesse sich von 3 Kübecks Bemerkungen bezogen sich auf die Anträge zur Unterdrückung des Nationalvereins bzw. zur Aufhebung der Bundesbeschlüsse von 1854 über die Einschränkung der Pressefreiheit und des Vereins- und Versammlungswesens, die 1861/62 an den Bund gebracht wurden. Vgl. QGDB III/3, Dok. 70 u. 133. 4 Siehe QGDB III/2, Dok. 52.

Nr. 104

Frankfurt am Main, 27. Dezember 1863

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e­ inem maßlosen und gefährlichen politischen Partheigetriebe deutlich unterscheidet. Damit schwindet dann sachlich der größte Theil der Gefahr, welche aus dem Bestehen des Central-Ausschusses hervorgehen kann, und es erhöht sich dann zugleich die Möglichkeit einer Verständigung unter den deutschen Regierungen über die Gränze, über welche hinaus der Zusammenhang und das Zusammenwirken politischer Versammlungen und Vereine in Deutschland nicht nachgesehen werden kann. Ich erlaube mir allerdings auch für solchen Zeitpunct nur von einer Mög­ lichkeit der Verständigung unter den Regierungen zu sprechen, weil ja dann immer noch die aus der Bundes-Reformfrage hervorgehende große Differenz in Bezug auf eine allgemeine deutsche Vertretung übrig bliebe und sich in verschiedener Weise geltend machen würde. Unter den Umständen des jetzigen Augenblickes, muß ich es mit Baron Kübeck für bedenklich halten, aus Anlaß des in Folge der Abgeordneten-Versammlung vom 21. d. Mts. Geschehenen irgend eine Bundes-Maßregel zu provociren, so lange nicht etwa durch die Preußischen und Österreichischen Gesandtschaften bei den deutschen Regierungen die Geneigtheit einer ganz hinreichenden Zahl dieser letzteren zum Zusammengehen mit den beiden Großmächten in der Sache mittelst vertraulicher Besprechungen constatirt worden ist. Baron Kübeck glaubt, daß solches Sondiren viel besser, sicherer und doch minder förmlich direct bei den Regierungen durch die Gesandten der beiden Mächte, als von hier aus durch die Vermittlung der verschiedenen Bundestags-Gesandten geschehen könne, und die hier in verwandten Fällen gemachten Erfahrungen sprechen für seine Ansicht. Neben der vorstehend in’s Auge gefaßten Frage wegen einer allgemeinen Bundes-Anordnung in der Sache steht die weitere Frage, ob etwas und was von frankfurterischer Seite geschehen könnte und sollte, um die Wirksamkeit des Central-Ausschusses wenigstens von den Sitze der Bundes-Versammlung zu entfernen? Der Geheime Legations-Rath von Wentzel5 hat Euerer Excellenz gemeldet, was von ihm geschehen ist, um den Bürgermeister Müller6 (dessen Gestion7 am 31. d. Mts. endet und an dessen Stelle der minder einflußreiche, 5 Otto Albert Friedrich Wentzel (1819–1899), 1851 Legationssekretär bei der preußischen Bundestagsgesandtschaft, 1852–1864 Gesandtschaftsrat bei der preußischen Bundestagsgesandtschaft, 1855–1864 preußischer Resident in der Freien Stadt Frankfurt; Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 419, 431. 6 Samuel Gottlieb Müller (1802–1880), Frankfurter Senator, 1863 Älterer Bürgermeister, 1861– 1866 Gesandter Frankfurts beim Deutschen Bund; Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 71 f. 7 Gestion: französisch für Geschäftsführung.

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Antrag von Österreich und Preußen

Nr. 105

aber zuverlässigere Senator von Oven8 tritt) zu einer einfachen Anwendung des frankfurtischen Vereins-Gesetzes auf den Central-Ausschuß zu veranlassen. Baron Kübeck wollte auch seinerseits sich in solcher Weise gegen Herrn p. Müller äußern und ist daran in den letzten Tagen nur durch Unwohlsein, welches ihn an das Zimmer fesselte, verhindert worden. Er wird es noch thun. Übrigens wird durch Nichtzulassung des Sitzes des Central-Ausschusses am hiesigen Orte wenig mehr als eine Wahrung des Decorums erreicht. Von den 36 Mitgliedern des Central-Ausschusses gehören nur zwei, Dr Müller (der Vorsitzende, bisher Präsident des hiesigen gesetzgebenden Körpers, ein Democrat zweiter oder dritter Ordnung) und ein mehr mit Philantropie als Politik beschäftigter Arzt, Dr Varrentrapp Frankfurt an. Die übrigen 34 wohnen in sehr verschiedenen Theilen Deutschlands; die Eisenbahnen werden aber sie, oder doch die zum engeren Ausschuß Gehörenden nicht viel weniger leicht in Heidelberg, Coburg, Gotha oder einem andren Orte als in Frankfurt momentan zusammenführen. Was die Geldmittel angeht, so ist deren Concentrirung ganz eben so leicht an andrer Stelle als hier zu erreichen. Endlich die Einsendung von Listen der eventuell zum Auszuge nach Holstein Geneigten an den Central-Ausschuß hat kaum etwas zu bedeuten. Erheblicher als den Sitz des Central-Ausschusses von hier zu entfernen, würde es mir erscheinen, die Wiederkehr von Abgeordneten-Versammlungen, wie die vom 21ten d. Mts. am hiesigen Orte zu verhindern. R. v. Sydow

105. Antrag von Österreich und Preußen zur Wahrung der Rechte des Deutschen Bundes in Schleswig

ProtDBV 1863, Beilage Nr. 89 zur 44. Bundestagssitzung v. 28. Dezember 1863. Druck: Staatsarchiv, Bd. 6, S. 129 f.; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 4, S. 359 f.; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 139 f.

Durch die rechtswidrige Einverleibung Schleswigs in den dänischen Staat, die am 1. Januar 1864 erfolgen soll, nötigt die dänische Regierung den Deutschen Bund dazu, seine Rechte auf Schleswig wahrzunehmen. Österreich und Preußen stellen den Antrag, die Bundesversammlung wolle die dänische Regierung auffordern, das neue Grundgesetz für Schleswig zurückzunehmen. Im Falle der Weigerung soll die militä­ rische Besetzung Schleswigs durch den Deutschen Bund erfolgen. 8 Anton Heinrich Emil von Oven (1817–1903), Advokat, seit 1852 Senator, 1858 Jüngerer, 1864 Älterer Bürgermeister von Frankfurt; Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 114.

Nr. 105

Frankfurt am Main, 28. Dezember 1863

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Frankfurt am Main, 28. Dezember 1863 Antrag von Oesterreich und Preussen, die Wahrung der dem Deutschen Bunde in Bezug auf Schleswig zustehenden Rechte betreffend. Oesterreich und Preussen. Bereits durch ihren Beschluß vom 9. Juli d. J.1 hat die hohe Bundesversammlung constatirt, daß die Königlich-Dänische Regierung der von ihr eingegangenen Verpflichtung, das Herzogthum Schleswig weder dem eigentlichen Königreiche Dänemark zu incorporiren, noch irgend welche dieß bezweckende Schritte zu unternehmen, durch die Bekanntmachung vom 30. März d. J.2 entgegengehandelt habe. Für den Fall, daß Dänemark bei dieser Rechtsverletzung beharrte, hat die Bundesversammlung sich vorbehalten, alle geeigneten Mittel zur Geltendmachung der vom Bunde in Bezug auf Schleswig durch ein völkerrechtliches Abkommen erworbenen Rechte in Anwendung zu bringen. Der Hof von Copenhagen hat nun zwar die erwähnte Verordnung außer Kraft gesetzt. Allein es ist dieß erst geschehen, nachdem dieselbe ihren Zweck erreicht hatte, und für Dänemark und Schleswig ein neues Grundgesetz erlassen worden war, welches virtuell einer Einverleibung des Herzog­ thums in das Königreich vollkommen gleichkommt. Dieses Grundgesetz hat ungeachtet der dringenden Abmahnungen der deutschen Mächte am 18. November d. J. die Königliche Sanction erhalten3, ein demselben entsprechendes Wahlgesetz ist so eben in Schleswig verkündigt worden4, und der 1. Januar 1864 ist als Termin für den Eintritt der Wirksamkeit der neuen Verfassung bestimmt. Nach der Ansicht der allerhöchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen nöthigt die Königlich-Dänische Regierung durch dieses rechtswidrige Verfahren den Deutschen Bund, sich in Gemäßheit des erwähnten Vorbehaltes der ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu bedienen, um den Rechten, die ihm 1 ProtDBV 1863, S. 338–352. 2 Im Patent vom 30. März 1863 hatte der dänische König Friedrich VII. den Anspruch auf eine staatsrechtliche Verbindung Schleswigs mit Dänemark proklamiert und damit zugleich die Trennung von Schleswig und Holstein verfügt. Vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 456 f.; ders. (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 178–180. 3 Grundgesetz für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Königreichs Dänemark und des Herzogtums Schleswig vom 18. November 1863, Druck: Chronologische Sammlung der im Jahre 1863 ergangenen Verordnungen, Verfügungen ec. für das Herzogthum Schleswig, S. 340–357. 4 Gesetz betreffend die Wahlen zum Reichsrat vom 4. Dezember 1863, Druck: Chronologische Sammlung der im Jahre 1863 ergangenen Verordnungen, Verfügungen ec. für das Herzogthum Schleswig, S. 421–432.

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Antrag von Österreich und Preußen

Nr. 105

gegenüber der Krone Dänemark auch in Bezug auf Schleswig, somit auf internationalem Gebiete zustehen, die gebührende Genugthuung zu sichern. Oesterreich und Preussen stellen sonach den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle an die Königlich-Dänische Regierung die Aufforderung richten, das Grundgesetz vom 18. November d. J. bezüglich des Herzogthums Schleswig nicht in Vollzug zu setzen, sondern dasselbe definitiv wieder aufzuheben, und sie wolle mit diesem Verlangen die Erklärung verbinden, daß im Falle der Weigerung der Deutsche Bund im Gefühle seines Rechtes und seiner Würde die erforderlichen Maßregeln ergreifen müßte, um sich durch eine militärische Besetzung des Herzogthums Schleswig ein Pfand für die Erfüllung seiner gerechten Forderungen zu verschaffen. An der Wirkung des bereits gelegentlich des Bundesbeschlusses vom 7. December5 ausgesprochenen Vorbehaltes einer rechtlichen Prüfung der Erbfolgefrage würde selbstverständlich durch die Annahme des vorstehenden Antrages Nichts geändert werden. Die Gesandten von Oesterreich und Preussen haben schließlich darauf anzutragen: Hohe Bundesversammlung wolle den Militärausschuß beauftragen, unverweilt die erforderlichen Anordnungen zu dem Zwecke in Vorschlag zu bringen, damit die dem Bunde für die eventuelle Besetzung des Herzogthums Schleswig zur Verfügung zu stellenden Streitkräfte auf die nöthige Stärke gebracht werden.6 5 Siehe Dok. 97. 6 Einen ähnlichen Antrag stellte die großherzoglich hessische Regierung in der gleichen Sitzung des Bundestags, indem sie die Bundesversammlung aufforderte, den Beschluß zu fassen, „zur Verhinderung der Einverleibung Schleswigs in das Königreich Dänemark und zur Sicherung aller verfassungsmäßigen Beziehungen Holsteins zu Schleswig, die nöthigen Maßregeln schleunigst zu ergreifen, namentlich die einstweilige Besetzung Schleswigs durch Bundestruppen“; ProtDBV 1863, Beilage Nr. 90 zur 44. Bundestagssitzung. – Der sächsische Außenminister Beust beurteilte den preußisch-österreichischen Antrag als einen „Schachzug“ gegen diejenigen Regierungen, die die Erbfolgefrage in Schleswig-Holstein rechtlich und nicht politisch zum Austrag bringen wollen: „Nehmen sie den Antrag an, so geben sie ihren Standpunkt auf, lehnen sie ab, so sind sie daran Schuld, daß die Besetzung von Schleswig unterbleibt […] Die Besetzung Schleswigs ist, wie mir selbst von österreichischer Seite eingestanden worden ist, eine Befestigung des Londoner Protokolls, und die beiden Großmächte werden, trotz der ­englischen Drohungen, die unbeanstandete Besetzung Schleswigs erlangen, gegen das Versprechen, daß damit nur eine Pfandnahme und die spätere Rückgabe beider Herzogthümer an Dänemark beabsichtigt sei. Die K. Regierung ist daher entschlossen, an ihrem Standpunkte Nichts zu ändern, und wird dem Antrage nicht beitreten.“ Beust an Bose, 30. Dezember 1863, HStA Dresden, Bestand 10718 Bevollmächtigter des Königreiches Sachsen bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt am Main, Nr. 123.

Nr. 106

Berlin, 31. Dezember 1863

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106. Zirkularerlaß Bismarcks an die preußischen Gesandtschaften in Karlsruhe, Kassel, Darmstadt, Dresden, Frankfurt, Den Haag, Hamburg, Hannover, München, Stuttgart, Weimar, Wien und Kopenhagen

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/62, fol. 288–290. Von Bismarck paraphierte Metallographie. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 4, S. 256–258 (Reinkonzept); Staatsarchiv, Bd. 9, S. 310–312.

Die Einsetzung des Zentralausschusses des Frankfurter Abgeordnetentags ist der Versuch, den Regierungen die Leitung der schleswig-holsteinischen Angelegenheiten aus der Hand zu winden. Der Ausschuß erklärt sich „zum amtlichen Organ des Wil­ lens der Deutschen“. Zugleich schreitet die Bildung von politischen Vereinen und Verbänden von Freischaren voran, die in einem günstigen Augenblick für revolutio­ näre Zwecke verwendet werden können. Weder der permanente Ausschuß am Sitz des Bundestages noch die Bildung von Freischaren dürfen geduldet werden, weil sie dem Bundesrecht und den völkerrechtlichen Grundsätzen widersprechen.

Berlin, 31. Dezember 1863 Die Vorgänge, welche am 21. d. M. in Frankfurt a/M. stattgefunden, haben die ernste Aufmerksamkeit der Königlichen wie der Kaiserlich Oesterreichischen Regierung auf sich ziehen müssen. Sie bilden den Schlußstein einer Reihe von Bestrebungen, welche seit längerer Zeit Deutschland in Aufregung erhalten, und welche jetzt in der Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit und in dem Versuch, die Leitung derselben den Regierungen aus der Hand zu winden, einen willkommenen Vorwand und ein wirksames Mittel für ihre Agitation zu finden glauben. So lange letztere nur vereinzelt und ohne andern als moralischen Zusammenhang auftrat, konnte sie minder gefährlich erscheinen. Es ist aber jetzt der Versuch gemacht worden, ihr einen Mittelpunkt und eine Organisation zu geben, und ihr zugleich materielle Mittel zu Gebote zu stellen, welche ihr eine ganz andere Bedeutung verleihen. Auf dem letzten sogenannten Abgeordnetentage in Frankfurt a/M. hat man sich nicht auf aufreizende Reden und auf die offen ausgesprochene Absicht beschränkt, durch keine gesetzliche Schranken sich binden zu lassen, sondern man hat sich, auch gegen den Widerspruch weniger besonnener Elemente, verleiten lassen, einen permanenten Ausschuß niederzusetzen, welcher sich zum amtlichen Organ des Willens der Deutschen erklärt, und als solches dazu bestimmt ist, einen Mittelpunkt für die Thätigkeit der Vereine zu bilden, diese in fortwährendem Zusammenhange zu erhalten und über die Mittel, welche die Gesammtheit derselben darbietet, einheitlich zu verfügen. Zugleich schreitet die Herstellung von Vereinen, welche mehr oder weniger ausdrücklich politische Zwecke verfolgen, überall fort, und es werden in

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Zirkularerlaß Bismarcks

Nr. 106

der Wendung, welche man den Turner- und Wehr-Vereinen giebt, und in der Bildung von Freischaaren, welche angeblich die an sich ausreichenden, militärischen Kräfte des Bundes unterstützen sollen, die Einleitungen getroffen, um organisirte materielle Kräfte in Bereitschaft zu haben, welche in einem günstigen Augenblicke für revolutionäre Zwecke verwendbar sind. Deutschland ist auf diese Weise von einem Netz revolutionärer Elemente durchzogen, welche1 vorläufig durch den moralischen Druck, den sie auf die Entschließungen der Regierungen üben, die bevorstehende gesetzliche Ordnung zu erschüttern streben und die nächste Zukunft mit ernstlichen Gefahren bedrohen, wenn die Regierungen nicht bei Zeiten der weiteren Entwickelung mit Energie entgegentreten. Wir sind der Ansicht, daß die bestehenden gesetzlichen Vorschriften in den deutschen Bundesländern den Regierungen hierzu hinreichende und wirk­ same Mittel an die Hand geben. Die Grundzüge, welche in dem Bundes­ beschluß vom 13. Juli 1854 in Bezug auf die Behandlung und Regelung des Vereinswesens aufgestellt worden sind, reichen dazu aus, wenn sie überall mit Ernst und Energie zur Anwendung gebracht werden. Ich erinnere besonders an den § 4 desselben, durch welchen jede Verbindung der Vereine untereinander als unstatthaft erklärt ist.2 Der unverkennbare Zweck des in Frankfurt einen permanenten Sitz habenden Ausschusses der Sechsunddreißig steht in directem Widerspruch mit dieser Bestimmung. Nicht minder sind die Vereine, welche die Bildung von bewaffneten Freischaaren bezwecken, unzweifelhaft als solche zu betrachten, welche die öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährden, und welche nach § 1 derselben Grundzüge in keinem deutschen Bundeslande geduldet werden sollen. Wir erachten uns selbst und jede deutsche Bundesregierung für verpflichtet, diese Bestimmungen im gegenwärtigen Augenblick zur Anwendung zu bringen. Die Fortdauer des permanenten Ausschusses am Sitze des Bundestages selbst in der Eigenschaft eines Central-Ausschusses für ganz Deutschland kann aber eben so wenig geduldet werden, wie etwa seine Wiederherstellung an einem anderen Orte oder unter einem anderen Namen. Die Bildung von Freischaaren werden wir auf unserem Gebiete nicht zugeben, und eben so wenig ihnen den Durchzug durch dasselbe gestatten. Es liegt im dringenden Interesse der deutschen Sache, welche der Bund in Holstein in seine eigene Hand genommen hat, daß dieses Land nicht durch den Einfluß fremder revolutionärer Elemente zum Brennpunkt der Bestrebun1 Emendiert. Vorlage: welche sich. 2 Vgl. QGDB III/2, Dok 52, S. 244.

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Karlsruhe, 3. Januar 1864

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gen der Umsturzpartei gemacht werde. Jeder Versuch der Bildung organisirter Streitkräfte, unter dem Namen und zur Verfügung einer nicht anerkannten und zur Militairhoheit nicht berechtigten Autorität, würde dem Bundesrechte und den Bundeszwecken nicht minder als den völkerrechtlichen Grundsätzen widersprechen, und kann daher auf dem Territorium des Deutschen Bundes nicht zugelassen werden. Ich habe mich in Vorstehendem über die Grundsätze ausgesprochen, zu deren Befolgung die Königl. Regierung gegenüber der gegenwärtigen Agitation in Deutschland entschlossen ist. Wir hoffen zwar, daß die deutschen Regierungen, in richtiger Würdigung des Ernstes der Lage die nachdrückliche Aufrechterhaltung ihrer Autorität durch das eigene Interesse für geboten erachten werden. Jedoch schöpfen wir das Recht, auf diese Nothwendigkeit ausdrücklich aufmerksam zu machen, aus der Thatsache, daß in keinem Theile des Bundesgebietes die öffentliche Ruhe gestört oder bedroht werden kann, ohne daß dadurch die anderen Glieder und die Gesammtheit des Bundes zur Wahrung ihrer eigenen und der gemeinsamen Sicherheit verpflichtet und berechtigt würden. Eure *** ersuche ich, Sich im Sinne dieser Bemerkungen gegen die dortige Regierung zwar nur mündlich und vertraulich, jedoch mit allem Nachdruck auszusprechen, und ich bemerke nur noch, daß vollkommen gleichlautende Instructionen auch Ihrem Oesterreichischen Collegen zugehen. v. Bismarck   Karlsruhe, 3. Januar 1864 

107. Artikel in der Karlsruher Zeitung

Karlsruher Zeitung Nr. 2 vom 3. Januar 1864.

Das Gefühl der Unzufriedenheit mit Deutschlands politischem Zustand ist weit ­verbreitet, aber es gibt keine Tendenz zum gewaltsamen Umsturz der bestehenden Regierungsverhältnisse. Der öffentliche Enthusiasmus für die schleswig-holsteinische ­Sache hat keinen revolutionären Charakter, sondern bewegt sich auf dem Boden des Gesetzes. Es ist eine große Übereinstimmung aller Parteien und Stämme für die Rechte Schleswig-Holsteins vorhanden. Diese Übereinstimmung darf nicht durch „unweises Verhalten“ aufs Spiel gesetzt werden, diese „Harmonie nationaler Begei­ sterung“ muß zum offenen Ausdruck gelangen. Deutschland befindet sich in einer Krise, in der es um seine Macht und Ehre gegenüber dem Ausland geht, die aber an­ dererseits auch nach innen „läuternd“ wirken kann. Im Hinblick auf die deutsche Verfassung verlangen Fürsten und Völker nach einer Reform auf gesetzmäßigem Weg, mit Ausnahme einiger ultrareaktionärer Organe, die gewaltsame Rechtsbrüche propagieren. Führt die Politik der Höfe und des Bundes in der schleswig-holsteini­ schen Frage zu einem befriedigenden Ende und zeigt sich, daß trotz der Bundesver­ fassung eine schwunghafte nationale Politik möglich ist, so würden die bestehenden

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Artikel in der Karlsruher Zeitung

Nr. 107

Verhältnisse stabilisiert und es könnte dann die gewünschte Reform erfolgen. Die na­ tionale Bewegung ist konservativ, sie kann aber auch eine andere Richtung nehmen, wenn ihr das vernünftige Ziel vorenthalten wird.

Karlsruhe, 3. Januar 1864 Die nationale Bewegung und deren Gegner. Die gegenwärtig Deutschland erfüllende Bewegung ist in unsern Augen wesentlich konservativen Charakters, und wir vermögen nicht in derselben Elemente zu erkennen, welche einer Tendenz des gewaltsamen Umsturzes oder nur einer Unzufriedenheit mit bestehenden Regierungsverhältnissen entsprungen wären. Nicht läugnen läßt sich, daß das Gefühl der Unbefriedigung mit Deutschlands politischem Zustand ein weitverbreitetes ist, und es ist nicht zu erwarten, daß eine allgemein vorhandene Stimmung ohne allen Einfluß auf eine neu dazu tretende nationale Idee und Erregung bliebe, wie umgekehrt. Allein die Färbung, welche die schleswig-holsteinische Sache durch den Zutritt sogenannter progressistischer Elemente erhalten hat, ist eine so schwache und theilweise, daß sie für den unbefangenen Beobachter unwesentlich ist. Ueberdies sind wir weit entfernt davon, diejenigen politischen Gefühle und Parteien, welche sich dem Enthusiasmus für die Befreiung des deutschen Bruderstammes beigemischt und angeschlossen haben, als revolutionäre, d. h. dem Wege gewaltsamer Aenderung gegebener Verhältnisse zugeneigt zu betrachten. So lange populäre Richtungen den Boden des Gesetzes zum ­ ­Ausgang und zur Begrenzung haben und haben wollen, sind sie nicht als irreguläre zu betrachten, und die Kunst der Regierungen, denen obliegt, über die Erhaltung der bestehenden Güter und die fortschreitende Entwicklung derselben in einem vernünftigen Maße zu wachen, ist vor Allem dahin zu richten, daß dieser gesetzliche Geist in den politischen Strömungen bewahrt bleibe. Bis jetzt haben alle Parteien in Deutschland, mit Ausnahme einiger ultra-­ reaktionären Organe junkerlicher Kreuzzeitungs-Ideen, die Innehaltung des Gesetzes auf ihre Fahne geschrieben, und bis jetzt ist kein Grund gegeben, an der Aufrichtigkeit dieser Parole zu zweifeln. Wir bedauern im Interesse der guten Sache, welche der Nation und den Regierungen gegenwärtig in erster Linie am Herzen liegt, wenn hie und da vereinzelte Schritte geschehen sind, welchen der Schein andern Strebens beigelegt werden könnte. Sie bieten kleinmüthigen und böswilligen Naturen Vorwand zu Verdächtigungen und zum Rückzuge. Die Uebereinstimmung fast aller Parteien, aller Stämme, aller Bestandtheile des deutschen Volks in der jetzigen Lage und für die Rechte SchleswigHolsteins ist von unendlichem Werthe. Sie ist vorhanden. Es ist aber fast ebenso werthvoll, diese Uebereinstimmung zum offenen Ausdruck gelangen

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Karlsruhe, 3. Januar 1864

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zu lassen, nicht durch einseitige Auffassung von Regierungs- oder Parteiprinzipien zu verdunkeln und einen Mißton in die Harmonie nationaler Begeisterung zu werfen. Wir könnten lächeln über die Furchtsamkeit, welche hinter dieser Begeisterung versteckte Umsturzpläne wittert, wenn sie nicht gerade am meisten dazu angethan wäre, sie zu stören und zu hemmen, und in die erhebende Bewegung eines ganzen Volks kleinliche Polizeikünste zu mischen, von denen der verordnende Arzt nicht weiß, ob sie als niederschlagendes Mittel oder als Reizmittel dienen, ob sie die heilsame Krise unterbrechen oder eine gefähr­ liche an ihrer Stelle erzeugen werden. Um Vorsicht und Maßhalten bitten wir deßhalb nach allen Seiten hin. Niemand halte sich für so niedrig, daß sein unweises Verhalten nicht der gemeinsamen Sache schaden, Niemand so hoch, daß er über sie weg zur Tagesordnung seiner häuslichen Angelegenheiten und seiner Privatpläne schreiten könne. Eine Krisis haben wir den gegenwärtigen Zustand genannt, und wir glauben mit Recht: nicht blos in dem Sinne, daß Deutschlands Macht und Ehre vor dem Auslande sich zu bewähren hat, sondern auch in dem Sinne, daß er nach innen läuternd wirkt. Mit frechem Hohne und anmaßender Selbstüberhebung haben jene Organe einer Genossenschaft, welche keine andere Norm kennt, als ihren Trotz und Eigensinn, die allgemeine Sympathie für die schleswig-holsteinische Sache in den Staub zu ziehen versucht und den, fortschrittlicher Entwicklung des Staates huldigenden Parteien vorgeworfen, daß sie Gesetz, Recht und Legitimität vertheidigen. Angenommen, diese Parteien richteten sich prinzipiell gegen diese Faktoren, so müßte es dem aufrichtigen, politischen Widersacher derselben von höchstem Werthe sein, eine Wandlung eintreten, einen Akt sich vollziehen zu sehen, welcher zum wenigsten die angeblichen Tendenzen der sog. Fortschrittler arg kompromittiren müßte. Willkommen sollten sie die innere oder äußere, freie oder gezwungene Umkehr heißen und durch alle Mittel ermuntern und fördern. Wir glauben indeß nicht, wie gesagt, an gesetzwidrige oder gar anarchische Bestrebungen selbst der avancirtesten Parteien. Wir verkennen dabei nicht, daß die Verfassung Deutschlands und die ­politischen Zustände in einzelnen Staaten geeignet sind, die bestehende Anhänglichkeit an Regierungen und Dynastien, den Glauben an den Schutz des Gesetzes, an die Sicherheit von Recht und Freiheit zu schwächen. Fürsten und Völker verlangen nach einer Reform, aber allseitig – bis auf die schon bezeichneten, welche gewaltsame Rechtsbrüche lehren – will man die gesetz­ mäßige Verbesserung.

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Artikel in der Karlsruher Zeitung

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Die holsteinische Sache bietet die Gelegenheit, daß der Glaube an die Macht des Gesetzes, an die Kraft, Weisheit und den guten Willen der Regierungen sich aufrichte. Mit Vertrauen haben sich die Völker an diese gewandt; in Ruhe, wenn auch mit Spannung, sehen sie deren Entschlüssen und Handlungen entgegen. Fallen diese im Sinn des Rechts und der nationalen Ehre aus; führt die ­Politik der Höfe und des Bundes in einer großen und ernsten Frage zu einem befriedigenden Ende; zeigt sich, daß, trotz der Bundesverfassung, eine schwunghafte nationale Politik, ein inniges Zusammengehen möglich ist; so mögen wir die bestehenden Verhältnisse als auf eine weitere Dauer befestigt betrachten. Preußen hat dem Beruf zu moralischen Eroberungen, zu politischem Vorwärtsschreiten für jetzt sich entzogen; Oesterreich ist auf seine eigene und auf des Bundes Erhaltung angewiesen. Könnte sich diesem auch die populäre Stimmung weniger abgeneigt gestalten: so möchte sich eine Periode einigermaßen befriedigender Stabilität vorbereiten, welche die gewünschte Reform in ruhigerer Weise ermöglichen würde. Denn man würde gelernt haben, daß die Regierungen weniger Grund zu gegenseitiger Eifersucht und Besorgniß, die Völker weniger Grund zu Mißtrauen gegen ihre Regierungen, die Regierungen mehr Grund zu Vertrauen auf ihre Völker haben, daß politische Parteien sich da, wo es große Ziele gibt, zusammenfinden, und daß mithin die Entwicklung der deutschen Verhältnisse nach allen Seiten hin weniger Vorsichtsmaßregeln erheischt. Aeußerungen der Sympathie und des Patriotismus, wie sie in erhebender und umfassender Weise vorgekommen sind, vermögen wohl einen moralischen, aber keinen materiellen Einfluß auf die Regierungen zu üben. Ihnen zur Seite steht die Macht der Idee, der überzeugenden Wahrheit. Die freiwillige Ordnung, welche in die Ansammlung von Geldbeiträgen gebracht worden ist, und die sonstigen Vorbereitungen zu einer vermehrten Hilfeleistung an Schleswig-Holstein sind eben so wenig gegen innere Zustände bestimmt, als sie an materieller Macht ausreichen, selbst auf die kleinste Regierung einen faktischen Zwang zu üben. In diesem Sinne fassen wir die Bewegung, welche durch Deutschland zieht, als eine konservative auf und halten sie für weit entfernt von sog. revolutionären Tendenzen, vielmehr geeignet, da, wo solche etwa wären, dieselben zu absorbiren, jetzt, wie in einem ehrenvollen weitern Verlaufe. Damit aber ist allerdings nicht gesagt, daß sie nicht in der Folge eine andere Richtung annehmen könne, wenn die nationale Sache statt zur Ehre zur Schande, statt zum Rechte zum Unrechte betrieben, wenn dem Volke statt Vertrauens Symptome bösen politischen Gewissens entgegentreten. Die Geschichte lehrt, daß auch die berechtigten Bewegungen der Völker zu ­ ­tiefen Verstimmungen und zu gefährlichen Störungen führten, wenn ihnen

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muthwillig Hindernisse bereitet und ihnen das vernünftige Ziel vorenthalten wurde. Parteien und Regierungen, welche dieses Ziel mit zu erstreben verschmähen, weil es verlangt wird, welche dem gerechten Volkswunsche künstlich Dämme bauen, haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn das Volk sich von ihnen abwenden sollte. In Preußen wird der Regierung von der reaktionären Partei eine Politik angerathen, welche den Reminiscenzen der Periode huldigt, die den Jahren 1848 und 1849 folgte und welche dahin geht, deutsches Land dem Feinde preiszugeben und bei diesem Anlasse in den übrigen deutschen Staaten ihre reaktionären, d. h. freiheits- und fortschrittsfeindlichen Prinzipien zur Geltung zu bringen. Die Rathgeber übersehen zwei Dinge: daß man in den verflossenen zehn Jahren zu andern Erkenntnissen auch die Einsicht gewonnen hat, wie solche Politik zum Schaden der Regierungen selbst führt, und daß der Manteuffel-Schwarzenbergische Einfluß1 verfeindeten Regierungen und Völkern und der Neigung bei jenen begegnete, sich beeinflussen zu lassen. Heutzutage würden derartige Versuche Fürsten und Völker geeinigt und keinerlei Lust finden, die gemachten Erfahrungen zu wiederholen. Wir vertrauen den deutschen Regierungen, daß sie nicht durch falsche Rücksichtnahmen, sondern nur durch den Hinblick auf das Eine große Ziel, in Schleswig-Holstein Deutschlands Ehre und Recht zu vertreten, sich leiten lassen. Es ist zu keiner Zeit als für eine Regierung entehrend angesehen worden, dem Geiste der Zeit zu folgen. Es ist im Gegentheil das Streben weiser Staatsmänner stets dahin gerichtet gewesen, denselben zu begreifen und zu begleiten. Denn nur dann haben sie die Macht, ihn gelegentlich auch zu belehren und zu lenken.   Frankfurt am Main, 14. Januar 1864    Antrag zur Besetzung des Herzogtums Schleswig 

108. Abstimmung über den Antrag von Österreich und Preußen zur Besetzung der Herzogtums Schleswig

ProtDBV 1864, S. 32–40. Druck: Staatsarchiv, Bd. 6, S. 135–143.

Die Bundesversammlung lehnt den von Österreich und Preußen am 28. Dezember 1863 eingebrachten Antrag ab, das Herzogtum Schleswig als Pfand für die Erfüllung der Forderungen des Bundes gegen Dänemark zu besetzen. 1 Anspielung auf die gegenrevolutionäre und reaktionäre Politik der Ministerpräsidenten von Preußen, Otto Freiherr von Manteuffel (1805–1882), und Österreich, Felix Fürst zu Schwarzenberg (1800–1852), ab 1849. Vgl. dazu Steinhoff, Preußen und die deutsche Frage; Schoeps, Von Olmütz nach Dresden; Kiszling, Schwarzenberg; Lippert, Schwarzenberg.

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§ 32. Wahrung der dem Deutschen Bunde in Bezug auf Schleswig zustehenden Rechte. (3. Sitz. § 20. v. J. 1864.)

Präsidium bringt, dem in der letzten Sitzung (Prot. § 20) gefaßten Beschlusse gemäß, den in der 44. vorjährigen Bundestags-Sitzung von Oesterreich und Preussen gestellten1 und in der vorigen Sitzung erneuten Antrag wegen Wahrung der Rechte des Deutschen Bundes in Bezug auf Schleswig zur Abstimmung. Oesterreich und Preussen. Die Gesandten beziehen sich auf ihren Antrag und empfehlen auf’s Neue dringend dessen Annahme, indem sie bemerken, daß hierdurch am besten die dem Bunde in Bezug auf Schleswig zustehenden Rechte zur Geltung gebracht, hingegen durch das Einschlagen eines anderen Weges nur die Schwierigkeiten der jetzigen Sachlage gesteigert werden würden. Bayern. Die Königliche Regierung findet sich durch den Verlauf, welchen die vorliegende Angelegenheit seit ihrem Antrage vom 23. December v. J.2 genommen hat, in der Ansicht bestärkt, daß die Entscheidung der Frage der Erbfolge in den Herzogthümern vor jedem anderen Schritte dringend geboten ist, um die Maßnahmen übersehen zu können, welche der Bund in Bezug auf Schleswig zu beschließen haben wird. Die Königliche Regierung verkennt aber eben so wenig die Zweckmäßigkeit von Vorkehrungen, welche die Sicherung der Rechte bezwecken, deren Wahrung dem Bunde in diesem Herzogthume obliegt, und schließt sich daher dem Oesterreichisch-Preussischen Antrage nur in so weit an, als derselbe die militärische Besetzung Schleswigs durch Bundestruppen in Aussicht nimmt, und unter der Modification, daß diese Besetzung zur Wahrung der gedachten Rechte sofort stattzufinden habe. Königreich Sachsen. Die Königlich-Sächsische Regierung würde es an sich der Sachlage entsprechender erachten, wenn die dem Bunde vorliegende Frage wegen Anerkennung des rechtmäßigen Regierungsnachfolgers im Herzog­thum Holstein zunächst zum Austrag gebracht und alsdann erst zu 1 ProtDBV 1863, § 311, S. 613 f.; siehe Dok. 105. 2 Bayern hatte am 23. Dezember 1863 folgenden Antrag gestellt: „Hohe Bundesversammlung wolle den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit beauftragen, ohne weiteren Verzug die Frage der Erbfolge in den deutschen Herzogthümern eingehend zu prüfen und mit der der Dringlichkeit dieser Angelegenheit entsprechenden möglichsten Beschleunigung das Ergebniß dieser Prüfung der Bundesversammlung vorzutragen.“ Der Antrag war noch in der gleichen Sitzung angenommen worden. Vgl. ProtDBV 1863, S. 610–612.

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­ rgreifung derjenigen Maßnahmen geschritten würde, welche dem Bunde E ­geeignet und dringlich erscheinen möchten, um die seiner Obhut anheimfallenden Ansprüche in Bezug auf das Herzogthum Schleswig sicherzustellen. Angesichts jedoch der sehr wider ihren Wunsch und Willen andauernden Verzögerung dieser Entscheidung vermag die Königlich-Sächsische Regierung auch von ihrem Standpunkte aus es nur als eine Nothwendigkeit anzuerkennen, daß einer Besetzung des Herzogthums Schleswig durch Bundestruppen zu dem vorgedachten Zwecke nicht weiter Anstand gegeben werde. Sie würde jedoch eben diesem ihrem Standpunkte, welchen sie als den für den Deutschen Bund in rechtlicher und politischer Hinsicht allein gebotenen betrachtet, untreu werden, wollte sie ihre Zustimmung dazu ertheilen, daß nach dem Vorschlage der hohen Regierungen von Oesterreich und Preussen eine Aufforderung an die Königlich-Dänische Regierung gerichtet werde, welche im Voraus das Recht des Besitzes an Schleswig für Dänemark anerkennen hieße. Sie hält sich vielmehr verpflichtet, jeder derartigen Vernehmung mit dem Cabinet von Kopenhagen entschieden zu widersprechen. Die Königlich-Sächsische Regierung stimmt daher dem Antrage der hohen Regierungen von Oesterreich und Preussen nur unter der Bedingung bei, daß von jeder Aufforderung an Dänemark wegen Abänderung seiner Verfassung abgesehen und ausgesprochen werde, daß die Besetzung zur Sicherstellung aller vom Deutschen Bunde in Bezug auf Schleswig zu wahrenden Rechte, namentlich auch derjenigen erfolge, welche der Bund in Folge seiner bevorstehenden Entscheidung über die rechtmäßige Regierungsnachfolge im Herzogthum Holstein geltend zu machen sich veranlaßt sehen sollte. Zugleich hat die Königlich-Sächsische Regierung damit den Antrag zu verbinden, daß, um die Betheiligung des gesammten Deutschlands an dieser thatsächlichen Vertretung der nationalen Sache erkennbar werden zu lassen, auch die Betheiligung sämmtlicher Bundes-Armeecorps daran beschlossen werden möchte. Hannover. Der Gesandte ist angewiesen, gegen den Oesterreichisch-Preussischen Antrag zu stimmen, indem seine allerhöchste Regierung der Ansicht ist, daß vor weiterem Vorgehen wegen Schleswigs die Erbfolgefrage am Bunde ihre Erledigung gefunden haben müsse. Württemberg. Der Königliche Gesandte, welcher schon in der Bundestagssitzung vom 7. December v. J.3 den von seiner Regierung eingenommenen Standpunkt näher zu bezeichnen die Ehre gehabt hat, ist angewiesen, dem gegenwärtigen Antrage auf Besetzung des Herzogthums Schleswig mit Bundestruppen zunächst unter der Erklärung, daß durch die beantragte Maßnahme an dem durch den Bundesbeschluß vom 7. December 1863 ausgesprochenen Vor3 Siehe Dok. 97.

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behalte der von dem Deutschen Bunde zu fassenden Entschließung in der Erbfolgefrage nichts geändert werde; sodann aber unter der Bedingung zuzustimmen, daß in den zu fassenden Bundesbeschluß selbst das ausdrückliche Anerkenntniß aufgenommen werde, daß, wenn nach erfolgtem Einmarsch der Bundestruppen in das Herzogthum Schleswig die Aufhebung des Grundgesetzes vom 18. November v. J.4 erfolgen sollte, diese Thatsache allein nicht genügen würde, um sofort den Rückzug jener Truppen zu veranlassen, vielmehr dieser Rückzug dann nur in Folge eines neuen, alle Rechte Deutschlands und seiner Angehörigen beachtenden Bundesbeschlusses erfolgen könne. Zu Begründung dieses letzteren Verlangens ist der Königliche Gesandte noch Folgendes zu bemerken beauftragt. Die Königliche Regierung verkennt nicht, daß, nachdem einmal der König von Dänemark factisch im Besitze des Herzogthums Schleswig sich befindet, der Deutsche Bund, ehe und bevor über die Ansprüche anderer Prätendenten auf die Erbfolge in Holstein und Schleswig irgend ein Bundesbeschluß gefaßt ist, nicht wohl für berechtigt erkannt werden kann, den König von Dänemark sofort aus jenem Besitze mit Waffengewalt zu verdrängen, vielmehr der Bund zu einer Besetzung Schleswigs bei der jetzigen Sachlage nur aus dem Rechtstitel schreiten kann, weil der König von Dänemark seinen Besitz des genannten Herzogthums zu der Vornahme und beziehungsweise Durchführung von Acten in diesem Lande mißbraucht, welche, als eine Incorporation Schleswigs bezweckend, den Rechten deutscher Fürsten oder Länder, welche der Bund zu schützen hat, noch weitere als die schon bisher vorhanden gewesenen Hindernisse zu bereiten drohen. Allein wenn einmal wegen solcher einseitiger Handlungen des Königs von Dänemark der Deutsche Bund eine Besetzung des Herzogthums Schleswig hat vornehmen müssen und dadurch seinerseits in den Besitz des Landes gelangt ist, so ist es dann auch nach dem Dafürhalten der Königlichen Regierung seine Obliegenheit, diesen Besitz nicht eher wieder aufzugeben, als bis alle vom Bunde zu schützenden Rechte der Angehörigen Deutschlands als vollständig gewahrt zu betrachten sind. Würde Letzteres nicht anerkannt, so müßte die Königliche Regierung vorziehen, daß von einer Besetzung Schleswigs zur Zeit überhaupt abgestanden werde. Baden. Der Großherzogliche Gesandte hat in der von ihm in der Sitzung vom 7. December abgegebenen Abstimmung die Ansicht seiner allerhöchsten Regierung über die Unzulässigkeit und über die Mißstände eines Executionsverfahrens niedergelegt und muß auch in gegenwärtigem Stadium gegen alle Schritte sich erklären, welche von der gleichen Grundlage ausgehen, weil sie eine Präjudicirung der schwebenden Erbfolgefrage und zwar in einem nach 4 Siehe dazu oben Dok. 105, Anm. 3.

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der Auffassung seiner allerhöchsten Regierung ungerechtfertigten Sinne enthalten und weil sie unabsehbare praktische Verwickelungen in ihrem Gefolge haben müssen. Nach dem Urtheile der Großherzoglichen Regierung wäre es gemäß der Anforderung von Billigkeit und von Recht und zur Gewinnung einer sicheren Unterlage für weiteres Verfahren unerläßlich gewesen, die Legitimationsfrage für das Bundesland Holstein zunächst und ohne Verzug zu beantworten, und hat der Großherzogliche Gesandte hoher Versammlung diesen Weg nochmals vor einer jeden präjudicirlichen Schlußziehung dringend zu empfehlen. Ohne die Erledigung dieser Frage fehlt der thatsächlichen Intervention des Deutschen Bundes in dem Herzogthum Schleswig die rechtliche Basis. Es kann dieselbe nach Ansicht der Großherzoglichen Regierung nicht auf die Zusicherungen der vormaligen Königlich-Herzoglich-Dänisch-Holsteinischen Regierung gestützt werden, weil die bezüglichen Vereinbarungen durch die veränderte thatsächliche und rechtliche Lage nach Auffassung der Großherzoglichen Regierung hinfällig und gegenstandslos geworden sind. Sie kann auch nicht durch die allgemeinen Motive des Antrages der GroßherzoglichHessischen Regierung gerechtfertigt werden. In den durch letzteren Antrag dem Bunde vorgeschlagenen Maßnahmen würde vielmehr ein gewaltsames Vorgehen zu erblicken sein, zu welchem der Deutsche Bund nicht anders berechtigt sein würde, als zur Vertheidigung des legitimen Herzogs von Holstein, und also auf dessen eventuelle Gefährdung und bundesmäßige Hülfebeanspruchung hin. Die Regierungen, welche das Erbrecht des Herzogs in Holstein anerkennen und ihre Bereitwilligkeit für den Schutz desselben ausgesprochen haben, würden sich ihrerseits zwar in der Lage befinden, eventuell zu erwägen, ob sie demselben eine thatsächliche Unterstützung auch behufs des Herzogthums Schleswig gewähren wollen. Die hohe Bundesversammlung aber, welche ihrerseits mit einer solchen Anerkennung noch im Rückstand ist, befindet sich eben deßhalb noch nicht auf dem Punkte, über eine materielle Intervention schlüssig zu werden. So sehr die Großherzogliche Regierung ihrerseits bereit ist, die Rechte des Herzogs in Holstein mit allen Mitteln zu vertreten und seinen Besitzstand im Bundeslande Holstein schon jetzt gegen etwaige Angriffe vertheidigen zu helfen, so scheint ihr doch, was das Herzogthum Schleswig betrifft, für die Geltendmachung seiner und des Landes Holstein Rechte in Schleswig sich zunächst die Betretung der offenstehenden friedlichen Wege zu empfehlen und würde die Großherzogliche Regierung keinen Anstand nehmen, vor gewaltsamer Besitzerergreifung oder Inpfandnahme Schleswigs auf den Versuch einzugehen, diese Rechtspunkte auf einem allgemeineren Congreß europäischer Staaten zur Anerkennung zu bringen. Sowohl die Zusammensetzung

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dieses Congresses als die Voraussetzungen, auf welche hin er zusammentritt, müßten freilich wesentlich andere als die von der Königlich-Großbritannischen Regierung wiederholt vorgeschlagenen sein, und würde sich die Großherzogliche Regierung vorbehalten, seiner Zeit bezügliche Vorschläge zu ­formuliren. Sie geht dabei von der Anschauung aus, daß die manifestirte ­Einmüthigkeit des Holsteinischen Volkes für den Herzog Friedrich dessen Rechtsansprüchen auch nach dem Urtheile der europäischen Regierungen eine überwältigende Bestätigung gegeben haben muß. Ueberdieß könnte die Thatsache von denselben nicht unbeachtet bleiben, daß das Bundesland Holstein im Stande ist, auch ohne Gegenwart von Bundestruppen seine Selbstständigkeit gegen Angriffe zu vertheidigen und seine Rechte und Freiheiten aufrecht zu halten. Unter diesen Umständen glaubt die Großherzogliche Regierung, daß es der Sachlage entspricht und dem Interesse Deutschlands wie Schleswig-Holsteins förderlich ist, wenn der Bund, stark im Vertrauen auf die Gerechtigkeit der Sache, welche er in den Herzogthümern vertritt, den Versuch nicht scheut, ausgehend von der Thatsache der in Holstein hergestellten Uebereinstimmung zwischen Fürstlichem Anspruch und Landeswünschen, die Ordnung der das Herzogthum Schleswig betreffenden Verhältnisse zunächst auf friedlichem Wege zu verfolgen. Die Großherzogliche Regierung hält sich der eventuellen Zustimmung der Herzoglich-Holsteinischen Regierung für versichert, wenn sie die Beschreitung dieses Weges der Mäßigung, nach vorgängiger Anerkennung der Thatsache der Besitzergreifung des Herzogthums Holstein durch Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein, empfiehlt. So lange sie aber diese Aussicht auf einen friedlichen Austrag der durch den Hingang Königs Friedrich VII. von Dänemark entstandenen Streitpunkte festhalten kann, muß sie ihre Zustimmung zu unmittelbarer Anwendung von Gewaltmitteln, wie sie in den vorliegenden Anträgen der hohen Regierungen von Oesterreich, Preussen und Großherzogthum Hessen gelegen sind, ver­ sagen. Sie glaubt nicht, daß ein entsprechendes Verfahren des Bundes gedeutet werden könnte, als wollte er in irgend einer Weise Fragen, die seiner ausschließlichen Entscheidung unterstehen, einem europäischen Forum anheimgeben, oder als wollte er nicht das volle Maß der Rechte der Herzogthümer auch in Bezug auf Schleswig zur Geltung bringen. Die Großherzogliche Regierung geht vielmehr von der Ueberzeugung aus, daß nur durch die von ihr gewünschte Behandlungsweise, und also durch die unverzügliche Sicherstellung des Rechtszustandes in Holstein, die richtige Grundlage gewonnen werden wird, von der aus die Verfolgung der internationalen Ansprüche in Schleswig allein mit Erfolg stattfinden kann, und daß die

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Entschiedenheit in Erkämpfung derselben vornehmlich in der unverweilten Erfüllung der Pflichten bewiesen werden muß, welche dem Bunde innerhalb seiner zweifellosen Competenz in Betreff des Bundeslandes Holstein obliegen. Hiernach stimmt der Gesandte gegen den von den allerhöchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen eingebrachten Antrag. Kurhessen. Der Gesandte tritt dem Oesterreichisch-Preussischen Antrage unter dem Vorbehalte bei, daß der Frage in Betreff der Succession nicht präjudicirt werde. Großherzogthum Hessen. Der vorliegende Antrag der höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen unterscheidet sich von dem Seitens der Großherzoglichen Regierung gestellten Antrage wesentlich dadurch, daß der letztere die Sicherstellung der Rechte Deutschlands in Bezug auf das Herzogthum Schleswig für alle Eventualitäten bezweckt, während der erstere nur diejenigen Rechte im Auge hat, welche aus den bekannten Vereinbarungen von 1851/52 herzuleiten sind, keineswegs aber auch für die Sicherstellung derjenigen Rechte Fürsorge trifft, welche der Bund dann zu vertheidigen ­haben wird, wenn demnächst die Entscheidung in der Hauptfrage gegen die Fortdauer der bisherigen Personalunion der Herzogthümer Schleswig und Holstein mit dem Königreich Dänemark ausfallen sollte. Dem Antrage von Oesterreich und Preussen ist zwar die Bemerkung beigefügt, daß dadurch an der Wirkung des bereits gelegentlich des Bundesbeschlusses vom 7. December ausgesprochenen Vorbehaltes einer rechtlichen Prüfung der Erbfolgefrage selbstverständlich nichts geändert werden solle. Die Großherzogliche Regierung ist aber davon durchdrungen, daß ein solcher der Zukunft Alles anheimgebender Vorbehalt bei der gegenwärtigen kritischen Sachlage nicht mehr ausreiche, um für den Fall, daß die Erbfolgefrage im Sinne einer Lostrennung der Herzogthümer vom Königreiche Dänemark entschieden werden sollte, eine genügende Bürgschaft für die Geltendmachung der dann zu schützenden Rechte Deutschlands zu gewähren. Jedenfalls ist zu befürchten, daß der Bund, wenn er es in dem jetzigen Momente unterläßt, für die erwähnte Eventualität wirksame Fürsorge zu treffen, eintretendenfalls die dann ihm obliegende Aufgabe nur mit unverhältnismäßig größeren Schwierigkeiten und Opfern durchzufechten vermöchte. Die Großherzogliche Regierung kann daher die Besorgniß nicht unterdrücken, daß ein unthätiges Außerachtlassen jener eventuellen Rechte in dem gegenwärtigen ernsten Augenblicke die Gefahr einer demnächstigen völligen Preisgebung derselben in sich berge. Wollte und dürfte man aber auch den Fall einer demnächstigen Lostrennung der Herzogthümer von Dänemark einstweilen noch ganz außer Acht ­lassen, so hat die Großherzogliche Regierung doch bereits wiederholt ihre Ueberzeugung dahin ausgesprochen, daß es dem Interesse Deutschlands und

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der Herzogthümer nicht entsprechen würde, an den von Seiten Dänemarks andauernd mißachteten Vereinbarungen von 1851/52 noch länger festzuhalten, sondern daß der Bund besser thun werde, auf den Standpunkt des Bundes­ beschlusses vom 17. September 18465 zurückzukehren, um wenigstens die Wiederherstellung der althistorischen Verbindung der Herzogthümer Holstein und Schleswig herbeizuführen. Auch nach dieser Richtung entspricht also der lediglich die Vereinbarungen von 1851/52 berücksichtigende Antrag der höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen nicht den Anschauungen und rechtlichen Ueberzeugungen der Großherzoglichen Regierung. Wenn sich aber auch endlich die Großherzogliche Regierung auf den von ihr unmöglich zu billigenden Standpunkt stellen könnte, daß der Deutsche Bund auch jetzt noch vorerst keine andere Aufgabe zu lösen habe, als für die Sicherstellung der aus den Vereinbarungen von 1851/52 herzuleitenden Rechte Sorge zu tragen, so vermöchte sie doch den fraglichen Antrag nicht einmal zur Erreichung dieses beschränkten Zweckes für völlig ausreichend zu erachten. Es liegt zu Tage, daß – falls die Königlich-Dänische Regierung sich zur Zurücknahme der Novemberverfassung verstehen und durch diese Bewilligung der in Gemäßheit des Antrages noch zu stellenden Forderung dem ferneren thatsächlichen Vorgehen des Bundes vorbeugen sollte, dadurch nichts Anderes erreicht sein würde, als die Wiederherstellung derjenigen Sachlage, in welcher sich die Verfassungsfrage Schleswigs vor zwei Monaten befand. Nach der Ueberzeugung der Großherzoglichen Regierung handelt es sich aber um zu wichtige Rechte und Interessen und ist die Lage der Dinge eine zu gespannte, um sich jetzt mit der Erzielung eines solchen, im Grunde rein negativen Erfolges begnügen und das Uebrige ganz der Entwickelung der Zukunft anheimgeben zu können. So großen Werth daher auch die Großherzogliche Regierung darauf legt, in dieser ernsten Angelegenheit mit den ersten und mächtigsten Gliedern des Bundes Hand in Hand zu gehen, so hält sie es doch mit ihrem Gewissen für unvereinbar, einem Antrage zuzustimmen, dessen Annahme nach ihrer fest­ gegründeten Ueberzeugung keineswegs eine ausreichende Sicherstellung der Rechte und Interessen Deutschlands in Aussicht stellen, wohl aber nach mancher Richtung ernste Gefahren in sich bergen würde. Der Gesandte ist daher angewiesen, gegen den Antrag der höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen und für den von der Großherzoglichen Regierung in der Sitzung vom 28. December gestellten Antrag zu stimmen 5 In diesem Beschluß hatte die Bundesversammlung die Erwartung bekräftigt, daß der König von Dänemark „die Rechte Aller und Jeder, insbesondere aber die des Deutschen Bundes, erbberechtigter Agnaten und der gesetzmäßigen Landesvertretung Holsteins“ beachten werde. Vgl. ProtDBV 1846, S. 710 f.

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und dabei auf die ausführliche Motivirung dieses letzteren Antrages, welcher der leider noch immer verzögerten rechtlichen Entscheidung der eigentlichen Hauptfrage in keiner Weise vorgreifen soll, ausdrücklich Bezug zu nehmen. Der Großherzogliche Gesandte hält sich übrigens für ermächtigt, in zweiter Linie sich auch der bedingten Zustimmung der Herren Gesandten von Bayern und Königreich Sachsen zu dem Antrage Oesterreichs und Preussens anzuschließen, da nach seiner Ansicht diese bedingte Zustimmung mit dem diesseitigen Antrage völlig zusammenfällt. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Da die Königlich-Großherzogliche Regierung stets von der Ansicht ausgegangen ist, daß der Deutsche Bund über die Angelegenheiten des Herzogthums Schleswig sich mit der ­Königlich-Dänischen Regierung durch internationale Verhandlungen zu verständigen habe und da Allerhöchstdieselbe auch noch gegenwärtig wünscht, daß Alles vermieden werde, was zu einem Kriege führen könnte, so ist der Gesandte angewiesen, sich gegen eine militärische Occupation des zum Deutschen Bunde nicht gehörigen Herzogthums Schleswig auszusprechen. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Die Großherzoglichund Herzoglich-Sächsischen Regierungen vermögen dem vorliegenden Antrage nicht beizutreten, weil derselbe das vom Bunde nicht erfolgte und am wenigsten jetzt auszusprechende Anerkenntniß der rechtlichen Gültigkeit des Londoner Tractats vom 8. Mai 1852 zur Voraussetzung hat. Dagegen ist der Gesandte angewiesen, sich der Königlich-Sächsischen Abstimmung anzuschließen, hat jedoch bezüglich dieser Abstimmung der Herzoglich-Sachsen-Altenburgischen höchsten Regierung eine etwaige Erklärung vorzubehalten. Braunschweig und Nassau. Die Auffassung der Herzoglich-Braunschwei­ gischen Regierung in der Schleswig-Holsteinischen Frage hat bereits in deren Abstimmungen und Erklärungen in den Bundestagssitzungen vom 28. November und 7. December v. J. ihren Ausdruck gefunden. Die Herzogliche Regierung kann nicht umhin, an dieser Auffassung festzuhalten und da die dem Antrage von Oesterreich und Preussen gegebene Grundlage mit der von der Herzoglichen Regierung gewonnenen rechtlichen Ansicht nicht zu vereinigen ist, so sieht sich dieselbe außer Stande, dem gedachten Antrage ihre Zustimmung zu ertheilen. Der Gesandte ist daher angewiesen, gegen den Antrag zu stimmen und hat sich diesem Votum auch für die Curie anzuschließen. Dagegen ist der Gesandte ermächtigt, sich dem Großherzoglich-Hessischen Antrage anzuschließen und hält sich demgemäß auch für berechtigt, der im Wesentlichen denselben Zweck bezielenden heutigen Abstimmung, resp. bedingten Zustimmung zu dem Oesterreichisch-Preussischen Antrage des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten beizutreten.

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Meckenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Der Gesandte schließt sich der Abstimmung Kurhessens an. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte hat gegen den Antrag zu stimmen, mit der Erklärung für Oldenburg, daß ein Inpfandnehmen des Herzogthums Schleswig für die Erfüllung der Verabredungen, nach Ansicht der Großherzoglichen Regierung, keinen anderen Erfolg haben könne, als die Verwirklichung des Londoner Tractats. Er ist vielmehr angewiesen worden, für den Großherzoglich-Hessischen Antrag vom 28. December zu stimmen, aber ohne sich alle Motive desselben anzueignen. Eventuell ist er daher auch ermächtigt, der Fassung eines Beschlusses desselben Sinnes und Inhaltes beizutreten. Zugleich aber ist er zu der ausdrücklichen Bemerkung angewiesen, daß in ähnlichen Fällen wie der gegenwärtige eine vorgängige Berichterstattung durch einen Ausschuß erforderlich wäre. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Hom­ burg. Der Gesandte ist beauftragt, dem erneuerten Antrage der allerhöchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen zuzustimmen, ohne jedes Präjudiz für die Successions- und Erbfolgefrage, aus den Gründen, weil die Incorporation unter allen Umständen nicht zu rechtfertigen und deßhalb, ganz abgesehen von jeder Personalunion, ein Einschreiten zur Sicherung der Rechte des Deutschen Bundes im Betreff Schleswigs nach den Vorschriften der Bundesacte Artikel 1 und 11, und der Wiener Schlußacte Art. 2, 36 und 38 zum Schutze aller Rechte des Deutschen Bundes in Betreff Schleswigs nothwendig ist.6 Die deßfalls unverzüglich in Wirksamkeit zu setzenden Maßregeln können bei der Gefahr auf dem Verzuge nicht bis zur Entscheidung über die Erbfolgefrage ausgesetzt werden, zumal die Jahreszeit als die geeignetste betrachtet werden muß, um die Besetzung Schleswigs auf die verhältnißmäßig leichteste und möglichst schonende Weise für die Truppen in Ausführung zu bringen. Für Reuß älterer Linie ist der Gesandte angewiesen, der Königlich-Sächsischen Abstimmung beizutreten und für Reuß jüngerer Linie und Waldeck gegen den Antrag zu stimmen. Freie Städte. Der Gesandte hat nach den ihm gewordenen Instructionen gegen den Antrag von Oesterreich und Preussen in seiner vorliegenden Fassung zu stimmen, eventuell ist er ermächtigt, Namens der Curie wie Bayern und Königreich Sachsen zu stimmen, unter Vorbehalt einer eventuellen besonderen Erklärung für Hamburg. Präsidium erklärte, daß nach den vorliegenden Abstimmungen der Antrag von Oesterreich und Preussen abgelehnt sei. 6 Die angeführten Artikel enthielten Bestimmungen zum Schutz der Bundesglieder vor Angriffen durch auswärtige Staaten. Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 85, 87, 91, 96 f.

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Oesterreich und Preussen. Angesichts der eben erfolgten Ablehnung ihres gemeinsamen Antrages müssen die allerhöchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen lebhaft bedauern, daß die gehoffte Verständigung über die von ihnen zur unverweilten Sicherung der Rechte des Deutschen Bundes in Bezug auf Schleswig vorgeschlagenen Maßregeln nicht erzielt worden ist. Unter solchen Umständen glauben die beiden Regierungen in der ihnen durch ihre Dazwischenkunft bei Herbeiführung der jene Rechte feststellenden Stipulationen von 1851/52 erwachsenden besonderen Stellung, sowie wegen der großen Dringlichkeit der Sache sich der Pflicht nicht entziehen zu dürfen, die Geltendmachung jener Rechte in ihre eigenen Hände zu nehmen und ihrerseits zur Ausführung der in ihrem Hauptantrage vom 28. v. M. und J. bezeichneten Maßregeln zu schreiten. Durch Abgabe vorstehender Erklärung kommen die Gesandten dem Auftrage ihrer allerhöchsten Regierungen nach. Bayern. Die Königliche Regierung sieht sich in Folge dieser Erklärung veranlaßt, ihrerseits dem Bunde, welcher zunächst dazu berufen ist, die Rechte und Interessen Deutschlands zu wahren, die weiteren Entschließungen in dieser Angelegenheit vorzubehalten, nachdem das in Aussicht gestellte Vorgehen Oesterreichs und Preussens lediglich als ein Ausfluß ihrer Stellung als europäische Mächte betrachtet werden kann. Königreich Sachsen. Der Gesandte hat Namens seiner höchsten Regierung entschiedene Verwahrung gegen die beabsichtigte Maßregel einzulegen, sofern der Einmarsch in Schleswig nicht ohne Durchmarsch durch Holstein zu gewärtigen ist und dieses Bundesland, welches jetzt im ausschließlichen Besitze des Bundes sich befindet, nur mit dessen Genehmigung betreten werden darf, wenn anders das Bundesverhältniß nicht mißachtet und verletzt werden soll. Württemberg. Der Gesandte schließt sich den Verwahrungen von Bayern und Königreich Sachsen an. Baden: schließt sich der Verwahrung Bayerns an. Großherzogthum Hessen: deßgleichen. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der Gesandte schließt sich für Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen und Sachsen-CoburgGotha der Königlich-Sächsischen Verwahrung an. Braunschweig und Nassau. Der Gesandte schließt sich für die Curie der Verwahrung Bayerns an. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg: deßgleichen. Oesterreich und Preussen. Die Gesandten müssen sich gegen diese Verwahrung ihrerseits auf das entschiedenste verwahren und ihren allerhöchsten Regierungen jede weitere Erklärung und Entschließung vorbehalten.

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Adresse des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein

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109. Adresse des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein

StA Marburg, Bestand 73, Nr. 1361. Druck von Friedr. Scheel in Cassel.

Der Ausschuß kritisiert die kurhessische Abstimmung in der Bundesversammlung am 14. Januar. Der Anschluß Kurhessens an Österreich und Preußen isoliert Kurhessen von fast allen übrigen Bundesstaaten und verletzt auch das eigene Interesse Kurhes­ sens. Die Auflehnung der beiden Großmächte gegen die Souveränität der übrigen Bundesgenossen droht zum Bürgerkrieg zu führen, und Hessen und sein Kurfürst kön­ nen nur bestehen, wenn sie mit den Mittelstaaten zusammenstehen. Das kurhessische Ministerium wird aufgefordert, auf den Kurfürsten in diesem Sinn einzuwirken.

Kassel, 16. Januar 1864 Der hiesige Ausschuß für Schleswig-Holstein hat heute Mittag 12 Uhr dem Minister des Auswärtigen, Herrn Abée, folgende Adresse überreicht: Hohes Ministerium! Die unterzeichneten Mitglieder des Ausschusses für Schleswig-Holstein bitten gehorsamst nach Inhalt: Von ihren Mitbürgern ausersehen, um, so oft es Noth thut, Zeugniß abzulegen von dem Geiste, welcher die Haupt- und Residenzstadt des Landes und mit ihr, wir wissen es, das ganze Land und die ganze kurhessische Bevölkerung in der großen schwebenden Tagesfrage erfüllt, können wir nicht umhin, an ein hohes Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten mit ernster patriotischer Mahnung uns zu wenden. Bei der Wahrung der höchsten Interessen unseres deutschen Vaterlandes ist Hochdasselbe berufen, den Kurstaat seiner Würde, den kurhessischen Stamm seiner Ehre entsprechend zu vertreten. Bis gestern noch sah man, gestützt auf die feierlichen Zusagen der Thronrede1, beruhigt auch durch das vernichtende Urtheil, welches das officielle Zeitungsorgan der Regierung über das Londoner Protokoll gefällt hatte, mit Vertrauen der weiteren Entwickelung der Dinge entgegen. Wir haben es absichtlich und nicht ohne hier und da mißverstanden zu sein, vermieden, die politischen Leidenschaften in Athem zu setzen, um den lauernden Feinden zu der berüchtigten Verdächtigung, als ständen die Regierungen der Mittel- und 1 In der Thronrede vom 22. Dezember 1863 hatte die Regierung sich ausdrücklich dazu bekannt, „das Recht und die Ehre der deutschen Nation“ zu verteidigen und der Bundesversammlung ihre freudige Mitwirkung „bei Erfüllung der deshalbigen bundesmäßigen Verpflichtungen“ zugesagt; StA Marburg, Bestand 73, Nr. 1361; Verhandlungen des Kurhessischen Landtags vom 17. December 1863 bis zum 22. December 1864. Landtagsperiode 1864/66. 1. Bd. Kassel 1866, S. 14–16.

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kleinen Staaten unter einem ungesetzlichen Einfluß ihrer Bevölkerungen, auch den leisesten Anlaß zu nehmen. Die gestern bekannt gewordene Frankfurter Abstimmung vom 14. d. M.2 hat das bisherige Vertrauen stark erschüttert. Wiederum mußten wir Kurhessen von fast allen seinen übrigen Bundesgenossen geschieden, an der Seite von Oesterreich und Preußen erblicken. Wohl wissen wir, daß nach Ansicht hohen Ministeriums auch diesmal der Entscheidung über die Erbfolge weder rechtlich noch factisch hat vorgegriffen werden sollen. Aber zunächst schon der Umstand, daß unsere Regierung mit dieser Ihrer Auffassung so ganz allein stand, hätte ernste Zweifel an der Untrüglichkeit derselben erwecken sollen. In einer Zeit, wie die heutige, kann eine Politik, die Niemand, ob hoch oder niedrig, versteht, eine Politik, über welche, wäre sie beschlossen, die Freunde verzweifeln, die Feinde triumphiren würden, unmöglich gute Früchte tragen. Sodann sprechen aber auch die offenbarsten Thatsachen gegen die Abstimmung vom 14. d. M. Denn nur Zweierlei, entweder das Vertrauen zu der preußisch-österreichischen Führung oder die Hoffnung, die beiden Großmächte würden wider ihren Willen vom Gang der Ereignisse fortgerissen werden, hätte dieselbe rechtfertigen können. Wo aber sind denn Grundlagen für dieses Vertrauen, wo die Unterstützungen für diese Hoffnung? Einstimmig tönte noch jüngst von Kiel der warnende Ruf zu Deutschlands Fürsten, zu seinem Volke herüber. Mit dem wohlfeilen Verdacht, die tapferen Holsteiner dächten an andere Bahnen, als welche das Recht vorschreibt, wird man das eigene Gewissen vergebens zu beruhigen suchen. Endlich aber mußte auch das eigene Interesse Kurhessens vor dem Bunde mit Preußen und Oesterreich zurückschrecken. Denn die offene Auflehnung der beiden Großmächte gegen die Souverainetät der übrigen Bundesstaaten, vielleicht morgen schon – Gott wolle solch Unheil gnädig von uns wenden – in hellen Flammen zum Bürgerkrieg auflodernd, war uns zu unumwunden ­angekündigt. Nur im muthigen Verein mit Baiern, Württemberg, Sachsen und den sonst entschlossenen Bundesstaaten wird Hessen – Hessen und Unser ­Allergnädigster Kurfürst – unser souverainer Landesherr bleiben. Dort liegen die Gefahren, die uns drohen, nicht aber in dem so durch und durch gesetzlichen Verhalten eines um seine höchsten Güter besorgten, zu jedem Opfer bereiten Volkes! Hohes Ministerium! Noch ist es Zeit! Hochdaselbe wolle, eingedenk seiner Verantwortung vor dem Urtheil der Geschichte, Unseren Kurfürsten ehrlich und entschlossen beraten und lieber den anbefohlenen Platz am Steuer verlas2 Siehe Dok. 108.

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Adresse des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein

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sen, als zugeben, daß das Staatsschiff dem Untergang entgegen geht. Hohes Ministerium wolle unsere, nur vom reinen Feuer der Begeisterung für Deutschlands und für Hessens Wohl dictirte Mahnung einer sorgfältigen Erwägung unterziehen und bei unserem Kurfürsten unter der Betheuerung, daß sein treues Hessenvolk nicht preußisch werden will, ein voll und ganz beruhigendes Fürstenwort in aller Kürze erwirken. In schuldiger Ehrerbietung verharren Kurfürstl. Ministeriums gehorsamste Der Ausschuß für Schleswig-Holstein: Dr. Bernhardi. Ebert. Eggena. Dr. Falckenhainer. Hahndorf. Dr. R. Har­ nier. Henkel. Ch. Hoffmann. S. Horschitz. C. H. Kümmel. H. Landgrebe. Ne­ belthau. Dr. F. Oetker. G. Pinhard. Renouard. C. Stück. Dr. Weigel. Wiegand. Dr. Wippermann. Zuschlag.3

3 Karl Christian Sigismund Bernhardi (1799–1874), Bibliothekar, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1859–1874 Leiter kurhessischen Landesbibliothek in Kassel; Dr. Wilhelm Falckenhainer, Pfarrer der französischen Gemeinde in Kassel; Salomon Abraham Hahndorf (1801–1890), liberaler Journalist; Richard Adolf Rudolf Harnier (1820–1885), Jurist, 1850–1870 Obergerichtsrat in Kassel, 1862–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Heinrich Ludwig Michael Henkel (1802–1873), Anwalt, 1833, 1845–1850 und 1862–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Sally Horschitz (1822–1883), Wollhändler; Carl Heinrich Kümmel, Kaufmann und Likörfabrikant; Friedrich Wilhelm August Nebelthau (1802–1875), Jurist, 1845–1852 und 1856–1863 Beigeordneter der Kasseler Stadtverwaltung, seit 1836 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung, 1864 Oberbürgermeister von Kassel; Friedrich Oetker (1809–1881), Publizist und Verleger, 1848–1850 und 1862–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Georg Pinhard, Lederfabrikant; Karl Renouard (1809–1875), Offizier und Militärschriftsteller; Carl Stück, Lackier-Fabrikant; Hermann Gustav Adolf Weigel (1828–1887), Jurist, ab 1862 Obergerichtsanwalt in Kassel, 1863–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Eduard Wiegand (1815–1877), Regierungsrat in Kassel, 1848–1850 Landtagskommissar, 1862–1863 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Carl Ferdinand Liborius Wippermann, gen. von der Wipper (1831–1911), Professor der Rechte in Heidelberg, Publizist, 1861–1872 Redakteur der „Hessischen Morgenzeitung“, 1861–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Georg Heinrich Zuschlag (1814–1877), 1852–1854 Mitglied des Kasseler Stadtrats, 1855–1856, 1862–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung. Angaben nach: ADB; Losch, Die Abgeordneten der kurhessischen Ständeversammlung; Grothe (Hrsg.), Die Abgeordneten der kurhessischen Ständeversammlungen; Kassel-Lexikon; Lengemann, MdL Hessen; AdreßBuch von Kassel und Umgebungen 1864. – Die Identität von Ebert, Eggena, Ch. Hoffmann und H. Landgrebe läßt sich nicht eindeutig ermitteln.

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Leipzig, 21. Januar 1864

110. Leitartikel in der Leipziger Zeitung1

Leipziger Zeitung Nr. 18 vom 21. Januar 1864, S. 341–344.

Die Krise des Deutschen Bundes ist verursacht durch die beiden deutschen Groß­ mächte, die ihm keine Machtentfaltung zugestehen. Falls die Kabinette von Öster­ reich und Preußen auf dieser Bahn beharren, kann der Bund nicht mehr lange über­ leben. Sie halten in der Schleswig-Holstein-Frage an Verträgen fest, die ohne den Deutschen Bund geschlossen wurden und die gegen deutsches Recht und deutsche Interessen verstoßen. Um den Bund zu retten und die nationalen Interessen wahrzu­ nehmen, müssen Österreich und Preußen ihre Großmachtinteressen hintanstellen und auf den Boden des Bundes zurückkehren. Damit würden sie den Dank der Nation ernten und die Neugestaltung des Deutschen Bundes ermöglichen. Der Bund ist eine europäische Notwendigkeit, und wer ihn zertrümmert, frevelt am deutschen Vater­ land.

Leipzig, 21. Januar 1864 Die Krisis im Deutschen Bunde.* Die verhängnißvolle Krisis, in die sich der Deutsche Bund gedrängt sieht, ist die erste von tiefer eingreifender Bedeutung, welche überhaupt an ihn herantritt. Diesem Bunde, wie er ist, verdankt Deutschland als Gesammtheit seine völkerrechtliche Stellung, seinen fünfzigjährigen Frieden, den Schutz, welchen die Glieder desselben für ihr gutes Recht ansprechen dürfen. Wir haben, wie die Dinge einmal liegen, vorerst kein anderes gemeinsames Band, das uns Alle zusammenhält. Gewiß läßt dieser Bund in vielen seiner Einrichtungen zu wünschen übrig und die Ueberzeugung, daß durchgreifende Reformen dringend nöthig seien, findet gerade in unseren Tagen sehr starken Ausdruck. Namentlich hat es von Seiten der mittleren und kleineren Staaten nicht an dem guten und ehrlichen Willen gefehlt, die Mängel zu beseitigen, und dem Bedürfnisse der Nation entgegen zu kommen. Es ist nicht die Schuld dieser Staaten, daß seither ihre * Wir geben den obigen Artikel als Ausdruck der Stimmung auch in den höheren Gesellschaftskreisen. 1 Die Leipziger Zeitung leitet ihre Entstehung von der ersten Leipziger Tageszeitung von 1650 her. Sie zählte zu den offiziellen Blättern der Stadt und wurde zunächst vom Staat verpachtet, wobei der Verleger seine Redakteure selbst auswählen durfte. Seit dem 1. Januar 1831 war die Zeitung ein amtliches Regierungsorgan, die Redakteure wurden von der sächsischen Regierung ernannt und instruiert. Seit 1853 unterstand die Zeitung einem königlichen Kommissar, von 1856 bis 1879 hatte dieses Amt der Publizist und sächsische Regierungsrat Cäsar Dietrich von Witzleben (1823–1882) inne. Nach dem Ende der Monarchie wurde die Leipziger Zeitung 1918 eingestellt. Vgl. Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert, S. 19; Hense, Leipziger Zeitung.

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Leitartikel in der Leipziger Zeitung

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Bemühungen gescheitert sind; nicht an ihnen hat es gelegen, wenn der Bundestag nicht in der Lage war, eine ersprießliche Wirksamkeit im Sinne der Reform zu bethätigen. Die Hindernisse sind allemal von anderer Seite gekommen, aber das Odium für das Meiste, was durch den Bundestag gethan oder nicht gethan worden ist, hat man ihnen zugeschoben. Der Bund, das unterliegt keinem Zweifel, würde eine ganz andere, den wirklichen Machtverhältnissen der deutschen Nation angemessenere Stellung in Europa längst eingenommen haben, wenn nicht von mehr als einer Seite her offen und insgeheim consequent ein Streben sich gezeigt hätte, ihn lahm zu legen, ihn zu hemmen, seine Bedeutung abzuschwächen und eine zeitgemäßere Entwickelung zu verhindern. Sagen wir es, weil die Geschichte doch einmal Thatsachen in Fülle an die Hand giebt, offen heraus, daß die beiden Staaten, welche zugleich als europäische „Großmächte“ betrachtet sein wollen, eine solche Entwickelung und eine eigentliche Machtstellung des Bundes verhindert haben. Für sie hat der Spieß nur zwei Spitzen gehabt. Je nachdem es ihnen für ihre „Großmachtsstellung“ zu passen schien, rückten sie ihr deutsches oder europäisches (vermeintliches oder wirkliches) Interesse in den Vordergrund; sie verlegten oft den Schwerpunkt nach Wien oder Berlin, während er für die Bundesangelegenheiten nur allein in Frankfurt hätte sein sollen. Sie zeigten ein Janusgesicht. Föderative Verbände, das lehren die Jahrhunderte seit den Tagen des Alterthums, haben ihre Gebrechen. Sie sind vielfältig und nicht selten paßt das: quot capita tot sensus.2 Sie können sich aber nicht fest bewurzeln, sobald den eigenen Theilen die bundestreue Gesinnung für das Ganze fehlt, wenn sie nicht unter allen Umständen vom Bewußtsein der Pflichterfüllung gegen die Bundesgenossen durchdrungen sind. Gewiß giebt es Einzelbelänge, die eine volle Berechtigung für sich in Anspruch zu nehmen haben, und diesen genügt auch ein föderativer Verband, weil er sich eben durch Mannichfaltigkeit in der Einheit kennzeichnet. Aber von Uebel ist allemal die Verfolgung solcher Zwecke, durch welche die Bundesgesammtheit geschädigt wird, und auch in dieser Beziehung lehrt die Geschichte, daß dann allemal der Einzelne wie das Ganze in Nachtheil geräth. Deshalb hat auch die Republik der Vereinigen Niederlande sich wohl gehütet vor solchen politischen Sünden und Unklugheiten, die mehr als einmal zum Verbrechen an ganzen Nationen geworden sind. Denn sie öffnen der Einmischung des Auslandes Thür und Thor. Eine solche dürfen wir Deutschen auf keinen Fall dulden, komme was

2 Lat. für: Wieviele Köpfe, soviele Meinungen. – Die Sentenz ist angelehnt an Horaz, Satiren II 1, 27 f.: „quot capitum vivunt, totidem studiorum / milia“ („wievieltausend Köpfe leben, sovieltausend Bestrebungen gibt es“).

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da wolle; es ist genug an einem Elsaß, am Rhein, wir brauchen kein zweites an der Elbe.3 Noch besteht der Deutsche Bund, seine äußeren Formen sind bis heute nicht zertrümmert worden. Aber wir sehen nicht ab, wie ihm auch nur noch kurze Dauer gefristet werden könne, falls die beiden Großmachtscabinette auf der Bahn beharren, welche unheilvollerweise von ihnen eingeschlagen worden ist. Wir sagen: die Cabinette, denn das Volk in Preußen wie in Deutschösterreich ist diametral anderer Ansicht, als die betreffenden Regierungen; es hat in unzweideutiger Weise seine Ansichten ausgesprochen, es hat Sinn und Gefühl für die Ehre Deutschlands, und für das gute Recht Schleswig-Holsteins. Zwei Cabinette steifen sich darauf, an einem Vertrage4 festzuhalten, durch welchen nicht ein einziges Interesse gewahrt wird, dem selbst eine rabulistische Sophistik auch nur einen schwachen Schein zu geben vermöchte, als ob es ein Deutsches sei. Diesem Vertrage fehlt zudem nicht weniger als Alles, um irgend eine Giltigkeit ansprechen zu können. Er steht da als ein Act europäischer Willkür, als Ausdruck einer vermeintlichen Nothwendigkeit, die in der That und in der Wahrheit gar keine solche ist. Er warf die Legitimiät der Thronfolge über Bord, indem er die Berechtigten so gut wie unbeachtet ließ; er fragte die Stände Schleswig-Holsteins weder um ihre Meinung, noch um ihre Einwilligung; er hat sich um den Deutschen Bund nicht gekümmert, die Contrahenten sind zu Werke gegangen, als ob derselbe gar nicht vorhanden sei. Und jetzt wundern sich noch jene „Großmächte“, welche Mitglieder dieses Bundes sind, daß der letztere das gute Recht zur Geltung bringen will! Dazu kommt, daß der eine Contrahent, Dänemark, auch nicht eine einzige der vertragsmäßig übernommenen Verpflichtungen erfüllt hat. Wenn das ein „perfecter“ Vertrag ist, so steht er wenigstens einzig da. Wir halten ihn für eine politische Ungeheuerlichkeit. Das Verfahren, durch welches er zu Stande kam, war geradezu monströs. Sobald die Methode, nach welcher man 1852 verfuhr, nicht eine beklagenswerthe Ausnahme bleibt, wenn sie zur definitiven Geltung kommen und zur Norm, oder auch nur zu einer beliebten Maxime, zu einem Auskunftsmittel werden sollte, dann ist die Willkür und die Anarchie von Seiten der Großmächte ein für allemal proclamirt; dann giebt es für keinen europäischen 3 Das Elsaß hatte im Mittelalter zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehört, war aber seit dem 17. Jahrhundert unter französische Herrschaft gelangt. Im Westfälischen Frieden von 1648 hatte Österreich endgültig alle Rechte im Elsaß an Frankreich abgetreten. Vgl. ­Vogler, Geschichte des Elsass. – Der Autor der Leipziger Zeitung befürchtete, dass die Uneinigkeit der deutschen Großmächte in ähnlicher Weise zum Verlust von deutschen Territorien an einen auswärtigen Staat führen könnte, nämlich der Herzogtümer an der unteren Elbe an Dänemark. 4 Gemeint ist das Londoner Protokoll von 1852.

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Leitartikel in der Leipziger Zeitung

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Staat Sicherheit und Recht mehr, dann tritt an ihre Stelle die platte Gewalt, welche keine andere Rechtfertigung für sich anzuführen weiß, als die vermeintliche Zweckmäßigkeit. Dann haben wir ein System der Barbarei und Vergewaltigung verübt durch die großen Cabinette. Wenn aber auch das sonnenklare Recht von oben her weggeworfen wird, gleich einem abgetragenen Kleide, woher soll dann im Volke Achtung vor Recht und Besitz kommen? Die Logik wird sein, daß die Revolution von unten herauf eine gleiche Befugniß in Anspruch nimmt. Wie unweise die Großmächte verfuhren, als sie Riemen aus anderer Leute Haut schnitten und jenen unheilvollen Londoner Vertrag schlossen, zeigt sich nur allzuklar. Daß Deutschland, die Nation und jene Regierungen, welche das Recht achten, ihm widerstreben würde, mußten jene sich selber sagen. Denn so viel auch durch Umgehung des Bundes geschehen ist, um den Bund zu keinem Ansehen in Europa gelangen zu lassen, und um seine schwachen Seiten vor dem eigenen Volke, oft nicht ohne Schadenfreude, bloszulegen, – so weit konnte die Geduld Deutschlands nicht gehen, daß es sich bei einem so flagranten Falle selber in Abgang decretiren und zu einem Spielball der „hohen Politik“ der großstaatlichen Cabinette hätte herabdrücken mögen. Es giebt Fragen, welche mit Fracturschrift auch von „nicht zünftigen“ Diplomaten beantwortet werden können. Und was für eine Diplomatie ist das, welche einen an sich ungiltigen Vertrag schließt oder an ihm hält, auch wenn er den Deutschen Bund aus den Fugen zu drängen und einen Krieg heraufzubeschwören droht, durch welchen ohne allen Zweifel ganz Europa in Flammen gerathen wird! Und das Alles, um durch Verletzung der Rechte und Vergewaltigung Anderer, zur Schande und auf Kosten Deutschlands, künstlich einen Staat aufrecht zu erhalten, der schon seit langer Zeit nicht leben und nicht sterben kann! Es gehört eine eigene Art staatsmännischer Einsicht dazu, dieses Dänemark für eine „europäische Nothwendigkeit“ auszugeben. Freilich, wenn ein in ewigen Agonien hinsiechender, oftmals fieberhaft aufgeregter, den Demagogen der Straße und des Salons verfallener, geographisch auseinander gerissener kleiner Staat, der allezeit nur ein Spielball fremder „Großstaaten“ sein kann, und aus zwei einander auf den Tod hassenden Völkern gewaltthätig zusammengesetzt ist, – wenn, sagen wir, ein solcher, in sich lebensunfähiger Staat, eine europäische Nothwendigkeit bildete, dann wäre einiger Sinn und Verstand im Londoner Vertrage, dann ein rationeller Grund für das Verfahren der Großmächte zu finden, obwol [sic] dadurch die Sache selbst nicht um ein Haar besser gemacht würde, denn die Willkür und Rechtsverletzung, die Kränkung, welche man den Herzogthümern angethan, bleibt dieselbe. Aber es giebt keinen einzigen Grund, dieses nach allen Seiten hin impotente Dänemark für eine europäische Nothwendigkeit zu halten, wol [sic] aber liegt es

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für Jedermann, der die Verhältnisse kennt, auf der flachen Hand, daß dieses Dänemark nur eine europäische Verlegenheit bleiben wird, möge es „Gesammtstaat“ sein oder nicht. Die Alternative ist sehr einfach. Erstens. Die Willkür und Gewalt siegt, die Herzogthümer werden durch die Großmächte den Dänen wieder überantwortet, mit Clauseln, deren Unwerth wir seit 1852 kennen; der Deutsche Bund wird völlig lahm gelegt oder auseinandergesprengt; die Nation trägt, bis zu einem neuen Bruch, ihre Er­ bitterung über das Abscheuliche in tiefster Brust. Die Spannung und Ent­ fremdung zwischen den rechtsliebenden, zur patriotischen Pflichterfüllung geneigten und willfährigen Regierungen und den, sich an ihre seitherigen Bundesgenossen nicht kehrenden, Deutschlands Interessen hinter ihre „Großmachtsinteressen“ völlig zurückstellenden Cabinetten bleibt einerseits. Ebenso bleibt die Bitterkeit in den beiden Ländern dieser Großstaaten über die Rolle, welch in dieser Existenz[-] und Ehrenfrage Deutschlands ihre Cabinette sie haben spielen lassen, und sie wird sich, über Kurz oder Lang, zum Ausdruck zu bringen wissen. Man geht mit dem Auslande, (welches doch allezeit darnach gestrebt hat, Deutschland nicht zur Machtentwickelung gelangen zu lassen,) gegen das, ohne Unterschied der Parteien – oder Stände, von den Thronen bis in die letzten Hütten, von Schleswig-Holsteins gutem Recht überzeugte deutsche Volk und erklärt, daß Deutschland an Schwindel leide, und daß es von toller Verrücktheit (foolish frenzy, wie die Times in diesen Tagen sagte5,) gepackt sei. Das also kann man thun. Und was wäre die Folge? Ruhe in Europa doch wahrhaftig nicht; Achtung vor den Cabinetten eben so wenig, und am allerwenigsten6 die Kräftigung eines so monströs zusammengesetzten Staates wie Dänemark; von welchem die eine Hälfte der Bewohner nichts wissen mag, den sie haßt, verachtet, und zu hassen volle Ursache hat. Und solch ein Staat gilt gewissen Diplomaten für eine „europäische Nothwendigkeit“! Barmherziger Himmel: quelle grandeur des vues, quelle sagacité! Wo lernt man solche Staats-Weisheit, in welcher Schule? Jenes ­Dänemark ist, so wie Griechenland, an welchem auch in so eigenthümlicher Weise herumexperimentirt wird, eine Staatscarricatur, an welcher einige Cabinette Gefallen finden, der zu Liebe sie Alles zu unterst und zu oberst kehren 5 Die „Times“ berichtete im Januar nahezu täglich über die Ereignisse in Schleswig-Holstein und die aufgebrachte Stimmung in Deutschland gegenüber Dänemark. Die von der „Leipziger Zeitung“ zitierte Formulierung „foolish frenzy“ läßt sich allerdings nicht nachweisen. In einem Artikel des Korrespondenten der „Times“ aus Hamburg („Denmark and Germany“) ist die Rede von den „angry passions at present raging in Germany“; The Times, 7. Januar 1864, S. 9. 6 Emendiert. Vorlage: allerwenigstens.

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und sich um das Recht so wenig kümmern, als sei es keinen Pfifferling werth. Shylok bestand auf seinem Schein; er wollte sein Pfund Fleisch herausschneiden. So halten die Cabinette an dem Londoner Vertrage, der doch ungiltiger ist als der Schein des venetianischen Juden; denn dieser Schein war doch wenigstens mit Antonio’s Einwilligung ausgestellt worden.7 Zweitens. Diejenigen deutschen Regierungen, welche das Recht achten und für dasselbe einstehen, bleiben fest, lassen den Bund, und die Verpflichtungen welche er allen Betheiligten auferlegt, nicht ohne weiteres cassiren. Sie haben die Nation für und hinter sich, wirken einmüthig mit ihr zusammen, und scheuen kein Opfer um in muthiger, ehrenvoller Weise Deutschland über die schwere Krisis hinwegzuhelfen. Sie zeigen, daß die Legitimität der Herrscher wie jene der Volksrechte, wenigstens ihnen, heilig sind; sie wahren ihre Ehre und thun was die Pflicht gebietet. Dann retten sie in Schleswig-Holstein das gute Recht, erwerben den Dank der gesammten Nation, schreiben sich ein Ehrenblatt in den Jahrbüchern der vaterländischen Geschichte, ihrem Namen wird nicht geflucht, denn sie schaffen kein zweites Elsaß. Zu solchen Führern, denen das Vaterland keine Phrase ist, wird die deutsche Nation Vertrauen haben; mit ihnen wird es in gutem Glauben eine Neugestaltung des Bundes erlangen. Sie werden es ehrlich mit dem Bunde meinen, in ihm kein Werkzeug zur Erreichung particularistischer Zwecke sehen, sondern ein Mittel zur Kräftigung des Vaterlandes und zur Begründung einer Machtstellung in Europa, wie sie uns gebührt, und die dem Einzelnen wie dem Ganzen Ehre bringt. Die Krisis hat auch schon ihr Gutes gehabt. Beklagenswerthen Richtungen und Bestrebungen gegenüber sind die alten Parteien, welche in so unerquicklicher Weise haderten, zerstoben. Die projecirte „Spitze“ hat keine morali­ sche[n] Eroberungen gemacht und sich selber die Spitze abgebrochen; die groß-deutsche Partei hat sich überzeugt, daß die Voraussetzungen, auf welche sie rechnen zu dürfen glaubte, nicht zutreffen. So ist wieder eine Bahn geworden. Die praktischen Männer der verschiedenen Richtungen, welche seither über Grundfragen auseinander gingen, nähern sich einander, und dann sehen wir die Ansätze einer neuen Partei, die bald aufhören wird, eine Partei zu 7 Anspielung auf William Shakespeares Drama „Der Kaufmann von Venedig“, in dem der jüdische Geldverleiher Shylock von dem Kaufmann Antonio für einen Kredit statt einer Zinszahlung „ein Pfund Fleisch“ aus Antonios Körper verlangt, falls dieser das geliehene Geld nicht rechtzeitig zurückzahlt. Antonio willigt ein und unterschreibt einen entsprechenden Schuldschein, auf dessen Einlösung Shylock besteht, als Antonio wegen des Verlusts seiner Handelsschiffe zahlungsunfähig wird. Die Durchführung der grausamen Prozedur wird in letzter Minute durch das Eingreifen der jungen Portia verhindert, die als Advokat verkleidet Shylock mit dem Tod und dem Verlust seines eigenen Vermögens droht, weil er als Fremder einem Venetianer nach dem Leben trachte. Vgl. Schabert (Hrsg.), Shakespeare-Handbuch, S. 466–472.

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sein, weil jeder ehrliche Vaterlandsfreund sich ihr anzuschließen nicht umhin kann. Das ist die deutsche Partei, welche sich ehrlich, voll und ganz auf den föderativen Boden stellt. Man hat gesehen, bei welchen Staaten der wahre Patriotismus ist, welche das Recht achten, welche zu Opfern für die Ehre Deutschlands entschlossen sind, welche kein zweites Elsaß wollen. Kein ­Hegemoniegelüste wird fortan Unterstützung finden: Hegemon, Führer der Nation, voran in erster Reihe wird stehn, wer die besten Thaten für Deutschland thut und die klarsten Beweise liefert, daß er ein ehrlicher Bundesgenosse ist, daß kein particulares Interesse bei ihm überwuchre. Er wird sich allerdings „majorisiren“ lassen, das heißt, er wird sich dem fügen, was bundes­ gemäß und was gutes Recht ist. Wer möchte künftig noch von Beobachtung und Heilighaltung des Rechtes reden dürfen, ohne daß ihm Hohn ins Angesicht geschleudert wird, falls der Londoner Vertrag in Geltung tritt? Unsere deutsche Pflicht ist, mit allen Kräften und auf jede Gefahr hin, für das gute Recht einzustehen. Was aus Dänemark wird, ist Sache der Dänen, nicht unsere Angelegenheit. Verständige Männer am Sund haben übrigens längst eingesehen und offen ausgesprochen, daß Dänemark überhaupt keine Zukunft habe, gleichviel ob mit den Herzog­ thümern oder ohne diese. Deshalb hängen sie der scandinavischen Idee an, deren Verwirklichung sie nur dann hoffen können, wenn sie Frieden mit Deutschland haben. Deshalb wollen sie die Herzogthümer zwischen Elbe und Königsau fahren lassen. Allerdings würde ein föderatives Scandinavien politischen Sinn haben; es ist weit mehr eine europäische Nothwendigkeit, als ein Dänemark, das in sich unfähig erscheint, einen selbständigen Staat zu bilden; auch wenn es die Herzogthümer „durch Zwang und Gewalt vasallirt.“ Die einfachsten Wahrheiten werden gewöhnlich am schwersten begriffen. Unser Deutschland bildet das Herz Europa’s, und liegt in der Mitte des Erd­ theils. Der Gang der Geschichte hat es nicht gewollt und es liegt nicht im Geist, Wesen und Willen unseres Volkes, daß wir einen Einheitsstaat bilden. Aber wir alle sind zusammen gehörig, sind eines Blutes und mit tausend ­Banden aneinander gekettet. Wir wollen und müssen zusammen bleiben, und können es nur, wenn jeder einzelne Theil das Recht des andern achtet und in rückhaltloser Weise, ohne Hintergedanken, bundestreu zu Werke geht. Nur so trauet jeder dem Andern, und nur so finden Alle ihren Vortheil und ihren Schutz im Bunde. Das gilt auch von den beiden Großmächten, welche sich jetzt mit den übrigen Regierungen und der ganzen Nation in einen beklagenswerthen Gegensatz gebracht haben. Ist es denn wahr, daß die Geschichte keine Lehren enthält, die beherzigt werden? In welche Stellung sind mehr als einmal diese Großmächte gerathen, als sie sich vom übrigen Deutschland abgekehrt hatten? Etwa nicht an den Rand des Abgrundes? Und es war nicht die „Groß-

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Aufruf des 36er-Ausschusses

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machtsstellung“ und nicht die „Diplomatie“, welcher sie Rettung verdankten, sondern es war die Erhebung des gesammten Deutschlands, welche den vater­ ländischen Boden frei machte. Zwar das alte Kaiserthum war dahin, aber man mußte einen Ersatz für dasselbe haben und der Deutsche Bund entstand. Der ist eine „europäische Nothwendigkeit“ und wer ihn zertrümmer[t,] frevelt am Vaterlande. Was aber auch kommen möge, wir erwarten, daß dem Rechte genügt werde und die bundestreuen Regierungen zu einander stehn. Bricht die alte Form, – man wird eine neue zu finden wissen. Cabinetschefs sind wandelbar, das politische Wetter kann einschlagen, aber Recht soll Recht bleiben, und Deutschland wird seine Schuldigkeit zu thun haben.

111. Aufruf des 36er-Ausschusses

Frankfurter Journal Nr. 25 vom 25. Januar 1864. Veröffentlicht in: Frankfurter Reform Nr. 12 v. 27. Januar 1864. Druck: Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 285–287.

Preußen und Österreich widersetzen sich offen dem Recht des Bundes und der Na­ tion, indem sie sich auf den rechtlosen Boden des Londoner Protokolls stellen und für die Feinde der Herzogtümer Schleswig-Holstein und Deutschlands Partei ergreifen. Die anderen deutschen Regierungen müssen dagegen protestieren und handeln, damit nicht das Volk zur Selbsthilfe gedrängt wird. Der erste entscheidende Schritt ist die Anerkennung des Herzogs von Augustenburg durch die deutschen Regierungen und den Deutschen Bund. Für Deutschlands ist die Stunde gekommen, alles zu wagen. Alle deutschen Männer müssen handeln und gegen den Verrat an der Nation kämp­ fen. Alle Klassen der Gesellschaft werden aufgerufen, die saumseligen Fürsten und pflichtvergessenen Minister unter Druck zu setzen; die Landesvertretungen sollen den schlechtgesinnten Regierungen jegliche Mittel zur Ausführung ihrer Pläne verwei­ gern.

[Frankfurt am Main, 24. Januar 1864] Zwei Mächte, die den Anspruch verwirkt haben, die Großmächte Deutsch­ lands zu heißen, sind in offener Widersetzung begriffen gegen das Recht des Bundes, der Bundesstaaten und der Nation. Eigenmächtig haben sie ihre Truppen in das Bundesland Holstein gesendet. Gewaltthätig sind sie über die Gränzen eines selbstständigen Staates vorgedrungen, ohne Bundesgenehmigung verfolgen sie ihren Weg unter dem Vorwande, die Erfüllung jener Verträge von 1851/52 zu erzwingen, die im Namen des Bundes geschlossen sind. Und dieser Rechtsbruch wird vollbracht nicht etwa im ungemessenen Eifer für eine gute Sache, sondern im Dienste der verwerflichsten Politik. Die Ver-

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träge, ein Deckmantel früherer Schmach, nichtig von Anbeginn, überdieß von Dänemark vielfach gebrochen, sind durch den Tod Friedrichs VII. und durch das Aufleben der Augustenburger Erbfolge inhaltlos geworden. Zwölf Jahre lang ließ man sie mit Füßen treten; jetzt, wo ihr Vollzug der Sache der Herzogthümer tödtlich wäre, setzt man Heere in Bewegung, um diesen Vollzug zu erzwingen. Preußen und Oesterreich, indem sie von dem dänischen König die Ausführung der Verträge fordern, welche sein Vorfahr als Herzog von Schleswig-Holstein geschlossen hat, erkennen auch ihn in dieser Eigenschaft an, stellen sich auf den rechtlosen Boden des Londoner Protokolls, ergreifen Partei für die Feinde der Herzogthümer und Deutschlands. Eine Anzahl deutscher Regierungen hat gegen den gewaltsamen Bruch der Bundesordnung Protest erhoben. Das Volk der Herzogthümer, die ganze entrüstete Nation schließt sich ihrem Proteste an. Wenn die 500 Abgeordneten heute abermals versammelt wären1, nicht die Stimme eines Einzigen würde sich ausschließen von diesem Proteste, von diesem Verdammungsurtheil. Mit dem nackten Proteste aber ist nichts gethan. Die Regierungen, die das Bewußtsein ihrer Pflicht und ihres Rechtes gewahrt haben, müssen handeln und helfen; sie müssen handeln, wenn nicht der Glaube an die oft gerühmte Bedeutung der Mittelstaaten bis an die Wurzel vertilgt, die monarchische Staatsordnung in ihren Grundlagen erschüttert, das Volk unaufhaltsam, früher oder später auf die Bahn der Selbsthülfe gedrängt werden soll. So keck und rücksichtslos das Verfahren der Gegner, so kühn und energisch muß das ihrige sein. Auf ihrer Seite steht das gute Recht, steht der Wille der Nation. Sie kämpfen um die höchsten Preise, um die Freiheit von österreichischer und preußischer Knechtschaft, um die Rettung ihres Daseins. Die Gegner, umringt von innern und äußern Feinden, pochen mehr auf den Schein, als auf den Besitz der Uebermacht, sie sind nur stark, wenn das übrige Deutschland rath- und muthlos zurückweicht. Viel zu lange schon wartet Deutschland auf den ersten entscheidenden Schritt, auf die Anerkennung des Herzogs, den das eigene Volk einmüthig mit lauter Stimme anerkannt hat. Keine Ausflucht, keine armselige Formfrage dürfte in einem Augenblicke von so verhängnißvoller Bedeutung diesen Ausspruch der Regierungen für sich und am Bundestag länger zurückhalten. Mit Scham und Erbitterung sieht das deutsche Volk die Truppen Oesterreichs und Preußens ungehindert vordringen, sieht, wie die Behörde einer freien Stadt die schnödeste Mißhandlung demüthig hinnimmt und wie die höchste Be­

1 Gemeint sind die deutschen Abgeordneten, die sich am 21. Dezember 1863 in Frankfurt versammelt und dort einen ständigen Ausschuß für Schleswig-Holstein eingesetzt hatten; siehe dazu Dok. 101.

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Aufruf des 36er-Ausschusses

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hörde des Bundes sich vor vollendeter Thatsache beugt, deren Vollendung zu hindern die heiligste Pflicht war. Keine Regierung wird fernerhin Anspruch haben auf die Achtung und das Vertrauen des Volkes, die nicht der Sache der Herzogthümer, d. h. der Sache Deutschlands, ihre ganze Wehrkraft ohne Rückhalt zur Verfügung stellt. Dies ist das Begehren, das wir ausgesprochen haben, nicht aus eigener Willkür, sondern, wir wissen es, im Namen der Nation, ein ernstes und großes Begehren, doch nicht aus leichtfertiger Laune entsprungen, sondern die Frucht der tiefen Ueberzeugung, daß für Deutschland eine Stunde gekommen ist, wo nur der Entschluß, ehrenvoll Alles zu wagen, die Gefahr abwende, schmachvoll Alles zu verlieren. Das deutsche Volk ist erfüllt von dieser Ueberzeugung; ist es auch erfüllt von dem thatkräftigen Entschluß? Ist es seinerseits bereit, nicht nur zu protestiren, sondern zu handeln? Alle Landesvertretungen, alle Gemeinden und Genossenschaften ruft die gleiche Pflicht; sie ruft jeden einzelnen Mann in jedem deutschen Lande; sie ruft mit der lautesten Stimme die Bevölkerungen seiner mächtigsten Staaten, die man verdammen will, das Werkzeug jenes Verraths zu sein. Preußen und Oesterreicher, im Dienste der unwürdigsten Politik! sollen Eure Söhne ihr Blut vergießen? Soll die Steuerund Schuldenlast, die Euch bedrückt, von Neuem anschwellen? Für Euer Gut und Blut soll die Schande der Nation eingetauscht werden. Deutsche! in allen Ländern duldet es nicht, daß der Böse Wille des Einen und die Schwäche des Andern namenloses Unheil über Deutschland bringt! Laßt nicht ab, die guten Regierungen zu stützen, die Schwachen zu spornen, die Schlechten schonungslos zu bekämpfen; weist die kleinmüthigen Einflüsterungen von euch, es sei doch alles vergeblich; ihr habt noch nicht alles gethan! Wir sprechen nicht vom gewaltsamen Umsturz als einziges Rettungsmittel; er ist das letzte und äußerste, zu welchem ein Volk nur greifen darf, wenn es alle gesetzlichen Mittel bis auf die Neige erschöpft hat; handelt in der Ausübung eueres gesetzlichen Rechtes, statt revolutionär zu sprechen; macht die Politik, das Geschäft eurer Mußestunden, zur täglichen Berufsarbeit, verbreitet die Bewegung über Stadt und Land, über alle Klassen der Gesellschaft, erneuert rastlos Euere Forderungen, bestürmt die saumseligen Fürsten, erdrückt mit Eueren Anklagen die pflichtvergessenen Minister. Die schlechtgesinnten Regierungen suchen Geld zur Ausführung ihrer Pläne; verweigert ihnen standhaft in den Landesvertretungen, was sie begehren. Lasset keinen Zweifel darüber, daß eine Anleihe zu solchen Zwecken niemals die Anerkennung des Landes erhalte und daß den Helfershelfern, die ein solches Geschäft machen, bei solchem Geschäft statt Capital und Zins nur die Verachtung zu Theil wird. Steuert von Eurem Reichtum und Euerer Armuth zur Unterstützung der Herzog­ thümer. Gebt, wenn die Zeit gekommen ist, Waffen und Männer, so viel sie bedürfen. Laßt Euch nicht entmuthigen durch das erste Mißlingen, nicht irre

Nr. 112

Kassel, 31. Januar 1864

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führen durch diplomatische Winkelzüge, nicht einschläfern durch den zögernden Verlauf der Dinge. Dieses sind die Pflichten, die uns das Vaterland auferlegt. Thue Jeder das Seine mannhaft und beharrlich!2

112. Adresse des Hilfsausschusses für Schleswig-Holstein an Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen

StA Marburg, Bestand 300, C 21, Nr. 15. Behändigte Ausfertigung. Kanzleivermerk: „Cassel, am 20. Februar 1864. Geht zu den Akten.“

In der Schleswig-Holstein-Frage steht die Zukunft der deutschen Mittel- und Klein­ staaten und darüber hinaus die Zukunft ganz Deutschlands auf dem Spiel. Der Hilfs­ ausschuß appelliert an den Kurfürsten, sich an die übrigen Mittel- und Kleinstaaten anzuschließen und auf die Anerkennung der Rechte der Schleswig-Holsteiner und ­ihres Herzogs „mit aller Macht“ hinzuwirken. Das Volk wird bei der Mobilisierung der militärischen Kräfte für dieses Ziel „willig alle Lasten“ tragen. Der Kurfürst soll sich nicht zum Werkzeug undeutscher Kabinettspolitik machen, sondern mit seinem Volk für deutsche Freiheit, deutsche Ehre und deutsches Recht einstehen.

Kassel, 31. Januar 1864 Allerdurchlauchtigster Kurfürst, Allergnädigster Kurfürst und Herr!

Es kann dem Fürsten nur willkommen sein, bei schwierigen, verhängnißvollen politischen Fragen recht vielseitig und recht oft zu erfahren, wie sein Volk darüber denkt; denn findet er sich nicht mit demselben im Einverständniß, so wird ihn dies zu desto größerer Vorsicht mahnen, daß er nichts unheilvolles beginne, findet er aber jenes Einverständniß, so kann er desto zuversichtlicher und nachdrücklicher für das als recht Erkannte auftreten. Die Schleswig-Holstein’sche Frage, um welcher willen heute viele Abgeordnete der in unserm Lande deshalb bestehenden Hülfs-Ausschüsse dahier tagten, ist eine solche Frage. Sie ist schwierig wegen der feindseligen Haltung, welche die Cabinette der beiden größten deutschen Staaten ihr gegenüber eingenommen haben; sie ist verhängnißvoll, weil dabei sowohl das 2 Der Aufruf war am 23. Januar 1864 vom 36er-Ausschuß beschlossen worden und wurde in einer Volksversammlung vorgelegt, die am 24. Januar in Frankfurt im Saalbau stattfand. Nach dem Bericht des Frankfurter Journals fanden sich „Tausende von Nahe und Ferne“ dazu ein. Es erschien auch die schleswig-holsteinische Landesdeputation, die von einer Abordnung des Hilfsvereins für Schleswig-Holstein nach Frankfurt herbeigeholt worden war. Die Verhandlungen wurden geleitet von dem liberalen Frankfurter Politiker und Anwalt Maximilian Reinganum (1798–1878); vgl. Frankfurter Journal Nr. 25 vom 25. Januar 1864; zu Reinganum: Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 185 f.

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Adresse des Hilfsausschusses für Schleswig-Holstein

Nr. 112

Schicksal der wackern Schleswig-Holsteiner, als die ganze Zukunft der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, ja ganz Deutschlands auf dem Spiele steht. Die versammelt gewesenen Abgeordneten halten es für ihre Pflicht und haben beschlossen, vor Eurer Königlichen Hoheit Zeugniß abzulegen: daß nach ihrer Kenntniß das ganze kurhessische Volk damit einverstanden ist, daß Eure Königliche Hoheit vor jener Schwierigkeit nicht zurückschrecken, sondern eingedenk der verhängnißvollen Folgen eines muthlosen Zurückweichens, in entschiedenem festen Anschluß an die übrigen Mittel- und Kleinstaaten, trotz Londoner Protocolls, trotz Oesterreichs und Preußens, auf schleunigste Anerkennung des unbestreitbaren Rechts der Schleswig-Holsteiner und ihres Herzogs Friedrich VIII. hinwirken, und hiernächst den Vollzug dieses Rechts mit aller Macht unterstützen wollen. Eure Königliche Hoheit stehen an der Spitze eines rechtschaffenen und tapferen deutschen Stammes, der zu seiner Zeit Sie und die gute Sache nicht im Stiche lassen wird. Ihrem Heere zuckt schon längst das Herz und der Arm vor glühender Ungeduld, für deutsches Recht und deutsche Ehre einzutreten. Sie können es im Nothfall durch gleich tapfere Männer verdoppeln und verdreifachen. Das Volk wird willig alle Lasten zu solchem Zwecke tragen. Gleicher Enthusiasmus herrscht, unseres Wissens, in den übrigen Mittel- und Kleinstaaten, welche zusammen über die Wehrkraft von mehr als 16 Millionen Deutscher zu gebieten haben. Darum werden Eure Königliche Hoheit – wir sind dessen gewiß – sich nicht von Furcht beschleichen lassen, nicht das Todesurtheil der Mittel- und Kleinstaaten unterschreiben, nicht Sich zum Werkzeug undeutscher österreich’scher und preußischer Cabinetspolitik machen, sondern tapfer einstehen, mit Gott und Ihrem Volk, für die gute Sache, für deutsche Freiheit, deutsche Ehre, deutsches Recht! In tiefster Ehrfurcht verharren Eurer Königlichen Hoheit allerunterthänigste: die Abgeordneten der Hülfs-Ausschüsse für Schleswig-Holstein und Namens derselben das Büreau. G. Hupfeld. Georg Pinhard. A. Braun.1 1 Das Adreß-Buch von Cassel und Umgebungen für das Jahr 1863 führt folgende Personen auf: Adam Braun, Kutscher (S. 27); Georg Pinhard, Lederfabrikant (S. 169). Bei A. Braun handelt es sich wahrscheinlich um Johann August Georg Braun (1820–1879), Tuchfabrikant in Hersfeld und seit 1862 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Grothe (Hrsg.), Die Abgeordneten der kurhessischen Ständeversammlungen, S. 17. Der Rechtsanwalt und Notar Adolf Carl Gustav Hupfeld (1823–1897) war einer der führenden Nationalliberalen in Kurhessen und gehörte von 1862 bis 1866 der kurhessischen Ständeversammlung an; Lengemann, MdL Hessen, S. 196; Grothe (Hrsg.), Die Abgeordneten der kurhessischen Ständeversammlungen, S. 54; Kassel Lexikon, Bd. 1, S. 286.

Nr. 113

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Stuttgart, 3. März 1864

  König Maximilian II. an Bray-Steinburg 

113. König Maximilian II. von Bayern an Bray-Steinburg

München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1705. Immediatschreiben. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 29. Februar 1864.

Der bayerische König macht auf die Gefahr aufmerksam, daß Österreich sich in der Frage der Bundesreform mit Preußen einigen und letzterem Konzessionen zum Nach­ teil der übrigen Bundesstaaten machen könnte.

München, 28. Februar 1864 Herr Gesandter Graf von Bray! Dem Anschein nach hat Österreich seine Pläne zur Reform der Bundesverfassung bei Seite gelegt. Ich glaube jedoch, daß man sich durch diese scheinbare Passivität nicht täuschen lassen dürfe und bin der Ansicht, daß Österreich mitten in der Aufregung des äußern Confliktes seine organisatorischen Pläne nicht aus den Augen verliert, vielmehr den mit dem übrigen Deutschland bestehenden Zwiespalt zu deren Verfolgung im eigenen Interesse ausbeuten wird. Insbesondere darf die Gefahr nicht übersehen werden, daß Österreich am Ende an Preußen in der Reformfrage bleibende Conzessionen zum Nachtheile der übrigen Bundesstaaten machte. Ich mache Sie auf diese Möglichkeiten besonders aufmerksam mit dem Wunsche, daß Sie die eigentlichen Absichten des Wiener Cabinets in der deutschen Frage sorgfältig erforschen und darüber berichten möchten, der Ich mit bekannten Gesinnungen bin, Ihr wohlgewogener König Max

114. Die württembergische Kammer der Abgeordneten an König Wilhelm von Württemberg

HStA Stuttgart, E 33, Büschel 1145. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Eingangsvermerk: „G[eheimer] R[at] den 7. Maerz 1864“.

Die Kammer spricht die Erwartung aus, daß die württembergische Regierung die Rechte des Herzogs und des Volkes von Schleswig-Holstein anerkennt und diese „mit allen Mitteln“ durchsetzt. Dem bundeswidrigen Vorgehen der Großmächte soll durch ein Bündnis der Mittel- und Kleinstaaten sowie durch eine gemeinsame Volksvertre­ tung dieser Staaten begegnet werden. Die Abgeordnetenkammer bietet dazu die erfor­ derlichen Mittel an.

Stuttgart, 3. März 1864 Euer Koeniglichen Majestät! Bei der Berathung des Gesetzesentwurfes, betreffend die Bestreitung außerordentlicher Bedürfnisse des Departments der auswärtigen Angelegenheiten und des Kriegswesens, haben wir beschlossen:

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Kammer der Abgeordneten an König Wilhelm von Württemberg

Nr. 114

1. die Erwartung auszusprechen, die K. Regierung werde im Einverständniß mit den mittleren und kleineren Staaten Deutschlands Alles aufbieten, daß vom deutschen Bunde die Rechte des Herzogs und des Volkes von Schleswig-Holstein ohne längeren Verzug anerkannt und mit allen Mitteln durchgeführt werden; 2. die Ueberzeugung auszusprechen, daß dem bundeswidrigen Vorgehen der deutschen Großmächte gegenüber die Rechte Deutschlands und der Herzogthümer sowie die eigene Selbständigkeit der deutschen Mittel- und Kleinstaaten nur durch ein festes Bündniß derselben unter sich und durch die Berufung einer gemeinsamen Volksvertretung der so verbündeten Staaten gesichert werden kann, und demgemäß die K. Staatsregierung zu ersuchen, für den Abschluß eines solchen Bündnisses ihrerseits nach Kräften thätig zu sein; 3. zu Durchführung der in Ziffer 2 bezeichneten entschiedenen Politik die erforderlichen weiteren Mittel anzubieten. Indem wir Euer Koeniglichen Majestaet von diesen Beschlüssen unter­ thänigst Anzeige machen, verharren wir in tiefster Ehrfurcht Euer Koeniglichen Majestaet unterthänigste treugehorsamste Kammer der Abgeordneten Der Präsident: Weber.1 Die Secretäre: Schall.2 Waechter.3

1 Franz von Weber (1812–1874), Obertribunalrat in Stuttgart, 1851–1876 Mitglied der württembergischen Kammer der Abgeordneten, 1862–1868 Präsident der Abgeordnetenkammer; Ra­ berg (Bearb.), Biographisches Handbuch, S. 989 f. 2 Karl Ludwig von Schall (1827–1909), Mitglied der Fortschrittspartei, 1862–1868 Mitglied der württembergischen Kammer der Abgeordneten und Schriftführer; Raberg (Bearb.), Biographisches Handbuch, S. 773 f. 3 Oskar Eberhard Siegfried von Wächter (1825–1902), Rechtskonsulent in Stuttgart, Lektor am Polytechnikum und an der kaufmännischen Fortbildungsschule, Autor zahlreicher Schriften zum Handels- und Wechselrecht, 1862–1876 Mitglied des württembergischen Kammer der Abgeordneten und Schriftführer; Raberg (Bearb.), Biographisches Handbuch, S. 963 f.

Nr. 115

Wien, 4. März 1864

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115. Erlaß Rechbergs an die österreichischen Gesandten in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Kassel und Darmstadt

HHStA Wien, PA VI 58. Gesandtschaftsarchiv Stuttgart. Weisungen 1864, fol. 91–96. Vertraulicher Erlaß. Behändigte Ausfertigung an den württembergischen Minister Handel. Praes.: 7. März 1864. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 789–791.

Der Verlauf der schleswig-holsteinischen Angelegenheit hat zu einer tiefen Störung der Beziehungen Österreichs zu den befreundeten mittelstaatlichen Regierungen geführt. Der entstandene Riß könnte zu einer völligen Sprengung des Deutschen Bundes führen. Das Vorgehen Bayerns und einiger anderer Staaten in der Bundesversammlung stellt einen „staatsstreichähnlichen Mißbrauch des Majoritätsrechtes“ dar und überschreitet die Kompetenz des Bundes. Damit wird die Verfassung des Bundes verletzt. Die kaiser­ liche Regierung müßte einem Beschluß des Bundes zur holsteinischen Erbfolgefrage, der ohne die Klärung der Kompetenzfrage und ohne Gehör der Beteiligten erfolgte, jede Anerkennung versagen. Würde der Versuch gemacht, einen solchen Bundesbe­ schluß praktisch umzusetzen, so würde dies einen die Existenz des Deutschen Bundes gefährdenden Konflikt auslösen. Der Kaiser von Österreich will sich nicht vom Bund einen von Europa nicht anerkannten neuen Bundesgenossen aufdrängen lassen.

Reservirt.

Wien, 4. März 1864

Hochwohlgeborner Freiherr!

Die tiefe Störung unserer gewohnten Beziehungen zu den befreundeten deutschen Höfen, diese Störung, welche die unglückliche Folge des seitherigen Verlaufs der schleswig-holsteinischen Angelegenheit gewesen ist, hat uns mehr als einmal schmerzlich berührt. Bis zu den jüngst verfloßenen Tagen war uns zwar der Gedanke fern geblieben, daß der entstandene Riß sich bis zur völligen Sprengung der Institution des deutschen Bundes werde erweitern können. Seit den Vorgängen in der Bundestagssitzung vom 25ten Februar1 hat sich uns jedoch diese ernste 1 Am 25. Februar 1864 hatte die Bundesversammlung auf Antrag des Ausschusses für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit gegen die Stimmen von Österreich und Preußen den Beschluß gefaßt, die von König Christian IX. von Dänemark „aus dem Titel des Londoner Vertrages vom 8. Mai 1852“ ausgestellte Vollmacht für seinen Bundestagsgesandten nicht anzunehmen und den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit zu beauftragen, „über die Erbfolge in den Herzogthümern Holstein und Lauenburg zum Zwecke der Entscheidung über die vorliegenden Vollmachten mit möglichster Beschleunigung weiteren Vortrag zu erstatten, ohne dabei diesen Vertrag zur Grundlage zu nehmen“. ProtDBV 1864, § 80, S. 112–120, Zitat S. 119. – Mit dieser Entscheidung beanspruchte die Bundesversammlung, über die schleswig-holsteinische Erbfolgefrage eigenständig zu entscheiden, ohne dabei die völkerrechtlichen Regelungen des Londoner Vertrags zu beachten. Daß sich die Mehrheit der Bundesversammlung dabei gegen die beiden deutschen Großmächte stellte, war einerseits ein politischer Affront und stellte andererseits die außenpolitische Souveränität von Österreich und Preußen in Frage, die im Schleswig-Holstein-Konflikt nicht die Direktiven des Bundes ausführen, sondern als unabhängige Großmächte auf europäischer diplomatischer ­Ebene agieren wollten.

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Erlaß Rechbergs

Nr. 115

Besorgniß, wie wir nicht läugnen können, in ihrer ganzen Schroffheit aufgedrängt. Die kgl. baierische Regierung hat das Verlangen gestellt, daß der Ausschuß seinen Bericht über die streitige Erbfolgefrage binnen 8 Tagen erstatte. Sie hat erklärt, andern Falls mit selbstständigen Anträgen zu sofortiger Herbeiführung einer definitiven Beschlußfassung hervortreten zu wollen. Nur zu viele unserer Bundesgenoßen haben sich diesen drängenden Kundgebungen angeschloßen. Anstatt endlich anzuerkennen, daß man unter dem Einfluße der allgemeinen Aufregung die ganze Behandlung des Erbfolgestreites schon in den formellen Ausgangspunkten gründlich verfehlt und dadurch eine kostbare Zeit nutzlos vergeudet hat, – anstatt vorsichtig in die Wege des Rechtes wieder einzulenken und sich von den Grenzen der Competenz des Bundes, wie von der Nothwendigkeit rechtlichen Gehörs der Betheiligten gewißenhaft ­Rechenschaft zu geben, – scheint man sich gegen die Folgen des begangenen unbegreiflichen Fehlers der Methode geflißentlich verblenden, und durch eine Art von moralischer Gewalt, durch einen staatsstreichähnlichen Mißbrauch des Majoritätsrechtes ein Ergebniß erzwingen zu wollen, welchem man sich auf der Bahn regelmäßigen und gesetzlichen Verfahrens noch nicht um einen Schritt genähert hat. In einer Angelegenheit, welche politisch von den weitreichendsten Folgen sein muß, und in welcher es juristisch auf die Prüfung von hundert Urkunden ankommt, soll die Bundes-Versammlung eine Entscheidung treffen, ohne ein Gutachten ihres Ausschußes abzuwarten, ohne den Competenzpunkt zu prüfen, ohne die Parteien im contradiktorischen Verfahren zu hören, ja ohne nur der Minorität die nöthige Zeit zur Darlegung ihrer abweichenden Ansicht zu gönnen! Man würde diesen Vorgang zu gelinde bezeichnen, wenn man ihn summarisch nennen wollte, – er enthält in unseren Augen eine offene Ver­ letzung sowohl der Verfaßung des deutschen Bundes, als der natürlichen ­Gesetze aller Gerechtigkeit. Das Schicksal Schleswigs mag den Wechselfällen der Zukunft ausgesetzt bleiben, wegen Lauenburg mag ein jahrelanger Proceß schweben, nur wegen Holsteins will man sich um jeden Preis mit dem stürmischen Verlangen der Tagesmeinung abfinden. Wir bezweifeln sehr ernstlich, ob dies im Intereße Deutschlands und seiner Fürsten liege. Wir gestehen freimüthig, daß wir nicht gerne die deutschen Souveräne so leicht sich entschließen sehen, eine alte Monarchie zu zerreißen, und Territorialveränderungen auf die europäische Tagesordnung zu setzen, selbst auf die Gefahr hin, daß Deutschland sich mit der Losreißung Holsteins von Dänemark begnügen, Schleswig aber den Dänen überlaßen, vielleicht noch weit schwereren Verhängnißen entgegengehen müßte. Es ist jedoch nicht der Zweck dieser Zeilen, die politische Seite der

Nr. 115

Wien, 4. März 1864

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Frage zu beleuchten. Wir wünschen nur die Pflicht zu erfüllen, in Bezug auf den Rechtspunkt zu nützlicher Zeit auf gewiße folgenreiche Eventualitäten hinzuweisen. In dieser Hinsicht habe ich nämlich auf das bestimmteste zu erklären, daß die kaiserliche Regierung einen Ausspruch des Bundes über die Holsteinische Erbfolgefrage, welcher ohne gehörige Richtigstellung des Competenzpunktes und ohne Gehör der Betheiligten auf keiner anderen Grundlage, als auf derjenigen der Abhandlung des Freiherrn von der Pfordten gefällt würde, – als mit absoluter und unheilbarer Nichtigkeit behaftet ansehen müßte. Einem solchen Ausspruche müßte die kaiserliche Regierung alle und jede Anerkennung versagen. Würde aber dennoch der Versuch gemacht, ihm practische Folge zu geben, so würde ein die Existenz des deutschen Bundes unmittelbar gefährdender Conflict vorhanden sein. Der Kaiser, unser allergnädigster Herr, würde die Lage, in welche ein solches unrechtmäßiges Vorgehen Seine Majestät versetzen würde, wenn auch mit tiefem Bedauern annehmen, und die kaiser­ liche Regierung würde kein Mittel mehr vor Augen haben, den Bund vor factischer Auflösung zu bewahren. So große Überwindung es uns kostet, von einer so verhängnißvollen Wendung der Dinge zu sprechen, so halten wir es doch für Pflicht, uns nicht der drohenden Katastrophe, ohne sie offen vorherzusagen, von Schritt zu Schritt immer mehr zu nähern. Wir glauben umso weniger schweigen zu dürfen, je inniger wir überzeugt sind, daß es nur des guten Willens unserer Verbündeten bedürfe, um die Ereigniße nicht definitiv den Zug nach einem so verderblichen Ausgange hin nehmen zu lassen, und um einem Zustande der Dinge ein Ende zu machen, in welchem dem Kaiser von Woche zu Woche der Versuch, Ihm durch einen rechtlich unmöglichen Beschluß einen von Europa nicht anerkannten Bundesgenoßen aufzunöthigen, in Aussicht gestellt wird. Wir für unseren Theil haben uns in nichts geändert. Wir sind conservativ und föderativ gesinnt, wie immer. Wie immer, liegen uns die Intereßen der deutschen Dynastien am Herzen. Wenn des Kaisers erhabene Mitfürsten auch ihrerseits den Fortbestand des deutschen Bundes, die Erhaltung eines deutschen Nationalbandes, höher stellen, als irgend eine Lösung der im Vergleiche hiemit doch nur untergeordneten schleswig-holsteinischen Frage, – so fehlt es ihnen nicht an Mitteln, aus der vorgerückten Stellung, die sie in der Erbfolgeangelegenheit zum Theil eingenommen haben, ohne Opfer an Recht und Würde wieder zu Oesterreich und Preußen zurückzutreten. Sie werden dadurch Deutschland retten. Die Art, wie Freiherr von der Pfordten, nachdem er schon ganz am Schluße seines Gutachtens angelangt war, auch über die Competenz- und Procedurfrage sich hinwegzuhelfen gesucht hat, bietet so offenbare Blößen und Widersprüche dar, daß nichts leichter ist, als gerade an diesen Sätzen die Nothwendigkeit eines correcteren Verfahrens

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Schrenk an Quadt

Nr. 116

nachzuweisen. Was gleich Anfangs hätte geschehen müßen, erheischt auch jetzt noch das Recht: man wird an den Bundesbeschluß vom 17ten September 18462 wieder anknüpfen, und die Frage, ob die Succeßion in Holstein und Lauenburg durch das Thronfolgegesetz vom 31ten Juli 18533 in rechtsverbindlicher Weise geregelt worden sei, innerhalb der Bundescompetenz und unter Anhörung der Parteien prüfen müßen. Nachdem einmal die schleswigsche Frage vor einem anderen Forum verhandelt werden muß, als die holsteinische und lauenburgische, können ohnehin politische Motive am wenigsten für einen überstürzten Entscheid wegen Holsteins sprechen. Auf die vertrauliche Natur der vorstehenden Bemerkungen brauche ich Sie zum Schluße nicht erst besonders aufmerksam zu machen. Bei der hohen Wichtigkeit des Gegenstandes müßen wir jedoch wünschen, daß unsere Dar­legung vollständig zur Kennntiß Seiner M ­ ajestät des Königs gelange, und damit der gegenwärtige Erlaß Höchstdenselben vor Augen gebracht werden könne, ermächtigen wir Sie, selben dem königlichen Herrn Minister des Äußern mit dem Ersuchen, keinen anderen Gebrauch von dieser Mittheilung machen zu wollen, in Händen zu lassen. Empfangen Hochdieselben die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. Rechberg.

116. Schrenk an Quadt1

HStA München, Gesandtschaft Hannover, Nr. 119. Behändigte Ausfertigung.

Bayern hat am Bund den Antrag gestellt, den Prinzen von Augustenburg als Herzog von Holstein anzuerkennen und einen Bundestagsgesandten für die holsteinische Stimme zuzulassen. Ein solcher Bundesbeschluß ist das einzige Mittel, um die Rechte Holsteins sicherzustellen und das Machtgebiet des Bundes zu erweitern. Der Londo­ ner Vertrag von 1852 ist rechtlich nicht bindend, seine Durchführung ist eine Rechts­ verletzung, die sehr bedenklich ist für die Existenz der kleineren Staaten und ihrer Dynastien. Der Deutsche Bund erfüllt eine „heilige Pflicht“, wenn er für die Rechte der Holsteiner auftritt. Diese Angelegenheit ist in hohem Grade eine nationaldeut­ sche Frage, deren Ausgang auf die Zukunft des Bundes und die Stellung der Mittel­ staaten einen entscheidenden Einfluß haben wird. 2 Siehe oben Dok. 108, Anm. 5. 3 Druck in: Larsen (Hrsg.), Forfatnings-og Valglove for det danske Monarchie, S. 2–13; vgl. Goos/Hansen, Das Staatsrecht des Königreichs Dänemark.

1 Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt zu Wykradt und Isny (1818–1892), 1860–1866 bayerischer außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Hannover; Bring­ mann, Handbuch der Diplomatie, S. 37.

Nr. 116

Exp. No 13.

München, 21. März 1864

641 München, 21. März 1864

Hochgeborner Graf! Nachdem unsere Versuche, eine beschleunigte Entscheidung des Bundes bezüglich der Erbfolge in den Herzogthümern Holstein und Lauenburg herbeizuführen, bisher ohne den gewünschten Erfolg geblieben sind, haben wir uns veranlaßt gesehen, den am Schluße des Votums des kgl. Bundestags-Gesandten formulirten Antrag auf Anerkennung des Prinzen Friedrich von Augustenburg als Herzog von Holstein und auf Zulaßung des Herrn von Mohl2 als deßen Bundestags-Gesandten für die holsteinische Stimme stellen zu laßen. Da die Haltung des Bundes in Bezug auf die deutschen Herzogthümer durch die Entscheidung bezüglich der Erbfolge bedingt ist, möchte es bei der gegenwärtigen Sachlage und der vielleicht nahen Eröffnung europäischer Conferenzen behufs der Regelung der schleswig-holsteinischen Frage wohl keines weiteren Beweises dafür bedürfen, daß der von uns eingeschlagene Weg, welcher auf die unverweilte Entscheidung bezüglich der Erbfolge in Holstein abzielt, nicht blos gerechtfertigt (siehe Geschäftsordnung § 24 Absatz 13), sondern auch dringend geboten ist, und man wird dagegen nicht geltend machen können, daß es den Regierungen an der erforderlichen Zeit gefehlt habe, sich über die hienach zu treffende Entscheidung schlüßig zu machen. Was den Inhalt unseres obigen Antrages betrifft, so haben wir uns bereits in der Bundestagssitzung vom 23. Dezember vor. Jrs. dahin ausgesprochen, daß wir die Ansprüche des Prinzen Friedrich von Augustenburg auf die Erbfolge in Holstein für rechtlich begründet erachten.4 Indem wir, was die rechtliche Begründung dieser unserer Ansicht betrifft, im Allgemeinen auf das der königlich Hannöverischen Regierung bekannte Votum unseres Bundestagsgesandten Bezug nehmen, glauben wir nicht unberührt laßen zu sollen, daß dieser Anspruch des Prinzen Friedrich von Augustenburg nicht blos 2 Robert von Mohl (1799–1875), 1861–1866 badischer Bundestagsgesandter; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 22. 3 Geschäftsordnung der Deutschen Bundesversammlung vom 16. Juni 1854, ProtDBV 1854, S. 549–556, hier S. 552: „Wo es der Einholung einer besonderen Instruction bedarf, oder wo überhaupt ein auf Aussetzung der Abstimmung gerichteter Antrag Unterstützung findet, ist in allen nicht sehr dringenden Sachen die Abstimmung und Schlußfassung auszusetzen, und zu diesem Zwecke eine Frist zu bewilligen, welche in der Regel nicht weniger als vierzehn Tage und nicht mehr als vier Wochen betragen soll. Hierdurch sind jedoch diejenigen Gesandten, welche ihre Abstimmung sofort oder doch vor dem festgesetzten Termine zu Protokoll geben wollen, daran nicht gehindert.“ Ediert in: Brandt u. a. (Hrsg.), Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, T. 3, Dok. 11.1.2.5.1 (CD-ROM). 4 ProtDBV 1863, S. 610.

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Schrenk an Quadt

Nr. 116

von den namhaftesten Publicisten vertreten, sondern auch von einem Theile der deutschen Regierungen bereits anerkannt worden ist. Es sind aber nicht nur Rechtsgründe, sondern auch Erwägungen politischer Natur, welche es im Intereße des Bundes, so wie der großen Mehrzahl der Bundesglieder in hohem Grade als wünschenswerth, ja als geboten erscheinen laßen, daß ein unserem Antrage entsprechender Bundesbeschluß gefaßt werde. Da wir voraussetzen dürfen, daß diese Erwägungen der königl. hannöverischen Regierung nicht fremd geblieben sind, beschränken wir uns auf folgende Momente, welche, wie uns scheint, besonders ins Gewicht fallen. Nach unserer Ueberzeugung liegt in der Anerkennung des Prinzen von Augustenburg als Herzog von Holstein und der dadurch gebotenen Trennung dieses Bundeslandes das einzige Mittel, die von dem Bunde zu schützenden Rechte Holsteins für die Dauer sicher zu stellen und dieses durch seine Lage wichtige Herzogthum für die Politik des Bundes zu gewinnen und das Machtgebiet desselben thatsächlich zu erweitern. Wird die jetzige Gelegenheit versäumt und bleiben die Herzogthümer, in welcher Weise immer, bei Dänemark, so wird sich ersteres (vollständige und dauernde Wahrung ihrer Rechte) nimmermehr erreichen laßen, und es werden diese Länder, wie bisher, der Deutschland zumeist fremden Politik Dänemarks folgen müßen. Es möchte nach Obigem ferner nicht zweifelhaft sein, daß der Londonervertrag [sic] vom 8. Mai 18525, welcher über die Rechte Dritter ohne die Zustimmung, ja gegen den Widerspruch derselben, Verfügungen getroffen hat, und deßhalb auch für die ursprünglichen Contrahenten rechtlich nicht bindend ist, falls derselbe dennoch aufrechterhalten und ausgeführt werden sollte, ein Ring mehr in derselben Kette der Rechtsverletzungen ist, welche das Völkerleben der Gegenwart erschüttern und daß derselbe einen für die Existenz und Selbstständigkeit der kleineren Staaten und namentlich ihrer Dynastien höchst bedenklichen Präcedenzfall bilden würde. Der Bund wird daher nicht blos eine heilige Pflicht erfüllen, sondern auch im Intereße seiner Würde und seines Ansehens handeln, wenn er einem solchen Verfahren, welches man lediglich durch das sogenannte Princip des europäischen Gleichgewichtes zu rechtfertigen sucht, mit Entschiedenheit entgegentritt und durch die Anerkennung der rechtlich begründeten Erbfolge des Prinzen von Augustenburg in Holstein nicht blos die Rechte dieses Fürsten in Schutz nimmt, sondern sich auch überhaupt als eine Stütze der Legitimität und als ein Hort des Schwächeren in einer Sache erprobt, welche in so hohem Grade eine national-deutsche ist, und deren Ausgang, wir dürfen es uns nicht 5 Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 610 f.

Nr. 116

München, 21. März 1864

Erbprinz Friedrich von Augustenburg (1829–1880)

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Protesturkunden deutscher Abgeordneter

Nr. 117

verhehlen, nicht blos für die Zukunft des Bundes, sondern auch für die Stellung und Bedeutung seiner Glieder, namentlich der Mittelstaaten, so wie für deren inneres Verfaßungsleben von dem entscheidendsten und nachhaltigsten Einfluße sein wird. Ich ersuche Euer Hochgeboren, den gegenwärtigen Erlaß durch Vorlesen zur Kenntniß des Herrn Ministers Grafen von Platen zu bringen und nichts unversucht zu laßen, um die königlich hannöverische Regierung für unsern Standpunkt in der vorliegenden Frage zu gewinnen. Empfangen Euer Hochgeboren bei diesem Anlaße die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Frh. v. Schrenk   Protesturkunden deutscher Abgeordneter 

117. Protesturkunden von 1381 Abgeordneten der deutschen Landesvertretungen

HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 1010/1, Fasz. 2, fol. 1–11. Die Unterschriften der protestierenden Abgeordneten wurden am 8. Mai 1864 vom Ausschuß der Versammlung von Mitgliedern deutscher Landesvertretungen an den Gesandten des Deutschen Bundes bei der Londoner Konferenz, Beust, übermittelt mit der Bitte, sie „mit thunlichster Beschleunigung zur Kenntniß der Conferenz zu bringen“ (Schreiben von Dr. Müller und Brater1 an Beust). Die Unterschriftenliste wurde gedruckt unter dem Titel „Rechtsverwahrung der Mitglieder deutscher Landesvertretungen“ (ebd. fol. 131–134). Ediert ist die Urkunde des württembergischen Abgeordneten und Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Franz Weber, der die 79 württembergischen Urkunden am 3. Mai 1864 an Beust übersandte mit der Bitte, „von diesen Erklärungen jeden der deutschen Sache dienlichen Gebrauch machen zu wollen“ (ebd., Fasz. 1, fol. 17 u. 19).

Die Abgeordneten verlangen die Trennung der Herzogtümer Schleswig-Holstein von Dänemark und die Berufung des Prinzen Friedrich von Augustenburg zum Thronfol­ ger. Gegen jede Verfügung, die gegen den Willen des schleswig-holsteinischen Volkes getroffen werden sollte, protestieren die Abgeordneten „im Namen der Nation“.

Stuttgart, April 1864 Angesichts des Zusammentritts der Londoner Conferenz und in Ermangelung einer Gesammtvertretung unserer Nation, erklären wir, die unterzeichneten Mitglieder deutscher Landesvertretungen, vor Deutschland und Europa: Das klare Recht und der ausgesprochene Volkswille fordert die Trennung der Herzogthümer Schleswig-Holstein von Dänemark. Das klare Recht und der ausgesprochene Volkswille beruft den Prinzen Friedrich 1 Sigmund Müller und Karl Brater, die dem am 22. Dezember 1863 vom Frankfurter Abgeordnetentag eingesetzten 36er-Ausschuß angehörten. Siehe oben Dok. 101.

Nr. 118

Nürnberg, 8. Mai 1864

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von Augustenburg zur Erbfolge in den unzertrennlich verbundenen Herzogthümern. Ist dieses Recht bestritten, so steht die Entscheidung keiner Conferenz der Mächte, sie steht allein dem Volk und seinen Vertretern zu. Gegen jede Verfügung, die über das Schicksal der Herzogthümer ohne und wider ihren Willen getroffen werden sollte, protestiren wir im Namen der Nation und verwahren uns für jetzt und alle Zukunft das Recht Deutschlands und des Schleswigholsteinischen Volkes. Unterzeichnet im Monat April 1864. F. Weber, Abgeordneter der Stadt Tübingen, Präsident der Kammer der Abgeordneten   Beschluß des Deutschen Reformvereins 

118. Beschluß des Ausschusses des Deutschen Reformvereins

HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 1010/1, Fasz. 2, fol. 16. Behändigte Ausfertigung. Der Beschluß wurde vom Freiherrn von Lerchenfeld am 9. Mai 1864 an den Gesandten des Deutschen Bundes auf der Londoner Konferenz, Beust, übersandt (ebd., fol. 15).

Die Politik der Großmächte steht mit den Gefühlen und Ansprüchen der deutschen Nation im Widerspruch. Der Reformverein erklärt, daß die deutsche Nation jede Lö­ sung der schleswig-holsteinischen Frage, die gegen das Recht der Herzogtümer und ohne Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter und ihres Fürsten erfolgt, ablehnen muß.

Nürnberg, 8. Mai 1864 Unabhängig von der wechselnden Politik der Regierungen hat der deutsche Reformverein die Einheit der deutschen Nation, das Recht der Gesammtheit und aller ihrer Theile von seinen ersten Anfängen an vertreten. Es war die Consequenz dieses seines Principes, daß er unmittelbar nach dem Tode König Friedrichs VII. von Dänemark für das sowohl im schlichten Volksbewußtsein, als in der Wissenschaft begründete Landes-[,] Staats- und Fürstenrecht der Herzogthümer Schleswig-Holstein und ihres angestammten Herzogs Friedrichs VIII. eingetreten ist. Inzwischen hat der ruhmreiche Erfolg der österreichisch-preußischen Waffen eine Politik der deutschen Großmächte begleitet, welche nach ihren kundgegebenen Motiven und Zwecken mit den Gefühlen und Ansprüchen der deutschen Nation in Widerspruch stand. Der Feind ist ohne den Bund geschlagen. Allein das Recht, um das es sich handelt, ist von den Siegern bis zur Stunde nicht nur nicht anerkannt, sondern selbst noch vor der Befragung

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Erlaß Rechbergs

Nr. 119

der schleswig-holstein’schen Stände zum Gegenstande der Verhandlungen mit fremden Mächten gemacht. Sich selbst und seinen Grundsätzen treu, hält es der Reformverein an der Zeit, wiederholt und feierlich auszusprechen, und insbesondere dem Ver­ treter des deutschen Bundes in London auszusprechen, daß die deutsche ­Nation, in so lange sie sich selbst achtet, jede Lösung der schleswig-hol­ stein’schen ­Frage, die gegen das Recht der Herzogthümer ohne Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter und ihres Fürsten erfolgt, von sich weist und weisen muß. Der Ausschuß des deutschen Reformvereins. Lerchenfeld

119. Erlaß Rechbergs an die österreichischen Gesandten in Dresden, Hannover, Stuttgart, Darmstadt und Berlin (für Mecklenburg)

HHStA Wien, PA VI 58. Gesandtschaftsarchiv Stuttgart. Weisungen 1864, fol. 143. Erlaß. Behändigte Ausfertigung an den österreichischen Legationssekretär Freiherr von Münch in Stuttgart. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 146 f.

Beust beabsichtigt angeblich, in Frankfurt anzuregen, daß der Deutsche Bund die Erbfolgeangelegenheit in Holstein zu Gunsten des Prinzen von Augustenburg ent­ scheide. Österreich würde es tief beklagen, wenn die Bundesversammlung darauf ein­ ginge, weil dies die Wirksamkeit von Österreich und Preußen auf der Londoner Kon­ ferenz beeinträchtigen würde. Zudem ist der Bund nicht berechtigt, die Erbfolgefrage einseitig zu entscheiden. Rechberg ersucht die württembergische Regierung, einer Initiative am Bund die Zustimmung zu versagen.

Wien, 30. Mai 1864 Hochwohlgeborner Freiherr! Dem Vernehmen nach soll der Vertreter des deutschen Bundes auf den Londoner Conferenzen1 den Plan in Frankfurt anzuregen beabsichtigen, daß der Bund schleunigst die Erbfolgeangelegenheit der Herzogthümer wieder aufnehme und zu Gunsten des Prinzen von Augustenburg entscheide. 1 Der sächsische Außenminister Beust war am 14. April 1864 zum Bevollmächtigten des Deutschen Bundes bei der Londoner Konferenz zur Beilegung des deutsch-dänischen Konflikts in Schleswig-Holstein gewählt worden. Vgl. ProtDBV 1864, Separatprotokoll § 58, S. 190b– 190g, § 135, S. 191. Die Konferenz wurde am 25. April eröffnet und endete am 25. Juni 1864. Vgl. dazu Flöter, Beust und die Reform des Deutschen Bundes, S. 448–456; Müller, „Hoch dem Mehrer deutschen Ruhmes“. Siehe unten Dok. 127 mit Anm. 2.

Nr. 120

München, 7. Juni 1864

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Wir müßten es tief beklagen, wenn die Bundesversammlung sich bereit finden wollte, auf einen solchen Plan einzugehen, weil dadurch die Wirksamkeit von Österreich und Preussen, denen es soeben nicht ohne große Mühe gelungen ist, den Verhandlungen in London eine den Rechten und Interessen Deutschlands günstigere Richtung zu geben, wesentlich gelähmt, und in ihrem Erfolge beeinträchtigt würde. Überdies wird es der weisen Einsicht der kön. württemberg’schen Regierung nicht entgehen, daß der Bund, nachdem er an der Conferenz zu London mit den anderen europäischen Mächten Theil nimmt, unmöglich berechtigt und berufen sein kann, während und solange dieselben noch im Gange sind, die Erbfolgefrage einseitig entscheiden zu wollen, zumal da die Letztere sich auch auf Schleswig erstreckt, worüber dem Bunde keine Competenz zusteht. Ein solches Vorgehen wäre demnach ebenso rücksichtslos gegen die Conferenz und die an derselben betheiligten fremden Großmächte, als geeignet, das ganze bisher durch die Verhandlungen in London erreichte Resultat zu gefährden. Wir könnten es daher im Interesse einer wünschenswerthen Lösung des deutsch-dänischen Streites der kön. Regierung nur Dank wissen, wenn dieselbe, in richtiger Würdigung der vorhergehenden angedeuteten Gesichtspunkte, mit welchen die Auffassung des kön. preussischen Cabinetes vollständig übereinstimmt, es angemessen fände, einem Ansinnen, welches bei dem jetzigen Stande der Sache eine voreilige Erörterung und Entscheidung der Erb­ folgeangelegenheit am Bunde bezweckt, seine Zustimmung zu versagen. Ich ersuche Sie dem kön. Herrn Minister von gegenwärtigem Erlasse vertraulich Kenntniß zu geben und über dessen diesfällige Äußerungen unverzüglich Bericht erstatten zu wollen. Empfangen Dieselben die Versicherung meiner vollkommenen Achtung. Rechberg.   München, 7. Juni 1864 

120. Schrenk an Bray-Steinburg

HStA München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1705. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 9. Juni 1864.

Der Deutsche Bund hat sich durch seine Teilnahme an der Londoner Konferenz nicht des Rechtes begeben, selbständig in der Frage der Erbfolge im Bundesland Holstein vorzugehen, da diese ausschließlich in die Kompetenz des Bundes fällt. Wie die ande­ ren Mächte hat auch der Bund das Recht, seinen Standpunkt in dieser Angelegenheit festzulegen, um seinen Bevollmächtigten auf der Londoner Konferenz mit bestimmten Instruktionen versehen zu können. Wenn der Bund seine Position im Hinblick auf die Erbfolge bestimmt hat, wird das Auftreten des Bundesbevollmächtigten in London noch mehr Erfolg versprechen.

648 Exp. Nro 149.

Schrenk an Bray-Steinburg

Nr. 120

München, 7. Juni 1864

Hochgeborner Graf! Ich habe das Schreiben Nro 16 vom 1ten laufenden Monats empfangen, womit Euere Excellenz das Ergebniß der Besprechung anzeigen, welche Sie im Vollzuge meines Erlasses Nro 144 vom 30ten vorigen Monats1 bezüglich der schleswig-holsteinischen Angelegenheit mit dem Herrn Grafen von Rechberg gepflogen haben. Zu meinem lebhaften Bedauern vermag ich aber die Gründe nicht als überzeugend zu erkennen, aus welchen das kaiserliche Cabinet die von uns angeregte Abstimmung über unseren, in der Bundestagssitzung vom 12ten März laufenden Jahres gestellten Antrag auf Anerkennung des Erbprinzen von Augustenburg als Herzog von Holstein2 gegenwärtig nicht für opportun hält.3 Ich kann nämlich nicht zugestehen, daß sich der Bund durch Beschickung der Londoner Conferenz und seine Theilnahme an deren Berathungen irgendwie des Rechtes begeben hätte, selbstständig in einer Frage vorzugehen, welche, wie die der Erbfolge in dem Bundeslande Holstein, ausschliessend der Competenz des Bundes angehört und daher der Conferenz nicht anheimfällt. Herr Graf von Rechberg selbst kann das Recht desfallsiger Entscheidung dem Bunde nicht bestreiten; wie derselbe aber glaubt, widerräth die Rücksicht für die neutralen Mächte ein einseitiges Einschreiten des Bundes; allein, daß die Entscheidung bezüglich der Erbfolge in Hollstein [sic], wie bemerkt, ausschließend Sache des Bundes und daher der Einwirkung der neutralen Mächte entrückt ist, wird von letzteren selbst anerkannt. Aber auch, was das Herzogthum Schleswig betrifft, welches kein Bundesland ist und dessen besondere Beziehungen zu dem Bunde nur durch seine Verbindung mit Holstein vermittelt werden, steht dem Bunde gleich jeder anderen Macht das Recht zur Seite, sich über die Erbfolge zu entscheiden und eine bestimmte Person als den Herzog dieses Landes anzuerkennen. Ich vermag daher nicht wohl einzusehen, wie die Rücksichten für jene Mächte ausser Acht gelassen oder verletzt werden könnten, wenn der Bund sich endlich veranlaßt sieht, sich über die Stellung schlüßig zu machen, welche er bezüglich der Erbfolge in den Herzogthümern Holstein und Schleswig einzunehmen hat, um seinen Vertreter bei den Conferenzverhandlungen in London mit bestimmten Instructionen versehen [zu] können. 1 Schrenk an Bray-Steinburg, 30. Mai 1864, HStA München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1705. 2 Siehe ProtDBV 1864, S. 142. 3 Siehe dazu Dok. 119.

Nr. 120

München, 7. Juni 1864

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Der deutsche Bund ist wohl die einzige Macht, welche an diesen Verhandlungen Theil nimmt, ohne vorher ihren Standpunkt bezüglich dieser Angelegenheit festgestellt zu haben und es läßt sich wohl nicht in Abrede stellen, daß diese Haltung dem Ansehen und der Würde des Bundes gerade nicht förderlich ist. Weit entfernt, in einem Vorgehen des Bundes eine Lähmung der Wirksamkeit oder eine Beeinträchtigung der Erfolge Oesterreichs und Preußens bei den Conferenzverhandlungen zu finden, glaube ich vielmehr davon nur eine Förderung dieser Wirksamkeit erwarten zu können. Daß das Auf­ treten des Bundesbevollmächtigten einen grösseren Eindruck üben und mehr Erfolg versprechen wird, nachdem der Bund sich bezüglich der Erbfolge in den Herzogthümern schlüßig gemacht hat, brauche ich wohl nicht näher darzulegen. Wie Herr Graf von Rechberg bemerkt, wird durch unseren Antrag vom 12ten März laufenden Jahres nur ein Theil der Frage berührt. Abgesehen aber davon, daß damit die oben bezeichnete Entscheidung des Bundes bezüglich der Erbfolge in Schleswig keineswegs ausgeschlossen ist, und, wenn nicht gleichzeitig, doch unmittelbar auf den Beschluß des Bundes bezüglich der Erbfolge in Holstein erfolgen könnte, so wird doch schon dieser Beschluß den grossen Vortheil bieten, daß dadurch die Stellung des Bundes bezüglich Holsteins entschieden und damit auch bezüglich der ganzen Angelegenheit eine bestimmtere wird und daß in Folge der nicht mehr zweifelhaften Anerkennung des Erbprinzen von Augustenburg als Herzog von Holstein die Verwaltung des Bundes in Holstein ihr Ende erreicht, während jener Fürst in den Besitz dieses Herzogthums und in die Lage versetzt wird, als Herzog von Holstein seine Ansprüche auf das Herzogthum Schleswig geltend zu machen, über welches eine rechtsgültige und unanfechtbare Entscheidung ohne seine Zustimmung wohl nicht getroffen werden kann. Ich ersuche Euer Excellenz nun, sich im Sinne vorstehenden Erlasses dem kaiserlichen Herrn Minister gegenüber vertraulich auszusprechen, und damit die Bemerkung zu verbinden, daß wir aus vorstehenden Erwägungen uns diejenigen Schritte am Bunde vorbehalten müssen, welche uns im Interesse der vorliegenden Angelegenheit und namentlich in dem des Bundes als angezeigt erscheinen, daß wir uns aber der Hoffnung hingeben, solche Schritte nicht ohne die Mitwirkung der kaiserlichen Regierung machen zu müssen. Empfangen Euer Excellenz auch bei diesem Anlasse die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Frh. v. Schrenk

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Falkenstein an Nostitz

Nr. 121

121. Falkenstein1 an Nostitz

HStA Dresden, Bestand 10718 Bevollmächtigter des Königreiches Sachsen bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt am Main, Nr. 125. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 14. Juni 1864.

Falkenstein fordert Nostitz auf, in der Schleswig-Holstein-Frage auf ein aktives Ver­ halten des Bundes hinzuwirken, um den Bundesbevollmächtigten Beust auf der Lon­ doner Konferenz zu unterstützen. Die öffentliche Agitation hat zugenommen, und es ist zu befürchten, daß die Verwicklung der Verhältnisse immer unentwirrbarer wird. Ein klares Auftreten des Bundes ist nötig, um die öffentliche Meinung zu beruhigen. Beust hat in seinen Berichten auch dringend auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Erbfolgefrage am Bund formell zu beenden, indem der Bund offen erklärt, daß er die Erbfolgerechte des Prinzen von Augustenburg anerkennt. Dies ist auch für das Anse­ hen des Bundes wichtig.

No. 90.

Dresden, 12. Juni 1864

Ew. Excellenz ist durch die Berichte des Bundesbevollmächtigten bei der Londoner Conferenz Herrn Staatsministers von Beust der Stand der Schleswig-Holstein’schen Angelegenheit genau bekannt. Ich enthalte mich daher einer speciellen Hervorhebung aller der ernsten wichtigen Fragen, die sich bei einem tieferen Eingehen auf diese Sache aufdrängen; aber ich halte mich für verpflichtet, Sie recht dringend zu ersuchen, im Sinne der Beust’schen Berichte auf ein activeres Verhalten des Bundes möglichst hinzuwirken. Unter den jetzt vorliegenden Fragen ist ohnstreitig die Theilungsfrage die wichtigste2 und der Bundesbevollmächtigte hat sich über die Art, wie er sie auffassen zu müssen glaubt, in seinen Berichten eben so offen als ausführlich ausgesprochen. Es scheint in der That von Wichtigkeit, daß der Bund nicht 1 Johann Paul Freiherr von Falkenstein (1801–1882), 1844–1848 sächsischer Innenminister, seit 1853 Kultusminister, ab 1866–1871 als Nachfolger Beusts Ministerpräsident; im Frühjahr 1864 vertrat Falkenstein Beust, der zu dieser Zeit als Bundesbevollmächtigter an der Londoner Konferenz teilnahm; NDB, Bd. 5, S. 15 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 348. 2 Auf der Londoner Konferenz wurden Anfang Juni 1864 auf Initiative Englands mehrere Vorschläge zur Teilung des Herzogtums Schleswig diskutiert, um den militärischen Konflikt zwischen Preußen und Österreich sowie Dänemark beizulegen. Der dänische Vorschlag sah eine Grenzziehung weit im Süden vor, während Preußen die Teilungslinie weit in den Norden Schleswigs legen wollte. Die deutsche Öffentlichkeit verlangte, wie Falkenstein im weiteren darlegt, die Einverleibung ganz Schleswigs in den Deutschen Bund und kritisierte heftig die diplomatische Lösung einer Teilung des Landes. Eine Einigung kam indessen auf der Londoner Konferenz nicht zustande, so daß der Krieg fortgeführt wurde bis zur völligen militärischen Niederlage Dänemarks, das anschließend im Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864 auf alle seine Rechte in Schleswig verzichten musste, allerdings nicht zu Gunsten des Deutschen Bundes, sondern zugunsten von Österreich und Preußen, die fortan die eroberten Herzogtümer Lauenburg, Holstein und Schleswig gemeinsam verwalteten. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 480–482.

Nr. 121

Dresden, 12. Juni 1864

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blos im Allgemeinen, wie es geschehen ist, seine volle Befriedigung über das Verhalten seines Bevollmächtigten erkläre, sondern daß er sich eingehend über diese Theilungsfrage ausspreche. Was hierbei auf dem Spiele steht, ist deutlich in den Berichten des Bevollmächtigten ausgesprochen; und ich glaube, daß es der Bund sich selbst, wie seinem Bevollmächtigten schuldig ist, keinen Zweifel über seine Ansicht bestehen zu lassen. Offenbar hat sich in den letzten Tagen die Agitation lebhafter als bisher gegen die Theilung Schleswigs gerichtet; gestattet man ohne Weiteres, daß dadurch die Meinung des Publikums auf’s Neue irregeleitet und daß dasselbe mehr und mehr die Fähigkeit einer unbefangenen, ruhigen Beurtheilung der Sachlage, die wir nicht ändern können, verliert, so ist sehr zu fürchten, daß die Verwickelung der Verhältnisse immer unentwirrbarer wird. Ein bestimmtes klares Hervortreten des Bundes mit seiner Entschließung dürfte wesentlich dazu beitragen, die öffentliche Meinung zu berichtigen, aufzuklären und die exaltirten Hoffnungen und Wünsche zu rechter Zeit auf das richtige Maß zurückzuführen. Es ist ferner in den Berichten des Herrn von Beust wiederholt und dringend auf die Nothwendigkeit der formellen Beendigung der Erbfolgefrage am Bund hingewiesen worden. Allerdings muß man zugeben, daß, seitdem der Bund die Erklärungen des H. Bundesbevollmächtigten genehmigt hat, die Frage im Wesentlichen sich erledigt hat. Allein es ist gewiß nicht zu leugnen, daß eine offene Erklärung des Bundes, die somit auch zur allgemeinen Kenntniß kommen würde, daß derselbe die Erbfolgerechte des Erbprinzen von Augusten­burg anerkannt habe und somit diese Frage als erledigt zu betrachten sei, im Allgemeinen schon wichtig und für das Ansehen des Bundes von Bedeutung sein wird; daß sie aber ganz besonders bezüglich der jetzt schwebenden Theilungsfrage von Einfluß sein könnte, da hiermit offenbar die Frage in Verbindung steht: ob und inwiefern bei der Theilungsfrage dem Landesherrn die Zustimmung zu wahren sein möchte. Auf die weiteren Fragen, welche für den unerwarteten Fall des Wieder­ beginnens des Kriegs, bezüglich der Stellung des Bundes u.s.w. entstehen können, will ich zur Zeit nicht eingehen, da zu hoffen ist, daß sie einer Beantwortung nicht bedürfen werden. Nun weiß ich zwar sehr wohl, daß jetzt die Stellung besonderer Anträge bezüglich der Theilungs- und der Erbfolgefrage nicht an der Zeit sein würde; allein dazu halte ich, wie gesagt, die ganze Lage der Dinge für angethan, daß Ew. Excellenz bei sich darbietender Gelegenheit in geeigneter Weise die Ansicht geltend zu machen sich bemühen: wie es für das Ansehen des Bundes und für die Förderung der Sache dringend zu wünschen sei, daß der Bund bezüglich der obengedachten Fragen mit Entschiedenheit sich ausspreche und dadurch die Bestrebungen des Bundesbevollmächtigten kräftig unterstütze.

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Bericht Beust von der Londoner Konferenz

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Einer gefälligen Mittheilung darüber: wie sich in den gedachten Beziehungen die Ansichten in Frankfurt gestalten, sehe ich mit Verlangen entgegen. Der stellvertretende Staatsminister für die auswärtigen Angelegenheiten: Falkenstein   Bericht Beust von der Londoner Konferenz 

122. Bericht des Bundesbevollmächtigten Beust von der ­Londoner Konferenz

BA Berlin, DB 1/I, Nr. 424 (2). Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 29. Juni 1864.

Beust beklagt die Unparteilichkeit der neutralen Mächte auf der Londoner Konfe­ renz. Er empfiehlt der Bundesversammlung die sofortige Anerkennung der Herzogs von Augustenburg und dessen Einsetzung in den Elbherzogtümern sowie den Eintritt des Deutschen Bundes in den Krieg gegen Dänemark. Dadurch würde die „volle Ei­ nigung Deutschlands und seiner Großmächte“ konstatiert und ein militärisches Ein­ greifen Englands oder Schwedens unmöglich gemacht. Der „moralische Eindruck“ eines gemeinsamen Auftretens sämtlicher deutschen Kräfte würde auch nach einer anderen Seite hin wirken.

No 25.

London, 27. Juni 1864

An die Hohe Bundes-Versammlung. Vorgestern, Sonnabend 25sten Juni ist also die Conferenz geschlossen worden. Des Sonntags wegen mußte ich meine Berichterstattung auf heute verschieben und da mir noch vor Postschluß das gedruckte Protocoll versprochen ist, so darf ich auf dessen Inhalt verweisen. Dasselbe besteht in einer Zusammenstellung von verschiedenen vorbereiteten und verlesenen Erklärungen. Ich allein war in der Lage zum Schluß eine improvisirte Entgegnung der Dänischen Erklärung folgen zu lassen. Hatte ich früher schon Veranlassung in Bezug auf die Behandlung der Conferenz auf Seiten der neutralen Mächte und insbesondere der englischen Regierung den Mangel an Unparteilichkeit zu rügen, so bin ich in dem Falle aus dem Verlauf der Schlußsitzung eine Procedur hervorzuheben die jenen Vorwurf zu dem eines noch tadelnswertheren Verfahrens steigert. [Beust führt des längeren aus, in welcher Weise die englische Regierung in ihrem Resümee der Konferenzverhandlungen für das englische Parlament die Tendenz zei­ ge, „die Deutschen Bevollmächtigten zu belasten, die Dänischen zu entschuldigen“; er beklagt die einseitige Darstellung und schildert die Stimmung in den politischen Kreisen Englands; durch die Haltung der deutschen Vertreter ist die Friedenspartei in England gestärkt worden, aber man muß die starke öffentliche Meinung in Eng­ land berücksichtigen: „Sie giebt den Ausschlag zwischen der kaufmännischen Be­ rechnung, die in der Schale des Friedens und der von Hofeinflüssen, Parteibewegun­ gen und politischen Ambitionen ausgebeuteten nationalen Empfindlichkeit, die in der

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London, 27. Juni 1864

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Schale des Krieges wiegt.“ Durch die „unverweilte Anerkennung“ des Herzogs von Augustenburg und dessen Einsetzung in den Herzogtümern würde für die öffentliche Meinung in England „eine der Erhaltung des allgemeinen Friedens wesentlich för­ derliche Klärung der Situation gewonnen werden“.]

Die zweite Maßregel, die ich, vom hiesigen Standpunkte aus, ebenfalls zu wünschen habe, wäre, wenn ich öffentlichen Blättern Glauben schenken dürfte, bereits beim Bunde in Anregung gebracht oder bevorstehend. Ich meine den Eintritt des Bundes in den Krieg. Dieser Act, dessen Motivirung nicht schwer fallen und sich nöthigenfalls an eine voraussichtlich vergebliche Aufforderung Dänemarks wegen Herausgabe gewonnenen Gutes und sofortige Entschädigung knüpfen würde, hätte für hier, namentlich wenn sie bald erfolgte, mehrere Vortheile. Es würde damit die volle Einigung Deutschlands und seiner Großmächte – das wahre Resultat der Conferenz – unmittelbar als solches constatirt, zugleich aber auch der allerdings schwach, immerhin jedoch vorhandene Gedanke an die Möglichkeit eines Eingreifens Englands und Schwedens in die Operation zu Lande, gründlich beseitigt. Die volle Erkenntnis dieser Unmöglichkeit muß man aber wünschen, sobald als möglich herbeigeführt zu sehen, denn daran allein reiht sich die fernere Einsicht, daß bei einem reinen Seekrieg England zwar die österreichisch-preußische M ­ arine vernichten und die deutschen Häfen sperren kann, hiermit aber seine Macht­ entfaltung aufhört, wogegen andererseits in Aussicht steht, daß der deutsche Handel sich andere Wege aufsucht die Frankreich, Belgien und Holland zu gut kennen, daß eine englische Flotte als Zuschauerin der fortgesetzten Behauptung der ganzen cimbrischen Halbinsel eine lächerliche Rolle spielt und schließlich – da Deutschland für die erlittenen Verluste eine Entschädigung suchen und erhalten muß – Jütland für Dänemark verloren geht und Letzteres durch seinen Beschützer dem Untergang geweiht wird. Diese Betrachtung hat aber noch in einer besonderen Beziehung ihre Berechtigung. Es ist sicher daß die Armeen Oesterreichs und Preußen um die cimbrische Halbinsel zu behaupten nicht der Mithülfe des übrigen Deutschlands bedürfen. Allein der moralische Eindruck des vereinigten Auftretens sämmtlicher deutschen Kräfte richtet sich nach einer anderen Seite1 und wenn ich an eine Gefahr von dieser Seite unter den gegebenen Umständen am wenigsten glaube, so bin ich dagegen sehr entschieden der Meinung, daß es gut sei, hier eine solche Haltung erkennbar werden zu lassen, welche nöthigenfalls jener Eventualität gewachsen sein würde. Der ich mit ausgezeichnetster Hochachtung zu verharren die Ehre habe. Der Bevollmächtigte des Bundes. Beust 1 Beust spielt hier möglicherweise auf Rußland an.

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Falkenstein an Bose

Nr. 123

123. Falkenstein an Bose

HStA Dresden, Bestand 10718 Bevollmächtigter des Königreiches Sachsen bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt am Main, Nr. 125. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 3. Juli 1864.

Nach dem erfolglosen Ende der Londoner Konferenz müssen die beiden offenen Fra­ gen – Erbfolge in Schleswig-Holstein und Beteiligung des Deutschen Bundes am fort­ zusetzenden Krieg gegen Dänemark – umgehend beantwortet werden. Die erste säch­ sische Kammer hat dazu den Antrag angenommen, daß die Regierung im Bund auf eine Beteiligung des Bundes am Krieg gegen Dänemark und die Erledigung der Erb­ folgefrage hinwirken solle. Die Regierung hat dies zugesagt. Der Gesandte wird an­ gewiesen, „mit aller Energie“ auf die Erledigung dieser Fragen hinzuwirken.

No 97.

Dresden, 2. Juli 1864

Aus Ew. Hochwohlgeboren Bericht vom 29. Juni habe ich mit Befriedigung zu ersehen gehabt, daß Sie bemüht gewesen sind, in Gemäßheit meiner Depeschen vom 12. und 17. Juni d. J. bei dem Bundestage zu wirken. Seitdem ist die Londoner Conferenz geschlossen worden, ohne das gehoffte Resultat des Friedens erreicht zu haben und es erheischen daher nun, nachdem die etwaigen Gründe, aus denen man während des Tagens der Conferenz von eingreifenden Entschließungen sich fern halten zu müssen geglaubt haben mag, in Wegfall gekommen sind, die beiden Fragen der formellen Erledigung der Erbfolge in den Herzogthümern Schleswig-Holstein und der Betheiligung des Deutschen Bundes an der Fortsetzung des Krieges gegen Dänemark eine schleunige Beantwortung. Es ist Ihnen bekannt, daß auch der Herr Bundesbevollmächtigte, Staatsminister Freiherr von Beust, in seinem dem Bunde erstatteten Berichte beide Fragen dem Bunde dringend zur Erledigung empfohlen hat.1 Die Gründe dafür sind in demselben so ausführlich und überzeugend ­dargelegt worden, daß ich Anstand nehme Etwas hinzuzufügen, sondern mich darauf beschränke zu erwähnen, daß auch die hiesige Ständeversammlung jetzt beide Fragen wieder aufgenommen und die erste Kammer, welche eben die Initiative ergriffen, den Antrag gestellt und einstimmig angenommen hat: bei dem Deutschen Bunde dahin zu wirken, daß derselbe 1. in seiner Gesammtheit an der Fortsetzung2 des Krieges gegen Dänemark sich betheilige und 2. die Frage über die Thronfolgeberechtigung in den Herzogthümern Schleswig-Holstein-Lauenburg schleunigst erledigt werde. Die k. Regierung, von der Ueberzeugung durchdrungen, daß ein längerer Aufschub der Erledigung dieser Fragen nur dazu führen könne, die ohnehin 1 Siehe Dok. 122. 2 Emendiert. Vorlage: Fortstellung.

Nr. 124

Wien, 2. Juli 1864

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so schwierige Angelegenheit noch mehr zu verwickeln und die Würde des Bundes zu beeinträchtigen, hat keinen Anstand genommen zu erklären: daß sie, so viel an ihr liege, dahin wirken werde, daß der Deutsche Bund an der Fortführung des Krieges gegen Dänemark sich betheilige und ihren Gesandten dahin instruiren werde, eintretenden Falls für eine solche Betheiligung seine Stimme abzugeben, daß sie aber auch fortwährend, wie es schon bisher geschehen, dahin wirken werde, die formelle Entschließung des Bundes über die Erbfolgefrage mit möglichster Beschleunigung hervorzurufen. Sie werden das Weitere in der Rede finden, die in Nr. 151 des Dresdner Journals, nach den stenographischen Niederschriften, abgedruckt ist. Seine Majestät der König, unser allergnädigster Herr, haben mich daher beauftragt, Sie ausdrücklich anzuweisen, mit aller Energie auf die schleunigste Erledigung beider Fragen hinzuwirken und namentlich in Beziehung auf die Frage wegen des Eintritts des Deutschen Bundes in die Action gegen Dänemark, es geltend zu machen, daß die Würde des Bundes Dies gebiete. Wie Sie hiernach im Falle der Abstimmung Sich zu verhalten haben, ergiebt sich nach Obigem von selbst; ich sehe aber mit Verlangen Ihrer weiteren Anzeige über den Fortgang dieser wichtigen Angelegenheit entgegen. Falkenstein

124. Rechberg an Kübeck

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 34. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 190–192.

In der Frage einer Beteiligung des Bundes am Krieg gegen Dänemark sind Rechberg und Bismarck übereingekommen, sich passiv zu verhalten. Österreich hatte von An­ fang an das Ziel, den Konflikt zu lokalisieren. Der Hinzutritt des Deutschen Bundes als kriegführende Macht würde den europäischen Frieden bedrohen und zu unabseh­ baren Verwicklungen führen. Eine Kriegserklärung des Bundes an Dänemark stünde auch den speziellen Interessen Österreichs entgegen. Auch aus finanziellen Gründen hat Österreich kein Interesse an einem Bundeskrieg gegen Dänemark.

Vertraulich.

Wien, 2. Juli 1864

Hochwohlgeborner Freiherr! Der fruchtlose Ausgang der Londoner Conferenzen und der Wiederausbruch der Feindseligkeiten zwischen Dänemark und den deutschen Großmächten, lenkt begreiflicherweise die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Frage, ob bei

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Rechberg an Kübeck

Nr. 124

der gegenwärtigen Sachlage nicht der Zeitpunkt eingetreten sein dürfte, wo auch der deutsche Bund als solcher sich an dem Kriege zu beteiligen hätte. Ich habe bei meiner neuerlichen Anwesenheit in Carlsbad diesen Gegenstand mit Herrn von Bismarck eingehend erörtert, und wir sind demzufolge gegenseitig übereingekommen, daß die Cabinete von Wien und Berlin sich in dieser Beziehung passiv verhalten und es abwarten würden, ob von anderer Seite die Frage in der Bundes-Versammlung angeregt werde. Ich erachte es jedoch für zweckmäßig, Euer Excellenz jetzt schon die Ansichten des kaiserlichen Regierung über diese wichtige Angelegenheit vertraulich mitzutheilen, um Hochdieselben in Stand zu setzen, Ihre Haltung und Sprache hiernach einzurichten. Gleichwie von Anbeginn unser Streben dahin zielte, dem Streite mit Dänemark möglichst enge Schranken zu ziehen, so halten wir es um so mehr unter den obwaltenden Verhältnißen für unsere Pflicht, Alles aufzubieten, damit der wiederausgebrochene Krieg lokalisirt bleibe und diese ohnedieß schon für den europäischen Frieden bedrohliche Verwickelung nicht noch größere Ausdehnung gewinne. Aus solchen Gründen haben wir alle Ursache zu besorgen, daß der Hinzutritt des deutschen Bundes als kriegführende Macht leicht dem brittischen [sic] Cabinete einen Vorwand bieten könnte, auch seinerseits aus der neutralen Stellung, die es bisher zu beobachten gesonnen scheint, herauszutreten und dadurch dem Conflikte eine Wendung zu geben, welche unabsehbare weitere Verwicklungen und Gefahren in Aussicht stellen würde. Aber auch aus anderen Gesichtspunkten stände eine Kriegserklärung des Bundes an Dänemark nicht nur unseren speciellen Intereßen entgegen, sondern würde zur Erreichung des angestrebten Zieles keineswegs von wesent­ lichem Nutzen sein, denn es ist kaum wahrscheinlich, daß der Gang der nunmehr vorzunehmenden Kriegsoperationen eine Verstärkung der bereits vorhandenen Streitkräfte zu Land erheischen dürfte und sollte dies dennoch der Fall sein, so würden die beiden kriegführenden Mächte schon selbst dafür sorgen können, einem solchen Bedürfniße sofort genügend abzuhelfen oder dießfalls einen Antrag am Bunde zu stellen. Zur See erscheint es allerdings als wünschenswerth, der feindlichen Macht mit vermehrten Kräften entgegentreten zu können; aber gerade in dieser Hinsicht wäre der deutsche Bund völlig außer Stande uns durch seine Betheiligung am Kriege irgend eine Verstärkung unserer maritimen Stellung zu verschaffen. Ein fernerer Grund der in unseren Augen von nicht geringem Gewichte ist, betrifft endlich die finanzielle Seite der Frage. Sobald der deutsche Bund sich dem Kriege gegen Dänemark anschließt, wird dieser zum Bundeskrieg, dessen Kosten aus Bundesmitteln bestritten werden müßten. Nach Maßgabe der Matrikel würde sodann ein Drittheil der Gesammtlasten auf Oesterreich fallen, was sowohl den Umfang unserer Auslagen unter den bisherigen Verhält-

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München, 7. Juli 1864

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nißen bedeutend übersteigen als uns zugleich die Aussicht mindern würde, für die von uns gebrachten Opfer je einen einigermaßen entsprechenden Ersatz zu erlangen. Aus den vorstehenden Erwägungen werden Euer Excellenz entnehmen, daß wir aus politischen wie nicht minder aus vielen anderen Rücksichten durchaus nicht wünschen können, den deutschen Bund unter den gegenwär­ tigen Umständen seine bisherige Haltung aufgeben und zu einer Kriegser­ klärung schreiten zu sehen. Ich muß es demnach Ihrer erprobten Umsicht anheimgeben, der hier entwickelten Anschauung in dortigen Kreisen Eingang zu verschaffen und den etwaigen Absichten, den Bund mit in den Krieg zu verflechten, nach Thunlichkeit entgegenzuwirken. Empfangen Hochdieselben die Versicherung meiner vollkommensten Hoch­ achtung. Rechberg.

125. Arnim an Bismarck

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/53, fol. 84. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 9. Juli 1864.

Der bayerische Ministerpräsident Schrenk ist empört darüber, daß Beust in seinem Abschlußbericht über die Londoner Konferenz auf die Notwendigkeit der Bundesre­ form und eines deutschen Parlaments hingewiesen hat und kritisiert dessen „Popula­ ritätssucht“.

No 91.

München, 7. Juli 1864

Herr von Schrenck ist in hohem Grade erzürnt gegen Herrn von Beust. Derselbe habe in seinem Schlußbericht über die Londoner Conferenz sich veranlaßt gesehen, auf die Nothwendigkeit einer Bundesreform, deutschen Parlaments, starker Centralgewalt etc. hinzuweisen. Es sei unerträglich[,] daß man vor diesem unruhigen Mann keine Ruhe haben könne. Niemand könne voraussehen, wohin die Popularitätssucht dieses Staatsmannes ihn noch führen werde. Man habe gesagt, er werde nach München kommen. Nach den Impertinenzen, die er Bayern gesagt, werde er besser thun, München zu vermeiden. Aus den Protokollen ergäbe sich auch, daß Herr von Beust in London bei Weitem nicht die Rolle gespielt habe, welche ihm im Allgemeinen zugeschrieben wurde. Im Grund sei es Graf Bernstorff, welcher am tapfersten gekämpft habe. Aus Mittheilungen über die verschiedenen Zusammenkünfte, welche die minorum gentum in den Gasthöfen von Würzburg, Nürnberg etc. gehabt haben, ergab sich[,] daß er bei dieser Gelegenheit sich physisch und moralisch

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Rechberg an Werner

Nr. 126

unangenehm gemacht hat, und daß die Intimität der Mittelstaatlichen [sic] Ministerpräsidenten nur auf der Besiegung persönlichen Widerwillens beruht. Arnim

126. Rechberg an Werner

HHStA Wien, PA V 80. Gesandschaftsarchiv Dresden. Weisungen 1864, fol. 453–456. Vertraulicher Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 9. Juli 1864. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 198–200.

Rechberg weist die Kritik Beusts an der Haltung der beiden deutschen Großmächte auf der Londoner Konferenz zurück. Vielmehr habe die Politik Österreichs und Preußens den Konflikt mit Dänemark lokalisiert und weitergehende Folgen verhindert. Rechberg ist der Auffassung, daß Beust auf der Konferenz seine Kompetenzen überschritten hat, indem er sich für eine Volksabstimmung in Schleswig einsetzte und indem er in seinem Abschlußbericht den Mangel einer gesamtdeutschen Volksvertretung beklagt.

Nro 77. Vertraulich. Hochwohlgeborner Freiherr!

Wien, 8. Juli 1864

Freiherr von Beust hat nach Beendigung der Verhandlungen auf der Londoner Conferenz unterm 29ten v. Mts. einen resumirenden Schlußbericht an die ­Bundes-Versammlung erstattet, deßen Tendenz und Inhalt uns mannigfache Ursache zu gegründetem Bedenken darbieten. Dieses Schriftstück ist zu ­umfangreich als daß ich heute im Stand wäre dasselbe in Abschrift Euer ­Excellenz mitzutheilen; ich kann jedoch nicht umhin einige Stellen daraus hervorzuheben, welche vorzugsweise zu Bemerkungen Anlaß geben. Der Bevollmächtigte des deutschen Bundes spricht es als seine Überzeugung aus, „daß die für Deutschland ungünstige Stimmung Englands wesentlich mit dem einseitigen Vorgehen der beiden deutschen Großmächte gegen Dänemark unter dem Titel der Inpfandnahme Schleswigs zusammenhängt.“ Wir müßen die Richtigkeit obiger Auffaßung von Ursache und Wirkung aufs Entschiedenste in Abrede stellen, und vielmehr mit Nachdruck behaupten, daß gerade die den beiden Mächten wohl bekannte feindselige Stimmung Englands und die daraus für die Erhaltung des Weltfriedens drohenden Gefahren die Regierungen von Österreich und Preußen dazu bestimmt haben, durch Inpfandnahme von Schleswig welche eine schließliche Entscheidung der Rechtsfrage nicht nur nicht ausschlos [sic], sondern ausdrücklich vor­behielt, dem Streite mit Dänemark einen Charakter aufzuprägen, der weder mit dem Geiste der europäischen Vereinbarungen noch mit den Intereßen Deutschlands im Widerspruch stand, sondern sich innerhalb der, auch von den europäischen Mäch-

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ten anerkannten theils bundesmäßigen, theils inter­nationalen Rechte des Bundes bewegte. Der Erfolg hat gezeigt, daß diese b­ esonnene Maßhaltung den beabsichtigten Zweck nicht verfehlte, indem sie dem Handeln der Verbündeten deutlich begrenzte Schranken zog und dadurch dem Conflikte mit Dänemark eine lokale Bedeutung bewahrte, welche die Gefahr weitergehender in ihren Folgen unabsehbarer Verwickelungen glücklich ferne hielt. Freiherr von Beust vertheidigt in dem fraglichen Berichte umständlich den von ihm auf der Conferenz mit besonderem Eifer verfochtenen Standpunkt, daß die Verständigung über eine Grenzlinie in Schleswig am Zweckmäßigsten durch eine dort vorgenommene Volksabstimmung zu erreichen gewesen wäre. Wir wollen hier weder auf eine Widerlegung dieses nach unserem Dafürhalten ebenso seiner Natur nach bedenklichen als in seiner Ausführung unpraktischen Ausweges eingehen, noch auch die Zweifel berühren, die sich uns darüber aufdrängen, ob der Bundesbevollmächtigte nach den ihm ertheilten Instruktionen und den Gesinnungen der Mehrzahl der Bundesregierungen ermächtigt war, einen solchen Antrag zu befürworten; wenn aber Freiherr von Beust die Ansicht darlegt, „daß auch Oesterreich ohne Gefährdung seiner Intereßen auf den Vorschlag der Befragung der Volksstimmen im vorliegenden Falle hätte eingehen können“[,] so müßen wir hiergegen bemerken, daß Österreich doch wohl vor Allen berufen und befähigt ist, selbst zu beurtheilen, was seinen Intereßen angemeßen sei oder nicht. Endlich können wir nicht verhehlen, daß wir am Schluße des besagten Berichtes mit Befremden eine Äußerung gefunden haben, welche den Mangel eines gemeinsamen deutschen Central-Organes und eines die Nation in ihrer Gesammtheit vertretenden Parlamentes beklagt. Wenn der Berichterstatter hierauf die Bemerkung beifügt, daß er durch vorstehende Auslaßung die Grenzen seiner Zuständigkeit nicht überschritten zu haben glaube, indem sowohl die unter dem Vorsitz Seiner Majestät des Kaisers im vorigen Jahre gefaßten Beschlüße des Frankfurter-Fürsten-Congreßes als auch die darauf erfolgten Erklärungen der königlich preußischen Regierung die ernste Absicht der Herstellung entsprechender Organe bekundet haben, so können wir nur entgegnen, daß dieses Bedauern auch die von Oesterreich vorgeschlagene und von den Bundesfürsten angenommene Reformakte trifft, nach welcher bekanntlich, die Behandlung der auswärtigen Angelegenheiten nicht in den Bereich der Volksvertretung zu fallen hätte. Ich muß es der Umsicht Euer Excellenz anheimstellen, die vorstehenden Bemerkungen in geeigneter Weise zu benützen, um vorkommenden Falles Ihre Sprache darnach zu regeln. Empfangen Hochdieselben die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. Rechberg.

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Artikel im Dresdner Journal

Nr. 127

127. Artikel im Dresdner Journal1

Dresdner Journal Nr. 159 vom 12. Juli 1864, S. 663 f.

Die Stadt Dresden bereitet dem Staatsminister Beust, der den Deutschen Bund auf der Londoner Konferenz vertreten hat, einen begeisterten Empfang und huldigt ihm als dem „Vertheidiger deutschen Rechts und deutscher Ehre“ und „Mehrer deutschen Ruhmes“. Beusts Sendung nach London war für Deutschland unendlich segensreich, denn fortan wird es in rascher Entwicklung seinen inneren staatlichen Ausbau vollen­ den. Das nationale Selbstgefühl Deutschlands ist gekräftigt worden.

Dresden, 12. Juli 1864 Ein Festabend für Herrn Staatsminister Frhrn. v. Beust. Wir haben bereits in unserm Berichte über den Empfang, welcher dem Bevollmächtigten des Deutschen Bundes bei der Londoner Conferenz, Herrn Staatsminister v. Beust2, bei seiner Ankunft in Dresden geworden, erwähnt, daß von Seiten der Stadt Dresden noch eine patriotische Begrüßung Sr. Excellenz mittelst Gesanges und Fackelbegleitung unter allgemeiner Betheiligung der städtischen Collegien veranstaltet werden sollte, zu welcher der hiesige allgemeine Männergesangverein, sowie die Turner ihre corporative Mitwirkung zugesagt hatten. Diese Feier hat nun am verflossenen Sonnabend stattgefunden3 und sich – begünstigt durch einen prächtigen Sommerabend – zu einem ebenso imposanten wie schönen Feste gestaltet. Abends 9 Uhr setzte sich vom Antonsplatze aus der Festzug unter Vortritt eines Musikchores, die Sänger von den, Fackeln tragenden Turnern in die Mitte genommen, in Bewegung, und zwar zunächst durch die Scheffelgasse 1 Das Dresdner Journal erschien seit dem 1. Oktober 1851 unter diesem Namen als Nachfolgeblatt des 1848 gegründeten Dresdner Tageblatts. Ursprünglich eine liberale Zeitung unter der Redaktion von Karl Biedermann ging die Zeitung 1850 in den Besitz des sächsischen Staates über und wurde das offizielle Regierungsorgan. Das Dresdner Journal erschien bis 1914 unter diesem ­Namen. Vgl. Hanspach, Die periodische Presse der Stadt Dresden, S. 141–144 u. 166–170. 2 Zu Beusts Rolle als Bevollmächtigter des Deutschen Bundes bei der Londoner Konferenz ­siehe Flöter, Beust und die Reform des Deutschen Bundes, S. 448–456; Beust, Aus drei Viertel-Jahrhunderten, Bd. 1, S. 353–396, ebd. S. 375–377 zitiert Beust einen Bericht über den Empfang in Dresden aus nicht näher genannter Quelle. – Die internationale Londoner Friedenskonferenz war auf Vorschlag Englands am 25. April 1864 zusammengetreten, um über die Beilegung des Konflikts um Schleswig-Holstein zu verhandeln. An der Konferenz nahmen die fünf europäischen Großmächte, Dänemark, Schweden sowie der Deutsche Bund, vertreten durch Beust, teil. Die Konferenz endete am 25. Juni 1864 ohne Ergebnis, weil sich die kriegführenden Parteien, Dänemark auf der einen sowie Österreich und Preußen auf der anderen Seite auf keinen Kompromiß einigen konnten. Vgl. dazu Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S. 373 f.; zur Rolle Beusts und der öffentlichen Wirkung siehe Müller, „Hoch dem Mehrer deutschen Ruhmes“. 3 Am 9. Juli 1864.

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nach dem Rathhause, wo die städtischen Collegien mit dem Banner der Stadt sich an die Spitze desselben stellten. Von einer überaus zahlreichen Menschenmenge umwogt, zog nun der Zug, aus dessen Mitte die Fahnen der ­Sänger und Turner wehten, über den Altmarkt durch die Kreuzgasse nach dem Hotel des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, woselbst ­infolge einer an ihn ergangenen Einladung Herr Staatsminister v. Beust aus Laubegast4 eingetroffen war. Nachdem der Zug unter den Klängen des Schleswig-Holsteinliedes5 in den Vorhof eingetreten war und Aufstellung genommen hatte, trugen die Sänger unter Direction des Herrn Hofkapellmeisters Krebs6 (nach der Melodie „die Wacht am Rhein“) das nachstehende Festlied von Herrn Dr. Bösigk 7 vor: Sei uns gegrüßt mit Jubelschall In tausendfachem Wiederhall, Auf Den mit Hoffnung und Vertrau’n Fortan die deutschen Stämme schau’n. Mein Vaterland! dein schöner Stern Er strahle hell in Nah und Fern. Deutschland, Glückauf! Zum Kampfe trug Den Aar der Schwingen stolzer Flug; Von Neuem gilt’s im Waffentanz Germania’s Ruhm und Siegeskranz. Mein Vaterland! dein schöner Stern Er strahle hell in Nah und Fern. Doch was der Schwerter heller Klang An Macht dem guten Recht errang: Wohl war’s noch in des Kampfes Noth Von fremder Arglist frech bedroht. Mein Vaterland! dein schöner Stern Er strahle hell in Nah und Fern. 4 Im Dorf Laubegast bei Dresden besaß Beust einen Landsitz. 5 Das Schleswig-Holstein-Lied („Schleswig-Holstein meerumschlungen …“) wurde 1844 vom Schleswiger Advokaten Matthäus Friedrich Chemnitz (1815–1870) nach einer Vorlage des Berliner Rechtsanwalts Karl Friedrich Straß (1803–1864) geschrieben, der offizielle Titel lautete: „Wanke nicht, mein Vaterland“; vgl. Unverhau, Gesang, Feste und Politik. 6 Karl August Krebs (1804–1880), Komponist und Dirigent, 1850–1880 Hofkapellmeister in Dresden; ADB, Bd. 17, S. 99 f. 7 Franz Ludwig Bösigk (1830–1880), Studium der Theologie und Philologie, seit 1861 Sekretär an der Königlichen Öffentlichen Bibliothek in Dresden; Sächsische Biographie, http://saebi. isgv.de/biografie/Franz_ Ludwig_Bösigk_(1830–1880).

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Artikel im Dresdner Journal

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Da hielt mit seines Geistes Macht Ein edler Kämpe treue Wacht; Zu Ehren bracht er beim Turnier Das schwarz-roth-goldene Panier. Mein Vaterland! dein schöner Stern Er strahle hell in Nah und Fern.

Willkommen in dem Sachsenland! Heil Dir von Sängers Mund und Hand! Lang’ lebe, schaffend fort und fort Zu Deutschlands Ehre, Schirm und Hort! Mein Vaterland! dein schöner Stern Er strahle hell in Nah und Fern.

Als die Sänger geendet, ergriff namens der Vertreter der Stadt Herr Stadtv. Adv. Gerlach8 das Wort und brachte dem9 am Fenster erschienenen Herrn Staatsminister ein Hoch in folgenden Worten: „Den Ehrenbürger unsrer Stadt begrüßen wir freudig bei seiner Rückkehr in die Heimath nach rastloser, ruhmvoller Thätigkeit. Dem hochverehrten Staatsmanne, der in Uebereinstimmung mit unserm erhabenen und geliebten Könige als erster Vertreter des großen deutschen Gesammtvaterlandes mitten im Kreise offener und versteckter Gegner hoch hielt das Banner Deutschlands und des auf ewig ungetheilten Schleswig-Holsteins, dem deutschen Manne, der, das Rechtsbewußtsein des deutschen Volkes höher achtend als die Drohungen eines übermüthigen Auslandes, klar aussprach des deutschen Volkes gerechte Forderungen, dem hochverdienten Herrn Staatsminister Freiherrn v. Beust, dem unerschrockenen Vorkämpfer, dem mannhaften Vertheidiger deutschen Rechts und deutscher Ehre, aus dankbarer Brust ein dreifaches Hoch!“ Jubelnd stimmte die tausend und aber tausend Köpfe zählende Menge in dreimaliger Wiederholung in dieses Hoch ein, worauf als zweiter Gesang das folgende, von Fr. Reichelt componirte schleswig-holsteinische Volkslied erklang10: Blau, wie der Himmel über uns sich ziehet Blau, wie das sanfte Veilchen auf dem Feld, Blau, wie die Augen, womit Liebchen siehet, Ist in der Fahne unser erstes Feld. Wir denken d’ran im blutigen Gefecht Denn Blau bedeutet: Glauben an das Recht.   8 Heinrich Ferdinand Gerlach (1829–1900), Notar und Rechtsanwalt in Dresden; vgl. Adreßund Geschäftshandbuch der königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden. Bd. 10: 1864. Dresden 1864, S. 66; http://www.stadtwikidd.de/wiki/Heinrich_Ferdinand_Gerlach.   9 Emendiert. Vorlage: den. 10 Das Lied entstand im Jahr 1862, Text und Musik stammten von Friedrich Wendell; vgl. http:// www.volksliederarchiv.de/text4370.html.

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Weiß, wie der Schnee, den uns der Winter bringet, Weiß, wie das Bild der Unschuld uns erscheint, Weiß, wie das Lämmchen, das da munter springet, So unsre Fahne in der Mitte scheint. Wir hoffen auf Errettung mit Geduld, Denn Weiß bedeutet: Leiden ohne Schuld. Roth, wie das Blut frisch in den Adern rinnet, Roth, wie des Weines dunkle Purpurpracht, Roth, wie die Liebe, die das Herz gewinnet, Ist dann die Farbe, die den Schluß nun macht. Wir lassen gern für’s Vaterland das Blut, Roth ist die Farbe, sie bedeutet: Muth. O Blau-Weiß-Roth, ihr teuren Landesfarben Von Schleswig-Holstein, führt zum Guten nun, Auf daß die Helden11, die vor Jahren starben, Geehrt und sanft im freien Lande ruh’n; Und gebt uns Das, was uns bis jetzt noch fehlt: „Ein Schleswig-Holstein, ewig ungedeelt.“ Diesem folgte die Festrede, gehalten von Herrn Dr. med. Lind[n]er12. Eine lautlose Ruhe trat ein, als derselbe das improvisirte Podium betrat, und in tiefster Spannung folgte die Versammlung den Worten, die derselbe an Se. Excellenz richtete und die folgendermaßen lauteten: „Excellenz! Bei ruhiger Ebbe der Begebenheiten geistig hinauszuragen noch über seine hohe Stellung, ist wohl Ehre und Zier dem Manne. Aber groß erscheinen in großer, gewaltiger Zeit, in einer Zeit, welche mit mächtigem Schaffensdrange allüberall geistige Elemente hervorruft, zündend, belebend, sie anspannend zu höchster Kraftäußerung, dann noch groß zu erscheinen, dazu sind nur Wenige auserwählt, weil gar selten die Natur so gütig ist, die geistigen Gaben reich genug zu häufen auf einem Haupte. Mit welchem Stolze Excellenz, begrüßen wir Sie nach dem Tage Ihres Ruhmes wieder als den Unsern in den Mauern unsrer Stadt. Wir, die wir so gern singen von der Pracht und Herrlichkeit unsers deutschen Vaterlandes, mit welch herzinniger Freude begeistern wir uns in Liebe für Sie, den Mehrer deutschen Ruhmes, den treuen Wächter seiner Ehre. Dankte Ihnen schon die engere Heimath die feste Abwehr fremden Einflusses vor Jahren und in neuerer Zeit, dort, als Sie unberechtigte Forderungen des Ostens mit männlichem Muthe, hier, wo sie 11 Emendiert. Vorlage: Farben. 12 Ludwig H. Lindner, Arzt; vgl. Adreß- und Geschäftshandbuch der königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden. Bd. 10: 1864. Dresden 1864, S. 147.

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Artikel im Dresdner Journal

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unpassende Formen mit echt deutschen, mit festländischen Worten ungeschminkt als solche kennzeichneten und zurückwiesen, so ist in der jüngsten Zeit das gesammte deutsche Vaterland den Tribut des Dankes Ihnen schuldig für die treue Wahrung seiner Interessen, für die Festhaltung seiner politischen Stellung. Der Deutsche Bund sah sich zum ersten Mal berufen, seine Stimme zu erheben bei der Lösung einer wichtigen nationalen Frage. Er und mit ihm der übergroße Complex der deutschen Staaten legte den blanken Schild seiner Ehre in die Ihre, in die würdigste Hand, daß sie ihn reinhalte von jeglichem Makel, von jeder Antastung, daß Sie ihn heimbringen möchten strahlender in dem Glanze neu erworbenen Ruhmes. Hat es nun das Schicksal auch nicht gewollt, daß Ihre Absichten erreicht würden, die: loszureißen von dänischer Vorherrschaft Alles, was in Schleswig-Holstein deutsch redet, ja nur deutsch denkt, deutsch fühlt und es zu einen unter seinem angestammten Herzoge, – denn das waren, das sind und das werden bleiben Ihre endlichen Endziele – muß noch mehr des deutschen Blutes fließen für die deutsche Sache, erkämpfen sich aufs Neue unsre Brüder frische Lorbeeren und unsre Bewunderung und Liebe in überreichem Maße, so war dennoch Ihre Sendung nach London für Deutschland eine unendlich folgen- und segensreiche. Denn fortan wird es in rascher Entwickelung seinen innern staatlichen Ausbau vollenden. Factoren, die ihm störend waren und sind, werden immer mehr von ihrem nach­ theiligen Einflusse verlieren, wenn Sie, Excellenz, der numerischen Größe und den realen Machtverhältnissen auch ferner Ihre geistige Präponderanz als Gegengewicht in die Wagschale werfen wollen. Und nicht minder groß wie dieser ist der moralische Gewinn, den Deutschland in der Kräftigung seines nationalen Selbstgefühls erlangt hat. Ihr klarer Blick hat unter mancher Löwenhaut die wahre Gestalt erkannt, Ihre rastlose Energie nicht geruht, bis sie mit dem scharfen zersetzenden Verstande die gleisnerische Hülle mürbe gemacht und sie zerstört, so daß die hohle Ohnmacht in ihrer Nacktheit zu Tage lag. Und dies ist ein unendlicher Gewinn für Deutschland, denn den greifund sichtbaren Feind schlug der Deutsche wohl immer, und von Spukgestalten wird er fernerhin nach solchen Erfahrungen seine Phantasie wohl nicht mehr belästigen lassen. Das Excellenz, dankt Deutschland Ihnen, wie es durch Sie weiß, was es allerdings schon lange wissen mußte: es weiß, daß wer gehört werden will weit auf dem Meere, daß der sich eines Sprachrohres stets bedient, die Stimme machts wohl fürchterlich erdonnern, doch an den Worten änderts nichts, und leeres Drohen klingt nur noch hohler. Nimmer wird Deutschland wieder erschrecken wie ein Kind bei solchem Lärmen, denn über Nacht ist es zum Mann geworden; im Bewußtsein der eigenen Größe wird es sich nicht ferner beugen vor fremder. Auch das, Excellenz dankt es Ihnen, denn auch Sie haben Deutschlands Namen groß gemacht vor allem Volke. O weihen Sie auch fernerhin diese reichen geistigen Gaben nur

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deutschen Interessen. Das deutsche Volk ist dankbar wie keines. Wenn es in dem weiten Tempel seines Ruhmes aufhängen wird die Tafeln der Geschichte, wird auf ihnen der Name „Beust“ glänzen als eines edlen geistigen Vorkämpfers für die einstige Weltherrschaft Deutschlands. Darum rufe ich mit frommem Wunsche: Gott schütze unser deutsches Vaterland, er walte segnend und erleuchend über Ihrem Haupte, er wohne tief im Herzen drinnen, „auf daß dies Herz auch immer treu und deutschgesinnt verbleibe.“ Dann werden an unsern Fackeln Tausende sich entzünden und in Millionen deutscher Herzen wird der Ruf wiederklingen, der Ruf aus Sängermunde: Hoch dem Mehrer deutschen Ruhmes, Hoch dem Wächter deutscher Ehre, Hoch, dreimal Hoch Sr. Excellenz unserm Staatsminister Freiherrn v. Beust.“ Als die hierauf folgenden freudigen Hochrufe verklungen waren und eine weihevolle Stille eingetreten war, richtete Se. Excellenz Herr Staatsminister Frhr. v. Beust folgende Worte an die Versammlung: „Wie ehrenvoll und erhebend immer die Kundgebungen sind, welche patriotische Gesinnung mir mit deutschem Wort und deutschem Gesange entgegengebracht hat, wie wohl sie immer meinem Herzen thun, so würde ich dennoch gezögert haben, sie dankend, wie ich es thue, entgegen zu nehmen, hätte ich sie als meiner Person geltend zu betrachten gehabt. Allein sie gelten nicht meiner Person, noch meinen schwachen Verdiensten. Sie gelten dem Ersten, welcher berufen wurde, Deutschland im Rathe Europas zu vertreten. Daß es mir vergönnt war, die Fahne Deutschlands hoch zu halten und unbefleckt ­zurückzubringen, das war nur ein beneidenswerthes Loos. Sachsen aber, so ­hoffe ich, wird darum nicht minder gern in die Tafeln seiner Geschichte einschreiben, daß es ihm beschieden war, den Träger des deutschen Banners zu entsenden, und es wird Dessen eingedenk bleiben, daß dieser Vorzug ihm nicht geworden wäre, hätte es nicht zum Bürgen einen Herrscher gehabt, von dem man wußte, daß er deutsches Recht und deutsche Ehre hoch hält! (Allgemeines Bravo!) Und weil ich weiß, daß die Herzen aller Derer, die hier versammelt sind, für Deutschlands Größe und Zukunft warm schlagen, darum fordere ich Sie auf, mit mir in den Ruf einzustimmen: Hoch lebe der König, der für Deutschland groß denkt und groß fühlt; der König, er lebe hoch!“ Weithin schallend fand dieses Hoch in der Versammlung den begeistertsten Wiederhall, worauf die Versammlung Arndt’s Lied anstimmte: „Was ist des Deutschen Vaterland.“13 13 Das 1813 von Ernst Moritz Arndt (1769–1860) geschriebene und 1815 von Johannes Cotta (1794–1868) vertonte Lied „Des Deutschen Vaterland“, das mit dem emphatischen Refrain „Das ganze Deutschland soll es sein!“ endet, wurde seit dem Vormärz zu einem Nationallied der deutschen Einigungsbewegung; Text in: Meisner, Gedichte von Ernst Moritz Arndt. Vollständige Sammlung. Bd. 2, S. 18–21.

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Artikel in der Leipziger Zeitung

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Die Sänger brachten Sr. Excellenz sodann noch ein vom Herrn Kapellmeister Krebs intonirtes dreimaliges „harmonisches Hoch“ aus, worauf der Zug seinen Rückweg antrat und vor dem Rathhause aus einander ging. So endete dieses Fest unserer Stadt Dresden, hinter welcher am Abend des 9. Juli wohl das ganze Sachsenvolk stand. Bemerken wir nur noch, daß Se. Excellenz der Herr Staatsminister Frhr. v. Beust an demselben Abend noch einer aus drei Mitgliedern des Stadtraths und zwei Mitgliedern des Stadtverordnetencollegiums bestehenden Deputation, sowie den die mitwirkenden Vereine vertretenden Herr Hofkapellmeister Krebs und Dr. Lindner seinen Dank für diese ehrende Ovation noch besonders ausgesprochen hat.

128. Artikel in der Leipziger Zeitung

Leipziger Zeitung Nr. 188 vom 9. August 1864, S. 4318 f. Auszug aus einer Artikelserie über die Londoner Konferenz, die vom 26. Juli bis 9. August in elf Teilen erschien. Die Artikel wurden als separate Schrift gedruckt unter dem Titel: Die Londoner Conferenz zu Beilegung des deutschdänischen Streites. Nach authentischen Quellen bearbeitet. Separatabdruck aus der Leipziger Zeitung. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner 1864, 62 S. (Auszug ebd. S. 59–62).

Der Artikel kritisiert die „Sonderpolitik“ der beiden deutschen Großmächte, die den Streit um Schleswig-Holstein zu einer Machtfrage gemacht haben, während er in der Hand des Deutschen Bundes nie den Charakter einer Rechtsfrage verloren hätte. Nach dem Scheitern der Londoner Konferenz schieben Österreich und Preußen den Bund wieder beiseite und nehmen ihre Sonderpolitik wieder auf. Sie benutzen den Bund nur als einen Deckmantel für andere Pläne, bei deren Durchsetzung sie vor Rechtsbruch und Gewalttaten nicht zurückschrecken. Damit hat aber die deutsche Sache nichts zu tun, denn wer auf diesem Weg Deutschlands Sache zu führen sich anmaßt, ist sein gefährlichster Feind.

Leipzig, 9. August 1864 Der Deutsche Bund ist seiner Verfassung und Bestimmung nach auf defensive Zwecke verwiesen; was er begehrt, nimmt er von Rechtswegen in Anspruch; von Eroberungsgelüsten kann bei ihm, wenn er in den Fall der Action kommt, nie die Rede sein. Nahm er also, wie es die Mittelstaatspolitik anstrebte, die Sache Schleswig-Holsteins zu ausschließlicher Erledigung in die Hand, so konnten die Großmächte sich über die Endzwecke seiner Action vollkommen beruhigt fühlen. Andere Gesichtspunkte kamen in Betracht, als Oesterreich und Preußen mit Umgehung des Bundes sich als europäische Großmächte der Leitung der Sache bemächtigten und das, was sie eigentlich im Schilde führten, fortwährend im Dunkel hielten. Eine solche Art war nur zu geeignet, Mißtrauen und Argwohn gegen die Reinheit und Selbstlosigkeit

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Leipzig, 9. August 1864

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dieser Sonderpolitik bei den übrigen Großmächten hervorzurufen; man wurde mit zwingender Nohwendigkeit auf die Annahme aggressiver Hintergedanken hingeführt, da es sonst rein unerklärlich erschien, warum die beiden Großmächte, statt Hand in Hand mit ihren deutschen Bundesgenossen den durch die Bundesverfassung klar vorgezeichneten Weg zu gehen, mit Hintansetzung ihrer Bundespflicht es vorzogen, die Eigenschaft der europäischen Großmacht hervorzukehren, wo sie, wenn ihre Absichten in der That mit dem deutschen Interesse zusammenfielen, weit einfacher, leichter und wirksamer als ­deutsche Bundesglieder zum Ziele gelangen konnten.1* In den Händen Deutschlands konnte die Herzogthümerfrage nie über den Charakter einer Rechtsfrage hinausgehen, von Oesterreich und Preußen eigenmächtig in die Hand genommen, nahm sie die Gestalt einer Machtfrage an, welche die übrigen Großmächte um ihrer selbst willen nicht interesselos lassen konnte. Die Neutralen begriffen das mit richtigem Scharfblick. Das oesterreichisch-preußische Vorgehen gegen Schleswig ist, ein so schönes Blatt der von den beiden Armeen dabei errungene Waffenruhm in der deutschen Kriegsgeschichte auch jederzeit ausfüllen wird, der deutschen ­Sache nicht zum Segen gewesen, und wenn Herzog Friedrich, wie ihm von dem Organe des preußischen Ministerpräsidenten, seines Einspruchs dagegen ungeachtet, beharrlich nachgetragen wird, wirklich die Aeußerung gethan habe sollte: für seine und Schleswig-Holsteins Sache wäre es viel besser gewesen, wenn sich Preußen auf eigene Hand nicht hineingemengt hätte, so hätte der damit ein Wort gesprochen, das in mancher Hinsicht Berechtigung hat. Das Scheitern der Conferenz bringt allem Anscheine nach die Dinge völlig wieder auf den alten Standpunkt zurück. Der Bund, der für Wien und Berlin in London nothgedrungen der Zufluchtsanker wurde, wollte man der Gefahr eines allgemeinen Kriegs entgehen, wird wieder bei Seite geschoben, die beiden Vormächte leiten wieder zurück ins Gleis der Sonderpolitik, die frühere * Preußische Blätter werden nicht müde, als alleinigen Grund für das separate Vorgehn Oesterreichs und Preußens die Unmöglichkeit, auf dem Bundeswege zu raschen Entschlüssen zu kommen, hervorzuheben; wenn man auf den Deutschen Bund hätte warten wollen, würde heute noch kein Quadratfuß schleswigschen Landes in deutschen Händen sein. Es ist dies eine Aufstellung, die nicht nur aller thatsächlichen Bescheinigung baar, sondern auch, bekannten Vorgängen der jüngsten Vergangenheit gegenüber, geradezu eine Perfidie ist. Hätten Oesterreich und Preußen im December vorigen Jahres den mittelstaatlichen Antrag auf Occupation Holsteins und Schleswigs angenommen, statt gegen denselben alle Minen springen zu lassen und ihn damit zu Fall zu bringen, und wären infolge dessen kraft Bundesbeschlusses beide Herzog­ thümer sofort militairisch besetzt worden, so hätte man auch Schleswig noch vor Ablauf des Jahres 1863 in Händen gehabt und, da ja auch Holstein und Lauenburg von den Dänen vor den einrückenden Bundestruppen ohne Widerstand geräumt worden wären, wahrscheinlich ohne ­einen Tropfen Blut zu vergießen. Aber das preußische Cabinet bedurfte freilich des Krieges, um die Aufmerksamkeit von den inneren Angelegenheiten, wo man in eine Sackgasse gerathen war, abzuleiten, und Oesterreich ließ sich gutwillig herbei, aus der Verlegenheit zu helfen.

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Beust an Lindenau

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Unsicherheit über Zweck und Ziel derselben faßt neuerdings Fuß, nachdem es den Anschein gewinnt, als halte man sich in Wien und Berlin auch nicht mehr an das gebunden, was man in London Deutschland gegenüber erklärt hat. Wenigstens ist sonst nicht abzusehen, wie man den Herzog Friedrich zu Beibringung der Nachweise seiner Erbfolgeansprüche auf die Herzogthümer auffordern konnte, nachdem Oesterreich und Preußen in Gemeinschaft mit dem Bundesbevollmächtigten in London die Erklärung abgegeben haben, daß sie den Herzog Friedrich als den meistberechtigten Erben der Herzogthümer betrachten, und daß dessen Anerkennung durch den Bund gesichert sei – eine Erklärung, die beide Mächte wiederholt als sie verpflichtend anerkannt ­haben, indem der Bund, dessen Mitglieder sie sind, hinterher sie gutgeheißen und damit sich angeeignet hat. Alle diese Gefahren wurden umgangen, wenn man in London zu einem definitiven Abschluß kam, der die Basis zum alleinigen Anhalt nahm, die im Interesse der deutschen Sache nie hätte verlassen werden sollen – das gute Recht des Deutschen Bundes. Auch noch heute wird man auf dieser Linie am ehesten zum Ziele gelangen, ja eher denn je, denn die Londoner Conferenz hat dafür den Boden merklich geebnet und vor ­Allem die Ueberzeugung gefestigt, daß das Ausland nichts Ernstes dagegen unternehmen wird, wenn Deutschland, in allen seinen Gliedern geeint, sein gutes Recht zur Geltung bringen will. Nur gegen eine in ihren Strebzielen unklare, in ihrer Tragweite unabsehbare Politik, welcher der deutsche Name nur der Deckmantel für andere Pläne ist, die zur Erreichung ihrer Zwecke vor Rechtsbruch und Gewaltthat nicht scheut, richtet sie sich; mit ihr aber hat die deutsche Sache nichts zu thun, und es dürfte der Tag nicht fern sein, wo es zu Jedermanns Bewußtsein gedrungen, daß, wer auf diesem Wege Deutschlands Sache zu führen sich anmaßt, sein ärgster und gefährlichster Feind ist.

129. Beust an Lindenau1

HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 897, fol. 55r– 62r. Erlaß. Abschrift. Bleistiftnotiz: „zum Abschlußbericht Lond. Konferenz“.

Beust weist die Kritik Bismarcks an seinem Schlußbericht über die Londoner Konfe­ renz zurück. Er bedauert, daß Österreich und Preußen nicht der Majorität des Bun­ des gefolgt sind und Schleswig nicht für den rechtmäßigen Thronfolger in Besitz ge­ nommen haben. Damit wäre die Sache eine innere deutsche Angelegenheit geworden und Österreich und Preußen hätten unter Mitwirkung des Bundes und gestützt auf die Sympathien der Nation gehandelt. Beust beklagt, daß seine Handlungsfreiheit als 1 Wolf Hugo Kurt von Lindenau (1828–1900), Legationsrat und Sekretär bei der sächsischen Gesandtschaft in Berlin, 1871–1874 Mitglied des Deutschen Reichstags; Hirth (Hrsg.), Deutscher Parlaments-Almanach, S. 221; Friedjung, Geschichte in Gesprächen, Bd. 1, S. 336–338.

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Dresden, 23. August 1864

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Bundesbevollmächtigter auf der Londoner Konferenz eingeschränkt war, weil es für ihn keine Möglichkeit gab, sich gegenüber der „öffentlichen Stimme“ vor einer Ge­ samtvertretung der Nation zu rechtfertigen.

Dresden, 23. August 1864 Bereits gegen Ende vorigen Monats gab mir der damalige Königlich Preußische Geschäftsträger durch Vorlesen Kennntiß eines Erlasses des Herrn Minister-Präsidenten von Bismarck, welcher sich über den von mir, als Bevollmächtigten des Deutschen Bundes, an die Bundesversammlung unterm 29. Juni ds. Js. erstatteten Schlußbericht verbreitet und verschiedene Ausstellungen daran zu machen findet. Da es mir wünschenswerth erschien, diese Einwendungen genauer erwägen und sodann erwiedern zu können, so ersuchte ich Herrn Legationsrath Uebel2, die nöthige und ihm fehlende Ermächtigung zur Überlassung jener Depesche sich zu verschaffen. Diese ist erst in den letzten Tagen erfolgt, und ich befinde mich nun im Stand an die Entgegnung zu gehen. Nachdem die hohe Bundesversammlung mir, nach Erledigung der mir er­ theilten Mission, allenthalben ihre Zufriedenheit zu erkennen gegeben hat, würde es mir vielleicht erlaubt sein, die Frage aufzuwerfen, ob und in wie weit ich über meine Thätigkeit während derselben und insbesondere auch über die an die Bundesversammlung erstatteten Berichte einer einzelnen Regierung Rechenschaft schuldig sei. Ich dürfte vielleicht dazu umso mehr mich aufgefordert fühlen, als die in dem Erlasse des Herrn Ministerpräsidenten von Bismarck enthaltenen Ausstellungen sich nicht auf diejenigen Stellen meines Berichts beschränken, welchen eine Kritik des Verfahrens der Cabinete von Wien und Berlin vorgeworfen wird, sondern sich auch auf andere Stellen erstrecken, wo allgemeine, den Bund und die am Bunde schwebenden Angelegenheiten betreffende Fragen berührt werden. Ich bin indessen weit entfernt, mich hinter diese Betrachtung zurückziehen zu wollen und vielmehr der Rücksichten vollkommen eingedenk, welche ich der Stellung der Königlich Preußischen Regierung im Bunde und der Bedeutung ihrer Vorstellungen schulde. Der Erlaß des Herrn Ministerpräsidenten von Bismarck nimmt Anstoß da­ ran, daß in dem Schlußbericht gesagt sei, daß „die für Deutschland ungünstige Stimmung Englands wesentlich mit dem einseitigen Vorgehen der beiden Deutschen Großmächte gegen Dänemark, unter dem Titel der Inpfandnahme Schleswigs, zusammenhänge“ und rügt, „daß der Bericht eine Entschuldigung der angeblichen Nichtachtung des Rechtes auf Seiten Englands in dem 2 Xaver Gustav Friedrich Übel (1824–1906), 1865–1866 preußischer Legationssekretär in Dresden; Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 461.

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Umstande suche, daß ,die Rechtsfrage‘[,] auf die es in Wirklichkeit angekommen, von den beiden Deutschen Großmächten selbst nicht vorangestellt, nicht zum Ausgangspunkte für ihre Action genommen worden sei.“ Ich kann nun zunächst den mir hier gemachten Vorwurf einer „Kritik“ an und für sich nicht annehmen. Es stand mir nicht zu, die Politik Oesterreichs und Preußens einer Beurtheilung zu unterwerfen, ich habe dazu keinen Beruf gefühlt und in der That mich nicht damit befaßt. Dagegen mußte bei der Darstellung des Verlaufs der Conferenz und der Ursachen der dabei für sämmt­ liche deutsche[n] Bevollmächtigten bestehenden Schwierigkeiten, sollte ich nicht auf die Füglichkeit wahrheitsgetreuer Relation verzichten, es mir freistehen, ein vollständiges Bild zu geben und etwas Wesentliches nicht zu ­verschweigen. Der Umstand, den ich bei dieser Gelegenheit hervorgehoben, ist etwas so Notorisches, daß ich jeden andern Einwand eher als diesen zu erwarten hatte. Ohne auf das Zeugniß meiner Herren Mitbevollmächtigten mich zu berufen, welche oft genug in dem Falle waren, die Schwierigkeiten im vertrauten Gespräche anzuerkennen, welche aus den, von den Deutschen Großmächten, bei dem Beginne ihrer Action gegen Dänemark, den Neutralen, insbesondere dem englischen Cabinet gegenüber, abgegebenen Erklärungen erwachsen waren, ohne Bezug zu nehmen auf entsprechende Erklärungen, die von den englischen Bevollmächtigten gegen mich nicht Einmal, sondern zehnmal erfolgt sind, ohne endlich auf die Protokolle zurückzugreifen, aus denen hervorgeht[,] wie man mir jenen Umstand entgegenhielt, so oft ich die Rechtsfrage entwickelte, will ich nur auf die Auslassungen des Grafen Russell3 in seiner Parlamentsrede unmittelbar nach dem Schlusse der Conferenz hinweisen4, worin unter Betonung eben jenes „Ausgangspunktes“ für Oesterreich und Preußen so verletzende Dinge enthalten waren, daß man im ersten Augenblick in London erwartete, die beiden Botschafter würden ihre Pässe verlan3 John, 1st Earl Russell (1792–1878), bekleidete seit den 1830er Jahren hohe politische Ämter in der britischen Regierung, darunter zweimal, von 1846 bis 1852 und von 1865 bis 1866 als Premierminister. Von 1859 bis 1865 war Russell britischer Außenminister. Auf der Londoner Konferenz 1864 spielte er als Gastgeber eine zentrale Rolle. Vgl. Prest, Art. „Russell, John, first Earl Russell (1792–1878)“, Oxford Dictionary of National Biography, online: http://www. oxforddnb.com/view/article/24325 (Zugriff 10. 7. 2015). 4 Beust bezieht sich auf die ministerielle Erklärung des britischen Außenministers Lord John Russell im britischen Parlament am 27. Juni 1864. Darin kritisierte Russell Österreich und Preußen heftig wegen ihres Vorgehens gegen Dänemark. Die auf Betreiben der deutschen Großmächte in Gang gesetzte Bundesexekution sei, so Russell, offensichtlich eine Invasion eines Gebietes gewesen, das in keiner Weise zu Deutschland gehört habe. Vgl. Hansard’s Parliamentary Debates, Third Series, Vol. 176, Debatte vom 27. Juni 1864, S. 302–317, online: http://hansard.millbanksystems.com/lords/1864/jun/27/denmark-and-germany-theconference#S3V0176P0_18640627_HOL_6.

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gen und daß ich, der ich die incriminirte Politik ihrer Regierungen nicht zu vertreten hatte, mich gleichwohl als Deutscher Abgesandter veranlaßt sah, bei meinem Abschied die üblichen Höflichkeitsformen auf das geringste Maß zu beschränken und auf dem Hofballe, der unmittelbar darauf folgte, nicht zu erscheinen. Und dann darf ich, die Protokolle in der Hand, die Frage mir erlauben, wie es denn kam, daß die Bevollmächtigten Oesterreichs und Preußens, obschon die Eroberung Schleswigs, einschließlich der Einnahme von Düppel und die Besetzung Jütlands vor der Conferenz vollzogen waren, dennoch so zögernd und zurückhaltend in ihren Forderungen bis zu der Sitzung vom 28. Mai hervortraten?5 Je mehr ich mich zu beeifern habe, der Gewandtheit und Festigkeit, mit der sie die Sache Ihrer Regierungen vertraten, Anerkennung zu zollen, umso bedeutungsvoller erscheint mir jene Frage, um so zweifelhafter bietet sich mir ihre Beantwortung dar. Trotzdem daß sie den Vertrag von 1852 durch die Kriegsereignisse, Dänemark gegenüber, für zerrissen erklären durften, zögerten sie mit der Forderung hervorzutreten, die endlich am 28. Mai erfolgte, weil es ihnen schwer fiel, über die vor und bei Beginn der militärischen Operationen gebotenen Zusicherungen hinwegzukommen. Ich wiederhole, es konnte mir selbst zu der Zeit[,] wo ich die ehrenvolle Stellung eines Bevollmächtigten des Bundes bekleidete, nicht beigehen, eine „Kritik“ der Entschlüsse und Maßregeln der Großmächte auszuüben; allein meine nicht auf Vermuthungen, sondern auf offenkundigen Thatsachen gegründete Überzeugung durfte ich ungescheut aussprechen. Daß, wie der Erlaß des Herrn Ministerpräsidenten von Bismarck mir einhält, die Rechtsfrage noch heute nicht entschieden ist, – was ich, mit Hinweisung auf die Collectiverklärung vom 28. Mai mit Vorbehalt zuzugeben habe – kann an der Zulässigkeit der in meinem Schlußberichte enthaltenen Bemerkung, die Großmächte hätten die Rechtsfrage nicht zum Ausgangspunkte genommen, etwas nicht ändern. Um die Rechtsfrage zum Ausgangspunkte zu nehmen, bedurfte es nicht einer bereits erfolgten Entscheidung derselben. Wäre es geschehen, hätten die Deutschen Mächte, in Übereinstimmung mit der Majorität am Bundestage vom 14. Januar6, die Besetzung Schleswigs nicht als Inpfandnahme, behufs Erfüllung gewisser Verbindlichkeiten der Krone Dänemark, sondern als Besitzergreifung für den rechtmäßigen Regierungsnachfolger behandelt, so war die vollständige und bleibende Trennung 5 Auf der Londoner Konferenz zur Beilegung des deutsch-dänischen Konflikts hatten die Bevollmächtigten von Österreich, Preußen und dem Deutschen Bund am 28. Mai 1864 in einer gemeinsamen Erklärung die vollständige Trennung der Herzogtümer Schleswig und Holstein und ihre Vereinigung in einen Staat unter der Souveränität des Erbprinzen von SchleswigHolstein-Sonderburg-Augustenburg verlangt. Vgl. Protokoll der Londoner Konferenz vom 28. Mai 1864, Druck in: Staatsarchiv, Bd. 7, S. 23 f.; ProtDBV 1864, S. 275. 6 Siehe Dok. 108.

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der Herzogthümer von Dänemark mit dem Augenblicke, wo Oesterreich und Preußen durch den Krieg des Vertrags von 1852 entbunden waren, den der Bund gar nicht kannte, eine vollzogene Sache und die Entscheidung der Rechtsfrage eine innere Deutsche Angelegenheit, bei welcher, so viel Schleswig betraf, ein Einvernehmen mit den Europäischen Mächten nothwendig werden möchte, nicht aber eine solche Auseinandersetzung, wie sie auf der Londoner Conferenz statthatte. Es würde in diesem Falle wohl überhaupt ­keine Londoner Conferenz zusammengetreten sein, und wenn mir der Herr Ministerpräsident von Bismarck einhält, ohne das einseitige Vorgehen Oesterreichs und Preußens würde schwerlich ein Bevollmächtigter des Bundes in der Lage gewesen sein, auf einer Conferenz den Bund zu vertreten, so habe ich zu erwiedern, daß, so werthvoll für mich die Erinnerung an die Londoner Conferenz und insbesondere an die angenehmen Beziehungen zu meinen Deutschen Herren Mitbevollmächtigten ist, ich gleichfalls zu sehr Patriot zu sein mir schmeichle, um nicht die gute Meinung zu beanspruchen, daß ich jene Erinnerungen der Erreichung Dessen gern zum Opfer bringen würde, was ich nach meiner Überzeugung der Deutschen Sache dienlicher gehalten hätte. Mit dem ferneren Einwande, daß ohne jenes Vorgehen der deutschen Mächte und auf dem von uns angestrebten Wege die gewonnenen militärischen und diplomatischen Erfolge nicht erreicht worden wären, begeben wir uns auf das Feld der Vermuthung. Hier ist auch eine gegentheilige Ueberzeugung erlaubt und die Meinige ist die, daß – abgesehen von dem Vortheile, daß dem Auslande nicht die Berechtigung zu Vorwürfen gegeben worden wäre, vor deren Herbeiführung die sächsische Abstimmung vom 7. December vor. Js. eindrücklich warnte7 und welche, wenn auch jetzt wirkungslos, später einmal, Deutschland gegenüber, ohnfehlbar ihre Nutzanwendung finden werden – gerade der Verlauf, den die Dinge genommen haben, deutlich beweist, daß dieselben Erfolge auf dem nicht betretenen Wege ebenfalls zu erlangen waren. Denn ist es möglich gewesen, daß die Vertreibung der Dänen aus Schleswig und Jütland ohne Dazwischenkunft des Auslandes vor sich gehen konnte, durch kriegerische Operationen, welche Oesterreich und Preußen als Europäische Mächte, gegen den Beschluß des Bundes und gegen die Kundgebungen der öffentlichen Meinung in Deutschland unternahmen, wie sollte man ernstlich glauben, jene Dazwischenkunft würde erfolgt sein, hätten die beiden Mächte, unter Mitwirkung des Bundes, gestützt auf die Sympathieen [sic] der Nation, dasselbe Unternehmen begonnen? Würde England sich in der Lage befunden haben, dieser vereinten Macht mehr Widerstand entgegen zu setzen, als den Armeen der Alliirten allein? Würde die Macht, deren Alli7 Siehe oben Dok. 97, S. 560.

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anz es nicht zu erlangen vermochte, es mit ihren Principien und ihrem Interesse vereinbar gefunden haben dem nationalen Vorgehen des geeinigten Deutschlands den Kampf anzubieten? Und wenn Oesterreich und Preußen infolge ihres Kriegsruhms und der glücklichen Lösung der auswärtigen Verwickelungen heute in Deutschland eine imponirende Stellung einnehmen, würde dieser Erfolg ein geringerer, würde er nicht ein noch sicherer und bleibenderer sein, wenn er zugleich aus dem Vertrauen und der Eintracht hervorgegangen wäre? Der Herr Ministerpräsident von Bismarck wird mir diese Auslassungen nicht als Ueberhebung auslegen wollen. Ich bescheide mich sehr wohl, daß ich in der Stellung, in die ich zurückgetreten bin, dazu keinen Beruf habe und ich würde selbst in derjenigen, welche ich zu bekleiden die Ehre hatte, mir größere Schranken auferlegt haben. Nur die nachträglich gegen mich gerichteten Angriffe rechtfertigen meine freimüthige Darlegung. Diese Betrachtung nehme ich noch mehr bei der Erwiederung auf den zweiten Theil des Erlasses in Anspruch, wo mir vorgeworfen wird, über Gegenstände, die der vorliegenden Sache fremd gewesen seien, Andeutungen damit verbunden zu haben. Es bezieht sich dieser Einwurf zunächst auf die von mir befürwortete Erledigung der Erbfolgefrage durch Anerkennung und Einsetzung des Erbprinzen von Augustenburg und Verweisung der Oldenburgischen Ansprüche8 auf die Austrägalinstanz. Die Gelegenheit, die mir geboten wird, mich über diesen Punkt zu rechtfertigen, ist mir um so mehr erwünschter, als ich – offen darf ich es bekennen – mich dabei mehr in der Lage eines Klägers, als der eines Angeklagten befinde. Hätte ich, als die Bevollmächtigten Oesterreichs und Preußens mir am 27. Mai eröffneten, sie seien angewiesen, in Gemeinschaft mit mir, die völ­ lige Lostrennung der Herzogthümer unter dem Scepter des Erbprinzen von Augusten­burg zu verlangen, mich auf den Standpunkt gestellt, den9 mir der Erlaß des Herrn Ministerpräsidenten von Bismarck vorschreibt; hätte ich mir gegenwärtig gehalten, „daß die Arbeit des Herrn von der Pfordten nicht über das Studium eines Gutachtens hinausgekommen sei“10, so hätte ich auch   8 Am 23. Juni 1864 hatte die oldenburgische Regierung in der Bundesversammlung ihre Erbfolgeansprüche in den Herzogtümern Holstein und Schleswig geltend gemacht. Vgl. ProtDBV 1864, S. 244; siehe dazu unten Dok. 148, Anm. 3 und Dok. 194, Anm. 2.   9 Emendiert. Vorlage: der. 10 Gemeint ist wahrscheinlich das vom bayerischen Bundestagsgesandten von der Pfordten verfaßte ausführliche „Votum des Königlich-Bayerischen Gesandten im Ausschusse für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit, die Erbfolge in den Herzogthümern Holstein und Lauenburg betreffend“, das Anfang Februar 1864 vertraulich an die Ausschußmitglieder übermittelt worden war. Vgl. HStA München, Bayerische Gesandtschaft Bundestag, Nr. 167.

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f­ olgerechterweise ablehnen müssen, der Erklärung Oesterreichs und Preußens mich anzuschließen, so lange der Bund nicht die Erbberechtigung des Erbprinzen von Augustenburg in Holstein förmlich anerkannt haben würde. Ich hätte sollen nach Frankfurt berichten und einen Bundesbeschluß, der die Erbfolgefrage entscheide, beantragen. Damals wurde auf die abzugebende Erklärung Werth gelegt und es ist kaum zu bezweifeln, daß ein solcher Bundesbeschluß erfolgt wäre, wenn ich ohne denselben Anstand genommen hätte, mich anzuschließen. Daß ich es nicht gethan, wird mir vielleicht dereinst noch zum Vorwurf gereichen. Ich trat ohne Zögern bei, im guten Glauben, daß die damals von Oesterreich und Preußen abgegebene Erklärung ein ernster Act sei, daß sie nicht wieder werde in Frage gestellt werden. Und es soll mich ein Tadel treffen, weil ich am Schlusse der Conferenz daran erinnert habe? Ob ich Unrecht gehabt, daß ich die Einsetzung des Erbprinzen von Augustenburg auch aus politischen Gründen empfahl, darüber wird erst die Zukunft, wenn auch nicht in naher, doch vielleicht in einer späteren Zeit, entscheiden und möglich [ist], daß man mir dann da Gerechtigkeit widerfahren läßt, wo man jetzt mich der Überhebung über die Grenzen der mir angewiesenen Thätigkeit zeiht. Zur Rechtfertigung meiner Auffassung erlaube ich mir übrigens die Bemerkung, daß ich davon ausging, die Erklärung vom 28. Mai und der Bundesbeschluß vom 2. Juni11 hätten, wenn sie überhaupt Werth haben sollten, den einer Entscheidung und daß sonach die später erst angemeldeten Oldenburgischen Ansprüche auf den Weg der Austrägalinstanz verwiesen werden konnten, nachdem durch jene Entscheidung der Erbprinz von Augustenburg Bundesglied geworden war. Ich komme zum letzten Einwande, welcher den Schlußbemerkungen meines Berichts, bezüglich eines deutschen Parlaments gilt. Hier bekenne ich mich eines Fehlers schuldig gemacht zu haben, indem ich in der Befürchtung, meinem ohnedies langen Berichte eine zu große Ausdehnung zu geben, mich zu aphoristisch ausgesprochen habe. Man würde irren und mir Unrecht thun, wollte man glauben, ich habe diese Frage in der Absicht angeregt, eine populäre Saite anzuschlagen. Jene Bemerkung, die ich während der Conferenz sehr oft im Gespräch geäußert, entsprang meiner innigen Ueberzeugung. Hatte ich früher schon die Nothwendigkeit einer Vertretung am Bunde auch und gerade für allgemeine, den Bund 11 Die Bundesversammlung hatte am 2. Juni 1864 die am 28. Mai auf der Londoner Konferenz abgegebene Erklärung zur Trennung der Herzogtümer Schleswig und Holstein von Dänemark und ihrer Vereinigung als souveräner Staat unter der Herrschaft des Erbprinzen von Augustenburg gebilligt. ProtDBV 1864, Separatprotokoll zur 23. Sitzung, § 72, S. 214a; Staats­archiv, Bd. 7, S. 124 f.

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berührende politische Fragen erkannt, so war dies noch mehr der Fall, während ich die mir übertragene ehrenvolle Mission zu vollziehen hatte. In meinem Schlußberichte habe ich der hohen Bundesversammlung für die Freiheit, die sie mir gelassen, gleichwie für die Nachsicht, die sie mir gewährt, meinen aufrichtigen Dank dargebracht. Aber mehr als einmal habe ich es empfunden, wie trotz jener mir gelassenen Freiheit, meine Verantwortung schwer auf mir lastete und meine Handlungsweise beengt war, weil mir die Aussicht benommen blieb, mich vor einem gesetzlichen Organe zu rechtfertigen, oder gerechtfertigt zu wissen, welches der Träger der öffentlichen Meinung gewesen wäre. Ich verweise dabei insbesondere auf das Stadium der Verhandlung, wo die Theilung Schleswigs in Frage war. Die Cabinete von Wien und Berlin ­erachteten es als eine Nothwendigkeit darauf einzugehen. Unter gewissen ­Beschränkungen konnte ich mich dieser Ansicht anschließen, aber jeder Ermächtigung dazu entbehrend, konnte ich die Verantwortung für einen Schritt, gegen welche die öffentliche Stimme sich laut erhob, nur dann übernehmen, wenn mir die Füglichkeit geboten war, die Nothwendigkeit desselben vor ­einer Gesammtvertretung zu rechtfertigen. Und wenn ich in meinem Schlußberichte diesem Gefühle Ausdruck verlieh, so geschah es offenbar nicht aus Rücksicht auf meine Person, sondern mit Rücksicht auf die, welche nach mir berufen sein werden, den Bund in ähnlichen Conjuncturen zu vertreten, wo es einmal von ernsten Folgen sein kann, wenn ein Bevollmächtigter des Bundes in den Kundgebungen der einzelnen Landesvertretungen und der Vereine wohl Aufmunterung zum Vorgehen im Sinne drängender Wünsche, aber k­ eine Deckung für einen Entschluß zu finden vermag, den ihm wahrer und selbstständiger Patriotismus unter schwierigen Umständen eingeben kann. Daß mit einer Vertretung am Bunde zugleich die Herstellung einer Bundesgewalt in Verbindung steht, welche, mehr als es bei der Organisation der Bundes­ versammlung möglich ist, bestimmte und schnelle Instructionen zu ertheilen in dem Falle sein würde, ist eine Seite der Frage, die ich nicht berührt habe, die aber dem Gedanken noch mehr praktischen Werth verleiht. Es ist erfreulich mit der Betrachtung schließen zu können, daß ich dennoch in dem Erlasse des Herrn Ministerpräsidenten von Bismarck eine mich ehrende Genugthuung finden zu dürfen glaube. Ich entnehme daraus, daß die Königlich Preußische Regierung „dem in der Bundesversammlung ausgesprochenen Anerkenntniß meiner Leistungen noch einen besonderen Ausdruck der Genugthuung würde haben hinzufügen dürfen über meine Bereitwilligkeit, den Vertretern der beiden Deutschen Großmächte in wichtigen Fragen eine Unterstützung zu gewähren, die sie nicht gering angeschlagen.“ Ich nehme dieses Zeugniß um so dankbarer entgegen, als ich mich der Erhabenheit der Gesinnung des Königlich Preußischen Cabinets zu sehr versichert halte, um annehmen zu sollen, daß einige in meinem Schlußberichte enthaltenen

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mißfälligen Bemerkungen mir jene Anschauung desselben über meine Thätigkeit bei der Londoner Conferenz verkümmert haben könnten. Sie wollen vorstehenden Erlaß dem Herrn Ministerpräsidenten von Bismarck oder in dessen Abwesenheit dem Herrn Unterstaatssecretair zur Einsicht vorlegen und sind ermächtigt, wenn es gewünscht werden sollte, davon Abschrift zu hinterlassen. (gez.) Beust.   Gesetz zum Schutz der Urheberrechte 

130. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der literarischen und künstlerischen Urheberrechte

ProtDBV 1864, S. 491–501.

Der Entwurf enthält detaillierte Bestimmungen für den Schutz des Urheberrechtes an literarischen und künstlerischen Werken im Gebiet des Deutschen Bundes. Insbeson­ dere wird der unerlaubte Nachdruck verboten. Es wird eine einheitliche Schutzfrist von 30 Jahren nach dem Tode des Urhebers festgelegt. Die Bestimmungen erstrecken sich auch auf musikalische Kompositionen und Werke der bildenden Kunst sowie auf die Aufführung dramatischer oder musikalischer Werke. Für Verstöße gegen das Urheber­recht werden einheitliche Strafen festgelegt.

Frankfurt am Main, 1. September 1864 Beilage 2.

(zu §. 238.)

Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Urheberrechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst. Erstes Hauptstück. Von dem Verbote des Nachdruckes. Erster Abschnitt. Nachdruck literarischer Erzeugnisse.

§. 1. Die mechanische Vervielfältigung literarischer Erzeugnisse ohne Genehmigung ihres Urhebers, beziehungsweise seiner Rechtsnachfolger, (Nachdruck) ist nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes verboten. Hinsichtlich dieses Verbotes macht es keinen Unterschied, ob das Werk bereits veröffentlicht war oder nicht, ob es niedergeschrieben ist oder nur münd-

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lich vorgetragen wurde, ob es von einem oder mehreren Verfassern herrührt, ob es ganz oder nur theilweise abgedruckt wird. §. 2. Dem Verbote des §. 1 unterliegt auch der Abdruck von Werken, welchen der Urheber mit Verletzung des von ihm bereits einem Anderen eingeräumten oder der Verleger mit Ueberschreitung des ihm zugestandenen Rechtes zur mechanischen Vervielfältigung veranstaltet. §. 3. Als Nachdruck ist nicht anzusehen die Vervielfältigung von bloßen Notizen, von amtlichen und nichtamtlichen Anzeigen, von Gesetzen und amtlichen Verfügungen weltlicher oder kirchlicher Behörden, von öffentlichen Acten, von Reden, welche bei den Verhandlungen der Gerichte, der Landes- oder Gemeindevertretungen oder bei politischen Versammlungen gehalten wurden, sowie von anderen nicht als literarische zu betrachtenden Erzeugnissen. Die Herausgabe einer Sammlung von Reden desselben Urhebers ohne seine Genehmigung, deßgleichen der Abdruck von Sammlungen oder Bearbeitungen von Schriften der im Absatz 1 bezeichneten Art gilt als Nachdruck. Die Bestimmung des Absatzes 1 hindert die einzelnen Staaten nicht, den Abdruck von Gesetzen oder sonstigen amtlichen Schriften aus anderen Rücksichten als denen des Schutzes des Urheberrechtes zu verbieten oder zu beschränken. §. 4. Der Abdruck von einzelnen Leit- und Correspondenzartikeln aus einer Zeitung in eine andere wird nicht als Nachdruck behandelt, selbst wenn sie literarische Erzeugnisse sind. Das Abdrucken derartiger Zeitungsartikel, ebenso von Originaltelegrammen einer Zeitung in anderen Zeitungen ohne Angabe der Quelle wird jedoch auf Verlangen des Zeitungseigenthümers mit einer Geldstrafe bis zu 20 Vereinsthalern bestraft. §. 5. Die Benutzung des unveränderten Titels von einem früher veröffentlichten Werke eines anderen Autors ist nicht Nachdruck. Wenn jedoch der Titel zur Bezeichnung des behandelten Gegenstandes nicht unumgänglich nothwendig und überdieß zur Irreführung des Publikums über die Identität des Werkes geeignet und dazu wirklich mißbraucht ist, können die an dem früheren Werke Verlagsberechtigten die Unterdrückung des gebrauchten Titels und Ersatz des erlittenen Schadens verlangen.

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§. 6. Das Abschreiben literarischer Erzeugnisse, selbst um Lohn und für Mehrere, gilt nicht als Nachdruck. §. 7. Eben so wenig wird als Nachdruck behandelt die Benutzung eines litera­ rischen Erzeugnisses zur Hervorbringung eines anderen, sofern sie nur der Hauptsache nach nicht in eine Umgehung des im §. 1 ausgesprochenen Ver­ botes ausartet; so ist namentlich zulässig das wörtliche Anführen einzelner Stellen eines Werkes oder selbst die Aufnahme einzelner kleiner Aufsätze und Gedichte oder einzelner Abschnitte aus anderen Werken in ein nach seinem Hauptinhalte selbstständiges Werk oder in eine zu einem eigenthümlichen literarischen Zwecke oder zum Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauche veranstaltete Sammlung von Auszügen aus den Werken mehrerer Schriftsteller. Auf solche Sammlungen findet §. 1 Anwendung. §. 8. Die Herausgabe der Uebersetzung eines fremden Werkes gilt nicht als Nachdruck. Wenn jedoch der Urheber sein Werk gleichzeitig in verschiedenen Sprachen herausgegeben, oder wenn er bei Herausgabe desselben in einer Sprache die Befugniß zur Veranstaltung von Uebersetzungen in bestimmte andere Sprachen auf der ersten Lieferung des Originals ausdrücklich sich vorbehalten hat, so ist die Herausgabe einer Uebersetzung in einer der betreffenden Sprachen durch einen Dritten als Nachdruck verboten. Uebersetzungen dürfen nicht nachgedruckt werden. Die Geltendmachung des aus diesem Verbote entspringenden Rechtes steht dem Uebersetzer und, wenn die Uebersetzung selbst eine unrechtmäßige war (Absatz 2), dem Ur­ heber des Originals zu. Durch den Verlagsvertrag über das Original wird das ausschließliche Ueber­ setzungsrecht (Absatz 2), vorbehaltlich besonderer Uebereinkunft, nicht mit übertragen. §. 9. Bei einem Werke, das durch Beiträge mehrerer Mitarbeiter gebildet wird, steht, wenn dasselbe zugleich in sich ein Ganzes ausmacht, wie z. B. ein Conversationslexikon etc., demjenigen, welcher die einzelnen Beiträge zu einem Ganzen verbunden hat, das Urheberrecht am Ganzen zu. Das Urheberrecht hinsichtlich der einzelnen Beiträge, mögen dieselben zu einem Ganzen verbunden oder nur äußerlich aneinander gereiht sein, verbleibt den Urhebern derselben. Durch Ueberlassung einzelner Aufsätze, ­Gedichte etc. zum Abdruck in Zeitschriften, Almanachen, lexikalischen oder

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a­ nderen Sammelwerken begibt sich deren Urheber zu Gunsten des Verlegers des Sammelwerkes, vorbehaltlich besonderer Uebereinkunft mit demselben, nur der Befugniß, sein Erzeugniß innerhalb zweier Jahre in einem anderen derartigen Werke abdrucken zu lassen. §. 10. Dem Urheber wird hinsichtlich des Schutzes gegen Nachdruck gleichgeachtet der Herausgeber bisher nicht gedruckter Schriften, deren Urheber bereits gestorben ist und die an sich gegen Nachdruck nicht geschützt sind, mögen sie literarische Erzeugnisse sein oder nicht. Von derartigen Schriften ist jedoch Dritten ein freierer Gebrauch als bei anderen durch dieses Gesetz geschützten Werken gestattet, soweit derselbe durch das Bedürfniß oder die Sitte des literarischen Verkehres gerechtfertigt ist, so namentlich z. B. das wörtliche Abdrucken zusammen mit einem Commentar oder als Beleg der vorgetragenen eigenen Ansichten. §. 11. Der Nachdruck ist, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bestimmungen, verboten während der ganzen Lebenszeit des Urhebers und der ersten 30 Jahre nach seinem Tode. §. 12. Bei einem von mehreren Personen als Miturhebern verfaßten Werke erstreckt sich die Schutzfrist auf die Dauer von 30 Jahren nach dem Tode des Längst­ lebenden derselben. §. 13. Bei anonymen oder pseudonymen, d. h. solchen Werken, in welchen der ­Urheber nicht genannt oder nicht mit seinem wahren Namen bezeichnet ist, währt das Verbot des Nachdruckes 30 Jahre von der ersten Herausgabe an gerechnet. Wird aber vor Ablauf dieser Frist der Name des Urhebers durch Eintrag in die Eintragsrolle (§. 51) bekannt gemacht, so tritt die gewöhnliche Schutzfrist (§. 11) ein. §. 14. Für literarische Erzeugnisse, welche erst nach dem Tode des Urhebers, jedoch vor Ablauf der im §. 11 bestimmten Schutzfrist zur Veröffentlichung gelangen, dauert die Schutzfrist 30 Jahre von der Veröffentlichung an. §. 15. Die Schutzfrist von 30 Jahren nach dem Erscheinen gilt auch für die von Akademien, Universitäten, öffentlichen Unterrichtsanstalten, gelehrten und

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anderen erlaubten Gesellschaften oder Vereinen, sowie von juristischen Personen überhaupt herausgegebenen Werke. Dem Urheber selbst, sofern er besondere Ausgaben veranstalten darf, kommt die gewöhnliche Schutzfrist (§. 11) zu Statten. §. 16. Das Verbot der Herausgabe von Uebersetzungen (§. 8) dauert bis zum Ablauf von 3 Jahren von dem Zeitpunkte an, in welchem das Originalwerk gleichzeitig in mehreren Sprachen veröffentlicht, beziehungsweise die vorbehaltene Uebersetzung herausgegeben worden ist. Wenn jedoch der Urheber die vorbehaltene Uebersetzung nicht innerhalb Jahresfrist seit dem Erscheinen des Originals veröffentlicht hat, so erlischt das gedachte Verbot schon mit Ablauf dieses Jahres. Bei umfangreichen Originalen genügt es, wenn mindestens 30 Druckbogen Uebersetzung je innerhalb eines Jahres erscheinen. §. 17. Der Herausgeber eines bisher nicht gedruckten Werkes der im §. 10 bezeichneten Art wird gegen Nachdruck geschützt während 15 Jahren von der ersten Herausgabe an. §. 18. Die vom Erscheinen eines Werkes zu berechnende Schutzfrist beginnt bei Werken, welche abtheilungsweise erscheinen, wenn dieselben ein Ganzes bilden, wie insbesondere bei allen lexikalischen Werken, erst nach dem ­ ­Erscheinen der letzten Abtheilung. Wenn jedoch zwischen dem Erscheinen einzelner Abtheilungen ein Zwischenraum von mehr als 3 Jahren liegt, wird die Schutzfrist für jede einzelne Abtheilung nach der Zeit ihres Erscheinens berechnet. Diese letztere Berechnungsweise tritt in den Fällen der §§. 16 und 17 immer ein, auch wenn die einzelnen Abtheilungen in kürzeren Zwischenräumen erscheinen. §. 19. In die Schutzfrist, deßgleichen in die Fristen der §§. 9, 16 und 18 Absatz 2 wird das Kalenderjahr, in welchem der Urheber gestorben, beziehungsweise das Werk zuerst erschienen ist, nicht eingerechnet. §. 20. Eine Verlängerung der in diesem Gesetze bestimmten Schutzfristen durch Privilegien findet nicht statt.

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Zweiter Abschnitt. Nachdruck musikalischer Compositionen. §. 21. Die mechanische Vervielfältigung von musikalischen Compositionen ohne Genehmigung ihres Urhebers, beziehungsweise seiner Rechtsnachfolger, ist als Nachdruck verboten nach Maßgabe der in dem vorhergehenden Abschnitte enthaltenen und der nachfolgenden besonderen Vorschriften. §. 22. Die Herausgabe eines fremden Tonstückes mit Einrichtung für ein oder mehrere andere Instrumente oder Stimmen als diejenigen, für welche es ursprünglich gesetzt war, (Arrangement) gilt als Nachdruck. §. 23. Dagegen wird nicht als Nachdruck betrachtet die Benutzung eines Thema’s oder eines Tonstückes zu Variationen, Fantasien, Etüden und ähnlichen Tonwerken, vorausgesetzt, daß sie nicht der Hauptsache nach in eine Umgehung der in §§. 21 und 22 ausgesprochenen Verbote ausartet. §. 24. Die Aufnahme einzelner Themata und Auszüge aus musikalischen Compositionen oder ganzer Tonstücke geringeren Umfanges ohne Bearbeitung in ein literarisches Werk oder in eine zum Musikunterricht bestimmte Sammlung wird nicht als Nachdruck behandelt. §. 25. Das Abdrucken eines bereits veröffentlichten Textes zusammen mit einer dazu gesetzten musikalischen Composition durch den Tonsetzer gilt nicht als Nachdruck. Dagegen ist der Abdruck nur mit Genehmigung des Dichters gestattet, a) wenn der Text noch nicht, b) oder nur zum Gebrauche bei Aufführungen (§. 48), c) oder nur zusammen mit einer musikalischen Composition gedruckt und im letzten Falle auf dem Titelblatte durch den Dichter vorbehalten ist, derselbe dürfe nicht in Verbindung mit einer anderen Composition abgedruckt werden. Dritter Abschnitt. Nachdruck bei Werken der bildenden Kunst. §. 26. Nach Maßgabe der im ersten Abschnitte enthaltenen und der folgenden besonderen Vorschriften ist als Nachdruck verboten die ohne Genehmigung des

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Urhebers, beziehungsweise seiner Rechtsnachfolger, geschehene Vervielfältigung von Werken der zeichnenden oder plastischen Kunst, sei diese Vervielfältigung eine mechanische, wie z. B. durch Benutzung der Originalplatten oder Formen, durch Photographie, Abguß, oder werde sie durch Nachbildung vermittelt, vorausgesetzt, daß im letzten Falle ein Verfahren beobachtet wird, durch welches eine Mehrheit nachgebildeter Exemplare mittelst der nämlichen Vorrichtung hergestellt werden kann, z. B. Kupferstiche nach einem ­Gemälde oder einem anderen Kupferstiche. Die Anfertigung von Einzelcopien ohne Genehmigung des Urhebers des Originals ist so lange als Nachdruck verboten, als das Original noch ein Eigenthum des Urhebers und noch nicht erlaubter Weise vervielfältigt ist. §. 27. Dem Verbote des Nachdruckes (§. 26) unterliegt auch die Vervielfältigung der Nachbildung eines Werkes der Kunst, sofern die letztere selbst als ein Werk der Kunst zu betrachten und durch ein anderes als das bei dem Original angewendete Kunstverfahren angefertigt worden ist, wie z. B. ein Kupferstich nach einem Gemälde. Die Geltendmachung der aus diesem Verbote entspringenden Rechte steht dem Nachbildner als solchem, oder, wenn die Nachbildung selbst eine unrechtmäßige war (§. 26), dem Urheber des Originals zu. §. 28. Die Verbote der §§. 26 und 27 finden auch Anwendung, wenn das zu schützende Werk durch Photographie oder andere ähnliche Mittel hergestellt wurde, vorausgesetzt, daß dasselbe als Werk der Kunst zu betrachten ist. §. 29. Den vorstehenden Verboten unterliegt die Vervielfältigung von Werken der Kunst auch dann, wenn sie in anderer Größe als das nachgebildete Werk oder mit sonst unerheblichen Abweichungen von demselben oder durch Anwendung eines anderen Kunstverfahrens ausgeführt ist, oder wenn sie nur einen Theil des Originalwerkes betrifft. §. 30. Die Benutzung eines Werkes der Kunst zur Hervorbringung eines anderen ist nicht Nachdruck, insofern sie nicht der Hauptsache nach in eine Umgehung der vorstehenden Verbote ausartet. Namentlich ist die Abbildung plastischer Werke durch graphische Darstellung oder umgekehrt nicht als Nachdruck zu betrachten.

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§. 31. Die Nachahmung von Werken der Kunst in Industrieerzeugnissen, sowie die Nachbildung und Vervielfältigung von Industriezeugnissen, sollte auch zur Herstellung der letzteren Kunstfertigkeit nothwendig gewesen sein, fallen nicht unter die Bestimmungen dieses Gesetzes. §. 32. Als Nachdruck wird ferner nicht betrachtet die Aufnahme von Nachbildungen von Werken der Kunst in literarische Arbeiten, sofern letztere als Hauptsache erscheinen und die Nachbildungen bloß zur Erläuterung des Textes dienen. §. 33. Die Nachbildung öffentlicher Denkmäler, welche auf Straßen oder öffentlichen Plätzen bleibend aufgestellt sind, wird nicht als Nachdruck behandelt. §. 34. Copien, Nachbildungen, Abbildungen und Nachahmungen von Werken der Kunst, mögen sie als Nachdruck zu betrachten sein oder nicht, dürfen nicht in der Art vervielfältigt werden, daß dadurch die Verbote der §§. 26–29 zum Nachtheil des Urhebers des Originals, beziehungsweise im Falle des §. 27 des Nachbildners, umgangen werden. §. 35. Durch die Erwerbung des Eigenthums an einem Kunstwerke wird das Recht zur Vervielfältigung nicht erlangt; bei Bildnissen (Portraits) geht jedoch dasselbe auf den Besteller über. Der Erwerber des Kunstwerkes ist nicht verpflichtet, dasselbe dem Urheber zum Zwecke der Vervielfältigung zu überlassen. §. 36. Die Vorschriften der §§. 26–30 und 34 gelten auch für geographische, topographische, naturwissenschaftliche, architektonische und ähnliche Zeichnungen und Abbildungen, wenn sie auch nicht als Werke der Kunst zu betrachten sind. Vierter Abschnitt. Folgen des Nachdruckes und Verbreitung nachgedruckter Exemplare. §. 37. Wer einen Nachdruck ausführt, ist, wenn er dabei mit Vorsatz handelt oder sich einer Fahrlässigkeit schuldig macht, jeden einzelnen Beeinträchtigten vollstän-

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dig zu entschädigen verpflichtet. Trifft den Nachdrucker kein Verschulden, so haftet er für den Schaden nur bis zum Belaufe seiner Bereicherung. Wer einen Nachdruck vorsätzlich ausführt, wird überdieß mit einer Geldstrafe bis zu 600 Vereinsthalern, an deren Stelle im Falle des Zahlungsunvermögens entsprechende Freiheitsstrafe tritt, und mit Confiscation der ihm gehörigen Nachdrucke bestraft. Im Falle bloß fahrlässiger Ausführung eines Nachdruckes, sowie dann, wenn den Nachdrucker kein Verschulden trifft, werden die dem Nachdrucker gehörigen Nachdrucke mit Beschlag belegt und nach seiner Wahl entweder bis zum Ablaufe der Schutzfrist aufbewahrt oder ihrer gefährdenden Form entkleidet und ihm dann zurückgegeben. In allen Fällen werden außerdem die zum Nachdrucke ausschließlich bestimmten Vorrichtungen, wie Formen, Platten, Stereotypabgüsse u. dergl., bis zum Ablaufe der Schutzfrist oder bis sie ihrer gefährdenden Form entkleidet sind, mit Beschlag belegt. Der Nachdruck ist vollendet, sobald einzelne Nachdrucke ganz oder theilweise hergestellt sind. §. 38. Werke, welche nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als Nachdrucke anzusehen sind, dürfen weder innerhalb noch außerhalb derjenigen Staaten, in welchen dieses Gesetz gilt, verbreitet werden. Der Verbreiter haftet, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, unbedingt für den durch seine eigene Handlung veranlaßten Schaden, vorbehaltlich seiner solidarischen Haftung für den durch andere an dem Nachdrucke betheiligte Personen veranlaßten Schaden, sofern eine solche nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen begründet ist. Trifft ihn kein Verschulden, so haftet er für den Schaden nur bis zum Belaufe seiner Bereicherung. Wer mit Nachdrucken wissentlich Handel treibt, wird überdieß gleich dem Nachdrucker in der §. 37 Absatz 2 angegebenen Weise bestraft. Die den Verbreitern gehörigen Nachdrucke werden, insofern sie der Confiscation nicht unterliegen, mit Beschlag belegt und es wird mit denselben in der im §. 37 Absatz 3 angegebenen Weise verfahren. §. 39. Ist der zur Entschädigung Verurtheilte unvermögend, dieselbe zu zahlen, so sind die ihm confiscirten Nachdrucke zunächst zur Befriedigung des Verletzten nach richterlicher Schätzung zu verwenden. Die hierzu nicht erforderlichen Exemplare sind zu vernichten oder können durch den Fiscus veräußert werden, aber, so lange ihnen nicht ihre den Verlagsberechtigten gefährdende Form genommen oder die Schutzfrist nicht ab-

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gelaufen ist, nur an diesen und, insofern mehrere Personen gleichzeitig an dem Verlagsrechte betheiligt sind, an den einen nur mit Berücksichtigung der Rechte des andern. §. 40. Den Eigenthümern der nach §. 37 Absatz 3 und 4 und §. 38 Absatz 4 mit Beschlag belegten Nachdrucke und Vorrichtungen steht es frei, dieselben an den Verlagsberechtigten oder, wenn mehrere Personen gleichzeitig an dem Verlagsrechte betheiligt sind, an eine derselben, an letztere jedoch nur mit Berücksichtigung der Rechte der übrigen zu veräußern. §. 41. Ueber die den Beeinträchtigten gebührende Entschädigung hat das zuständige Gericht nach Maßgabe der in jedem Lande bestehenden Gesetze zu erkennen. Zweites Hauptstück. Von dem Verbote der Aufführung dramatischer, dramatisch-musikalischer und musikalischer Werke. §. 42. Es ist verboten, dramatische, dramatisch-musikalische oder musikalische Werke ohne Genehmigung ihres Urhebers, beziehungsweise seiner Rechtsnachfolger, ganz oder theilweise öffentlich aufzuführen oder aufführen zu lassen, so lange sie noch nicht im Buch- oder Musikalienhandel veröffentlicht sind. Selbst nach einer derartigen Veröffentlichung dürfen dramatische oder dramatisch-musikalische Werke im Ganzen, oder einzelne Acte derselben, sei es auch mit Auslassungen oder einzelnen Veränderungen, nur mit Genehmigung des Urhebers, beziehungsweise seiner Rechtsnachfolger, auf der Bühne öffentlich aufgeführt werden, sofern der Urheber sich auf dem Titelblatte das ausschließliche Recht zu Aufführungen ausdrücklich vorbehalten hat. §. 43. Die Verbote des §. 42 erstrecken sich auf die ganze Lebenszeit des Urhebers und die ersten zehn Jahre nach seinem Tode. Bei anonymen, pseudonymen und posthumen Werken beträgt die Schutzfrist zehn Jahre, welche von der ersten Aufführung, beziehungsweise, sofern im Falle des §. 42 Absatz 2 das Werk schon früher im Buch- oder Musikalienhandel veröffentlicht war, vom Erscheinen desselben an laufen. Bei anonymen und pseudonymen Werken tritt jedoch, wenn vor Ablauf dieser Frist der Name des Urhebers durch Eintrag in die Eintragsrolle (§. 51) bekannt gemacht wird, die gewöhnliche Schutzfrist (Absatz 1) ein. Bei Berechnung dieser Fristen kommt §. 19 zur Anwendung.

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§. 44. Zur Aufführung der Uebersetzung eines dramatischen Werkes ist weder die Genehmigung des Urhebers des Originalwerkes noch die des Uebersetzers erforderlich, wenn die Uebersetzung bereits im Buchhandel herausgegeben ist. Ist sie noch nicht herausgegeben, so ist zur Aufführung die Genehmigung des Uebersetzers dann nöthig, wenn dieser zur Herausgabe der Uebersetzung berechtigt ist. Entgegengesetzte Vorbehalte haben keine rechtliche Wirkung. §. 45. Zur Aufführung eines von mehreren Miturhebern verfaßten Werkes ist die Genehmigung aller erforderlich. Bei musikalischen Compositionen mit Text, einschließlich der dramatischmusikalischen Werke, genügt jedoch die Einwilligung des Componisten. Sind dagegen nur einzelne Musikstücke zu einem dramatischen Werke gesetzt, so ist zur Aufführung des letzteren die Genehmigung des Dichters erforderlich, und hinsichtlich der Aufführung der Musik, sei es allein, sei es zusammen mit dem Drama, kommt die Vorschrift des §. 42 Absatz 1 zur Anwendung. §. 46. Derjenige, welchem der Urheber die Aufführung seines Werkes gestattete, darf, vorbehaltlich besonderer Uebereinkunft, dieselbe beliebig wiederholen. Er kann aber das ihm eingeräumte Recht nicht auf Andere übertragen. §. 47. Wegen unbefugter Aufführung eines dramatischen, dramatisch-musikalischen oder musikalischen Werkes ist dem Berechtigten statt Entschädigung die zu ermittelnde Einnahme von jeder Aufführung, und zwar wenn der Unter­ nehmer der Aufführung mit Verschulden gehandelt hat, ohne – außer diesem Falle nach Abzug der Tageskosten zuzuerkennen. Ist das Werk in Verbindung mit anderen aufgeführt worden, so ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse ein entsprechender Theil der Einnahme als Entschädigung festzusetzen. Wenn die Einnahme nicht zu ermitteln oder eine solche nicht vorhanden ist, so wird der Betrag der Entschädigung nach richterlichem Ermessen festgestellt. §. 48. Derjenige, der zur Aufführung eines mit Text verbundenen Musikwerkes berechtigt ist, darf den Text für sich allein zur Benutzung bei der Aufführung drucken lassen.

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Drittes Hauptstück. Allgemeine Bestimmungen. §. 49. Das ausschließliche Recht des Urhebers zur Vervielfältigung oder Aufführung ist veräußerlich und vererblich. Es unterliegt jedoch gegen den Urheber selbst nicht der Hülfsvollstreckung. Ein Heimfallsrecht zu Gunsten des Fiscus oder anderer zu herrenlosen Sachen berechtigter Personen findet nicht statt. §. 50. Bei Werken, welche durch Druck u. s. w. vervielfältigt sind, gilt bis zum Gegenbeweise derjenige als Urheber, welcher in der ersten Ausgabe als solcher genannt ist. Ist das Werk anonym oder pseudonym erschienen, so wird derjenige als rechtmäßiger Verleger vorbehaltlich des Gegenbeweises betrachtet, in dessen Verlag das Werk zuerst erschienen ist. §. 51. Der Urheber oder der Verleger eines Werkes der im §. 50 bezeichneten Art kann das Erscheinen desselben in ein öffentliches hierzu bestimmtes Register (Eintragsrolle) eintragen lassen. Der Eintrag darf nur auf Vorzeigung eines Exemplars des einzutragenden Werkes gemacht werden. Er beweist, daß das Werk zur Zeit des Eintrages erschienen war. In den Fällen der §. 13 Absatz 2 und §. 43 Absatz 2 geschieht der Eintrag auf Verlangen des Urhebers oder eines hierzu legitimirten Rechtsnachfolgers desselben. Die Einträge in die Eintragsrolle und die von den Beamten derselben daraus gefertigten Auszüge gelten als öffentliche Urkunden. §. 52. Wegen Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes kann nur auf Verlangen eines Beeinträchtigten eingeschritten werden. Die Entscheidung gehört in allen Fällen zur Zuständigkeit der Gerichte. §. 53. In Bezug auf die Verjährung der Entschädigungsklage und der Strafverfolgung kommen die Landesgesetze zur Anwendung. Die Verjährungsfristen dürfen jedoch fünf Jahre von dem Zeitpunkte an, in welchem der zu Be­ langende die letzte widerrechtliche Handlung vorgenommen hat, nicht übersteigen.

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§. 54. Der Schutz dieses Gesetzes erstreckt sich auf das Gebiet des Deutschen ­Bundes, sowie auf diejenigen nicht zum Deutschen Bunde gehörigen Gebietstheile deutscher Bundesstaaten, für welche dasselbe Annahme gefunden hat. Insbesondere stehen die innerhalb dieser Gebiete bei daselbst ansässigen Verlegern erschienenen Werke ausländischer Urheber unter dem Schutze dieses Gesetzes. In wie weit anderen Werken der Schutz dieses Gesetzes zukommt, bleibt besonderen Bestimmungen vorbehalten; als solche sind allgemeine landesgesetzliche Bestimmungen über Gegenseitigkeit nicht zu betrachten. Uebergangsbestimmungen. §. 55. Das gegenwärtige Gesetz soll hinsichtlich des Nachdruckes auch bei allen vor dem Beginn seiner Wirksamkeit veröffentlichten Werken, mögen deren Urheber noch leben oder bereits gestorben sein, zur Anwendung kommen, sofern diese Werke in allen oder in einzelnen derjenigen Staaten, in welchen dieses Gesetz zur Geltung kommt, bisher kraft Gesetzes gegen Nachdruck geschützt waren. Bei Werken solcher genannter Schriftsteller oder Künstler, die vor dem 1. Januar 1837 gestorben sind, dauert jedoch der Schutz gegen Nachdruck bis zum 31. December 1867, sofern dieses Gesetz nicht eine noch längere Schutzfrist gewährt. Die auf Landesgesetzen beruhenden längeren Schutzfristen sind nicht mehr anwendbar. War an Werken, welche nach den vorstehenden Bestimmungen unter den Schutz dieses Gesetzes fallen, in einzelnen Staaten nach den bisher dort geltenden Gesetzen das Urheberrecht bereits erloschen, so dürfen die beim Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes bereits vorhandenen Exemplare ­ ­solcher Werke gleichwohl in denjenigen Gebieten, in denen es bisher gestattet war, unter der Bedingung weiter verkauft werden, daß deren Vorhandensein den durch Landesverordnungen zu bezeichnenden Behörden binnen einer Frist von drei Monaten angezeigt wird. Diese Behörden haben die vorräthigen Exemplare zu verzeichnen und zur Kenntlichmachung mit einem Stempel zu versehen. Wer diese Vorschriften übertritt, wird auf Verlangen des Berechtigten mit einer Geldstrafe bis zu 50 Vereinsthalern bestraft und seine ungestempelten Exemplare werden bis zum Ablauf der Schutzfrist mit Beschlag belegt. Auch hinsichtlich der Aufführungen soll dieses Gesetz von dem Tage seiner Wirksamkeit an auf alle älteren Werke angewendet werden, gleichgültig, ob dieß eine Ausdehnung oder eine Beschränkung des Schutzes bewirkt.

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§. 56. Die vor dem Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes ertheilten Privilegien bleiben für die betreffenden Länder in Kraft.

131. Rechberg an Reyer1

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 34. Weisungen 1864 III–XII. Privat­ schreiben. Abschrift. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S.  286 f.

Auf Reyers Bericht über die „trübe Stimmung“ bei der Regierung von Hessen-Darm­ stadt antwortet Rechberg, daß Österreich den deutschen Souveränen weiterhin fest zur Seite stehen und „die Grundpfeiler des deutschen Föderativsystems“ nicht er­ schüttern lassen werde. Österreich werde niemals freiwillig den Deutschen Bund sei­ nem Schicksal überlassen. Es ist normal, daß zwischen Österreich und Preußen eine enge Allianz besteht, die in den höheren politischen Fragen den Ausschlag gibt. Rechberg rechtfertigt die österreichische Haltung in der Schleswig-Holstein-Frage, die in den Mittelstaaten auf Kritik stößt. Ein wirklicher Grund zur Beunruhigung über die Zukunft des Deutschen Bundes liegt in der falschen Richtung des „Volksgeist[es] in Mittel-Deutschland“, vor allem in den Kammern.

Wien, 3. September 1864 Ich kann es Ew p. nur Dank wissen, daß Sie uns mit Offenheit die trübe Stimmung geschildert haben, die Sie in Ihrem Beobachtungskreise wahrnehmen, und die sich, wie Sie uns nicht verhehlen, selbst unseres vielbewährten Freundes, des Freih. v. Dalwigk bemächtigt zu haben scheint. Sie sehen in Ihrer Umgebung die Furcht, von Preußen absorbirt zu werden, in Zunahme begriffen, während das Vertrauen abnimmt, an Österreich eine Stütze zu finden. Ist diese betrübende Erscheinung vorhanden, so ist es wichtig, nach der Ursache zu fragen. Liegt diese Ursache in einer Veränderung unserer Gesinnung? Ich läugne dies auf das Bestimmteste. Österreich hat in der holsteinischen Sache nicht handeln können, wie es die deutschen Mittelstaaten gewünscht haben[,] aber daraus folgt nicht, daß sein Intereße an der Existenz und Unabhängigkeit seiner deutschen Bundesgenossen sich ver­ mindert hätte. Dieses Intereße hat sich im Gegentheile noch erhöht, denn da die Trennung der Herzogthümer von Dänemark – mit Erlaubniß der mittelstaatlichen Regierungen sei es gesagt – eine Thatsache ist, die unter allen Umständen, und wie immer sie herbeigeführt worden wäre, den Kreis des 1 Franz Thaddäus Freiherr von Reyer (1824–1909), österreichischer Geschäftsträger in Frankfurt; Matsch, Der auswärtige Dienst, S. 143; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 292.

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preußischen Einflußes erweitern mußte, so ist es für Österreich um so wichtiger die Grundpfeiler des deutschen Föderativsystems nicht erschüttern zu laßen, und den Souverainen Deutschlands, wenn sie ihre Selbständigkeit ver­ theidigen wollen, mit der erprobten beharrlichen Festigkeit zur Seite zu ­stehen. Man kann sich am großhzl. Hofe vor wie nach nicht nur auf unser gerades und loyales Verfahren, sondern auch auf die Stärke der gemeinsamen Intereßen verlaßen, die wir schlecht verstehen müßten, wenn wir jemals freiwillig den deutschen Bund seinem Schicksal überlaßen wollten. Oder liegt ein triftiger Grund für jene hoffentlich vorübergehende Entmuthigung etwa darin, daß die Prätentionen Preußens plötzlich unwiderstehlich geworden wären? Ich muß auch dies entschieden bestreiten. Daß zwischen Österreich und Preußen eine enge Allianz bestehe, und daß der vereinte Einfluß der beiden Mächte zwar nicht in einen erdrückenden Dualismus ausarte, aber doch in den höheren politischen Fragen den Ausschlag gebe, dies ist gewiß nur der normale Zustand. Wahr ist, daß Preußen einigermaßen exaltirt durch den errungenen Sieg, einer starken Versuchung unterliegt, über diese Norm hinauszugreifen, und die Gunst des Augenblicks auf Kosten der Rechte Andrer auszunutzen. Aber gerade die Rücksicht auf die Allianz mit uns nöthigt unseren Verbündeten, dieser gefährlichen Versuchung zu widerstehen, und Baron Dalwigk wird sicher der erste sein, anzuerkennen, daß es für Deutschland beßer ist, wenn wir Preußen durch unsere Freundschaft, als wenn wir es durch unseren Antagonismus in Schranken halten. Ich kann nicht in Abrede stellen, daß der Rendsburger Vorfall2, den wir in unserem inneren 2 Rechberg bezieht sich auf die Streitigkeiten, die es in der holsteinischen Stadt Rendsburg im Juli 1864 zwischen den dort stationierten Bundestruppen und dem preußischen Militär gegeben hatte. Diese waren ausgelöst worden durch eine angebliche Beleidigung der österreichischen und preußischen Fahnen durch einen hannoverischen Offizier, was in der Folge zu Schlägereien zwischen den Soldaten geführt hatte. Preußen besetzte daraufhin eigenmächtig die Festung in Rendsburg, woraufhin der Kommandant der Bundesexekutionstruppen aus Protest seine Abteilungen zurückzog und den Streit an die Bundesversammlung brachte. Die dortigen Verhandlungen führten aber nicht zu einer Zurückweisung des preußischen Vorgehens, weil Österreich passiv blieb, um sein Einvernehmen mit Preußen in der Schleswig-HolsteinFrage nicht zu gefährden. Preußen blieb im Besitz der Festung Rendsburg und stellte durch sein Vorgehen die Bundesverwaltung im besetzten Holstein und damit die Autorität des Deutschen Bundes grundsätzlich in Frage. So schrieb der bayerische Außenminister Schrenk an den Geschäftsträger in Berlin, die preußische Aktion habe „die Autorität und das Ansehen des Bundes schwer verletzt“ und sei darüber hinaus „ein für die Sicherheit und Selbstständigkeit der kleineren deutschen Bundesstaaten höchst bedenklicher Vorgang“; Schrenk an Bibra, München, 29. Juli 1864, HStA München, Bayerische Gesandtschaft Berlin, Nr. 656. Vgl. zum Rendsburger Vorfall Srbik, Deutsche Einheit, Bd. 4, S. 168 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 484. – Der Freiherr Alfred von Bibra (1827–1880) war seit 1857 Legationssekretär bei der bayerischen Gesandtschaft in Berlin und führte 1864 interimistisch die Geschäfte; http://www.gda.bayern.de; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 31; Bibra, Geschichte der Familie der Freiherrn von Bibra, S. 182.

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Forum so stark verdammen wie irgend jemand, eine harte Erfahrung für die Mittelstaaten war, aber die einmal vorhandene Verwickelung der Umstände erklärt zur Genüge die Temperamente, die wir in unserem Auftreten beobachten zu müßen glauben, um diesen Zwischenfall in seinen Folgen unschädlich zu machen. Irre ich nicht, so gibt es allerdings Eine wirkliche Ursache der Beunruhigung über die Zukunft des Bundes. Diese ist aber nicht in Österreich und in unserem Verhalten zu Preußen zu suchen, sondern in der falschen Richtung, welche der Volksgeist in Mittel-Deutschland, wie er sich namentlich in den Kammern ausspricht, genommen hat. Nicht die Mittelstaaten sind in Gefahr von uns verlaßen zu werden, sondern wir sind in Gefahr, isolirt zu bleiben, wenn wir gegenüber Preußen das klarste föderative Intereße vertreten. Den ­ risis.3 sprechendsten Beweis hievon liefert der Stand der handelspolitischen K Wäre der öffentliche Geist in Deutschland gesund, so müßte er den französisch-preußischen Vertrag perhorresciren, statt deßen sehen wir die Kammern die Regierungen zur Annahme dieses gefahrvollen Tendenzwerkes hindrängen. Die beßere Einsicht des Bon Dalwigk hat seither dieser Richtung widerstanden, und wir wißen nicht nur dieses große Verdienst unendlich zu würdigen, sondern wir geben selbst in diesem Augenblicke noch nicht die Hoffnung auf, daß die innere Berechtigung unserer Bestrebungen in dieser Sache sich schließlich trotz aller Hinderniße geltend machen werde. Wenn Ew. p. es für nützlich halten, diese Betrachtungen dem Freih. v. Dalwigk mitzutheilen, so stelle ich dies in Ihr Ermeßen, und bin im Voraus überzeugt, daß er sie im Geiste jenes so lange zwischen uns bestandenen freundschaftlichen Vertrauens aufnehmen werde, welches ich meinerseits schon durch die rückhaltlose und rein persönliche Form dieser Bemerkungen von neuem bethätige. Empfangen ec. ec.

3 Eine neuerliche Krise in der deutschen Handels- und Zollpolitik war 1862 durch Preußen ausgelöst worden, indem es am 29. März 1862 ohne Rücksprache mit den anderen Zollvereinsstaaten einen Handelsvertrag mit Frankreich abgeschlossen hatte, der die gegenseitige Meistbegünstigung und zahlreiche Zolltarifsenkungen vorsah. Der Vertrag bedeutete „im Grunde eine vollkommen freihändlerische Umgestaltung des bisherigen Zollvereinstarifs“. In politischer Hinsicht war dies ein Schlag gegen die Bestrebungen Österreichs und der süddeutschen Mittelstaaten, eine allgemeine deutsche Zoll- und Handelseinigung herbeizuführen. Allerdings schreckten die süddeutschen Staaten aus wirtschaftlichen und fiskalischen Gründen vor einem Bruch des Zollvereins zurück, da ihre Landesparlamente und auch die wirtschaftlichen Interessenverbände sich dagegen aussprachen, die wirtschaftlichen Vorteile des Zollvereins und der Freihandelspolitik aus politischer Loyalität zu Österreich aufs Spiel zu setzen. Vgl. Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 169–180, Zitat S. 170.

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Komitee der württembergischen Landesversammlung

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132. Das Komitee der württembergischen Landesversammlung an den ständischen Ausschuß

HStA Stuttgart, E 33, Büschel 1145, Nr. 43: Beilage zum Schreiben des Präsidenten der Kammer der Abgeordneten Weber an König Karl von Württemberg, Stuttgart, 9. November 1864. Adresse. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 29. Oktober 1864. – Der König wollte sich mit der Eingabe offenbar nicht befassen. Das an ihn gerichtete Schreiben des Kammerpräsidenten trägt den Vermerk: „zurückzugeben!“.

Die Landesversammlung hat sich für die Trennung der Elbherzogtümer von Däne­ mark und die freie Selbstbestimmung des schleswig-holsteinischen Volkes ausgespro­ chen. Sie fordert ferner die politische Konstituierung Gesamtdeutschlands mit Zen­ tralgewalt und Parlament, die durch eine vorläufige Verbindung der Mittel- und Kleinstaaten vorbereitet werden soll. Preußen und Österreich haben eine Gewalttat gegen den Bund begangen, als sie die schleswig-holsteinische Sache in die eigene Hand nahmen. Sie müssen wieder in die Grenzen des Bundesrechts zurückkehren. Mit der Aufnahme Schleswigs in den Bund und der Bildung eines unabhängigen Staates Schleswig-Holstein wäre ein erster und entschiedener Schritt zur großen deutschen Reform getan.

Stuttgart, 28. Oktober 1864 Die Landesversammlung, die am 8. Mai in Stuttgart abgehalten worden ist1, hat sich in der schleswig-holstein’schen Frage dahin ausgesprochen: Trennung der Herzogthümer von Dänemark und selbstständige staatliche Verbindung derselben; freie Selbstbestimmung des schleswig-holstein’schen Volks über seine künftige Stellung auf Grund allgemeiner Abstimmung; keine Unterwerfung unter Londoner Conferenzbeschlüsse gegen das Recht und den Willen des schleswig-holstein’schen Volks; ausserdem hat sie die politische Constituirung Gesammtdeutschlands mit Centralgewalt und Parlament ohne preussische und österreichische Spitze als Endziel hingestellt und als Mittel hiezu in Uebereinstimmung mit den bekannten, von den Herren Hölder2 und v. Schad3 beantragten Kammerbeschlüssen eine vorläufige Verbindung der Mittel- und Kleinstaaten, gestützt auf eine gemeinsame Vertretung und allgemeine Wehrhaftmachung des Volks bezeichnet. In Gemäßheit dieser Beschlüsse halten sich die Mitglieder des damals gewählten Comité’s für ver-

1 Zur Landesversammlung von liberalen und demokratischen Abgeordneten in Stuttgart am 8. mai 1864 siehe Langewiesche, Liberalismus und Demokratie in Württemberg, S. 321 f. 2 Julius Hölder (1819–1887), führender württembergischer Liberaler, 1856–1882 Mitglied der Kammer der Abgeordneten, ab 1871 Reichstagsabgeordneter, 1880/81 württembergischer Innenminister; Raberg (Bearb.), Biographisches Handbuch, S. 366 f. 3 Moritz Schad von Mittelbiberach (1821–1902), Jurist, 1856–1900 Mitglied der württembergischen Kammer der Abgeordneten; Raberg (Bearb.), Biographisches Handbuch, S. 764 f.

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pflichtet, den hohen ständischen Ausschuß anzurufen, um in einer dringlichen vaterländischen Sache seine Verwendung zu veranlassen. Nachdem die Kammer der Abgeordneten sich zu wiederholtenmalen der Sache der Herzogthümer mit großer Wärme und Energie angenommen hat, vertrauen wir, daß auch der hohe ständische Ausschuß bereit sein wird, seine Aufmerksamkeit und seine Verwendung derselben Sache zu widmen, da diese nunmehr in ein neues Stadium getreten ist, in welchem Schleswig-Holstein eine andere Art von Gefahr bevorsteht. Wir reden von der Gefahr, daß die Herzogthümer durch den Friedensschluß4 zwar von Dänemark gänzlich losgerissen werden, aber von Preussens Eroberungsgelüsten bedroht sind. Wenn auch dieser Großstaat, wahrscheinlich in Berücksichtigung europäischer Einsprachen, welche ihm einen Zügel anlegen, mit einer unmittelbaren Einverleibung nicht vorzugehen wagt, so sprechen doch die Organe aller Parteien in Preussen offen die Absicht aus, die Herzogthümer durch eine Convention an dieses Land zu binden, kraft welcher sie auf die freie Disposition in ihrer Vertretung nach aussen sowohl, als in ihren militärischen und maritimen Verhältnissen zu seinen Gunsten verzichten müßten. Der neueste Vorgang in Lauenburg5 verräth eine Pression, welche während der Besetzung der Herzogthümer durch das Befreiungsheer nothwendig sehr stark sein muß. So unerträglich es uns erschiene, wenn wir in Württemberg wesentliche Funktionen unseres Staatslebens an eine coordinirte fremde Regierung übertragen müßten, so unannehmbar erscheint uns für die Herzogthümer die Befreiung von Dänemark um diesen Preis. Der Herzog und die Vertretung des Bundeslandes Holstein und des mit ihm unzertrennlich verbundenen Schleswig haben dasselbe Recht wie sämmtliche andere Bundesglieder auf vollkommene Unabhängigkeit und es ist im Interesse aller deutscher Staaten, daß dort kein Vorgang sich bildet, welcher eine bisher un­bekannte und weder in der Bundesakte, noch in der Reichsverfassung vorgesehene Kategorie von Staaten mit geminderter Souveränität entstehen läßt, eine Art von Vasallenstaaten, welche sich in schroffem Widerspruch befinden würden mit 4 Der Friede von Wien zwischen Preußen, Österreich und Dänemark wurde am 30. Oktober 1864 abgeschlossen und beendete den deutsch-dänischen Krieg. Dänemark verzichtete darin auf seine Rechte in Schleswig, Holstein und Lauenburg zugunsten von Österreich und Preußen. Druck in: ProtDBV 1864, S. 861–876; Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 295–297 (gekürzt). Vgl. dazu jetzt: Lappenküper/Auge/Morgenstern (Hrsg.), Der Wiener Frieden 1864. Ein deutsches, europäisches und globales Ereignis. Paderborn 2016. 5 In Lauenburg sprachen sich im Oktober 1864 die Ritter- und Landschaft des Herzogtums für den Anschluss an Preußen aus, was der Absicht des Deutschen Bundes und großer Teile der deutschen Öffentlichkeit zuwiderlief, die von der dänischen Herrschaft befreiten Elbherzogtümer als unabhängigen neuen Bundesstaat in den Deutschen Bund aufzunehmen. Vgl. Srbik, Deutsche Einheit, Bd. 4, S. 184.

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dem Geist der deutschen Geschichte und mit dem Freiheitssinn der deutschen Stämme. Jetzt oder nie! war die einmüthige Parole des deutschen Volkes, als es vor einigen Monaten galt, die Herzogthümer von ausländischem Drucke zu erlösen. Jetzt oder nie! muß es nach unserer Meinung noch immer heißen, da es sich heute um ihre innere Freiheit und Selbstständigkeit handelt und auch in dieser Frage steht uns die nationale Ehre auf dem Spiele. Die Freiheit und Unabhängigkeit aller kleineren Staaten ist von dem Augenblick an bedroht, wo es Preussen aus Opportunitätsgründen erlaubt wird, sich des Wehr- und Flottenwesens und der diplomatischen Vertretung eines anderen Bundesglieds zu bemächtigen. Nicht mehr vom Recht, nur von den Umständen und von der Macht wird es alsdann abhängen, ob dieses Königreich sich anderer oder aller schwacher Bundesglieder nach und nach in ähnlicher Weise versichern wird. Gelingt es dagegen jetzt, Preussen in den Grenzen des Bundesrechtes und der altdeutschen Stammesgleichberechtigung zurückzuhalten, so wird dadurch die Gewaltthat gesühnt, die es in Gemeinschaft mit Oesterreich gegen den Bund begangen hat, als es die schleswig-holstein’sche Sache in die eigene Hand nahm und es wird das verletzte Ansehen der übrigen deutschen Staaten und Stämme in gebührender Weise wieder hergestellt. Es wird noch weiter dadurch erreicht, daß die Zahl jener deutschen Staaten, welche bereit sind, einen Theil ihrer Staatshoheit nicht an ein einzelnes Bundesglied, sondern an das Ganze, an eine über den Einzelregierungen stehende Centralgewalt abzutreten, und zu welchen wir auch Württemberg rechnen, um einen weiteren, an sich nicht unbedeutenden, und durch seine Lage an zwei Meeren besonders wichtigen Staat vermehrt wird. Wenn Schleswig in den Bund aufgenommen sein wird und die Herzogthümer in Ein Land vereinigt mit der ganzen Unabhängigkeit ausgestattet werden, welche jedem Gliede der deutschen Confö­ deration zukommt, so glauben wir, ist zur großen deutschen Reform, deren Unaufschieblichkeit sich täglich dringlicher offenbart, ein erster und entscheidender Schritt gethan. Diese politischen Gesichtspunkte wollten wir, ohne in die rechtliche Seite der Materie tiefer einzugehen, dem hohen ständischen Ausschuß zu bedenken geben. Wir bitten ihn, seinen ganzen verfassungsmäßigen Einfluß auf unsere Regierung dahin zu verwenden, daß sie bei jeder Gelegenheit, mit aller Energie und mit den jeweilen tauglichsten Mitteln diese Politik verfolge und das Recht der Herzogthümer gegen die preussischen Unterwerfungstendenzen, so viel an ihr ist, wahre und schütze. Da es sich in dieser Angelegenheit mit um die Rechte einer deutschen Volksvertretung in einem Bruderlande handelt, hoffen wir um so gewisser, daß der Ausschuß unsere Bitte als begründet erkennen werde.

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Verehrungsvoll Stuttgart, den 28. October 1864. Das Comite der Landesversammlung vom 8. Mai. in dessen Auftrag der Vorsitzende Rechtsconsulent A. Oesterlen6

133. Pfordten an Niethammer1

HStA München, Bayerische Gesandtschaft Bundestag, Nr. 259. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. – Der Erlaß erging an sämtliche bayerischen Gesandtschaften und wurde in der Europe Nr. 10 vom 10. Januar 1865 veröffentlicht; vgl. den Entwurf im HStA München, MA 507.

Die Stellung und Aufgabe Bayerns ist nicht eine europäische, sondern wesentlich eine deutsche. Bayerns Aufgabe ist es, bayerische und deutsche Politik zu machen. Bayern muß auf eine föderative Einigung von Österreich und Preußen auf dem Boden des Bun­ desrechts hinwirken. Die Bestrebungen Preußens, Österreich aus Deutschland hinaus­ zudrängen und sich die übrigen Staaten zu unterwerfen, müssen bekämpft werden, denn sie würden das Ende einer einheitlichen Nation – „finis Germaniae“ – bedeuten. Dar­ über hinaus soll Bayern auf die Entwicklung des Deutschen Bundes hinwirken, insbe­ sondere auf eine Volksvertretung. Die natürlichen Bundesgenossen Bayerns sind die Mittelstaaten, und es muß sofort danach gestrebt werden, gemeinsam mit ihnen zu han­ deln. Bayern muß aber entschlossen sein, auch ohne den Bund zu existieren, wenn Österreich und Preußen diesen mißbrauchen, um die anderen Staaten zu beherrschen. Daraus ergibt sich, daß Bayern in Schleswig-Holstein jeder Rechtsverletzung entgegen­ treten und die Ansprüche des legitimen Herzogs von Augustenburg unterstützen muß.

Hochwohlgeborner Herr!

München, 12. Dezember 1864

Durch das Vertrauen Seiner Majestät des Königs zur Leitung der auswärtigen Angelegenheiten berufen, fühle ich das Bedürfniß, den kgl. Gesandtschaften diejenigen Hauptgesichtspunkte mitzutheilen, von welchen ich, den Allerhöchsten Intentionen gemäß, ausgehen zu müssen glaube. Die Stellung und Aufgabe Bayerns ist nicht eine europäische, sondern wesentlich eine deutsche. 6 Ludwig August Oesterlen (1819–1893), Rechtsanwalt, 1862–1876 Abgeordneter der Demokratischen Volkspartei in der württembergischen Kammer der Abgeordneten; Raberg, Biographisches Handbuch, S. 624–626. 1 Friedrich Freiherr von Niethammer (1831–1911), 1858–1866 Legationssekretär bei der bayerischen Bundestagsgesandtschaft Frankfurt, 1864 interimistischer Geschäftsträger; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 34.

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Pfordten an Niethammer

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Damit soll nicht gesagt sein, daß die europäischen Fragen für Bayern gleichgültig seyen, oder dasselbe nicht berühren. Das Gegentheil ist ja klar. Man braucht nur an den orientalischen Krieg und an die Vorgänge des Jahres 1859 zu denken, und auch jetzt kann die italienische Frage bald genug an die bayerische Regierung herantreten. Aber die Betheiligung Bayerns an europäischen Fragen wird regelmäßig nur eine mittelbare sein, und in erster Linie auch durch seine deutsche Stellung beherrscht werden. In Deutschland aber ist unsere Aufgabe, weder österreichische noch preußische Politik zu machen, sondern bayerische und deutsche und diese beiden Gesichtspunkte stehen glücklicherweise in vollem Einklange. Gegenüber den Großmachtstellungen von Oesterreich und Preussen, welche leider nicht immer bundesgemäß waren, und sein werden, ist die Selbständigkeit und Kraft Bayerns, der sogenannte bayerische Partikularismus, vollberechtigt und zugleich im deutschen Interesse nothwendig. Nicht auf Entzweiung Oesterreichs und Preussens hat Bayern hinzuwirken, sondern auf ihre Einigung, aber auf dem Boden des Bundesrechtes, auf eine wahrhaft föderative Einigung, nicht auf einen dualistischen Bund der Macht gegen das Recht. Entschieden verderblich und darum mit aller Anstrengung zu bekämpfen ist aber das Bestreben Preussens, Oesterreich mehr und mehr von Deutschland zu entfremden und das übrige Deutschland mit sich in engere Verbindung und Unterwerfung zu bringen. Die Erreichung dieses Zieles, wofür Preussen in letzter Zeit allerdings mit Erfolg thätig war, wäre die Mediatisirung der Mittelstaaten und das Ende eines politischen Zusammenhanges der gesammten deutschen Nation, also finis Germaniae im vollen Sinne. Aber nicht blos auf Erhaltung, sondern soviel möglich auf Entwicklung des deutschen Bundes und seiner Verfaßung soll Bayern hinwirken und dabei den Gedanken einer entsprechenden Volksvertretung am Bunde festhalten, so schwierig auch die Ausführung sein mag. Bei Verfolgung dieses föderativen Zieles muß Bayern zunächst auf Oesterreich zu wirken suchen, dessen Abweichung vom Bunde eine Verirrung ist, von der es bereits selbst zurück zu kommen scheint. Als die natürlichen Bundesgenossen Bayerns aber erscheinen die Mittelstaaten, zumal die mittel- und süddeutschen, und es wird sofort darnach gestrebt werden müssen, diese wieder zum gemeinschaftlichen Handeln mit Bayern zu vereinigen. Gleiches Interesse der Selbsterhaltung und gleiche Pflicht gegen das Gesammtvaterland verbindet sie. Dieses föderative Streben Bayerns muß aber auf dem Bewußtsein ruhen, daß Bayern auch ohne den Bund bestehen könnte, und auf dem Entschluße, lieber allein zu stehen, als im Bunde zu bleiben, wenn dieser, wie es in letzter Zeit versucht worden ist, von Oesterreich und Preussen nur zur Unterdrückung des Rechtes und zur willenlosen Beherrschung der Bundesstaaten miß-

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braucht werden sollte. Dann könnte Bayern genöthigt sein, auf dem Boden europäischer Politik diejenige ehrenvolle Sicherheit zu suchen, welche der deutsche Bund ihm nicht mehr gewährte. Aus den hier angedeuteten Grundsätzen ergiebt sich von selbst, was Bayern in der Schleswig-Holsteinischen Sache aus allen Kräften zu erstreben hat, nämlich Anerkennung und Einsetzung des legitimen Herzogs Friedrich von Augustenburg, und Aufrechthaltung der vollen Souveränetät desselben. Nicht etwa, daß wir einen Machtzuwachs Preussens an der Ost- und Nordsee mit Neid oder Furcht zu betrachten hätten. Aber die Vernichtung des Rechts in einem Bundeslande und an einem Bundes-Fürsten ist eine Verletzung und Gefährdung Aller. Daher hat Bayern auch keinen Grund der Erwerbung Lauenburgs durch Preussen entgegenzutreten. Dieses Herzogthum wurde durch die großen völkerrechtlichen Transaktionen des Wiener Congresses von 1815 Eigenthum der Krone Dänemark, und ist von dieser jetzt an Oesterreich und Preussen abgetreten. Den übrigen Prätendenten auf Schleswig-Holstein und Lauenburg ist der Rechtsweg des Austrägal-Verfahrens offen zu halten, wenn sie glauben, obsiegen zu können. Diese Mittheilung ist nur zu Euer Hochwohlgeboren persönlichen Information bestimmt. Ich ersuche Sie aber, wo Sie veranlaßt sein sollten, Sich über die hier berührten Fragen zu äußern, es in diesem Sinne zu thun, und darin die allgemeine Grundlage derjenigen speziellen Eröffnungen zu erkennen und geltend zu machen, welche ich fortan an Euer Hochwohlgeboren zu richten in dem Falle sein werde. Empfangen Sie auch bei diesem Anlasse die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. v. d. Pfordten   Berlin, 13. Dezember 1864 

134. Bismarck an Ladenberg1

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/58, fol. 203–209. Erlaß. Abschrift. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 39–43 (Kanzleikonzept); Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 5, S. 557–561 (Reinkonzept).

Preußen will bei der Verhandlung der schleswig-holsteinischen Frage nicht den Maß­ stab des Bundesrechts anlegen, wie es offenbar die Absicht Österreichs ist. Einige Staaten wollen der Bundesversammlung Befugnisse beilegen, welche derselben nicht zustehen. Der Bund hat keine Rechtstitel für die Besetzung und Verwaltung eines ­Landes, dessen Erbfolge umstritten ist. Wenn der Bund entsprechende Anträge gegen Österreich und Preußen durchzusetzen versucht, könnte dies „zur völligen Sprengung 1 Adalbert Carl Stanislaus von Ladenberg (1823–1870), 1864–1866 preußischer Legationssekretär in Wien; Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 427.

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der Institution des deutschen Bundes“ führen. Würde ein Bundesbeschluß, für den es im Bundesrecht keine Grundlage gebe, gegen die beiden Großmächte gefaßt, so sei Preußen entschlossen, diesem gewaltsam entgegenzutreten. Dies ergebe sich nicht nur aus seiner europäischen Stellung, sondern auch aus dem Kampf des monarchischen Prinzips gegen das revolutionäre, der es Preußen nicht erlaube, die Impulse seiner Politik durch Bundesabstimmungen zu erhalten, die auf den Instruktionen von Regie­ rungen beruhen, welche ihrerseits von der Majorität ihrer Kammern geleitet werden. Bismarck plädiert stattdessen für eine enge Allianz zwischen Preußen und Österreich, die für beide Mächte wie für das gesamte Deutschland fruchtbringend sein wird.

Berlin, 13. Dezember 1864 Das Kaiserl. Cabinet hat die Eindrücke, welche unser Verfahren Behufs ­Abschluß der Execution in Wien gemacht hat, vorzugsweise in zwei vertraulichen Depeschen niedergelegt, welche unter dem 27. Novbr. u. 3. Dezbr. an Grf. Károlyi gerichtet worden sind, u. von welchen Ew. p. anliegend Abschrift finden.2 Die Beurtheilung unseres Verfahrens erfolgt aus einem Gesichtpunkte, der von dem unsrigen in seinen principiellen Grundlagen so erheblich abweicht, daß ich für erforderlich halte, unseren eigenen Standpunkt u. die politischen u. rechtlichen Auffassungen, welche uns leiten, dem kaiserl. Kabinete gegenüber in’s Licht zu stellen, sowohl zur Rechtfertigung unseres Verhaltens in der jüngsten Vergangenheit, als auch mit Rücksicht auf die über die Zukunft der Herzogthümer bevorstehenden Verhandlungen. Das kaiserl. Kabinet legt für unsere gegenseitigen Beziehungen augenscheinlich den Maaßstab des Bundesrechts an, nachdem die Neigung dazu auch in den Verhandlungen des Oesterr. Abgeordnetenhauses von der Majorität des Letzteren an den Tag gelegt worden ist. Wir unsererseits, indem wir uns bestrebten, an die Stelle der für beide Theile unfruchtbaren[,] aber mit dem Bundesrechte verträglichen Beziehungen, die sich seit 1848 entwickelt hatten, die seit einem Jahre bestehende engere Allianz herzustellen, wurden von der Ueberzeugung geleitet, daß beide Mächte einander mehr gewähren könnten und sollten, als das, wozu der Inhalt der Bundesverträge sie verpflichtet. Ich glaube, daß auch das kaiserl. Cabinet von dem analogen Wunsche geleitet wird, der Erfüllung desselben aber dadurch näher zu treten sucht, daß es den Bundesverträgen eine weitere Bedeutung beilegt, als der stricte Wortlaut derselben mit sich bringt. Wir würden glauben, eine Mitschuld an den Folgen der Mißverständnisse, welche sich hieraus ergeben können, auf uns zu laden, wenn wir nicht mit Bestimmtheit erklärten, daß Preußen zu einem solchen System, jetzt so wenig wie früher, die Hand bieten kann. 2 Abschriften der Depeschen in GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/58, fol. 192–194 und 195–198. Druck: Srbik, Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 4, S. 419–423, 438– 348; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 5, S. 524–547, 540–542.

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Die Krisis, welcher der deutsche Bund dadurch, daß beide Mächte sich über den vermittelnden Antrag vom 7ten December einigten3, für diesmal entgangen ist, hatte ihren Ursprung in dem Bestreben einer Anzahl von Bundes­ staaten, dem gemeinsamen Organe Befugnisse beizulegen, welche demselben vertragsmäßig nicht zustehen. Denn die Bundesverträge gewähren ­keinen Rechtstitel für die Occupation und Verwaltung eines Landes, dessen Erbfolge streitig ist. Je gewissenhafter wir die bestehenden Verträge, so lange sie uns gehalten werden, auch unsererseits zu halten bereit sind, um so bestimmter müssen wir auch einseitigen Aenderungen und Erweiterungen dieser Verträge und jeder mißbräuchlichen Benutzung derselben entgegen treten. Eine willkührliche Ausdehnung der Attributionen des Centralorgans fälscht nicht nur den ursprünglichen Geist der Bundesverträge, sondern verletzt ihren positiven Inhalt. Geschieht dies in der beharrlichen Weise, wie von Seiten Sachsens in der gesammten Executionsfrage, so können wir auch die Möglichkeit nicht ausschließen, denjenigen Bundesregierungen, an deren Bezeichnung als „Gegner“ auf dem Gebiete der Discussion das Kaiserl. Cabinet Anstoß nimmt, als Gegner auf dem Gebiete der Thatsachen uns gegenüber zu finden. Es gereicht uns eben so sehr wie dem Kaiserl. Cabinete zur Befriedigung, daß wir der Nothwendigkeit die Bundesverträge als gebrochen anzusehen und zu behandeln, im gegenwärtigen Falle überhoben worden sind. Wenn wir uns aber in die Auffassung zurückversetzen, welche das Kaiserl. Cabinet wenigstens vor einem Jahre mit uns theilte, so glauben wir, daß auch Oesterreich Grund hat, diejenigen Bestrebungen als gegnerische anzusehen, gegen welche die Allianz Preußens und Oesterreichs in dem intimeren Charakter, welchen sie im letzten Jahre annahm, von Hause aus gerichtet war. Ich erinnere nur andeutend an die Vorgänge am Bunde im Verlaufe dieses Jahres und an die gleich nach dem Tode des Königs Friedrich VII. gemachten Versuche, Preußen und Oesterreich durch die Autorität des Bundes von völkerrechtlichen Verpflichtungen zu entbinden, welche sie damals noch als bestehend anerkennen mußte[n], an die Schwierigkeit, welche beide Mächte schon damals fanden, die Velleitäten einer bundes- und völkerrechtswidrigen Occupation in die gesetzmäßigen Wege der Execution zu leiten und dadurch der Einmischung des Auslandes die Grundlage zu entziehen; im ferneren Verlauf an die Art, wie unsere, eine Theilnahme des Bundes an der Aktion im rechten Augenblick bezweckenden gemeinsamen Anträge theils abgelehnt, theils in den Ausschüssen verschleppt wurden; und im Gegensatz damit an das Vorgehen anderer Regierungen mit selbstständigen ganz außerhalb der Competenz des Bundes liegenden Anträgen in der Erbfolgefrage, welche man, gegenüber den bestimmt ausgesprochenen Erklärungen Oesterreichs und Preußens, durch 3 Siehe Dok. 97.

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beschleunigte Abstimmung durchzusetzen versuchte! Dem Kaiserl. Cabinet hat sich damals die Besorgniß, daß der so entstehende Riß sich bis zur völ­ ligen Sprengung der Institution des deutschen Bundes steigern könnte, in ­voller Schroffheit aufgedrängt. Wir stehen unsererseits noch jetzt auf demselben Standpunkte, so wie wir auch die Sachlage im Wesentlichen nicht verändert finden können. Dieselben Tendenzen, welche das Verfahren eines Theiles der mittleren und kleineren Staaten Deutschlands im Laufe dieses Jahres geleitet haben, sind es noch jetzt, welche die Weigerung Sachsens und die Bestimmungen am 5ten d. M. herbeiführten.4 In dem früheren Vorschlage der Kaiserl. Regierung, dem Bunde eine Theilnahme an der Besetzung Holsteins durch eine wenn auch geringe Zahl von Bundestruppen zu gestatten, konnten wir nur eine Conces­ sion an diese Bestrebungen erblicken, an welche in nur zu natürlicher Con­ sequenz sich bald von Seiten jener Regierungen die Forderung einer Theilnahme an der Verwaltung, ja eines bestimmenden Einflusses auf dieselbe vermittelst der Majoritäten in Frankfurt a/M, und endlich einer schließlichen Entscheidung über die Zukunft der Herzogthümer selbst geknüpft haben ­würde. Wir konnten daher nicht anders als diesen Vorschlag ablehnen, und dringend befürworten, daß der Kaiserl. Hof nicht über den einfachen Inhalt des Bundesrechts hinaus den geschäftlichen Boden der Nachgiebigkeit gegen unbegründete Wünsche betreten möge. Darin, daß das Kaiserl. Cabinet sich entschlossen hat, seinen früheren Vorschlag aufzugeben, und gemeinsam mit uns die völlige Räumung Holsteins und Lauenburgs von den Truppen der Execution, welche auch in Wien als vollkommen beendigt angesehen wurde, am Bunde zu beantragen, können wir daher auch nicht ein unserer Stellung und dem Bündniß mit uns – wie der Herr Graf v. Mensdorff5 in der Depesche vom 3ten d. M.6 es nennt – gebrachtes Zugeständniß erkennen. Wenn man von Zugeständnissen sprechen will, so haben vielmehr wir, vom strengen Recht absehend, die Stellung, die wir auf dem Boden des letzteren genommen, den vermittelnden Bestrebungen des Kaiserl. 4 Am 5. Dezember 1864 hatte die Bundesversammlung beschlossen, das am 7. Dezember 1863 eingeleitete Exekutionsverfahren in Holstein und Lauenburg zu beenden und die Bundestruppen aus den beiden Herzogtümern zurückzuziehen. Die sächsische Regierung hatte sich dagegen ausgesprochen, weil der Antrag verfrüht sei, denn es müsse zuvor entschieden werden, „wen der Bund als rechtmäßigen Landesherrn anzusehen habe“. Da dies noch nicht geschehen sei, könne der Bund die Exekution nicht beenden und den Besitz und die Verwaltung der Herzogtümer „dem von ihm anerkannten rechtmäßigen Besitzer“ übergeben. Vgl. ProtDBV 1864, § 295, S. 890–901, Votum Sachsens S. 891–893. 5 Alexander Graf von Mensdorff-Pouilly (1813–1871), 1864–1866 österreichischer Außenminister; NDB, Bd. 17, S. 87 f.; ÖBL, Bd. 1, S. 185. 6 Mensdorff an Károlyi, 3. Dezember 1864, Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 3, S. 540–543.

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Cabinets zum Opfer gebracht, uns dazu verstanden, die Dazwischenkunft des Bundes anzunehmen, und uns dabei der Gefahr ausgesetzt, bei dem möglichen entgegengesetzten Ausfall der Abstimmung, uns einem formell gefaßten Bundesbe­schlusse, und nicht mehr dem particularen und durch Hannovers Verhalten aufgewogenen Widerstande Sachsens gegenüber zu finden. Das ­Kaiserl. Cabinet dagegen hat uns nur die Erfüllung eines Wunsches geopfert, welchem ein bundesrechtlicher Anspruch nicht zur Seite stand, weil für das Verbleiben von Bundestruppen in Holstein nach dem Erlöschen der Execution jede bundesvertragsmäßige Unterlage fehlte. Hätte sich eine solche auffinden lassen, so würden ohne Zweifel die dissentirenden 6 Regierungen am Bunde nicht genöthigt gewesen sein, den Bundesverträgen und den Thatsachen durch so gezwungene Interpretationen, wie die in der Königl. Sächsischen und Württembergischen enthaltenen oder durch so grundlose Behauptungen, wie die der Königl. Bayerischen, Abstimmung Gewalt anzuthun. Nicht ohne Besorgniß für die Zukunft des Bundes blicken wir auf den Verlauf dieser Angelegenheit zurück. Wir glauben, daß das Kaiserl. Cabinet diese Besorgniß theilen muß, wenn es erwägt, daß ungeachtet der von dem Herrn Grafen von Mensdorff in seiner Depesche vom 3ten d. M. erwähnte[n] Verwendung Oesterreichs bei den größeren deutschen Höfen gerade diese es ­waren, welche gegen den Oesterreichisch-Preußischen Antrag stimmten. Von den Zufälligkeiten, welche nicht selten das Ergebniß der Abstimmung der gemischten Curien beherrschen, hing die Fassung eines Bundesbeschlusses von großer Tragweite ab. Wäre derselbe durch den Zutritt zweier Curien zu den 6 Stimmen im entgegengesetzten Sinne ausgefallen, so waren die beiden Großmächte in der Minorität und wir unsererseits entschlossen, einem Bundesbeschlusse, welcher nur mit Verletzung der Verträge gefaßt werden konnte, und zu dessen Unterstützung aus der Gesammtheit der Bundesverträge kein Artikel sich anführen ließ, gewaltsam entgegenzutreten. Wir legen Werth darauf, diesen unseren Entschluß zweifellos zu constatiren. Einem Bunde, welchem die Befugniß beiwohnte, außerhalb der Basis der Verträge, durch welche er gestiftet worden, Majoritäts-Beschlüsse zu fassen, ist Preußen niemals beigetreten, und befinden wir uns in der Unmöglichkeit, derartige Beschlüsse als maßgebend für unsere Politik anzuerkennen. Die Tendenzen, von welchen die Haltung der Minoritäts-Regierungen in dieser Frage geleitet war, sind mit dem Fortbestande des Bundes unverträglich, sobald sie praktisch werden, und jede Nachgiebigkeit gegen dieselben führt in Wege, auf welche wir der Politik des Kaiserl. Cabinets, wenn sie von letzterem eingeschlagen würden, nicht folgen könnten. Nicht nur durch Preußens Stellung zur europäischen Politik würde uns dies verboten, sondern auch durch die Pflichten, welche uns in dem Kampfe des monarchischen Princips gegen das revolutionäre obliegen, und welche uns nicht erlauben, die Impulse unserer Politik durch Bundesab-

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stimmungen zu erhalten, die auf den Instructionen von Regierungen beruhen, welche ihrerseits von der Majorität ihrer Kammern geleitet werden. Wir haben im eigenen Lande einen ernsten und schweren Kampf gegen das System parlamentarischer Regierung zu führen, dessen Erfolg oder Mißlingen nicht ohne Rückwirkung auf die Stellung der übrigen deutschen Fürsten bleiben kann. Derselbe erlaubt uns nicht, in unserer Politik den Einflüssen Raum zu geben, welche durch das Organ der Bundes-Abstimmungen von Seiten der kleinstaatlichen Parlamente indirekt auf uns geübt werden könnten. Wie sehr diesen Regierungen jeder engere feste Halt gegen die Revolution und ihre subversiven Tendenzen fehlt, das hat die Erfahrung gezeigt. Sie könnten denselben nur in einem consequenten und besonnenen Anleh[n]en an diejenigen beiden Mächte Deutschlands finden, welche diesen Halt in sich selbst tragen. Dazu und nicht zu dem Betreiben einer dem Anscheine nach selbstständigen, in Wahrheit aber der Revolution dienstbaren Politik soll ihnen die Institution des Bundes das Mittel darbieten. Was aber würde aus Deutschland, der inneren Revolution, wie dem Auslande gegenüber, was würde schließlich aus Preußen und Oesterreich selbst werden, wenn diese beiden Mächte, statt durch eine kräftige und unbeirrte Verfolgung ihrer Ziele sich selbst und den Anderen diesen festen Halt zu bewahren, sich in ihren Beziehungen zum Bunde an ein System hingeben wollten, welches sie im eigenen Lande als ein zerstörendes bekämpfen? Das Kaiserl. Cabinet wird in diesen Erwägungen die tiefer liegenden Gründe und, wie ich hoffe, die volle Rechtfertigung unseres Verhaltens finden. Auf dieser Grundlage wird eine enge Allianz zwischen Preußen und Oesterreich gleich fruchtbringend für beide Mächte und für das gesammte Deutschland sein, und so lange diese Grundlage festgehalten wird, zweifeln wir nicht, daß einzelne Meinungsverschiedenheiten immer, wie es bisher geschehen, ihre Ausgleichung finden werden. Die volle Offenheit, mit der ich mich im Obigen ausgesprochen, kann hierzu nur förderlich sein. Mit gleicher Offenheit werde ich mich in Betreff der Verhandlungen über die Zukunft der Herzog­ thümer aussprechen, worüber ich Ew. p. auf meine anderweite Depesche vom heutigen Tage verweise. Zugleich übersende ich Ihnen Abschrift der Mittheilungen, durch welche wir der in diesem Erlasse dargelegten Auffassung unserer Stellung zum Bunde bei den Regierungen Ausdruck gegeben haben[,] die am 5ten c. in der Minorität stimmten.7 Ew. p. sind ermächtigt, den gegenwärtigen Erlaß dem Herrn Grafen von Mensdorff vertraulich mitzutheilen. (gez.) v. Bismarck 7 Entwurf der Depeschen an die preußischen Gesandten in Dresden, München, Stuttgart und Darmstadt, Berlin, 13. Dezember 1864, GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/58, fol. 210–222.

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135. Skizze Pfordtens zu Beratungen über Bundesreformen

HStA München, MA 506, fol. 2–5. Eigenhändiger Entwur f. Anlage zum Antrag Pfordtens an König Ludwig II., ebd. fol. 1 u. 6.

Die Vereinigung der Mittelstaaten ist in ihrem eigenen Interesse wie auch in dem Deutschlands geboten. Österreich und Preußen betrachten das übrige Deutschland nur als ein Objekt „für ihre Annexion oder Beherrschung“. Wenn die Mittelstaaten sich im Bund als dritte Gruppe zusammenschließen, so ist das kein Partikularismus, sondern ein auf die Erhaltung Gesamtdeutschlands gerichtetes Streben, und diese richtige Würdigung der Triasidee fängt nun an populär zu werden. Es ist aber noch nicht an der Zeit, die Triasidee formell als Bundesreform zu verwirklichen, weil die Mittelstaaten sich noch zu fern stehen und die Großmächte einen solchen Versuch durch Drohungen aller Art unterdrücken würden. Die Mittelstaaten können sich aber über die Ziele und Mittel ihrer Politik verständigen und in der Bundesversammlung in allen wichtigen Fragen übereinstimmend handeln. Dazu reicht der schriftliche Ver­ kehr nicht aus, vielmehr sind periodische Ministerkonferenzen das unentbehrliche Mittel zur Verständigung. Die Initiative dazu muß Bayern ergreifen. Die größte Aus­ sicht auf Erfolg hat eine Verständigung zwischen Bayern, Sachsen, Großherzogtum Hessen, Nassau und Württemberg (und wohl auch Baden), während auf Kurhessen, Hannover, Oldenburg und Mecklenburg derzeit nicht zu rechnen ist – sie würden die Beratungen nur lähmen und jeden Gedanken an Preußen verraten. Man muß also versuchen, Mittel- und Süddeutschland zu einigen, insbesondere über folgende Punk­ te: 1. gemeinschaftliche Behandlung aller wichtigen Fragen am Bund; 2. periodische Ministerzusammenkünfte; 3.  Anerkennung des Erbprinzen Friedrich von Augusten­ burg als souveräner Herzog von Schleswig und Holstein; 4. militärische Vereinbarun­ gen mit dem Ziel, dem 7., 8. und 9. Bundesarmeekorps den Charakter einer einheitli­ chen Armee zu geben; 5. Festhalten an der Bundesreform mit Volksvertretung, letzte­ re eventuell auch ohne Österreich und Preußen; 6. gemeinschaftliche Gesetzgebung, auch ohne die beiden Großmächte.

München, 16. Dezember 1864 Skizze zur Berathung mit Baron Beust eventuell mit Großh. Hessen und Würtemberg und Nassau1 Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Mittelstaaten, wenn sie fest zusammenstehen, denjenigen politischen Einfluß üben, der ihnen nach Bevölkerung, Bildung, Wohlstand und Militärkraft zukommt, daß sie dagegen vereinzelt nahezu machtlos sind. Die Vereinigung der sogen. dritten Gruppe ist also in ihrem eigenen Interesse geboten; sie ist es aber auch im Interesse Deutschlands. 1 Pfordten übermittelte die Skizze am 16. Dezember 1864 an König Ludwig II. mit dem Antrag, bei seiner bevorstehenden Reise nach Frankfurt mit den Ministern von Hessen-Darmstadt, Nassau, Baden und Württemberg Sondierungen über eine gemeinschaftliche Politik der Mittelstaaten aufzunehmen; HStA München, MA 506, fol. 1 u. 6.

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Denn Oestreich und Preußen lassen ihren großmächtlichen Standpunkt und ihre in der europäischen Lage begründeten Interessen stets vorwalten, und betrachten das übrige Deutschland nur als ein Objekt für ihre Annexion oder Beherrschung. Nur in der dritten Gruppe lebt rein deutsches Gefühl, wie sie denn auch die alten Träger der deutschen Geschichte (Bayern, Sachsen, Franken, Schwaben) in sich schließt. Es ist also nicht ein dem Gesammtinteresse feindlicher Partikularismus, sondern ein auf die Erhaltung eines Gesammtdeutschlandes gerichtetes Streben, wenn die Mittelstaaten sich als dritte Gruppe im Bunde zusammenschließen u. geltend zu machen suchen, und diese richtige Würdigung der lange verketzerten Triasidee fängt nun an populär zu werden, weil die Mißhandlung der nationalen Bestrebungen durch Oest­ reich und Preußen in der Holsteinischen Sache auch für blöde Augen Erkenntniß gebracht hat. Gleichwohl ist es jetzt noch nicht an der Zeit, diese Idee formell als eine Art Bundesreform verwirklichen zu wollen. Dazu stehen sich die Regierungen der Mittelstaaten großentheils noch zu ferne, und der erste Versuch der Art würde von den jetzt gerade im Übermuthe vereinigten Oesterreich und Preußen durch Drohungen und Einschüchterungen aller Art im Entstehen unterdrückt werden. Es kann jetzt vielmehr nur dahin gestrebt werden, daß die Regierungen der Mittelstaaten sich materiell, ohne alle besondere Form, einigen sowohl über die Ziele, die sie erstreben, als über die Mittel, die ihnen zu Gebote stehen, und daß sie daher insbesondere in der Bundesversammlung in allen wichtigen Fragen möglichst übereinstimmend handeln und sich soviel möglich vor jeder principiellen Abstimmung mit einander benehmen. Als Mittel hiezu reicht der schriftliche Verkehr, und auch der telegraphische nicht aus; es erscheint vielmehr der persönliche Verkehr unter den Ministern der Mittelstaaten nothwendig, der sich schon in den Jahren 1852 und 1854 so wirksam erwiesen hat. Diese Ministerconferenzen, periodisch wiederholt und zwar je nach Bedürfniß und Vorliegen wichtiger Fragen häufiger, sind das unentbehrliche Mittel, um eine wahre Verständigung herbeizuführen und lebendig wirksam zu erhalten. Die Initiative hiezu muß Bayern ergreifen als der größte Mittelstaat, aber nicht um eine Hegemonie für sich zu begründen, sondern nur als primus inter pares und eingedenk des Satzes: Noblesse oblige. Jeder Versuch für sich ­irgend ein Vorrecht, eine Suprematie oder eine besondere Beeinflußung zu erlangen, würde Bayerns Bemühungen erfolglos machen. Je weniger ein ­ ­solcher Versuch gemacht wird, desto inniger werden die Bundesgenossen von selbst an Bayern sich anschließen und seine Stimme beachten. Diejenigen Mittelstaaten, an welche sich Bayern jetzt mit der meisten Aussicht auf Erfolg wenden kann, sind Königreich Sachsen, Großherzogthum

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München, 16. Dezember 1864

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­ essen, Herzogthum Nassau, und am Ende trotz scheinbarer Schwankungen in H der letzten Zeit u. trotz aller Eifersucht auf Bayern auch Würtemberg. Gelingt eine Verständigung mit diesen, so wird sich Baden nicht ganz ausschließen können, und Sachsen wird auf einige der thüringischen Staaten Einfluß üben. Auf Kurhessen, Hannover, Oldenburg und Mecklenburg ist zur Zeit gar nicht zu rechnen, und es ist wohl besser, sich gar nicht an sie zu wenden; sie würden entweder sofort ablehnen, auf Berathungen einzugehen, oder doch diese nur lähmen und jeden Gedanken an Preußen verrathen. Dadurch wird auch die gute Disposition Braunschweigs, die übrigens auch nur für die holsteinische Angelegenheit sicher ist, nutzlos. Also Mittel- und Süddeutschland muß man zu einigen suchen. Gelingt dies, so repräsentirt die Einigung doch eine Bevölkerung von 11 Millionen, und dann wird man sie nicht mißachten können, und wenn es dann zur Aufnahme der Verhandlungen über Bundesreform kommt, wird das schon lebendig Gewordene auch formell zur Geltung kommen können. Diejenigen Gegenstände über welche eine Einigung zu erzielen wäre, sind 1. das Versprechen gemeinschaftlicher Behandlung aller wichtigen Fragen am Bunde, 2. periodische Ministerzusammenkünfte. 3. Festhalten an dem Streben, daß der Erbprinz Friedrich von Augustenburg durch den Bund als Herzog von Holstein u. Schleswig anerkannt werde mit ungeschmälerter Souveränität, und daß darauf in der Bundesversammlung angetragen werde, sobald eine Majorität dafür wahrscheinlich ist, oder darin der letzte Schritt erkannt werden muß, um wenigstens die eigene Ehre zu retten, und die Pflicht zu erfüllen. 4. Einleitung von militärischen Vereinbarungen, im Geiste der in den Jahren 1860 und 1861 zu Würzburg gepflogenen Verhandlungen, aber freilich nicht in der damals mißlungenen Form und zunächst beschränkt auf das 7te 8te u. 9te Bundes Armeekorps, da auf die Staaten des 10t. Corps jetzt noch weniger zu rechnen ist als damals. Dabei wären aber auch möglichste Annäherung in der Bewaffnung, Ausrüstung u. Exercier-Reglements anzustreben, und gemeinschaftliche Uebungen u. Lager, um den drei Armeecorps mehr den Charakter einer einheitlichen Armee zu geben. Eine bessere Formation des 9t. Corps wäre auch zu erwägen, insbes. der alte Wunsch Sachsens, die thüringischen Contingente mit sich vereinigt zu sehen. Diese Punkte können freilich jetzt höchstens allgemein besprochen werden, da eingehendere Erörterung[en] nur nach dem Gutachten des Kriegs­ ministeriums möglich seyn werden. 5. Festhalten an der Reform des Bundes mit Volksvertretung, eventuell letztere auch ohne Oesterreich und Preußen.

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Dabei aber Wahrung der Selbständigkeit der Mittelstaaten und deshalb eventuell engerer Bund dieser mit Volksvertretung ohne die beiden Großmächte. 6. Durchführung gemeinschaftlicher Gesetzgebung und gemeinnütziger Einrichtungen, wie Maß u. Gewicht, Patente, Freizügigkeit u. dgl., auch ohne die beiden Großmächte.2 Auch diese sub 5 u. 6 bezeichneten Gegenstände könnten jetzt nur im Allgemeinen besprochen werden. Alle diese Andeutungen sollen nur zeigen, wie fruchtbar die Einigung der Mittelstaaten werden könnte, und Anregungen in dieser Richtung geben, und die andern Regierungen zum Eingehen auf Verhandlungen bestimmen. Für bindende Uebereinkünfte ist es jetzt noch nicht an der Zeit. Pfordten

136. Mensdorff an Károlyi

GStA PK Berlin, III. HA, Nr. 2010/58, fol. 304–311. Erlaß. Abschrift. Praes.: 26. Dezember 1864. Weitere Abschrift: GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 185. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 465–470; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 5, S. 583–588.

Mensdorff fordert die preußische Regierung auf, die Frage der Elbherzogtümer nicht länger offenzuhalten und eine positive Lösung herbeizuführen. Er regt an, die von den beiden Großmächten im Friedensvertrag mit Dänemark erworbenen Rechte über die Erbfolgefrage zur Lösung an einen Dritten (den Deutschen Bund) zu übertragen. Wenn Preußen eine territoriale Vergrößerung in Deutschland anstrebt, so müßte Österreich ebenso eine Gebietsvergrößerung beanspruchen, um das Gleichgewicht der beiden Mächte im Bund zu erhalten. Die bisherige ideelle Gemeinsamkeit zwi­ schen Österreich und Preußen in der Schleswig-Holstein-Frage würde sich demnach in ein reelle Teilung der Herzogtümer verwandeln – eine Lösung, welcher die „Macht der gegebenen Verhältnisse“ widerstrebt. Der Einfluß Österreichs und Preußens reicht nicht aus, um die übrigen deutschen Regierungen zu stummen Zuschauern zu machen. Die Bundesgenossen werden sich nicht mehr lange abhalten lassen, in Frankfurt Anträge gegen die preußischen Absichten zu stellen, und Österreich wird diesen Anträgen nahestehen. Das würde die Bemühungen durchkreuzen, durch eine gemeinsame Politik der Großmächte deren Antagonismus im Bund zu überwinden. Preußens Ansprüche müssen in Übereinstimmung mit den Grundgesetzen des Bundes 2 Marginalie: Gleiche Consumptionssteuern angeregt von Moritz Mohl. – Moritz Mohl (1802– 1888) war ein renommierter Nationalökonom und hatte 1848 der Frankfurter Nationalversammlung angehört. Von 1849 bis 1887 war er Abgeordneter in der württembergischen Kammer der Abgeordneten, 1868 wurde er ins Zollparlament gewählt, von 1871 bis 1873 war er Reichstagsabgeordneter. Vgl. NDB, Bd. 17, S. 691 f.; Raberg (Bearb.), Biographisches Handbuch, S. 575–577; Westermayer, Politik als Beruf.

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stehen, an dessen Erhaltung Österreich ein großes Interesse hat. Die Schleswig-Hol­ stein-Frage muß auf dem Boden der Bundesverfassung gelöst werden.

Hochgeborner Graf!

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Den Aufträgen, mit welchen Seine Majestät der Kaiser am 12ten November d. J. Euer Excellenz nach Berlin zurücksendeten, lag die Hoffnung zu Grunde, daß eine umfassende klare und bestimmte Darlegung des Verhältnisses Oesterreichs zur Frage der Elbherzogthümer den königlich preußischen Hof bewegen werde, dem Gedanken eines längeren Offenhaltens dieser Frage zu entsagen, um zwischen den verschiedenen möglichen Entschlüssen eine definitive Wahl zu treffen. Das Preußische Cabinet hat mit seiner Antwort gezögert, und die Zwischenzeit ist durch die bedauerliche und den Dank unserem Bemühen nur nothdürftig in den Schein formellen Rechtes gehüllte Episode der Verdrängung der Bundestruppen aus Holstein ausgefüllt worden. Nunmehr liegt uns die erwartete Rückäußerung vor, aber sie ist weit entfernt, unserem Wunsche gemäß, den Character einer uns von der Ungewißheit des seitherigen Zustandes befreienden Erklärung an sich zu tragen. Sie stellt eine positive Lösung noch immer nicht auf. Sie läßt nicht einmal deutlich erkennen, welcher An­ theil an Preußens letzten Entschließungen den Grundsätzen des Rechtes, und welcher den Anforderungen politischen Interesses zugestanden werden soll. Wir aber glauben einer hohen Pflicht zu gehorchen, wenn wir dem ungeachtet noch nicht von dem Bestreben ablassen, den verbündeten Hof von Berlin zu überzeugen, daß den gefährlichen Zweifeln über die Zukunft der Herzogthümer ein nahes Ziel gesetzt werden müsse. Nicht besser als durch dieses ausdauernde Streben können wir beweisen, wie sehr der lauterste Wunsch uns beseelt, den Preis, den Oesterreichs u. Preußens gemeinsame That errungen, auch vereint mit Preußen in bleibenden Gewinn für beide Mächte, wie für das gesammte Deutschland zu verwandeln. Wir werden nicht auf alle einzelnen Punkte der zu Ew. Exc. persönlicher Kenntnißnahme hier abschriftlich mitfolgenden Depesche des Königl. Herrn Ministerpräsidenten v. 13. d. M. eingehen.1 Wenn wir daraus diejenigen Sätze ausscheiden, die wir zwar nicht anzuerkennen vermögen, deren Widerlegung aber den practischen Zweck, den wir vor Augen haben, nicht unmittelbar fördern würde, so bleiben zwei Categorien von Einwendungen übrig, welche die Königl. Preußische Regierung unserem zu Gunsten des Prinzen von Augustenburg lautenden Vorschlage entgegenstellt. Die erste Reihe die1 Siehe Dok. 134.

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ser Einwendungen ist dem Gebiete des Rechts, die andere dem Gebiete der Staatsinteressen entnommen. Hinweisend auf die mannigfachen Erbansprüche an die Herzogthümer, scheint die Königl. Regierung zu besorgen, daß eine Entschädigung, wie wir sie bevorwortet haben, vielseitigen Anfechtungen ausgesetzt seyn würde. Untersuchen wir näher, ob unser Vorschlag wirklich von dem Tadel getroffen werden könne, daß er in streitige Rechtsverhältnisse willkürlich eingreife. Wir müssen vor Allem wiederholt auf den Umstand aufmerksam machen, daß wir nicht einer unberechtigten Entscheidung irgend eines Theiles der Erbfolgefrage durch die beiden Mächte, sondern einer einfachen Verfügung über die ihnen selbst erworbenen Rechte das Wort geredet haben. Die durchgreifende Bedeutung dieses Unterschiedes spricht für sich selbst. So groß die Autorität des vereinten Willens der beiden Mächte ist, so würde doch ein Machtspruch, durch welchen sie den Knoten der Rechtsfrage durchzuschneiden unternehmen wollten, sicherlich den Anfechtungen unterliegen, welche das Königl. Preuß. Cabinet vorhersieht. Niemand aber kann den Höfen von Wien u. Berlin das Recht bestreiten, die ihnen in Artikel III des Friedens-Vertrages cedirten Rechte, welches immer deren Werth sey, an einen Dritten weiter zu cediren. Dieser Artikel selbst autorisirt sie sogar ausdrücklich zu einer solchen Verfügung. Gebrauchen sie dieses ihr Recht, so verletzen sie dadurch kein Recht eines Anderen. Die thatsächliche Wirkung ihres Entschlusses wird ohne Zweifel eine entscheidende seyn, aber um so richtiger werden sie gehandelt haben, u. gerade hierin scheint uns das Verdienst unseres Vorschlages zu bestehen. Keineswegs maßen sie sich an, die gesetzlichen Wege des Rechts zu verschließen. Und wie mit dem strengen Rechte, so steht unser Gedanke im vollsten Einklange auch mit der moralischen Verpflichtung der beiden Mächte, den Einen Prätendenten nach bloßen Eingebungen der Willkühr vor dem anderen zu bevorzugen.2 Nicht ohne die gründlichste Erwägung der rechtlichen Momente sind beide Cabinete, das Wiener wie das Berliner, übereinstimmend zu der Ueberzeugung gelangt: daß keiner der aufgetretenen Bewerber im Stande sei, ein unzweifelhaftes Erbrecht auf ein vereinigtes Herzogthum Schleswig-Holstein nachzuweisen. Welcher weiteren Vorbereitung bedarf es für den nur von Oesterreichs u. Preußens freiem Willen abhängigen Entschluß, die Titel des Königs Christian IX. mit den Ansprüchen der Linie Augustenburg zu 2 Die beiden Prätendenten waren der dänische König Christian IX. und der Prinz Friedrich Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1829–1880) aus dem Hause Oldenburg. Letzterer erklärte am 16. November 1863 seinen Regierungsantritt als Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein und wurde am 30. Dezember als Landesherr beider Herzogtümer ausgerufen. Vgl. ADB, Bd. 49, S. 126–134; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 460 f.; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 184; Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 248 f.

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vereinigen, u. dadurch diejenige Lösung zu begünstigen, für welche die beiden Mächte sich bereits in London erklärt haben u. deren Annahme im Deutschen Bunde, wie in den Herzogthümern gesichert ist? Aber wenn nicht ein fremdes Recht, so ist es allerdings eine eigene Er­ rungenschaft Ihrer Majestäten von Oesterreich u. Preußen, welche wir ge­ bieterischen höheren Rücksichten aufzuopfern rathen. Jene Titel des Königs Christian, sie sind nunmehr das rechtmäßige Eigenthum der beiden hohen Souveraine. Den inneren Werth dieses Erwerbs wollen wir hier nicht unter­ suchen. Es ist bekannt, wie vielfach bestritten u. zweifelhaft dieser Werth ist, wenigstens, wenn man von dem Herzogthum Lauenburg absieht. H. v. Bismarck glaubt, auch in Bezug auf Holstein u. Schleswig einen Unterschied aufstellen zu können zwischen denjenigen Landestheilen, auf welche König Christian durch die Entsagung des Prinzen von Hessen ein den agnatischen Ansprüchen Oldenburgs und Augustenburgs überlegenes Recht erworben, und denjenigen, die er nur kraft der anfechtbaren aber bis jetzt nicht formell beseitigten Thronfolgeordnung des Londoner Vertrages u. des Gesetzes von 1853 beseßen habe.3 Er erklärt, daß auf jene ersteren Landestheile Niemand heute ein besseres Recht habe, als die Höfe von Oesterreich u. Preußen. Allein diese Unterscheidung scheint uns auf schwankenden Grundlagen zu ruhen. Wir haben bereits früher angedeutet, u. wollen hier nicht wiederholen, daß dem Rechte nach die Entsagung des Prinzen von Hessen, so gut wie der Vorzug des Königs Christian vor den Ansprüchen der Agnaten, mit der Thronfolgeordnung des Londoner Vertrags steht u. fällt. Je nachdem dieser Vertrag als fortdauernd gültig angenommen wird oder nicht, konnte König Chri­ stian IX. entweder über die gesammten 3 Herzogthümer, oder über keinen Theil derselben als legitimer Souverain verfügen. Wir lassen jedoch diesen wichtigen Punkt hier fallen. Zwei andere Betrachtungen scheinen uns für unseren Zweck vollkommen hinzureichen. Es muß uns erstens das freimüthige ­Geständniß erlaubt sein, daß nach unserer Meinung jene Titel der dänischen Krone, vielleicht auch die Ansprüche des Hauses Brandenburg, auf welche das Berliner Cabinet sich beruft, nicht erst jetzt, sondern schon in einem Zeitpunkt hätten hervortreten sollen, als Gf. Bernstorff noch nicht auf der Lon­ doner Conferenz gemeinschaftlich mit dem Gfn. Apponyi4 erklärt hatte: der 3 Die Erbfolgeregelung des Londoner Vertrags von 1852 zugunsten des dänischen Königshauses (Huber [Hrsg.], Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 610 f.) und das dänische Thronfolgegesetz vom 31. Juli 1853 waren vom Deutschen Bund nicht offiziell anerkannt worden. Siehe dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 462 f.; Baumgart, Europäisches Konzert, S. 370 ff. 4 Rudolph Graf Apponyi von Nagy-Apponyi (1812–1876), seit 1847 im österreichischen diplomatischen Dienst, 1856–1871 Botschafter in London, 1871–1876 Botschafter in Paris; Matsch, Der Auswärtige Dienst, S. 113, 115.

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Prinz von Augustenburg habe in den Augen Deutschlands die meisten Rechte auf die Nachfolge in Schleswig-Holstein geltend zu machen. Und zweitens vermögen wir an eine Zerstückelung der Herzogthümer schwer zu glauben. Auf die Frage einer eigenen Erwerbung der beiden Mächte werde ich übrigens weiter unten nochmals zurückkommen müssen, u. füge hier nur noch einige Worte bei, um die Bemerkung des Preußischen Cabinets nicht zu übergehen, daß Preußen auch an Rücksichten gebunden sei, die es auf die Freundschaft Oldenburg’s, Hannover’s, Rußland’s zu nehmen habe. Solche Rücksichten wünschen auch wir zu beachten. Aber Rußland, – ganz abgesehen von der Frage, ob nicht gegen die Candidatur des Großherzogs von Oldenburg nachträgliche Bedenken entstanden seyen, – hat stets auf die Entscheidung des Deutschen Bundes hingewiesen. Der Großherzog von Oldenburg ist ein Fürst, welchen der Kaiser hochschätzt, aber es handelt sich nicht davon, „Oldenburgisches Land zu vergeben“, sondern die im Artikel III des FriedensVertrages vorbehaltene Disposition über vormals dänische Rechte zu treffen, u. Oesterreich u. Preußen verletzen keine Rücksicht, wenn sie sich hierbei von wichtigen politischen Motiven leiten lassen. Hannover endlich gehört nicht zu den Interessenten in der Erbfolgefrage, es vertritt nicht Rechte, sondern Ansichten, u. es wird seiner Regierung, die wir so gerne mit den beiden Großmächten übereinstimmen sehen, sicherlich ferne liegen, Anspruch auf ausschließliche Beachtung ihrer eigenen Anschauungen zu erheben. Oesterreich u. Preußen haben sonach von dritter Seite keine im Rechte oder in der Billigkeit gegründete Einrede zu erwarten, wenn sie den im Art. III des Friedens-Vertrages ausgedrückten Vorbehalt der Verfügung wegen der Herzog­ thümer verwirklichen. Ich wende mich nun zum zweiten Theile der Erklärungen Preußens. Der Kais. Oesterr. Hof – so bemerkt H. v. Bismarck – hat sich an dem Kriege nicht wegen eines directen Interesses zur Sache betheiligt, sondern weil er nach seiner Stellung in Deutschland diese Betheiligung als eine politische Nothwendigkeit ansah. Preußen dagegen ist in Betreff seiner Sicherheit, wie seiner gesammten staatlichen u. volkswirthschaftlichen Interessen wesentlich u. unmittelbar bei der künftigen Gestaltung der Herzogthümer betheiligt. Hierin sucht der Kgl. Herr Ministerpräsident die Erklärung dafür, daß Oesterreich bereit ist, ohne Weiteres einen selbstständigen Schleswig-Holsteinischen Staat zu constituiren, während er die Regierung Preußens ihrem Lande gegenüber nicht für berechtigt hält, den mit großen Opfern errungenen Besitzstand in den Herzog­ thümern ohne entsprechendes Aequivalent aufzugeben. Der Chef des Preuß. Cabinets hat sich hier nicht mehr gegenwärtig ge­ halten, daß Ew. p. im besonderen Auftrag Sr M. des Kaisers bereits erklärt haben, Oesterreich müsse in dem Falle, wenn Preußen aus dem Art. III des Friedensvertrages einen Territorial-Erwerb für sich selbst ableiten zu können

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glaube, als Aequivalent für seinen Antheil an den durch diesen Artikel begründeten Rechten auch seinerseits eine verhältnißmäßige Gebietsvergrößerung in Deutschland in Anspruch nehmen. Es ist vollständig wahr, Oesterreich hat den Krieg gegen Dänemark geführt, um seine Stellung als deutsche Macht im Bunde mit Preußen zu b­ ehaupten. Es hat sich in einer Frage, die näher an die norddeutsche Macht, als an den Kaiserstaat herantrat, als treuer Verbündeter Preußens bewähren wollen. Ein anderer Ehrgeiz hat es nicht geleitet. Aber ein Staatsmann von so ernsten Ueberzeugungen, wie H. v. Bismarck, kann nicht ohne die schwerwiegende That­ sache rechnen, daß die deutsche Stellung Oesterreichs gerade durch jenes Gleichgewicht der Kräfte bedingt ist, welches der deutsche Bundes­vertrag zwischen den beiden Mächten begründet hat, u. welches eine u­ nverrückbare Grundlage der Sicherheit u. Größe Oesterreichs bildet. Die Regierung Preußens hat Verpflichtungen gegen ihr Land, die Erhaltung dieses Gleichgewichtes ist eine Pflicht, welche Oesterreichs Regierung gegen das ihrige zu erfüllen hat. Nicht um es zu erschüttern, ist das Blut auch unserer Soldaten geflossen. Mit einer Vergrößerung Preußens in Deutschland müßte die Kais. Monarchie gleichen Schritt halten. Sie achte[t] aber vor Allem das Recht, u. deshalb haben Ew. p. auf dem Gebiete der Compensationen nur diejenigen Bedingungen nach Berlin zu bringen gehabt, welche die Depesche, auf die wir heute antworten, als unannehmbar bezeichnet. Welches müßte unter diesen Umständen die unausweichliche letzte Folge sein, wenn Preußen sich einer Verfügung über die Herzogthümer zu Gunsten eines unabhängigen Fürsten noch länger entzöge, u. die definitive Lösung ganz oder theilweise in jenem so ausschließlich von ihm in den Vordergrund gestellten condominium suchen wollte, welches seit dem Friedens-Vertrage den augenblicklichen s­ tatus quo in den Herzogthümern bildet? Es bliebe in letzter Auflösung kein anderer Ausgang übrig, als daß die ideelle Gemeinschaft, die sich auf den Friedens-Vertrag gründet, in eine reelle Theilung des gemeinschaftlichen G ­ ebietes verwandelt würde. Die Macht der gegebenen Verhältnisse aber – wir sagen es ohne Bedauern – widerstrebt einem solchen Ende der Schleswig-Holsteinischen Frage ebenso entschieden, wie einer einseitigen Vergrößerung Preußens. Diese Macht der Verhältnisse, sie wirkt überhaupt nicht ausschließlich in derjenigen Richtung, in welcher Preußen sie für sich geltend zu machen geneigt ist. Oesterreich u. Preußen bilden nicht das gesammte Deutschland. Wie mächtig auch der vereinte Entschluß der beiden Großstaaten sein möge, er reicht nicht aus, um die Regierungen Deutschlands zu stummen Zuschauern zu machen, Falls [sic] erstere die Lande, deren Trennung von Dänemark sie unter Berufung auf Recht u. Interesse des gesammten Bundes erkämpft haben, als Material für eigenen Machtzuwachs verwenden wollten. Das ­ ­oeffentliche Gewissen in Deutschland ist tief erregt. Nicht lange mehr, u.

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v­ iele unserer Bundesgenossen werden sich nicht mehr abhalten lassen, ihren Widerstand gegen die Absichten, die ihre Besorgnisse erregen, in die Form bestimmter Anträge zu kleiden. Wir selbst werden uns gegenüber den deutschen Höfen nicht länger weigern können, uns über unsere Intentionen zu erklären, was wir bis jetzt im Interesse der gehofften Verständigung mit ­ ­Preußen vermieden haben. Wir wünschen den Augenblick nicht herbei, wo ­Oesterreich in Frankfurt Angesichts [sic] von Anträgen, welche der Regierung Preußens nicht erwünscht wären, anerkennen müßte, daß diese Anträge seiner eigenen Ueberzeugung nahe stehen. Tief würden wir die Fruchtlosigkeit so vieler mit strenger Selbstverleugnung fortgesetzter Anstrengungen beklagen, den Antagonismus der beiden Mäche im Bunde durch ein höheres Gesetz der Eintracht zu überwinden. Aber wir glauben, daß eine so mißliche Wendung der Dinge auch der Kgl. Preuß. Regierung um der eigenen u. der allgemeinen conservativen Interessen Willen nicht gleichgültig seyn könne. Möge sie ihr glücklich vorbeugen! Uns fehlen hiezu in der That alle weiteren Mittel. Gerne werden wir übrigens günstiger von der Sachlage urtheilen, sobald die Mittheilungen, welche H. von Bismarck am Schlusse seiner Depesche uns in Aussicht stellt, nicht auf sich warten lassen, u. sobald sie den Beweis liefern werden, daß die von uns so bestimmt gegen die Gründung eines halbsouveränen Staates gerichtete Verwahrung in Berlin nicht ungehört geblieben ist. Unser Interesse an der Erhaltung der deutschen Bundesverfassung ist zu groß, als das wir Preußens Ansprüche an den künftigen Staat Schleswig-Holstein nach einem anderem Maßstabe messen könnten, als nach dem ihrer Uebereinstimmung mit den Grundgesetzen des Bundes. Ueberdies berührt die Unterhandlung zwischen unseren beiden Cabineten hier ein Gebiet, welches ihnen nur in Gemeinschaft mit ihren deutschen Bundesgenossen angehört. Wir haben erklärt, u. wir wiederholen noch heute, daß wir den Abschluß der ganzen Frage auf dem Wege der Verständigung mit Preußen herbeizuführen wünschen. Allein es steht der Gesammtheit des Bundes zu, darüber zu wachen, daß der politische Zustand eines Bundeslandes den Grundgesetzen des Bundes entspreche, und daß nicht in den Verein der Souveräne Deutschlands ein unselbstständiges Mitglied eingeführt werde. Auf dem Boden der BundesVerfassung aber – Ew. p. hatten es bereits mehr als einmal auszusprechen, – werden wir den Wünschen Preußens die bereitwilligste Unterstützung entgegenbringen, wir werden die ersehnte Lösung als herangenaht betrachten, wenn Preußen uns sagen wird, daß es von Schleswig-Holstein nur begehre, was in Deutschland Ein Mitglied des Bundes dem Anderen im Einklange mit den Rechten u. der Wohlfahrt der Gesammtheit gewähren kann. Ich schließe hiemit diese Betrachtungen, in welchen ich nochmals unseren Gesinnungen über alle Hauptpunkte der Frage, in vollem Vertrauen auf Preußens Freundschaft, wie auf die Stärke der Wahrheiten, auf welche ich mich stütze, den

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Alexander Graf von Mensdorff-Pouilly (1813–1871)

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aufrichtigsten Ausdruck geliehen habe. Ew. p. wollen Sich beeilen, meine Aeußerungen durch Mittheilung der gegenwärtigen Depesche zur Kenntniß des H. Ministerpräsidenten zu bringen. Empfangen p.p. (gez.) Mensdorff.5

137. Varnbüler an Reinhard1

HStA Stuttgart, E 65, Büschel 81. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 7. Januar 1865.

In Württemberg sind die Bundesbeschlüsse von 1854 über die Presse und das Ver­ eins- und Versammlungswesen außer Kraft gesetzt worden. Die Bundesbeschlüsse wurden nicht von allen Staaten vollzogen, so daß die Erwartung Württembergs auf einen einheitlichen Rechtszustand im ganzen Bundesgebiet nicht erfüllt wurde. Durch die Außerkraftsetzung der Beschlüsse wird überdies ein Anlaß zu Konflikten mit der Abgeordnetenkammer beseitigt, da diese mehrfach die gesetzliche Regelung des Ver­ eins- und Pressewesens für sich reklamiert hat.

Euer Hochwohlgeboren!

Stuttgart, 1. Januar 1865

Haben in dem Staatsanzeiger die K. Verordnung gefunden, durch welche ­diejenigen Verordnungen außer Wirksamkeit gesetzt werden, welche diesseits zur Vollziehung der Bundesbeschlüsse vom 7. und 13. July 1854 bezüglich der Presse und des Vereinswesens erlassen worden sind.2 5 Bismarck antwortete mit einer ausführlichen Depesche an den preußischen Gesandten in Wien, von Werther, am 26. Januar 1865, in der er darlegte, daß die beiden Großmächte über ihre Rechte in der Schleswig-Holstein-Frage „nur mit Rücksicht auf ihre eigenen Interessen“ verfügen könnten und daß Preußen das Recht und die Pflicht habe, „die Ansprüche und den Vortheil des eigenen Landes“ zu wahren. Preußen und Österreich müßten weiter einig sein und den „Tendenzen zur Einmischung“ keine Ermutigung geben. Sollten andere Regierungen Anträge in der Bundesversammlung stellen, so würde Preußen Gegenanträge zur Wahrung seiner Ansprüche stellen, und es werde „die Bundesmajorität nicht als den über dieselben entscheidenden Gerichtshof“ anerkennen; Bismarck an Werther, 26. Januar 1865, GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 185; Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 59–66. – Unter dem gleichen Datum erging ein vertraulicher Erlaß von Bismarck an Werther, in dem die negativen Folgen dargelegt wurden, die ein Abschwenken Österreichs von der gemeinsamen Politik mit Preußen haben könne, siehe Dok. 140.

1 Hugo Ludwig Freiherr von Reinhard (1819–1871), 1850–1865 württembergischer Bundestagsgesandter; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 423. 2 Verordnung des Königs von Württemberg vom 24. Dezember 1864 zur Außerkraftsetzung der Verordnungen vom 25. Januar 1855 zur Verkündung der Bundesbeschlüsse von 1854 und der Verordnungen vom 25. Dezember 1850, 7. Januar 1856 und 22. Februar 1861 zur Verhinderung des Mißbrauchs der Presse. Statt dessen traten nun wieder die Vorschriften der württem-

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Um Euer Hochwohlgeboren über die Gründe sowie über die Bedeutung der neuesten Maaßnahmen der K. Regierung zu verständigen, beehre ich mich Denselben Nachstehendes zu eröffnen. Als die Bundes-Versammlung seinerzeit zum Zwecke der Regelung der Verhältniße der Presse und des Vereinswesens in den deutschen Bundesländern die Bundes-Beschlüsse vom 6. u. 13. July 1854 faßte, stimmte die K. württbg. Regierung diesen Bundesbeschlüssen in der Voraussetzung zu[,] daß die vom Bunde festgesetzten Normen von sämmtlichen Bundes-Regierungen in Vollzug gesetzt und so ein gleichmäßiges Recht in den deutschen BundesLändern werde geschaffen werden. In derselben Voraussetzung hat die K. Regierung ihrerseits die gedachten Bundesbeschlüsse durch die K. Verordnungen vom 25. Januar 1855 und vom 7. Januar 1856 zum Vollzug gebracht.3 Während ein Gleiches in mehreren andern Bundesstaaten geschehen ist, hat dagegen eine Anzahl von Bundes-Regierungen, und unter ihnen gerade die einflußreichsten, wie namentlich Oesterreich, Preußen u. Baiern, die fraglichen Bundesbeschlüße inzwischen noch nicht vollzogen und es ist daher die Hoffnung der K. Regierung, die Herstellung eines das ganze deutsche Bundesgebiet umfassenden Rechts[,] nicht in Erfüllung gegangen. Da nun seit der Verkündigung der diesseitigen Verordnungen von Seite der Stände schon wiederholte Beschwerden gegen dieselben laut geworden sind, Beschwerden, welche ihre Hauptbegründung eben darin gefunden haben, daß die Beschlüsse in dem größten Theile des deutschen Bundesgebiets keine Vollziehung gefunden haben und da erst neuerdings in der jüngsten Adresse der Kammer der Abgeordneten die Regelung der Verhältnisse der Presse und des Vereinswesens für die Gesetzgebung reclamirt worden ist, so mußte sich die K. Regierung um so mehr veranlaßt finden, die Frage einer ferneren Aufrechthaltung der obenerwähnten Verordnungen in Erwägung zu ziehen, als sie sich der ­Ueberzeugung nicht verschließen konnte, daß so wie die Verhältniße seit der Fassung der in Rede stehenden Beschlüsse sich gestaltet haben, denselben eine erhebliche praktische Bedeutung kaum mehr beizulegen sei, sofern sie fortwährende Ausschreitungen der Presse und eine unbeschränkte Entfaltung des Vereinswesens nicht zu verhindern vermochten und insofern überdieß die vor dem Vollzug jener Beschlüsse in Württemberg bestandene Gesetzgebung der K. Regierung hinreichende Befugniße an die Hand gibt, um den von dem bergischen Landesgesetze, insbesondere das Pressegesetz vom 30. Januar 1817 in Kraft; Staatsanzeiger für Württemberg, Nr. 307 vom 28. Dezember 1864, S. 2693; die Bundesbeschlüsse von 1854 sind abgedruckt in: QGDB III/2, Dok. 51 u. 52. Vgl. zu den Beschlüssen ausführlich Kohnen, Pressepolitik des Deutschen Bundes, sowie Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 111–139. 3 Regierungs-Blatt für das Königreich Württemberg Nr. 4 vom 2. Februar 1855, S. 46–50 und Nr. 2 vom 11. Januar 1856, S. 9–26.

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Thienen-Adlerflycht an Wittgenstein

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Vereinswesen und der Presse drohenden Gefahren zu begegnen. Die K. Regierung ist hiernach zu dem Entschluße gelangt, die in Vollziehung der mehr gedachten Bundesbeschlüsse erlassenen Verordnungen vorerst außer Wirksamkeit zu setzen und dadurch eine fortwährende Veranlassung zu Zwistigkeiten mit ihrer Landesvertretung zu entfernen. Bei diesem Entschlusse ging die K. Regierung von der Rechtsanschauung aus, daß sie sich hiedurch von dem Boden des Bundesrechts insofern nicht entferne, als die fraglichen Beschlüsse die allseitige Vollziehung nicht gefunden haben und die Bundes-Versammlung selbst sich hiebei vollständig beruhigt hat. Durch vorstehende Mittheilung glaube ich Euer Hochwohlgeboren in den Stand gesetzt zu haben, Ihren Kollegen gegenüber das Verfahren der K. Re­ gierung erforderlichen Falles zu erläutern und in das rechte Licht zu stellen. Indem ich noch beifüge, daß ich mich veranlaßt gefunden habe, über die ­Motive zu der neuesten diesseitigen Maaßnahme den befreundeten Nachbar Regierungen Bayern und Hessen-Darmstadt eine besondere mit der obigen Ausführung übereinstimmende Mittheilung zukommen zu lassen, benütze ich zugleich diesen Anlaß zu erneuter Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. Varnbüler

138. Thienen-Adlerflycht1 an Wittgenstein

HStA Wiesbaden, Abt. 210, Nr. 3439, fol. 2–5. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Vermerk: „Ad Acta Wiesb. 14. Jan. 1865“.

In Berlin liegt jetzt der Schwerpunkt der Geschichte. Es hat Europa einen Frieden diktiert, entwickelt nun aber Sondergelüste, die den schönen Erfolg wieder in Frage stellen. Die preußischen Forderungen werden wenig von der Selbständigkeit der Her­ zogtümer Schleswig und Holstein übriglassen, jedenfalls nicht genug, um einen Staat nach Maßgabe der Bundesgesetze zu bilden. Das Berliner Kabinett hat das Interesse, den Deutschen Bund und seine Gesetze zu sprengen, in Wien zweifelt man nicht dar­ an, daß Bismarck auf dieses Ziel hinarbeitet. In Wien ist man der Meinung, die Mit­ telstaaten müssten jeden Konflikt in der Bundesversammlung vermeiden, um Bis­ marck keine Handhabe zur Erreichung seines Ziels zu geben. Der Versuch, mit „Bun­ desmajoritäten“ gegen Preußen vorzugehen, werde die Bestrebungen Österreichs vereiteln, dem Herzog von Augustenburg eine möglichst „bundesmäßige Stellung“ zu verschaffen. Statt dessen sollten sich die Mittelstaaten laut mit den Zielen Österreichs einverstanden erklären. 1 Karl Maria von Thienen-Adlerflycht (1835–1900), 1862–1887 braunschweigischer Gesandter in Wien; der braunschweigische Gesandte vertrat zugleich die Regierung von Nassau. Vgl. Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 56.

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Wien, 8. Januar 1865

N° 1.

717 Wien, 8. Januar 1865

Durchlauchtigster Prinz! Hochgebietender Herr Staatsminister! Der Neujahrstag vereinigte diesmal das hiesige diplomatische Corps (d. h. Missionschefs) in den seit den Metternich’schen Zeiten nicht so gastlich geöffneten Sälen der Staatskanzlei zu einem großen Essen in Gala bei dem Grafen und der Gräfin Mensdorf2, welche auch den Abend große Gesellschaft gaben. Nach Tische traf ein pariser [sic] Telegramm ein, welches die Neujahrsansprache Kaiser Napoleons an das diplomatische Corps in Paris berichtete. Man hielt sie für eine nichts sagende; doch wiegt der friedliche Charakter vor. Es schien ja schon im verflossenen Jahre die aggressive Periode des zweiten französischen Kaiserreichs vorüber; und mit dem Geiste der Annexionen etwas davon auf den geistreichen Schüler und Staatsmann an der Spree übergegangen zu sein. In Berlin liegt jetzt der Schwerpunkt der Geschichte. Dieselben waren im vergangenen Jahre für Deutschland so günstig wie je; seine Macht diktirte in Europa einen Frieden, dem die sämmtlichen Cabinette des Auslandes vergeblich entgegengearbeitet, und schließlich ihn anerkennen mußten. Und dennoch ist Deutschland dieses Triumphes nicht froh. Das concentrirtere Kraftgefühl in Berlin verleitete zu Sondergelüsten, welche den ganzen schönen Erfolg wieder in Frage stellen können, und das lauernde Ausland mit der lustigen Hoffnung wiegen, daß unsere eigene Uneinigkeit, was erreicht schien, wieder zerstöre. Die Verhandlungen zwischen hier und Berlin haben noch keine bestimmtere Wendung genommen. Auf das von hier kurz vor Weihnachten nach Berlin gerichtete Schreiben3 ist, wenigstens soviel ich höre, zunächst nur eine Art Empfangsbestätigung seitens des Unterstaatssekretärs von Thile eingetroffen, in welcher Herr von Thile in Abwesenheit Herrn von Bismarks sich in ent­ gegenkommender Weise ausgesprochen hätte. Herr von Bismark selbst hat jedoch noch nicht definitiv geantwortet, und scheint die Berichte der Berliner Ministerien über die verschiedenen aufgestellten Forderungen noch abzuwarten. Diese Forderungen werden wol [sic] wenig von der Selbstständigkeit der Herzogthümer übrig lassen. Jedenfalls nicht genug, um einen Bundesstaat, 2 Alexander Graf Mensdorff-Pouilly war am 27. Oktober 1864 zum Nachfolger von Rechberg als Außenminister berufen worden und war somit im Januar 1865 erstmals Gastgeber des Empfangs für das diplomatische Corps in Wien. Seine Gattin war die Reichsgräfin Alexandrine „Aline“ von Dietrichstein-Proskau-Leslie (1824–1906), eine Tochter von Joseph Franz von Dietrichstein-Proskau-Leslie (1798–1858), Reichsfürst von Dietrichstein und Inhaber der Herrschaft Nikolsburg in Mähren. Vgl. NDB, Bd. 17, S. 87 f. 3 Mensdorff an Károlyi, 21. Dezember 1864; siehe Dok. 136.

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Thienen-Adlerflycht an Wittgenstein

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wie ihn die Bundesgesetze fordern, hinzustellen. Es wird dann an Österreich sein, von diesen Forderungen, den Maaßstab der Bundesgesetze in der Hand, so viel möglich herunterzuhandeln. Für das berliner Cabinet aber ergiebt sich daraus das Interesse, den Bund und seine Gesetze zu sprengen. Ich glaube, daß man hier nicht daran zweifelt, Herr von Bismark arbeite auf dies Ziel hin. Ich hatte wenigstens auf Grundlage dieser Voraussetzung ein Gespräch, aus welchem ich die Ansicht gewann, daß man hier der Meinung ist, die Politik der Mittelstaaten müsse darauf gegenwärtig gerichtet sein, Herrn von Bismark die Handhaben zu entziehen, um dies Ziel zu erreichen; d. h. man müsse jeden Conflikt, welcher durch die Abstimmungen am Bunde herbeigeführt werden könnte, zu vermeiden suchen, und vorläufig womöglich sich abwartend verhalten. Österreich könne und werde den Weg der Mittelstaaten jetzt um so weniger betreten, je mehr man hier glaube, auf dem eigenen Wege durch freundschaftliche und logische Nöthigung das berliner Cabinet noch zu dem Ziele zu führen, welches für Österreich und die Mittelstaaten das jetzt gleichmäßig gewollte sei. Die Freundschaft und Logik zusammen zwängen das berliner Cabinet zuzugestehen, daß Preußen nur die Hälfte der Herzogthümer annektiren könnte, während die andre Hälfte Österreich gebühren würde. Diesem getheilten Besitz oder einer anderen territorialen Entschädigung durch preußisches Grenzgebiet (und eine andere, als territoriale Entschädigung acceptirt Österreich nicht) ziehe man in Berlin wol selbst die Einsetzung des Herzogs von Augustenburg vor. Während Schritte im Sinne der vorjährigen Bundestagsmajoritäten demnach nur geeignet wären, den Bestebungen Österreichs zur Erreichung des gemeinsamen Zieles einer möglichst bundesmäßigen Stellung des Herzogs von Augustenburg hindernd in den Weg zu treten; ließe sich dagegen wol eine Unterstützung der hiesigen Bemühungen darin erblicken, wenn man seitens der Mittelstaaten, über die verschiedenen Mittel zum Zweck hinwegsehend, laut mit dem Zweck und Ziel Österreichs sich einverstanden erklärte. Prinz Friedrich Karl von Preußen4 hat seine Hieherkunft wegen der Trauer­ feier der Beisetzung der Leiche der Großherzogin Maria Anna von Toskana5, 4 Friedrich Karl Nikolaus, Prinz von Preußen (1828–1885) war ein Neffe König Wilhelms I. Seit 1848 war er Offizier in der preußischen Armee, und 1864 erhielt er als General der Kavallerie den Oberbefehl über die preußischen Truppen im deutsch-dänischen Krieg. Vgl. ADB, Bd. 49, S. 118–126. 5 Maria von Sachsen (1796–1865), die ältere Schwester des sächsischen Königs Johann, hatte 1821 Großherzog Ferdinand III. von Toskana (1769–1824) geheiratet und lebte bis 1859 am toskanischen Hof in Florenz, bevor sie wegen des Italienischen Krieges ins Exil ging. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in Böhmen und Dresden. Sie verstarb am 3. Januar 1865 auf Schloss Brandeis in Böhmen. Vgl. Hamann (Hrsg.), Die Habsburger, S. 291.

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München, 11. Januar 1865

welche morgen dahier stattfinden soll, unbestimmt verschoben. Als ostensibler Zweck der Reise des Prinzen wird angegeben, er wolle sich für das Theresienkreuz6 bedanken, und vom Commando sich abmelden. Man vermuthet wol nicht ohne Grund, daß hiemit der Zweck seiner Reise noch nicht erschöpft sei. Die Vermählung der Erzherzogin Maria Theresia7 ist nun auf den 17. d. M. festgesetzt worden. Mit größter Hochachtung habe ich die Ehre zu verharren Euer Durchlaucht ganz gehorsamster Diener K. v. Thienen

139. Blome1 an Mensdorff

HHStA Wien, PA IV 34. Gesandtschaft München. Berichte 1865, fol. 25–29. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 13. Januar 1865. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 4, S. 510–512.

In der schleswig-holsteinischen Frage setzt Pfordten auf die Friedensliebe des preu­ ßischen Königs, der im Ernstfall für die Erhaltung guter Beziehungen zu Österreich optieren wird. Man kann dem Berliner Kabinett „goldene Brücken“ bauen, um es von der Annexionsidee abzubringen. Die Mittelstaaten werden allen Konzessionen an Preußen zustimmen, sofern diese „nicht aus dem Rahmen der Bundesgesetze heraus­ treten“. An Österreich wird die Frage herantreten, ob es nicht Preußen im Norden Deutschlands größeren Spielraum gewährt, um dem preußischen Bedürfnis nach Machtentwicklung entgegenzukommen. Ob die Form des Bundes erhalten wird oder nicht, sei nach Auffassung Pfordtens für Bayern nicht wesentlich. Sollte Preußen die Auflösung des Bundes herbeiführen, so wird Bayern ein selbständiges Südwest­ deutschland mit eigenem Parlament konstituieren. Pfordten hofft aber immer noch auf eine befriedigende Lösung des drohenden Konfliktes.

No 6.

München, 11. Januar 1865

Hochgeborner Graf! Eine längere vertrauliche Unterredung mit Freiherrn von der Pfordten setzt mich in die Lage, meine seitherige Berichterstattung durch einige wie mir 6 Der 1757 von Maria Theresia gestiftete Maria-Theresien-Orden war die höchste militärische Auszeichnung der Habsburgermonarchie. Vgl. Hirtenfeld, Der Militär-Maria-Theresien-Orden. 7 Maria Theresia Anna, Erzherzogin von Österreich (1845–1927) heiratete 1865 in der Wiener Hofburg Herzog Philipp von Württemberg (1838–1917); Wurzbach, Biographisches Lexikon, T. 7, S. 83. 1 Gustav Graf Blome (1829–1906), 1863–1866 österreichischer Gesandter in München; NDB, Bd. 2, S. 315.

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Blome an Mensdorff

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scheint nicht ganz werthlose Notizen über die politischen Ansichten und Combinationen des baierischen Ministerpräsidenten zu vervollständigen. Euere Excellenz wißen bereits daß, nach Baron Pfordten’s Meinung das Berliner Cabinet sich in der Herzogthümerfrage in dem Maße nachgiebig zeigen wird, in welchem es bei uns Entschiedenheit und Thatkraft wahrnimmt. Nicht von Herrn von Bismarck erwartet er die nöthige Gefügigkeit und Friedensliebe, wohl aber von Seiner Majestät dem Könige Wilhelm, Deßen bekannte patriotische Gesinnung einem Bündniße mit Frankreich widerstrebe, und Der daher, wenn nicht früher, mindestens in letzter Stunde, d. h. wenn es ernstlich zu optiren gelte, jegliche Nebenrücksicht der Erhaltung guter Beziehungen zu Oesterreich opfern werde. Auf den König von Preußen direct sei deshalb mit mehr Aussicht auf Erfolg zu wirken, als durch ministeriellen Notenwechsel, den Herr von Bismarck in das Unendliche hinauszuziehen bestrebt sein müße. Uebrigens könne man dem Berliner Cabinete ja goldene Brücken zum Rücktritte von der Annexionsidee bauen. Was immer zu Gunsten Preußens zwischen den beiden Großmächten und dem künftigen Herzoge von Holstein vereinbart werde, dem werde man in den Mittelstaaten unbedingt zustimmen, vorausgesetzt daß die Conceßionen nicht aus dem Rahmen der Bundesgesetze heraustreten. In diesem Punkte würden wir in Frankfurt keiner Opposition begegnen, es wäre denn, daß das kaiserliche Cabinet eine solche wünsche; dann allerdings sei Baiern auch bereit, für ein Minimum von Gewährungen einzutreten, obwohl es kein directes Intereße dabei habe und, sobald das Bundesrecht gesichert sei, den Dingen, die im Norden vor sich gehen, ziemlich gleichgültig zusehen könne. Militärconventionen anlangend, habe er sich in seinen letzten Gesprächen mit Herrn v. Bismarck überzeugt, daß das gegenwärtige preußische Ministerium denselben kein Gewicht beilege. Die diplomatische Vertretung der Herzogthümer im Auslande Preußen principiell zu überlaßen, sei unverträglich mit der Souveränetät, und nie dürfe der Herzog von Holstein sich des paßiven Gesandtschaftsrechtes begeben, – die Befugniß, einen Gesandten an einen Bundesfürsten zu senden, laße Baiern sich nicht nehmen, – aber Nichts hindere den Herzog, diplomatische Agenten Preußens, ohne auf sein Recht zu verzichten, mit der Vertretung seiner Intereßen zu betrauen. Auf meine Frage, ob in solchen und ähnlichen Conceßionen, welche Preußen möglicherweise, ohne eine positives Bundesgesetz zu verletzen, eingeräumt werden müßten, nicht der Keim des Bundesstaates und jedenfalls ein bedenkliches praecedens für die anderen kleinen Staaten liege, antwortete der Minister, wenn nur die Form gewahrt bleibe, könne man den Bund aufrecht erhalten, aber allerdings werde, nach seiner Ueberzeugung, an Oesterreich die Frage herantreten, ob es nicht Preußen im Norden größeren Spielraum gewähren wolle. Preußen bedürfe der Machtentwicklung, und wäre er,

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statt baierischer, preußischer Minister, so würde er sie wohl auch in der territorialen Ausdehnung suchen und schwerlich anders handeln als die maßgebenden Persönlichkeiten in Berlin. Aber das sei heute nicht der Punkt um den sich die Controverse drehe, sondern es komme hier darauf an, ob die Form des Bundes erhalten werde, oder nicht. An und für sich sei das für ­Baiern nicht wesentlich! D. h. Baiern könne den Bund mit Gleichmuth unter­ gehen lassen. Den Bund auf Kosten der Ehre und Selbständigkeit zu erhalten, weil Andere sonst in ihrer Existenz gefährdet sein könnten, – das dürfe man der königlichen Regierung nicht zumuthen. Das hieße, wenn man des Schwimmens kundig sei, sich selber nicht retten wollen, weil man sich in Gesellschaft von Freunden befinde, welche ohne Leitseil nicht schwimmen könnten. Baiern werde nie die Auflösung des Bundes provociren, aber thue es Preußen und laße Oesterreich das gewähren, wohlan, Baiern habe Nichts zu besorgen. Preußen nimmt sich nach und nach den ganzen Norden. Baiern constituirt ein selbständiges Südwestdeutschland mit den Staaten die sich wahrscheinlich mit ihm zu gleichem Zweck verbinden werden, und, was ihn, Baron Pfordten betreffe, so sei er entschlossen, in diesem extremen Falle sofort mit der Berufung eines südwestdeutschen Parlamentes zu beginnen. Das sei nun einmal im Geiste der Zeit, und ein solches gemeinsames Parlament sei weniger gefährlich, als manche constitutionelle Versammlung im Innern. Ich citire so wörtlich als möglich die Auseinandersetzungen des baierischen Ministers, in der Voraussetzung, daß es einiges Intereße bietet, seinem oft etwas kühnen Gedankenfluge zu folgen. Ich muß dabei jedoch ausdrücklich hervorheben, daß die Eventualität des Bundesbruches, welchen Baron Pfordten in der Annexion erblickt, nicht mehr als so wahrscheinlich hin­ gestellt wurde, wie dies noch vor Kurzem geschah. Vielmehr zeigt mir der Minister großes Vertrauen in die Intentionen des kaiserlichen Cabinets und hofft immer noch auf eine befriedigende Lösung des drohenden Conflictes. Seine Sprache ist ruhig und gemeßen. Er wünscht offenbar zu beweisen, daß er nicht leichtfertig unter dem Eindrucke vorübergehender Aufwallung politische Thesen verficht, sondern nach einem wohldurchdachten Plane handelt und, für alle Fälle gehörig vorbereitet, den kommenden Ereignißen ohne Furcht entgegensieht. Genehmigen Euere Excellenz den Ausdruck meiner ehrfurchtsvollen Gesinnungen Blome

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Bismarck an Werther

Nr. 140

140. Bismarck an Werther

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 185. Erlaß. Abschrift. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 66–69 (Konzept); Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 5, S. 633–637 (Konzept).

Das österreichische Drängen auf eine Lösung der Schleswig-Holstein-Frage steht mit den preußischen Wünschen nicht im Einklang. Preußen will sich nicht auf eine übereil­ te Entscheidung einlassen. Das Motiv dabei kann nur das eifersüchtige Bestreben sein, eine günstigere Lösung für Preußen zu verhindern. Dem Deutschen Bund steht kein Recht auf Einmischung in Schleswig-Holstein zu. Bismarck weist den Vorwurf zurück, Preußen halte sich nicht an die Bundesverträge. Er warnt den österreichischen Mini­ ster Mensdorff vor den antipreußischen Tendenzen in Deutschlands und Österreich. Die Eintracht zwischen Österreich und Preußen muß vor allen störenden Einflüssen bewahrt bleiben. Bismarck fordert Mensdorff auf, nicht weiter auf eine vorzeitige Lö­ sung der Schleswig-Holstein-Frage zu drängen, sondern weiterhin das Kondominium der beiden Großmächte in den Elbherzogtümern zur Wahrung der beiderseitigen Inter­ essen auszuüben, anstatt auf diesen Vorteil zugunsten eines Dritten zu verzichten.

No 33. Vertraulich.

Berlin, 26. Januar 1865

Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich annehme, daß das Kaiserliche Cabinet wünscht und hofft, wir würden schon jetzt die formulirten Bedingungen vorlegen, unter welchen wir in die Constituirung eines selbstständigen Staates Schleswig-Holstein willigen könnten. Ich bin dazu aber noch nicht in der Lage, obgleich wir uns ernstlich damit beschäftigen. Ich sehe aber auch keinen Grund, dies mehr zu beschleunigen, als es die Natur der Dinge und die Schwierigkeit der Verhältnisse mit sich bringen; und wenn das Wiener Cabinet seinen eigenen Wunsch als einen solchen Grund geltend macht, so darf ich nicht verhehlen, daß dies wiederholte und durch die politische Situation in keiner Weise motivirte Drängen mit unseren Wünschen nicht in Übereinstimmung steht. Ich habe in meiner Depesche vom heutigen Tage1 die Gründe ausgeführt, welche uns gegen eine übereilte Entscheidung zu sprechen scheinen; ich habe dort auch schon angedeutet, daß wir für Oesterreich in seinen eigenen positiven Interessen kein Motiv dazu entdecken können; und ich füge vertraulich hinzu, daß das einzige Motiv nur in der Eifersucht gegen Preußen und dem Bestreben liegen kann, eine für letzteres günstigere Entscheidung abzuschneiden. Ich weiß, daß Graf von Mensdorff so wenig wie der Kaiser selbst, sich von einer solchen Eifersucht leiten läßt; und ich kann daher in dem wiederholten Drängen nur das Vorwiegen von Einflüssen erkennen, welche dem Bündniß mit Preußen ungünstig sind. Wenn die Depesche vom 21sten Dezember2 von der Erregung des öffent­ lichen Gewissens in Deutschland und von der Möglichkeit von Anträgen 1 Bismarck an Werther, 26. Januar 1865, in: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 59–66. 2 Siehe Dok. 136.

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deutscher Regierungen spricht, welche Oesterreich nöthigen könnten, seine eigene Uebereinstimmung damit nicht zurückzuhalten auf die Gefahr hin, den früheren in einem Gesetz höherer Eintracht überwundenen Antagonismus der beiden Mächte wieder aufwachen zu sehen: so weiß ich wohl, daß diese Wendung dem Wunsche des Grafen von Mensdorff nicht entsprechen würde, aber ich kann in der Besorgniß davor nicht die Weisheit und Vorsicht des Staatsmanns erkennen, welcher eine solche Eventualität abzuwenden bemüht ist, sondern nur einen Nachklang jener Tradition, welche den Antagonismus als das Natürliche voraussetzt u. das Verhältniß Oesterreichs zu den Mittelstaaten in Deutschland demjenigen zu Preußen voranstellt. Das Kaiserl. Cabinet kann unmöglich annehmen, weder daß dem Bunde, d. h. hier den übrigen deutschen Regierungen außer Preußen u. Oesterreich irgend ein berechtiger Anspruch auf Einmischung in die durch den Krieg u. den Frieden in unser beider Hände gelegte Entscheidung zustehe, noch daß von dem Erheben eines solchen Anspruches eine erhebliche Gefahr zu besorgen sei, so lange es den beiden Mächten wirklich Ernst mit ihrem Zusammenhalten ist. Diese Gefahr abzuwenden, liegt daher ganz in Oesterreichs Hand; so wie es allerdings auch in seiner Hand liegt, dieselbe hervorzurufen, wenn es an die Stelle des bisherigen herzlichen Einverständnisses u. gemeinsamen Handelns, wie es sich gerade in dem jetzigen Provisorium in den Herzogthümern so glücklich bethätigen kann, eine Politik der Eifersucht u. des Mißtrauens treten läßt, die uns selbst und den Gesinnungen der beiden Souveräne so fern liegt. Ich kann nicht läugnen, daß mir dieselbe Tendenz auch in der zweiten nur vorgelesenen Depesche in unerwünschter Weise entgegengetreten ist, deren Resümé Ew. p. p. ebenfalls vorliegt. Ich übergehe den ganzen retrospektiven Theil derselben, welcher sich mit einer theoretischen Erörterung über bundesgesetzmäßiges Aufhören einer Execution beschäftigt u. dem gegenüber ich mich mit meiner kurzen Bemerkung in meinem heutigen Erlasse begnügen muß, um nicht eine unfruchtbare Discussion fortzuspinnen. In dem weiteren Verlauf aber jener Depesche begegnet der Kaiserl. Minister unserer vertrauensvollen u. aufrichtig gemeinten Erklärung: „daß beide Mächte einander mehr gewähren könnten u. sollten, als das, wozu der Inhalt der Bundesverträge sie verpflichtet“, mit der Beschuldigung, daß bis jetzt Preußen vielmehr in wichtigen Fällen hinter dem zurückgeblieben sei, was die Bundesverträge versprächen. Diese Beschuldigung ist so ernster Art, u. für uns zugleich so neu, daß wir uns erstaunt fragen müssen, worauf sich dieselbe beziehen solle? Wir können in der That auch selbst mit unseren Vermuthungen keinen Fall finden, wo wir nicht unsern Bundespflichten in Bezug auf Oesterreich vollkommen genügt hätten. Sollte dieser Passus, wie Ew. pp. es in dem Memo-

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randum3 angedeutet finden, sich etwa auf das bisher unbefriedigende Resultat der Zollverhandlungen beziehen? so muß ich bedauern, darin wiederum nicht die Stimme des Grf. Mensdorff zu hören, welcher sicherlich nicht verkennt, daß wir in diese Verhandlungen aus Rücksicht für das Wiener Cabinet im Widerspruch mit der öffentlichen Meinung bis an die äußerste Gränze gehen, welche die Fürsorge für unsere materiellen Interessen gestattet, u. daß ein Weiteres weder durch die Bundesverträge noch unserer Ansicht nach durch das eigene Interesse Oesterreichs geboten ist, sondern die Stimme derjenigen Richtung, welche gerade diese Verhandlungen, deren scheinbares Ziel, die Zoll-Einigung, für Oesterreich selbst eine Unmöglichkeit ist, nur als eine Handhabe betrachtet, um das Kaiserliche Cabinet von dem Bündniß mit Preußen abzuziehen. Möge der H. Graf Mensdorff die Gefahr, die für beide Mächte in einer Nachgiebigkeit gegen diese Richtung liegt, nicht verkennen! Möge seine ­eigene erleuchtete und staatsmännische Auffassung nicht den Einflüssen zu weichen haben, welche von dieser Seite sich geltend machen! Er verlangt, daß man sich in Berlin auch mit den Vortheilen ernsthaft beschäftige, die für den Kaiserstaat auf dem Wege der intimeren Beziehungen zwischen beiden Mächten erzielt werden sollen. Kann er an unserer aufrichtigen Bereitwilligkeit dazu zweifeln? Und sind denn bis jetzt etwa die Vortheile, welche durch die gemeinsame Action des vergangenen Jahres errungen sind, und welche doch in der That nicht nur einen verhältnißmäßig kleinen Länderbesitz begreifen, sondern die ganze Europäische Stellung der beiden Mächte berühren, etwa Preußen allein zugeflossen? Oder haben wir etwa einen Anspruch gemacht, diese Lage für die Zukunft allein für uns auszubeuten und dem Kaiserstaate für etwa uns zu gönnende weitere Vortheile ein gerechtes Aequivalent zu verweigern? Wir suchen und wünschen eine Verständigung darüber; wir halten aber allerdings den bisher von Oesterreich angedeuteten Weg nicht für den einzigen, auf welchem diese zu erreichen ist. Sie ist freilich weder auf diesem, noch auf irgend einem anderem Wege zu erreichen, wenn die oben von uns bezeichneten Tendenzen die Oberhand gewinnen sollten. Es ist bezeichnend für diese Tendenzen, daß bei ihnen der Antagonismus gegen Preußen und die Neigung zu den Mittelstaaten Hand in Hand mit den Gelüsten parlamentarischen Regiments im Innern gehen. Mit einer solchen Politik wäre für uns kein Bündniß auf die Dauer möglich. Die Richtungen, die wir im eigenen Lande bekämpfen, können uns in Oesterreich kein Vertrauen einflößen. Mit demselben Vertrauen, welches die Personen unserer Souveraine 3 Memorandum des preußischen Unterstaatssekretärs Thile über eine Unterredung mit dem österreichischen Geschäftsträger in Berlin, Graf Chotek, Berlin, 26. Dezember 1864; GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 185.

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zu einander beseelt, blicken wir auf den Grafen Mensdorff, und wir bezeugen mit Freuden die Wahrheit seiner Bemerkung, daß sein parlamentarisches und politisches Auftreten keinen Anlaß zu der Besorgniß vor den wechselnden Einflüssen aufregender Debatten gegeben habe. Aber er selbst wird nicht in Abrede stellen, daß solche Einflüsse innerhalb der oesterreichischen Politik sich geltend zu machen wissen und, so weit ihre Mittel in der Presse und in amtlicher Einwirkung reichen, einen Kampf gegen uns führen, der von Seiten des amtlichen Preußens bisher auf keinem Punkte auch nur dem leisesten Versuche der Repressalie begegnet. Wir freuen uns daher um so mehr der von Graf Mensdorff ausgesprochenen festen Zuversicht, daß beide Kronen die hochwichtigen Interessen, welche ihre Eintracht und ihr ausdauerndes Zusammenwirken fordern, vor diesen – und ich setze hinzu, auch vor allen anderen störenden Einwirkungen zu bewahren wissen werden. Einen Beweis dafür werden wir darin erkennen dürfen, wenn das Kaiserliche Kabinet, statt wie bisher auf eine beschleunigte Entscheidung zu drängen, sich vielmehr mit uns in der Bemühung vereinigt, in den Herzogthümern vorerst nur einen Zustand herzustellen und zu erhalten, welcher den Bedürfnissen derselben gemäß ist, und den Interessen Oesterreichs gewiß nicht widerspricht. Eure Excellenz werden dem Grafen Mensdorff gegenüber vertraulich darauf hinweisen dürfen, daß dieses Condominium, wenn es uns die Wahrung unserer Interessen möglich macht und sichert, doch auch zugleich Oesterreich eine Bürgschaft und ein Pfand gewährt, welches unter Umständen von dem größten Werth für den Kaiserstaat sein kann. Warum will es auf diesen Vor­ theil zu Gunsten eines Dritten verzichten? Es könnten Zeiten und Umstände kommen, wo es dem Wiener Kabinet von Nutzen sein kann, ein Negocia­ tions-Mittel nicht vorzeitig aus den Händen gegeben zu haben, welches sein Verhältniß zu uns auf der Basis materieller Vortheile zu befestigen geeignet wäre. Ein solches voreiliges Aufgeben, sei es aus dem Wunsch die zweifelhaften Sympathieen eines Theils von Deutschland damit zu erkämpfen, sei es aus der Eifersucht, Preußen die nächstliegenden unmittelbaren Vortheile nicht zu gönnen, liegt gewiß nicht in der Politik des Grafen Mensdorff, von dem wir nicht zweifeln, daß er weiter sieht als jene parlamentarischen Majoritäten und die von ihnen geleiteten oder sie benutzenden Staatsmänner. Der ganz confidentielle Charakter dieser Betrachtungen wird Ew. p. von selbst beweisen, daß der gegenwärtige Erlaß nicht zur Mittheilung bestimmt ist. Ich wünsche aber, daß Sie Sich mit diesen Erwägungen durchdringen und dieselben zum Gegenstand vertraulicher aber offener Besprechungen mit dem Herrn Grafen von Mensdorff machen. Um einen Anhalt dafür zu gewinnen, sind Sie auch zum confidentiellen Vorlesen dieses Erlasses, ohne denselben aus den Händen zu lassen, ermächtigt. (gez.) von Bismarck.

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Erklärung Sachsens

Nr. 141

141. Erklärung Sachsens in der Bundesversammlung

ProtDBV 1865, S. 32 f.

Die Voraussetzung, daß mit den Bundesbeschlüssen von 1854 eine gemeinsame Grundlage für die deutsche Gesetzgebung gewonnen sei, hat sich nicht als zutreffend erweisen. Angesichts der Ungleichheit in der Ausführung der Beschlüsse erklärt die sächsische Regierung, daß sie die Beschlüsse, sofern sie nicht „ungesäumt“ von der Bundesversammlung revidiert werden, in Sachsen außer Kraft setzen wird. Vorzugs­ weise müßten die Regelungen über das Konzessionssystem für Buchdrucker und -händler sowie das Verbot von Arbeitervereinen geändert werden, denn diese Bestim­ mungen sind weder angemessen noch notwendig.

Frankfurt am Main, 26. Januar 1865 § 30. Revision der in den Bundesbeschlüssen vom 6. und 13. Juli 1854 enthaltenen Vorschriften zur Verhinderung des Mißbrauches der Presse und in Betreff des Vereinswesens. (27. Sitz. §§ 228 u. 229 v. J. 1862.) Königreich Sachsen. Als im Jahre 1854 die Bundesbeschlüsse zur Verhinderung des Mißbrauches des Presse und in Betreff des Vereinswesens zu Stande kamen, glaubte die Königlich-Sächsische Regierung um deßwillen einen besonderen Werth darauf legen zu dürfen, weil sie annahm, daß damit eine gemeinsame Grundlage für die Uebereinstimmung der deutschen Gesetzgebung gewonnen worden sei. Allein diese Voraussetzung hat sich nicht als zutreffend erwiesen. Denn wenn auch mehrere Bundesregierungen, zu welchen auch die Königlich-Sächsische gehört, nicht unterlassen haben, die gedachten Bundesbeschlüsse bald nach ihrem Zustandekommen durch ihre Gesetzblätter zur Nachachtung in ihren Ländern zu publiciren, und soviel den Beschluß wegen der Presse vom 6. Juli 1854 betrifft, der Vorschrift im § 25 desselben nachzukommen, wonach der hohen Bundesversammlung von sämmtlichen Regierungen binnen möglichst kurzer Frist darüber hat Anzeige erstattet werden sollen, daß die in diesem Beschlusse enthaltenen Grundsätze in Wirksamkeit getreten und daß ihre Landesgesetzgebung mit dem fraglichen Beschlusse in Uebereinstimmung gebracht worden sei, – so ist doch von Seiten verschiedener anderer Bundesregierungen bis jetzt weder das Eine noch das Andere geschehen. Angesichts dieser Ungleichheit in der Ausführung der erwähnten Bundesbeschlüsse und in Betracht, daß mehrere Bestimmungen darin enthalten sind, welche, wenn sie nicht in allen deutschen Ländern gleichmäßig befolgt werden, denjenigen Regierungen, die sie bundesgemäß zur Anwendung bringen, eine mißliche Lage und mannigfaltige Verlegenheiten bereiten, sieht die

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­ öniglich-Sächsische Regierung sich in der Nothwendigkeit, zu erklären, daß K sie, wenn nicht von Seiten der hohen Bundesversammlung ungesäumt wenigstens eine Revision und theilweise Abänderung einzelner in den fraglichen Beschlüssen enthaltenen Vorschriften vorgenommen wird, in naher Zeit dazu vorschreiten müßte, die mehrberegten Bundesbeschlüsse vom 6. Juli und 13. Juli 1854 für den Bereich des Königreichs Sachsen wieder außer Wirksamkeit zu setzen. Diejenigen Bestimmungen aber, welche vorzugsweise einer Abänderung bedürfen, sind folgende: a) der § 2 des Beschlusses vom 6. Juli, insoweit darin vorgeschrieben ist, daß eine persönliche Concession zur Ausübung des Gewerbes eines Buchoder Steindruckers, Buch- oder Kunsthändlers ec. erforderlich sein soll, und b) der § 8 des Beschlusses vom 13. Juli 1854, wonach die etwa noch bestehenden Arbeitervereine und Verbrüderungen, welche politische, socialistische oder communistische Zwecke verfolgen, aufgehoben und die Neubildung solcher Verbindungen bei Strafe verboten werden soll. Denn soviel den erstgedachten Beschluß betrifft, so stellt sich das darin ausgesprochene Concessionssystem – abgesehen davon, daß es in mehreren derjenigen deutschen Staaten, wo die in Frage stehenden Bundesbeschlüsse nicht publicirt worden sind, gar nicht zur Anwendung kommt – weder als angemessen, noch als nothwendig dar. Das ganze Concessionswesen ist nämlich einestheils jetzt, wo die Gesetzgebung allenthalben entweder sich mehr und mehr der Gewerbefreiheit annähert oder dieselbe bereits eingeführt hat, mit den deßfallsigen Grundsätzen überhaupt nicht vereinbar, anderntheils kann der Zweck, welcher mit den betreffenden Concessionen erreicht werden soll, dadurch genügend erreicht werden, daß denjenigen, welche die Befugniß zum Betriebe eines Preßgewerbes mißbrauchen, unter gewissen Voraussetzungen die Entziehung dieser Befugniß in Aussicht gestellt wird. Es würde daher ­einerseits den gewerblichen Verkehr sehr erleichtern, andererseits aber in der Wirkung auf dasselbe hinauskommen, wenn das durch den Bundesbeschluß vom 6. Juli 1854 vorgeschriebene Concessionswesen gänzlich aufgehoben und statt dessen nur eine Bestimmung beibehalten würde, nach welcher gegen diejenigen, die sich des Mißbrauches eines Preßgewerbes schuldig gemacht haben, entweder durch richterliches Erkenntniß oder in Folge crimineller Bestrafung durch die zuständigen Verwaltungsbehörden die zeitweilige Suspension oder der gänzliche Verlust der Befugniß zum Betriebe eines Preßgewerbes verfügt werden könne. Die näheren Vorschriften hierüber würden der Bundesgesetzgebung zu überlassen sein. Anlangend hiernächst den oben unter b erwähnten, in Betreff des Vereins­ wesens gefaßten Bundesbeschluß vom 13. Juli 1854, so stellt sich das im § 8 desselben ausgesprochene Verbot derjenigen Arbeitervereine und Verbrüde-

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rungen, welche politische, socialistische oder communistische Zwecke verfolgen, in der einen Beziehung, nach Lage der Sache, nicht als haltbar, in der anderen Hinsicht nicht als erforderlich dar. Denn gerade bei der Handhabung dieser Vorschrift tritt für diejenigen Regierungen, welche dieselbe ausführen wollen, eine besondere Schwierigkeit ein. Nach der Partikulargesetzgebung wohl fast aller deutschen Staaten sind nämlich die politischen Vereine im ­Allgemeinen und insbesondere auch die Arbeitervereine, welche politische Zwecke verfolgen, nicht verboten, sondern unterliegen nur den Beschränkungen der betreffenden Vereinsgesetze, während der angezogene Bundesbeschluß das Bestehen politische Zwecke verfolgender Arbeitervereine gänzlich untersagt. Diejenigen Regierungen nun, welche den Bundesbeschluß publicirt haben und ausführen, sind demnach in die Nothwendigkeit versetzt, die in ihren Ländern vorkommenden derartigen Arbeitervereine zu verbieten und zu unterdrücken, während dieselben in anderen deutschen Staaten, wo der Bundesbeschluß nicht publicirt ist, ungestört fortbestehen können. Ein solcher Zustand macht einerseits das durch den fraglichen Beschluß ausgesprochene Verbot der betreffenden Arbeitervereine fast unwirksam und andererseits hat er die Folge, daß diejenigen Regierungen, welche den Bundesbeschluß ausführen, deßhalb angegriffen und wegen angeblich zu großer Strenge getadelt werden. Anders dürfte es sich mit denjenigen Arbeitervereinen verhalten, welche socialistische oder communistische Zwecke verfolgen. In Ansehung dieser Vereine kann wohl vorausgesetzt werden, daß dieselben, auch abgesehen von der fraglichen Vorschrift des Bundesbeschlusses, wegen ihrer destructiven, in das strafrechtliche Gebiet hinüber greifenden Bestrebungn, schon nach den Particulargesetzen, in keinem deutschen Staate geduldet werden. Hinsichtlich dieser Vereine scheint es daher jener Vorschrift des Bundesbeschlusses überhaupt nicht zu bedürfen. Unter diesen Umständen würde nun eventuell die gänzliche Aufhebung des § 8 des Bundesbeschlusses vom 13. Juli 1854 sich empfehlen. Diese Erklärung wurde auf Präsidialantrag an den politischen Ausschuß verwiesen.1 1 Mit der Verordnung vom 30. März 1865 hob König Johann von Sachsen die Bundesbeschlüsse von 1854 in Sachsen auf. Fortan galten in Sachsen ausschließlich die Vorschriften des sächsischen Pressegesetzes vom 14. März 1851 und des Vereinsgesetzes vom 22. November 1850 sowie die einschlägigen Bestimmungen des Gewerbegesetzes vom 15. Oktober 1861; HStA Dresden, Bestand 10718 Bevollmächtigter des Königreiches Sachsen bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt am Main, Nr. 213; die Verordnung wurde veröffentlicht im Dresdner Journal Nr. 79 vom 6. April 1865.

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Frankfurt am Main, 27. Januar 1865

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142. Reinhard an Varnbüler

HStA Stuttgart, E 50/01, Büschel 1321. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 30. Januar 1865.

Reinhard hat dem Bundespräsidialgesandten Kübeck mitgeteilt, daß Württemberg im Hinblick auf die Bundesbeschlüsse zum Presse- und Vereinswesen von 1854 nicht län­ ger den Don Quichotte einer Gesetzgebung machen wolle, die alle Wirksamkeit ver­ loren habe. Die sächsische Erklärung in der Bundesversammlung, die Beschlüsse außer Kraft zu setzen, wenn sie nicht revidiert würden, hat aber einen peinlichen Eindruck hinterlassen und der Autorität des Bundes einen starken Stoß versetzt. Es ist zu erwarten, daß andere Staaten dem sächsischen Beispiel folgen, was vom bundes­ rechtlichen Standpunkt sehr zu bedauern wäre. Reinhard persönlich hält die Bundes­ beschlüsse längst für nicht mehr zeitgemäß.

Frankfurt am Main, 27. Januar 1865 Euer Excellenz geehrtestes Schreiben vom 1ten l. Mts.1, in Betreff der Motive, welche die k. Verordnung herbeigeführt haben, durch die diejenigen Verordnungen außer Wirksamkeit gesetzt werden, welche diesseits zur Vollziehung der Bundesbeschlüsse vom 6ten und 13ten Juli 1854 bezüglich der Presse und des Vereinswesens erlassen wurden, habe ich seiner Zeit zu erhalten die Ehre gehabt, und wenn ich schon vor Empfang derselben das Verfahren der königlichen Regierung gelegentlich dem Bundespräsidialgesandten in demselben Sinne erläutert hatte, so habe ich insbesondere gestern aus Anlaß der in der gestrigen Bundestagssitzung von Königreich Sachsen abgegebenen Erklärung2 mich veranlaßt gefunden, dasselbe gegenüber anderen3 Collegen zu thun. In der That ist es sehr begreiflich, daß die königliche Regierung nach den gemachten Erfahrungen nicht länger, wie ich mich gegen Baron Kübeck ausdrückte, den Don Quixote einer Gesetzgebung machen wollte, welche dadurch, daß sie nicht allseitig vollzogen wurde, alle Wirksamkeit verlor und der practischen Bedeutung entkleidet wurde. Der Präsidial Gesandte gab mir damals zu, daß die in Rede stehenden Bundesbeschlüsse fortwährende Ausschreitungen der Presse und des Vereinswesens nicht gehindert hätten, behauptete aber, daß in Oestreich[,] wenn auch die Bundesbeschlüsse nicht wörtlich publicirt seyen, die Grundsätze in der Landesgesetzgebung enthalten seyen und streng gehandhabt würden und äußerte insbesondere sein Bedauern

1 Siehe Dok. 137. 2 Siehe Dok. 141. 3 Emendiert. Vorlage: anderer.

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Reinhard an Varnbüler

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darüber, daß dem Concessionsysystem4 entsagt werde, welches das wirksamste Mittel zur Zügelung der Presse darbiete. Freilich haben die Bundes Regierungen nur die Pflicht übernommen, die fraglichen Bestimmungen in Wirksamkeit zu setzen, während die Form, in welcher sie es thun wollen, ihrem Ermessen überlassen ist, diese Bestimmungen sind aber nicht allseits in Wirksamkeit gesetzt worden und die Treue gegen die Bundespflichten ist in neuester Zeit überhaupt so vielfach hintangesetzt und die Bundes Disciplin ist dadurch vollends so gelockert worden, daß es wohl erklärlich ist, wenn auch eine an sich bundestreue Regierung in einer Materie, welche fortwährend politischer Natur ist und der Beachtung der wechselnden Zeitumstände unterliegt, vorerst den ihr durch die Bundesgesetze dargebotenen, als unpractisch erwiesenen Mitteln zur Vorbeugung der Presse zu strafwürdigen Handlungen entsagt, zumal sie in der vorangegangenen Landesgesetzgebung hinreichende Befugnisse besitzt, um dem Zweck der Bundesbeschlüsse zu genügen. Nichts destoweniger hat die gestrige Erklärung der kgl. Sächsischen Regierung, von der ich eine Abschrift anzuschließen mich beeile, im Schooße der Bundes Versammlung einen peinlichen Eindruck gemacht und zwar auch insbesondere dadurch, daß die Regierung geradezu ankündigt, daß sie die Bundesbeschlüsse, wenn sie nicht ungesäumt revidirt würden, außer Wirksamkeit setzen werde, so daß Einzelne das diesseitge Verfahren gleichsam für angemessener hielten. Diejenigen Gesandten, deren Regierungen, um der Bundespflicht zu genügen, die Bundesbeschlüsse mit Mühe in die Landesgesetzgebung eingeführt hatten, sehen nun dem Andrange zu gleichem Verfahren ihrer Regierungen entgegen, andere sind der controversen Ansicht, daß es besser sey, solche Gesetze nicht in aller Strenge zu vollziehen, als sie ganz zu beseitigen und alle fühlten wohl, daß der legitimen Autorität des Bundes, an der alle Regierungen ein gleiches Interesse haben müßten, ein starker Stoß versetzt wird. Endlich glaube ich nicht verschweigen zu dürfen, daß der Präsidialgesandte, als heute im Ausschuß für die Veröffentlichung der Bundestags Verhandlungen die Erklärung Sachsens beiläufig besprochen wurde, gegen mich vertraulich geäußert hat, daß das Verfahren (ob das der k. Sächsischen Regie4 Das „Konzessionssystem ist das im 19. Jh. bestehende System, welches für die Entstehung ­einer juristischen Person eine Konzession (Verleihung, Genehmigung) des Staates erfordert“ (Köbler, Lexikon der Europäischen Rechtsgeschichte, S. 304 f.). Im deutschen Pressewesen wurde das Konzessionssystem benutzt, um auch bei formal zugesicherter Pressefreiheit die Unterdrückung unliebsamer Veröffentlichungen zu ermöglichen. Die Regierungen konnten durch einfache administrative Anordnung einem Presseorgan die Konzession entziehen oder mit dem Entzug drohen und somit durch eine formal gewerberechtliche Maßnahme die Meinungsfreiheit aushebeln. So wurde in Österreich zwischen 1849 und 1862 die Konzessionierung politischer Blätter sehr restriktiv gehandhabt, und in Preußen wurde allein im Jahr 1850 34 Presseunternehmen die Konzession verweigert oder entzogen. Vgl. Kohnen, Pressepolitik, S. 92–96.

Nr. 143

Wien, 4. Februar 1865

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rung oder auch das diesseitige trat nicht zu Tage) eben nicht correct sey und daß er nicht wisse, ob seine Regierung ihn nicht noch beauftrage, diese Seite der Angelegenheit in dem politischen Ausschusse zur Sprache zu bringen. Diese Umstände werden wohl meine Erklärung bei der vertraulichen Umfrage wegen Verweisung der Sächsischen Ankündigung an einen Ausschuß in der gestrigen Sitzung als im Sinne der königlichen Regierung abgegeben genugsam rechtfertigen. Übrigens ist zu erwarten, daß auch andere Regierungen, namentlich die Großherzoglich Badische, welche schon vor ein paar Jahren die Aufhebung der in Rede stehenden Bundesbeschlüsse beantragte5, dem gegebenen Beispiele, wenn auch nicht in derselben Form, folgen und sey es zur Revison der Beschlüsse oder zu einem Zustande führen werden, der vom bundesrechtlichen Standpunkte aus als eine Folge des Benehmens der beiden deutschen Großmächte in der Schleswig-Holsteinschen Angelegenheit sehr zu bedauern wäre. Indem ich die desfallsigen Betrachtungen höherer Erwägung pflichtschuldigst anheimstelle, fühle ich mich indeß zu der Versicherung gedrungen, daß ich die Bestimmungen der mehrgedachten Bundesbeschlüsse längst als nicht zeitgemäß erkannt habe, wie ich denn persönlich über Behandlung der Presse und des Vereinswesens im Allgemeinen eine andere Ansicht habe als diejenige, welche im Jahre 1854 hier maßgebend war. Genehmigen Euer Excellenz die erneute Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Reinhard.   Wien, 4. Februar 1865 

143. Mensdorff an Károlyi

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 35: Weisungen 1865. Weisung. Abschrift. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 4, S. 544–547.

In der schleswig-holsteinischen Frage kann Österreich dem von Preußen vorgeschla­ genen „Verschleppungsverfahren“ unmöglich zustimmen. Bismarck scheint es in der Hoffnung auf eine Machtvergrößerung Preußens durch die Annexion Schleswig-Hol­ steins auf eine kriegerische Zukunft anzulegen. Österreich strebt einen möglichst ge­ sicherten Frieden an. Jede Lösung des schleswig-holsteinischen Problems, die sich nicht auf das von Europa anerkannte Recht des Deutschen Bundes stützt, würde den Frieden gefährden. Weder in Deutschland noch in Europa würde eine andere als die „bundesgemäße Lösung“ hingenommen werden. Zudem wird Bayern in Kürze einen Antrag zu Schleswig-Holstein in der Bundesversammlung einbringen, und die Weige­ rung Preußens, einem Majoritätsbeschluß zu folgen, würde eine sehr unangenehme 5 Anträge Badens in der Bundesversammlung am 10. Juli 1862, siehe QGDB III/3, Dok. 133, S. 706–710.

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Mensdorff an Károlyi

Nr. 143

Lage schaffen. Wenn Preußen es darauf ankommen läßt, wird Österreich zwar eine Auflösung des Bundes zu verhindern suchen, aber es würde zu einer Isolierung Preu­ ßens in Deutschland kommen, und Österreichs Mitverantwortlichkeit für die Situation in den Herzogtümern würde enden. Österreich möchte aber, unabhängig von den Ent­ wicklungen in der Schleswig-Holstein-Frage, mit Preußen befreundet und verbündet bleiben.

Wien, 4. Februar 1865 Den A. H. Befehlen S. M. des Kaisers gemäß lasse ich Ew. noch ohne ostensible Antwort auf H. v. Bismarcks Depesche vom 26. Jänner1 auf Ihren P ­ osten zurückkehren. Hochdieselben sind Zeuge des Eindrucks gewesen, welchen die erwähnte Depesche hier hervorgerufen hat, und das kais. Kabinet will versuchen, ob, wenn Sie diesen Eindruck vorerst mündlich und vertraulich in Berlin wiedergeben, der kön. preußische Hof, welcher hoffentlich sein letztes Wort noch nicht gesprochen hat, sich nicht vielleicht doch noch zu günstigeren Erklärungen entschließen werde. In eine Widerlegung der Argumentationen der preußischen Depesche will ich an dieser Stelle nicht eingehen. Die zahlreichen Schwächen derselben wird H. v. Bismarck selbst, die Hand auf’s Herz, Ihnen nicht abläugnen ­können. Er wird zugeben müßen, daß es sich im Grunde eben nur einfach um unsere Zustimmung zu dem von ihm leider angenommenen Verschleppungsverfahren handelt. Ich kann mich deshalb darauf beschränken, Ihnen, wie ich es bereits mündlich gethan, auch schriftlich nochmals die Hauptgründe zu vergegenwärtigen, aus welchen Österreich sich bei diesem System unmöglich beruhigen kann. Wenn die kön. preußische Regierung es ihrem Vortheil entsprechend findet, die Frage der Zukunft der Herzoghtümer offen zu halten, so denkt sie entweder an muthmaßliche europäische Verwickelungen, oder sie rechnet darauf, die Stimmung der Bevölkerung der Herzogthümer mürbe und für die Annexion allmählig reif machen zu können. Beides steht im Widerstreite mit unseren Interessen und mit der Richtung unserer Politik. Ein preußischer Minister mag vielleicht die Umstände dazu angethan finden, um es in der Hoffnung einer Machtvergrößerung Preußens auf eine kriegerische Zukunft anzulegen. Ich urtheile darüber nicht, denn großes Spiel zu spielen, ist Jedermanns eigene Sache. Ich muß aber erklären, daß S. M. der Kaiser und A. H. dessen Regierung den Frieden, und zwar einen möglichst gesicherten Frieden anstreben. Und da der materielle Friede nur durch den 1 Bismarck an Werther, 26. Januar 1865; Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 59–66; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 5, S. 626–633.

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Wien, 4. Februar 1865

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moralischen verbürgt ist, so muß die kais. Regierung auch auf Alles, was zur Befestigung des moralischen Friedens beiträgt, den entschiedensten Werth legen. In der schleswig-holsteinischen Angelegenheit würde jede Lösung, die sich nicht auf das von Europa anerkannte Recht des deutschen Bundes stützte, den materiellen Frieden gefährden und den moralischen von vornherein unmöglich machen. Es ist leicht, mit H. v. Bismarck den jetzigen Zustand der Herzogthümer als einen normalen zu bezeichnen, aber es ist deshalb nicht minder wahr, daß nicht nur in Deutschland, sondern, wohl gemerkt, auch in Europa keine andere, als die bundesgemäße Lösung des schleswig-holsteinischen Problemes ruhig würde hingenommen werden. Von dem Momente an, wo nicht mehr das Recht und das Interesse des gesammten deutschen Bundes, sondern die na[c]kte Selbstsucht Einer oder zweier Mächte vor aller ­Augen als das Motiv der Auflösung der dänischen Monarchie erschiene, würde die Einmischung des Auslandes von neuem herausgefordert sein, und der Wiener Friedensvertrag statt einer kurzen kriegerischen Episode ein glück­ liches und ehrenvolles Ziel zu setzen, könnte dann leicht den Anfang einer Reihe der größten und gefährlichsten Peripatien bilden. Unsere Pflicht ist es, auf die Sicherstellung des Friedens hinzuwirken, – mit dem Gedanken, daß im Hinblick auf mögliche europäische Verwickelungen die Herzogthümerfrage offen gehalten werden solle, können wir deshalb nicht einverstanden sein. Ebensowenig können wir die Augen zudrücken, wenn wir wahrnehmen, daß es auf ein allmähliges Unterminiren des Selbstständigkeitsgefühls der Herzogthümer, auf eine Umstimmung der schleswig-holsteinischen Bevölkerung zu Gunsten der Annexion an Preußen abgesehen ist. Eine Connivenz in dieser Beziehung ist für uns noch weniger möglich, als eine offene und direkte Überlassung der Herzogthümer an Preußen, denn während die Gefahr für die Erhaltung des Friedens in beiden Fällen die gleiche wäre, müßten wir uns zugleich in eine aller Würde entbehrende Stellung schicken, wenn wir die Annexion, nachdem wir uns gegen dieselbe erklärt haben, unter den Augen unserer Organe und unserer Truppen dennoch gleichgültig vorbereiten lassen wollten. Auch würde Preußen in diesem Falle nicht im Stande sein, den Rückfall des nördlichen Schleswigs an Dänemark zu hindern, und im letzten Resultate würde dann die ehemalige dänische Monarchie zwischen Dänemark und Preußen nach dem Nationalitätsprinzip getheilt werden! Das kais. Kabinet fühlt sich gewiß nicht abhängig von der Tagesmeinung, und weiß an ihr Kritik zu üben. Aber wenn bei uns die allgemeine Stimme den raschen Abschluß der schleswig-holsteinischen Frage im gesammt-deutschen Interesse fordert, so ist sie im Rechte, und es ist für uns eine vollkommene Unmöglichkeit, mit gekreuzten Armen zu warten, bis Preußen vielleicht in drei Wochen die sogenannten Specialvortheile, die es sich auszubedingen

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Mensdorff an Károlyi

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wünscht, formuliren und in ebensovielen Monaten uns die Ansicht der Kronsyndici über die streitige Erbfolgefrage mittheilen wird. Überdies steht es nicht einmal in unserer Macht, die Wiederanregung der Frage in Frankfurt länger hintanzuhalten. Wie die Dinge liegen, wird Baiern höchstens noch bis zur Mitte dieses Monats sich abhalten lassen, in die Bundesversammlung einen seinem Standpunkte entsprechenden Antrag einzubringen. Das preußische Kabinet sagt uns zwar, daß es sich hierdurch nicht beirren lassen und einem etwaigen Majoritätsbeschlusse keine Folge geben werde. Aber niemand hat Ursache, sich auf die Lage zu freuen, die hierdurch entstehen würde. Wüßten wir noch ein Mittel direkter Pression auf Preußen, wir würden es weit lieber anwenden, als von neuem einer solchen Situation entgegengehen. Preußen hat allerdings den Vortheil seiner militärischen Stellung in den Herzogthümern, aus welcher es durch Frankfurter Resolutionen nicht verdrängt werden kann, auch würde unsere Sprache am Bunde in der Rechts- und Competenzfrage keineswegs identisch mit derjenigen der Mittelstaaten sein. Allein die Überzeugungen und Intentionen, die wir von dem Augenblicke an, als wir uns für die Trennung der Herzogthümer von Dänemark entschieden, in den Unterhandlungen mit Preußen consequent festgehalten haben, würden wir natürlich auch in Frankfurt offen darlegen, wir würden die mit dem Berliner Kabinet geführte Correspondenz mittheilen und dadurch den Beweis herstellen, daß wir das Vertrauen nicht getäuscht haben, welches wir in Anspruch nehmen mußten, um ungestört mit Preußen verhandeln zu können. Wir würden durch unsere Mäßigung und streng im Bundesrecht begründete Haltung einem offenen Conflikte und der Auflösung des Bundes vielleicht vorbeugen, was wir aber nicht verhindern könnten, wäre eine stark ausgesprochene Isolirung Preußens in Deutschland, und jedenfalls würde die Periode unserer Mitverantwortlichkeit für den Zustand der Dinge in den Herzogthümern an ihr Ende gelangt sein. Uns will scheinen, daß Preußen es auf einen solchen Wechsel der Scene nicht ankommen lassen sollte, zumal da die direkte oder maskirte Annexion der Herzogthümer an Preußen und die Emancipation Preußens von den Bundesverträgen Dinge sind, gegen welche doch schon an und für sich auf dem Standpunkte des preußischen Königthums und der conservativen Partei Preußens gewichtige prinzipielle und praktische Bedenken obwalten müßen. Könnten Ew. uns nach Ihrer ersten Unterredung mit H. v. Bismarck telegraphisch melden, daß Preußen sich entschlossen habe, die schwebende Frage im Sinne unserer Vorschläge und Erklärungen abzuschließen, so würde ich von einer officiellen Beantwortung der letzten preußischen Depesche absehen. Wäre dies dagegen nicht der Fall, so dürften wir nicht säumen, sie zu widerlegen, doch würde dies im freundschaftlichsten Tone geschehen, und es wäre dann überhaupt an der Zeit, an die von H. v. Bismarck wiederholt gege-

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benen Versicherungen anzuknüpfen, daß selbst wenn eine Verständigung über die specielle schleswig-holsteinische Frage nicht zu erreichen wäre, Preußen demungeachtet an der Allianz mit Österreich festhalten würde. Unserer eigenen Gesinnung entspricht es vollkommen, daß die beiden Mächte, unabhängig von den Wendungen dieser relativ doch nur untergeordneten Frage, befreundet und verbündet bleiben, und wir würden dies dadurch beweisen, daß wir auch dann, wenn die Discussion dieser letzteren wieder zwischen drei Faktoren, Österreich, Preußen und dem Bunde stattfinden müßte, unserer Haltung den freundlichsten und für Preußens Interessen und Wünsche rücksichtsvollsten Charakter bewahren würden. Indem ich wiederhole, daß diese Bemerkungen noch nicht die Fortsetzung unseres Schriftwechsels mit dem kön. preußischen Kabinete enthalten sollen, sondern nur für Sie persönlich bestimmt sind, sehe ich mit Interesse Ihrem Berichte darüber entgegen, ob man in Berlin die Dinge wirklich den Gang nehmen lassen wolle, auf welchen ich im Voraus hinzudeuten mich für verpflichtet gehalten habe. Empfangen, etc.   Rede des Abgeordneten Oesterlen 

144. Rede des Abgeordneten Ludwig August Oesterlen in der Haushaltsdebatte der württembergischen Kammer der ­Abgeordneten

Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten in den Jahren 1862 bis 65, 3. Protokoll-Band. Stuttgart 1862–65, S. 2405 f.

Oesterlen beklagt die politische Lage des Vaterlandes und wünscht, daß die Regie­ rungen der Mittel- und Kleinstaaten sich über eine gemeinsame Politik verständigen und diese auch gemeinsam (durch gemeinsame Gesandte) bei den großen Mächten vertreten. Die deutschen Kleinstaaten sind darauf angewiesen, sich zur Verfolgung wahrhaft deutscher Interessen gegenüber den Großmächten Österreich und Preußen zu vereinigen.

106. Sitzung.

Stuttgart, 18. Februar 1865

Oesterlen: Die Commission1 stellt einstimmig den Antrag: „die exigirte Summe für Gesandtschaftsbesoldungen zu verwilligen,“ und es wird dieser 1 Oesterlen bezieht sich auf den Bericht der Finanzkommission der württembergischen Kammer der Abgeordneten über den Hauptfinanzetat von 1864–1867, in dem für die Besoldung der württembergischen Gesandtschaften pro Haushaltsjahr die Summe von 70 100 Gulden beantragt worden war; Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten in den Jahren 1862 bis 65, 3. Protokoll-Band. Stuttgart 1862–65, S. 2405.

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Rede des Abgeordneten Oesterlen

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Antrag die Majorität des Hauses ohne Zweifel für sich haben. Ich beschränke mich in dieser Voraussicht darauf, meine Abstimmung, wenn sie gegen den Antrag ausfallen sollte, zu motiviren. Es ist beinahe herkömmlich, daß aus Anlaß dieses Etatspostens dem Jammer über die Misère der politischen Verhältnisse des engern und weitern Vaterlandes ein Ausdruck gegeben wird, und die heutige Lage der Dinge ist keineswegs derart, daß wir uns veranlaßt finden könnten, von diesem Herkommen eine Ausnahme zu machen. Im Gegentheil, wenn etwas bestimmt, nur mit Widerwillen auf die Genehmigung des angesonnenen Postens einzugehen oder ihn ganz abzulehnen, so wäre es ein Blick auf die politische Lage unseres Vaterlandes und die Erfolge, welche die deutschen und württembergischen Diplomaten uns aufzuweisen haben. Es wird allerdings nicht davon die Rede sein können, die angesonnene Exigenz zu verweigern, weil wir eine deutsche Central­ gewalt, ein deutsches Parlament, insbesondere eine gemeinsame Vertretung der Einzelstaaten durch eine Gesammtvertretung auch dem Auslande gegenüber wünschen, oder weil vielleicht der Wunsch – ich glaube jedenfalls nur in sehr beschränkten Kreisen – besteht, die diplomatische Vertretung Württembergs der Krone Preußens zu überlassen. Aber dem Wunsche möchte ich wenigstens Ausdruck geben, daß sich unsere Regierung mit den ­Regierungen der übrigen Mittel- und Kleinstaaten, soweit thunlich, zunächst der Nachbarstaaten, zu verständigen suchen möchte über die Verfolgung ­einer gemeinsamen Politik und dann auch über eine gemeinsame Vertretung dieser gemeinsamen Politik in Petersburg wie in Paris, in Wien wie in Berlin. Nicht allein, daß dadurch eine erhebliche Ersparniß an Kosten wenigstens für die Zukunft eingeleitet, sondern auch, daß nach meinem Dafürhalten durch eine solch’ gemeinsame Vertretung den Interessen des übrigen Deutschlands und der einzelnen Staaten selbst ein größerer Dienst geleistet würde, als wenn jeder kleine Einzelstaat glaubt, er müsse seine besondere Vertretung haben, es gebe specifisch württembergische Interessen, welche zur Geltung zu bringen seien. In keiner Zeit mehr als gegenwärtig sind die deutschen Kleinstaaten angewiesen, zur Verfolgung wahrhaft deutscher Interessen sich zu vereinigen gegenüber den beiden Großmächten Oesterreich und Preußen; ich halte es nicht bloß für einen frommen Wunsch, wenn ich sage, es möchte dahin gestrebt werden, daß sich die Staaten des übrigen Deutschlands über Verfolgung einer gemeinsamen Politik verständigen, sondern es wird auch, wenn sie sich verständigt haben, nicht in den Bereich der Unmöglichkeit gehören, für eine gemeinsame Politik ein gemeinsames Organ herzustellen. Man wird mir entgegenhalten, zur Zeit bestehe jeder Einzelstaat souverän für sich, und er habe sein besonderes Landesinteresse den anderen Staaten gegenüber zu verfolgen, es sei aus diesem Grunde nöthig, daß Gesandtschaften z. B. auch in München, Wien und Berlin beste-

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hen. Nun, meine Herren, in Fragen der hohen Politik werden wir, wenn Sie auch noch so viele und gut bezahlte Gesandte aufstellen, eine bescheidene Rolle spielen. Die Rolle bestimmt sich nach der Macht des Landes, welches hinter dem Gesandten steht, nicht nach der Größe ihrer Besoldungen, nicht nach dem Glanz ihrer äußern Stellung. Für die materiellen Interessen des württembergischen Landes, namentlich des Handels und Verkehrs, wird durch besondere Fachmänner soviel oder mehr geleistet werden können als durch stehende Gesandtschaften, und sind diese Gegenstände von besonderer Wichtigkeit, so wird sich am Ende der betreffende Minister selbst auf den Weg machen, um die Sache durch persönliche Unterhandlung zu einem befriedigenden Resultat zu führen. Wir haben erst kürzlich allgemein mit großer Befriedigung vernommen, in welcher Rolle der jetzige Herr Minister des Aeußern in Carlsruhe persönlich thätig gewesen ist in Eisenbahnange­ legenheiten, und er wird nicht in Abrede ziehen, daß seine persönliche Ein­ mischung dieselben wesentlich gefördert hat.

  München, 2. März 1865 

145. Heinrich VII. Reuß1 an Bismarck

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/59, fol. 135–138. Bericht. Behändigte Ausfertigung. „Ganz vertraulich durch H. Geh. Secretair v. Normann.“ Praes.: 4. März 1865. Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 5, S. 705–707.

Pfordten hat sich beklagt, daß Preußen seit fünfzehn Jahren bei allen Reformplänen das bayerische Selbstgefühl verletzt. Es sei ein politischer Grundsatz, daß das preußi­ sche Machtgebiet sich nicht südlicher als Mainz erstrecken könne. Der historische Beruf Preußens ginge nur bis zu dieser Grenze, aber nicht darüber hinaus. Pfordten stellt sich die Zukunft Deutschlands folgendermaßen vor: Preußen als norddeutsche Macht, Österreich in seiner jetzigen Gestalt und die Gruppe des südwestlichen Deutschlands als vermittelndes Glied. Eine Zertrümmerung Österreichs als deutsche Macht könne man auch in Preußen nicht wünschen. Bei einer vollständigen Ver­ drängung Österreichs aus Deutschland würde letzteres eingekeilt werden zwischen zwei slawischen und zwei romanischen Reichen, die danach trachten würden, sich auszudehnen. Bei der südwestlichen deutschen Gruppe denkt Pfordten weder an die Triasidee noch an eine Bundesreform, sondern diese Gruppe solle selbständig neben den beiden Großmächten stehen. Pfordten ist weit davon entfernt, sich noch mit Bundes­reformprojekten abzugeben.

1 Heinrich VII. Prinz Reuß zu Köstritz (1825–1906) trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1854 in den diplomatischen Dienst Preußens ein. 1863–1864 war Reuß Gesandter in Kassel, von 1864–1866 in München; Grypa, Der Diplomatische Dienst, S. 413; NDB, Bd. 8, S.  387 f.; Stone/Baumgart (Hrsg.), Heinrich VII. Prinz Reuß, S. 24–29.

738 No 28.

Heinrich VII. Reuß an Bismarck

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München, 2. März 1865

Bei Gelegenheit des Gespräches, welches ich gestern mit dem Freiherrn v. d. Pfordten über die Preußischen Bedingungen hatte (vertraulicher Bericht No 27 vom 1. d. M.) kam derselbe auf die allgemeine Richtung seiner Politik zu sprechen. Er ging davon aus, daß ihm immer fälschlich ein systematischer Haß gegen Preußen vorgeworfen würde. Dies sei durchaus unmotivirt. Wenn er sich häufig in der Lage befunden hätte, als Preußens Gegner aufzutreten, so habe diese Stellung in dem einfachen Gesetze der Nothwehr seinen Grund gehabt. Seit 15 Jahren habe Preußen bei allen in diesem Zeitraume aufgetauchten und theilweis versuchten Reform-Plänen niemals unterlassen, das Bayrische Selbstgefühl zu verletzen, und stets vergessen, daß der Bayrische Staat eine andere Berücksichtigung und eine andere Behandlung verdiene, als z. B die Norddeutschen Mittelstaaten. Es sei ein strategisch wie politisch feststehender Grundsatz, daß das Preußische Machtgebiet sich nicht südlicher als Mainz erstrecken könnte. Es sei daher vollkommen gerechtfertigt, daß Preußen bestrebt sei, seinen Einfluß, bis zur Ausübung der Oberhoheit, über jene deutschen Gebiete auszudehnen. Der historische Beruf Preußens, den er durchaus nicht verkenne, ginge bis zu jener Grenze[,] aber nicht weiter, und es sei eben zu beklagen, daß die Grenze dieses Berufes in Preußen durch alle Klassen der Gesellschaft verkannt würde. Jeder Staatsmann, jeder Deputirte, jeder Politiker überhaupt spräche mit der größten Unbefangenheit von einer dereinst bevorstehenden Eroberung Bayerns; dies müsse in diesem Lande nothwendig verletzen, weil man sich seiner Lebensfähigkeit in hohem Grade bewußt sei, und daher käme es, daß Bayern, welches gar keinen Grund habe, nicht in den besten Beziehungen zu Preußen zu leben, und kein Interesse darin sähe, sich den berechtigten Preußischen Ambitionen zu widersetzen, wider seinen Willen in eine fortgesetzte defensive Position hineingezwungen würde. Er, der Minister, dächte sich die Zukunft Deutschlands folgendermaßen: Preußen als starke Norddeutsche Macht bis Mainz, Österreich in seiner jetzigen Gestalt und daneben die Gruppe des südwestlichen Deutschlands, welche den Beruf habe, als selbstständiger, lebensfähiger Körper das vermittelnde Glied zwischen den beiden Großmächten zu bilden und die Einigkeit derselben, auf welcher die Macht Deutschlands nach Außen beruhe, zu befördern. Wolle Preußen sein Machtgebiet auch auf diese Gruppe ausdehnen, so nutze dies nichts, wenn es nicht auch Österreich zertrümmere, um durch Böhmen und das deutsche Österreich die fehlerhafte Zeichnung seiner auf diese Weise hergestellten Grenzen zu corrigiren. Eine Zertrümmerung Österreichs als deutsche Macht könne man aber auch in Preußen nicht wün-

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schen. Österreich sei ein vorwiegend slavisches Reich, welches nur durch seinen Geist und seinen heutigen Charakter als deutsche Macht, deutsch sei; wolle man ihm diesen Charakter durch vollständiges Hinausdrängen aus Deutschland rauben, so würde man ein dem Geiste nach slavisches Reich gründen. Und dann befände sich Deutschland eingekeilt zwischen zwei mächtigen slavischen und zwei romanischen Reichen. Die Tendenz der einen wie der anderen Race gehe darauf hinaus, sich auszudehnen, und einem solchen Drucke zu widerstehen, würde dann das specifische Deutschland nicht mehr gewachsen sein. Sein (v. d. Pfordten’s) Gedanke über die Zukunft Deutschlands gehe daher nicht von particularistischen, bayerischen Gesichtspunkten aus, sondern habe tiefere Motive, nämlich die Wahrung der Selbstständigkeit Deutschlands. Wenn er mir von einer südwestlichen deutschen Gruppe spreche, fuhr der Minister fort, so dächte er dabei nicht an die Trias-Idee, noch an eine auf dieser Idee begründete Bundesreform. Diese Gruppe solle selbstständig sein neben den beiden deutschen Großmächten, und von einem deutschen Parlamente sei dabei nicht mehr die Rede. Er höre jetzt vielfältig von einem Reformprojecte reden, über welches er mit Herrn v. Beust übereingekommen sei; er wisse nicht, ob der Sächsische Minister ein solches Project fertig ausgearbeitet in seinem Pulte liegen habe; er seinerseits sei weit davon entfernt, sich noch mit solchen Plänen abzugeben. Beständen aber in Berlin Reform- oder, besser gesagt, Umgestaltungs-Pläne der jetzigen Constituirung des Bundes, so möchte man Bayern dabei aus dem Spiel lassen; dann würde man in Letzterem stets einen Bundesgenossen anstatt, wie das jetzt leider immer der Fall gewesen sei, einen Widersacher finden. Eurer Excellenz habe ich diese Äußerungen des Freiherrn v. d. Pfordten, die mir derselbe in sehr ungebundener und daher ganz vertraulicher Weise gemacht hat, nicht vorenthalten wollen, bitte aber ganz gehorsamst, dieselben hochgeneigtest zu secretiren. Heinrich Reuss   Frankfurt am Main, 27. März 1865    Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen 

146. Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen in der Bundesversammlung

ProtDBV 1865, S. 79–86. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 45–53; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 5, S. 778 f. (Votum und Erklärung Preußens).

Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen beantragen die Übergabe der Verwal­ tung des Herzogtums Holstein an den Erbprinzen von Augustenburg.

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Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen

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§ 66. Herzogthümer Holstein und Lauenburg. Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen. Seit mehr als einem Jahre ist Deutschland durch eine Frage von nationaler Bedeutung auf das tiefste erregt. Eine Begeisterung und eine Einmüthigkeit der Gesinnung, wie sie seit den Befreiungskriegen nicht wieder hervorgetreten waren, hatte sich aller Classen der Bevölkerung bemächtigt. Getragen von dieser Stimmung haben sich die Bestrebungen aller deutschen Regierungen einem und demselben Ziele zugewendet, der Befreiung deutscher Länder. Die glänzenden Erfolge der Oesterreichisch-Preussischen Waffen und die beharrliche Abwehr fremder Einmischung haben dazu geführt, daß die Trennung der Elbherzog­ thümer von Dänemark nunmehr auch völkerrechtlich feststeht. Und dennoch ist für Deutschland die Frucht, die jeder Sieg einer Nation zu bringen pflegt, noch nicht gewonnen. Die innere Befriedigung und das gehobene Machtgefühl, welche zumal aus einem Siege des Rechtes hervorgehen sollen, sind nicht vorhanden, und das Gegentheil droht einzutreten, wenn durch die Benutzung des Sieges die innere Eintracht nicht gekräftigt, sondern erschüttert wird. Daß Deutschland heute dieser Gefahr gegenübersteht, ist eben so gewiß, als daß es derselben sehr leicht entzogen und in den Vollgenuß aller Vorteile des errungenen Sieges gesetzt werden kann. Gleichwie aber der Wille hierzu auf allen Seiten unzweifelhaft besteht, eben so sicher ist es, daß längeres Zögern dessen Vollziehung und Vollbringen nur erschweren, ja vielleicht unmöglich machen wird. Die deutschen Mächte, welche in den Besitz der Herzogthümer getreten sind, beabsichtigen, dieselben dem rechtmäßigen Regierungsnachfolger auszuantworten, und die Bundesversammlung hat durch ihr bisheriges Verfahren und alle ihre Beschlüsse kundgegeben, daß sie die baldmöglichste Lösung der schwebenden Fragen in gleichem Sinne erstrebe. Die Erfüllung dieser Absichten wird dadurch verzögert, daß verschiedene Ansprüche erhoben werden. So sehr nun der Gedanke, in solchem Falle einer rechtlichen Entscheidung nicht vorgreifen zu wollen, Anerkennung verdient, so treten doch auf der anderen Seite Betrachtungen entgegen, welche ein derartiges Zuwarten nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Ganz abgesehen nämlich von der weitaussehenden Zeitdauer eines processualischen Verfahrens und den großen Nachtheilen, welche aus der damit verbundenen Unsicherheit der Verhältnisse für Deutschland erwachsen, kann nicht unberücksichtigt bleiben: 1) daß zur Zeit kein Gerichtshof besteht, welcher competent wäre, ein processualisches Verfahren einzuleiten, und einen Urtheilsspruch zu fällen, daß mithin die Bundesversammlung berufen ist, sich darüber schlüssig zu ma-

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chen, welchen Prätendenten sie als den bestberechtigten erachte, und demgemäß als Bundesglied anerkenne, wozu ihr das genügende Material bereits vorliegt; 2) daß der Bund und seine einzelnen Glieder einen begründeten Anspruch darauf zu machen haben, daß die nunmehr seit länger als Jahresfrist suspendirte Stimme des engeren Rathes nicht länger ruhen bleibe; 3) daß die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen im Vereine mit dem Deutschen Bunde den Erbprinzen von Augustenburg auf einer europäischen Conferenz1 als den Bestberechtigten proclamirt und für denselben die Herzogthümer Schleswig-Holstein verlangt haben; 4) daß durch seine Einsetzung in die Regierung des Herzogthums Holstein, dessen unzertrennliche Verbindung mit Schleswig auf deutscher Seite nie in Zweifel gezogen worden ist, und gegenwärtig also keiner Anfechtung mehr unterliegen kann, der rechtlichen Verfolgung anderer Ansprüche der Weg nicht abgeschnitten, ja vielmehr erst rechtlich möglich wird, da für den angemeldeten Mitprätendenten solchen Falles das Beschreiten des Austrägalverfahrens offenstehen würde. Vorstehende Erwägungen berechtigen zu der Voraussetzung, daß die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen mit der alsbaldigen Einsetzung des Erbprinzen Friedrich von Augustenburg in die Regierung des Herzogthums Holstein der Zustimmung hoher Bundesversammlung, zugleich aber des Dankes der deutschen Nation und des Vertrauens der deutschen Regierungen sich versichert zu halten haben würden. Daher stellen die Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle unter Vorbehalt weiterer Beschlußfassung die vertrauensvolle Erwartung aussprechen, es werde den höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen gefallen, dem Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg das Herzogthum Hol­ stein in eigene Verwaltung nunmehr zu übergeben, bezüglich der wegen des Herzogthums Lauenburg aber unter ihnen getroffenen Vereinbarungen der Bundesversammlung Eröffnung zugehen zu lassen. Zugleich haben die Gesandten zu beantragen: Hohe Bundesversammlung wolle über diesen Antrag binnen acht Tagen abstimmen. Präsidium bringt den bezüglich der geschäftlichen Behandlung des Antrages der Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hes1 Die Londoner Konferenz von April bis Juni 1864. Vgl. dazu Baumgart, Europäisches Konzert, S.  373 f.

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Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen

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sen von den betreffenden Herren Gesandten gestellten Antrag zur Abstimmung und schlägt für den Fall, daß die hohe Bundesversammlung sich für Festsetzung einer Abstimmungsfrist entscheiden würde, vor, über den Antrag der ebengenannten Regierungen in ordentlicher Sitzung am 6. April abzustimmen. Umfrage. Oesterreich. Mit Rücksicht darauf, daß der von den Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen gestellte Antrag keine Entscheidung des Bundes bezweckt, sondern bei den Regierungen von Oesterreich und Preussen lediglich innerhalb ihres Rechtes liegende Entschließungen bevorwortet, stimmt der Gesandte dem Präsidialvorschlage bei. Preussen. Der Gesandte ist beauftragt, die Verweisung des vorliegenden Antrages an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit zu verlangen. Maßgebend für die Königliche Regierung sind hierbei folgende Erwägungen: Der vorliegende Antrag involvirt eine Beschlußnahme der Bundesversammlung über diejenige Stellung, welche die hohe Versammlung zu der streitigen und am Bunde selbst noch gar nicht zur wirklichen Verhandlung gekommenen Erbfolgefrage einnehmen soll. Der Antrag behandelt ferner das Erbrecht des Erbprinzen von Augustenburg als ein nachgewiesenes, während die Königliche Regierung im Einverständniß mit anderen Bundesregierungen es entschieden bestreitet, daß ein solcher Nachweis bereits geführt sei. Hiernach erscheint die Fassung eines derartigen Beschlusses ohne vorgängige gründliche Prüfung im Ausschusse als übereilt, enthält einen Mangel an Rücksicht für die Ansprüche deutscher Bundesfürsten, und muß der Sache selbst in so fern schaden, als sie einer im allseitigen Interesse wünschenswerthen Verständigung den Raum versagt. Bayern. Der Gesandte hält eine Verweisung des Antrages an den Ausschuß nicht für nothwendig, da die Regierungen in der Lage waren, den schon seit langem anhängigen und vielfach erörterten Gegenstand zu prüfen und sich ein Urtheil zu bilden. Der Gesandte erlaubt sich dabei auch auf die Beschlüsse der hohen Bundesversammlung vom 7. December 1863 und vom 5. December v. J. hinzuweisen, welche ohne Ausschußvortrag gefaßt worden sind, und tritt dem Präsidialvorschlage bei. Königreich Sachsen. Der Gesandte schließt sich der Abstimmung des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten an. Hannover. Der Gesandte sieht sich veranlaßt, im Anschluß an die Abstimmung des Königlich-Preussischen Herrn Gesandten, zu beantragen: daß der Antrag der höchsten Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen zur geschäftlichen Behandlung an den

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Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit verwiesen werde, indem er gleichzeitig beantragt: daß dieser Antrag eben so wie der Hauptantrag von Bayern, Sachsen und Großherzogthum Hessen zur Instruction der höchsten Regierungen verstellt werden möge, falls für den letzteren dem Präsidialantrage gemäß in der heutigen Umfrage eine achttägige Abstimmungsfrist beschlossen werden sollte. Er erlaubt sich, diesen Antrag, den er zugleich als seine Abstimmung zu der heutigen Umfrage zu Protokoll gibt, in Folgendem näher zu begründen: 1) Der regelmäßige bundesverfassungsmäßige Modus, in welchem das Organ der deutschen Föderation zu seinen Beschlüssen gelangt, ist der Durchgang der Gegenstände durch die Ausschüsse, in welchen die Sache geprüft und zu einer Form vorbereitet wird, die zur Beschlußfassung durch das Corpus am besten geeignet ist. Jener Modus ist eine Nothwendigkeit für einen Staatenbund, welcher einerseits die Prüfung und Erörterung der Gegenstände nicht in den Schooß der Bundesversammlung selbst verlegen kann, weil diese nach Instructionen stimmen soll, und andererseits jene Prüfung der Gegenstände doch auch nicht in den Schooß der Einzelregierungen verlegen darf. Denn auch der Staatenbund faßt doch immer die Bundesgewalt, obgleich solche aus Einzelsouverainetäten zusammengesetzt ist, nicht als eine bloße Addition von so viel Regierungen oder Bevollmächtigten auf, als der Bund Glieder hat, die neben einander als Einzelne gewissermaßen wie eine bloße Conferenz von Staatensouverainetäten versammelt wären und rein das mündliche Organ der so und so viel Partikularregierungen und deren Sonderauffassungen bildeten, sondern selbst der Staatenbund muß seine Bundesgewalt als ein Corpus, gewissermaßen als eine juristische Persönlichkeit aufstellen, welche nicht die Regierungen als Einzelne, sondern die Gesammtheit des Bundes und die­ jenigen Zwecke und Interessen der Nation vertritt, welche in der Bundesverfassung für allgemeine Angelegenheiten erklärt sind. Daraus ergibt sich von selbst, daß er die Verwaltung der Bundesangelegenheiten in einer Form zu betreiben hat, welche seinen corporativen Charakter wenigstens so weit hervortreten läßt, als dieß irgend geschehen kann. So sind auch bisher die Sachen am Bundestage behandelt worden; der Bundestag selbst ließ durch seine Organe die Prüfungen und Erörterungen vornehmen, welche zur Vorbereitung und Instruirung seiner Beschlüsse gehören, und er verlegte die Vorbereitung und Unter­lagen für seine Beschlüsse nicht in die Einzelregierungen. In dem ent­ gegengesetzten Verfahren, welches die Bundesgewalt immer mehr von den Einrichtungen entblößt, die dazu dienen, sie als Wesen darzustellen, das eine besondere juristische Persönlichkeit sei, welche durch den Gesichtspunkt des Bundesganzen sich von jener bloßen Addition der Einzelregierungen unter­

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scheidet; in jenem Verfahren ferner, welches die Instructionen der Einzelregierungen zur schließlichen Beschlußfassung immer mehr vom Bundescentrum ablöst und sie in die Bahn einer bloßen Correspondenz der Einzelregierungen unter sich bringt, und die Instruction der Kleineren übermäßig dem moralischen Drucke der Stärkeren preisgibt: vermag die Königliche R ­ egierung nichts Anderes zu sehen, als eine tiefe Beschädigung des Bundes, an welcher, nach ihrer Ansicht, kein wahrer Freund des Bundes Theil nehmen darf. Was rechtfertigt es, in diesem Falle jenen bundesverfassungsmäßigen Weg, Behandlung der Gegenstände des Bundes durch die Ausschüsse, zu verlassen? 2) Ganz einfache oder höchst dringende Gegenstände sind wohl hie und da von jenem regelmäßigen Geschäftsmodus des Bundestags ausgenommen worden und ohne Mitbetheiligung von Ausschüssen unmittelbar zum Beschlusse gelangt. Kann aber wohl der vorliegende Antrag zu dieser Gattung von Gegenständen gezählt werden? Gewiß nicht. Niemand wird behaupten wollen, der Fall sei so eilig, daß keine Erörterung durch den Ausschuß dazwischen gelegt werden könne. Woher wäre die Eile und Dringlichkeit so plötzlich gekommen? Die Königliche Regierung sieht keinen Grund zur Ueberstürzung. Und was die Einfachheit des Gegenstandes betrifft, so hat die Schleswig-Holsteinische Sache von ihrem Beginne an zu den complicirtesten, schwierigsten Fragen gehört, die überhaupt dem Bundestage seit seinem Bestande vorlagen, weßhalb auch mit der größten Aengstlichkeit und Genauigkeit alle einzelnen Stadien an die Ausschüsse verwiesen wurden und dort mit der peinlichsten Sorgsamkeit behandelt sind; selbst der höchst dringliche Antrag Hannovers auf Kriegserklärung des Bundes gegen Dänemark, als dieses die Schiffe der deutschen Staaten wegnahm, die keinen Theil am Kriege hatten, wurde an den Ausschuß verwiesen. Auch die Frage, welche der vorliegende Antrag in sich schließt, gehört zu den weitschichtigsten, verwickeltsten und mit den schwierigsten Aufgaben des Bundes- und Staatsrechts durchwebten Fragen. 3) Was bezweckt der vorliegende Antrag? Was liegt in ihm? Mittelbar will er, daß der Bundestag eine Entscheidung in dieser Form darüber abgebe, wer von den mehreren Prätendenten das größere Recht auf die Nachfolge besitze; es soll eine Anerkennung des Erbprinzen von Augustenburg durch den Bund auf diesem Umwege erreicht werden. Die Motivirung des Antrages erklärt dieß deutlich genug, indem sie sagt, daß die Bundesversammlung sich darüber schlüssig zu machen habe, welchen Prätendenten sie als den bestberechtigten erachte und demgemäß als Bundesglied anerkenne. Ist nun die Frage über die Competenz des Bundes hinsichtlich des Rechtes zu einer Entscheidung über die Ansprüche der mehreren Prätendenten und hinsichtlich eines Rechtes auf Anerkennung des einen von mehreren Prätendenten jemals in bundesverfassungsmäßiger Form geprüft worden und eine

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Feststellung durch Bundesbeschluß erfolgt? Nichts von alle dem! Diese wichtige und nothwendige Vorfrage wurde zwar in jenem Berichtsentwurfe er­ örtert, der in den ersten Monaten des Jahres 1864 von einem Mitgliede des Ausschusses ausgearbeitet ist und später in Form eines Antrages an die hohe Versammlung gelangte. Indeß die Prüfung war nicht eine allseitige und die Darstellung ließ immerhin Manches zu wünschen. Die Hauptsache ist aber: weder der Ausschuß, noch die Bundesversammlung adoptirte jene Competenzbestimmung oder discutirte sie auch nur. Die Prüfung der Competenz­ frage steht also erst noch bevor. Zwingt aber nicht dieses Bedürfniß, den vorliegenden Antrag an den Ausschuß zu verweisen, um dort erst zu prüfen, in wie weit ist der Bundestag zu dem competent, was der Antrag dem Bundes­ tage ansinnt? Ist die Frage: wer von den Prätendenten das alleinige oder meiste Recht zur Nachfolge besitzt, bereits durch irgend eine competente Instanz zu Gunsten des Erbprinzen von Augustenburg entschieden, so daß der vorliegende Antrag nur die Consequenz dessen ausspräche, was bereits zu Rechte besteht? Es liegt kein solcher Spruch irgend einer competenten Gewalt vor. Oder sind wenigstens am Bunde, sei es durch den Ausschuß selbst oder von einer juristischtechnischen Commission, welche ein Gutachten des Ausschusses vorbereiten soll, die Ansprüche der mehreren Prätendenten geprüft und hat etwa diese Vorprüfung ergeben, daß der Erbprinz meistberechtigter Nachfolger ist? Es fand keine solche Prüfung statt; der erwähnte Berichtsentwurf namentlich, den ein Mitglied des Ausschusses entwarf, kann, ganz abgesehen davon, daß er ein bloßer Entwurf blieb, auf solche Prüfung keinen Anspruch machen, da er die Ansprüche des Königs Christian IX. aus dem Thronfolgegesetz vom 31. Juli 1853, auf welchen gegenwärtig hauptsächlich die Ansprüche Preussens gestellt sind, ohne genügende Untersuchung ließ und die Oldenburgischen Ansprüche vorzugsweise nach den Quellen behandelte, welche die Augustenburgische Seite gab. Was liegt also in dem Verlangen, daß der vorliegende Antrag nicht an den Ausschuß verwiesen, sondern unmittelbar darüber abgestimmt werde? Man will, daß der Bund eine tiefeingreifende richterliche Entscheidung – denn sie gibt und nimmt Rechte – abgebe, aber ohne daß vorher die Sache gründlich und bundesverfassungsmäßig geprüft ist; man will, daß der Bund den einen Prätendenten für legitimirt erkläre, während sich der Streit über die Nachfolge noch in einem völlig unerledigten Zustande befindet und der Bundestag noch keine Ueberzeugung in dem bundesverfassungsmäßigen Modus hat gewinnen können, worin er sie zu Stande bringt nach seinem Wesen. Freilich hat man dagegen eingewandt, es liege genugsames Material vor, damit jede Regierung eine Rechtsüberzeugung auf beliebigem Wege gewinne, und es seien daher nur in der nächsten Abstimmung von den Regierungen diese gewonnenen Ueberzeugungen zusammen zu schießen [sic], um daraus

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Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen

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vermöge Majoritätsbeschlusses eine Ueberzeugung des Bundes zu bilden. Ist es aber richtig, daß der Bund verfassungsmäßig seine Ueberzeugung in so wichtigen Fragen auf diesem Wege ohne Prüfung und Erörterung in seinem eigenen Schooße gewinnen darf? Auch der Civilgerichtshof ist an gewisse Formen seiner Berathung, Bestellung von Referenten und Correferenten, Vortragserstattung im versammelten Collegium etc. gebunden, und wird diese nicht verlassen dürfen unter dem Vorgeben, daß es im einzelnen Falle, nachdem eine Streitsache bereits in den zahlreichen Parteischriften hinreichend erörtert sei, nur einer Abstimmung bedürfe, um sofort die rechtliche Ueberzeugung und Beschlußfassung des Richtercollegiums festzustellen. Im Gegentheil, je massenhafter das Material ist, und je stärker sich die gegenüberstehenden Ansichten widerstreiten, desto mehr wird ihm die Nothwendigkeit einleuchten, das Material nach einheitlichen Gesichtspunkten ordnen, sichten und einheitlich bearbeiten zu lassen, bevor er zur Abgabe einer Entscheidung sich bereit findet. Derselbe Tadel, den man im anderen Falle über das Verfahren der richterlichen Behörde auszusprechen hätte, würde auch wohl die Bundesversammlung treffen, wenn sie sich hier der Beobachtung der regelmäßig vorgeschriebenen Geschäftsformen entziehen wollte. 4) Ein ähnlicher Antrag, wie der jetzt vorliegende, ist in früherer Zeit einmal gestellt worden, und würde einige Berechtigung gehabt haben zu einer Zeit, als noch der Erbprinz von Augustenburg der einzige Prätendent war, dessen Ansprüche der hohen Bundesversammlung vorlagen. Wie aber „nunmehr“, um mit den Worten des Antrages zu reden, nachdem auch von anderer Seite gleiche Rechtsansprüche erhoben sind, und von der hohen Bundesversammlung selbst die Beweisaufnahme angeordnet ist, die Verhältnisse sich in der Art gestaltet haben sollten, daß die hohe Bundesversammlung von einer Prüfung des eingeforderten Beweismaterials wieder zurücktreten und vorweg einen der Prätendenten vor dem anderen in den Besitz einweisen dürfe, ist kaum abzusehen; vielmehr scheint gerade umgekehrt jetzt die Forderung doppelt gerechtfertigt, daß nunmehr vor allen Dingen eine sorgfältige technischjuristische Prüfung der verschiedenen am Bunde angemeldeten Rechtsansprüche einzutreten habe, um danach das Mehr- oder Näherrecht des Einzelnen abzuwägen. Der Verlust einiger Zeit wird hierbei nicht so sehr in Anrechnung zu bringen sein, da ja in der Hauptsache der Wunsch der Bevölkerung durch die Lostrennung der Herzogthümer von Dänemark in Erfüllung gegangen ist, und sich inzwischen die letzteren in der geordneten Verwaltung der beiden deutschen Großmächte befinden. Aus diesen Gründen hält der Gesandte eine Ausschußverweisung für durchaus unerläßlich, und er glaubt seine Stimme dafür nicht dringend genug erheben zu können, da ein Verlassen dieses ordnungsmäßig bestehenden Ge-

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schäftsganges im praktischen Erfolg einer einseitigen Bevorzugung eines der Prätendenten gleichkommen würde, und er das höchste Recht wie die höchste Pflicht der Bundesversammlung darin erkennt, in einer so wichtigen Frage auch den Schein einer Uebereilung und Voreingenommenheit von sich fern zu halten. Jedenfalls wird den Regierungen vorzubehalten sein, auch in der künftigen Abstimmung darauf zurückzukommen, selbst wenn in heutiger Sitzung eine sofortige Abstimmungsfrist über den Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzogthum Hessen beschlossen werden sollte, indem immer doch gleichzeitig mit dem Hauptantrage selbst auch die Frage über die geschäftliche Behandlung desselben an die Regierungen devolvirt wird. Württemberg und Baden: treten dem Präsidialantrage bei. Kurhessen. Der Gesandte stimmt für Verweisung des Antrages an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit. Großherzoghum Hessen. Indem der Gesandte dem Präsidialantrage zustimmt, schließt er sich den Bemerkungen des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten an. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte enthält sich der Abstimmung. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der Gesandte hat nach Maßgabe der über die Stimmenzählung innerhalb der zwölften Curie geltenden Bestimmungen das Curiatvotum dahin abzugeben, es möge über den vorliegenden Antrag nach acht Tagen abgestimmt werden. Braunschweig und Nassau. Der Gesandte tritt dem Präsidialantrage bei. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Der Gesandte stimmt für Verweisung des Antrages an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg: deßgleichen. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Hom­ burg. Der Gesandte tritt dem Präsidialantrage bei. Freie Städte. Für die Curie stimmt der Gesandte für Verweisung des Antrages an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit; für Frankfurt tritt er dem Präsidialantrage bei und für Hamburg behält er eine Erklärung vor. Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen. Die Gesandten behalten hinsichtlich der abgegebenen Abstimmungen und Erklärungen ihren Regierungen jede Aeußerung vor. Hierauf erfolgte in Uebereinstimmung mit dem Präsidialantrage der Beschluß: über den Antrag der Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen in ordentlicher Sitzung am 6. April abzustimmen.

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Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen

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Preussen. Der Gesandte muß in dem so eben gefaßten Beschlusse mit Bedauern eine Ueberstürzung erkennen, welche der Sache nicht förderlich sein wird. Zugleich ist er schon jetzt zu erklären beauftragt, daß die Königliche Regierung, da sie die Ansprüche des Erbprinzen von Augustenburg als nachgewiesen nicht erachten kann, ihr Votum gegen den vorliegenden Antrag abgeben wird, und daß sie sich im Voraus gegen einen beschlußmäßigen Ausspruch der Bundesversammlung über bestrittene Fragen verwahrt. Die Königliche Regierung darf vielmehr von der Bundesversammlung und von jeder deutschen Bundesregierung insbesondere erwarten und verlangen, daß bevor bei einem Bundesbeschlusse eine Formulirung der Ansichten festgestellt wird, dieselben eine Prüfung nicht nur der Augustenburgischen, sondern aller concurrirenden Ansprüche vornehmen werden, namentlich der Seitens des Großherzogs von Oldenburg erhobenen und derjenigen Rechte, welche Preussen selbst sowohl aus der Cession des Königs Christian IX. als aus den alten Ansprüchen des Brandenburgischen Hauses herzuleiten hat. Wenn die Königliche Regierung diese eigenen Rechte bisher nicht zur Sprache gebracht hat, so geschah es in der Hoffnung, die berechtigten Interessen Preussens auf dem Wege der Verständigung sicher stellen zu können. Wie nun aber diese Hoffnung mit Annahme des vorliegenden Antrages schwindet, so beabsichtigt die Königliche Regierung, die Geltendmachung der Preussen zustehenden Ansprüche nicht länger zu vertagen. Die rechtliche Begründung derselben behält sich der Gesandte vor, hat aber schon jetzt Namens seiner allerhöchsten Regierung die Erwartung auszusprechen, daß hohe Bundesversammlung für alle erhobenen Ansprüche eine rechtliche Prüfung und gleichmäßige formale Behandlung eintreten lassen werde. Präsidium. Mit Beziehung auf einige Abstimmungen und die so eben abgegebene Erklärung hat Präsidium alle Rechte des Bundes und insbesondere gegenüber dem Einwande der Ueberstürzung die Befugniß der hohen Bundesversammlung zur Fassung selbstständiger Beschlüsse über geschäftliche Behandlung zu wahren. Oesterreich. Der Gesandte behält seiner allerhöchsten Regierung jede etwaige Erklärung vor. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg für Oldenburg. Der Gesandte muß dem eingebrachten Antrage und den vernommenen Abstimmungen gegenüber der Großherzoglichen Regierung jede Erklärung vorbehalten.

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  Debatte im Landtag von Coburg und Gotha 

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147. Debatte im gemeinschaftlichen Landtag der Herzogtümer Coburg und Gotha

Verhandlungen des gemeinschaftlichen Landtags der Herzogthümer Coburg und Gotha 1865– 1868, S. 14 f.

In der Etatdebatte kritisieren einige Abgeordnete die beantragte Erhöhung des Ge­ halts des Bundestagsgesandten, weil sie keine neuen Ausgaben für ein Institut ma­ chen wollen, „dessen Beseitigung von der ganzen deutschen Nation gewünscht wer­ de“. Es entspinnt sich eine kontroverse Debatte, die damit endet, daß bei der Abstim­ mung die vorgeschlagene Erhöhung mit 11 zu 8 Stimmen abgelehnt wird.

2. Sitzung

Gotha, 5. April 1865

[Die Finanzkommission schlug in ihrem Bericht zum Haushalt unter dem Posten „Beiträge zu allgemeinen deutschen Zwecken. Deutscher Bund und Gesandtschaft bei demselben“ vor, das Gehalt des sachsen-coburg-gothaischen Bundestagsgesand­ ten um 253 Taler 29 Groschen auf insgesamt 10 050 Taler 4 Groschen zu erhöhen.]

Der Abg. Muther1: Als Mitglied der Finanzcommission habe er der postulirten Erhöhung der Besoldung des Bundestagsgesandten nicht beigestimmt, weil, nach seiner Auffassung, persönliche Rücksichten, von welchen sich die Majorität der Commission leiten lasse, nicht maßgebend sein könnten und weil keine zwingende Nothwendigkeit vorliege, für ein Institut, dessen Be­ seitigung von der ganzen deutschen Nation gewünscht werde, neue Ausgaben zu machen. Er beantrage getrennte Abstimmung bezüglich des Postens von 253 Thlr. 29 Gr. – Pf. und erkläre, daß er gegen die Verwilligung stimme. Der Abg. Stötzer2 erklärte sich ebenfalls gegen die postulirte Gehaltserhöhung, weil er die Möglichkeit nicht anerkennen konnte, daß der diesseitige Bundestagsgesandte in der Lage sein werde, auf staatliche Entwickelung des Gesammtvaterlandes oder auch nur auf specielles Wohlergehen unseres kleinen Landes hinzuwirken. Der Abg. Schwerdt3 stimmte, wie die Vorredner, gegen die postulirte Gehaltserhöhung des Bundestagsgesandten, nicht etwa, um mit einem kleinen Betrag eine Ersparniß zu machen, sondern lediglich deshalb, damit unser Land das Zeugniß ablege, daß es nicht gewillt sei, das Leben des Bundestags 1 Georg Wilhelm Rudolph Muther (1823–1898), Bürgermeister in Coburg; Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865, S. 78, 153; Die Ehrenbürger von Coburg und seiner Umgebung, S. 36 f. 2 Carl Alexander Stötzer, Rechtsanwalt und Notar in Gotha; Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865, S. 78, 111. 3 Johann Georg Heinrich Christian Schwerdt (1810–1888), Geistlicher, Pädagoge und Schriftsteller, seit 1860 Oberpfarrer in Tonna, 1848–1850 und 1865–1869 Abgeordneter des gothaischen Landtags; Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865, S. 79, 180; Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 30, Sp. 1369–1383; ADB, Bd. 33, S. 417.

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Debatte im Landtag von Coburg und Gotha

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zu fristen, welcher mit einem morschen Stamme zu vergleichen sei, dem auch jede schwache Stütze entzogen werden müsse; er wenigstens wolle nicht die Hand zu seiner Erhaltung bieten, und wenn von allen Staaten die Beiträge gestrichen würden, so würden bald permanente Ferien in Frankfurt eintreten. Der Herr Staatsminister, Exc.4, glaubte, daß der Standpunkt, welchen die drei letzten Redner einnehmen, nicht der richtige sei. Es handele sich nicht um eine Bewilligung für den Bundestag; die Regierung erfülle lediglich eine Pflicht, indem sie einen Gesandten an den Bundestag schicke. Die Frage könne daher nur so gestellt werden, ob der Gesandte mit dem ihm zur Verfügung gestellten Besoldungsbetrag den seiner Stellung entsprechenden Aufwand bestreiten könne. In der Commission habe er verschiedene Notizen gegeben zum Beweis dafür, daß die Lebensverhältnisse in Frankfurt viel theurer als in Gotha seien, und diese Mittheilungen hätten für die Commission die überzeugende Kraft gehabt, daß es ungerechtfertigt sein werde, die postulirte Zulage abzulehnen. Gegen die von der Commission beantragte Beschränkung finde er um so weniger etwas zu erinnern, als schon der jetzige Gehalt nicht voll zur Pension angerechnet werde.5 Der Abg. Schmidt 6 hoffte, daß der Landtag die postulirte Gehaltszulage des Gesandten ablehnen und damit eine indirecte Unterstützung des Bundestages, welcher sich nach der Stimme des Volkes und der Fürsten überlebt habe, versagen werde. Der Abg. Rückert 7 schloß sich dem Antrage des Abg. Muther an, indem er glaubte, daß durch einen Gehalt von 8000 Fl. dem Gesandten ein anständiges Auskommen gesichert sei. Die Ansichten über die Unzulänglichkeit einer Besoldung seien relativer Natur und die Nothwendigkeit eines Repräsentationsaufwandes werde nicht zugestanden. Der Berichterstatter Kühne8 verwahrte die Majorität der Commission gegen die Annahme, als ob dieselbe durch ihren Antrag dem Institut des Bundestags eine Unterstützung habe zuwenden wollen, sie habe vielmehr durch denselben nur bezwecken wollen, den bestehenden Verhältnissen und der Rücksicht Rechnung zu tragen, daß der Gehalt des Bundestagsgesandten schon früher den Betrag von 10 000 Fl. erreicht habe. 4 Camillo Freiherr von Seebach. 5 Die Finanzkommission hatte beantragt, die Zulage zum Gehalt des Bundestagsgesandten bei späterer Pensionierung nicht anzurechnen. 6 Alfred Schmidt, Bürgermeister in Rodach; Staatshandbuch für die Herzogthümer SachsenCoburg und Gotha 1865, S. 78, 155. 7 Ludwig Rückert, Rechtsanwalt in Coburg; Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865, S. 78, 112. 8 Hermann Theodor Kühne (1817–1897), Gymnasialprofessor in Gotha; Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865, S. 78, 166.

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Der Abg. Stötzer: Wenn die Commission durch die Darlegung des Herrn Staatsministers umgestimmt worden sei, so glaube er, daß weniger die Macht der Zahlen als die Behauptung imponirt habe, es sei eine Pflicht, den Bundestag durch einen Gesandten zu beschicken. Es möge eine Pflicht sein, aber auch nur eine solche, die ebensowohl unterbleiben könne, weil deren Nicht­ erfüllung mit einem Präjudiz nicht bedroht sei und deren Erfüllung deshalb ebensowohl unterbleiben könne. Der Herr Staatsminister: Wolle der Vorredner nur diejenigen Pflichten erfüllen, deren Erfüllung durch Gewalt zu erzwingen sei, so sei dies seine Sache; er meine, daß überhaupt jeder Pflicht zu genügen sei, auch der, zu deren Erfüllung man nur moralisch verbunden sei. Allerdings sei es die Macht der Zahlen gewesen, welche auf das Gutachten der Commission eingewirkt habe. Er könne auch keineswegs zugeben, daß ein Gehalt von 8000 Fl. genüge, um den standesmäßigen Aufwand eines Gesandten zu bestreiten, und noch weniger reiche ein solcher Betrag aus, um einen besonderen Repräsentationsaufwand zu machen. Der Abg. Ewald9: Es sei anzuerkennen, daß der Bundestag das letzte Band sei, welches die deutschen Staaten zusammenhalte. Es sei ferner nicht zu bestreiten, daß die Beschickung des Bundestags nicht ein Act der Willkür, sondern eine Sache der Verträge sei, und wenn sachliche Gründe, wie es hier der Fall sei, für eine Erhöhung des Gehaltes des Gesandten sprächen, so sei es auch nöthig, auf so lange, als der Gesandte nicht zu entbehren wäre, jenen Gründen, die den äußeren Verhältnissen entnommen wären, Rechnung zu tragen. Er werde deshalb für das Postulat stimmen. Der Abg. Wilke10: Man möge von dem Bundestage halten, was man wolle, so stehe doch so viel fest, daß er das alleinige Organ für die deutschen Staaten sei, und daß die Pflicht zu seiner Beschickung vorliege. So lange man aber einen Gesandten haben müsse, sei es auch eine Forderung des Rechts, demselben die zu seiner Existenz erforderlichen standesmäßigen Mittel zu gewähren. Er stimme deshalb für das Postulat der Staatsregierung. Nachdem die Vertreter der Minorität, die Abgg. Schmidt, Stötzer und Schwerdt, wiederholt das Wort erhalten hatten, wies der Herr Staatsminister darauf hin, daß nach § 2 des Staatsgrundgesetzes die vereinigten Herzogthümer als deutscher Bundesstaat alle aus der Bundesverfassung hervorgehen­ den Rechte und Pflichten theilen und daß es mithin für die Staatsregierung  9 Wilhelm Ewald (1825–1887), Landratsamtsassessor in Gotha, wurde später Präsident des Hofrates in Coburg und Generaldirektor der Gothaer Feuerversicherungsbank; Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865, S. 78, 128. 10 Emil Wilke, Kreisgerichtsassessor in Gotha; Staatshandbuch für die Herzogthümer SachsenCoburg und Gotha 1865, S. 78, 105.

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Debatte im Landtag von Coburg und Gotha

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nicht blos eine moralische Pflicht, sondern eine verfassungsmäßige Verpflichtung sei, den Bundestag durch einen Gesandten zu beschicken. Der Abg. Ritter11: Für die Beurtheilung des vorliegendes Postulates könne nicht die Frage maßgebend sein, ob der diesseitige Bundestagsgesandte in der Lage sei, bei der Abstimmung im Bundestag den Volkswillen durchzusetzen, oder nicht; es sei vielmehr die Frage maßgebend, ob es Pflicht sei, dem Gesandten, welcher die vereinigten Herzoghtümer bei dem Bundestage vertreten solle, die zu seiner standesmäßigen Existenz nöthigen Mittel zu gewähren. Diese Pflicht erkenne er an und trete deshalb dem Majoritätsantrag bei. Der Abg. Morschutt12 war zwar damit einverstanden, daß dem Bundestag eine schaffende Gewalt abgehe, glaubte aber, daß derselbe auf so lange, als der nationale Einheitsdrang particularistische Hindernisse nicht zu überwinden vermöge, das wesentliche Förderungsmittel für die deutsche Einheit biete, indem er das beste Abschreckungsmittel für den Particularismus sei. Er könne deshalb der dermaligen Bundestagsverfassung keine Gründe für die Ablehnung des Postulates entnehmen und werde mit der Majorität stimmen. An der weiteren Debatte betheiligten sich die Abgg. Rückert und Schmidt, sowie der Berichterstatter Kühne, welcher schließlich bemerkte, daß die Majorität, der von der Minorität aufgestellten Gründe ungeachtet, bei ihrem Antrage in der Ueberzeugung beharre, nicht zu weit gegangen zu sein, sondern das gethan zu haben, was sie verantworten zu können glaube. Zur Abstimmung übergehend, wurde die Einstellung von 9796 Thlr 5 Gr. – Pf. in Cap. I. A. des Etats einstimmig genehmigt und der postulirte Zugang von 253 Thlr. 29 Gr. – Pf. zur Erhöhung des Gehaltes des Bundestagsgesandten als persönliche Zulage mit 11 gegen 8 Stimmen abgelehnt. Bei nament­ lichem Aufruf, welcher auf Antrag des Abg. Stötzer erfolgte, stimmten die Abgg. Anschütz, Albrecht, Buddeus, Jung, Köhler, Küttner, Muther, Rückert, Schwerdt, Schmidt und Stötzer mit Nein und die Abgg. Berlet, Deysing, Ewald, Kühne, Kämmerer, Morschutt, Ritter und Wilke mit Ja.13 11 Anton Ritter, Schulinspektor in Gotha; Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865, S. 78, 174. 12 Carl Anton Morschutt, Referendar in Gotha; Staatshandbuch für die Herzogthümer SachsenCoburg und Gotha 1865, S. 78, 105. 13 Julius Gottfried Anschütz, Fabrikbesitzer in Mehlis; Oskar Albrecht, Bürgermeister in Waltershausen; Jung, Schultheiß in Sonneborn; Friedrich Köhler, Rechtsanwalt in Coburg, Landtagspräsident; Küttner, Schultheiß in Döllstedt; Gustav Berlet (1817–1908), Kreisgerichts­ direktor in Gotha und Landtagspräsident; Emil Heinrich Reinhold Deysing (1818–1909), Justiz­amtmann in Coburg; Carl Kämmerer (1820–1874), Fabrikbesitzer in Gotha, Mitbe­ gründer des Nationalvereins, 1871–1875 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Angaben nach: Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865, S. 78 f., 80, 106, 111, 113; Parlamentarierportal. Die Identität des Abgeordneten Buddeus ließ sich nicht er­mitteln, im Staatshandbuch von 1865 ist er nicht als Landtagsmitglied verzeichnet. Zu

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  Bundesbeschluß zur Verwaltung von Holstein 

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148. Bundesbeschluß zur Übergabe der Verwaltung des Herzogtums Holstein an den Erbprinzen von Augustenburg

ProtDBV 1865, S. 92–112. Druck: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 353–376.

Die Bundesversammlung beschließt auf Antrag Bayerns, Sachsens und des Großher­ zogtums Hessen mit Mehrheit gegen die Stimmen Preußens, Hannovers, Kurhessens, Oldenburgs und anderer Staaten, die Regierungen von Österreich und Preußen auf­ zufordern, die Verwaltung des Herzogtums Holstein an den Erbprinzen von Augusten­ burg zu übergeben. Österreich erklärt, daß es seinen „Besitztitel“ nicht aufgeben werde, „bis eine den eigenen Ueberzeugungen und den Interessen des Deutschen Bundes entsprechende Lösung erzielt sein wird“. Preußen spricht der Bundesver­ sammlung das „Recht auf eine endgültige Entscheidung“ über die Erbfolge in Hol­ stein ab und schließt sich der österreichischen Erklärung an. Unter diesen Umstän­ den stehe eine Erfüllung der im Antrag formulierten Erwartung an die Großmächte nicht in Aussicht.

11. Sitzung

Frankfurt am Main, 6. April 1865

§ 74. Herzogthümer Holstein und Lauenburg. (10. Sitz. § 66 v. J. 1865.) Präsidium bringt in Gemäßheit des in der letzten Sitzung gefaßten Beschlusses den Antrag der Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen in Betreff der Herzogthümer Holstein und Lauenburg1 zur Abstimmung. Oesterreich. Die Kaiserliche Regierung ertheilt dem Antrage ihre Zustimmung, da sie, ohne mit den Motiven desselben in allen Punkten einverstanden zu sein, der Ansicht ist, daß in dem seitherigen Verlaufe und der gegenwärtigen Lage dieser Angelegenheit für die hohe Bundesversammlung Veranlassung liegt, sich dem Antrage gemäß an die beiden Höfe von Oesterreich und Preussen zu wenden. Preussen. Der Standpunkt, welchen des Gesandten allerhöchste Regierung zu dem vorliegenden Antrage einzunehmen sich verpflichtet erachtet, hat bereits in denjenigen Erklärungen, welche der Gesandte in der Sitzung vom 27. v. M. abzugeben die Ehre hatte, ihren unzweideutigen Ausdruck gefunden.2

Muther, Rücker, Schwerdt, Schmidt, Stötzer, Ewald, Kühne, Morschutt, Ritter und Wilke s. o. Anm. 7–13. – Am 2. Juni 1865 forderte Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha per Erlaß den gemeinschaftlichen Landtag auf, über die Frage der Gehaltserhöhung nochmals zu beraten und der Maßnahme zuzustimmen. Im Landtag entspann sich darüber am 10. Juni 1865 abermals eine erregte Debatte; siehe dazu Dok. 153.

1 Siehe Dok. 146. 2 Siehe Dok. 146, S. 742 und 748.

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Bundesbeschluß zur Verwaltung von Holstein

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Im Anschluß hieran und zur näheren Erläuterung der für die Königliche Regierung bestimmenden Erwägungen ist der Gesandte nunmehr beauftragt, bei der heutigen Abstimmung sein definitives Votum in Folgendem vor hoher Bundesversammlung zu begründen. Mit Annahme des durch seine Motive erläuterten Antrages würde die Majorität der Bundesversammlung mit früheren Beschlüssen, namentlich mit denen vom 7. und 21. Juli, sowie vom 1. September und 3. November v. J., in Widerspruch treten3, indem sie, ohne die Erstattung der früher verlangten Ausschußberichte abzuwarten, ihre Stellung zu der in letzteren zu erörternden Rechtsfrage präjudicirte. Die Königliche Regierung würde sich aber an einem solchen Präjudiz be­ theiligen, wollte sie zum Ausspruch einer Erwartung mitwirken, welche sie selbst für eine unberechtigte halten muß, weil die vermeintlichen Rechte des Erbprinzen von Augustenburg nicht bloß nicht nachgewiesen sind, sondern nach Ansicht der Königlichen Regierung auch zum größeren Theile nicht nachweisbar sein werden. Auch hat bisher zwischen den einzelnen Bundesregierungen ein Austausch ihrer Rechtsanschauungen und derjenigen Begründung, welche eine jede derselben speciell für ihre Auffassung zu geben vermag, nicht einmal stattgefunden. Eine solche erste und unerläßliche Grundlage der Verständigung würde durch Bericht des Ausschusses vorzubereiten sein, und in dieser Ueberzeugung hat die Königliche Regierung für Verweisung auch des vorliegenden Antrages an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit votirt. 3 Am 7. Juli 1864 hatte die Bundesversammlung die großherzoglich oldenburgische Regierung, die in der schleswig-holsteinischen Frage Erbfolgeansprüche erhoben hatte, aufgefordert, eine „speciellere Darlegung der fraglichen Successionsverhältnisse […] möglichst bald“ vorzulegen; ProtDBV 1864, § 194, S. 367–369, Zitat S. 368. – Am 21. Juli 1864 hatte die Bundesversammlung den Beschluß gefaßt, den Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg zu ersuchen, „eine seine Successionsansprüche begründende Nachweisung mit thunlichster Beschleunigung an die Bundesversammlung gelangen zu lassen“; ProtDBV 1864, § 212, S. 392– 399, Zitat S. 399. – Der Erbprinz hatte am 23. August 1864 die angeforderte Nachweisung seiner Erbansprüche an den Bundespräsidialgesandten geschickt. Die Bundesversammlung ­ überwies am 1. September diese Darlegung an den Ausschuß für die holstein-lauenburgische Verfassungsangelegenheit zur weiteren Beratung; ProtDBV 1864, § 233, S. 449, ebd. S. 457 die Eingabe des Erbprinzen mit der „Nachweisung“ (S. 459–492) und den dazugehörigen Beilagen (S. 490a–490ww). – Am 3. November 1864 hatte die Bundesversammlung weitere von dem ­Erbprinzen und der großherzoglich oldenburgischen Regierung ein­gereichte Darlegungen zur Erbfolgefrage an den Ausschuß für die holstein-lauenburgische Verfassungsfrage überwiesen; ProtDBV 1864, § 268 und 269, S. 532 f.; ebd. S. 535– 770 die Beilagen A, B und C. – Die ausführliche Begründung der oldenburgischen Erbfolgeansprüche ist abgedruckt in: Staatsarchiv, Bd. 7a. Siehe auch Rosenberg, Die nationalpolitische Publizistik, Bd. 2, Nr. 1135.

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Sie hält auch jetzt noch dieses ihr Votum aufrecht, lehnt den Antrag selbst aber ab. Da die Motive des vorliegenden Antrages auf die in der Londoner Con­ ferenz gemachten Vorschläge der Königlichen Regierung Bezug nehmen, so glaubt der Gesandte in dieser Beziehung noch Folgendes bemerken zu müssen. Die Königliche Regierung konnte die Einsetzung des Erbprinzen von Augustenburg auf der Londoner Conferenz als eine den damaligen Umständen entsprechende Lösung der kriegerischen Complicationen, als ein Mittel zu friedlicher Verständigung der europäischen Mächte vorschlagen, ohne damit ihrerseits einen zweifellosen und ausschließlichen Rechtsanspruch des Erbprinzen auf Succession anzuerkennen. Dieser Vorschlag aber hat mit seiner definitiven Ablehnung auf der Conferenz jede weitere Bedeutung um so mehr verloren, als seitdem die rechtliche und factische Lage der Dinge eine wesentlich andere geworden ist. Die Königliche Regierung konnte den Antrag damals stellen, ohne anderen als den eigenen Ansprüchen des Brandenburgischen Hauses und denen des Königs Christian, mit welchem sich Preussen bekanntlich im Kriege befand, zu nahe zu treten. Seitdem aber ist in der Person Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Oldenburg ein neuer Prätendent aufgetreten, dessen ­Ansprüche ein volles Recht auf die Prüfung seiner Bundesgenossen haben. Seitdem ist ferner, nach Fortsetzung des Krieges gegen Dänemark, der Friede geschlossen, welcher die Rechte des Königs Christian auf Preussen und ­Oesterreich übertrug. Die Königliche Regierung würde daher heute nicht mehr in der Lage sein, den Vorschlag zu wiederholen, welchen sie damals, um den Frieden Europa’s herzustellen, im Interesse des einzigen bis dahin öffentlich aufgetretenen Prätendenten machen zu können glaubte. Sie beabsichtigte damit nur, in Betreff der Herzogthümer die für den allgemeinen Frieden gefährliche Situation zu einem Abschlusse zu bringen, analog denjenigen europäischen Abkommen, welche zu anderen Zeiten in Betreff Belgiens und Griechenlands bewirkt worden sind.4 4 Nach dem belgischen Aufstand gegen die holländische Herrschaft und der Proklamation der Unabhängigkeit Belgiens 1830 hatten die europäischen Großmächte im November 1830 eine internationale Konferenz in London zur Lösung des belgischen Problems einberufen. Diese Konferenz tagte ununterbrochen bis 1832 und danach mit Unterbrechungen weiter bis 1839. In den Verhandlungen einigten sich die Großmächte auf die Anerkennung der Unabhängigkeit und Neutralität des neuen belgischen Staates. Dies wurde im Londoner Vertrag vom 15. November 1831 zwischen den fünf Großmächten und Belgien festgeschrieben; vgl. dazu Baumgart, Europäisches Konzert, S. 273–277; Handbuch der Europäischen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 489  f. ­(Johannes Koll, Belgien, ebd. S. 485–542); Edition des Londoner Vertrags: Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte, T. 2, CD-ROM-2, Dok.-Nr. 1.1.13. – Auch in Griechenland war

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Keinesfalls aber hat ein Rechtstitel, welcher vorher nicht bestand, durch den bloßen Versuch einer politischen Verständigung geschaffen werden können. Bayern. Die Königliche Regierung spricht sich unter Bezugnahme auf den von ihr gemeinschaftlich mit der Königlich-Sächsischen und der Großherzoglich-Hessischen Regierung gestellten Antrag dafür aus, daß derselbe zum ­Beschlusse der hohen Bundesversammlung erhoben werde. Gegenüber den Einwendungen, welche dem Antrage sofort nach dessen Einbringung in der vorigen Sitzung von mehreren Seiten entgegengestellt worden sind, nimmt die Königliche Regierung zunächst Bezug auf den Bundes­beschluß vom 2. Juni v. J. (Sep. Prot. §. 72)5, wonach mit Ausnahme einer einzigen Stimme allgemein diejenige Erklärung gebilligt worden ist, welche der Bevollmächtigte des Deutschen Bundes im Einvernehmen mit den Bevollmächtigten von Oesterreich und Preussen in der Sitzung der Londoner Conferenz vom 28. Mai v. J. abgegeben hatte, und welche darauf gerichtet war: „die vollständige Trennung der Herzogthümer Schleswig und Holstein vom Königreiche Dänemark, sowie ihre Vereinigung in Einen Staat unter der Souverainetät des Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg zu verlangen, der nicht allein in den Augen Deutschlands die meisten Rechte auf die Erbfolge in den genannten Herzog­ thümern geltend machen kann und dessen Anerkennung durch den Bundestag demzufolge gesichert ist, sondern der auch die unzweifelhafte Zustimmung der großen Mehrheit der Bevölkerung dieser Länder für sich hat.“6 die Gründung eines unabhängigen Staates 1832/33 durch das konzertierte Zusammenwirken der europäischen Großmächte herbeigeführt worden. Im Londoner Vertrag vom 7. Mai 1832 hatten die Schutzmächte Großbritannien, Frankreich und Rußland die Einsetzung Ottos von Wittelsbach als König von Griechenland beschlossen; vgl. dazu Handbuch der Europäischen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 1406 (Ioannis Zelepos, Griechenland, ebd. 1399–1422). 5 ProtDBV 1864, S. 214a. 6 Der Passus ist die deutsche Übersetzung der auf der Londoner Konferenz abgegebenen Erklärung. Die Erklärung war tatsächlich nicht vom Bundesbevollmächtigten Beust, sondern vom österreichischen Konferenzbevollmächtigten Apponyi abgegeben worden und lautete gemäß Konferenzprotokoll im französischen Original folgendermaßen: „[…] les Plénipotentiaires des Puissances Allemandes ont reçu l’ordre de demander, de concert avec le Plénipotentiaire de la Conféderation Germanique, la séparation complète des Duchés de Slesvig et de Holstein du Royaume de Danemark, et leur réunion dans un seul État sous la souveraineté du Prince Héréditaire de Slesvig-Holstein-Sonderbourg-Augustenbourg, qui peut non seulement faire valoir, aux yeux de l’Allemagne, le plus de droits à la Succession dans les dits Duchés, et dont la reconnaissance par la Diète Germanique est assurée en conséquence, mais qui réunit aussi les suffrages indubitables de l’immense majorité des populations de ces pays.“ Staatsarchiv, Bd. 7, S. 23 f.; ProtDBV 1864, S. 275.

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Mit diesem Beschlusse der hohen Bundesversammlung steht der gegenwärtige Antrag in völliger Uebereinstimmung, und es wird daher nicht behauptet werden können, daß er eine überstürzende Entscheidung über die von der hohen Bundesversammlung einzunehmende Stellung zur Erbfolgefrage involvire. Der Antrag bezweckt vielmehr nur die Verwirklichung der Stellung, welche die hohe Bundesversammlung am 2. Juni v. J. bereits eingenommen hat. Es kann unmöglich angenommen werden, daß der damalige Ausspruch über die Erbfolgefrage nicht auf rechtlicher Ueberzeugung der höchsten und hohen Regierungen beruht habe, wenn auch die Gründe hiefür im Schooße der Bundesversammlung selbst nicht zur Darlegung gelangt sind. Die Königliche Regierung hegt in dieser Beziehung noch jetzt dieselbe ­Ueberzeugung wie damals, und findet die Gründe derselben niedergelegt in demjenigen Votum, welches der Königliche Bundestagsgesandte im Januar v. J. dem Ausschusse übergeben hat, und welches sie hiermit zur weiteren Begründung ihrer heutigen Abstimmung zu Protokoll übergibt.* Was die Ansprüche anderer deutscher Bundesfürsten anlangt, so sind die bezüglich Holsteins von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Oldenburg bei der Bundesversammlung erhobenen Ansprüche keine anderen, als die des Gottorpischen Gesammthauses und können daher, abgesehen davon, daß die Cession dieser Ansprüche von Seiten der ältesten Gottorpischen Linie bis jetzt zwar behauptet, aber formell nicht nachgewiesen und von ­Seiten der zweiten Gottorpischen Linie nicht einmal behauptet ist, jedenfalls dem beantragten Beschlusse der hohen Bundesversammlung nicht mehr entgegenstehen, als dem Beschlusse vom 2. Juni v. J. Alle thätsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, nach welchen die Ansprüche des Gottorpischen Gesammthauses zu beurtheilen sind, waren schon vor dem 2. Juni v. J. genau dieselben und genau eben so bekannt wie jetzt, und wenn sie damals weder die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen, noch die hohe Bundesversammlung abhalten konnten, den Erbprinzen von Augustenburg für den bestberechtigten Erben zu erklären und dessen Anerkennung als gesichert zu bezeichnen, so können sie auch jetzt einem gleichen Ausspruche kein Hinderniß bereiten. Noch viel weniger wird dieß durch Ansprüche geschehen können, welche bisher bei der hohen Bundesversammlung gar nicht erhoben worden sind. Zu diesen Erwägungen tritt noch der sehr gewichtige Umstand hinzu, daß weder durch die Annahme des vorliegenden Antrages, noch durch die Er­ * M. s. die Beilage zu diesem Protokolle. [Votum des Königlich-Bayerischen Gesandten im Ausschusse für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit, die Erbfolge in den deutschen Herzogthümern betreffend; ProtDBV 1865, S. 113–173; veröffentlicht auch als Broschüre unter dem Titel: Votum des königlich bayerischen Bundestagsgesandten Freiherrn von der Pfordten über die Erbfolge in Schleswig-Holstein. Braunschweig 1864].

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füllung der darin ausgesprochenen vertrauensvollen Erwartung die rechtliche Geltendmachung von Ansprüchen anderer Bundesfürsten ausgeschlossen werden würde, indem vielmehr, wie bereits in der Motivirung des Antrages hervorgehoben ist, gerade erst durch die Anerkennung des Erbprinzen von Augustenburg als Mitglied des Bundes die Eröffnung des bundesrechtlichen Austrägalverfahrens möglich gemacht, und dadurch eine richterliche Entscheidung streitiger Fragen begründet werden würde, deren Möglichkeit unter den jetzigen Verhältnissen vollständig fehlt. Weit entfernt also, der auch von der Königlichen Regierung lebhaft gewünschten Verständigung den Raum zu versagen, bildet nach der Ueber­ zeugung der Königlichen Regierung die Annahme des vorliegenden Antrages den sichersten, wo nicht den einzigen Weg zur Verständigung unter allen denjenigen Factoren, ohne deren Mitwirkung eine befriedigende Lösung ­ rechtlich nicht möglich ist. Königreich Sachsen. Indem die Königlich-Sächsische Regierung auch bei der endlichen Abstimmung auf ihrem in Gemeinschaft mit der KöniglichBayerischen und der Großherzoglich-Hessischen Regierung am 27. v. M. eingebrachten Antrage beharrt, glaubt sie nur gegen die Vorwürfe der Ueberstürzung und der Nichtbeachtung der Rechte anderer Bundesfürsten, die ihr von einigen Seiten in der letzten Sitzung gemacht worden sind, sich verwahren zu müssen. Wenn eine Angelegenheit, wie die vorliegende, die das Interesse des deutschen Volkes, wie der Bundesregierungen in so hohem Grade in Anspruch nimmt schon seit mehr als einem Jahre bei der Bundesversammlung anhängig ist, ohne ihrer bundesmäßigen Lösung noch um einen Schritt näher gekommen zu sein, so ist der Wunsch gewiß ein billiger, dieselbe auf einem schnellen und doch möglichst sicheren Weg der Entscheidung zuzuführen. Die Königliche Regierung verzichtet darauf, den Ursachen nachzuforschen, welche es veranlaßten, daß die seit Ende 1863 anhängigen Ausschußberathungen, ungeachtet einer in Betracht des Umfanges des Materiales in verhältnißmäßig kurzer Zeit gelieferten gediegenen Arbeit des in den früheren Stadien dieser Angelegenheit mit dem Referate betrauten Mitgliedes, bis zum heutigen Tage, also nach länger als Jahresfrist, zu irgendwelchem Ergebnisse nicht geführt haben. Allein sie mußte in dieser Erfahrung, zu ihrem lebhaften Bedauern, die Erkenntniß schöpfen, daß die Bundesversammlung darauf hingewiesen sei, selbstständig auf Grund der von ihren Mitgliedern gewonnenen Ansicht nach Lage der Sache endlich einen Beschluß zu fassen. Ein solcher Beschluß ist es, welchen sie beantragt hat, und welcher, dafern der darin ausgesprochenen Erwartung Genüge geschähe, dem Wunsche der Herzogthümer auf baldige selbstständige Constituirung Erfüllung gewähren würde, ohne der definitiven Lösung der Rechtsfrage vorzugreifen, die viel-

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mehr in den bundesgesetzlichen Weg des Austrägalverfahrens gewiesen würde. Das Einschlagen dieses Weges, der zugleich eine factische Lösung und einen bundesrechtlich zulässigen Austrag in Aussicht nimmt, würde nicht als eine Ueberstürzung, sondern als eine natürliche Folge der bisherigen Behandlungsweise erscheinen, von deren längerer Dauer und weiteren Fortsetzung die Bundesregierungen sich eine Förderung der Sache weder in der einen, noch in der anderen Richtung zu versprechen hatten. Die Königliche Regierung kann daher auch die von der Königlich-Preussischen Regierung ausgesprochene Erwartung, die Bundesversammlung werde für alle erhobenen Ansprüche eine rechtliche Prüfung und gleichmäßige formelle Behandlung eintreten lassen, nur mit dem Hinweis auf diesen Verlauf erwiedern, was ihr namentlich um deßwillen zu aufrichtigem Bedauern gereicht, weil sie diese ihrer eigenen Ansicht entsprechende Auffassung der Dinge um so höher zu schätzen weiß, als jedenfalls eine der Bundesversammlung zugewiesene Prüfung auch das Recht endgültiger Entscheidung für dieselbe in sich schließt. Der Gesandte ist daher angewiesen, für den Antrag zu stimmen. Hannover. Der Gesandte ist von seiner hohen Regierung zunächst beauftragt, für den in der Sitzung vom 27. v. M. gestellten Antrag zu stimmen, daß der Antrag der höchsten Regierungen von Bayern, Sachsen und Großherzog­ thum Hessen zur geschäftlichen Behandlung an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit verwiesen werde. Eventuell ist er hinsichtlich des Antrages der genannten höchsten Regierungen selbst zu folgender Abstimmung angewiesen: Sowohl aus dem vorliegenden Antrage als auch aus dessen Motivirung geht hervor: die Anheimgabe, welche darin an die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen gerichtet ist, wird als eine bloße Consequenz der Voraussetzung aufgefaßt, daß der Erbprinz von Augustenburg der bestberech­ tigte unter den Prätendenten sei und demzufolge in den Besitz der Herzog­ thümer eingesetzt werden müsse. Der Antrag muthet also der hohen Bundesversammlung zu, sich jene Voraussetzung als Basis für die Rechtsfrage und für seine Weiterprocedur in der Angelegenheit anzueignen; gewissermaßen im Vorbeigehen soll dieselbe eine Entscheidung über die Nachfolge abgeben, welche dem Erbprinzen von Augustenburg das meiste Recht zuerkennt und die Ansprüche der anderen Prätendenten zurücksetzt. Ist dieß statthaft? Die Königliche Regierung glaubt es nicht, sondern sie hat die Ueberzeugung, daß ein Urtheil des hohen Bundestags in solcher Form und unter diesen Umständen abgegeben, die verfassungsmäßige Competenz des Bundes weit überschreiten, den Anforderungen der Gerechtigkeit widersprechen und auch aus dem Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit zu mißbilligen sein würde. Deßhalb stimmt sie gegen den Antrag.

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Es ist wohl klar, wenn der hohe Bundestag die Voraussetzung des Antrages adoptirt, so verfährt er der Sache und Wirkung nach richtend und entscheidend in einer Rechtsfrage; denn er legt dem einen Prätendenten die Meistberechtigung bei und spricht den Ansprüchen der anderen Prätendenten einen gleichen oder höheren Werth ab. Daß seine Thätigkeit dabei bloß Administrativjustiz, keine gerichtliche im engeren Sinne des Wortes ist, indem sie weder von einem wirklichen Gerichtshofe ausgeht, noch von den Formen des gerichtlichen Processes begleitet wird, hebt ihren richtenden Charakter nicht auf. Besitzt aber überhaupt der Bund eine Befugniß zur Entscheidung in Fragen über die Regierungsnachfolge? Mit Ausnahme des Falles, wo ein Austrägalverfahren statthaft ist – dieser Fall liegt jedoch hier nicht vor – hat er durch seine Grundgesetze keine Ermächtigung empfangen, Streitigkeiten über die Nachfolge an sich zu nehmen und darüber ein Urtheil zu fällen. Nur wenn die Frage über die Legitimation zu Sitz und Stimme in der Bundesversammlung an ihn gelangt, darf er zugleich die Frage über die Nachfolge erörtern, soweit sie die Grundlage für die Entscheidung jener ersteren Frage bildet. Und streng genommen soll die Legitimationsfrage erst dann von ihm in Angriff genommen werden, wenn der Streit mehrerer Prätendenten über die Nachfolge bereits durch eines der Mittel erledigt ist, welches festes Recht macht, und wenn ihm diese Erledigung in beweiskräftiger Form vorgelegt wird, sei es in Verzichten, Vergleichen compromissarischer Entscheidung oder Urtheil durch eine Austrägalinstanz. Gibt man aber selbst zu, daß der Bundestag unter außer­ordentlichen Umständen diese Schranke seiner Competenz überschreiten und die Legitimationsfrage ausnahmsweise in die Hand nehmen und sie zur Entscheidung bringe dürfe, obgleich der Streit über die Nachfolge noch unerledigt vorliegt, so steht doch über jeden Zweifel erhaben fest, daß er dann kein Recht besitzt, über die Legitimation oder über die strittige Nach­ folge ein Urtheil zu fällen, welches mittelbar oder unmittelbar eine Entscheidung in sich schließt, ohne daß er vorher beide Fragen in einem förmlichen, justizanalogen Verfahren gründlich und unparteiisch geprüft und das Resultat seinem Ausspruche zu Grunde gelegt hat. Die förmliche Untersuchung ist in diesem Falle eine nothwendige Consequenz der richtenden Wirksamkeit, welche sich der Bundestag außerordentlich in strittigen Rechtsfragen beilegt; sie ist eine Forderung der Gerechtigkeit. Auch in den Staaten pflegen die Eingriffe der sogenannten Administrativ­ justiz in die Rechtssphäre einigermaßen auf die Weise gesühnt zu werden, daß dieser Justiz für ihre Erörterung und Urtheile eine gerichtlich-analoge Procedur vorgeschrieben ist. Und in den wenigen Fällen, wo der Bund durch seine Verfassung wirklich ermächtigt worden ist, richtende Wirksamkeit auszuüben, hat er sich regelmäßig ein Verfahren vorgeschrieben, das nicht in den gewöhnlichen Formen seiner sonstigen Beschlüsse läuft, sondern gerichts­

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ähnlichen Charakter an sich trägt. Sein Austrägalverfahren und die Form, in welcher er nach dem Bundesbeschlusse vom 15. September 1842 die Beschwerden der vormaligen Reichsangehörigen über Rechtskränkung entscheidet7, liefern für das justizanaloge Verfahren bei seiner Administrativjustiz deutliche Vorgänge. Um viel weniger kann ihm erlaubt sein, in Streitigkeiten über die Nachfolge ohne förmliche und gründliche Prüfung entscheidende Aussprüche abzugeben, welche dem einen Prätendenten Rechte zusprechen und den anderen sie absprechen, während seine Befugniß zum Uebergriff in dieses Gebiet des Rechtes höchst problematischer Natur ist und sich kaum aus den Grundgesetzen des Bundes rechtfertigen läßt. Solche Aussprüche würden, nach Ansicht der Königlichen Regierung, weder den Namen eines Richterspruches, noch den einer rechtlichen Entscheidung verdienen, sondern nichts anders sein, als Willkür, parteiische Begünstigung des einen Prätendenten auf Unkosten der anderen, Maßregeln der Ansprüche jener zurückgesetzten Prätendenten. Vom Anfange des jetzigen Nachfolgestreites an wurde auch die Sache am hohen Bundestage so aufgefaßt, daß die Fragen der Legitimation und Nachfolge connex wären; daß ferner beide einer gründlichen Prüfung unterworfen werden müßten, ehe man zu einer Entscheidung schreiten dürfe; daß diese Prüfung die Basis alles Weiteren sei; und daß die Ansprüche der Prätendenten in ungetrennte Untersuchung zu nehmen wären und keine Entscheidungen ­erfolgen sollten, welche das Urtheil über den einen Prätendenten vorweg­ nehmen, während die Ansprüche der anderen Prätendenten ungeprüft und ­unentschieden zurückblieben. Die Verhandlungen am Bundestage seit dem November 1864 liefern hierfür die Belege. In der Sitzung vom 28. November 1863 trug zum Beispiel der KöniglichBayerische Herr Gesandte im Namen des Ausschusses vor: „Zu einer gründ­ lichen Prüfung so umfangreicher schwieriger Fragen“ (über die Nachfolge) „ist aber unverkennbar ein längerer Zeitraum erforderlich.“ Ferner: „Für die Holsteinische Stimme haben sich zwei Gesandte mit Vollmachten angemeldet, weil sich zwei Erbprätendenten für das Herzogthum gegenüberstehen. Wollte nun die hohe Bundesversammlung den einen dieser beiden Gesandten in ihrer Mitte zulassen, bevor sich dieselbe über die aus Anlaß des Bestritten­ seins der Erbfolge an sie herantretenden weiteren gewichtigen Fragen schlüssig gemacht hat, so würde sie unverkennbar nicht bloß dieser Entschließung präjudiciren, sondern auch die Gültigkeit aller ihrer Verhandlungen und Beschlüsse, an welchen dieser von ihr provisorisch zugelassene Gesandte Theil genommen hätte, in Frage stellen. Diese Gültigkeit würde mit Grund zu be7 Bundesbeschluß über die Revision des Austrägalverfahrens vom 15. September 1842; ProtDBV 1842, § 287, S. 638 f.

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streiten sein, wenn später der Vollmachtgeber dieses Gesandten sich nicht als der rechtmäßige Regierungsnachfolger in dem Herzogthume Holstein ergäbe. Es ist also ebenso eine Forderung der unparteiischen Gerechtigkeit gegen die beiden Erbprätendenten für das Herzogthum Holstein“ (Dänemark und Augustenburg) „als der Rücksichtnahme auf die Gültigkeit ihrer eigenen Verhandlungen und Beschlüsse, wenn die hohe Bundesversammlung vorerst keinen der beiden mit Vollmachten angemeldeten Gesandten zuläßt und die Führung der Stimme für Holstein suspendirt, bis sie sich darüber schlüssig machen kann, welche Vollmacht sie als gültig anerkennen kann.“8 Damals ging man also davon aus, daß keiner der Prätendenten zu begünstigen sein dürfe, bevor die Nachfolgefrage hinsichtlich aller Prätendenten entschieden sei, weil dieß die Entscheidung präjudicire und ein Act der Parteilichkeit und Ungerechtigkeit wäre. Die Königlich-Bayerische Regierung erklärte ferner am 7. December 18639: die Succession in den Elbherzogthümern sei „streitig geworden“; es wurde also zugegeben, daß ein Rechtsstreit über die Nachfolge zwischen dem Könige Christian und dem Erbprinzen vorläge; und diesen Vordersatz wiederholte dieselbe höchste Regierung in der Motivirung zu dem Antrage, welchen sie am 23. December 1863 einbrachte. Darin erklärte sie weiter: sie halte sich für verpflichtet, „ihrerseits darauf hinzuwirken, daß nunmehr die Frage der Erbfolge in den deutschen Herzogthümern unverweilt beim Bunde geprüft und entschieden werde, da … von der Lösung dieser Frage nicht bloß die Führung der suspendirten Stimme für Holstein und Lauenburg abhängt, sondern sich erst nach deren Entscheidung bestimmen lassen wird, welche verschiedenen Rechte hier zu wahren dem Bunde obliegt, und welche Mittel derselbe zu dem Schutze und der Geltendmachung dieser Rechte zu ergreifen hat.“ Die Königlich-Bayerische Regierung knüpfte daran den Antrag: „hohe Bundesversammlung wolle den Ausschuß … beauftragen, ohne weiteren Verzug die Frage der Erbfolge … eingehend zu prüfen und … das Ergebniß dieser Prüfung der Bundesversammlung vorzutragen.“10 Der Antrag wurde angenommen; er bildet noch heut’ zu Tage die Anordnung des hohen Bundestages, welche maßgebend ist für die Behandlung der Sache am Bunde; denn der Beschluß ist bis jetzt weder erfüllt, noch zurückgenommen oder abgeändert. Ebenso erklärte die Königlich-Württembergische Regierung in der Sitzung am 14. Januar 1864: „Die Königliche Regierung verkennt nicht, daß, nachdem einmal der König von Dänemark factisch im Besitze des Herzogthums Schleswig sich befindet, der Deutsche Bund, ehe und bevor über die Ansprüche anderer Prätendenten auf die Erbfolge in Holstein und   8 ProtDBV 1863, § 286, S. 575–578, Zitate S. 576, 577.   9 Siehe Dok. 97, S. 559. 10 ProtDBV 1863, § 309, S. 619.

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Schleswig irgend ein Bundesbeschluß gefaßt ist, nicht wohl für berechtigt erkannt werden kann, den König von Dänemark sofort aus jenem Besitze mit Waffengewalt zu verdrängen.“ Und die Großherzoglich-Badische Regierung sprach damals aus: „Nach dem Urtheile der Großherzoglichen Regierung wäre es gewiß der Anforderung von Billigkeit und Recht und zur Gewinnung einer sicheren Unterlage für weiteres Verfahren unerläßlich gewesen, die Le­ gitimationsfrage für das Bundesland Holstein zunächst und ohne Verzug zu beantworten.“11 In der Sitzung vom 11. Februar 1864 referirten ferner die Herren Gesandten von Oesterreich und Preussen in ihrem Separatvotum: „sie müssen sich entschieden gegen Erstattung des Gutachtens der Ausschußmajorität (das den Londoner Vertrag abgesondert behandelt hatte) in seiner jetzigen Gestalt aussprechen und zugleich als nothwendig bezeichnen, daß die dem Ausschusse durch die Bundesbeschlüsse vom 28. November und 23. December 1863 zur Prüfung zugewiesene Erbfolgefrage als ein ungetrenntes und nicht zu trennendes Ganzes zum Gegenstande der Berichtserstattung gemacht werde. Diese Forderung rechtfertigt sich, wie durch den Auftrag selbst, so dadurch, daß die Erbfolgefrage am deutschen Bundestage ihre Erledigung erst dann findet, wenn mit Wiederaufhebung der Suspension der Stimmführung für Holstein und Lauenburg die Vertretung beider Herzogthümer in der Bundesversammlung zugelassen und anerkannt wird, was durch vorläufige Ausscheidung einer einzelnen der hierbei in Betracht kommenden Fragen nicht gefördert, sondern nur aufgehalten werden kann.“ Ferner: der Bund habe die Erbfolgefrage „innerhalb seiner verfassungsmäßigen Competenz zu prüfen.“ Weiter: ob der König von Dänemark für Holstein nicht anzuerkennen wäre, würde „doch nur durch die rechtlichen Verhältnisse der Erbfolge selbst begründet werden können. Diese rechtlichen Verhältnisse sollen aber erst Gegenstand einer Prüfung Seitens des Deutschen Bundes werden, deren Ergebniß nicht bei der Einleitung vorwegzunehmen ist. Es kann von einem Vertrage (Londoner Vertrage) nicht behauptet werden, daß er die Rechte Dritter verletzt, bevor das Vorhandensein solcher Rechte nachgewiesen ist.“ Auch wird in jenem Vortrage ausgeführt, daß sich die Prüfung des Bundes vornehmlich mit auf die Gültigkeit des Thronfolgegesetzes von 1853, auf die Verzichte der Holsteinischen Agnaten und der Dänischen Cognaten und auf die Ansprüche des Gottorpischen Hauses bezüglich Holsteins zu richten habe, und daß die Competenz des Bundes in Nachfolgestreitigkeiten eine aus­ nahmsweise sei, welche bei dem Schweigen der Bundesgrundgesetze über diesen Punkt des besonderen Nachweises bedürfe, wenn sie Widerspruch ­erfährt.12 Und am 25. Februar 1864 stimmten die Herren Gesandten von 11 ProtDBV 1864, § 32, S. 32–40, Zitate S. 34. 12 ProtDBV 1864, § 63, S. 89–92.

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­ esterreich und Preussen dahin: „daß der Ausschuß zu einer BerichterstatO tung über die Successionsfrage selbst,“ (nicht bloß über den Londoner Vertrag) „namentlich darüber angewiesen werde, inwiefern die durch den Bundesbeschluß vom 17. September 1846 vorbehaltene Competenz des Bundes verfassungsmäßig begründet sei, und auf welchem Wege die Erbansprüche, unter Vortragung der betreffenden Rechtstitel und Ausführung der beidersei­ tigen Rechtsgründe in contradictorischem Verfahren, zur Erörterung gebracht werden könnten.“13 Von Seiten des Großherzoglich-Mecklenburgischen Herrn Gesandten wurde in der Sitzung vom 11. Februar 1864 bemerkt: „daß es eine an sich ungewöhnliche und in ihren Consequenzen bedenkliche ­Behandlungsform für die Lösung einer Rechtsfrage sei, wenn man über eine einzelne der möglicherweise für die Entscheidung in Betracht kommenden Rechtsquellen, ganz getrennt von der weiteren Erörterung der Frage, vorweg der Art aburtheilt, daß man sich durch Verwerfung derselben die Hände ­bindet. Ein Rechtsspruch und namentlich ein solcher, welcher wie der hier in Frage stehende einen positiven Inhalt haben muß und nicht mit einem „non liquet“ abschließen darf, muß, will er nicht von vornherein einen gewissen Schein der Parteilichkeit auf sich laden, ein Product der neben einander ­gestellten Abwägung aller für und wider sprechenden Momente sein… Die Aufgabe, welche dem Ausschusse gestellt ist, geht principaliter auf die E­rörterung und Feststellung der Erbfolgefrage“14, nicht auf Cognition eines bloßen Stückes derselben. Von Königlich-Bayerischer Seite wurde zwar durch den Antrag vom 12. März 186415 versucht, die Anerkennung des Prinzen von Augustenburg vom Bundestage abgesondert von Berücksichtigung der Ansprüche anderer Prätendenten zu erlangen und ohne daß vorher die Ansprüche der Prätendenten förmlich vom Bunde untersucht und darüber auch nur ein Bericht erstattet, geschweige eine Entscheidung ausgesprochen war; sie drang aber damit nicht durch. Damals erklärten die Herren Gesandten von Oesterreich und Preussen: Die Punkte, welche sie am 11. Februar für die Behandlung der Erbfolgefrage empfohlen hätten, wären im Ausschusse noch nicht der nöthigen Erörterung unterzogen worden. Ihre allerhöchsten Regierungen würden in dieser Hinsicht noch Vorlagen an den Ausschuß gelangen lassen. Deßhalb vermöchten sie diese Angelegenheit noch nicht als hinreichend vorbereitet für eine sachliche Abstimmung anzusehen, hätten vielmehr zu befürworten, daß die hohe Bundesversammlung zunächst dem thunlichst zu beschleunigenden Gutachten des Ausschusses entgegensehen wolle.

13 ProtDBV 1864, § 80, S. 113. 14 ProtDBV 1864, § 63, S. 92 f. 15 ProtDBV 1864, § 95, S. 142.

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Auch die Königliche Regierung, welche von Anfang an den Gesichtspunkt festgehalten hatte, daß der Bund ohne vorausgegangene förmliche Unter­ suchung der Rechtsfrage keine Entscheidung in der Sache abgeben dürfe, brachte damals ihre abweichende Ansicht motivirt zur Kenntniß der Königlich-Bayerischen Regierung. Und als später der hohe Bundestag wieder auf die Behandlung der Nachfolgefrage zurückkam, kehrte er zu dem Grundsatze zurück, von welchem gleich im Anfange ausgegangen war, daß nämlich die Ansprüche der mehreren Prätendenten neben einander und in gleichmäßiger Weise geprüft werden müßten. Der Ausschuß berichtete am 7. Juli v. J. „Um diese“ (Gottorpischen) „Ansprüche und ihr Verhältniß zu anderen bei der Succession angeblich gleich oder näher betheiligten Linien, insbesondere zu den schon vorhin angemeldeten Ansprüchen Seiner Durchlaucht des Erb­ prinzen Friedrich von Augustenburg, einer genaueren Prüfung unterziehen zu können,“ würde es dem berichtenden Ausschusse von Werth sein, die Darstellung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Oldenburg mitgetheilt zu erhalten.16 Auf dieser Grundlage erging die Einladung des hohen Bundestages an des Großherzogs Königliche Hoheit. Sie zeigte den Zweck einer genauen Prüfung auf der Linie gleicher Behandlung der Prätendenten augenscheinlich; von einer Bestberechtigung des Erbprinzen war keine Rede. Der vorliegende Antrag und jene Voraussetzung der Meistberechtigung des Erbprinzen von Augustenburg beachtet indeß, wie die Königliche Regierung meint, gar wenig die Normen, welche seither am Bunde für die Behandlung der Nachfolgefrage aufgestellt und beobachtet wurden: das Ende der Angelegenheit vergißt, wie es scheint, seinen Anfang. In Bezug auf Schleswig und Holstein stehen nämlich gegenwärtig die bereits angemeldeten Ansprüche des Erbprinzen von Augustenburg und des Großherzogs von Oldenburg vor dem Bunde und fordern Beachtung. Dabei sind durch den Wiener Frieden Oesterreich und Preussen in die Rechte des Königs Christian IX. eingetreten, welcher anfänglich der einzige Prätendent neben dem Prinzen von Augustenburg war. Sind nun die Ansprüche des Erbprinzen von Augustenburg inmittelst am Bundestage in einem förmlichen Verfahren geprüft und ist darüber entschieden worden? Wurde ein alleiniges oder bestes Recht des Prinzen in unparteiischer und gründlicher Untersuchung am Bunde ermittelt? Er stützt seinen Anspruch auf eine Cession seines Herzoglichen Vaters; dieser konnte natürlich nicht mehr Recht übertragen, als er selbst besaß; wo fand aber am Bundestage eine sorgfältige und förmliche Erörterung der Rechte statt, welche der Herzog Christian von Augustenburg in Bezug auf die Nachfolge in Anspruch nehmen darf? Eben so wenig sind die Ansprüche, welche Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Olden16 ProtDBV 1864, § 194, S. 368.

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burg erhoben hat, oder diejenigen der Kaiserlich-Russischen Linie, von ­welcher der Großherzog seine Ansprüche ableitet, in Untersuchung gezogen worden. Und eine Prüfung der Rechte, welche für König Christian aus dem Thronfolgegesetze von 1853 und den dazu gehörigen agnatischen und cognatischen Consensen folgen und gegenwärtig wieder in Frage kommen für ­Oesterreich und Preussen aus jener Cession im Wiener Frieden, ist am Bundestage noch kaum versucht, geschweige ausgeführt worden. So liegt also gegenwärtig die Nachfolgefrage am Bunde gerade so unerörtert und zu einer sachlichen Abstimmung eben so wenig vorbereitet, wie im Frühjahr des verflossenen Jahres, und die Bundesbeschlüsse, welche jene Frage dem Ausschusse zu gründlicher und formaler Prüfung zuwiesen, besitzen noch immer ihre Geltung und harren der Ausführung. Die Königliche Regierung kann daher nur bedauern, wenn, trotz dieser rechtlichen und formellen Lage der Nachfolgeangelegenheit, durch den gegenwärtigen Antrag der Versuch gemacht wird, den hohen Bundestag zur ­Adoption einer Rechtsansicht zu veranlassen, welche eine mittelbare Entscheidung über die Nachfolge enthält, aber mit der Legitimationsfrage in ­keine Verbindung gebracht wurde, kein Ergebniß einer gründlichen Prüfung der Ansprüche aller Prätendenten ist und die Prätensionen des Erbprinzen aus dem Ganzen, worin die Ansprüche aller Prätendenten behandelt werden sollen, herausnimmt und ihnen eine begünstigte Stellung zuweist. Sie hält dieses Verfahren der Verfassung und dem Rechte des Bundes widersprechend. Auch vermag sie keinen rechtlichen Grund für die Zumuthung zu entdecken, welche den beiden deutschen Großmächten durch den Antrag gemacht wird, daß sie den Besitz von Holstein dem Erbprinzen abtreten sollen, ohne daß durch eine competente Instanz bereits endgültig für das alleinige Nachfolgerecht des Prinzen entschieden ist. Haben sie nicht durch die Cession des Königs Christian einen rechtlichen Erwerbstitel in der Hand und befinden sie sich nicht anerkannt im factischen Besitze? Ist der Bund nicht verpflichtet, den jüngsten Besitz bis zum völligen Austrage der Rechtsfrage zu schützen? Besaß nicht selbst König Christian einen Anspruch auf Schutz seines Besitzes, nachdem er diesen einmal erlangt hatte, und wurde er nicht zu seiner Zeit nur deßhalb depossedirt, weil er die Verpflichtungen von 1851/52 nicht erfüllte? Der Antrag, wenn er durchginge, würde aber noch andere Unzuträglichkeiten erzeugen. Wahrscheinlich erfolgte dadurch eine Abtrennung Schleswigs hinsichtlich der Nachfolge, wenn eine besondere Einsetzung in Holstein stattfände. Freilich erklärt die Motivirung des Antrages: die unzertrennliche Verbindung Holsteins mit Schleswig sei auf deutscher Seite nie in Zweifel ge­ zogen und könne gegenwärtig keiner Anfechtung mehr unterliegen. Dieser Annahme liegt aber, wie es scheint, ein historischer Irrthum zu Grunde. Bei den Vereinbarungen von 1851/52 wurde keineswegs von der Voraussetzung

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ausgegangen, daß Schleswig und Holstein dasselbe Nachfolgerecht hätten und schwerlich kann man mit Recht behaupten, in der Zeit von 1852 bis 1863 sei allgemein angenommen worden, daß vor dem Thronfolgegesetze von 1853 und ohne dieses eine Untrennbarkeit der beiden Herzogthümer hinsichtlich der Succession Rechtens gewesen wäre. Selbst das läßt sich nicht einmal nachweisen, daß der Bundesvorbehalt vom 17. September 184617 die ­Gemeinschaftlichkeit des Nachfolgerechtes in beiden Herzogthümern zum ­Gesichtspunkte gehabt hätte. Es besteht also keine ganz feste Sicherheit, daß ­jener Satz von der Unzertrennbarkeit beider Herzogthümer praktisch durchdringt. Es würde ferner zu befürchten sein, daß, wenn jetzt der Erbprinz eingesetzt und Bundesglied würde, später aber sich bei der bis jetzt noch nicht vorgenommenen Rechtsprüfung herausstellte, daß er nicht der recht­ mäßige Regierungsnachfolger ist, mit Grund die Gültigkeit aller seiner Regierungshandlungen und der Bundesbeschlüsse bestritten werden könnte, bei denen er mitstimmte; der Königlich-Bayerische Herr Gesandte hatte diese Gefahr in seinem Vortrage vom 28. November 1863 sehr treffend nachgewiesen.18 Auch kann es nicht fehlen, daß leicht in den Herzogthümern Verwirrung des Rechtsbewußtseins und unsichere wirre Zustände entstehen, wenn jetzt der Erbprinz eingesetzt wird, aber den anderen Prätendenten vorbehalten bleibt, ein besseres Recht ihm gegenüber nachzuweisen und dann statt seiner in die Regierung zu gelangen. Schließlich erlaubt sich die Königliche Regierung noch einige Bemerkungen gegen die Motivirung des eingebrachten Antrags. Darin wird behauptet: Oesterreich und Preussen beabsichtigen die Herzogthümer dem rechtmäßigen Regierungsnachfolger auszuantworten. Haben sie aber auch die Absicht erklärt, für rechtmäßige Nachfolge anzunehmen, was ihnen ohne vorausgegangene sorgsame und unparteiische Prüfung der Nachfolgefrage etwa durch einen Majoritätsbeschluß auferlegt würde? 17 Am 17. September 1846 hatte die Bundesversammlung über eine Eingabe verhandelt, die die Provinzialstände des Herzogtums Holstein am 3. August 1846 eingereicht hatten, und in der sie Beschwerde gegen die angebliche Einschränlung ihrer landständischen Rechte durch die dänische Regierung erhoben. In ihrem Beschluß zollte die Bundesversammlung zwar den „patriotischen Gesinnungen“ ihre Anerkennung, stellte aber fest: „Indem die Bundesversammlung, als Organ des Deutschen Bundes, sich die Geltgendmachung ihrer verfassungsmäßigen Competenz in vorkommenden Fällen vorbehält, spricht sie sich dahin aus, daß sie in den Ständen des Herzogthums Holstein dem Bunde gegenüber nicht die gesetzlichen Vertreter dieses Bundesstaats, sondern nur die Vertreter ihrer verfassungsmäßigen Rechte erkennt, und eben so wenig eine Beschwerde der Ständeversammlung über verfassungswidrige Ab­ änderung der landständischen Verfassung Holsteins für begründet erachtet“; ProtDBV 1846, § 265, S. 711. 18 ProtDBV 1863, § 286, S. 575–578.

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Kaum kann ferner die Königliche Regierung zugeben, was die Motivirung behauptet, daß am hohen Bundestage glücklich auf eine baldmöglichste Lösung der obschwebenden Frage hingearbeitet worden wäre. Gründliche und unparteiische Prüfung der Rechtsfrage war und ist noch jetzt die Grundlage der Lösung, ohne Feststellung der Frage, wer rechtmäßiger Eigenthümer der Herzogthümer ist, weiß der Bundestag kaum selbst, worin sein Recht gegenüber der Nachfolgefrage besteht. Gerade aber diese Prüfung und Feststellung in gehöriger Form wurde am hohen Bundestage von Anfang an sehr wenig eifrig und emsig betrieben und gerieth endlich ganz in’s Stocken. Und selbst in diesem Augenblicke schlägt man noch nicht den nächsten Weg zur Lösung ein, sondern umgeht wiederum die Untersuchung jener unerläßlichen Vorfrage. Die Motivirung rechnet freilich so, daß eine förmliche Prüfung zu lange dauern und daraus Unsicherheit der Verhältnisse in Deutschland entstände, obschon sie gleichzeitig die endgültige Erledigung auf ein Austrägalverfahren verweist, welches noch längere Zeit kostet. Würde aber nicht längst die Rechtsfrage am Bunde entschieden sein, wenn man mit Ernst und Umsicht gleich von Beginn des Streites an auf dieses Ziel losgesteuert wäre und sich nicht in Nebenfragen ergangen hätte, z. B. in der Discussion des Londoner Vertrages? Und wird etwa Sicherheit der rechtlichen Verhältnisse in Deutschland und in den Herzogthümern kommen, wenn jetzt eine halbe Abmachung der Nachfolgefrage erfolgt, aber wiederum ohne vorausgegangene gehörige Prüfung, also auf losem, schwankendem Boden? Auch hält die Königliche Regierung den Schluß für sehr gewagt, welchen die Motivirung macht: weil kein Gerichtshof bestehe, welcher competent wäre, die Nachfolgefrage zu entscheiden, so sei die Bundesversammlung berufen, sich darüber schlüssig zu machen, welchen Prätendenten sie als best­ berechtigten erachte. Wo in den Grundgesetzen des Bundes ist diesem das Recht verliehen, als Substitut in die Nachfolgestreitigkeiten einzugreifen und mit entscheidender Wirksamkeit über die Nachfolge Beschlüsse zu fassen, weil in einem besonderen Falle die Austrägalinstanz nicht anwendbar ist? Und wo ist dem Bundestage erlaubt oder er verpflichtet worden, die Bestberechtigung als besonderes Stück aus der Rechtsuntersuchung herauszuheben und sich nur hinsichtlich des Bestberechtigten schlüssig zu machen, dagegen aber die rechtliche Begründung der Ansprüche der anderen Prätendenten bei Seite liegen zu lassen und sie erst einmal zu ignoriren? Doch es wurde schon oben über die Competenz des Bundes bezüglich der Nachfolgefrage gesprochen. Merkwürdig bleibt aber immer, daß, wenn früher am Bundestage von Schlüssigmachen in der Nachfolgefrage geredet wurde, bis etwa März v. J. stets dabei vorausgesetzt war, daß der Beschluß nur Resultat einer vorausgegangenen sorgfältigen Prüfung am Bunde sein könne. Erst später tauchte die Ansicht auf und wurde von einigen Seiten empfohlen, der Bun-

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destag dürfe über die Nachfolge auch sachliche Beschlüsse fassen ohne vorgängige rechtliche Untersuchung. Meinten sie vielleicht, wie es die Motivirung zu thun scheint, daß jenes Rohmaterial von Ausführungen der streitenden Parteien, welches nach und nach am Bundestage zusammengehäuft ist, die förmliche Prüfung ersetzt hat? Eben so wenig vermag die Königliche Regierung einen Grund für die Einsetzung des Erbprinzen darin zu finden, wie es die Motivirung thut, daß der Bund und die Bundesglieder ein Recht besäßen, die suspendirte Holstein-Lauenburgische Stimme wieder am Bunde fungiren zu sehen. Hat die Motivirung vergessen, weßhalb diese Stimme suspendirt wurde? Weil der Bundestag noch nicht darüber entschieden hatte, wer rechtlicher Nachfolger in den Herzogthümern sei. Die Königliche Regierung hat oben angeführt, was damals die Königlich-Bayerische Regierung darüber vortrug. Außerdem ruht die zehnte Stimme nicht bloß auf Holstein, sondern zugleich auf Lauenburg; da indeß der Erbprinz von Augustenburg nicht den geringsten Anspruch auf Lauenburg besitzt, so kann ihm jene Stimme mit Recht nicht dadurch werden, daß er in Holstein eingesetzt wird. Endlich, warum sollten die gegenwärtigen Besitzer nicht jene Stimme führen können, wenn ihre Führung so nothwendig erscheint? Sie haben voraus, daß sie Holstein und Lauenburg besitzen. Und wenn die endgültige Entscheidung über das Eigenthum von den Herzogthümern vorbehalten werden soll bei der Einsetzung des Prinzen, also die Stimme auf Grund des bloßen Be­ sitzes verliehen wird, so kann der Bundestag die Stimme eben so gut den jetzigen Besitzern zusprechen. Auch darin kann die Königliche Regierung keine Rechtfertigung für die Einsetzung des Prinzen finden, daß auf der Londoner Conferenz erklärt wurde, der Prinz wäre der Meistberechtigte. Weder der Bund noch die deutschen Großmächte besaßen ein Recht, eine solche Erklärung mit rechtlicher Wirkung abzugeben, ohne daß vorher am Bunde die Nachfolgefrage gehörig geprüft und in bundesverfassungsmäßiger Form entschieden war. Wodurch hätten sie das Recht bekommen, in London über die Ansprüche Dritter zu disponiren? Außerdem ist die Londoner Conferenz resultatlos verlaufen; die dort abgegebenen Erklärungen haben also keinen praktischen Werth erhalten. Und der hohe Bundestag selbst ist seit der Londoner Conferenz auf jene correcte Basis und auf die Absicht zurückgegangen, die Ansprüche aller Prätendenten sorgsam zu prüfen, ohne einen Prätendenten als bestberechtigten vorauszusetzen. Auch traten Oesterreich und Preussen durch den Wiener Frieden in die Ansprüche des Königs Christian ein und bedungen sich das Recht aus, über die Herzogthümer disponiren zu können, was mit einer Bestberechtigung des Erbprinzen schwerlich vereinbar ist. Jene Erklärung hatte also schon zur Zeit ihrer Abgabe keine rechtliche Wirkung und verlor auch ihre moralische Bedeutung durch die Umstände, welche ihr folgten.

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Endlich ist es der Königlichen Regierung unmöglich, wie die Motivirung es thut, eine Wahrung der Gerechtigkeit für die zurückgesetzten Prätendenten darin zu finden, daß ihnen das Austrägalverfahren offen bleiben soll, nachdem der Prinz in den Besitz gesetzt ist. Sie haben ein Recht darauf, daß ihre Ansprüche gleichzeitig mit den Augustenburgischen Prätensionen geprüft und darüber entschieden und nicht die letzteren ohne vorausgegangene Prüfung für die bestberechtigten erklärt und praktische Begünstigungen auf diesen Ausspruch gepfropft werden. Auch ist es klar, daß, wenn die Ansprüche der anderen Prätendenten in das petitorium verwiesen werden, nachdem der Erbprinz als Bestberechtigter in das possessorium gesetzt ist, dieß gleiche Bedeutung hat mit dem leeren Nachsehen. Und in welche sonderbare Lage geräth der Bund, wenn jetzt der Prinz auf Basis der Meistberechtigung eingesetzt wird, er aber ihn später als Beklagten und Rechtskränkenden bei der Vermittlung und bei der Austrägalinstanz behandeln und möglicherweise Execution wider ihn verhängen soll, nachdem er ihn vorher für den Bestberechtigten erklärt hätte. Genug! Die Gründe, mit welchen die Motivirung des Antrages zu beweisen sucht, daß der Erbprinz von Augustenburg ohne vorausgegangene förmliche Untersuchung und Entscheidung am Bunde als der Bestberechtigte angesehen und behandelt und in den Besitz der Herzogthümer eingesetzt werden müsse, erscheinen der Königlichen Regierung wenig zutreffend. Sie hält daran fest, wovon der hohe Bundestag beim Beginne des Streites ausging, daß nur eine rechtliche und förmliche Prüfung der Ansprüche aller Prätendenten und eine darauf gebaute Entscheidung zu einer gedeihlichen Lösung der Schleswig-Holsteinischen Frage führen kann. Ohne eine solche Basis sind alle Schritte des Bundes schädliche Palliative und führen, wie der vorliegende Antrag zeigt, zu Ueberschreitungen der Bundescompetenz und zu ungerechten Maßregeln. Württemberg. Der substituirte Gesandte stimmt dem gestellten Antrage bei. Baden. Der Großherzogliche Gesandte ist angewiesen, zu erklären: Die Großherzogliche Regierung hat von dem frühesten Versuche Dänemarks an, durch Veränderung der Thronfolgeordnung einer Theilung der Monarchie nach Aussterben des Dänischen Königshauses zuvorzukommen, unwandelbar die gleiche Stellung eingehalten. Durch lange Jahre hindurch befand sie sich dabei in voller Uebereinstimmung mit ihren hohen Mitverbündeten. In den ungünstigen Zeitverhältnissen, welche einen neu überwundenen Versuch des Eingehens auf den Grundgedanken Dänischer Hauspolitik im Londoner Vertrag gebracht hatten, stand die Großherzogliche Regierung fast allein für diese ihre immer gleiche Ueberzeugung. Es ging dieselbe dahin, daß das Staatsrecht der Herzogthümer die Thronfolge im Mannsstamme des Oldenburgischen Hauses geordnet habe und daß

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diese im regelmäßigen Erbgange auf Herzog Friedrich VIII. von SchleswigHolstein-Sonderburg-Augustenburg führe. In diesem Fürsten hat nach dem Hinscheiden des letzten Königs-Herzogs Oldenburgischen Stammes die Großherzogliche Regierung daher den rechtmäßigen Erben und Fürsten über beide Herzogthümer anerkannt. Einsprachen gegen das Recht des Augustenburgischen Hauses lagen dem Bunde damals nicht vor. Die Ansprüche, welche sich auf die politische Transaction des Londoner Vertrages stützten, hatte die Großherzogliche Regierung, die demselben fern geblieben war, nicht zu berücksichtigen. Dieß um so weniger, als niemals Aussicht war, daß es die Bedeutung einer vollendeten Thatsache gewinnen könnte. Erkannte sie einmal in Herzog Friedrich den legitimen Thronerben, so befindet sie sich nun nicht in der Lage, einem Antrage entgegenzutreten, welcher den Wunsch enthält, es möchten auch die beiden hohen Regierungen von Oesterreich und Preussen zu der Ueberzeugung kommen, dem Herzoge Friedrich die Regierung, wenn auch nur des Herzogthums Holstein zu übergeben. Sie kann dieß um so weniger, als kein inzwischen erhobener und der Großherzoglichen Regierung in seiner Begründung bereits bekannt gewordener ­Anspruch nach genauer Prüfung das Recht der Augustenburgischen ältesten ­Linie, ihrer Ansicht nach, irgend zu erschüttern vermocht hat, und als dem Herzog Friedrich inzwischen auch die unzweideutige Unterstützung der Holsteinischen Bevölkerung zu Theil worden ist, welche bei Entscheidung des ganzen künftigen Geschickes der Herzogthümer nicht umgangen werden darf. Wenn nämlich irgend eine letzte Instanz zur Entscheidung einer streitigen Thronerbfolge der Herzogthümer gefunden werden will, so wird diese nicht in dem Bunde und seinen richterlichen Organen, auch nicht wohl in einem Austrägalgerichte, sondern ganz allein in den politischen Factoren des Landes selbst zu suchen sein, über dessen Geschicke verfügt werden soll, und es werden diese auf Grund des bestehenden Staatsrechtes zu entscheiden haben. Die Aufgabe des Bundes könnte allein dahin gehen, für den regelmäßigen Verlauf dieser hausgesetzlichen und verfassungsmäßigen Thätigkeit von Agnaten und Ständen besorgt zu sein. Nach dem Ergebnisse derselben würde der Bund nur noch bei Annahme des Herzoglichen Gesandten hervorzutreten veranlaßt sein dürfen. Demgemäß berufen und verpflichtet, sich ein eigenes Urtheil über die rechtliche Lage außerhalb der hohen Bundesversammlung zu bilden, hat die Großherzogliche Regierung dabei keineswegs die Bedeutung der Vorgänge verkannt, welche nach einem glänzenden Feldzuge zu einem Frieden geführt haben, der die Herzogthümer aus der Beherrschung eines unberechtigten Unterdrückers in die Verwaltung der deutschen Großmächte gebracht hat.

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Sie wünscht, daß den politischen Momenten, welche dadurch geschaffen worden sind, Seitens des Herzogs Friedrich und der Stände der Herzogthümer in vollem Maße Rechnung getragen werde, wie die Großherzogliche Regierung ihrerseits es zu thun bereit ist. Es kann dieß in einer Weise geschehen, welche das Landesrecht unbeeinträchtigt läßt. Schleswig-Holstein – ward gleich ein opfervoller Krieg um dasselbe gekämpft – ist dennoch kein erobertes, es ist ein befreites, zu seinem Recht gebrachtes Land. Wie groß die Pflicht der Dankbarkeit auch sei, welche für dessen Fürst, welche für die Bevölkerung der Herzogthümer, welche für Deutschland aus den Erfolgen der Preussischen und Oesterreichischen Truppen erwachsen ist, – die dem Rechte des Landes entsprechende Ordnung der Geschicke der Herzogthümer bleibt nicht weniger die einzig mögliche Lösung. Auf Grundlage derselben mögen sich die Einrichtungen verwirklichen, welche im Interesse der Sicherheit der deutschen Grenzen im Norden, zur Entwicklung einer kräftigen Marine und für Ausbildung der Verkehrsverhältnisse zu Land und See getroffen werden müssen. Wenn ein die Summe dieser Einrichtungen formulirender sachgemäßer und billiger Vorschlag durch beide hohe Regierungen von Oesterreich und Preussen an die letztentscheidenden politischen Factoren der Herzogthümer, Fürst und Stände, gelangt, so wird deren Zustimmung nicht zweifelhaft sein, und auch hohe Bundesversammlung dürfte keinen Anstand nehmen, der Abrede der beiden hohen Regierungen sich anzuschließen. Indem die Großherzogliche Regierung sich daher dem Ausdrucke der vertrauensvollen Erwartung anschließt, den der Antrag der hohen Regierungen von Bayern, Sachsen und Hessen zu Gunsten baldiger Lösung der schwebenden Frage enthält, kann sie nicht unterlassen, die Hoffnung beizufügen, daß es der maßhaltenden Billigkeit der die Herzogthümer im Besitze haltenden hohen Regierungen gelingen möge, durch vorgängige Verhandlungen über die Bedingungen, deren Herstellung im Interesse Deutschlands von der künftigen Herzoglichen Regierung gewünscht werden muß, die Erfüllung dieser Erwartung zu erleichtern. Kurhessen. Die Kurfürstliche Regierung hat sich bereits mehrfach darüber erklärt, daß sie es als die Aufgabe der hohen Bundesversammlung erkenne, eine Erledigung der Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit auf der Basis des Rechtes, mithin unter Wahrung aller durch die Verpflichtung einer gründlichen und gerechten Entscheidung über die Erbfolgefrage gebotenen Rücksichten jedoch sobald als thunlich herbeizuführen, und sie würde diesem ­ihrem Standpunkte zufolge gegen einen Antrag nichts zu erinnern finden, der bezweckte, die darüber schwebenden Verhandlungen von Neuem in Anre-

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gung zu bringen und eine nunmehrige Lösung der Frage im Wege des Rechtes zu veranlassen. Im Hinblick aber auf den Umstand, daß der vorliegende Antrag weit hierüber hinausgeht, indem er eine Ueberweisung des Herzogthums Holstein an den Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg zu eigener Verwaltung vorschlägt, ohne daß bis jetzt eine geschäftsordnungsmäßige Berichterstattung im Schooße der hohen Bundesversammlung über dessen Erbberechtigung stattgefunden hätte, daß zudem der Erbprinz nicht als der einzige Prätendent seine Erbansprüche bei hoher Bundesversammlung geltend gemacht hat, sondern neben ihm noch mehrere andere Prätendenten aufgetreten sind, daß namentlich noch auf die am 7. Juli v. J. Seitens des Großherzogs von Oldenburg erfolgte Anmeldung seiner respectiven Ansprüche19 von der hohen Bundesversammlung an diesen, sowie an den Erbprinzen von Augustenburg die Einladung ergangen ist, für diese ihre Ansprüche die erforderlichen Nachweisungen beizubringen und in Folge dessen am 1. September bezw. 3. November v. J. darauf zielende umfassende Vorlagen Seitens der Betheiligten erfolgt sind20, eine Berichterstattung des unter Zufertigung dieses Materials mit der Begutachtung beauftragten Ausschusses aber nicht umgangen werden kann, und so sehr auch eine einzelne Regierung von der größeren Berechtigung eines der aufgetretenen Prätendenten überzeugt sein mag, in dieser Annahme unter den dermaligen Verhältnissen des Herzogthums nicht die Berechtigung gefunden werden kann, eine Entscheidung zu Gunsten des angenommenermaßen meistberechtigten Prätendenten zu treffen und dadurch der jedem der anderen Prätendenten gegenüber in gleichem Grade schuldigen Prüfung seiner Rechtsansprüche vorzugreifen, übrigens auch, was Lauenburg anlangt, es nicht motivirt erscheint, weßhalb bezüglich dieses Landes[t]heils eine so verschiedene Behandlungsweise durch den Antrag intendirt ist, hat die Kurfürstliche Regierung durch die Erwägungen der antragstellenden hohen Regierungen sich nicht bestimmen lassen können, für eine der geschäftsordnungsmäßigen Erledigung vorgreifende Entscheidung sich zu erklären. Die Kurfürstliche Regierung muß daher zunächst wiederholt dafür, daß der gestellte Antrag dem Ausschusse zu überweisen sei, eventuell aber gegen die Annahme des gestellten Antrages stimmen. Großherzogthum Hessen. Indem der Gesandte für den von der Großherzoglichen Regierung in Gemeinschaft mit den Königlichen Regierungen von Bayern und Sachsen gestellten Antrag stimmt, hat er auf die demselben vorausgeschickten Motive im Allgemeinen Bezug zu nehmen. Zugleich ist er angewiesen, gegenüber den Einwänden, mit welchen der Königlich-Preussische Herr 19 ProtDBV 1864, § 194, S. 367–369. 20 Ebd, S. 490a–490ww, 535–770.

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Gesandte am Schlusse seines in der vorigen Sitzung abgegebenen Votums dem Antrage entgegengetreten ist, noch insbesondere hervorzuheben, daß nach ­Ansicht der Großherzoglichen Regierung ein Mangel an Rücksicht für die ­Ansprüche deutscher Bundesfürsten schon um deßwillen in dem vorliegenden Antrage nicht gefunden werden kann, weil – wie unter Ziffer 4 der Motive des Antrages ausdrücklich erwähnt wird – durch Einsetzung des Erbprinzen von Augustenburg in die Regierung des Herzogthums Holstein die rechtliche Verfolgung anderer Ansprüche keineswegs abgeschnitten, vielmehr solchen ­Ansprüchen der Weg eines bundesgesetzlichen Austrages erst eröffnet werden würde. Auch vermag die Großherzogliche Regierung in dem Antrage kein Hinderniß für eine im allseitigen Interesse allerdings wünschenswerthe Ver­ ständigung zu erblicken, da bei einer solchen Verständigung doch nothwendig auch die Herzogthümer selbst vertreten sein müßten und der vorliegende Antrag eben gerade das den bisherigen Verhandlungen entsprechendste Mittel bezeichnet, eine selbstständige Vertretung der Herzogthümer herbeizuführen. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte enthält sich der Abstimmung. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der Gesandte hat für die Curie dem Antrage zuzustimmen, ohne indeß sich allenthalben an die jenem Antrage vorausgeschickten Erwägungen anzuschließen. In dieser ­ Beziehung ist namentlich für die Großherzoglich-Sächsische und für die ­ ­Herzoglich-Sachsen-Coburg-Gothaische Regierung Folgendes zu erklären: Die möglichst schleunige Erledigung der Erbfolgefrage in den Elbherzog­ thümern erscheint den genannten beiden Staatsregierungen als ein dringendes Gebot ebensowohl derjenigen Rücksichten, welche die Herzogthümer selbst in Anspruch nehmen dürfen, als derjenigen Rücksichten, welche die Wahrung deutschen Rechtes erfordert. Ist es der Bundesversammlung bisher nicht möglich gemacht worden, auf dem Grunde eines Ausschußberichtes über die verschiedenen hierbei in Betracht kommenden Rechtsansprüche in den Grenzen ihrer Competenz einen Ausspruch zu thun, so mag dieß beklagt werden. Aber die genannten beiden Staatsregierungen haben nicht geglaubt, sich deßhalb ihrer Plicht der eigenen selbstständigen Prüfung dieser Ansprüche entschlagen zu dürfen. Sie haben in dessen Folge die rechtliche Ueberzeugung gewonnen, daß zur Zeit und so lange nicht bessere Rechte nachgewiesen werden, die Regierungsnachfolge in den Herzogthümern Holstein und Schleswig dem Herzoglichen Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg und in diesem dem Erbprinzen Friedrich zustehe. Sie erachten es daher um so mehr gerechtfertigt, wenn dem Erbprinzen Friedrich mit Vorbehalt besserer Rechte Dritter die Regierung der gedachten Herzogthümer übergeben wird, als dieß mit der bisher lautgewordenen rechtlichen Ueberzeugung der letzteren übereinstimmt, den im Eingang gedachten Rücksichten auf solche Weise

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möglichst entsprochen, endlich nur hierdurch die bundesverfassungsmäßige Erledigung der bereits angemeldeten oder etwa noch anzumeldenden Successionsansprüche möglich gemacht wird. Die Hoffnung, daß ein Vorschreiten der deutschen Großmächte in der angedeuteten Richtung den vorhandenen schweren Conflict in glücklicher Weise lösen werde, erachten die beiden Staatsregierungen aber allerdings nur in der Erwartung für wohlbegründet, daß die Rücksichten auf das formelle Recht nicht über die Rücksichten auf das materielle Bedürfniß gestellt werden, und daß in dessen Folge Preussen in den mehrerwähnten Herzogthümern, soweit überhaupt nöthig unter Zustimmung des Bundes, Rechte eingeräumt werden, welche den ihm zufallenden Pflichten gegen diese Länder, sowie den wohlverstandenen Interessen der letzteren und Deutschlands entsprechen. Indem die beiden Regierungen schließlich, was das Herzogthum Lauenburg betrifft, auf die von ihnen bereits angemeldeten eigenen Ansprüche verweisen und dieselben hierdurch ausdrücklich wahren, stimmen dieselben in Erwägung der obgedachten Gründe und mit Bezug auf die ausgesprochene Erwartung dem gestellten Antrage bei. Auch die Herzoglich-Sachsen-Meiningen’sche Regierung will bezüglich Lauenburgs die angemeldeten Ansprüche aufrecht erhalten wissen. Für die Herzoglich-Sachsen-Altenburgische Regierung hat der Gesandte folgende Separaterklärung zu Protokoll zu geben: Die Herzogliche Regierung hat in der 10. Bundestags-Sitzung für die Verweisung des vorliegenden Antrages an den betreffenden Ausschuß gestimmt, weil sie in diesem Antrage nur das Verlangen der Regulirung eines Besitzstandes in den Herzogthümern Schleswig und Holstein für die Dauer des schwebenden Successionsstreites zu erblicken vermochte, ihr aber die Regulirung eines solchen Provisoriums ohne vorgängige, mindestens vorläufige Erörterung der neben den Ansprüchen des hohen Holstein-Augustenburgischen Hauses bei hoher Bundesversammlung angemeldeten und bescheinigten Rechtsansprüche des hohen Oldenburgischen Hauses dem Grundsatze der Rechtsgleichheit nicht zu entsprechen schien, ihr ferner eine besondere äußere politische Nöthigung zu einer so beschleunigten Regulirung eines neuen Provisoriums nicht erkennbar war und sie es für gerathen erachten mußte, daß wenn ein neues Provisorium geschaffen werden solle, dann auch schon für die Dauer desselben diejenigen militärischen und sonstigen Garantien ­erwogen und festgestellt würden, ohne welche die dauernde Befreiung der Herzogthümer von fremdem Joche und die Festhaltung der durch den letzten glücklichen Krieg für Gesammtdeutschland errungenen maritimen Vortheile in keiner Weise gesichert erscheinen. Aus denselben Gründen vermag die Herzogliche Regierung sich auch jetzt dem Antrage, so wie er gestellt ist, nicht anzuschließen, würde aber auch jetzt

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noch der Verweisung desselben an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit gern zustimmen, indem sie auch ihrerseits eine noch lange Dauer des gegenwärtigen provisorischen Zustandes im Interesse der Herzogthümer und der inneren Verhältnisse Gesammtdeutschlands lebhaft beklagen würde. Braunschweig und Nassau. Der Gesandte tritt dem Antrage bei. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Indem beide Großherzoglichen Regierungen sich, was die formelle Frage der Geschäftsbehandlung angeht, dem in der Sitzung vom 27. v. M. abgegebenen Votum des KöniglichHannöverischen Herrn Bundestags-Gesandten21 anschließen und im Uebrigen an der vertrauensvollen Erwartung festhalten, daß die von den allerhöchsten Höfen von Wien und Berlin zu erwartenden Vorlagen und Anträge eine die Rechte und Pflichten des Bundes, sowie alle berechtigten Interessen wahrende Lösung der Frage baldthunlichst herbeiführen werden, hat der Gesandte nur hervorzuheben, daß hinsichtlich einer in der Motivirung des Antrages erwähnten Erklärung auf der Londoner Conferenz weder eine gemeinsame Rechtsüberzeugung in Bezug auf die in Betracht kommenden Rechtspunkte, noch ein verbindlicher Bundesbeschluß anerkannt werden kann, und ist an­ gewiesen, in erster Linie für Verweisung an den Ausschuß für die HolsteinLauenburgische Verfassungsangelegenheit, eventuell für dessen Ablehnung zu stimmen. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte kann Namens der ­Curie nur für die Verweisung des Antrages an den Ausschuß stimmen. Für Oldenburg ist er angewiesen, dem vorliegenden Antrage nicht allein nicht beizustimmen, sondern auch gegen eine demselben entsprechende Beschlußfassung Protest zu erheben. Nachdem Seine Königliche Hoheit der Großherzog in der BundestagsSitzung vom 23. Juni v. J. Seinen Anspruch auf die Regierung in den Herzog­thümern Schleswig-Holstein hat anmelden lassen und die Begründung des­selben in der Sitzung vom 3. November v. J. der hohen Bundesversammlung, nachdem dieselbe das Ersuchen um Beschleunigung gestellt, überreicht, auch dieselbe dem Ausschusse für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit überwiesen worden; nachdem Seine Durchlaucht der Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg mittelst Beschlusses der Bundesversammlung vom 21. Juli v. J. ersucht worden, eine seine Successionsansprüche begründende Nachweisung mit thunlichster Beschleunigung an die Bundesversammlung gelangen zu lassen; nachdem solchem Ersuchen in der Bundestags-Sitzung vom 1. September v. J. entsprochen, auch die eingereichte Nachweisung, sowie ein am 3. No21 Siehe Dok. 146, S. 742–747.

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vember v. J. überreichter Nachtrag dem betreffenden Ausschusse überwiesen worden, soll jetzt plötzlich über einen in ganz andere Bahnen leitenden und die früheren Vorgänge ohne Weiteres ignorirenden Antrag der höchsten ­Regierungen von Bayern, Sachsen und Großherzogthum Hessen ohne vorgängigen Ausschußbericht und ohne daß die Möglichkeit einer gründlichen gemeinsamen Prüfung dieses Antrages vorgelegen hat, abgestimmt werden. Einem solchen, alle herkömmlichen und durch die Sachlage gebotenen Formen nichtbeachtenden Verfahren kann die Großherzogliche Regierung um so weniger zustimmen, als der ­Antrag sich, ganz abgesehen von der eigent­ lichen Rechtsfrage, aus verschiedenen Gründen sofort als ein mehr denn ­bedenklicher darstellt. Die Groß­herzogliche Regierung hält dafür, daß in diesem Antrage weder der nothwendigen Rücksicht auf die beiden deutschen Großmächte, deren kräftigem Eingreifen die Herzogthümer ihre Befreiung von der Dänischen Herrschaft zu verdanken haben, noch auch insbesondere den nationalen Interessen Deutschlands, welche, nach der Ansicht der Großherzoglichen Regierung, die Förderung einer gesicherten und dauernden Machtstellung der norddeutschen Großmacht in Schleswig-Holstein er­ heischen, gebührend Rechnung getragen wird. Sie ist aber auch ferner der Ansicht, daß der Antrag sich in einem inneren Widerspruche bewegt; denn die deutsche Bundesacte kennt nur vollberechtigte souveraine Bundesglieder, welche nach den Fundamentalprincipien des Bundes sich ihren Besitzstand gegenseitig garantiren, und räumt der hohen Bundesversammlung in keiner Weise die Befugniß ein, einen Prätendenten provisorisch als Bundesfürsten anzuerkennen und durch seine Abstimmung über die Geschicke Deutschlands mit entscheiden zu lassen. Der Antrag der höchsten Regierungen von Bayern, Sachsen und Großherzogthum Hessen verstößt aber auch, nach der Ansicht der Großherzoglichen Regierung, direct gegen die Grundgesetze des Bundes. Denn wenn ein Bundesfürst die Regierung in einem anderen Bundeslande beansprucht, so handelt es sich unzweifelhaft um „jura singulorum“, Art. 7 der Bundesacte, welche Worte im Art. 15 der Wiener Schlußacte die Erläuterung erhalten haben: „wo die Bundesglieder nicht in ihrer vertragsmäßigen Einheit, sondern als einzelne selbstständige und unabhängige Staaten erscheinen“. Weder über das Recht der Regierung in einem Bundeslande, noch über den Besitz desselben kann der Bund durch einen Mehrheitsbeschluß zum Nachtheil eines Bundesfürsten disponiren, ohne „jura singulorum“ zu verletzen und am wenigsten, wenn es in der ausgesprochenen Absicht geschieht, den Bundesfürsten dadurch einem Gerichte zu unterwerfen, dem er ohne solchen Beschluß nicht unterworfen sein würde. Die Großherzogliche Regierung muß aus diesen Gründen gegen einen etwaigen, dem Antrage der höchsten Regierungen von Bayern, Sachsen und

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Großherzogthum Hessen entsprechenden Beschluß der hohen Bundesversammlung im Voraus entschiedene Verwahrung einlegen. Für Schwarzburg-Sondershausen hat der Gesandte noch beizufügen, daß er angewiesen ist, dem in der vorigen Sitzung von dem Königlich-Preussischen Herrn Gesandten abgegebenen Votum, dem Sinne nach, sich anzuschließen. Der Gesandte sieht sich zugleich durch die vernommenen Abstimmungen veranlaßt, sofort gegen verschiedene darin vorgekommene Aeußerungen Namens der Großherzoglich-Oldenburgischen Regierung Verwahrung ein­ ­ zulegen, insbesondere gegen die in dem Königlich-Bayerischen Votum der Beschlußnahme vom 2. Juni v. J. beigelegte Bedeutung, sowie gegen die dort gegebenen Auslassungen über die Ansprüche und Verhältnisse des Gottorpischen Gesammthauses und über die Cession der älteren an die jüngste Linie dieses Hauses, eventuell aber der Regierung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Oldenburg jede etwa geeignet scheinende Entgegnung ausdrücklich vorzubehalten. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und Hessen-Hom­ burg. Der Gesandte hat für die Curie dem Antrage zuzustimmen, und für die Fürstliche Regierung Reuß jüngerer Linie die Erklärung abzugeben, daß die von der Fürstlichen Staatsregierung in der Bundestags-Sitzung vom 21. Juli v. J. ausgesprochene Ansicht22 in Betreff des Rechtes des seitherigen Erbprinzen von Augustenburg auf die Erbfolge in den Herzogthümern Schleswig und Holstein inmittelst keine Aenderung erlitten habe, und daß die Fürstliche Staatsregierung, dieser ihrer Rechtsansicht folgend, den Wunsch theile, daß die beiden deutschen Großmächte den genannten Erbberechtigten in die Regierung der gedachten Herzogthümer bald einsetzten mögen, dabei aber auch wünsche, daß eine solche nähere Feststellung erfolge, wie sie den deutschen, den Preussischen und den Schleswig-Holsteinischen Interessen entspreche. Für die Fürstlich-Schaumburg-Lippische hohe Regierung hat der Gesandte nachstehende Separaterklärung abzugeben: Man sei diesseits der Ansicht, daß, so wünschenswerth es auch sei, die Stimme für Holstein zu reactiviren, doch eine Entscheidung der Bundesversammlung über die beste Berechtigung eines der Prätendenten nicht vor einer dem ordentlichen Geschäftsgange entsprechenden Prüfung der angemeldeten und ausgeführten Rechtsansprüche Platz greifen möge. In der Erwägung, daß die Oesterreichisch-Preussischen Aeußerungen auf der Londoner Conferenz vor der Anmeldung der Großherzoglich-Oldenburgischen Ansprüche gethan seien, und daß es jetzt eine entschiedene Begünstigung eines Prätendenten vor dem anderen sein würde, wenn einem derselben das Recht des Besitzes eingeräumt werden wollte, 22 ProtDBV 1864, § 212, S. 399.

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könne man sich nur für die Ablehnung des Antrages aussprechen und für eventuelle Verweisung an den betreffenden Ausschuß stimmen. Für die hohe Fürstlich-Lippische Regierung hat der Gesandte principaliter für die Verweisung an den Ausschuß und nur eventuell gegen jenen Antrag selbst zu stimmen. Freie Städte. Für die Curie. Die Senate wünschen auf das lebhafteste, daß dem Provisorium in Holstein und Lauenburg möglichst bald ein Ziel gesetzt werde und daß die Verhältnisse dieser Bundesländer in einer den Rechten und den deutschen Interessen entsprechenden Weise eine definitive Regelung finden mögen. Sie können jedoch, unter den einmal obwaltenden Umständen, auch abgesehen von dem aus dem Mangel vorgängiger Prüfung durch den betreffenden Ausschuß sich ergebenden formellen Bedenken, dem vorliegenden Antrage nicht beitreten und in dessen Annahme eine praktische Förderung jenes Zieles nicht erkennen; sie sind vielmehr überzeugt, daß eine wünschenswerthe Erledigung dieser ganzen Angelegenheit, schon wegen ihres unzertrennlichen Zusammenhanges mit den Verhältnissen des außerhalb des Bundes liegenden Herzogthums Schleswig, nur auf dem Wege einer Verständigung des Bundes mit den beiden deutschen Großmächten und dieser beiden unter sich herbeigeführt werden könne. Jedem hierauf gerichteten sachgemäßen Antrage würden die Senate gern ihre Zustimmung ertheilt haben; den vorliegenden können sie auch jetzt noch nur zur Verweisung an den Ausschuß geeignet halten. Für Frankfurt. Der Gesandte ist beauftragt, dem Antrage von Bayern, Sachsen und Großherzogthum Hessen, unter Bezugnahme auf die Abstimmun­ gen für Frankfurt vom 25. Februar 1864 (§ 80) und 21. Juli 1864 (§ 212)23, zuzustimmen, jedoch mit Rücksicht darauf, daß durch Beschluß der Bundesversammlung vom 21. Juli 1864 der Erbprinz von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg um Einreichung einer seine Successionsansprüche begründenden Nachweisung ersucht und die eingereichte Nachweisung durch Beschluß vom 1. September 1864 (§ 233) dem Ausschusse für die HolsteinLauenburgische Verfassungsangelegenheit zugewiesen worden ist, einer Verweisung des vorliegenden Antrages an denselben Ausschuß nicht entgegen zu sein. Für Hamburg. So dringend der Senat die baldige definitive Regulirung der Verhältnisse der Herzogthümer nach den Forderungen des Rechtes und der Interessen des gesammten Deutschlands herbeiwünscht, so kann er dennoch dem von den Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen gestellten Antrage, da derselbe seiner Ansicht nach dem 23 ProtDBV 1864, S. 118 f. u. S. 399.

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Gange und der Lage der Verhandlungen am Bundestage nicht entspricht, zu seinem Bedauern nicht zustimmen. Die Bundesversammlung hat hierauf mit Stimmenmehrheit beschlossen: unter Vorbehalt weiterer Beschlußfassung die vertrauensvolle Erwartung auszusprechen, es werde den höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen gefallen, dem Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-­ Augustenburg das Herzogthum Holstein in eigene Verwaltung nunmehr zu übergeben, bezüglich der wegen des Herzogthums Lauenburg aber unter ihnen getroffenen Vereinbarungen der Bundesversammlung Eröffnung zugehen zu lassen. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg für Oldenburg. Erhaltener Weisung entsprechend hat der Gesandte im Namen Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Oldenburg seine Verwahrung und Protestation gegen den Beschluß zu wiederholen. Präsidium. Dieser Protestation gegenüber bezieht sich Präsidium auf den so eben gefaßten Beschluß. Oesterreich. Der Gesandte sieht sich in den Stand gesetzt, sich, unter Bezugnahme auf seine Abstimmungen in der letzten und in der heutigen Bundestags-Sitzung, über das Verhältniß des Kaiserlichen Hofes zu dem soeben gefaßten Beschlusse auszusprechen. Die von Oesterreich und Preussen auf der Londoner Conferenz gemachten Vorschläge sind der Bundesversammlung bekannt, ebenso daß die beiden Mächte im Artikel III des zu Wien abgeschlossenen Friedensvertrages sich ausdrücklich von Dänemark die Anerkennung jedweder Verfügung ausbedungen haben, welche sie über die von dem Könige Christian IX. ihnen abge­ tretenen Rechte treffen würden.24 Demgemäß hat Oesterreich alsbald nach Ratification des Friedensvertrages in Berlin beantragt, diese Rechte dem ­Erbprinzen von Augustenburg weiter zu cediren, welche Cession die Uebertragung des Besitzes auf diesen Fürsten zur Folge gehabt haben würde, un­ beschadet der Rechtsansprüche, welche andere deutsche Souveraine im Wege des Austrägalverfahrens geltend machen könnten. Auf diesen Vorschlag ist jedoch die Königlich-Preussische Regierung, eine weitere Prüfung der 24 In Artikel III des Wiener Friedens vom 30. Oktober 1864 hatte der König von Dänemark sich verpflichtet, „die Verfügungen, welche Ihre genannten Majestäten [der Kaiser von Österreich und der König von Preußen] hinsichtlich dieser Herzogthümer treffen werden, anzuerkennen“; vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 206; vollständiger Abdruck des Wiener Friedensvertrags (französischer Urtext und deutsche Übersetzung) in: ProtDBV 1864, S. 861–876, hier S. 863; Staatsarchiv, Bd. 7, S. 322–329 (französische Urfassung).

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Rechts­frage für nöthig haltend, nicht eingegangen. Auch heute noch ist der Kaiserliche Hof vollkommen bereit, falls Preussen seinerseits die Hand dazu bietet, eine rasche Erledigung der schwebenden Frage im angedeuteten Sinne herbeizuführen, und unter dieser Voraussetzung – abgesehen von dem Ersatze der Kriegs- und sonstigen Kosten – auf jeden speciellen Vortheil zu verzichten. Oesterreich legt den entschiedensten Werth darauf, den Abschluß der Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit ohne Störung des zwischen ihm und Preussen bestehenden Einverständnisses, welchem die errungenen Erfolge zu danken sind, möglich zu machen, und indem es daher nicht aufhört, bei dem Königlich-Preussischen Hofe die Nothwendigkeit einer baldigen Entscheidung der Souverainetätsfrage hervorzuheben, kann es für jetzt nur erklären, daß es die Benutzung seines Besitztitels nicht aufgeben werde, bis eine den eigenen Ueberzeugungen und den Interessen des Deutschen Bundes entsprechende Lösung erzielt sein wird. Preussen. Vorerst darf der Gesandte nicht unterlassen, gegenüber von einzelnen bei der Abstimmung selbst erfolgten Erklärungen seiner allerhöchsten Regierung die ihr etwa nöthig erscheinenden Verwahrungen und Gegenerklärungen vorzubehalten. Insbesondere muß er schon jetzt der in der Königlich-Sächsischen Abstimmung enthaltenen Folgerung, als spreche das Königlich-Preussische Cabinet, indem es eine gleichmäßige Prüfung aller Erbansprüche fordert, der Bundesversammlung damit ein Recht auf endgültige Entscheidung über dieselbe zu, ausdrücklich entgegentreten. Dagegen kann der Gesandte, mit Bezugnahme auf die soeben nach der Abstimmung abgegebene Erklärung der Kaiserlich-Oesterreichischen Re­ ­ gierung, schon jetzt dasjenige, was in jener Erklärung über den thatsächlichen Verlauf der Verhandlungen zwischen den Cabineten von Preussen und Oester­ reich mitgetheilt worden ist, auch seinerseits nur bestätigen und ­Namens seiner allerhöchsten Regierung zugleich deren Bereitwilligkeit aussprechen, die bisherigen Verhandlungen zu weiterer Verständigung fortzu­ setzen. Daß die Königliche Regierung auf der in diesen Verhandlungen vertretenen Ansicht von der Unerläßlichkeit der Prüfung der Rechtsfrage beharren wird, hat der Gesandte dabei ausdrücklich zu erklären und gleichzeitig für die Preussischen Ansprüche eine gleiche Beachtung wie für alle übrigen zu verlangen. Auch darin stimmt die Königliche Regierung mit der von der Kaiserlichen Regierung abgegebenen Erklärung überein, daß sie ihre Rechte an dem gemeinsamen Besitze zu wahren und die Benutzung ihres Besitztitels nicht aufzugeben entschlossen ist, bis eine ihren eigenen Ueberzeugungen und den Interessen des Deutschen Bundes entsprechende Lösung erzielt sein wird.

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Blome an Mensdorff

Nr. 149

Unter diesen Umständen und mit Rücksicht auf die in der heutigen Sitzung kundgegebene diesseitige Rechtsauffassung glaubt der Gesandte schon jetzt die Gewißheit aussprechen zu können, daß eine Erfüllung der durch Annahme des Antrages ausgesprochenen Erwartung nicht in Aussicht steht.

149. Blome an Mensdorff

HHStA Wien, PA IV 34. Gesandtschaft München. Berichte 1865, fol. 127–132. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 18. April 1865. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 4, S. 645–647.

Mit der Bundestagsabstimmung vom 6. April 1865 ist die schleswig-holsteinische Frage in ein neues Stadium getreten. Pfordten ist der Ansicht, daß der ganze Norden Deutschlands sich schon unter preußischem Einfluß befindet, moralisch sei die Main­ linie schon gezogen. Nur der deutsche Süden könne auf Dauer seine Selbständigkeit bewahren. Die nächste Bundesreform laufe also auf ein Bündnis dreier gleichberech­ tigter Staatengruppen hinaus: Österreich, Norddeutschland und Südwestdeutschland. Die bundesstaatliche Lösung in Norddeutschland schreckt Pfordten nicht, weil er sein Land vor preußischem Einfluß gesichert glaubt. Blome kritisiert Pfordtens Eigendün­ kel und seine Neigung, sich auf Kosten Österreichs mit Preußen zu verständigen. Blo­ me empfiehlt, die schleswig-holsteinische Angelegenheit dilatorisch zu behandeln und die Bundesferien abzuwarten.

Nro 24. Litt. A–C.1

München, 15. April 1865

Hochgeborener Graf! Mit der Bundestagsabstimmung vom 6. April2 hat die jüngste Phase der schleswig-holsteinischen Angelegenheit einen Abschluß erreicht. Die verwickelte Lage tritt in ein neues Stadium, wenigstens in so fern, als für den weiteren Gang der Verhandlungen keine diplomatischen Vorbereitungen unter den deutschen Cabineten getroffen worden sind. Es gewährt daher einiges Intereße sich zu vergegenwärtigen, in welchem Lichte die mittelstaatlichen Leiter des nunmehr beendeten politischen Feldzuges die heutige Sachlage betrachten und welche Folgerungen sie an das Resultat ihrer bisherigen Bemühungen knüpfen. Mehr als drei Monate hindurch war das vereinte Streben der baierischen und sächsischen Regierung ausschließlich auf das Zustandekommen des eben zum Beschluße erhobenen Antrages gerichtet, und im hiesigen Ministerium 1 Ediert ist hier der erste Bericht (Nr. A) vom 15. April 1866. Die Berichte B und C befassen sich mit innerbayerischen Angelegenheiten. 2 Siehe Dok. 148.

Nr. 149

München, 15. April 1865

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der auswärtigen Angelegenheiten versprach man sich von diesem Acte einen moralischen Druck, unter welchem Preußen mindestens darein willigen ­würde, die Unterhandlungen vor das Forum des Bundes zu bringen, wenn es nicht gar sofort gezwungen wäre, alle Annexionsprojecte fallen zu laßen. Den officiellen Aeußerungen des Freiherrn von der Pfordten zu glauben, wäre der Zweck auch keineswegs verfehlt; man müße jetzt nur das Frankfurter Ereigniß einige Wochen auf die öffentliche Meinung nachwirken laßen, um alsdann die Früchte des errungenen Sieges zu erndten. Täusche ich mich nicht, so birgt diese optimistische Auffaßung nur die augenblickliche Rathlosigkeit und das Bedürfniß sich vorerst mit Freiherrn von Beust darüber weiter zu verständigen, welche Schritte demnächst zu unternehmen sein werden. Worin können solche Schritte bestehen? Darüber habe ich versucht mir bei Gelegenheit eines längeren Spaziergangs mit Freiherrn von der Pfordten, jedoch ohne directe Interpellationen zu stellen, Klarheit zu verschaffen. War es dem Minister auch selbstverständlich nicht möglich, mir mehr zu sagen als er selbst zur Stunde weiß, nämlich mir einen bestimmten Plan mitzutheilen, so hatte es immerhin großen Werth für mich, seinen allgemeinen Betrachtungen den Gedankengang zu entnehmen, welcher ihn in der Behandlung der vorliegenden Frage leitet. Die Abstimmung vom 6. April, bemerkte Baron Pfordten, habe wieder einmal dargethan, daß, mit Ausnahme Sachsens, der ganze Norden Deutschlands sich bereits unter preußischem Einfluße befinde. In Sachsen sei der Widerstand nur Herrn von Beust zu danken, denn ein großer Theil der Bevölkerung fühle und denke ganz preußisch. Moralisch sei die Mainlinie schon gezogen, denn gegen das was zur Ueberzeugung eines ganzen Volkes geworden sei, kämpfe man vergebens an. Nur der deutsche Süden könne dauernd seine Selbstständigkeit bewahren. Mithin stelle sich als die nächste Bundesreform ein Bündniß dreier gleichberechtiger Staatengruppen heraus: Oesterreich, Norddeutschland und Südwestdeutschland. Komme es dahin, so sei ihm gleichgültig was mit den Elbherzogthümern geschehe. So lange aber der jetzige Bund aufrecht erhalten werde, dürfe die Annexion nicht vollzogen und kein Mittel unversucht gelaßen werden, Preußen zur Unterhandlung mit dem Bunde zu bewegen, wo ihm das größtmögliche Entgegenkommen in Bezug auf seinen Einfluß in Schleswig-Holstein gesichert sei. Für Oesterreich, für die österreichischen Intereßen, für das Gleichgewicht zwischen Oesterreich und Preußen in Deutschland ist in den Pfordten’schen Combinationen kein Raum. Die bundesstaatliche Lösung schreckt den baierischen Minister nicht, weil er sein Land vor preußischem Einfluß gesichert wähnt; im Gegenteil, sein Traumgebilde der drei Gruppen findet in der bundesstaatlichen Mediatisirung eines norddeutschen Staates eine erste Verwirklichung. Es ist hier nicht meine Aufgabe nachzuweisen, daß der Plan einer

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Blome an Mensdorff

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baierischen Hegemonie über Württemberg und Baden in den letztgenannten Ländern durchaus keine sympathische Aufnahme zu gewärtigen hat, ebenso wenig, daß Baiern an der Erhaltung des jetzigen Bundes wegen der exponirten Rheinpfalz mehr als andere Staaten direct intereßirt ist. Das faßt aber der baierische Eigendünkel nicht. Ich wünsche nur hervorzuheben, daß man hier stets bereit ist Oesterreich anzurufen, wenn man seiner bedarf, aber weit entfernt ist, den historischen Intereßen österreichischer Machtstellung Rechnung zu tragen. Aus Baron Pfordten’s Aeußerungen glaube ich berechtigt zu sein den Schluß zu ziehen, daß wenn Preußen heute, statt der Annexion, eine bundesstaatliche Lösung anstrebte, morgen die Verständigung zwischen München und Berlin auf Kosten Oesterreichs verwirklicht wäre. Den Fall gesetzt, daß Herr von Bismarck abermals einem liberalen Ministerium weichen müßte, oder daß plötzlich der Kronprinz von Preußen3 zur Regierung gelangte, so würden wir alsbald isolirt dastehen gegenüber der allseitigen Einwilligung, einen Scheinfürsten in Schleswig-Holstein einzusetzen und in Wirklichkeit das preußische Machtgebiet, ohne die geringste Compensation für Oesterreich, ebensosehr, wenn nicht mehr als durch die Annexion zu erweitern. ­Unter diesen Umständen ist es als ein Glück zu betrachten, daß Herr von ­Bismarck sich weigert, direct mit den Mittelstaaten und am Bunde zu unterhandeln und daß er vorerst noch Annexionsprojecte verfolgt, welche ihn zwingen mit Oesterreich zu rechnen. Welche Handhabe Baiern und Sachsen nun in der nächsten Zukunft zur Verwirklichung ihrer Pläne ergreifen werden, ist hier um so schwerer voraus zu sehen, als die Vorschläge zu Auskunftsmitteln zahlreicher im Kopfe des Freiherrn von Beust heranwachsen, als im Geiste des weniger gewandten und weniger erfindungsreichen baierischen Staatsministers. Directe Anträge in Berlin würden wohl zurückgewiesen; an das äußerste Mittel der Parlamentsidee wird man sich doch noch nicht wagen; es bleibt also nur übrig, noch einmal zu versuchen, das kaiserliche Cabinet dem baierisch-sächsischen Vorhaben dienstbar zu machen. Hiebei fehlt jedoch für dieses Mal das compelle4 des Landtages, welcher vorgeschützt wurde um die Nothwendigkeit der Action zu beweisen. Treten überdies bald Bundesferien ein, so ist an und für sich längere Ruhe geboten und in jedem Falle ist die kaiserliche Regierung jetzt aller Verpflichtungen ledig. Ich unterlaße natürlich nicht, wenigstens gegenüber dem Baron Pfordten die Nothwendigkeit des Zuwartens zu begründen, unter dem Vorwande, daß 3 Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl von Preußen (1831–1888), der liberal gesinnte Kronprinz von Preußen, 1888 als Nachfolger Wilhelms I. König von Preußen und Deutscher Kaiser; NDB, Bd. 5, S. 487–489; Müller, Der 99-Tage-Kaiser. 4 Von lateinisch „compellare“ = anklagen, tadeln.

Nr. 150

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München, 29. April 1865

sich jetzt erst die Situation klären müße, um alle Consequenzen des Bundesbeschlußes vom 6. April zu übersehen, und daß die nachdrückliche Erklärung Oesterreichs, am Condominat festhalten zu wollen, Deutschland die sicherste Gewähr gegen preußische Uebergriffe biete. Sollte meine Sprache den Intentionen des kaiserlichen Cabinets gemäß ­modificirt oder ergänzt werden müßen, so darf ich wohl auf Euerer Excellenz Geneigtheit zählen, mir neue Directiven zukommen zu laßen. Genehmigen Hochdieselbe den Ausdruck meiner ehrfurchtsvollen Gesinnungen Blome

150. Pfordten an Bray-Steinburg

HStA München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1706. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 1. Mai 1865.

Der Bundesbeschluß vom 6. April 1865 hat eine große moralische und politische Wir­ kung gehabt. Die Bundesversammlung kann bei diesem Beschluß nicht stehenbleiben. Es wäre das Naheliegendste, wenn der Bund jetzt den Herzog von Augustenburg als Herzog von Holstein anerkennen und ihm eine Vertretung in der Bundesversammlung gewähren würde. Dies könnte aber zu Kollisionen führen, die vorerst noch vermieden werden sollen. Statt dessen soll in der Bundesversammlung der Antrag gestellt ­werden, die Stände des Herzogtums Holstein zu berufen, um deren Ansichten über die strittige Erbfolge zu hören und dadurch „eine weitere Unterlage für die fernere ­Beschlußfassung der Bundesversammlung“ zu gewinnen. Wenn aber Österreich und Preußen gemeinschaftlich die Initiative zu einer Lösung auf der Grundlage des Rechts ergreifen würden, sollte von einem Antrag in der Bundesversammlung Ab­ stand genommen werden. Konkret denkt Pfordten an die von Österreich und Preußen gemeinsam angeregte Berufung einer gemeinschaftlichen Landesvertretung von Schleswig und Holstein, die nicht bloß über die Erbfolgefrage, sondern auch über den Beitritt Schleswigs zum Deutschen Bund zu beraten hätte. Pfordten glaubt, in Berlin sehe man die Unmöglichkeit, die Annexion der Herzogtümer einseitig durchzu­ setzen und werde sich auf Verhandlungen zu deren Herausgabe einlassen. Dabei kön­ ne man Preußen Konzessionen machen, wenn diese im Rahmen der Bundesverfas­ sung blieben.

E. No 112.

München, 29. April 1865

Der Bundesbeschluß vom 6ten April d. J. bezüglich der Elbherzogthümer1 und die von der k. k. österreichischen Regierung auf denselben abgegebene Erklärung haben unverkennbar wenn auch keine unmittelbar praktische, doch eine 1 Siehe Dok. 148.

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Pfordten an Bray-Steinburg

Nr. 150

große moralische und politische Wirkung gehabt, welche durch die entschiedene Geltendmachung des Mitbesitz-Rechtes von Seite des kais. Cabinets noch gehoben und befestigt worden ist. Das Vertrauen auf den endlichen Sieg des Rechts ist in ganz Deutschland und zumal in den Herzogthümern selbst gehoben worden und namentlich auch in Frankreich scheint man mehr und mehr zu der Ueberzeugung zu kommen, daß der Bund nicht so macht- und wehrlos ist, als es wohl eine Zeit lang schien. Wir verkennen in keiner Weise, daß dieser erfreuliche Erfolg wesentlich der Haltung des kaiserl. Cabinets zu verdanken ist und setzen auf dieses für die fernere Behandlung und glückliche Lösung der inhaltschweren Frage volles Vertrauen. Ebenso wird aber auch das kais. Cabinet uns darin beistimmen, daß die Bundesversammlung bei ihrem Beschluße vom 6ten April nicht einfach stehen bleiben kann, zumal da dieser selbst weitere Entschließung vorbehalten hat. Wenn man die Frage ins Auge faßt, was die Bundesversammlung nunmehr zu thun habe, nachdem die preußische Regierung offiziell erklärt hat, daß sie der vertrauensvollen Erwartung der Bundesversammlung nicht entsprechen könne, so wäre logisch genommen das Einfachste und Nächstliegende, daß die Bundesversammlung nunmehr den Herzog von Augustenburg als den durch das Erbrecht berufenen Herzog von Holstein anerkenne und seinen Gesandten in die Bundesversammlung zulasse, und hierauf dringen auch bereits verschiedene Stimmen in der deutschen Presse. Ich verkenne aber nicht, daß hiedurch Collisionen herbeigeführt werden könnten, welche zu vermeiden wenigstens so lange räthlich erscheint, als sich noch irgend eine andere Möglichkeit der Verständigung u. Wahrung des Rechts darbietet. Eine solche glaube ich aber in dem Gedanken finden zu können, daß, bei der nun offiziell vorliegenden Verschiedenheit der Ansichten unter den Bundesregierungen, bei dem Mangel einer zur richterlichen Entscheidung competenten Instanz, bei dem Umstande, daß die kgl. preußische Regierung den Nachweis eines besseren Rechtes weder unternommen noch in nahe Aussicht gestellt hat, es nunmehr an der Zeit ist, das Land und Volk, um dessen Recht und Zukunft es sich handelt, selbst zu hören, umsomehr, als die Mitwirkung der Stände bei Entscheidung streitiger Fragen der Regierungs-Nachfolge gerade in diesem Lande eine unzweifelhafte historische Basis hat. Es wäre also nunmehr in der Bundesversammlung der Antrag zu stellen: die Stände des Herzogthums Holstein zu berufen und deren rechtliche Ansichten über die streitige Erbfolge zu verlangen, damit in derselben eine weitere Unterlage für die fernere Beschlußfassung der Bundesversammlung gewonnen wird. Ich verkenne hiebei nicht die Schwierigkeit, daß die Bundesversammlung nicht competent ist, einen Antrag auf gleichzeitige Berufung der schleswigischen Stände und auf gemeinschaftliche Berathung derselben mit den holstei-

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nischen in Einem Körper als Vertretung der beiden ja doch anerkanntermaßen zusammengehörigen Herzogthümer zu stellen und könnte mich daher nur freuen, wenn, wie von Berlin aus jetzt in offiziöser Weise in der Presse kundgegeben wird, zwischen den höchsten Regierungen von Oesterreich und Preußen über eine solche Berufung der Landesvertretung wirklich Verhandlungen eingeleitet worden wären und zum Ziele führten. Wie früher so auch jetzt würden wir es freudig begrüßen, wenn Oesterreich u. Preußen gemeinschaftlich die Initiative zu einer Maßregel ergriffen, welche allein im Stande ist, eine auf der Grundlage des Rechts ruhende und darum allseitig befriedigende Lösung herbeizuführen und ich würde die Ansicht vertreten, daß, so lange eine solche Hoffnung besteht, von einem Antrag in der Bundesversammlung Umgang zu nehmen wäre. Mit einer auf breiter Grundlage berufenen und zu diesem Zwecke neugewählten gemeinschaftlichen Vertretung von Schleswig und Holstein würde nicht blos über die streitige Erbfolge, sondern auch über den Eintritt Schleswigs in den deutschen Bund und über das nach den Principien der Bundesverfassung zulässige Maß derjenigen Einrichtungen, welche Preußen als Bedingungen für die Herausgabe der Herzogthümer an den rechtmäßigen Landesherrn aufgestellt hat, zu verhandeln und wohl unschwer eine Verständigung zu erzielen sein. Wenn mich nicht Alles täuscht, fühlt man in Berlin die Unmöglichkeit, die Annexion oder die bisher aufgestellten mit dem Bundesrechte unvereinbaren Forderungen einseitig durchzusetzen und ist nur darauf bedacht, vor der Heraus­ gabe der Herzogthümer wenigstens soviel als möglich von diesen ­Bedingungen zugesichert zu erhalten. Von unserem Standpunkte aus läßt sich ebensowenig verkennen, daß wenn ein Bruch der Bundesverhältnisse vermieden werden soll, gewiße Einräumungen an Preußen gemacht werden müssen, welche überdieß, wenn sie innerhalb des Rahmens der Bundesverfassung bleiben, meiner Ansicht nach, weder den Interessen des Bundes noch denen Oesterreichs widerstreiten und so scheint mir, nach der ganzen Sachlage, der jetzige Zeitpunkt zu allseitiger Verständigung geeignet und die Berufung einer Landesvertretung in oben angedeuteter Weise der beste wo nicht einzige Weg hiezu. Ich ersuche nun Euere Excellenz den Inhalt gegenwärtiger Mittheilung sofort mit dem Herrn Grafen von Mensdorff zu besprechen, denselben der wohlwollenden Erwägung des kais. Cabinets zu empfehlen und mir die ­Aeußerungen des Herrn Ministers darüber baldmöglichst zu berichten. Empfangen Sie auch bei diesem Anlasse die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. v. d. Pfordten

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Bismarck an Schulenburg

Nr. 151

151. Bismarck an Schulenburg1

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 187. Weisung. Abschrift.

Die Mittelstaaten bereiten einen Antrag in der Bundesversammlung vor, wonach wie­ der ein Gesandter für Holstein und Lauenburg in der Bundesversammlung zugelas­ sen werden soll. Ferner sollen Österreich und Preußen unter Bezug auf Artikel 13 der Bundesakte aufgefordert werden, der Bundesversammlung mitzuteilen, welche Ver­ einbarungen sie über die Einberufung der holsteinischen Stände getroffen haben. ­Bismarck betrachtet einen solchen Antrag als eine „directe Provokation“, die nicht folgenlos bleiben kann. Einen solchen Antrag, der offenbar den Bruch mit Preußen sucht, wird dieses bis in alle Konsequenzen hinein bekämpfen. Gegenüber einem et­ waigen Majoritätsbeschluß wird Preußen sein Recht „factisch zur Geltung bringen“. Die sächsische Regierung ist im Begriff, eine unberechenbare Krise auszulösen.

No 19.

Berlin, 13. Mai 1865

Es ist mir auf vertraulichem Wege die Nachricht zugegangen, daß unter den mittelstaatlichen Regierungen Verhandlungen wegen Einbringung eines ­neuen, die Frage der Elbherzogthümer berührenden Antrages am Bunde im Gange seien, dessen ungefährer Wortlaut wie folgt angegeben wird: „Hohe Bundesversammlung wolle mit Bezug darauf, daß nach den Bestimmungen der Bundes-Akte, die Bundesversammlung aus den Bevollmächtigten sämmtlicher Bundesglieder gebildet wird, so wie mit Bezug darauf, daß die Bundesversammlung ihrer hohen Bestimmung nach, berufen ist, zur Aufrechthaltung des wahren Sinnes der Bundes-Akte, die darin enthaltenen Bestimmungen, über deren Auslegung Zweifel entstehen sollten, dem Bundeszwecke gemäß zu erklären, und in allen vorkommenden Fällen den Vorschriften dieser Urkunde die richtige Anwendung zu sichern; da überdies derzeit kein Grund mehr vorhanden ist, den Bundesbeschluß vom 28sten November 18632, die Suspendirung der Holsteinischen Stimme betreffend, weiter aufrecht zu erhalten, beschließen: daß ein Gesandter für Holstein und Lauenburg in der Bundesversammlung wieder zuzulassen sei, zugleich wolle sie gegen die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preußen die Erwartung aussprechen, daß dieselben der Bundesversammlung baldigst Eröffnungen darüber zugehen lassen, was in dieser Beziehung unter ihnen vereinbart worden um dem Bundeszwecke Genüge zu leisten. Da die hohe Versammlung ferner darüber zu wachen hat, daß die Bestimmung des Artikels 13 der Bundes-Akte, die landständischen Verfassungen be1 Carl Ernst Gustav von der Schulenburg-Priemern (1814–1890), 1853–1859 preußischer Gesandter in Kassel, 1859–1865 Gesandter in Stuttgart, 1865–1867 Gesandter in Dresden; Bring­ mann, Handbuch der Diplomatie, 330. 2 ProtDBV 1863, § 286, S. 575–580.

Nr. 151

Berlin, 13. Mai 1865

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treffend, in keinem Bundesstaate unerfüllt bleibt, so ersucht sie zugleich die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preußen ihr baldigst auch darüber Eröffnungen zugehen zu lassen, welche Vereinbarungen neuerdings zur sofortigen Einberufung der Holsteinischen Stände unter ihnen getroffen worden wären.“ Dieser Antrags Entwurf soll in den letz[t]en Tagen von Dresden nach München zur Begutachtung abgegangen, zugleich aber auch andern mittelstaat­ lichen Regierungen mitgetheilt worden sein. Gleichzeitig soll Freiherr von Beust in einer den Regierungen der Mittelstaaten übersandten, mit dem ­obigen Antrage jedoch nicht in unmittelbarem Zusammenhange stehenden Denkschrift3 die Nothwendigkeit eines engeren Anschlusses der Mittelstaaten an einander ausführlich entwickelt haben. Wenngleich bei dem Vertrauen, welches wir in die Besonnenheit der deutschen Regierungen setzen, es zweifelhaft ist, daß dieser Vorschlag die Zustimmung derselben finden werde, halte ich es doch für eine Pflicht Ew. Hochwohlgeboren von der Auffassung zu unterrichten, welche4 die K ­ önigl. Regierung von einem solchen Schritte hegen muß, um Sie in den Stand zu setzen den Glauben zu verhindern, als könne die Königl. Regierung eine derartige directe Provokation als etwas Gleichgültiges u. Folgenloses betrachten. Der Inhalt des Antrags selbst entbehrt zunächst in sich selbst jeder Begründung und Berechtigung. Der erste Theil desselben, die Zulassung eines Gesandten für Holstein u. Lauenburg betreffend, enthält, insofern sie sich auf den Gesandten eines weder völkerrechtlich anerkannten noch factisch regierenden Fürsten beziehen soll, eine völkerrechtliche Unmöglichkeit. Wenn die beiden deutschen Herzogthümer in der Bundes-Versammlung repräsentirt seyn sollen, so können sie es nur durch Oesterreich u. Preußen seyn, u. sie sind es in der That durch diese ­beiden Mächte, in soweit ihre Interessen einer Vertretung überhaupt bedürfen. Eine Aufhebung der am 28. November 1863 beschlossenen Suspension der Holstein-Lauenburgischen Stimme, könnte unter den gegenwärtigen Umständen nur zu Gunsten der beiden Mächte erfolgen, u. nur von diesen gefordert werden. Jedem anderen fehlt die Legitimation zu einer solchen Forderung. Eben so klar ist es, daß zu der im zweiten Theil des Antrags versuchten Heranziehung des Art. XIII der Bundes-Acte nicht die mindeste Veranlassung vorliegt, da die landständische Verfassung in den Herzogthümern Holstein u. Lauenburg in keiner Weise gefährdet ist. 3 Eine solche Denkschrift ist in den Akten nicht zu finden. Es handelte sich offenbar um eine Fehlinformation, denn auch der bayerische Minister von der Pfordten dementierte ihre Existenz nachdrücklich. Vgl. dazu unten Dok. 152. 4 Emendiert. Vorlage: welchen.

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Bismarck an Schulenburg

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Der Inhalt des Antrags geht also von Voraussetzungen aus, denen jede Grundlage fehlt. Er kann keine practische[n], die Lösung der Angelegenheit fördernde[n] Zwecke verfolgen, sondern ist von einer Tendenz dictirt, welche wir im Laufe dieser ganzen Angelegenheit bekämpft haben u. bis in alle Consequenzen hinein bekämpfen müssen. Die Stellung Preußens zu diesem Antrage kann nicht zweifelhaft seyn. Er trägt in dem Augenblick wo wir die Hand zur Verständigung auf dem Wege der Verhandlung mit der Volksvertretung geboten haben, einen erhöhten Character der Feindseligkeit. Wir würden demselben nicht nur entgegentreten u. widersprechen, sondern wir würden darin die bestimmte Absicht der antragstellenden Regierungen erkennen, den Bruch mit uns zu suchen, u. wir werden alsdann nicht anstehen, diesen Bruch aufzunehmen. Wir werden nicht mehr, wie wir es dem Antrage vom 27. März gegenüber gethan haben, in versöhnlich u. freundlich ablehnender Weise uns verhalten können, sondern in die Lage kommen, unser Recht gegenüber einem herausfordernden Majoritätsbeschlusse factisch zur Geltung zu bringen. Unsere eigene Achtung vor dem Bundesverhältniß, das die deutschen Regierungen so lange verbunden hat, u. gegenwärtig noch verbindet, muß nothwendig ein Ziel finden, wenn von anderer Seite ein Bruch dieses Verhältnisses erstrebt wird. Keine Rücksichten können uns vermögen, die Gebote, welche Preußens Sicherheit u. Ehre uns auferlegen, hintanzusetzen. Die absichtliche Steigerung, welche in dem gegenwärtigen Entwurf gegen den Antrag vom 27. März liegt, u. der Fortschritt auf einem gefährlichen Wege kann von uns nicht verkannt werden. Wir sind auf alle Folgen, welche dieser Entwickelungsgang haben kann gefaßt, nachdem wir uns mit dem Gedanken an die gegen uns beabsichtigte factische Störung des Bundes-Verhältnisses haben vertraut machen müssen. Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst dem Königlich Sächsischen Herrn Minister die uns zugekommene Nachricht von seinem beabsichtigten Vorgehen mitzutheilen und sich zugleich im Sinne der obigen Bemerkungen auszusprechen. Die Königliche [sic] Sächsische Regierung wird sich klar darüber machen müssen, daß sie auf diesem Wege eine Crisis hervorzurufen im Begriff ist, deren Folgen sich der Berechnung entziehen, ohne daß diese Ungewißheit in unserem Entschlusse ihr die Spitze zu bieten eine Aenderung herbeiführen könnte. (gez.) v. Bismarck5 5 Ähnliche Weisungen gingen an die preußischen Gesandten in Wien, München, Dresden und Stuttgart. In dem Erlaß an den Gesandten Prinz Heinrich VII. Reuß in München fügte Bismarck im ­Hinblick auf die Haltung Pfordtens hinzu: „Wenn dies sich so verhält, u. diese gegen Preußen gerichteten Bestrebungen gegenwärtig ihren Mittelpunkt u. ihren eigentlichen Antrieb nicht in München, sondern in Dresden haben, so erwarten wir von der Mäßigung u. Weisheit­

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München, 19. Mai 1865

152. Pfordten an Montgelas1

HStA München, Bayerische Gesandtschaft Berlin, Nr. 657. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 149–151.

Pfordten dementiert die Vorbereitung eines Antrags der Mittelstaaten in der Bundes­ versammlung zur Anerkennung des Herzogs von Augustenburg wie auch die Existenz einer sächsischen Denkschrift über die Notwendigkeit eines engeren Bundes der Mit­ telstaaten. Das ganze Bestreben der bayerischen Politik stützt sich auf die Bundesver­ fassung und ist auf die Erhaltung und Kräftigung des Bundes gerichtet, ein Ziel, das aber ohne die Mitwirkung Preußens nicht erreicht werden kann. Die Frage der Elb­ herzogtümer kann ohne Preußen nicht gelöst werden, doch auch hier will Bayern das Bundesrecht gewahrt wissen und kann überdies die Herzogtümer nicht als er­ obertes Land betrachten, dem bei der Gestaltung seiner Zukunft keine Stimme ge­ bührt. Dies hat ja auch Preußen durch seinen Antrag auf Berufung der Landesver­ tretung in Schleswig-Holstein anerkannt. Bayern kann auf sein Recht, in der Sache weitere Anträge in der Bundesversammlung zu stellen nicht verzichten, hofft aber auf eine baldige Einigung zwischen Österreich und Preußen, die zu einer allseitig befrie­ digenden Lösung führt. Dabei sollen natürlich die Interessen Preußens im Auge be­ halten werden. Auf der anderen Seite ist die definitive Gestaltung der Zukunft des Bundeslandes Holstein ohne die Mitwirkung der Bundesversammlung rechtlich nicht möglich.

Exp. No. 59.

München, 19. Mai 1865

Hochgeborner Graf! Ganz in demselben Sinne, in welchem sich zufolge Ihres mir vorgestern zugegangenen Schreibens No. 95 vom 15ten dieses Mts.2 der Unterstaats-Secretär von Thile gegen Euer Hochgeboren ausgesprochen hat, äußerte sich mir gegenüber am Dienstage Prinz Reuß auf Grund eines Erlaßes des Herrn Ministers von Bismark, welcher im Eingang mit großer Befriedigung von der Art des bayerischen Staatsmannes, daß er diese Versuche einen Sonderbund in Deutschland aufzurichten, abweisen u. die darin liegenden Gefahren erkennen werde.“ Bismarck an Reuß, 13. Mai 1865, GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 187; Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 190–193. – Am 18. Mai 1865 schrieb Unterstaatssekretär Thile an den Bundestagsgesandten Savigny, daß der sächsische Minister Beust ein beabsichtigtes Vorgehen am Bunde in der Frage der Elbherzogtümer dementiert habe; auch in Stuttgart und Darmstadt ­wisse man nichts von einem sächsischen Antragsentwurf; Pfordten habe versichert, „daß kein Antrag beabsichtigt werde, wenn sich die Großmächte untereinander verständigen“. Thile an Savigny, Berlin, 18. Mai 1865, GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 187. – Auch aus ­Weimar, Hannover, Karlsruhe und Wien wurde gemeldet, daß die dortigen Regierungen keine Kenntnis von einem derartigen sächsischen Antragsentwurf hatten; vgl. ebd.

1 Ludwig Graf von Montgelas (1814–1892), 1854–1858 und 1860–1867 bayerischer Gesandter in Berlin; NDB, Bd. 18, S. 54 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 30 f. 2 Montgelas an Pfordten, 15. Mai 1865, HStA München, Bayerische Gesandtschaft Berlin, Nr. 657 (Konzept).

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Pfordten an Montgelas

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und Weise spricht, wie ich mich vor einiger Zeit über den preußischen Vorschlag der Einberufung der Stände gegen den preußischen Gesandten geäußert hatte und dann hinzufügt, mit um so mehr Bedauern habe man neuerdings in Berlin erfahren, daß die Mittelstaaten gleichwohl demnächst einen Antrag auf Anerkennung des Herzogs stellen würden und daß von Dresden eine Denkschrift verbreitet worden sei über die Nothwendigkeit eines engeren Bundes unter den Mittelstaaten.3 Woher diese Nachricht nach Berlin gekommen sei, war in dem Erlasse nicht gesagt und auch Prinz Reuß wußte mir darüber nichts anzudeuten4; ich mußte mich daher darauf beschränken, ihm zu erklären, daß ich die Nachricht über den beabsichtigten Antrag am Bund entschieden als unrichtig bezeichnen könne, daß mir von einem Memoire der bezeichneten Art ebenfalls nichts bekannt sei, und ich bei unseren intimen Beziehungen zu Dresden mich berechtigt halte, auch diese Thatsache als unrichtig zu bezeichnen. Es war mir sodann leicht mit den Akten in der Hand den Herrn Gesandten von der durchaus loyalen und versöhnlichen Richtung unserer Thätigkeit in dieser Angelegenheit zu überzeugen. Ich verhielt [sic] ihm nicht, daß wir mit Vorbereitung eines weitern Antrages in Frankfurt beschäftigt waren, als er mir vor einiger Zeit vertraulich den Vorschlag Preußens zur Einberufung der Landesvertreter mittheilte, daß wir uns aber hierauf sogleich und namentlich mit Dresden dahin verständigten, in der Hoffnung auf gemeinschaftliche Initiative Oesterreichs und Preußens vorerst keinen Antrag in der Bundesversammlung zu stellen, und daß ich vielmehr auf Allerhöchsten Befehl den preußischen Vorschlag in Wien lebhaft unterstützt hätte. Der Herr Gesandte war von meinen Eröffnungen unverkennbar befriedigt und sprach den Wunsch aus, daß ich Euer Hochgeboren beauftragen möge, diese Aufklärungen dem Herrn Minister von Bismark selbst zukommen zu lassen. Aus dem Schreiben Euerer Hochgeboren vom 15ten dieses Mts. sehe ich nun, daß dieser Wunsch wenigstens mittelbar bereits erfüllt ist, ich will aber gleichwohl nicht unterlassen, und zwar auf Grund eingeholter Allerhöchster Ermächtigung, Euer Hochgeboren zu veranlassen, daß Sie ungesäumt den Herrn Minister von Bismark um eine Unterredung ersuchen und demselben Folgendes mittheilen: Das ganze Bestreben der bayerischen Politik ist so entschieden auf den Grund der Bundesverfaßung gestützt und auf die Erhaltung, Kräftigung und 3 Siehe Dok. 151. 4 In der Vorlage wurde das Wort „auch“ ursprünglich vor „darüber“ eingefügt, dann aber ge­ strichen und vor „Prinz“ gesetzt. In der Abschrift im HStA München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1706 steht die ursprüngliche Fassung: „und Prinz Reuß wußte mir auch darüber nichts anzudeuten“.

Nr. 152

München, 19. Mai 1865

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Entwicklung des Bundes gerichtet, zugleich aber so sehr von der Überzeugung durchdrungen, daß dieses Ziel ohne die Mitwirkung Preußens nicht erreicht werden kann, daß uns nichts ferner liegen kann, als eine prinzipielle Gegnerschaft gegen dieses mächtige Bundesglied und daß, wenn die Bayerische Regierung in einzelnen Fragen sich durch Überzeugung und Pflichtgefühl gedrängt sieht, den Ansichten oder Zielpunkten der preußischen Politik entgegen zu treten, sie dieses nur mit innigem Bedauern, eben darum aber auch nie ohne den aufrichtigem Wunsch und die stete Bereitwilligkeit zur Verständigung, thun kann und wird. Ein illoyales Auftreten von unserer Seite, wie es in den5 fraglichen nach Berlin berichteten Gerüchten uns zugemuthet wird, steht hiemit von selbst in Widerspruch und würde überdieß ganz unvereinbar sein mit denjenigen Direktiven, welche von oben her für die ­Politik der königlichen Regierung vorgezeichnet sind. Was nun die inhaltschwere Frage der Herzogthümer selbst anlangt, so liegt ja auf der Hand, daß eine befriedigende Lösung derselben ohne Preußens Mitwirkung ganz unmöglich ist, und überdieß haben wir weder Grund noch Absicht, denjenigen Einrichtungen entgegenzutreten, welche sich als zweckmäßig darstellen, um zu verhüten, daß die Früchte des Sieges der deutschen Waffen wieder verloren gehen, und die Herzogthümer in dauernder Weise mit Deutschland zu verbinden, um Preussen die Erfüllung der hochwichtigen Aufgabe zu erleichtern, welche seine territoriale und politische Stellung im eigenen wie im deutschen Interesse ihm anweist und insbesondere auch die Entwicklung seiner maritimen Kräfte zu fördern und zu erleichtern. Daß wir dabei ebenfalls von dem deutschen Bundesrechte ausgehen und dasselbe gewahrt wissen wollen, daß wir die Herzogthümer selbst nicht als ein erobertes Land betrachten können, dem bei Gestaltung seiner Zukunft keine Stimme gebühre, daß wir die Wahrung der legitimen Erbfolge und der Rechte des durch sie berufenen legitimen Fürsten vertheidigen, haben wir bei jeder Gelegenheit kund gegeben und hierin können wir einen Widerspruch gegen die obenangedeuteten [sic] Gesichtspunkte um so weniger erkennen, als ja Preussen selbst Bundesglied ist und durch seinen neuesten Antrag auf Berufung der Landesvertretung in den Herzogthümern eine wesentlich gleiche Anschauung kundgegeben hat. Demgemäß können wir auf unser Recht und unsere Pflicht, je nach Umständen weitere Anträge in der Bundesversammlung in dieser Angelegenheit zu stellen, natürlich nicht verzichten; allein da es uns um die Sache und nicht um die Form oder sonstige Rücksichten zu thun ist, wünschen wir lebhaft, daß die durch den Antrag Preußens veranlaßte und wenn unsere Nachrichten richtig sind, dem Ziele schon sehr nahe gerückte Verständigung zwischen 5 Emendiert. Vorlage: dem.

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Pfordten an Montgelas

Nr. 152

Oester­reich und Preussen in nächster Zeit zu einer vollständigen Einigung und zur ungesäumten Berufung einer nach dem Wahlgesetze von 1848 gebildeten gemeinschaftlichen Vertretung von Schleswig-Holstein führen möge.6 Wir sind der Überzeugung, daß es auf diesem – und nur auf diesem – Wege gelingen werde, eine allseitig befriedigende Lösung herbeizuführen und wir erachten es für unsere Pflicht, eine solche nicht blos nicht zu stören, sondern soviel an uns ist, zu unterstützen und dabei die Interessen Preussens in der obenbezeichneten Weise im Auge zu behalten. In diesem Geiste sind auch meine beiden Erlasse an den Grafen Bray, welche sich in Euer Hochgeboren Händen befinden, abgefaßt und ich ersuche Euer Hochgeboren, den Inhalt derselben dem Herrn Minister von Bismark in derselben Weise mitzutheilen, in welcher Sie bereits dem Herrn von Thile davon Kenntniß gegeben haben. Ich hoffe, daß der Herr Minister hiedurch von dem völligen Ungrunde der ihm, gleichviel woher, zugekommenen Gerüchte sich überzeugen werde. Dabei ersuche ich Euer Hochgeboren ganz besonders, den Wunsch zu betonen, den ich in dem zweiten Erlasse nach Wien ausgesprochen habe, daß nämlich die höchsten Regierungen von Preussen und Oesterreich von ihrem Entschlusse, die Landesvertretung von Schleswig-Holstein zu berufen, vor der Ausführung desselben der Bundesversammlung Mittheilung machen und derselben Gelegenheit geben möchten, ihre Zustimmung bezüglich Holsteins auszusprechen. Die Berechtigung und das Interesse der Bundesversammlung bezüglich solcher Betheiligung bedarf wohl keines näheren Nachweises, wenn man erwägt, daß Holstein Bundesland ist, daß die streitige Erbfolgefrage bei der Bundesversammlung anhängig und daß die definitive Gestaltung der Zukunft dieses Landes ohne Mitwirkung der Bundesversammlung rechtlich doch nicht möglich ist. Eben so klar scheint es mir aber, von welchem durchgreifenden Einfluße auf die Ausgleichung aller im Schooße der Bundesversammlung bestehender Meinungsverschiedenheiten und auf die allseitige Verständigung ein solcher Schritt der beiden deutschen Mächte sein müßte, und wie er gerade geeignet wäre, allen übrigen Bundesgliedern diejenige Zurückhaltung zu erleichtern, welche die preußische Regierung wünscht. Empfangen Sie bei diesem Anlaße die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. v. d. Pfordten.

6 Wahlgesetz für die Schleswig-Holsteinische Landesversammlung vom 20. Oktober 1848, in: Schleswig-Holsteinische Anzeigen für das Jahr 1848, N. F., 12. Jg., S. 380 f.

Nr. 153

  Rede von Fedor Streit 

Coburg, 10. Juni 1865

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153. Rede des Abgeordneten Fedor Streit im gemeinschaftlichen Landtag von Coburg und Gotha

Verhandlungen des gemeinschaftlichen Landtags der Herzogthümer Coburg und Gotha 1865– 1868, S. 56 f. u. 58.

Streit hofft, daß der Landtag und auch die übrigen deutschen Volksvertretungen die Mittel für den Bundestag gänzlich streichen, denn er hält es nicht für gerechtfertigt, auch nur einen Pfennig für den Bundestag zu bewilligen. Der Bundestag habe seine vollständige Unfähigkeit bewiesen, für die Rechte und Interessen des deutschen Vol­ kes einzutreten. Nach strengem Rechtsstandpunkt bestehe der Bundestag gar nicht zu Recht. Der Bundestag sei auf legalste Weise aufgehoben worden und friste nur noch eine kümmerliche Existenz, er sei ein „odiöses“ Institut, dem man gar nichts mehr bewilligen dürfe.

6. Sitzung

Coburg, 10. Juni 1865

Abg. Streit1: Er sei leider verhindert gewesen, bei der vorigen Tagung des gemeinschaftlichen Landtags zugegen zu sein. Er würde damals gegen den Antrag gestimmt haben2 und stimme jetzt um somehr dagegen, als der Antrag jetzt nicht mehr wie früher blos auf eine persönliche Zulage sondern auf eine Erhöhung der Gehaltsposition überhaupt gerichtet sei. Der finanzielle Gesichtspunkt, der in Frage komme, sei ganz unbedeutend, desto wichtiger die Principienfrage. Die Gründe, welche der Herr Vorredner für die zu erwartende Abstimmung angeführt habe3, seien nicht durchschlagend. Der Gesichtspunkt, daß eine abermalige Ablehnung des Antrags der Herzogl. Staatsregierung vielleicht unangenehm sein könnte, dürfe keineswegs für die Abstimmung maßgebend sein. Denn sehr häufig werde die Ablehnung der Landesvertretung die Herzogl. Staatsregierung unangenehm berühren. Würde aber dieser Gesichtspunkt als entscheidend für die Landesvertretung angesehen, dann würde der Landtag überhaupt nicht nöthig haben, sich in diesem Saale zu versammeln. Er hoffe, daß ein nächster Landtag die Position für den Bundestag überhaupt abstreichen werde, er hoffe, daß nicht 1 Fedor Streit (1820–1904), Journalist und Verleger, seit 1856 Advokat in Coburg, 1859–1865 Geschäftsführer des Nationalvereins, 1857–1867 Mitglied des Landtags von Sachsen-Coburg und Gotha; Biefang (Bearb.), Der Deutsche Nationalverein, S. XXXV. 2 Streit bezieht sich auf die Landtagssitzung vom 5. April, in der der Antrag der Finanzkommission auf Erhöhung des Gehalts des Bundestagsgesandten nach kontroverser Debatte abgelehnt worden war; siehe Dok. 147. 3 Der Abgeordnete Schwerdt hatte erklärt, bei der neuen Abstimmung über das Gehalt des Bundestagsgesandten für die beantragte Erhöhung zu stimmen, weil bei einer abermaligen Ablehnung „die diesseitige Staatsregierung in eine Situation gedrängt werden könnte, durch deren Unannehmlichkeit die finanzielle Ersparniß viel zu theuer erkauft wäre“; Verhandlungen des gemeinschaftlichen Landtags der Herzogthümer Coburg und Gotha 1865–1868, S. 56.

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Rede von Fedor Streit

Nr. 153

blos der gemeinschaftliche Landtag der Herzogthümer Coburg und Gotha dies thun werde, sondern daß die sämmtlichen Landtage in vielleicht nicht zu ferner Zukunft übereinstimmend die Position für den Bundestag aus ihren Budgets abstreichen werden. Er hoffe, daß übereinstimmend die Volksvertretungen in ganz Deutschland keiner Staatsregierung überhaupt die Mittel verwilligen werden, die sich nicht verbindlich mache, endlich die geheiligte Zusage einer National-Vertretung in Erfüllung zu bringen. Von diesem Standpunkt aus könne er es nicht im Entferntesten für gerechtfertigt halten, auch nur einen Pfennig aus irgend einem practischen Grunde für den Bundestag zu verwilligen und damit direct oder indirect eine Anerkennung seiner Bedeutung auszusprechen. Nach den in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen habe der Bundestag seine vollständige Unfähigkeit bewiesen, für die Rechte und Interessen des deutschen Volkes einzustehen und diesen Interessen eine gebührende Geltung zu verschaffen, er habe nur seine Fähigkeit diese Interessen zu schädigen und zu beeinträchtigen documentirt. Unter diesen Umständen könne es nach seiner Meinung kein Volksvertreter in ganz Deutschland vor sich selbst rechtfertigen, für den Bundestag nur irgend eine Verwilligung zu machen, und zwar um so weniger als der Bundestag, wenn man sich auf ganz strengen Rechtsstandpunkt stelle, überhaupt nicht zu Recht bestehe. [Mehrere Abgeordnete setzen sich in der Folge mit Streits Äußerungen und der Frage auseinander, ob eine abermalige Abstimmung über den am 5. April abgelehnten An­ trag statthaft sei.]

Abg. Streit: Es sei ihm entgegen gehalten worden, daß eine Abstimmung gegen den Antrag gegen eine verfassungsmäßige Verpflichtung streite. Er kenne keinen Bundestag. Der frühere Bundestag sei auf die legalste Weise aufgehoben worden.4 Seit dieser Zeit hätten wir in Frankfurt eine Gesellschaft von Abgesandten, welche sich mit Abhaltung von Ferien beschäftige und ihre auf dem Boden der Willkür und Gewalt gewonnene Existenz kümmerlich friste. Das Herzogl. Staatsministerium selbst habe anerkannt, daß das Institut ein odiöses sei und daß die Consequenz dahin führe, für dasselbe gar nichts zu verwilligen. Er bedauere, daß bereits Verwilligungen für dasselbe gemacht seien, protestire aber gegen jede weitere Verwilligung. 4 Streit bezieht sich vermutlich auf die Bundestagssitzung vom 12. Juli 1848, in der die Bundesversammlung ihre Befugnisse auf den von der Frankfurter Nationalversammlung eingesetzten Reichsverweser übertrug und „ihre bisherige Tätigkeit“ für beendet erklärte; Prot DBV 1848, S. 756.

Nr. 154

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Dresden, 26. Juli 1865

154. Schulenburg an Bismarck

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 3843/11, fol. 59–62. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 27. Juli 1865.

Schulenburg berichtet über das erste Deutsche Sängerbundfest in Dresden. Der König von Sachsen wurde von den Sängern enthusiastisch begrüßt, und dem Freiherrn von Beust wurden vielfache Ovationen zuteil. Beim Festumzug herrschte beim Vorbei­ marsch der preußischen Liedertafeln Stille vor. Von den üblichen „Einheitsphrasen“ abgesehen, ist das Fest anscheinend vorübergegangen, ohne bestimmten politischen Tendenzen Ausdruck zu verleihen. Gleichwohl werden die Folgen eines derartigen Zu­ sammenschlusses „von Nationalitäten aller Art“ nicht ausbleiben. Durch die seit eini­ gen Jahren stattfindenden Volksfeste wird eine fortwährende Agitation unterhalten.

No 59.

Dresden, 26. Juli 1865

Euerer Excellenz verfehle ich nicht ganz gehorsamst zu melden, daß der König und die Königin von Sachsen gestern mittelst Extrazuges die bereits seit längerer Zeit beabsichtigte Reise nach Possenhofen1 angetreten haben und vermutlich eine längere Abwesenheit machen werden. Gleichzeitig kehrte der Großherzog Leopold II. von Toscana2 mit seiner Gemahlin, welche in Pillnitz einige Wochen zugebracht, nach Schlackenwerth in Böhmen zurück. Der Prinz und die Prinzessin Georg3 werden Sich nunmehr unverzüglich nach dem Seebade Blankenberghe bei Ostende begeben, und auch der Minister von Beust vermuthlich gegen Ende des Monats Dresden verlassen. Der Badische Gesandte Freiherr von Edelsheim war in vergangener Woche hier anwesend, um das Notificationsschreiben des Großherzog[s] von Baden bezüglich des Ablebens Ihrer Königlichen Hoheit, der verwittweten Frau Großherzogin Sophie4 dem Könige Johann zu überreichen, und reiste unmittelbar nach stattgefundener Audienz vor Beginn des Sängerfestes5 wieder ab. 1 Das Schloß Possenhofen am Starnberger See gehörte dem König von Bayern. Vgl. Schober, Schlösser im Fünfseenland, S. 204 ff. 2 Leopold II. (1797–1870), Großherzog der Toskana und Erzherzog von Österreich; nach dem Italienischen Krieg 1859 dankte Leopold ab und ließ sich in Schloß Schlackenwerth in der Nähe von Karlsbad in Böhmen nieder; NDB, Bd. 14, S. 298 f. 3 Prinz Georg von Sachsen (1832–1904), der dritte Sohn von König Johann von Sachsen, seit 1859 verheiratet mit Maria Anna (1843–1884), Tochter des Königs von Portugal, bestieg 1902 den sächsischen Thron; NDB, Bd. 6, S. 227 f.; Fellmann, Sachsens Könige. 4 Sophie Wilhelmine von Holstein-Gottorp (1801–1865), älteste Tochter von König Gustav Adolf IV. von Schweden (1778–1837), Witwe von Großherzog Leopold von Baden (1790– 1852) und Mutter von Großherzog Friedrich I. (1826–1907); http://kalliope-verbund.info/de/ eac?eac.id=120636123. 5 In Dresden fand vom 22.–25. Juli 1865 das erste Deutsche Sängerbundfest statt, an dem etwa 16 000 Sänger teilnahmen. Der Deutsche Sängerbund war 1862 in Coburg gegründet worden. Siehe: Das erste deutsche Sängerbundesfest zu Dresden, 22.–25. Juli 1865. Ein Gedenkbuch, im Auftrage des Festausschusses herausgegeben. Dresden 1865; Klenke, Der singende „deutsche Mann“, S. 128, 135; Mecking, Gelebte Empathie, S. 112.

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Schulenburg an Bismarck

Nr. 154

Letzteres hat gestern Abend geendet, nachdem die Stadt während drei ­ agen durch die zahlreichen Gäste, w T ­ elche mit Einschluß der Inländer gegen 300 0006 zu berechnen sind, in eine Art von Taumel versetzt war. Schon am 21. begann das Wogen in den mit Fahnen, Kränzen, Transparenten und Emblemen aller Art reich geschmückten Straßen, durch welche die ankommenden Sänger oder der Festzug geleitet werden sollten; vorzüglich wehten die Deutschen Farben von allen in denselben belegenen Häusern neben den Sächsischen und den Bannern der verschiedenen Länder; Preußische Farben zeigten sich seltener; dagegen war die Schleswig-Holsteinische Fahne häufig ­bemerkbar, namentlich an den vor dem Ministerio des Innern sowohl als vor dem Gebäude des Auswärtigen angebrachten Decorationen. Auch vor dem Portal des Königlichen Schlosses prangte neben der Sächsischen eine Deutsche Fahne. Ich habe mich mit meinen Kollegen des Decorirens unserer Wohnungen enthalten; nur der Oesterreichische Gesandte, vor dessen Hause der Festzug am Montage7 während vier Stunden vorüberzog, sah sich genöthigt, dasselbe mit Kränzen auszuschmücken, wie die übrigen in derselben Straße belegenen Häuser, vermied es jedoch irgend eine Fahne auszuhängen. Das dreitägige Fest verlief ohne jegliche Störung unerachtet der trotz einer fast tropischen Hitze unendlich zahlreichen Betheiligung der aus den Nachbarländern und Städten herbeiströmenden Massen. Durch die Polizei sowie durch die Turnerwehr wurde die Ordnung genügend und, wie ich es anerkennen muß, in geziemender Weise aufrecht erhalten. Am Sonnabend, nachdem die Fahnen sämmtlicher Sängerbünde durch die Straßen der Stadt nach der Festhalle getragen waren, fand daselbst die feierliche Begrüßung Statt. Die bei diesem Anlaß gehaltenen Reden boten außer den unerläßlichen Phrasen nichts Erhebliches dar, und auch der Minister von Beust vermied, als er für das ihm dargebrachte Hoch dankte, in seiner kurzen Rede politische Anspielungen; hob indeß hervor daß das deutsche Lied in Zukunft noch eine große Macht werden könne. Am Sonntag fand das erste Concert statt, dessen erstem Theil die König­ liche Familie mit Ausnahme der bereits abgereisten Kronprinzlichen Herrschaften beiwohnte. Der König wurde bei der Hin- und Rückfahrt enthusiastisch begrüßt und auf diese Weise für das Verschieben der Reise, wie dies auf Wunsch des Freiherrn von Beust geschehen, entschädigt. Am 24. um 2 Uhr begann der Festzug, der unerachtet der vierstündigen Dauer doch mit ziemlicher Ordnung von Statten ging. Das Publicum betheiligte sich lebhaft daran und begrüßte die verschiedenen Fahnen mit freudigem Zuruf; nur war beim Vorbeiziehen preußischer Liedertafeln eine vorherrschende Stille sicht6 Die Zahl ist von Bismarck mit einem Fragezeichen versehen. 7 24. Juli 1865.

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Dresden, 26. Juli 1865

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lich bemerkbar. Dem Freiherr von Beust welcher in einem der Fenster des von ihm bewohnten Ministeriums des Innern stand, wurden auch bei diesem Anlaß vielfach Ovationen zu Theil. Unerachtet er doch wohl nur wenigen der zahlreich herbeigeströmten fremden Sänger persönlich bekannt sein konnte, brachte doch fast jede Abtheilung derselben die ihn auffallender Weise sogleich erkannte, ihm eine Art von Huldigung dar; das offiziöse Journal8 berichtet, daß die norddeutschen Vereine „den großen Deutschen Staatsmann“ mit einem einstimmigen Hoch begrüßt hätten, welchem sich die Berliner nicht minder wie die Bayern und Oesterreicher angeschlossen. Gestern Abend um 12 Uhr wurde in der Sängerhalle das Fest feierlich geschlossen; über die daselbst gehaltenen Reden ist mir noch keine weitere Mittheilung zugegangen, ich hoffe indeß daß, unerachtet der durch dreitägiges Jubeln erregten Stimmung die beim Abschied gehaltenen Reden die bisher beobachteten Schranken der Mäßigung nicht werden überschritten haben. Dem äußeren Anschein nach ist dieses Fest vorübergegangen, ohne politischen Tendenzen bis jetzt bestimmten Ausdruck – als die üblichen Einheitsphrasen – zu verleihen. Es wurden zwar in einigen Zeitungen besondere Vereinigungspunkte für die Anhänger der Fortschrittsparthei angezeigt, und auch zu heute eine Versammlung des Nationalvereins ausgeschrieben. Letzterer hat indeß im Allgemeinen hier wenig Anklang, und ist mir auch bis jetzt nicht bekannt geworden, daß Erstere zahlreich besucht gewesen wären. Die Folgen aber eines derartigen Zusammenschlusses von Nationalitäten aller Art, von denen ein Theil wenigstens unter dem Vorgeben zum gemeinschaftlichen Sängerfest sich zu vereinigen, wohl ganz andere Ziele im Auge hat, werden, wenn auch vielleicht nicht unmittelbar in nächster Zeit, sicherlich doch nicht ausbleiben, und auf diejenigen von welchen dazu die Anregung ausging, dereinst eine schwere Verantwortung laden. Jedenfalls läßt sich jetzt schon nicht verkennen, wie durch die seit mehre[re]n Jahren überall stattfindenden Volksfeste eine fortwährende Agitation unterhalten wird. Ebenso wird es von vielen Seiten lebhaft gemißbilligt, daß das kleine Sachsenland hauptsächlich zum Tummelplatz für derartige Vereinigungen besonders gewählt zu sein scheint. Die niederen Klassen gewöhnen sich an diese für die hiesigen Verhältnisse zu häufig wiederkehrenden Vergnügungen, und die besitzenden müßen schließlich die zur Bestreitung nothwendigen erhöhten städtischen Steuern zahlen, abgesehen von der schon seit Monaten eingetretenen Theuerung sämtlicher Lebensmittel und der durch die Einquartierung der Sänger verursachten Kosten und Lasten. Es zeigt sich daher auch in den höheren Ständen eine sichtliche Unzufriedenheit, sogar in Hofkreisen, besonders aber unter dem Militair. Letzteres weigerte sich die Regimentsmusik beim Festzug her8 Das Dresdner Journal.

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Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen

Nr. 155

zugeben, und nur durch den ausdrücklichen, angeblich auf Veranlassung des Ministers von Beust ausgesprochenen Willen des Königs, wurde dieser Widerstand beseitigt. Für den Augenblick freilich hatte Sich der König Johann, sowie Sein Minister, des großen Beifalls der liberalen Parthei zu erfreuen ­gehabt; ob aber bei etwa später eintretenden Ereignissen der gegenwärtige Enthusiasmus Sachsen vor ähnlichen Erfahrungen als wie im Jahre 18499 schützen würde, möchte ich bezweifeln. Gr. Schulenburg.   Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen 

155. Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen zur Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund

ProtDBV 1865, S. 355–357. Druck: Staatsarchiv, Bd. 9, S. 299–301; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 292–294 (Antrag).

Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen beantragen, dass die Bundesver­ sammlung an die Regierungen von Österreich und Preußen die Anfrage richten soll: 1. welche Schritte sie getan haben, um eine definitive Lösung bezüglich der Elbher­ zogthümer herbeizuführen; 2. ob sie gesonnen seien, aus freien Wahlen hervorge­ hende allgemeine Vertretungen des Herzogtums Holstein und des Herzogtums Schleswig dabei mitwirken zu lassen. Ferner sollen Österreich und Preußen aufge­ fordert werden, auf eine Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund hinzuwirken.

22. Sitzung

Frankfurt am Main, 27. Juli 1865 § 148. Herzogthümer Holstein, Lauenburg und Schleswig. (11. Sitz. § 74 v. J. 1865.)

Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen. Als die hohe Bundesversammlung am 5. December v. J.1 beschloß, das Executionsverfahren in den Herzogthümern Holstein und Lauenburg als beendigt anzusehen und damit den Besitz und die Verwaltung dieser Herzogthümer thatsächlich an die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen zu überlassen, geschah dieß unverkennbar in der dabei auch mehrseitig ausgesprochenen Hoffnung 9 Anspielung auf den Dresdener Aufstand vom 3.–9. Mai 1849, bei dem revolutionäre Demokraten versucht hatten, die sächsische Regierung zu stürzen und die Anerkennung der Frankfurter Reichsverfassung durchzusetzen; siehe dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 866–868; Neemann, Gesellschaftlicher Aufbruch; Müller, Vom Dreikönigsbündnis zum Vierkönigsbündnis, S. 137–139. 1 Emendiert. Vorlage: 7. – Vgl. ProtDBV 1864, S. 890–901.

Nr. 155

Frankfurt am Main, 27. Juli 1865

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und Erwartung, es sei nunmehr der Zeitpunkt gekommen, in welchem die Herzogthümer einem geordneten, allseitig anerkannten Rechtszustande und ihrer eigenen Selbstständigkeit unter ihrem angestammten Fürsten zurückzugeben seien, und es werde die Erreichung dieses Zieles durch jenen Beschluß erleichtert. Dieser Erwartung hat sodann die hohe Bundesversammlung durch ihren Beschluß vom 6. April d. J.2 bestimmten Ausdruck gegeben. Dieselbe ist jedoch bis jetzt nicht in Erfüllung gegangen, indem sich fortwährende Meinungsverschiedenheiten über das Erbrecht und über die künftigen Beziehungen dieser Länder zu dem Königreich Preussen entgegengestellt haben. Es kann indessen nicht verkannt werden, daß die längere Dauer des provisorischen Zustandes sowohl für die Herzogthümer selbst als für deren Beziehungen zum Deutschen Bunde von den nachtheiligsten Wirkungen ist, in welcher Hinsicht vorzüglich darauf hinzuweisen sein wird, daß die verfassungsmäßige Thätigkeit der Gesetzgebung in den Herzogthümern stillsteht, daß die Stimme derselben in der Bundesversammlung suspendirt ist und daß die von denselben zu stellenden Bundescontingente nicht formirt sind. Bei dieser Sachlage erscheint es eben so zweckmäßig als rechtlich und politisch begründet, zur Lösung der noch schwebenden Fragen die Mitwirkung frei gewählter Vertreter der Länder, um deren Wohl und Wehe es sich handelt, in Anspruch zu nehmen. Auf diesem Wege würde zugleich dasjenige Mittel, welches die Sicherstellung der geschichtlich begründeten untrennbaren Verbindung des Herzog­ thums Schleswig mit Holstein und den Schutz beider gegen fremde Angriffe am naturgemäßesten gewährt, nämlich die Aufnahme des Herzogthums Schleswig in den Deutschen Bund, eingeleitet und verwirklicht werden können, insofern eine gemeinschaftliche Vertretung dieser beiden Herzogthümer berufen würde. Zugleich würde damit die Möglichkeit geboten werden, daß die hohe Bundesversammlung durch Verzichtleistung auf den Ersatz der Executionskosten bezüglich Holsteins und Lauenburgs und durch Betheiligung an Tragung der Kriegskosten bezüglich des Herzogthums Schleswig die finanziellen Zustände dieser Länder von denjenigen Lasten befreite, welche sehr schwer auf dieselben drücken würden, wenn sie jene Kosten allein tragen sollten. Gewiß hat es daher sämmtlichen deutschen Regierungen zu aufrichtiger Befriedigung gereicht, daß dem Vernehmen nach zwischen den hohen Regierungen von Oesterreich und Preussen wegen Einberufung einer Vertretung der Herzogthümer bereits Verhandlungen gepflogen wurden. Hat die Bundesversammlung diesem Vorhaben ihren Beifall und ihre vollste Aufmerksam2 Siehe Dok. 148.

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Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen

Nr. 155

keit zu widmen um so mehr Ursache, als sie sich von den zu erwartenden Kundgebungen der einzuberufenden Vertretung eine willkommene und werthvolle Unterlage für ihre ferneren Berathungen und Beschlüsse versprechen darf, so ist andererseits dadurch die Hoffnung gerechtfertigt, daß die hohen Regierungen von Oesterreich und Preussen selbst die oben angedeuteten Gesichtspunkte und Anschauungen nicht zurückweisen. In diesem Vertrauen stellen daher die Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle beschließen: 1) an die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen die Anfrage zu richten, welche Schritte sie gethan haben oder zu thun beabsichtigen, um eine definitive Lösung der bezüglich der Elbherzogthümer noch schwebenden Fragen herbeizuführen; ob dieselben insbesondere gesonnen sind, eine aus freien Wahlen hervorgehende allgemeine Vertretung des Herzogthums Holstein in Gemeinschaft mit einer gleichen Vertretung des Herzogthums Schleswig zur Mitwirkung bei jener Lösung zu berufen, und für welchen Zeitpunkt diese Einberufung, deren Beschleunigung sich aus den angeführten Gründen als in hohem Grade wünschenswerth darstellt, in Aussicht genommen werden kann; 2) an dieselben höchsten Regierungen das Ersuchen zu stellen, daß sie auf die Aufnahme des Herzogthums Schleswig in den Deutschen Bund hinwirken; 3) für diesen Fall und sobald die in dem Bundesbeschlusse vom 6. April d. J. ausgesprochene vertrauensvolle Erwartung sich erfüllt haben w ­ erde, die Bereitwilligkeit zum Verzicht auf den Ersatz der Executionskosten bezüglich Holsteins und Lauenburgs und zur Betheiligung an Tragung der Kriegskosten bezüglich Schleswigs zu erklären, sei es, daß der Bund in seiner Gesammtheit für die Kriegskosten aufkommt, oder daß ein verhältnißmäßiger Antheil von denjenigen Bundesstaaten, welche an der Kriegführung nicht betheiligt waren, übernommen wird. Präsidium schlägt vor, den eben vernommenen Antrag dem Ausschusse für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit zuzuweisen. Sämmtliche Herren Gesandten – mit Ausnahme des Königlich-Niederlän­ dischen, Großherzoglich-Luxemburgischen Herrn Gesandten, welcher sich der Abstimmung enthielt, – traten dem Präsidialvorschlage bei, der substituir­ te Herr Gesandte der fünfzehnten Stimme, indem er für Oldenburg noch ­äußerte, daß er sich, insofern in dem bezüglich seiner geschäftlichen Behandlung zur Abstimmung stehenden Antrage der allerhöchsten Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen mehrfach auf den Bundesbeschluß vom 6. April d. J. Bezug genommen sei, veranlaßt sehe, die gelegentlich jenes Beschlusses zur 11. dießjährigen Sitzung vom 6. April

Nr. 156

Gastein, 14. August 1865

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(Prot. § 74) abgegebene Erklärung ausdrücklich zu wiederholen und außerdem der Großherzoglichen Regierung jede weitere Erklärung vorzubehalten. Hierauf wurde beschlossen: den Antrag der Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen dem Ausschusse für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit zuzuweisen.

156. Gasteiner Konvention zwischen Österreich und Preußen

ProtDBV 1866, Beilage zu § 172 des Protokolls der 25. Sitzung vom 24. August 1865, S. 391– 394; Abschrift u. a. in: HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 35: Weisungen 1865. Veröffentlicht u. a. in: Die Presse, Abendblatt, Nr. 233 vom 24. August 1865. Druck in: Staatsarchiv, Bd. 9, S. 288–290; Nouveau recueil général de traités, Vol. 18, S. 2–6; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 324–329; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 212–214; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 148–150 (gekürzt); En­ gelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 297–299 (gekürzt).

Österreich und Preußen teilen die Herrschaft über Schleswig und Holstein. Sie bean­ tragen im Bund die Bildung einer Bundesflotte und eines Bundeshafens in Kiel. Rendsburg soll Bundesfestung werden, bis zum entsprechenden Bundesbeschluß tei­ len sich Österreich und Preußen die Besatzung und das Kommando. Preußen erhält zwei Militärstraßen durch Holstein nach Schleswig. Die Elbherzogtümer sollen dem Zollverein beitreten. Preußen darf den Nord-Ostseekanal durch holsteinisches Gebiet bauen. Österreich überläßt Preußen das Herzogtum Lauenburg gegen die Zahlung von 2,5 Millionen dänischen Reichstalern.

Gastein, 14. August 1865 Uebereinkunft zwischen Ihren Majestäten dem Kaiser von Oesterreich und dem König von Preussen, zu Gastein abgeschlossen am 14. und in Salzburg ratificirt am 20. August 1865.

Ihre Majestäten der Kaiser von Oesterreich und der König von Preussen h­ aben Sich überzeugt, daß das bisher bestandene Condominium in den von Dänemark durch den Friedensvertrag vom 30. October 1864 abgetretenen Ländern zu Unzukömmlichkeiten führt, welche gleichzeitig das gute Einvernehmen zwischen Ihren Regierungen und die Interessen der Herzogthümer gefährden. Ihre Majestäten sind deshalb zu dem Entschlusse gelangt, die Ihnen aus dem Art. 3 des erwähnten Tractates zufließenden Rechte fortan nicht mehr gemeinsam auszuüben, sondern bis auf weitere Vereinbarung die Ausübung derselben geographisch zu theilen.

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Gasteiner Konvention

Nr. 156

Zu diesem Zwecke haben Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich Allerhöchstihren wirklichen Kämmerer, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am Königlich-Bayerischen Hofe, Gustav Grafen von Blome, Ehrenritter des souverainen Johanitterordens ec., Seine Majestät der König von Preussen Allerhöchstihren Präsidenten des Staatsministeriums und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Otto von Bismarck-Schönhausen, Ritter des schwarzen Adlerordens, Großkreuz des St. Stephanordens ec., zu Ihren Bevollmächtigten ernannt, welche nach Auswechslung ihrer in gehöriger Form befundenen Vollmachten über die nachfolgenden Artikel übereingekommen sind.

Art. 1. Die Ausübung der von den hohen vertragschließenden Theilen durch den Art. 3 des Wiener Friedenstractates vom 30. October 1864 gemeinsam erworbenen Rechte wird, unbedacht der Fortdauer dieser Rechte beider Mächte an der Gesammtheit beider Herzogthümer, in Bezug auf das Herzogthum Holstein auf Seine Majestät den Kaiser von Oesterreich, in Bezug auf das Herzogthum Schleswig auf Seine Majestät den König von Preussen übergehen.

Art. 2. Die hohen Contrahenten wollen am Bunde die Herstellung einer deutschen Flotte in Antrag bringen und für dieselbe den Kieler Hafen als Bundeshafen bestimmen.1 Bis zur Ausführung der deßfallsigen Bundesbeschlüsse benutzen die Kriegsschiffe beider Mächte diesen Hafen und wird das Commando und 1 Der Plan zur Schaffung einer deutschen Bundesflotte war erstmals am 12. Juli 1860 durch ­einen gemeinschaftlichen Antrag von Preußen, Hannover, Oldenburg und Bremen in die Bundesversammlung gelangt. Er ging zurück auf einen Vorschlag von Hamburg, das 1859 die Bildung einer „kleinen Flotille von Kanonenbooten“ zum Schutz der deutschen Nordseeküste angeregt hatte. Die preußische Regierung hielt es 1860 für wünschenswert, durch den Bund eine „Kanonenbootflotille von 40 Boten in der Nordsee, und eine Abtheilung von 10 Boten in der Ostsee“ aufbauen zu lassen. Die seither in der Bundesversammlung und zwischen den norddeutschen Küstenanrainerstaaten geführten Verhandlungen führten aber zu keinem Ergebnis, auch wenn die Bundesversammlung am 8. März 1862 eine Spezialkommission für den Küstenschutz einsetzte. Die in Gastein verabredete Einbringung eines Antrags der beiden deutschen Großmächte zur Bildung einer Bundesflotte verlief ebenfalls im Sande. Für Bismarck hatte diese Bestimmung vor allem den unmittelbaren Vorteil, daß die preußische Marine­ präsenz in Kiel, das ja Bundeshafen werden sollte, damit eine vertragliche Grundlage erhielt. Preußen hatte nämlich am 24. März 1865 seine Marinestation in der Ostsee von Danzig nach Kiel verlegt, was zu Auseinandersetzungen mit Österreich führte. Mit den Bestimmungen des Artikels 2 der Gasteiner Konvention erhielt Preußen das Recht, Kiel weiterhin als Marinestützpunkt zu nutzen und diesen auszubauen. Zum Projekt einer Bundesflotte siehe Rogosch, Hamburg im Deutschen Bund, S. 88–97, Zitate ebd. 88 f.

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Gastein, 14. August 1865

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die Polizei über denselben von Preussen ausgeübt. Preussen ist berechtigt, sowohl zur Vertheidigung der Einfahrt Friedrichsort gegenüber die nöthigen Befestigungen anzulegen, als auch auf dem Holsteinischen Ufer der Bucht die dem Zwecke des Kriegshafens entsprechenden Marineetablissements einzurichten. Diese Befestigungen und Etablissements stehen gleichfalls unter Preussischem Commando und die zu ihrer Besatzung und Bewachung erforderlichen Preussischen Marinetruppen und Mannschaften können in Kiel und Umgegend einquartiert werden. Art. 3. Die hohen contrahirenden Theile werden in Frankfurt beantragen, Rendsburg zur deutschen Bundesfestung zu erheben. Bis zur bundesgemäßen Regelung der Besatzungsverhältnisse dieser Festung wird deren Garnison aus Kaiserlich-Oesterreichischen und Königlich-Preussischen Truppen bestehen mit jährlich am 1. Juli alternirendem Commando. Art. 4. Während der Dauer der durch Art. 1 der gegenwärtigen Uebereinkunft verabredeten Theilung wird die Königlich-Preussische Regierung zwei Militärstraßen durch Holstein, die eine von Lübeck auf Kiel, die andere von Hamburg auf Rendsburg, behalten. Die näheren Bestimmungen über Etappenplätze, sowie über den Transport und Unterhalt der Truppen werden ehestens durch eine besondere Convention geregelt werden. Bis dieß geschehen, gelten die für die Preussischen Etappenstraßen durch Hannover bestehenden Bestimmungen. Art. 5. Die Königlich-Preussische Regierung behält die Verfügung über einen Telegraphendraht zur Verbindung mit Kiel und Rendsburg und das Recht, Preussische Postwagen mit ihren eigenen Beamten auf beiden Linien durch das Herzogthum Holstein gehen zu lassen. Insoweit der Bau einer directen Eisenbahn von Lübeck über Kiel zur Schleswigischen Grenze noch nicht gesichert ist, wird die Concession dazu auf Verlangen Preussens für das Holsteinische Gebiet unter den üblichen Bedingungen ertheilt, ohne daß ein Anspruch auf Hoheitsrechte in Betreff der Bahn von Preussen gemacht werden wird. Art. 6. Es ist die übereinstimmende Absicht der hohen Contrahenten, daß die Herzogthümer dem Zollvereine beitreten werden. Bis zum Eintritt in den Zollverein resp. bis zu anderweiter Verabredung besteht das bisherige beide Herzog­ thümer umfassende Zollsystem unter gleicher Theilung der Revenüen dessel-

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Gasteiner Konvention

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ben fort. In dem Falle daß es der Königlich-Preussischen Regierung angezeigt erscheint, noch während der Dauer der im Art. 1 der gegenwärtigen Uebereinkunft verabredeten Theilung Unterhandlungen behufs des Beitrittes der Herzogthümer zum Zollvereine zu eröffnen, ist Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich bereit, einen Vertreter des Herzogthums Holstein zur Theilnahme an solchen Verhandlungen zu bevollmächtigen. Art. 7. Preussen ist berechtigt, den anzulegenden Nord-Ostsee-Canal, je nach dem Ergebnisse der von der Königlichen Regierung eingeleiteten technischen Ermittelungen, durch das Holsteinische Gebiet zu führen.2 Insoweit dieß der Fall sein wird, soll Preussen das Recht zustehen, die Richtung und die Dimensionen des Canals zu bestimmen, die zur Anlage erforderlichen Grundstücke im Wege der Expropriation gegen Ersatz des Werthes zu erwerben, den Bau zu leiten, die Aufsicht über den Canal und dessen Instandhaltung zu führen und das Zustimmungsrecht zu allen denselben betreffenden reglementarischen Bestimmungen zu üben. Transitzölle oder Abgaben von Schiff und Ladung, außer der für die Benutzung des Canals zu entrichtenden, von Preussen für die Schiffe aller Nationen gleichmäßig zu normirenden Schifffahrtsabgabe dürfen auf der ganzen Ausdehnung des Canals nicht erhoben werden. Art. 8. An den Bestimmungen des Wiener Friedensvertrages vom 30. October 1864 über die von den Herzogthümern sowohl gegenüber Dänemark als gegenüber Oesterreich und Preussen zu übernehmenden finanziellen Leistungen wird durch die gegenwärtige Uebereinkunft nichts geändert; doch soll das Herzog­ thum Lauenburg von jeder Beitragspflicht zu den Kriegskosten befreit werden. Der Vertheilung dieser Leistungen zwischen den Herzogthümern Holstein und Schleswig wird der Bevölkerungsmaßstab zu Grunde gelegt werden. Art. 9. Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich überläßt die im mehrerwähnten Wiener Friedensvertrage erworbenen Rechte auf das Herzogthum Lauenburg Seiner Majestät dem Könige von Preussen, wogegen die Königlich-Preussische Regierung sich verpflichtet, der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung 2 Der Bau eines Kanals von der Nordsee zur Ostsee wurde seit 1863 unter dem Eindruck des Konflikts um Schleswig-Holstein zu einem intensiv diskutierten Thema, wobei neben handelspolitischen Erwägungen nun auch militärstrategische Aspekte gegenüber Dänemark in den Vordergrund traten. Letztlich begann der Bau aber erst 1886, die Einweihung erfolgte 1895. Vgl. Peters, Der Nord-Ostsee-Kanal.

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Frankfurt am Main, 24. August 1865

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die Summe von zwei Millionen fünfmalhunderttausend Dänische Reichsthaler zu entrichten, in Berlin zahlbar in Preussischem Silbergelde vier Wochen nach Bestätigung gegenwärtiger Uebereinkunft durch Ihre Majestäten den Kaiser von Oesterreich und den König von Preussen. Art. 10. Die Ausführung der vorstehend verabredeten Theilung des Condominiums wird baldmöglichst nach Genehmigung dieses Abkommens durch Ihre Majestäten den Kaiser von Oesterreich und den König von Preussen beginnen und spätestens bis zum 15. September beendet sein. Das bis jetzt bestehende gemeinschaftliche Obercommando wird nach vollendeter Räumung Holsteins durch die Königlich-Preussischen, Schleswigs durch die Kaiserlich-Oesterreichischen Truppen spätestens am 15. September aufgelöst werden. Art. 11. Gegenwärtige Uebereinkunft wird von Ihren Majestäten dem Kaiser von ­Oesterreich und dem Könige von Preussen durch Austausch schriftlicher Erklärungen bei Allerhöchstderen nächster Zusammenkunft genehmigt werden. Zu Urkund dessen haben beide Eingangs genannte Bevollmächtigte diese Vereinbarung in doppelter Ausfertigung am heutigen Tage mit ihrer Namensunterschrift und Siegel versehen. So geschehen Gastein, am 14. August 1865. (L. S. ) G. Blome, m. p. (L. S. ) v. Bismarck, m. p.

157. Erklärung von Österreich und Preußen in der Bundes­ versammlung zur schleswig-holsteinischen Frage

ProtDBV 1865, S. 387–391. Druck: Staatsarchiv, Bd. 9, S. 302–304.

Österreich und Preußen informieren die Bundesversammlung über die Gasteiner Konvention und kündigen einen baldigen Abschluß der Verhandlungen über Schles­ wig-Holstein an.

25. Sitzung

Frankfurt am Main, 24. August 1865 § 172. Herzogthümer Holstein, Lauenburg und Schleswig. (22. Sitz. § 148 v. J. 1865.)

Oesterreich und Preussen. Die hohen Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen haben in der 22. Bundestags-Sitzung

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Erklärung von Österreich und Preußen

Nr. 157

vom 27. Juli d. J. in einem deßhalb gestellten Antrage den Wunsch ausgesprochen, daß die Regierungen von Oesterreich und Preussen über die Schritte, welche sie zur Herbeiführung einer definitiven Lösung der bezüglich der Elbherzogthümer noch schwebenden Fragen gethan oder zu thun beabsichtigten, eine Mittheilung an den Bund gelangen lassen möchten, und haben dabei zugleich anderweiten Wünschen Ausdruck gegeben, welche auf diese Angelegenheit Bezug haben.1 Die Regierungen von Oesterreich und Preussen haben inzwischen es für die nächste Aufgabe erachten müssen, die Schwierigkeiten zu beseitigen, welche sich aus der bisherigen nicht zweckentsprechenden Form der Ausübung der durch den Art. III. des Wiener Friedens vom 30. October 1864 erworbenen Rechte ergeben hatten, um dadurch Raum für die weiteren Verhandlungen über eine definitive Lösung zu gewinnen. Es gereicht den beiden Regierungen zur Befriedigung, hoher Bundesversammlung nunmehr mit­ theilen zu können, daß es ihren Bemühungen gelungen ist, über eine jene Schwierigkeiten beseitigende Organisation der Verwaltung der Herzogthümer sich zu verständigen, und die Gesandten sind beauftragt, hoher Bundesversammlung von dem in dieser Beziehung am 14. August l. J. verabredeten und am 20. desselben Monats von den beiden Monarchen genehmigten Uebereinkommen2 durch die Ueberreichung der anliegenden beglaubigten Abschriften desselben Mittheilung zu machen.* Hohe Bundesversammlung wird hieraus die Ueberzeugung gewinnen, daß die Regierungen von Oesterreich und Preussen ernstlich bemüht sind, die Frage der Elbherzogthümer einer definitiven Lösung zuzuführen und die derselben noch entgegenstehenden Schwierigkeiten zu beseitigen. Die einzelnen in dem Antrage der hohen Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen erwähnten Punkte sind gegenwärtig Gegenstand der weiteren Verhandlung zwischen Oesterreich und Preussen. Die beiden Regierungen hegen die Zuversicht, daß diese Verhandlungen zu einem allseitig befriedigenden Ergebniß führen werden, und er­ suchen die hohe Bundesversammlung, diesem Ergebniß mit Vertrauen entgegenzusehen, indem sie sich weitere Mittheilungen vorbehalten. Preussen. Der so eben abgegebenen Erklärung sieht sich der Gesandte hinzuzufügen veranlaßt, daß seine allerhöchste Regierung nicht verfehlen wird, hoher Bundesversammlung über den bevorstehenden Regierungsantritt Sei-

* M. s. die Beilage. 1 Siehe Dok. 155. 2 Siehe Dok. 156.

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Frankfurt am Main, 24. August 1865

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ner Majestät des Königs in Lauenburg und die Vertretung dieses Herzogthums im Bunde seiner Zeit geeignete Anzeige zu machen. Präsidium beantragt, diese Erklärungen nebst der überreichten Uebereinkunft dem Ausschusse für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit zuzuweisen. Umfrage. Oesterreich, Preussen und Bayern: treten dem Präsidialantrage bei. Königreich Sachsen. Da durch die eben mitgetheilte, zwischen den höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen abgeschlossene Uebereinkunft das Herzogthum Lauenburg berührt wird, so sieht sich der Gesandte veranlaßt, die Erbansprüche des Königlichen Hauses an gedachtes Herzog­ thum unter Bezugnahme auf die in der 1. Sitzung des Jahres 1847 (Prot. § 13)3 und später wiederholt zu Protokoll gegebenen Erklärungen ausdrücklich zu verwahren. Uebrigens tritt er dem Präsidialantrage bei. Hannover, Württemberg und Baden: treten dem Antrage des Präsidiums bei. Kurhessen. Der substituirte Gesandte stimmt dem Präsidialantrage zu, muß jedoch hierbei auf die der hohen Bundesversammlung am 4. August und 17. November v. J. überreichten Eingaben in Betreff der Erbansprüche Seiner Hoheit des Prinzen Friedrich Wilhelm von Hessen auf das Herzogthum Lauen­ burg Bezug nehmen4 und alle daraus herzuleitenden Rechte, sowie jede etwaige weitere Aeußerung vorbehalten. Großherzogthum Hessen: tritt dem Präsidialantrage bei. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte enthält sich der Abstimmung. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Unter Bezugnahme auf die bei früheren Anlässen zu Protokoll gegebenen Erklärungen in Betreff des dem Durchlauchtigsten Sachsen-Ernestinischen Hause zustehenden Rechtes auf Succession im Herzogthum Lauenburg stimmt der substituirte Gesandte dem Antrage des Präsidiums bei, indem er den hohen Regierungen der Curie noch jede weitere Erklärung vorbehält. Braunschweig und Nassau. Der substituirte Gesandte stimmt dem Präsidialantrage zu, muß aber für die Herzoglich-Nassauische Regierung der überreichten Vereinbarung und den vernommenen Erklärungen gegenüber auf die in der 8. dießjährigen Sitzung zu Protokoll gegebene Verwahrung in Betreff der Erbansprüche Ihrer Hoheit der Frau Herzogin Adelheid Marie zu Nassau, 3 ProtDBV 1847, S. 42 f. 4 Eingabe Seiner Hoheit des Prinzen Friedrich Wilhelm von Hessen bezüglich seiner Erbansprüche auf das Herzogthum Lauenburg; ProtDBV 1864, S. 413–425; Denkschrift, die Ansprüche des Prinzen Friedrich Wilhelm von Hessen auf die Succession in dem Herzogthum Lauenburg betreffend; ProtDBV 1864, S. 781–816.

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Pfordten an Fugger

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gebornen Prinzessin zu Anhalt5, und Höchstderen Descendenten auf das Herzogthum Lauenburg Bezug nehmen6 und jede etwaige Erklärung vorbehalten. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Der Gesandte tritt unter Bezugnahme auf die wegen der eventuellen Erbansprüche des Großherzoglichen Hauses auf das Herzogthum Lauenburg wiederholt zu Protokoll gegebenen Erklärungen und Verwahrungen dem Präsidialantrage bei. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der substituirte Gesandte stimmt dem Antrage des Präsidiums unter Hinweis auf die früher im Namen der Herzoglich-Anhaltischen Regierung in der hohen Bundesversammlung bezüglich der agnatischen Erbfolgerechte des Durchlauchtigsten Herzoglichen Gesammthauses Anhalt auf das Herzogthum Lauenburg abgegebenen Erklärungen und eingelegten Verwahrungen zu. Die sechzehnte und die siebenzehnte Stimme traten dem Präsidialantrage bei, worauf derselbe zum Beschlusse erhoben wurde.

158. Pfordten an Fugger1

HStA München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1706. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 11. September 1865.

Eine Erörterung der Angelegenheiten der Elbherzogtümer darf in der Bundesver­ sammlung nicht länger verzögert werden. Es geht nicht an, wie es die Gasteiner Kon­ vention nahelegt, die Elbherzogtümer als eine von Österreich gemeinschaftlich mit Preußen gemachte Eroberung zu betrachten, über welche die beiden Mächte beliebig verfügen können. Das preußisch-österreichische Kondominium in Schleswig-Holstein ist nicht in Einklang zu bringen mit dem Erbrecht der Herzöge von Augustenburg und mit einer bundesgemäßen Lösung. Der einzige Weg zu einer dem Recht entsprechen­ den Lösung des Erbfolgestreites ist die Mitwirkung einer frei gewählten schleswigholsteinischen Landesvertretung; darauf zielte auch der Antrag der Mittelstaaten vom 27. Juli 1865 in der Bundesversammlung ab. Die Gasteiner Konvention hat die Ausführung „jenes heilsamen Gedankens“ erschwert. Durch die Konvention wird auch die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund nicht erleichtert. Pfordten möchte wissen, ob die österreichische Regierung geneigt ist, die Aufnahme Schles­ wigs zu beantragen oder einen entsprechenden Antrag zu unterstützen. 5 Adelheid Marie von Anhalt-Dessau (1833–1916), seit 1851 verheiratet mit Herzog Adolph von Nassau; Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 563 f. 6 ProtDBV 1865, § 57, S. 64, dazu die Denkschrift, die Erbansprüche Ihrer Hoheit der Herzogin Adelheid Marie zu Nassau, geborenen Prinzessin zu Anhalt, in Bezug auf das Herzogthum Lauenburg betreffend, mit Anlagen, ebd. S. 67–72. 1 Friedrich Graf von Fugger von Kirchberg und Weißenhorn (1825–1896), bayerischer Lega­ tionssekretär in Wien; Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Bayern 1865, S. 195; Bring­ mann, Handbuch der Diplomatie, S. 44.

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Exp. No 214.

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München, 9. September 1865

Hochgeborner Graf! Der Bundesausschuß für die holsteinische Angelegenheit hat am 31ten vorigen Monats mit einer Majorität von fünf Stimmen gegen zwei beschlossen, über den ihm zugewiesenen Antrag der Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen vom 27ten Juli dieses Jahres2 zur Zeit nicht in Berathung zu treten, sondern die weiteren Mittheilungen ab­zu­war­ten, welche von Oesterreich und Preussen bei der in der Sitzung der Bundes­ versammlung vom 24ten vorigen Mts. erfolgten Vorlage der Gasteiner Übereinkunft vom 14ten vor Mts. in Aussicht gestellt worden sind.3 Darauf hat dazu die Bundesversammlung selbst in ihrer Sitzung vom 31ten vorigen Mts. mit dreizehn Stimmen gegen drei den Beschluß gefaßt, sich bis zum 26ten Oktober dieses Jahres zu vertagen.4 Der Königliche Bundestagsgesandte hat den ihm ertheilten Instruktionen gemäß in beiden Fällen in der Minorität gestimmt, weil wir es für nothwendig gehalten haben, daß eine Erörterung der Angelegenheiten der Elbherzogthümer in der Bundesversammlung nicht länger verzögert werde. Unter diesen Verhältnißen sieht sich die Königliche Regierung veranlaßt, sich unmittelbar an das Kaiserliche Cabinet zu wenden, nicht um über die Gasteiner Convention eine der vollendeten Thatsache gegenüber nutzlose Diskussion zu veranlassen, sondern um über die Trageweite dieses wichtigen Aktes und über dessen Rückwirkung auf die in dem Antrage vom 27ten Juli dieses Jahres enthaltenen Fragen diejenigen Aufklärungen zu erhalten, von welchen ein richtiges Urtheil über jene Convention und der Entschluß der Königlichen Regierung über ihr Verhalten zu der dadurch geschaffenen Lage bedingt ist. Wenn man diejenigen Erklärungen ins Auge faßt, welche die Kaiserliche Regierung am 28ten Mai vor Jrs. in der Londoner Conferenz5, sowie am 2ten Juni vor. Jrs. und am 6ten April dieses Jrs. in der Bundesversammlung abgegeben hat6, so kann man unmöglich annehmen, daß das Kaiserliche Cabinet 2 Siehe Dok. 155. 3 Siehe ProtDBV 1865, § 172, S. 387–389, Beilage zu § 172, S. 391–394 (Dok. 156). 4 Siehe ProtDBV 1865, § 182, S. 398–400. Gegen die Vertagung stimmten die Regierungen von Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen. 5 Zu dieser Erklärung siehe oben S. 671 u. 756. Vgl. ProtDBV 1864, S. 275. 6 Am 2. Juni 1864 hatte die Bundesversammlung die Berichte des Bundesbevollmächtigten Beust von der Londoner Konferenz entgegengenommen. Auf Antrag des Präsidialgesandten war beschlossen worden, dem sächsischen Außenminister die lebhafte Befriedigung und vollste Anerkennung auszusprechen, „zu welchen der für die Ansprüche und Interessen Deutschlands erfolgverheißende Fortgang der Conferenzverhandlungen und die von Eurer Excellenz

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Pfordten an Fugger

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jetzt einer andern Rechtsanschauung folgen, und die Herzogthümer als eine gemeinschaftlich mit Preussen gemachte Eroberung betrachten wolle, über welche die beiden Mächte beliebig verfügen könnten. Man wird diesem Gedanken um so weniger Raum geben können, als ja bekanntlich die Herzog­ thümer Holstein und Lauenburg nicht durch Oesterreich und Preussen, sondern durch den deutschen Bund in Besitz genommen, und erst später von diesem den beiden Mächten, aber gewiß nicht zum Eigenthume, überlassen worden sind. Gleichwohl sehen wir uns genöthigt, diese Frage zu berühren, weil die Gasteiner Convention in ihrem Eingange und im Artikel 10 nicht, wie bisher geschah, von einem Mitbesitze, sondern von einem Condominium spricht und in Artikel 9 die Rechte auf Lauenburg gegen eine Geldentschädigung, also wohl mit dem Gedanken definitiver Übertragung von Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich an Seine Majestät den König von Preussen überlassen werden. Wir bekennen, daß es uns nicht klar ist, wie die Idee eines Condominium in Einklang zu bringen sei mit dem legitimen Erbrechte der Herzoge von ­Augustenburg auf Schleswig-Holstein, welches das Kaiserliche Cabinet in seinen vorerwähnten Erklärungen anerkannt und zur Geltung zu bringen gestrebt hat, und in dessen Verwirklichung wir allein diejenige bundesgemäße Lösung zu erkennen vermögen, welcher nach der Depesche des Herrn Grafen von Mensdorff die Bestrebungen des Kaiserlichen Hofes auch fernerhin zugewendet bleiben sollen. Wir verkennen dabei nicht, daß jenes Erbrecht bestritten worden ist, und daß eben aus diesem Streite die Schwierigkeiten hervorgegangen sind, zu deren momentaner Beseitigung die Gasteiner Convention abgeschlossen worden ist. Umso mehr aber drängt sich uns die Nothwendigkeit auf, denjenigen Weg einzuschlagen, welcher allein geeignet erscheint, eine dem Rechte entsprechende und allseitig befriedigende Lösung des Erbfolgestreites herbeizuführen, nämlich die Mitwirkung der Bevölkerung von Schleswig-Holstein durch eine freigewählte Landesvertretung. Auf diesen Weg waren noch vor wenigen Monaten die Absichten der Cabinete von Wien und Berlin gerichtet und unser Antrag vom 27. Juli dieses Jrs. wollte diesen Gedanken der Verwirklichung zuführen. unter schwierigen Verhältnissen entwickelte ebenso eifrige als umsichtige persönliche Wirksamkeit berechtigten Anlaß bieten. Insbesondere hat die hohe Bundesversammlung die von Eurer Excellenz im Einvernehmen mit den Herren Bevollmächtigten von Oesterreich und Preussen in der Sitzung vom 28. Mai abgegebenen Erklärungen gebilligt, welche sie als in vollem Einklange mit dem Geiste und Inhalte Ihrer allgemeinen Instructionen erkennt“. ProtDBV 1864, Separatprotokoll zur 23. Sitzung, § 72, S. 214a. Zur Bundestagssitzung vom 6. April 1865 siehe oben Dok. 148; ProtDBV 1865, § 74, S. 92.

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München, 9. September 1865

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Die Gasteiner Convention schweigt davon, und hat durch die Trennung der Verwaltung der beiden Herzogthümer die Ausführung jenes heilsamen Gedankens unverkennbar erschwert. Wir wollen darum nicht annehmen, daß das Kaiserliche Cabinet darauf verzichtet habe, die Stimme der Länder selbst zu hören, über deren Zukunft es mit dem Berliner Hofe noch in Verhandlung steht; wir müssen aber dringend wünschen, darüber aufgeklärt zu werden, wie und wann es nach den Intentionen des Kaiserlichen Cabinetes zur Berufung der Landesvertreter kommen solle. Aber noch in einer anderen Beziehung scheint uns die Convention vom 14ten August dieses Jahres eine befriedigende Lösung der ganzen Angelegenheit ferne zu rücken, oder doch jedenfalls in keiner Weise zu erleichtern oder anzubahnen. Wir meinen die Aufnahme des Herzogthums Schleswig in den deutschen Bund. Nach unserer Überzeugung ist [dies] die wesentliche Voraussetzung für dauernde Befriedigung der Herzogthümer selbst und für Beseitigung künftiger Differenzen innerhalb des Bundes, und wir glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen, daß die große Mehrzahl unserer Bundesgenossen diese Überzeugung theilt. Die Gasteiner Convention schweigt hierüber und die Trennung der Verwaltung beider Herzogthümer ist der Förderung dieser Angelegenheit gewiß nicht günstig. Um so mehr müssen wir Werth darauf legen zu wissen, wie das Kaiserliche Cabinet hierüber denkt, ob und in welcher Weise dasselbe die Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund zu beantragen oder doch einen hierauf gerichteten Antrag zu unterstützen geneigt ist. Indem ich Euere Hochgeboren beauftrage, gegenwärtige Mittheilung durch Übergabe einer Abschrift zur Kenntniß des Kaiserlichen Cabinets zu bringen, gebe ich mich der Hoffnung hin, dasselbe werde daraus entnehmen, daß wir fortwährend den Wunsch hegen, diese für Deutschlands Gegenwart und Zukunft hochwichtige Angelegenheit im bundesfreundlichen Benehmen und unter der Initiative der Bundes-Präsidial-Macht zu behandeln und so viel an uns ist auf eine den allseitigen Rechten und Interessen entsprechende Erledigung hinzuwirken. In dieser Hoffnung glauben wir auch auf eine unzweideutige Erwiederung des Kaiserlichen Cabinetes rechnen zu dürfen. Empfangen Euer Hochgeboren auch bei diesem Anlasse den erneuerten Ausdruck der ausgezeichneten Hochachtung. v. d. Pfordten

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Mensdorff an Franckenstein

Nr. 159

159. Mensdorff an Franckenstein1

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/63, fol. 25 f. Weisung. Abschrift.

Der Gesandte soll den Senat von Frankfurt auffordern, den geplanten Zusammentritt des Deutschen Abgeordnetentages am 1. Oktober zu verhindern. Die Versammlung hat revolutionäre Zwecke im Kampf gegen die beiden deutschen Großmächte auf ihr Programm gesetzt, die Bundesstadt Frankfurt darf nicht abermals zum Sammelplatz einer solchen gesetzwidrigen Agitation werden. Notfalls müßte Österreich selbst Maßregeln ergreifen, um das ungesetzliche Treiben zu unterbinden.

Wien, 22. September 1865 Der Aufmerksamkeit Ew. wird der Aufruf, mit welchem sämmtliche Mitglieder deutscher Landes-Vertretungen zu einem Abgeordneten-Tage nach Frankfurt a/M. auf den 1. October d. J. eingeladen werden, ebenso wenig ent­gangen sein, wie die beiden Rundschreiben, die von dem geschäftsleitenden Comité des 36er Ausschusses in Frankfurt mit dem Zwecke der Aneiferung zur möglichst zahlreichen Beschickung der ausgeschriebenen Versammlung ergangen sind. Der Inhalt dieser Schriftstücke sowohl wie insbesondere die maßlosen Ausschreitungen desjenigen Theiles der deutschen Presse, welcher sich dem Einflusse des genannten Ausschusses dienstbar gemacht hat, oder den Bestrebungen desselben nah verwandte Zwecke verfolgt, lassen auf den Geist schließen, der die in Aussicht genommene Versammlung beherrschen und die Vorgänge noch überbieten dürfte, welche während einer Reihe von Jahren in häufiger Aufeinanderfolge am Sitze des Bundestages stattgefunden haben. Nach den bedauerlichen Beschlüssen des letzten, in Frankfurt am 21. December 1863 abgehaltenen Abgeordneten-Tages2, aus welchen die Einsetzung eines permanenten Organs zur Durchführung des Volkswillens, als Mittelpunkt für die Thätigkeit der Vereine etc. hervorging, haben wir es gemeinschaftlich mit Preußen nicht an ernsten Vorstellungen fehlen lassen und auf vorzubereitende officielle Schritte der Bundes-Versammlung, sowie auf die nothwendigen Folgen hingewiesen, falls der Senat fortfahre, mit bisheriger Bereitwilligkeit die Bundesstadt zum Sammelplatze dieser gesetzwidrigen Agitationen herzuleihen. Daß zur Stunde noch nichts von Schwierigkeiten verlautet, welchen die Abhaltung des zweiten für den 1ten Oktober anberaumten Abgeordnetentages 1 Karl Borromäus Freiherr von und zu Franckenstein (1831–1898), österreichischer Legationssekretär bei der Bundespräsidialgesandtschaft in Frankfurt, später Geschäftsträger in Washington (1867/68) und Gesandter in Dresden (1872–1879) und Kopenhagen (1880–1888); Hofund Staatshandbuch des Kaiserthums Österreich für das Jahr 1866, S. 130; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, 291; Matsch, Der Auswärtige Dienst von Österreich, 117, 136, 147. 2 Siehe Dok. 101.

Nr. 159

Wien, 22. September 1865

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Seitens der Behörden der freien Stadt begegnet, beweist, welch geringe Beachtung die damaligen von Oesterreich und Preußen dem Herrn älteren Bürgermeister in vertraulicher Weise gemachten Vorstellungen gefunden haben. In dieser Wahrnehmung sowohl, wie nicht minder in der Thatsache, daß die Presse mit den ungezügeltsten Angriffen auf die beiden deutschen Großmächte dem beabsichtigten Abgeordneten Tage ungescheut eine revolutionaire Haltung empfiehlt, müssen diese eine unabweisliche Aufforderung erblicken, an den Senat von Frankfurt die ernste Mahnung zu richten, das Zusammentreten einer Versammlung nicht zu gestatten, welche bestimmte politische und revolutionaire Zwecke in ausgesprochenem Kampfe gegen die ersten Bundesmächte auf ihr Programm gesetzt hat und sonach nicht anstehen wird, die in der sogenannten Fortschritts-Presse gegen Oesterreich und Preußen vorgebrachten Beleidigungen und Schmähungen am Sitze des Bundestages und Angesichts ihrer eigenen Truppen von der Tribüne herab zu wiederholen. Wir glauben daher der Erwartung Raum geben zu können, daß wir uns der eventuellen Nothwendigkeit überhoben sehen werden, jene Maßregeln selbst herbeizuführen, welche geeignet erscheinen, von der Bundesstadt in Zukunft das bisherige ungesetzliche Treiben fern zu halten. Ew. werden ersucht, dem Herrn regierenden Bürgermeister[,] sobald ihr Preußischer College zu dem gleichen Schritte ermächtigt sein wird, den gegenwärtigen Erlaß vorzulesen und, wenn es gewünscht werden sollte, Abschrift in Händen zu lassen. Empfangen pp.3

3 Die Intervention Österreichs und Preußens wurde aber aufgeschoben „bis nach voraussichtlichem Fiasco der Abgeordneten“; Werther an Bismarck, Telegramm, Wien, 15. September 1865, GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/63, fol. 19. – Der Abgeordnetentag konnte demnach stattfinden, allerdings kamen nur 268 Teilnehmer zusammen, die preußischen und österreichischen Abgeordneten blieben fast gänzlich fern. Wie der preußische Gesandte am 1. Oktober an Bismarck telegraphierte, blieb die „Totalwirkung matt“, der Parteigeist konnte nur mühsam überdeckt werden; Wentzel an Bismarck, Frankfurt, 1. Oktober 1865, GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/63, fol. 40; vgl. ebd., fol. 44 f. den Bericht Wentzels an Bismarck vom 1. Oktober 1865: „Die Theilnahme des zuhörenden Publicums war eine äußerst geringe, die Logen spärlich besetzt, der im Sitzungssaal für die Zuhörer abgetheilte Raum noch nicht zum vierten Theil gefüllt“ (fol. 45). Siehe auch Biefang, Politisches Bürgertum, S.  371 ff.

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Artikel in der Constitutionellen Zeitung

Nr. 160

160. Artikel in der Constitutionellen Zeitung

Constitutionelle Zeitung Nr. 224 v. 27. September 1865.

Es ist eine Pflicht der deutschen Landtagsabgeordneten am Abgeordnetentag in Frank­ furt teilzunehmen. Die Gasteiner Übereinkunft verstößt gegen das Recht und die Ehre Deutschlands. Die Abgeordneten müssen gegen die Rechtsverletzungen der Groß­ mächte in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit protestieren; ihr Schweigen hie­ ße „der deutschen Frage die Todtenglocke läuten“. Das deutsche Volk muß zeigen, daß es selbst in der Lage ist, sein Recht zu wahren und seine Angelegenheiten zu ­regeln, um die Einmischungsgelüste des Auslandes zu vertreiben. Die preußischen Ab­ geordneten dürfen sich vom Abgeordnetentag nicht fernhalten, denn damit würden sie sich von einer wichtigen nationalen Angelegenheit lossagen und vor dem Bismarck­ schen System kapitulieren. Der Abgeordnetentag ist die Hauptprobe auf die Macht der öffentlichen Meinung. Scheitert er, so ist die nationale Bewegung auf Jahre hinaus lahmgelegt. Vermag diese sich in der schleswig-holsteinischen Frage durchzusetzen, so ist auch der baldige Triumph in der deutschen Frage unausbleiblich.

Dresden, 27. September 1865 Zum Abgeordnetentage. Der Tag, an welchem deutsche Landesvertreter abermals in Frankfurt zusammentreten wollen, kommt immer näher. Um so mehr ist zu wünschen und zu hoffen, daß sich jeder Landtagsabgeordnete die gegenwärtige Lage und seine Stellung zu derselben lebhaft zu veranschaulichen weiß, um sich der Pflicht, die ihm dermalen obliegt, klar bewußt zu werden. Wenn die deutschen Volksvertreter jetzt zum ersten Male zusammentreten wollten, um über die schleswig-holsteinische Frage zu berathen, so würde der Einzelne so ziemlich freies Thun und Lassen haben. Er würde sich, ohne besondere Vorwürfe fürchten zu müssen, hinter den Gedanken, daß seine Stimme nunmehr doch vergebens sei, stecken und hübsch fein daheim bleiben können. So stehen jedoch die Sachen nicht mehr. Die deutschen Landesvertreter haben die schleswig-holsteinische Frage von allem Anfang an in die Hand genommen und sind nunmehr verbunden, sie nicht wieder aus der Hand zu lassen. Sie haben sich auf dem Abgeordnetentage am 21. December 1863 feierlich verpflichtet, insbesondere für Herstellung der Selbstständigkeit und unzertrennlichen Verbindung der Herzogthümer einzustehen und diejenigen deutschen Regierungen, welche für das volle Recht der Herzogthümer ehrlich und thatkräftig einstehen, zu unterstützen, diejenigen Regierungen dagegen, welche das Recht und die Ehre Deutschlands in dieser Sache preisgeben, mit allen verfassungsmäßigen Mitteln zu bekämpfen: – sie haben dieses ihr Wort jetzt einzulösen. Denn die Gasteiner Uebereinkunft tritt das Landesrecht der Herzogthümer schamlos mit Füßen und verstößt gleich schwer gegen das Recht und die Ehre Deutschlands, welche nicht blos die Befreiung der Herzogthümer von Däne-

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Dresden, 27. September 1865

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mark, sondern namentlich auch eine nationale Lösung der Frage geboten, die ohne Achtung der Rechte derselben nicht denkbar ist. Es kann unter diesen Umständen gar nichts darauf ankommen, ob der oder jener Landesvertreter sich beim frühern Abgeordnetentage nicht betheiligt hat. Diese Nichtbetheiligung kann ihm nicht den geringsten Vorwand geben, sich dermalen wiederum fern zu halten; denn jetzt sind alle Landesvertreter für die Ehre der deutschen Landesvertretungen solidarisch haftbar. Es kann sich auch gar nicht darum handeln, ob die Beschlüsse, welche der bevorstehende Abgeordnetentag fassen mag, zu irgend etwas führen. Selbst wenn es im Voraus unabänderlich feststände, daß jeder Protest des Abgeordnetentages nicht über das geduldige Papier hinauskommen könne, selbst dann müßte dennoch jeder Abgeordnete, der irgendwie abkommen kann, nach Frankfurt eilen. Das gekränkte Recht muß im schlimmsten Falle mindestens seine Stimme gegen den Frevler erheben, und schon oft hat das zähe Festhalten am Recht, wie sich jetzt wieder in Ungarn zeigt1, schließlich Erfolge davongetragen. In dem Schweigen der deutschen Landesvertreter zu den neuesten Unbilden der Großmächte würde der größte Triumph der Gewalt über das Recht liegen. Jetzt schweigen, hieße der öffentlichen Meinung und dem deutschen Volke das kläglichste Armuthszeugniß ausstellen. Der Gewaltige würde aus solchem Schweigen schließen, daß die deutschen Landesvertretungen weder dem Willen des deutschen Volkes irgend welches Gewicht beilegen, noch auch ihm die Kraft und den Muth zutrauen, für sein gutes Recht einzustehen. Jetzt schweigen, hieße die Gewaltigen, die kein Unrecht scheuen, zu weiteren Unbilden ermuthigen, weil sie das deutsche Volk als eine feige, knechtisch gesinnte Masse betrachten würden, die alles ruhig über sich ergehen lasse, und der man ungestraft alles bieten könne. Jetzt schweigen, hieße die Niederlage der Herzogthümer besiegeln und der deutschen Frage die Todtenglocke läuten. Denn welche der Bundesregierungen, die noch für das Recht der Herzogthümer einzustehen entschlossen sind, würde noch einen weiteren Schritt zu deren Gunsten zu thun wagen, wenn sie sich in keiner Weise mehr auf das Volk stützen könnte? Und wie wäre noch ein weiterer erfolgreicher Schritt in der deutschen Frage denkbar, wenn gerade die Frage, die Herzogthümerangelegenheit, die in consequenter Verfolgung nothwendigerweise zu einem bundesstaatlichen Verhältniß die Bahn brechen müßte, mattherzig aufgegeben würde? 1 Die Zeitung bezieht sich auf die schon seit längerem schwelenden Auseinandersetzungen zwischen der Zentralregierung in Wien und dem ungarischen Landtag über die verfassungsrechtliche Stellung Ungarns innerhalb der Habsburgermonarchie. Am 6. Juni 1865 hatte Kaiser Franz Joseph Ungarn besucht, am 20. September wurde das 1861 erlassene Grundgesetz über die Reichsverfassung ausgesetzt, womit die Weichen zum sogenannten „Ausgleich“ zwischen Österreich und Ungarn gestellt wurden. Vgl. dazu: Die Habsburgermonarchie, Bd. 7/1, S. 313 ff.

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Artikel in der Constitutionellen Zeitung

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Jetzt schweigen, wäre überdies höchst schmachvoll. Das Ausland, England und Frankreich, hat die Gasteiner Uebereinkunft sofort in Circulardepeschen einer beißenden Kritik unterworfen und nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß es seine Stimme wohl noch vernehmlicher erheben und noch ganz anders auftreten werde, wenn die Lösung der Herzogthümerfrage auf dem bisherigen Wege, der den Westmächten nicht zusagt, noch ferner gesucht wird, – und Deutschland, das durch jene Uebereinkunft am unmittelbarsten und am empfindlichsten verletzt wird, sollte sich nicht durch seine Landesvertreter auf das Entschiedenste dagegen stemmen? Freilich hat es mit einer Einmischung der Westmächte gute Wege; aber ein mattherziges Verhalten des deutschen Volkes zu jener Uebereinkunft würde das Ausland in der Meinung bestärken, daß man dem Deutschen noch immer alles bieten darf, und würde auf diese Weise Einmischungsgelüsten allerdings in die Hand arbeiten. Schon der Gedanke, daß das Ausland an eine Einmischung in eine rein deutsche Angelegenheit noch zu denken und sich gewissermaßen zum Vormunde des deutschen Volkes aufzuwerfen wagt, als könne dasselbe seine Angelegenheiten nicht selbst ordnen, – schon dieser Gedanke muß jedem Deutschen die Schamröthe ins Gesicht treiben und ihn bestimmen, sich kräftig zu rühren. Ein Volk, welches zeigt, daß es sein Recht selbst zu wahren im Stande und entschlossen ist, vertreibt dem Auslande am wirksamsten jedes Einmischungsgelüst. Einmüthiges, entschiedenes Auftreten des deutschen Volkes gegen die Gasteiner Uebereinkunft wird die beste Antwort auf die westmächtlichen Depeschen sein. So schön die Worte von der Heiligkeit der Verträge und vom Selbstbestimmungsrecht der Völker in jenen Depeschen klingen, so schlecht nehmen sie sich im Munde der Westmächte aus, deren Thaten nie in Einklang gestanden haben, und das Ausland hat sich eben um deutsche Angelegenheiten nicht zu kümmern. Alle diese Erwägungen zeigen, daß es eine unabweisliche, moralische Pflicht der deutschen Landesvertreter ist, sich möglichst zahlreich, womöglich noch zahlreicher, als im December 1863 in Frankfurt einzufinden. Sie müssen dorthin, sie können gar nicht wegbleiben, wenn sie nicht wortbrüchig werden, wenn sie nicht die Pflichten gegen sich selbst und gegen das deutsche Volk gröblich verletzen wollen. Dies gilt nicht nur von den mittel- und kleinstaatlichen Landesvertretern, sondern namentlich auch von den preußischen Abgeordneten, deren Betheiligung am Abgeordnetentage noch ganz andere Erwägungen zur Nothwendigkeit machen. Mit Befremden hören wir, daß sich eine Anzahl derselben nicht betheiligen will. Aber was würde man aus dem Wegbleiben der preußischen Abgeordneten folgern? Würde man nicht sagen, daß sie sich fern halten, weil sie durch ihre Theilnahme bei ihren Wählern anzustoßen fürchten? Würden sie durch ihr Wegbleiben oder durch ihr spärliches Erscheinen die preußische Regierung nicht zu dem Schlusse

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Dresden, 27. September 1865

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berechtigen, daß das preußische Volk die Bismarcksche Politik in der Herzogthümersache billige? Wäre damit nicht der Triumph des Bismarckschen Systems anerkannt? Und wenn sie jetzt, wo es sich um Schritte gegen ein Abkommen handelt, das allem Rechte Hohn spricht, sich nicht zu vertheidigen wagten, welchen Erfolg könnten sie noch von weiterer parlamentarischer Opposition gegen die Bismarcksche Wirtschaft erwarten, wenn sie in der wichtigen Herzogthümerfrage sich die Hände gebunden glaubten? Sie mögen bedenken, daß jeder Deutsche im Kampfe für das Recht der Herzogthümer zugleich sein eigenes Recht verficht. Ueberdies mögen sie beherzigen, daß in dem Wegbleiben oder spärlichen Erscheinen der preußischen Abgeordneten eine Lossagung des preußischen Volkes von einer wichtigen nationalen Angelegenheit liegen und, während sich jetzt der öffentliche Unwille nur gegen das Bismarcksche System richtet, sich von da ab das deutsche Volk auch mit dem preußischen Volk in Zwiespalt finden würde. Wenn daher überall die dringendsten Gründe für die Betheiligung am Abgeordnetentage vorliegen, so ist andererseits dahin zu wirken, daß ernste Meinungsverschiedenheiten nach Kräften vermieden werden. Dem Selbst­ bestimmungsrechte der Völker, insbesondere auch der Schleswig-Holsteiner, kann auch das preußische Volk nicht entgegen sein, weil es sich sonst selbst ins Gesicht schlagen würde. Sonach dürfte, wie wir bereits früher bemerkt, der Abgeordnetentag seine Beschlüsse neben einem Protest gegen ausländische Einmischung auf Einberufung der schleswig-holsteinischen Ständeversammlung zu völlig freier Meinungsäußerung und auf das deutsche Parlament zu beschränken haben. Wohl mag auch die Berührung anderer nationaler Fragen nicht unpassend sein; dagegen darf der praktische Gesichtspunkt durchaus nicht aus den Augen verloren und nicht vergessen werden, daß, wenn erst das Mehr erreicht ist, das Weniger von selbst folgt. Der Abgeordnetentag ist eben die Hauptprobe auf die Macht der öffent­ lichen Meinung. Wirft er um, so ist die nationale Bewegung auf Jahre hinaus lahm gelegt; vermag sie sich in der Herzogthümersache durchzusetzen, so ist auch der baldige Triumph in der deutschen Frage unausbleiblich. Der Abgeordnetentag hat es in seiner Gewalt, daß nicht leeres Stroh gedroschen wird; er muß nur seine Aufgabe begreifen und den Muth haben, sie durchzuführen. Mit bloßen Beschlüssen ist freilich nichts gethan; das Volk muß lebhaft für die Sache begeistert und gehörig in Bewegung gesetzt werden. Aber das Volk ist augenscheinlich vorbereitet; es bedarf nur des Rufes erprobter Führer. Daß diese dem Volke nicht fehlen, dafür hat der Abgeordnetentag zu sorgen. Er muß einen bleibenden Mittelpunkt bilden, der die Bewegung unablässig im Volke zu nähren oder von neuem anzufachen weiß, und der seine Thätigkeit nicht eher einstellt, als bis das deutsche Parlament zusammentritt.

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Thile an Wentzel

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161. Thile an Wentzel

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/63, fol. 58 f. Erlaß. Abschrift. Veröffentlicht in: Frankfurter Journal Nr. 307 v. 5. November 1865. Druck: Staatsarchiv, Bd. 9, S. 312 f.; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 406 f. (Konzept).

Die preußische Regierung wirft dem Senat von Frankfurt vor, die „gemeinschädli­ chen“ Bestrebungen des Abgeordnetentags geduldet zu haben. Diese „Nachsicht ge­ gen subversive Bestrebungen“ könne nicht länger hingenommen werden. Sollte der Senat seine Haltung nicht ändern, würden die Großmächte eingreifen müssen.

Berlin, 6. Oktober 1865 Ew. Hochwohlgeboren Berichte haben uns einen näheren Einblick in die Verhandlungen des am 1sten d. Mts. dort abgehaltenen Abgeordnetentages gewährt.1 Wir hatten bis zum letzten Augenblicke gehofft, daß der Senat, im Bewußtsein seiner Verpflichtungen gegen seine deutschen Verbündeten und eingedenk früherer von uns und Oesterreich gemachten Vorstellungen, diese Versammlung verhindern würde. Leider haben wir uns getäuscht. Wir haben uns von Neuem überzeugen müssen, daß der Senat Nichts dagegen hat, wenn das Territorium der Stadt Frankfurt zum Ausgangspunkt für unverständige ja gemeinschädliche politische Projecte benutzt wird. Solche Nachsicht gegen subversive Bestrebungen können wir nicht ferner gestatten. Wir können es nicht dulden, daß vorzugsweise am Sitz des Bundestages auf die Untergrabung bestehender Autoritäten in den ersten Bundesstaaten hingearbeitet wird, daß von dort aus Preßerzeugnisse in die Welt geschickt werden, welche sich durch Rohheit vor allen übrigen hervorthun. Der Verlauf des Abgeordnetentages hat gezeigt, daß die Phrase in dem gebildeten Theile der Bevölkerung immer weniger Anklang findet. Aber die Nachsicht des Senats bleibt deshalb nicht minder tadelnswerth. Wir begegnen uns mit der Kais. Oesterreichischen Regierung in der Auffassung, daß die Wiederholung eines solchen öffentlichen Aergernisses, selbst in der Gestalt resultatloser Velleitäten, nicht gestattet werden darf. Der Kaiserlich Oesterreichische Vertreter hat den Auftrag, dem dortigen Senate in diesem Sinne Vorstellungen zu machen. Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, im Einvernehmen mit Ihrem Oesterreichischen Collegen dem älteren Herrn Bürgermeister darüber keinen Zweifel zu lassen, daß wir uns in dieser Beziehung im vollständigen Einverständnisse mit der Kaiserlichen Regierung befinden. Ich gebe mich der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß man Frankfurter Seits die beiden deutschen Großmächte nicht in die Lage bringen wird, durch eignes Eingreifen weiteren Folgen unzulässiger Nachsicht vorzubeugen. 1 Zum Frankfurter Abgeordnetentag vom 1. Oktober 1865 siehe Biefang, Politisches Bürgertum, S. 381 ff. An der Versammlung nahmen 268 Abgeordnete teil.

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Wien, 8. Oktober 1865

Ew. Hochwohlgeboren ermächtige ich, den gegenwärtigen Erlaß dem älteren Herrn Bürgermeister vorzulesen und, wenn er wünscht, Abschrift davon in seinen Händen zu lassen. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Im Auftrage (gez.) v. Thile.

162. Mensdorff an Franckenstein

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/63, fol. 64 f. Erlaß. Abschrift. Der Erlaß wurde am 11. Oktober an den Frankfurter älteren Bürgermeister Gwinner übermittelt. Veröffentlicht in: Frankfurter Journal Nr. 307 v. 5. November 1865. Druck: Staatsarchiv, Bd. 9, S. 313 f.

Obwohl der Abgeordnetentag fehlgeschlagen ist, kann doch nicht seine Kritik an den deutschen Großmächten außer acht gelassen werden. Auch ist der 36er Ausschuß als erklärtes Organ der deutschen Revolution erneuert worden und wartet nur auf günsti­ gere Umstände, um wieder hervorzutreten. Österreich erwartet, daß der Senat künftig keine derartigen Versammlungen mehr in der Stadt Frankfurt zuläßt. Andernfalls wird es notwendig sein, andere Maßnahmen zu ergreifen, um vom Sitz der Bundesver­ sammlung ungesetzliche Bestrebungen fernzuhalten.

Wien, 8. Oktober 1865 Der Verlauf des am 1ten d. M. zu Frankfurt abgehaltenen sogenannten Abgeordnetentages hat für jetzt nur die innere Haltlosigkeit dieses neuen Agitations-Versuches und die Zerfahrenheit der politischen Parteien in Deutschland bloßgelegt. Die eingelaufenen Absagebriefe, wie die unverkennbare Gleichgültigkeit des Publikums dürften selbst den Urhebern dieser bedeutungslosen Demonstration die Verkehrtheit des Unternehmens gezeigt haben, an den Entschlüssen der beiden ersten Mächte Deutschlands ihre anmaßliche Kritik zu üben. Allein wenn auch die gehörten Reden sowie die Resolutionen der Versammlung mit ihrer, gelinde gesagt, unpassenden Motivirung und halbrevolutionären Zuspitzung gerechter Mißachtung verfallen sind, so tilgt dieses Fehlschlagen doch nicht den verletzenden Charakter der Thatsache, daß die gegen die Regierungen von Oesterreich und Preußen gerichteten Schmähungen und Beleidigungen, welche die demokratische Presse täglich anfüllen, in Frankfurt unter den Augen des Bundestages und der eigenen Truppen der beiden Mächte auf offener Tribüne wiederholt worden sind. Es darf ferner nicht außer Acht gelassen werden, daß jener Sechsunddreißiger Ausschuß, welcher den Abgeordnetentag einberufen hat, auch diesesmal erneuert worden ist, und daß dieser Ausschuß und sein engeres geschäftsleitendes Comité, als ein in Permanenz erklärtes Organ der deutschen Revolutionspartei, nur auf günsti-

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Mensdorff an Franckenstein

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gere Umstände wartet, um mit mehr Erfolg von Neuem auf den Schauplatz zu treten. Die Regierungen Deutschlands werden gewiß sämmtlich mit uns darin einverstanden sein, daß schon die bloße Existenz des Sechsunddreißiger Ausschusses, ganz abgesehen von den Wirkungen des neuesten maßlosen Auftretens der Versammlung in Frankfurt und von dem für Oesterreich und Preußen beleidigenden Charakter ihrer Beschlüsse eine vollkommen ungesetzliche und inconstitutionelle [sic] ist. Insbesondere wird der Senat von Frankfurt in seiner bundesgetreuen Gesinnung sich nicht verhehlen können, daß die Bundesstadt am Wenigsten zum Sammelplatze dieser gesetzwidrigen Agitationen hergeliehen werden sollte. Bereits nach dem am 21ten December 1863 abgehaltenen Abgeordnetentage, aus welchem die1 Einsetzung eines permanenten Ausschusses zur Durchführung des Volkswillens, als Mittelpunkt für die Thätigkeit der Vereine, der Fortschrittspresse e.c. hervorging, haben wir es gemeinschaftlich mit Preußen an ernsten Vorstellungen gegen die diesem Treiben am Sitze der Bundes-Versammlung gewährte Duldung, nicht fehlen lassen.2 Die seitdem in häufiger Aufeinanderfolge dort in Scene gesetzten Kundgebungen beweisen, welche geringe Beachtung die damals von den Vertretern der beiden Höfe dem Herrn älteren Bürgermeister in vertraulicher Weise gemachten Bemerkungen gefunden haben. In dieser Wahrnehmung sowohl, wie in ihrer Ueberzeugung, daß eine so usurpatorische Wirksamkeit, wie die jenes Ausschusses und des Abgeordnetentages nicht ohne ernste gemeinsame Gefahr noch länger stillschweigend zugelassen und dadurch gewissermaßen zu gewohnheitsmäßigem Bestande erhoben werden dürfte, müssen die Cabinete von Wien und Berlin eine unabweisliche Aufforderung erblicken, die ganze Aufmerksamkeit des hohen Senates, von Neuem auf die besprochenen Vorgänge und das Verhältniß der Bundesstadt zu denselben zu lenken. Wir glauben der zuversichtlichen Erwartung Raum geben zu können, daß nicht nur so leidenschaftliche Invectiven und ein so ausgesprochener Parteikampf gegen die ersten Bundesmächte, wie er die Tagesordnung der letzten Versammlung bildete, künftig keine Stätte mehr in Frankfurt finden, sondern der Senat überhaupt das Zusammentreten neuer von dem Comité des 36ger [sic] Ausschusses einberufener Versammlungen auf seinem Gebiete von nun an nicht mehr gestatten werde. Die Autorität des Senats, an welche wir uns hiemit in erster Linie wenden, wird uns hoffentlich der Nothwendigkeit überheben, auf anderweite Schritte Bedacht zu nehmen, um vom Sitze der deutschen Bundes-Versammlung in Zukunft die bisherigen ungesetzlichen Bestrebungen ferne zu halten. 1 Emendiert. Vorlage: die die. 2 Siehe Dok. 102–104.

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München, 17. Oktober 1865

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Ew. p. werden ersucht dem Herrn regierenden Bürgermeister, sobald Ihr preußischer College zu dem gleichen Schritte ermächtigt sein wird, den gegenwärtigen Erlaß vorzulesen, und wenn es gewünscht werden sollte, Abschrift zu vertraulichem Gebrauche in Händen zu lassen. Empfangen p.p.

163. Reuß an Bismarck

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/63, fol. 108–111. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 20. Oktober 1865. Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 418–420.

Pfordten rät davon ab, gegen die Abgeordnetenversammlung vorzugehen. Er bezwei­ felt, daß die Großmächte das Recht haben, gegen die Stadt Frankfurt einzuschreiten, der einzige Weg sei der, die Sache vor den Bund zu bringen. Bayern würde allerdings gegen einen solchen Antrag stimmen. Man könne vom Bund nicht verlangen, sich als Organ einer Polizeimaßregel benutzen zu lassen, wenn man ihn von seiten der Groß­ mächte ansonsten mundtot gemacht habe. Pfordten klagt über den Ton der preußi­ schen Presse gegenüber den Mittelstaaten, der den Riß zwischen den Mittelstaaten und Preußen noch größer mache.

No 123.

München, 17. Oktober 1865

Ungefähr gleichzeitig mit dem Eintreffen Eurer Excellenz hohen Erlasses vom 6. d. Mts. hatte der Kaiserlich Österreichische Geschäftsträger einen ähnlichen Auftrag, den in Frankfurt zusammengerufen gewesenen Abgeordnetentag betreffend, von seiner Regierung erhalten. Im Einvernehmen mit Herrn v. Zwierzina1 habe ich heute den Erlaß an Herrn v. Wentzel vom 6. d. Mts.2 zur Kennntiß des Freiherrn v. d. Pfordten gebracht und diese Vorlesung mit den, in dem an mich gerichteten hohen Erlaß enthaltenen, Reflexionen begleitet. Der Bayrische Herr Minister bemerkte[,] daß ich wohl nicht daran zweifeln werde, wie er mit den Tendenzen jener Versammlung vollständig im Widerspruch stehe. Seiner Ansicht nach thue sich die Fortschrittspartei durch solche Demonstrationen, deren Kopflosigkeit zu evident wäre, um noch Jemand über deren politische Befähigung täuschen zu können, selbst am meisten Schaden; er sei daher eigentlich nicht dafür, gegen die Wiederkehr solcher Scenen aufzutreten, und möchte im Interesse der guten Sache von derartigen Maßregeln 1 Ferdinand Rudolf Ritter von Zwierzina (1804–1872), seit 1854 Legationsrat an der österreichischen Gesandtschaft in München; Akten zur Geschichte des Krimkriegs, Ser. I, Bd. 3, S. 111, Anm. 1. 2 Siehe Dok. 161.

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Reuß an Bismarck

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abrathen. Würde indessen der Frankfurter Senat auf den Preußisch-Österreichischen Schritt eingehen und fernere Versammlungen der Art verhindern, so sei ihm, dem Minister dies auch recht. Was die gegen Ende des Preußischen Erlasses an Herrn v. Wentzel enthaltene Drohung eines Einschreitens Preußens und Österreichs betreffe, so müsse er die Frage aufwerfen, ob den beiden Großmächten hierbei irgend ein Recht zur Seite stände. Er bezweifle dieses Recht vollständig und glaube, daß der einzige Weg, welcher den Großmächten offen stünde, der sei, die Sache vor den Bund zu bringen. Würde dies aber geschehen, so könne er mit ziemlicher Bestimmtheit voraussagen, daß die Königlich Bayrische Regierung gegen einen solchen Antrag stimmen werde. Die Sache habe ihre große Wichtigkeit und greife wieder in die Existenzfrage der Mittelstaaten hinein. Denn wenn man Seitens der Großmächte Alles gethan habe, um den Bund mundtodt zu machen, so könne man jetzt nicht von demselben verlangen, daß er sich nur als Organ einer Polizei-Maßregel benutzen lasse. Würde sich die Bundes-Versammlung, welche sich über die wichtigsten Rechts- und Existenz-Fragen nicht aussprechen könne, hierzu hergeben, so hieße dies, sich vollständig in der öffentlichen Meinung ruiniren. Der Ton, in welchem Freiherr v. d. Pfordten dieses Thema weiterbesprach und mit ziemlicher Bitterkeit des mit Füßen getretenen Rechts erwähnte, bewiesen mir, daß derselbe während der politischen Windstille der letzten Wochen sich noch in keiner Weise über die Gasteiner Vorgänge beruhigt hat und daß er, wenn er auch vorgiebt das Princip: „Gewalt geht vor Recht“ jetzt durch seine Passivität zu dulden, dasselbe doch nimmermehr anerkennen zu wollen erklärt. Wieder auf den eigentlichen Gegenstand unseres Gespräches zurückkommend, sagte ich dem Minister, daß ich mit Bedauern aufs Neue constatiren müsse, wie er aus einer Principien-Reiterei sich verleiten lasse, einem von ihm selbst anerkannten Übel nicht entgegentreten zu wollen. Dem Vorwurfe der Maßlosigkeit in den Angriffen der mittelstaatlichen Presse gegen die Großmächte begegnete der Minister mit Klagen über die Preußische officiöse Presse, deren Haltung gegen die Mittelstaaten Alles überstiege, was man sich vorstellen könnte. Er gab zu, daß Bayern und dessen Regierung, auch namentlich seine Person, dabei besser behandelt würden als andere weniger bevorzugte Collegen, beklagte aber diesen Ton, welcher nur geeignet wäre, den Riß zwischen den Mittelstaaten und Preußen nur noch größer zu machen. Wenn auch die einzelnen Regierungen nicht die wünschenswerthe Gewalt hätten, um ihre Presse im Zaume zu halten, so sei es doch über alle Maaßen bedauerlich zu sehen, in welcher Weise Bundesregierungen fast tagtäglich durch diejenige Preußische Presse behandelt würden, deren Zusammenhang mit der Regierung allgemein bekannt sei. Die Bayri-

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Frankfurt am Main, 20. Oktober 1865

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sche Regierung hätte es sich zur Pflicht gemacht, diesen Federkrieg nicht zu führen, noch anzufachen, und müßte ich ihm das Zeugniß geben, daß sein Preß-Organ diese Regel aufs Strengste einhielte. Deshalb bäte er mich, die Königliche Regierung auf diesen Mißstand, der nur Unfrieden schaffen könnte, aufmerksam zu machen. Beispielsweise führte der Minister nur an, wie es doch wirklich zum Lachen sei, daß, sobald ein mittelstaatlicher Minister einmal mit einem Französischen Gesandten gesprochen habe, die Preußischen Officiösen über Verrath schrieen, während doch Eure Excellenz alle Jahre nach Frankreich reisten und lange Besprechungen mit dem dortigen Monarchen zu haben pflegten. Andere Betrachtungen knüpfte Freiherr v. d. Pfordten an den nunmehr plötzlich ans Tageslicht tretenden Wunsch der Königlichen Regierung, den Abgeordnetentag unterdrückt zu sehen. Er wolle, so äußerte er, zwar Eure Excellenz durchaus in keiner Weise für die Handlungen Preußens während der sogenannten neuen Aera verantwortlich machen, aber es müsse doch jetzt auffallen, daß Preußen, welches früher die Versammlungen des National-Vereins – welche illegal gewesen und gegen welche er persönlich angeblich am Bunde protestirt habe –, nicht ungern gesehen, nunmehr die Versammlungen der Abgeordneten, welche immer weniger Bedeutung erhielten, je öfter sie sich wiederholten, verboten wissen wolle. Meinem Österreichischen Collegen gegenüber hat sich Freiherr v. d. Pfordten ganz in derselben Weise ausgesprochen. Ich muß dabei bemerken, daß sich in den Österreichischen Schriftstücken, die mir mitgetheilt worden sind, keine Andeutung befand, daß die Großmächte eventuell durch eigenes Eingreifen weiteren Folgen unzulässiger Nachsicht vorzubeugen genöthigt sein dürften. H. von Reuss   Frankfurt am Main, 20. Oktober 1865 

164. Gwinner1 an Wentzel

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/63, fol. 123. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 21. Oktober 1865. Veröffentlicht in: Frankfurter Journal Nr. 307 v. 5. November 1865. Druck: Staatsarchiv, Bd. 9, S. 315.

Der Senat von Frankfurt weist die Intervention der beiden Großmächte gegen den Ab­ geordnetentag als rechtswidrig zurück und weist auf seine Souveränität als Mitglieds­ staat des Deutschen Bundes hin. Im übrigen seien die vorherigen Versammlungen des 36er Ausschusses in Weimar, Berlin (!) und Leipzig nicht beanstandet worden. 1 Philipp Friedrich Gwinner (1796–1868), seit 1837 Senator in Frankfurt, 1865 Älterer Bürgermeister von Frankfurt; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 179; Frankfurter Biographie, Bd. 1, S. 291.

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Gwinner an Wentzel

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Frankfurt am Main, 20. Oktober 1865 Euer Hochwohlgeboren haben mir am 11. dss. Mts. eine Note in Abschrift mitgetheilt, welche unter dem 6. dss. Mts. von dem Königlich Preußischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten an Euer Hochwohlgeboren gerichtet worden ist2 und den letztlich hier abgehaltenen sogenannten Abgeordnetentag und Erzeugnisse der Presse zum Gegenstande hat, das Verhalten des Senats der erwähnten und ähnlichen Versammlungen gegenüber bespricht und mit der Hoffnung schließt, daß man Frankfurter Seits die beiden deutschen Großmächte nicht in die Lage bringen wird, durch eigenes Eingreifen weiteren Folgen unzulässiger Nachsicht vorzubeugen. Ich habe von dieser Mittheilung dem Senate sofort Kenntniß gegeben und bin nunmehr, nachdem amtliche Berichte über die angeregten Fragen vorliegen, zu der nachstehenden Erklärung ermächtiget worden. Der Senat muß es als mit den Fundamentalgesetzen des Bundes, sonach mit dem Rechte, im Widerspruch stehend betrachten, wenn in dem völkerrechtlichen Verein der deutschen souveränen Fürsten und freien Städte, welcher errichtet ist zur Bewahrung der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit ihrer im Bunde begriffenen Staaten und zur Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit Deutschlands, – welcher in seinem Inneren besteht als eine Gemeinschaft selbstständiger unter sich unabhängiger Staaten, mit wechselseitigen gleichen Vertragsrechten und Vertragsobliegenheiten, – ein Bundesstaat dem andern gegenüber von „nicht dulden“ und „nicht gestatten“ reden und zu der Aeußerung gelangen wollte, „durch eigenes Eingreifen weiteren Folgen unzulässiger Nachsicht vorzubeugen“. Der Senat ist sich bewußt, in seinem Verhalten den besprochenen Versammlungen gegenüber die Gesetze der freien Stadt Frankfurt eben so wenig, als die Gesetze des Bundes verletzt zu haben und muß die Thatsache hervorheben, daß der 36er Ausschuß am 16. October 1864 in Weimar, am 26. März 1865 in Berlin und am 3. September 1865 in Leipzig Sitzungen abgehalten hat, welche nicht beanstandet worden sind. Ich ergreife diesen Anlaß, Euer Hochwohlgeboren die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung zu erneuern. Gwinner

2 Siehe Dok. 161.

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Biarritz, 23. Oktober 1865

165. Bismarck an Thile

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/63, fol. 196–200. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 28. Oktober 1865. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 313–315.

Bismarck beklagt sich über die „belehrende Zurückweisung“ seitens der Stadt Frank­ furt im Hinblick auf die preußisch-österreichische Intervention gegen den Abgeordne­ tentag. Er beschuldigt Frankfurt, seine Souveränität „zur Unterlage für revolutionäre Umtriebe gegen die übrigen Bundesgenossen herzugeben“. Wenn die Frankfurter Ge­ setze dies gestatten, so sind sie mit den Bundesinstitutionen unverträglich und geben den Bundesgenossen das Recht, die Änderung dieser Gesetze zu fordern. Bismarck hält es für erforderlich, die Würde der beiden mächtigsten Mitglieder des Bundes durch die praktische Durchführung ihrer Anforderungen zu wahren. Österreich und Preußen werden „mit voller Entschlossenheit“ dafür zu sorgen haben, daß ihre For­ derungen nicht ohne Resultat bleiben, um ihre Autorität in Deutschland wieder her­ zustellen. Bismarck droht ein einseitiges Einschreiten Preußens gegen Frankfurt an, falls der Bund und das Wiener Kabinett die Mitwirkung versagen. Dem „anarchi­ schen Treiben“ der Vereine in Deutschland muß ein Ende gemacht werden, um das monarchische Prinzip vor Schaden zu bewahren. Zunächst sollen Österreich und die übrigen Bundesmitglieder aufgefordert werden, gemeinschaftlich auf bundesmäßigem Weg gegen Frankfurt vorzugehen; sollte dies scheitern, so würde Preußen auch allein dafür sorgen, die „Ordnung der Dinge in Frankfurt“ wieder herzustellen.

No. 50. Durch sichere Gelegenheit.

Biarritz, 23. Oktober 1865

Ew. Excellenz telegraphische Mittheilungen über die Antwort des Frankfurter Senats auf die Preußisch-Oestreichische Intervention1 haben mir, ohne daß ich bisher den Wortlaut kenne, doch den Eindruck gegeben, daß der Senat der freien Stadt den wohlgemeinten und wohlberechtigten Vorstellungen beider Mächte eine belehrende Zurückweisung zu Theil werden läßt, und sich dabei auf das Bundesrecht beruft. Mir ist der Wortlaut der einschlägigen bundesrechtlichen Bestimmungen zwar nicht zur Hand, wohl aber der Gesammtinhalt derselben in Erinnerung. Danach ist der Bund im Interesse der Sicherheit und Unabhängigkeit nicht bloß der freien Stadt Frankfurt, sondern auch der übrigen Bundesstaaten, Preußen und Oesterreich nicht ausgenommen, geschlossen worden. Derselbe hat sich außerdem den Schutz des monarchischen Princips sowie der Ruhe und Ordnung in Deutschland zur besonderen Auf­ gabe gestellt. Aus diesen Zwecken des Bundes läßt sich Alles eher ableiten, als die Berechtigung eines kleinen und schutzbedürftigen Mitgliedes des Bundes, seine Souveränität zur Unterlage für revolutionäre Umtriebe gegen die übrigen Bundesgenossen herzugeben, und in seinem Gebiete Bestrebungen zuzulassen, welche gegen die Sicherheit und Ruhe der übrigen Bundesgenossen, und insbesondere gegen das monarchische Princip gerichtet sind. Gestatten die Frankfurter Gesetze dergleichen Unfug, und berauben sie die 1 Siehe Dok. 159, 161, 162, 164.

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Bismarck an Thile

Nr. 165

Behörden der Mittel, gegen denselben einzuschreiten, so sind sie mit der Bundesinstitutionen unverträglich und berechtigen uns als Bundesgenossen, die Abänderung zu fordern. Die Stadt Frankfurt befindet sich außerdem in der exceptionellen Lage, daß sie der Sitz der Bundesversammlung, und daß aus diesem Grunde die Ueberwachung ihres Gemeinwesens durch den Bund speciell vorgesehen ist. Die betreffenden bundesgesetzlichen Bestimmungen sind wiederholt faktisch zur Anwendung gebracht worden.2 Wir haben, in Betracht dieser Verhältnisse, gemeinschaftlich mit Oestreich eine bundesfreundliche Mahnung an den Frankfurter Senat gerichtet. Bleibt dieselbe unbeachtet, und wird vielmehr in anmaßlichen Formen zurückgewiesen, so wird es meines Erachtens erforderlich sein, nicht nur die Nachtheile einer solchen Ueberhebung von dem Gemeinwesen des Bundes abzuwenden, sondern auch die Würde der beiden mächtigsten Glieder des Bundes durch praktische Durchführung ihrer wohlerwogenen Anforderungen zu wahren. Soll die natürliche und berechtigte Leitung der deutschen Gesammtheit durch die beiden Großmächte, auf deren Kraft hauptsächlich die europäische Geltung Deutschlands beruht, in dem Sinne, wie sie in Salzburg und Ischl Gegenstand meiner Besprechungen mit den oestreichischen Staatsmännern war3, wiederum verwirklicht werden, so werden die beiden Mächte an ihre Bundesgenossen zwar nur solche Anforderungen zu stellen haben, welchen die Bundesverträge und das Gesammtinteresse der deutschen Regierungen zur Seite stehen; aber sie werden auch mit voller Entschlossenheit dafür zu sorgen ha2 Marginalie in Bleistift: „Bbschl. v. 1) 11. Aug. 1842 u. 2) 1. Septbr. 42 Anspruch d. auf Gewährung alles dessen, was ihre Würde u. Sicherheit erheischt ad 2) “. – Der Bundesbeschluss vom 11. August 1842 bezog sich auf einen Kommissionsbericht, der 1837 im Hinblick auf die Maßregeln des Bundes in der Stadt Frankfurt im Anschluß an den Frankfurter Wachensturm von 1833 vorgelegt worden war. (Siehe dazu unten Dok. 171, Anm. 3). Die Bundesversammlung bestätigte 1842, daß die in diesem Bericht „entwickelten Grundsätze über den Anspruch der Bundesversammlung auf Gewährung alles dessen, was ihre Sicherheit und Würde erheischen, oder über ihr Recht, die dießfalls erforderlichen Maaßregeln selbst zu verfügen, mit dem bestehenden Bundes-Staatsrechte vollkommen übereinstimmen“; ProtDBV 1842, § 239, S. 396. Unter Bezugnahme auf diesen Beschluß hatte die Bundesversammlung am 1. September 1842 beschlossen, die in Frankfurt zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung stationierten Truppen der Mainzer Garnison abzuziehen, unter der Voraussetzung, daß die Stadt Frankfurt einen permanenten Direktor der Sicherheitspolizei einstellen und die nötigen Maßnahmen „zur dauernden Gewähr von Ruhe und Ordnung am Sitze des Bundestags zur Ausführung bringen werde“. Sollte dies nicht gewährleistet oder „Gefahr beim Verzuge“ sein, so war die Bundesversammlung berechtigt, wiederum Bundestruppen in Frankfurt zu stationieren; ProtDBV 1842, § 264, S. 582 f. 3 Nach der Konferenz von Gastein war Bismarck am 18. August 1865 nach Salzburg und von dort weiter nach Ischl, der Sommerresidenz des Kaisers von Österreich, gereist. Dort führte er weitere Gespräche mit den leitenden österreichischen Ministern und dem Kaiser; vgl. Bis­ marck, Werke in Auswahl, Bd. 3, S. 585–587.

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Biarritz, 23. Oktober 1865

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ben, daß Forderungen, welche sie in diesem Sinne gestellt haben, nicht resultatlos bleiben. Nur auf der Grundlage unbeirrter und entschlossener Consequenz läßt sich diejenige Autorität beider Mächte in Deutschland wieder herstellen, deren Verfall die hauptsächlichste Schuld an der gegenwär­tigen inneren Zerfahrenheit der Bundesländer trägt. Ich bin von dieser Nothwendigkeit so tief durchdrungen, daß ich nicht anstehen würde, Sr. Majestät dem Könige auch das isolirte Einschreiten Preußens gegen die Frankfurter Zustände anzurathen, wenn die zunächst in Anspruch zu nehmende Mitwirkung des Bundes, und in zweiter Linie die des Wiener Kabinetes, uns versagt würde. Ich zweifle indessen nicht, daß die Mehrzahl der deutschen Regierungen, und daß jedenfalls der kaiserliche Hof mit uns die Ueberzeugung theilen werde, daß dem anarchischen Treiben der Vereine in Deutschland ein Ende gemacht werden müsse, wenn das monarchische Princip vor Schaden gesichert werden soll. Der Nationalverein eben sowohl, wie die Abgeordnetentage erstreben den Umsturz der in Deutschland bestehenden Einrichtungen, und, bis zur Erreichung dieses Zieles, wenigstens die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der deutschen Regierungen auf dem Wege der Einschüchterung durch Demonstrationen, an welchen die schließliche Betheiligung der Massen gehofft und durch Verarbeitung des erzeugten Materials in der Presse und in den Specialvereinen erstrebt wird. Daß dieses Treiben den Bundesverträgen und den Bundeszwecken widerspricht, wird nur da des Beweises bedürfen, wo, wie es im Frankfurter Senat der Fall zu sein scheint, die richtige Auffassung des Bundesverhältnisses im Strom des Parteitreibens verloren gegangen ist. Nur da können die durch den Bund der Unabhängigkeit des Einzelnen gegebenen Garantieen, unter Ignorirung aller sonstigen Bundesbestimmungen, ­dahin gedeutet werden, daß einzelne Bundesglieder ihre Souveränität nach Belieben zum Schaden ihrer Mitverbündeten ausbeuten, und dennoch des Bundesschutzes versichert sein dürfen. Ew. Excellenz ersuche ich ergebenst, nach Maßgabe der vorstehenden Betrachtungen Sr. Majestät dem Könige meine allerunterthänigste Ansicht dahin vortragen zu wollen, daß unsere Würde sowohl, wie unser Interesse es erheischen, den Vorstellungen, welche wir in Gemeinschaft mit Oestreich dem Frankfurter Senate gemacht haben, unter allen Umständen Nachdruck zu verleihen. Ich halte es für unerheblich, ob der Nationalverein am 29. in Frankfurt tagt, oder nicht; seine Berathungen und Beschlüsse werden muthmaßlich die Haltlosigkeit seiner Bestrebungen eben so klar stellen, wie dies durch den Abgeordnetentag geschehen ist. Nur durch ein wirkliches oder anscheinendes Zurückweichen Preußens und Oestreichs vor dem Widerstande des Frankfurter Senates können solche Demonstrationen die Bedeutung wieder erhalten, die man ihnen zu andern Zeiten beigelegt hat. Ich glaube deshalb nicht, daß ein übereiltes und ohne Noth formloses Einschreiten geboten sei, um den

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Bismarck an Thile

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Zusammen­tritt des Nationalvereins vor dem 29. noch zu verhindern.4 Ich bin vielmehr der Ansicht, daß wir den formalrechtlichen Weg nicht verlassen, so lange seine Erfolglosigkeit nicht durch die That erwiesen ist, und daß uns ­dabei die Sitzungen des Nationalvereins noch weiteres nutzbares Material liefern werden. Deshalb ist es mein Wunsch, daß Ew. Excellenz die Güte haben, Sr. Majestät dem Könige dieses Schreiben mit meinem ehrfurchtsvollsten Antrage vorzulegen, daß wir zunächst nach Wien schreiben, und die Kaiserl. Regierung unter Darlegung der Unmöglichkeit, in der wir uns befinden, unsere bereits in Frankfurt gemachten Vorstellungen folgenlos zu lassen, ersuchen, daß sie mit uns gemeinschaftlich die übrigen deutschen Regierungen auffordere dem Treiben der revolutionären Vereine in Frankfurt durch bundesmäßiges Einschreiten ein Ende zu machen, und daß sie, wenn dieser Versuch ohne den erwünschten Erfolg bleibt, sich bereit erkläre, mit Preußen gemeinschaftlich eine dem Wortlaut und dem Sinne der Bundesverträge entsprechende Ordnung der Dinge in Frankfurt, auch ohne Mitwirkung der übrigen Bundesgenossen, herzustellen. Unter der nöthigen Schonung der Empfindlichkeit des kaiserl. Kabinetes würde dabei doch die Andeutung einfließen können, daß wir uns schlimmsten Falls dieser Aufgabe allein unterziehen würden. Zu ihrer Durchführung kann es unter Umständen erforderlich werden, in Frankfurt über stärkere Militärkräfte zu disponiren, als dort gegenwärtig vorhanden sind. Auch diese Eventualität wäre mit Oestreich zu besprechen und dabei die Frage zu erwägen, ob es nützlicher ist, lediglich Preußisch-Oestreichische Verstärkungen durch Einziehung von Reserven herzustellen, oder wohlgesinnte Nachbar-Regierungen, wie etwa Nassau und Kurhessen, zur Mitwirkung und Solidarität durch Aufstellung von Truppen in Bockenheim und Höchst zu veranlassen. Wenn Se. Majestät der König auf diese Gedanken einzugehen geruhen, so wollen Ew. Excellenz Herrn v. Bodelschwingh5 bitten, die Sache auch im Staats-Ministerium zur Erwägung zu stellen, und dabei geltend zu machen, daß meines Dafürhaltens jede Entwicklung von Willenskraft und Macht, welche wir in Deutschland leisten, uns von wesentlicher Hülfe in der Ueberwindung unseres inneren Konfliktes sein wird, auch dann, und vielleicht dann noch mehr, wenn sie im Widerspruch mit den Tendenzen der liberalen Parthei erfolgt, immer vorausgesetzt, daß sie entschlossen durchgeführt wird, und nicht auf halbem Wege stehen bleibt. v. Bismarck 4 Vom 27.–30. Oktober 1865 tagten in Frankfurt Ausschuß und Vorstand des Nationalvereins; vgl. Biefang (Bearb.), Der Deutsche Nationalverein, S. 362–372. 5 Finanzminister Carl von Bodelschwingh (1800–1873); Mann (Bearb.), Biographisches Handbuch, S. 72.

Nr. 166

München, 24. Oktober 1865

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166. Pfordten an Schrenk

HStA München, MA 508. Erlaß. Abschrift.

Österreich und Preußen haben kein Recht, gegen den Frankfurter Senat selbst einzu­ schreiten, sie können sich in der Angelegenheit nur an die Bundesversammlung wen­ den. Pfordten hat keine Lust, die Bundesversammlung, deren Rechte in letzter Zeit mit Füßen getreten wurden, jetzt Polizeidienste verrichten zu lassen. Gegen den Natio­ nalverein hätte man einschreiten müssen, als er gebildet wurde, aber damals habe Preußen ihn geschützt, weil er die preußische Vorrangstellung in Deutschland propa­ giert habe. Pfordten weist die Kritik an der mittelstaatlichen Presse zurück, die preu­ ßische Presse übertreffe diese weit an Maßlosigkeit. Bei der preußischen Neigung zu Gewaltakten muß man sich auf ein gewaltsames Einschreiten gefaßt machen. Pford­ ten instruiert Schrenk, sich jeder Mitwirkung an einem Bundesbeschluß gegen Frank­ furt oder den Nationalverein zu enthalten und dahin zu wirken, daß die bayerischen Bundestruppen in keiner Weise aktiv werden. Der bayerische Truppenkommandant wird angewiesen, jedem Befehl zur Gewaltanwendung gegen Frankfurt den Gehor­ sam zu verweigern.

München, 24. Oktober 1865 Hochwohlgeborner Freiherr! Diejenigen Noten, welche die Regierungen von Oesterreich und Preussen auf Veranlassung des letzten Abgeordnetentages an den Senat der freien Stadt Frankfurt gerichtet haben1, sind mir am 17. dieses Mts. von den Vertretern der beiden genannten Mächte hier vorgelesen worden. Da mir keine Abschriften davon gelassen wurden und auch keinerlei Antrag oder Beschwerde gegen die bayerische Regierung dabei vorgebracht wurde, vielmehr wie mir der preussische Gesandte sagte, die Mittheilung nur erfolgte, um die Ansicht der bayerischen Regierung hierüber kennen zu lernen, so hielt ich irgend eine schriftliche Erwiederung darauf nach Wien oder Berlin für unnöthig und begnügte mich, meine persönliche Ansicht sogleich in Folgendem darzulegen. Es schiene mir vor allem angezeigt, abzuwarten, welchen Beschluß der Frankfurter Senat fassen werde und wir würden uns hier in keiner Weise einmischen; ich müßte jedoch hervorheben, daß die freie Stadt Frankfurt eben so souverain sei, wie jeder andere Bundesstaat und auch für den Fall eines ablehnenden Beschlußes des Senates den Regierungen von Oesterreich und Preussen kein Recht zuerkannt werden könnte, irgend wie in Frankfurt selbst einzuschreiten. Dieselben könnten in solchem Falle sich nur an die Bundesversammlung wenden. Übrigens wollte ich nicht verhehlen, daß ich in keiner Weise Lust hätte, mitzuwirken, daß die Bundesversammlung, deren Rechte in letzter Zeit mit Füssen getreten worden seien, jetzt Polizeydienste verrichte. 1 Siehe Dok. 159, 161, 162.

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Pfordten an Schrenk

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Der rechte Moment einzuschreiten, sei damals gewesen, als sich der Nationalverein gebildet habe, offenbar in Widerspruch mit den Bundes- und Landesgesetzen über das Vereinswesen. Ein solches Einschreiten sei auch in Frankfurt angeregt2, aber durch Preussen gehindert worden. Die preussische Regierung habe den Nationalverein geschützt, weil und solange er die ­preußische Spitze proklamirt und propagirt habe. Man möge sich also auch die ­jetzige Kundgebung im entgegengesetzten Sinne gefallen lassen. Was endlich die Presse in den Mittelstaaten anlange, so werde deren angebliche Maßlosigkeit noch weit übertroffen durch den Inhalt der preussischen selbst offiziösen Presse gegen die Mittelstaaten und ihre Regierungen, auch ich könnte daher mein Gefühl bei dieser Sache nur in die Worte zusammenfassen: „Quis tulerit Grachos [sic] de seditione querentes?“3 Aus den Berichten Euerer Excellenz habe ich nun ersehen, daß der Senat in der That ablehnend geantwortet hat und es entsteht mithin die Frage, welchen weiteren Verlauf diese Angelegenheit nehmen werde, ob insbesondere am 29. dieses Mts. die Versammlung des Nationalvereins wirklich in Frankfurt abgehalten werden wird; und ob in diesem Falle Österreich und Preussen durch ihre dort garnisonirenden Truppen etwa gewaltsam einschreiten werden. Man kann zwar hoffen, daß dieß vermieden werde, sei es nun, daß die Führer des National-Vereins ihr Vorhaben aufgeben, oder daß Oesterreich und Preussen die mildere Auslegung ihrer Noten eintreten lassen, zu welcher die Wortfaßung der österreichischen Note geeignet ist, und welche durch die offiziöse Interpretation von Wien aus gleichsam in Aussicht gestellt ist. Bei der Neigung der preussischen Regierung zu Gewaltakten und der erprobten Nachgiebigkeit Österreichs muß man sich indessen auch auf das Gegentheil gefaßt machen und ich halte es daher für Pflicht, Euere Excellenz mit folgenden Instruktionen zu versehen: Zunächst ersuche ich Euere Excellenz, soviel es Ihnen möglich ist, auf Beseitigung jedes Confliktes und jedes Gewaltaktes hinzuwirken, jedenfalls aber sich jeder Mitwirkung zu irgend einem Beschlusse der Bundesversammlung gegen den Senat zu Frankfurt oder gegen die beabsichtigte Versammlung des Nationalvereins zu enthalten und dahin zu wirken, daß namentlich auch unsere in Frankfurt garnisonirenden Truppen in keiner Weise dabei aktiv werden. Ob und wann es zu diesem Zwecke geeignet ist, mit dem Bundes-Obercommando etwa vorsorglich in Benehmen zu treten, überlasse ich dem Ermessen Euerer Excellenz, indem ich von der Ansicht ausgehe, daß doch wohl noch so viel Rücksicht für uns besteht, uns aus dem Spiele zu lassen und daß eine 2 Siehe QGDB III/3, Dok. 70. 3 „Wer mag die Gracchen ertragen, die sich über Aufruhr beklagen?“; Juvenal, Satiren 2.24.

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München, 24. Oktober 1865

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vorsorgliche Anregung von unserer Seite erst das Gegentheil herbeiführen könnte. Unser Bataillon steht zwar unter dem Befehle des Bundes-Ober-Commandos zu Frankfurt a/M; nicht aber unter österreichisch-preussischem Commando; dasselbe ist daher nicht verpflichtet und darf sich auf keinen Fall dazu hergeben, Gewaltakte von Österreich und Preussen gegen die Stadt Frankfurt oder ihren Senat auszuführen oder zu unterstützen. Jedem derartigen Befehle hätte daher der Commandant unseres Bataillons den Gehorsam zu verweigern und es werden ihm in diesem Sinne die nöthigen Weisungen durch das k. Kriegs-Ministerium zugehen. Ich kann mich daher in dieser Richtung darauf beschränken, Euere Excellenz zu ersuchen, daß Sie Sich mit dem kgl. Commandanten deshalb ins Benehmen setzen und ihn mit Ihrem Rathe unterstützen, insbesondere auch denselben darüber aufklären, ob etwa einem derar­ tigen Befehle des Obercommandos ein gültiger Bundesbeschluß zu Grunde liegt oder nicht. Anderseits ist jeder Conflikt zwischen unseren Truppen und den österreichisch-preussischen nach Kräften zu vermeiden, und es wäre daher wohl das Geeignetste, im Falle irgend Gewaltakte für Sonntag zu besorgen seien, unser Bataillon in seiner Kaserne zu consigniren und dasselbe nur zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung in Sachsenhausen zu verwenden. Sollten wider alles Erwarten unsere Truppen dort angegriffen werden, so hätten sie natürlich ihre militärische Ehre zu wahren und äussersten Falles sich aus Frankfurt nach Aschaffenburg zurückzuziehen. Ich ersuche Euer Excellenz, mir täglich telegraphisch und nach Befinden schriftlich über den Stand der Sache und über den wahrscheinlichen Verlauf der Dinge am Sonntage Mittheilung zu machen. Da Seine Majestät der König nicht hier ist, sondern Exkursionen im Gebirge macht, wir daher auch nicht in telegraphischer Verbindung mit Seiner Majestät stehen, so beruhen gegenwärtige Instruktionen zwar nicht auf allerhöchstem Befehle aber doch auf einstimmigem Beschlusse des Ministerrathes, welcher in dieser kritischen Lage, in welcher unverkennbar die Fortdauer des Bundes in Frage kommen kann, ganz auf die erprobte Einsicht und Thätigkeit Euerer Excellenz vertraut. Empfangen Sie auch bei diesem Anlasse die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. (gez.) Frhr. v. d. Pfordten

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Artikel in der Constitutionellen Zeitung

Nr. 167

167. Artikel in der Constitutionellen Zeitung

Constitutionelle Zeitung Nr. 151 v. 28. Oktober 1865.

Die preußisch-österreichischen Noten an die Stadt Frankfurt sind im Metternichschen Geist geschrieben. Preußen hat sich an die Spitze der Reaktion gestellt. Beide Noten sind verwerflich und verdammenswert. Den beiden Großmächten ist es unbequem, daß die Mittelstaaten und die Elbherzogtümer in der öffentlichen Meinung Deutsch­ lands einen moralischen Rückhalt haben. Den Noten liegt „das neue großmächtliche Programm für die innere deutsche Politik“ zugrunde, wonach an die Stelle des Geset­ zes die Willkür tritt: „Dem öffentlichen Leben und der öffentlichen Meinung soll der Hals gebrochen werden.“ Die beiden Großmächte werfen das ganze Bundesrecht über den Haufen. Das Bundesrecht besteht künftig nur noch aus dem einfachen Satz, daß in den öffentlichen Angelegenheiten Deutschlands nur noch die Willkür der bei­ den Großmächte gilt. Die Großmächte zeigen mit ihrer Note ferner, daß sie jeder deutschen nationalen Bewegung ein Ende machen wollen. Sie wollen den Bundestag zu ihrer „Dekretirmaschine“ machen, die sie nur nach ihrem Belieben in Anspruch nehmen.

Dresden, 28. Oktober 1865 Die preußisch-östreichische Note an Frankfurt. Aus dem Wortlaut der östreichischen und preußischen Note an Frankfurt1, der endlich bekannt geworden ist, ersehen wir, daß diese Schriftstücke an unerhörter Dreistigkeit alles bisher Dagewesene übertreffen. An diplomatischem Jesuitismus stellen sie sich den Noten ebenbürtig zur Seite, welche Preußen und Rußland vor der ersten Theilung Polens an dieses unglückliche Land erließen, um unter dem Schein der Vertheidigung des Rechtes in der That Recht und Gesetzlichkeit schonungslos mit Füßen zu treten.2 Auch an dreistem Hohn stehen sie auf gleicher Höhe mit jenen preußisch-russischen Mustern. Denn während diese sich zu Verfechtern der unseligen polnischen Verfassung aufwarfen, um durch sie geordnete Zustände unmöglich zu machen und durch die fortdauernde Unordnung die Theilung des Landes vorzubereiten, spielen Preußen und Oestreich in ihrer Note die Vertheidiger der Würde des Bundestages, den sie doch gleichzeitig zur Bedientenrolle verurtheilen. Jede Zeile dieser Noten athmet den echt Metternichschen Geist. Aber während Preußen vormals diesem finstern Geiste, der von Oestreich ausging, nur folgte, hat es jetzt die Führerschaft übernommen, und Oestreich hinkt ihm willig nach. 1 Siehe Dok. 159 und 161. 2 Die erste Teilung Polens erfolgte 1772 und beruhte auf vorherigen Absprachen zwischen Preußen, Österreich und Rußland, die im Petersburger Vertrag vom 5. August 1772 festgeschrieben wurden. Vgl. dazu Lemberg, Polen zwischen Rußland, Preußen und Österreich; Müller, Die Teilungen Polens.

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Daß sich Preußen jetzt an die Spitze der Reaction gestellt hat und in Oestreich einen dienstfertigen Schildknappen findet, ersehen wir recht deutlich aus diesen Noten. Sie sind nicht identisch, aber augenscheinlich das Ergebniß einer vorgängigen Verständigung über gewisse leitende Gedanken. Beide Noten sprechen mit Geringschätzung von der bisherigen Wirksamkeit des Abgeordnetentages. Beide Noten können es nicht gerechtfertigt finden, daß der Sitz des Bundestages zum Ausgangspunkt gewisser politischer Projecte gemacht werde. Beide Noten erwähnen die Vorstellungen, die deshalb bereits an den Senat von Frankfurt ergangen sind, und mißbilligen seine trotzdem bewiesene Nachsicht. Beide Noten sprechen die Erwartung aus, daß der Senat diese Nachsicht selbst resultatlosen Gelüsten gegenüber nicht ferner üben werde. Aber die östreichische Note ist mehr eine theoretische Entwicklung der mit Preußen vereinbarten Grundgedanken und sucht den jesuitischen Schein des nothgedrungenen Mitmachens um sich zu verbreiten; die preußische Note dagegen ist die durchaus praktische Behandlung jener Grund­ gedanken. Die östreichische Note stellt ebenfalls Schritte in Aussicht, die bei fortgesetzter Nachsicht des Frankfurter Senats gethan werden müßten, „um vom Sitze der deutschen Bundesversammlung die bisherigen ungesetzlichen (!?) Bestrebungen fern zu halten,“ aber sie läßt es ungewiß, ob damit ein ­eigenmächtiges Einschreiten, oder ein Antrag beim Bunde gemeint ist; die preußische Note dagegen spricht offen und unumwunden aus, daß es im Fall der Ungefügigkeit des Frankfurter Senats „durch eigenes Eingreifen den weiteren Folgen unzulässiger Nachsicht vorbeugen werde.“ Beide Noten sind gleich verwerflich und verdammenswerth; aber das Auftreten Preußens ist insofern wenigstens ehrenhafter, als die theoretisch gehaltene Note Oestreichs, als es ganz offen mit der Sprache herausgeht. Beide Noten sind eine Ausgeburt der neubackenen Theorie von der Allweisheit der Regierungen und vom beschränkten Unterthanenverstande, die nie zu beurtheilen vermag, was dem Volke frommt, sondern in dieser Beziehung lediglich der Erleuchtung von oben zu folgen hat. Daher sind sie in einem Tone gehalten, den man nicht in diplomatischen Noten, wohl aber vom Schulmeister den dummen Schulbuben gegenüber erwartet. Hiernach können wir uns nicht wundern, wenn wir in den Noten Worte wie „Unverstand“, „Rohheit der Presse“, obwohl gerade die preußische officiöse Presse die erste Geige der Rohheit spielt, – „Verkehrtheit des Unternehmens“ der deutschen Abgeordneten u. dgl. mehr antreffen. Aber wenn diese Noten von der „innern Haltlosigkeit dieses neuen Agitationsversuches des Abgeordnetentages, von der Zerfahrenheit der Parteien, von der Gleichgiltigkeit des Publikums“ sprechen, kurz, wenn sie die Thätigkeit des Abgeordnetentages recht grell als eine unschuldige Spielerei hinstellen und trotzdem ein Einschreiten dagegen in Aussicht stellen, so gewinnt die Sache gerade durch diesen Gegensatz eine

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höhere Bedeutung. Um diese Bedeutung recht anschaulich zu machen, hielt man sich vor dem Abgeordnetentage ruhig und trat erst nach demselben mit den Noten hervor. Wenn man gegen „unschuldige“ öffentliche Vorgänge einschreiten zu müssen glaubt, so beweist dies einestheils, daß man sich des Zusammenhanges der schleswig-holsteinschen und der deutschen Frage recht gut bewußt ist, und anderntheils, daß man jene Frage lediglich nach souverainer Willkür lösen will. Die Mittelstaaten haben bisher in der öffentlichen Meinung einen Stützpunkt gefunden und diesen Stützpunkt gewünscht. Die Herzogthümer haben in der öffentlichen Meinung Deutschlands ebenfalls einen moralischen Rückhalt. Das ist den beiden Großmächten unbequem. Man mag hoffen, daß die Schleswig-Holsteiner mürber werden, wenn sie sich vom deutschen Volke verlassen sehen, wenn die öffentliche Meinung keine kräftige Kundgebung zu ihren Gunsten mehr ergehen lassen kann. Man will über die Herzogthümer nach Willkür verfügen, und kein Hahn soll darnach krähen dürfen. Die Stimme des deutschen Volkes soll sich nicht erheben dürfen, wenn schreiende ­Gewalt an einem Bruderstamm geübt wird, und keine Regierung, die in der Bundesversammlung dagegen auftreten könnte, soll irgendwelche Unter­ stützung in gleichzeitigen Aeußerungen der öffentlichen Meinung finden können. Insofern enthalten die Noten das großmächtliche Programm den Herzogthümern gegenüber: Rücksichtslose Willkür und Niemand soll mucksen dürfen. Das ist die eine Seite; die andere ist von gleich großer Bedeutung. Der ­Abgeordnetentag bewegte sich auf durchaus gesetzlichem Boden, er ist von vielen deutschen Regierungen mit sehr günstigem Auge angesehen worden, ja, zur Zeit des östreichischen Reformprojectes3 hat keine der beiden Großmächte an ihm den geringsten Anstoß genommen. Der Abgeordnetentag strebte auf gesetzlichem Wege nach einer Reform des deutschen Bundes, deren Nothwendigkeit von den Regierungen selbst anerkannt wird. Er hat die deutsche Reichsverfassung sammt Parlament auf seine Fahne geschrieben, und diese Verfassung war von den meisten Regierungen anerkannt und wäre mit Preußen an der Spitze zur Ausführung gelangt, wenn diesem nicht die Krone aus den Händen des Volkes zu schlecht gewesen wäre. Keinem Staate kann es verwehrt werden, öffentliche Versammlungen auf seinem Gebiete zu gestatten, die erlaubte Zwecke verfolgen. Wenn nun die großmächtlichen Noten einerseits die Wirksamkeit des Abgeordnetentages als ganz „unschuldig“ behandeln, während dessen Gesetzlichkeit nicht dem geringsten Zweifel un3 Gemeint ist der Entwurf einer Bundesreformakte, der 1863 auf dem Frankfurter Fürstentag beraten wurde (siehe Dok. 48). Parallel zu den deutschen Fürsten tagte damals der Abgeordnetentag im August 1863 in Frankfurt. Siehe dazu Dok. 55 und 56.

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terliegt, und wenn sie trotzdem dessen fernere Thätigkeit nicht gestatten wollen, so liegt auch hierin das neue großmächtliche Programm für die innere deutsche Politik. Das öffentliche Recht in Deutschland soll in Zukunft nur beachtet werden, soweit es dem großmächtlichen Belieben zusagt. An die Stelle des Gesetzes tritt die großmächtliche Willkür. Die unschuldigste, gesetzmäßigste Thätigkeit des deutschen Volkes soll nicht mehr gestattet sein, wenn der Mächtige sie als möglicherweise bedenklich ansehen will. Dem öffentlichen Leben und der öffentlichen Meinung soll der Hals gebrochen werden. Ruhe, echt Metternichsche Ruhe soll in Deutschland herrschen, damit die Willkür schalten und walten kann, ohne daß sich eine Stimme dagegen erhebt. Von den Verdächtigungen des Abgeordnetentages, von der Verfolgung subversiver Tendenzen, die ihm die Noten unterschieben, wollen wir nicht sprechen; denn das ist die Sitte aller Jesuiten und Diplomaten; aber wie können die beiden Großmächte dem Abgeordnetentage Umsturztendenzen vorwerfen in demselben Augenblicke, in welchem sie das ganze Bundesrecht über den Haufen werfen? Wird jetzt noch Jemand den deutschen Bund einen Bund souveräner Fürsten nennen können? Wird ein souveräner Staat zu einem ­andern souveränen Staate zu sagen wagen, er dulde gewisse gesetzliche Vorgänge auf dessen Gebiete nicht mehr? Wird ein souveräner Staat einem andern souveränen Staate dafür einen Verweis zu geben wagen, daß er gewisse gesetzliche Vorgänge auf seinem Gebiete gestattet? Wird ein souveräner Staat einem andern souveränen Staate zu erklären wagen: Ich schreite jetzt selbst gegen Dich ein, wenn Du meinem Belieben nicht entsprichst? Alles das thut die preußische Note mit nackten Worten schroffster Art. Was ist denn also aus dem deutschen Bunde geworden? Er ist auch jetzt noch ein Bund von Staaten, aber von Staaten, die unbedingt nach der preußisch-östreichischen Pfeife zu tanzen haben. Die Mittel- und Kleinstaaten sind in Zukunft Trabanten der Großstaaten. Und was ist aus dem Bundesrecht geworden? Das Bundesrecht besteht hinfüro in dem einzigen ganz einfachen Satze, daß in den öffentlichen Angelegenheiten Deutschlands blos noch die Willkür der beiden Großmächte gilt, und daß für diese die Bundesbeschlüsse blos soweit Geltung haben, als sie ihren Plänen und Zwecken dienen. Alles Uebrige wird von ihnen gar nicht beachtet. Darum denkt Preußen gar nicht daran zu sagen, es werde sich im Fall der Ungefügigkeit des Frankfurter Senats an den Bund wenden, sondern es droht in schreiender Verletzung des Bundesrechtes mit eigenem Einschreiten. Die Großmächte wollen eben mit einem Male reine Wirthschaft machen; sie wollen aller Thätigkeit des Volkes für seine gemeinsamen Angelegenheiten einen Riegel vorschieben und zugleich den übrigen Bundesregierungen ihre zukünftige Trabantenrolle anweisen. Denn daß der großmächtliche Will-

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Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen

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kürschritt gegen Frankfurt auch jede andere Bundesregierung berührt, liegt auf der Hand. Oder würde nicht jeder andere Staat, welcher der Presse oder dem Vereinsrecht eine zwar gesetzmäßige, aber doch den Großmächten unangenehme Freiheit gestattet, mit ähnlichem großmächtlichen Einschreiten bedroht sein? Sollte man unter diesen Umständen nicht erwarten, daß alle anderen Bundesregierungen sich gegen diesen großmächtlichen Willküract nach Kräften stemmen und wahren werden? Das sollte man; aber freilich läßt sich eine Befürchtung nicht unterdrücken. Die Großmächte zeigen mit ihrer Note, daß sie jeder deutschen nationalen Bewegung ein Ende machen wollen, sie sind also auch hauptsächlich gegen die Thätigkeit des Nationalvereins gerichtet. Wie manche deutsche Bundesregierung aber wird in dieser Beziehung nicht mit den Großmächten harmoniren? Wie manche wird nicht ihre Scheinselbstständigkeit und Trabantenrolle einer bundesstaatlichen Umgestaltung vorziehen? Wir fürchten daher, daß im Bundestage über den großmächtlichen Schritt eben kein großer Lärm geschlagen wird. Aber hat irgend Jemand, dem die deutsche Sache am Herzen liegt, Ursache, sich über den großmächtlichen Act zu freuen? Sind wir um etwas gebessert, wenn die großmächtliche Willkür herrscht, wenn die andern Bundesregierungen factisch mediatisirt sind, im Uebrigen aber alles beim Alten bleibt? Sind wir damit der deutschen Einheit um etwas näher gekommen? Ganz gewiß nicht. Die Großmächte haben sich schon längst durch die Bundesverfassung beengt gefühlt; sie verlangen und erstreben nichts, als daß der Bundestag sich zu ihrer Dekretirmaschine macht, die sie nur nach ihrem Belieben in Anspruch nehmen, und daß ihr Wille als der allein gültige angesehen wird. Wer aber von den Großmächten eine staatsrechtliche Mediatisirung der übrigen Bundesstaaten erwartet, der wird sich irren. Dazu hat keine der Großmächte den erforderlichen Muth. Es ist mithin Jedes Pflicht, dem der nationalen Bewegung durchaus feindlichen Gebahren der Großmächte mit aller Kraft entgegenzutreten und nur um so rüstiger an der Umgestaltung Deutschlands zu arbeiten.   Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen 

168. Antrag von Bayern, Sachsen und Großherzogtum Hessen in der Bundesversammlung

ProtDBV 1865, S. 441–443. Druck: Staatsarchiv, Bd. 9, S. 304–306; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 456 f. (Antragstext).

Bayern, Sachsen, und Großherzogtum Hessen beantragen abermals, daß Österreich und Preußen baldigst eine aus freien Wahlen hervorgehende allgemeine Vertretung des Herzogtums Holstein berufen und daß sie auf die Aufnahme des Herzogtums Schleswig in den Deutschen Bund hinwirken.

Nr. 168

27. Sitzung

Frankfurt am Main, 4. November 1865

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Frankfurt am Main, 4. November 1865

§ 186. Herzogthümer Holstein, Lauenburg und Schleswig. (25. Sitz. § 172 v. J. 1865.) Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen. In der Sitzung der hohen Bundesversammlung vom 27. Juli d. J. haben die Regierungen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzogthum Hessen einen Antrag ­gestellt, welcher auf die Herstellung eines allseitig anerkannten Rechtszu­ standes in den Elbherzogthümern gerichtet war und dem Ausschusse für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit zugewiesen wurde.1 Unter Bezugnahme auf diesen Antrag haben in der Sitzung vom 24. August d. J. die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen der Bundesversammlung eine zwischen ihnen am 14. August d. J. verabredete und am 20. desselben Monats von den beiden hohen Monarchen genehmigte Uebereinkunft mitgetheilt, welche die Verwaltung der Herzogthümer provisorisch ordnet.2 Damit war die Eröffnung verbunden, daß die beiden höchsten Regierungen ernstlich bemüht seien, die Frage der Elbherzogthümer einer definitiven Lösung zuzuführen und das Ersuchen gestellt, hohe Bundesversammlung wolle dem Ergebnisse der weiteren Verhandlungen zwischen Oesterreich und Preussen mit Vertrauen entgegensehen, indem zugleich weitere Mittheilungen vorbehalten wurden. Auch diese Vorlagen wurden dem obengenannten Ausschusse zugewiesen. In einer Sitzung dieses Ausschusses vom 31. August d. J. beantragten die Gesandten von Bayern und Königreich Sachsen die sofortige Erstattung eines Vortrages über den Antrag vom 27. Juli d. J., da dieser durch die gemeinsame Erklärung der höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen vom 24. August d. J. nicht als erledigt angesehen werden könne und von einem entsprechenden Bundesbeschlusse ein Einfluß auf die Gestaltung und die Ergebnisse der noch schwebenden Verhandlungen erwartet werden dürfe. Die Gesandten von Oesterreich und Preussen erklärten hierauf, daß auch sie durch ihre Erklärung vom 24. August d. J. den Antrag vom 27. Juli d. J. keineswegs als vollständig erledigt ansähen, sich aber doch im Hinblicke auf die bisher nicht zum Abschlusse gebrachten Verhandlungen ihrer Regierungen über den weiteren Inhalt des Antrages zur Zeit nicht zu äußern, mithin an der Erstattung eines Vortrages einstweilen nicht mitzuwirken vermöchten. Hierauf beschloß die Majorität des Ausschusses von einer Vortragserstattung einstweilen Abstand zu nehmen, und die hohe Bundesversammlung, welcher 1 Siehe Dok. 155. 2 Siehe Dok. 156 und 157.

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Antrag von Bayern, Sachsen und Hessen

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in der 26. Sitzung vom 31. August d. J. über diese Ausschußverhandlung Mittheilung gemacht wurde, beschloß, sich bis zum 26. October d. J. zu vertagen gegen die Stimmen von Bayern, Königreich Sachsen und Großherzog­ thum Hessen, welche eine Vertagung nicht für angemessen erachteten, bevor über ihren Antrag vom 27. Juli d. J. Beschluß gefaßt sei. Die antragstellenden Regierungen können nach reiflicher Erwägung nur die Ueberzeugung theilen, daß der Antrag vom 27. Juli d. J. durch die Mittheilungen vom 24. August d. J. in keiner Weise erledigt ist, und daß es eben so sehr im Rechte und Interesse der hohen Bundesversammlung selbst als der Herzogthümer und ihres erbberechtigten Fürsten liegt, daß über jenen Antrag baldmöglichst Beschluß gefaßt werde. Abgesehen davon, daß für die in Aussicht gestellten weiteren Mittheilungen der höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen kein Zeitpunkt bestimmt worden ist, würde ja durch das Abwarten jener Mittheilungen der ganze Zweck des Antrages vereitelt und von Seiten der hohen Bundesversammlung auf jede Mitwirkung zur definitiven Regelung der Angelegenheiten der Herzogthümer verzichtet, wozu wenigstens die Uebereinkunft vom 20. August d. J. in keiner Weise eine Veranlassung bietet. Die antragstellenden Regierungen halten es jetzt nicht für angemessen, in eine Erörterung über diese Convention einzugehen, indem sie deßhalb der Berathung und Vortragserstattung des Ausschusses nicht vorgreifen wollen. Sie begnügen sich vielmehr, hervorzuheben, daß gegenüber der definitiven Ueberweisung des Herzogthums Lauenburg an Seine Majestät den König von Preussen, welcher die freie Zustimmung der Bevölkerung und ihrer Vertreter vorausging und nachfolgte, jedenfalls die Frage der Zulässigkeit des bundesrechtlichen Austrägalverfahrens über die von mehreren Bundesgliedern erhobenen Erbansprüche offen bleibe und daß die Modalitäten des bezüglich der Herzogthümer Schleswig und Holstein getroffenen Provisoriums, weit entfernt, den Antrag vom 27. Juli d. J. überflüssig zu machen, vielmehr die dringendste Veranlassung bieten, im Geiste dieses Antrages sich auszusprechen. Um von allen übrigen Punkten zu schweigen, genügt es, ins Auge zu fassen, daß das genannte Provisorium gerade von dem Hauptsatze abweicht, welcher bisher sowohl von den Herzogthümern selbst als von der hohen Bundesversammlung der Vertheidigung und Wahrung ihrer Rechte zu Grunde gelegt worden ist, – von dem Grundsatze der untheilbaren Zusammengehörigkeit beider Lande, und daß von einer Betheiligung der Bevölkerung und ihrer Vertreter an der endgültigen Regelung weder in der Convention vom 20. August d. J., noch in den Erklärungen vom 24. August d. J. die mindeste Andeutung enthalten ist. Die antragstellenden Regierungen erachten daher die hohe Bundesversammlung ebenso berechtigt als verpflichtet, gerade jetzt, während die Verhandlungen über die definitive Ordnung noch schweben, sich auszusprechen

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und darauf hinzuwirken, daß das Resultat dieser Verhandlungen den allseitigen Rechten entspreche. Da jedoch kein Mittel zu Gebote steht, die Majorität des Ausschusses zur Vortragserstattung zu bestimmen, so wenden sich die genannten Regierungen unmittelbar an die hohe Bundesversammlung, indem sie den Antrag vom 27. Juli d. J. in der durch die späteren Ereignisse gebotenen Modification wiederholen und um Abstimmung über denselben ohne Verweisung an den Ausschuß ersuchen. Aus diesen Erwägungen stellen die genannten Regierungen den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle beschließen: an die höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen das Ersuchen zu richten, 1) daß sie baldigst eine aus freien Wahlen hervorgehende allgemeine Vertretung des Herzogthums Holstein berufen, um zur definitiven Lösung der bezüglich der Elbherzogthümer noch schwebenden Fragen mitzuwirken; 2) daß sie auf die Aufnahme des Herzogthums Schleswig in den Deutschen Bund hinwirken. Zugleich beantragen die genannten Regierungen, daß über diesen ihren Antrag in einer der nächsten Sitzungen der hohen Bundesversammlung abgestimmt werde. Indem die genannten Regierungen solchem nach ihren unterm 27. Juli d. J. eingebrachten Antrag, soviel die Punkte 1 und 2 desselben betrifft, hiermit zurückziehen, haben sie dagegen über den Punkt 3 letztgedachten Antrages der Vortragserstattung des Ausschusses entgegenzusehen. Nachdem die Herren Gesandten von Oesterreich und Preussen unter Berufung auf § 24 der Geschäftsordnung Aussetzung der Abstimmung beantragt hatten, wurde auf Präsidialvorschlag, nach stattgefundener vertraulicher Erörterung, eine Frist von 14 Tagen zur Abstimmung über die geschäftliche Behandlung des vorliegenden Antrages festgesetzt.   Frankfurt am Main, 6. November 1865 

169. Mohl an Edelsheim

GLA Karlsruhe, 48/1484. Bericht. Abschrift.

Mohl berichtet, daß Bismarck in der Frankfurter Angelegenheit erklärt hat, Preußen könne unmöglich nachgeben und werde alleine vorgehen, falls Österreich sich nicht anschließen würde. Es zieht eine ernste Krise für den Bund heran. Der Bund soll wie­ der zu Polizeimaßregeln gebraucht werden, nachdem ihn die beiden Großmächte in der schleswig-holsteinischen Sache mit Füßen getreten haben. Die Sachlage ist um so bedenklicher als die Frankfurter Vorgänge kein wirkliches Motiv zu dem Vorgehen der beiden Großmächte liefern.

842 No. 80.

Mohl an Edelsheim

Nr. 169

Frankfurt am Main, 6. November 1865

Hochwohlgeborener Freiherr, Hochzuverehrender Herr Staatsminister! Ich habe die Ehre gehabt den hohen Erlaß No 17 sammt dessen Anlage zu erhalten. Nach Allem, was ich hier höre, sind die von Freiherrn von Türckheim1 berichteten Thatsachen richtig; nur fürchte ich, daß die Dinge noch schlimmer stehen, als ihm bekannt ist. Ich habe die bestimmteste Ursache zu glauben, daß Graf Bismarck dem österreichischen Cabinet erklärt hat, es sei Preußen eine Unmöglichkeit in Betreff der Frankfurter Angelegenheit nachzugeben; und ich glaube nicht weniger sicher zu wissen, daß es seine Absicht ist, allein vorzugehen, wenn Oesterreich, über dessen Unzuverlässigkeit er sich beklagt, sich nicht anschließen würde. Auch die Aeußerungen des hiesigen preußischen Gesandten, welcher bekanntlich erst von einem längeren Zusammensein mit seinem Chef in Biarritz zurückgekehrt ist, scheinen auf sehr ­extreme Entschlüsse hinzuweisen. Dem Vereinswesen, heißt es, müsse ein Ende gemacht werden, auch auf die Gefahr hin, daß der Bund in Stücken [sic] gehe. Wenn es nun freilich richtig ist, – worüber ich nichts in Erfahrung bringen kann, – daß eine österreichische Depesche nach Berlin sich mit der preußischen nach Wien gekreuzt hat; und wenn also durch ein gemeinschaftliches Vorgehen mit Oesterreich die Veranlassung zu einem einseitigen Handeln Preußens beseitigt sein sollte: so mag die unmittelbar drohende Gefahr einer thatsächlichen Störung der Rechtsverhältnisse zunächst nicht vorliegen. Vielleicht wird auch die österreichische Mitwirkung die an den Bund zu stellenden Anträge etwas mäßigen. In der Hauptsache jedoch kann man sich nicht verhehlen, daß eine Krisis für den Bund und eine sehr ernste Aufgabe für die einzelnen Regierungen heranzieht. Der Bund soll, nachdem ihn Preußen seit Jahren an jeder nützlichen Thätigkeit gehindert hat, und nachdem er in der schleswig-holsteinischen Sache von den beiden Großmächten mit Füßen getreten worden ist, jetzt wieder zu Polizeimaßregeln gebraucht werden, welche die größte Entrüstung in ganz Deutschland hervorrufen und den einzelnen Regierungen durch ihre Kammern die schwersten Verlegenheiten bereiten würden. Man stellt also die Wahl zwischen einem Versuche zum politischen Selbstmord und den nicht berechenbaren Folgen einer Zurückweisung des Verlangens der beiden Großmächte, sei es nun daß diese Verweigerung formell legal die Majorität in der 1 Hans Freiherr von Türckheim zu Altdorf (1814–1892), 1864–1883 badischer Gesandter in Berlin; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 20.

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Frankfurt am Main, 6. November 1865

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Bundes­versammung erhielte, sei es daß die einzelne Regierung genöthigt würde, einen Majoritätsbeschluß in ihrem Lande nicht zu vollziehen. Unter allen Umständen wird die Nothwendigkeit eines bedenklichen und folgenreichen Entschlusses herantreten. Irre ich mich nicht sehr, so ist die Sachlage gerade deßhalb um so bedenklicher, als in den thatsächlichen Frankfurter Vorgängen gar kein ernstliches Motiv zu dem von den Großmächten bereits eingehaltenen und noch weiter in Aussicht gestellten Verfahren vorliegt. Die Vereine waren am Absterben begriffen; der (unter Umständen allerdings sehr bedenkliche) Abgeordnetentag und sein 36er Ausschuß hatten vollständig Fiasco gemacht; die hiesige Presse war nicht schlimmer, als überall, und in der That, soweit ich sie wenigstens kenne, mit Ausnahme eines allerdings niederträchtigen Witzblattes2, von keiner besonderen Bedeutung, in zwei Hauptorganen3 sogar notorisch im Dienste der beiden Großmächte. Es ist also nothwendig, sich einen anderen Grund zu dem jetzigen plötzlichen Vorgehen klar zu machen. Was nun Oesterreich betrifft, so gestehe ich, einen irgend verständigen Grund nicht einzusehen. Es scheint allerdings, daß die reactionäre Neigung des Grafen Moritz Esterhazy4 die Politik des Kaisers überrumpelt habe; allein da dieß nach allen Nachrichten, nach dem was ich auch selbst hier bemerken konnte, in der Staatskanzlei sogleich und noch entschiedener nach der Rückkehr des Grafen Mensdorff sehr beklagt wurde: so ist das von dem Freiherrn v. Türckheim jetzt gemeldete freiwillige Weitergehen von Seiten Oesterreichs nicht zu verstehen. Es hat doch in der Sache der Herzogthümer hinreichende Erfahrung gemacht, wohin es gelangt, wenn es sich in der Hoffnung einer Abschwächung, und um zu keinem Ultimatum zu gelangen, sich von Preußen immer von Schritt zu Schritt zu Positionen drängen läßt, welche ihm seine eigenen ursprünglichen Absichten unmöglich machen und es um allen Einfluß und alle Sympathie in Deutschland bringen. Anders freilich steht es in Betreff der Absichten des Grafen Bismarck. Ich wenigstens habe vom ersten Augenblicke an in dem Vorgehen gegen den Frankfurter Senat lediglich die Absicht gesehen, auch in Süddeutschland einen Act der Gewalt auszuüben und dann die Gelegenheit dazu zu benützen, entweder den Bund in vollkommener Unmacht und Unterwürfigkeit öffentlich darzulegen, oder im Falle eines Widerstandes von einer Majorität einen Vorwand zu lange gewünschten tiefgreifenden Händeln zu bereiten [sic]. 2 Möglicherweise bezieht sich Mohl auf die satirische Zeitschrift „Frankfurter Latern“, siehe dazu oben Dok. 25, Anm. 5. 3 Die Frankfurter Postzeitung und das Frankfurter Journal. 4 Moritz Graf Esterházy von Galántha (1807–1890), seit 1861 Minister und außenpolitischer Berater von Kaiser Franz Joseph I.; ÖBL, Bd. 1, S. 269.

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Sollte nun wirklich, wie es den Anschein hat, in Biarritz kein Verständniß mit Frankreich zu Stande gekommen sein5, so wäre meines Bedünkens die Gefahr um so größer, daß Graf Bismarck, um dieses Fehlschlagen zu verstecken, namentlich auch seinem Königlichen Herrn gegenüber, nun in Deutschland einen großen Lärmen [sic] und eine Machtentfaltung zu veranlassen suchen möchte. Daß er dadurch zu den bisher von ihm angefangenen und zu keinem günstigen Ende gelangenden inneren und äußeren Verwicklungen eine neue und vielleicht noch größere fügen würde, dürfte wohl bei seiner Persönlichkeit und bei seinem Bedürfnisse, in Ermangelung eines Erfolges wenigstens immer eine die Macht Preußens darlegende Thätigkeit zu zeigen, kein Abhaltungsgrund sein. Wie weit dann die Sache getrieben werden und welche wirkliche Gefahren für das Fortbestehen des Bundes sich daraus entwickeln können, mag noch unberechenbar, und vielleicht von Graf Bismarck selbst noch nicht berechnet sein; allein es ist wohl keine Schwarzseherei, wenn man in dem Bevorstehenden und in den geheimen Gründen dafür noch weitere und größere Gefahren fürchtet, als die schon unmittelbar und in der nächsten Zeit zu erwartenden, oben angedeuteten, sind. Ich bescheide mich, daß es weder meine Aufgabe ist noch in meiner Fähigkeit liegt, Vorschläge zu machen, wie den bevorstehenden Uebeln vorgebeugt werden könnte; nur glaube ich darauf hinweisen zu dürfen, daß bis jetzt der Versuch eines offenen und entschiedenen Widerstandes gegen die preußischen Anmaßungen noch nicht gemacht worden ist, und daß es immerhin eine Möglichkeit wäre, einer solchen Haltung gegenüber ein Stillstehen und ein Bedenken des Endes erblicken zu dürfen. Verehrungsvoll verharrend (gez.) v. Mohl.

5 Anfang Oktober 1865 war Bismarck nach Biarritz gereist, angeblich zur Erholung. Dort führte er am 4. und 8. Oktober Gespräche mit Napoleon III., was in Deutschland die Befürchtung aufkommen ließ, Bismarck werde sich mit Frankreich zu Lasten Österreichs verständigen; Geuss, Bismarck und Napoleon III., S. 142–144; Pflanze, Bismarck. Bd. 1: Der Reichsgründer, S. 269; Friedjung, Der Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 1, S. 149–151.

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Wien, 23. November 1865

170. Mensdorff an Chotek1

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 35: Weisungen 1865. Reservierter Erlaß. Abschrift. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/1, S. 122 f. (Konzept).

Um den Elementen der Auflösung in Deutschland zu begegnen, will Bismarck die ­Autorität der beiden Großmächte, „ja ihre Dictatur“, an die Stelle der unwirksamen Bundesverfassung setzen. Die von Bismarck gepriesene Solidarität von Österreich und Preußen ist aber nicht vorhanden, weder auf dem Gebiet der europäischen noch auf dem der deutschen Fragen. Österreichs Stellung in Deutschland wird durch die unerfüllbaren Forderungen, die Preußen in der schleswig-holsteinischen Angelegen­ heit aufstellt, in Schach gehalten. In den deutschen Zukunftsfragen gibt es keine Ver­ ständigung zwischen Wien und Berlin, deshalb wäre ein gemeinsames autoritäres Auftreten der beiden Mächte im Bund unglaubwürdig. Zudem besteht ein Unterschied zwischen einer Maßregelung Frankfurts, bei dem Preußen in allem freie Hand hat, und einem gemeinsamen Beschluß der deutschen Regierungen zum Schutz der Bun­ desverfassung gegen die Angriffe von politischen Vereinen.

Wien, 23. November 1865 Meinem vorhergehenden Erlasse2 habe ich noch einige vertrauliche Bemerkungen hinzuzufügen. In seinen Unterredungen mit Ew. p. über die Frankfurter Angelegenheit3 hat H. Graf v. Bismarck allen Accent darauf gelegt, daß es sich in dieser Sache darum handle, der Solidarität Österreichs und Preußens eine mächtige Wirkung zu verschaffen, und sie den Elementen der Auflösung in Deutschland als die stärkste, wo nicht die einzige Garantie der Ordnung entgegenzustellen. Diese Solidarität erscheint in seiner Auffassung augenscheinlich als ein Princip, welches nicht mehr wohl innerhalb der bestehenden Rechtsordnung des Bundes, sondern nur noch außerhalb oder über derselben seinen Platz finden könne. In der Schwäche der übrigen Bundesstaaten, ihrem Verstricktsein in den „Parlamentarismus“, ihren Concessionen an die Demokratie erblickt Gf Bismarck ebenso viele Titel für Österreich und Preußen, die gemeinsame Autorität der beiden Mächte, ja ihre Dictatur an die Stelle der un1 Bohuslav Graf Chotek von Chotkowa und Wognin (1829–1896), 1860–1866 Legationsrat bei der österreichischen Gesandtschaft in Berlin, 1866–1869 kaiserlich-königlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Stuttgart, 1869–1871 österreichischer Botschafter in St. Petersburg, 1871–1872 in Madrid, 1872–1888 in Brüssel und 1888–1895 in Dresden; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 298; Matsch, Der Auswärtige Dienst von Österreich, S. 111, 122, 136, 140, 150. 2 Mensdorff an Chotek, 23. November 1865, in: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/1, S. 120–122. 3 Mensdorff bezieht sich auf die Intervention Österreichs und Preußens beim Frankfurter Senat im Hinblick auf den Abgeordnetentag; siehe Dok. 159 ff.

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wirksamen Bundesverfassung zu setzen. Selbsthülfe ist stets das letzte Wort – wir sollten vielleicht sagen, das erste – der heutigen Bundespolitik Preußens. Wir in Österreich könnten uns bis zu einem gewissen Grade mit einer solchen Auffassung der Lage zurechtfinden. Wenn unsere Allianz mit Preußen uns keinen anderen Vortheil brächte, warum sollte sie nicht wenigstens die Bestimmung der hohen Polizei in Deutschland erfüllen? Wir hätten zuletzt wohl nur darauf zu achten, daß nicht das politische Gleichgewicht in Deutschland durch die Art der Ausübung jener obersten Ordnungsgewalt zu unserem Nachtheile alterirt würde. Allein unmöglich kann Gf Bismarck sich darüber täuschen, daß die von ihm gepriesene Solidarität der beiden Mächte doch vorher innerlich begründet sein müßte, ehe sie nach außen irgend einen Zauber auszuüben, geschweige die vertragsmäßigen und von Europa anerkannten Garantien, die bis jetzt in der Achtung der Bundesverfassung und der Souveränetät der Einzelstaaten gefunden wurden, ersetzen könnte. Weder auf dem Gebiete der europäischen Fragen, noch auf dem der deutschen, bewegen sich bis jetzt die beiden Hauptmächte des Bundes in gleicher Richtung. Unsere Stellung in Deutschland, um nur von dieser zu sprechen, wird durch die unerfüllbaren Forderungen in Schach gehalten, welche Preussen in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit aufstellt. In den deutschen Zukunftsfragen ist keine Fühlung zwischen Wien und Berlin gewonnen. Solange dieser Zustand dauert, wird niemand an den Ernst und die Nachhaltigkeit irgend eines gemeinsamen Auftretens Österreichs und Preußens glauben, weil jedermann im Voraus den Punkt zu erkennen glaubt, wo die Verschiedenheit der Intentionen die beiden Mächte nöthigen wird, ihre Action entweder einzustellen, oder zu trennen. Es sind dies einfache Wahrheiten, aber sie haben demungeachtet seither das Schicksal gehabt, verkannt zu werden. Geben Ew. p. denselben von n­ euem unverhohlenen Ausdruck bei dem Leiter des Kgl. preußischen Cabinetes. Sie sind ungleich wichtiger, als der einzelne Anlaß, bei welchem wir sie aussprechen, aber sie sind maßgebend auch für diesen letzteren, denn es besteht ein weiter Unterschied zwischen einer Maßregelung Frankfurts, bei welcher Preußen in Allem freie Hand behält, und einem gemeinsamen Beschlusse der deutschen Regierungen, die Grundlagen der Bundesverfassung vor den Angriffen der politischen Vereine zu schützen. Empfangen p p

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Hannover, Dezember 1865

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171. Memoire der Regierung von Hannover

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/64, fol. 13–18. Reinschrift. Abschrift in: GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 188.

Hannover schlägt vor, daß der Deutsche Bund selbständig gegen die Zentralisation der politischen Vereine in Frankfurt vorgeht. Dabei muß vermieden werden, daß in die Selbständigkeit und Unabhängigkeit eines einzelnen Bundesstaates eingegriffen wird. Nicht allein gegen Angehörige von Frankfurt, sondern gegen die Untertanen von allen Bundesregierungen sollen sich die Beschlüsse der Bundesversammlung richten. Die Stadt Frankfurt ist ein nationaler Symbolort, und deshalb liegt es im I­nteresse aller Regierungen, dort keine Zentralisation des Vereinswesens zuzulassen. Es soll ein entsprechender Bundesbeschluß gefaßt und dann erwogen werden, in wie­ weit der Bundesbeschluß von 1854 in allen Bundesstaaten aufrechterhalten werden kann.

[Hannover, Dezember 1865]1 Ansicht der Königl. Hannoverschen Regierung betreffend Maßregeln gegen die Centralisation der politischen Vereine in Frankfurt a/M. In der Angelegenheit betreffend das Treiben der Vereine u. der Presse in Frankfurt a/M ist die Königl. Preußische Regierung der Ansicht, daß der ­Senat der freien Stadt Frankfurt von Bundeswegen zu ersuchen sei, sowohl gegen die Abhaltung von Centralversammlungen, wie gegen das locale Vereinswesen einzuschreiten. Das Kaiserliche Cabinet dagegen ist der Ansicht, daß der Stadt Frankfurt nicht eine für die übrigen Bundesglieder nicht bestehende Verpflichtung auferlegt werden könne. Das Kaiserliche Cabinet schlägt dagegen vor: eine Aufforderung an den Bund zur Beschlußfassung über eine erneute Anwendung der Bestimmungen von 1854 gegen die Vereine2. Demnach sind beide Cabinete im Principe darin einig, daß gegen dies Treiben des politischen Vereinswesens etwas geschehen müsse. Dieser Anschauung tritt die Königl. Hannoversche Regierung durchaus bei. Ueber die Modalitäten der Ausführung indessen weichen die Ansichten des Kaiserlichen und des Königl. Preußischen Cabinets von einander ab. In dieser Beziehung kann die Kgl. Hannoversche Regierung weder der ­einen, noch der andern Ansicht ganz beitreten. Sie glaubt jedoch einen Mittelweg zu finden, welcher, indem er weder der einen, noch der andern Auf­ 1 Das Memoire wurde am 11. Dezember 1865 vom preußischen Gesandten in Hannover, Prinz zu Ysenburg, an Bismarck übermittelt; GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/64, fol. 12. Unterstaatssekretär Thile schickte eine Abschrift am 15. Dezember 1865 an den preußischen Bundestagsgesandten Savigny nach Frankfurt; GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 188. 2 Bundesbeschluß über das Vereins- und Versammlungswesen vom 13. Juli 1854, siehe QGDB III/2, Dok. 52.

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fassung zu nahe tritt, dennoch zu dem wie von ihr selbst, so auch von jenen beiden Regierungen gewünschten Ziele führt. Als ein solcher Mittelweg erscheint ein selbstständiges Vorgehen des Bundes, nicht gegen den Senat der Stadt Frankfurt, und ferner nicht gegen die localen Vereine und die locale Presse des Frankfurter Gebietes, sondern gegen die notorisch aus allen Bun­ desstaaten in Frankfurt zusammenlaufende Centralisation des Vereinswesens. Es würde sich dabei handeln um das Recht und die Zweckmäßigkeit. In Betreff der Rechtsfrage ist vor allen Dingen zu vermeiden, daß ein solcher Schritt des Bundes auch nur den Schein eines Eingriffs in die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit irgend eines Bundesstaates, in diesem Falle also der Stadt Frankfurt, haben könnte. Die Möglichkeit dieses Scheines könnte entstehen, wenn die Bundesversammlung nur den Senat der Stadt Frankfurt aufforderte, gegen seine eigenen Angehörigen in strengerer Weise vorzugehen, und nicht zugleich auch sämmtlichen anderen Bundes-Regierungen diese Forderung stellte. Es ist dabei vollkommen anzuerkennen, daß beide Cabinete, sowohl das Kaiserliche als das Königl. Preußische, guten Grund haben, von dem Senat der Stadt Frankfurt eine besonders sorgfältige und gewissenhafte Vollziehung der allgemeinen Bundesgesetze zu verlangen. Allein ein weiteres Drängen auf den Senat von Frankfurt zu diesem Zwecke in Betreff seiner Angehörigen könnte den Schein haben, als ob es nicht völlig vereinbar sei mit einem der ersten und fundamentalsten Principien des Bundes: der Unab­hängigkeit jeder Bundes-Regierung in ihren inneren Angelegenheiten. Anders dagegen liegt die Sache für ein selbstständiges Vorgehen des Bundes. Die Kgl. Preußische Regierung spricht die Ansicht aus, daß der Bund als solcher zur Wahrung seiner Sicherheit und seiner Würde zu einem selbstständigen Vorgehen in der Stadt Frankfurt berechtigt sei. In der That ergiebt sich dies klar aus früheren Bundesbeschlüssen. Es sind hier namentlich die Worte aus dem Bundestags-Protokolle vom 7. September 1837 von Gewicht: „die Verbindlichkeiten der Stadt Frankfurt müssen ebenso unbedingt sein und darin bestehen, der Bundesversammlung das, was ihre Sicherheit und Würde erfordert, zu gewähren, oder geschehen zu lassen, daß der Bund selbst hierfür durch geeignete Maaßregeln Sorge trage.“3 3 ProtDBV 1837, S. 663p. Die zitierte Passage steht in einem Separatprotokoll zur 24. Sitzung der Bundesversammlung (ebd., S. 663a–663s). Darin erstattete der Militärausschuß ein umfangreiches Gutachten über die Sicherheitslage in der Bundeshauptstadt Frankfurt, wobei dem Senat große Versäumnisse vorgeworfen wurden. Die Bundesversammlung faßte einen Beschluß, in dem der Stadt das „Mißtrauen“ über die Tätigkeit ihrer Polizeiorgane ausgesprochen und der Senat aufgefordert wurde, einen permanenten Direktor der Sicherheitspolizei einzustellen, der regelmäßig im Kontakt zum Bundespräsidialgesandten stehen sollte. Der Antrag der Stadt, die nach dem Frankfurter Wachensturm von 1833 in Frankfurt stationierten Bundestruppen abzuziehen, wurde zurückgewiesen (ebd., S. 663s).

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Diese Worte thun dar, daß zu einem Bundesbeschlusse für die Sicherheit und die Wahrung der Würde der Bundesversammlung innerhalb der Stadt Frankfurt die Zustimmung des Senates von Frankfurt nicht einmal nothwendig erforderlich sei, ohne daß dadurch sein Recht der Souverainität und Unabhängigkeit verletzt werde, Nicht minder ist das Kaiserl. Cabinet der Ueberzeugung, daß die Bundesversammlung gegenüber der Stadt Frankfurt jederzeit das Recht in Anspruch genommen und praktisch ausgeübt hat, alles zur Wahrung ihrer Sicherheit Erforderliche nöthigenfalls selbst festzustellen. Wenn nun aber schon früher, sowohl durch den ausdrücklichen Wortlaut von Bundesbeschlüssen als durch Thatsachen, das Recht der Bundesversammlung auf ein selbstständiges Vorgehen zur Wahrung ihrer Sicherheit und Würde festgestellt ist: so kann dieses Recht, wo möglich, durch die Erfahrungen der letzten Jahre nur noch gesteigert werden. Die Sicherheit und Würde der Bundesversammlung konnte vor etwa 30 Jahren, wo zu ihrem Schutze jene Bundesbeschlüsse gefaßt wurden, kaum durch andere Personen bedroht werden, als welche Frankfurt selbst und der nächsten Umgebung angehörten. Das Vereinswesen hat sich hauptsächlich vermöge der leichten Communication erst später ausgebildet. Diese leichte Communication unserer Tage bringt in kurzer Frist Unterthanen von allen Bundes-Regierungen in Frankfurt zusammen. Gegen diesen Zuzug aus allen Bundesländern, gegen die Centrali­ sation von politischen Vereinen aus allen Bundesländern in Frankfurt, nicht bloß gegen Angehörige von Frankfurt würde die Bundesversammlung Kraft ihres Rechtes ihre Beschlüsse richten. Ja es bedürfte nicht einmal principiell eines neuen Bundesbeschlusses. Denn das Verbot der Abhaltung von Central-Versammlungen politischer Vereine, welche Angehörige anderer Bundesstaaten zu ihren Mitgliedern zählen, ist schon gerechtfertigt durch die klare Bestimmung des Art. 4 des allgemeinen Bundesvereinsgesetzes vom 13. Juli 1854.4 Allerdings sollte dasselbe in gleicher Weise für alle Bundesstaaten gelten, nicht bloß für Frankfurt; allein andererseits empfiehlt es sich, daß die Bundesversammlung dort, wo sie unbestritten das Recht dazu hat, dasselbe durch das gute Beispiel des eigenen Vorangehens bekräftige, und zwar durch sich selbst, nicht durch eine Aufforderung an den Senat der Stadt Frankfurt. Und eben dies würde, wie es scheint, der Zweckmäßigkeit entsprechen. Denn in dieser Beziehung kann die Königl. Hannoversche Regierung der Ansicht der Königl. Preußischen, daß von Bundeswegen eine Aufforderung an den Senat von Frankfurt zum Ziele führen würde, nicht beitreten. Es scheint vielmehr, daß schon die erste Antwort des Senates, wenn auch derselbe sich 4 Siehe QGDB III/2, S. 244: „Jede Verbindung mit anderen Vereinen ist unstatthaft.“

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dessen nicht bewußt war, nicht in völliger innerlicher Freiheit von allem ­moralischen Drucke gegeben ist. Es wäre daher möglich, daß ein Bundes­ beschluß, zu dessen Ausführung allein der Senat von Frankfurt verpflichtet würde, diesem eine Last auferlegte, welche seinen Schultern allzuschwer zu tragen wäre. Andrerseits indessen vermag die Kgl. Hannoversche Regierung auch nicht die Erwägung der Kaiserlichen zu theilen, daß durch den Ausschluß der Centralisation der Vereine und ihrer Demonstrationen vom Stadtgebiete von Frankfurt weder für die allgemeinen Zwecke der Ordnung und Sicherheit, noch für die Würde und das Ansehen des Bundes etwas gewonnen wäre. Denn das Prestige der moralischen Macht dessen was für Deutschland gemeinsam sein soll, haftet an dem Namen der Stadt Frankfurt. Aus demselben Grunde, aus welchem die Stadt Frankfurt zum Sitze der Bundesversammlung gewählt ist, weil nämlich in Frankfurt mehr als in irgend einer anderen Stadt die Erinnerungen der gesammten Nation symbolisirt sind – aus diesem selben Grunde, oder vielmehr aus der Verkehrung desselben, sucht auch die revolutionaire Partei diese Stadt als das Centrum ihrer Agitation. Im März 1848 trat dort sofort das s. g. Vor-Parlament zusammen und wählte den Fünfziger Ausschuß als provisorische Regierung für Deutschland.5 Das Rumpf-Parlament im Jahre 1849 büßte den letzten Schimmer seines Glanzes ein, als es von Frankfurt nach Stuttgart übersiedelte.6 Die Jahre nach 1848 haben dies Prestige für Frankfurt nicht verringert. Deshalb also, weil jede politische Central-Versammlung durch den Namen der Stadt Frankfurt ein gewisses Relief und dadurch unleugbar eine Art moralischer Macht über die Gemüther erhält, ist es im Interesse aller Bundes-Regierungen, daß von Bundeswegen eine Centralisation des Vereinswesens dort nicht mehr geduldet werde, wo sie zum Hohne des Bundes in seiner unmittelbaren Nähe thatsächlich jetzt geübt wird, und von wo aus sie in den beiden vergangenen Jahren offenbar nicht bloß auf das Vereinswesen und die Presse aller Bundesländer, sondern auch auf die Ständeversammlungen in mehr als einem deutschen Bundeslande einen nachtheiligen Einfluß geübt hat. 5 Das Vorparlament war am 31. März 1848 in Frankfurt zusammengetreten und hatte am 2. April den sogenannten Fünfzigerausschuß gebildet, der die Rechte des Volks bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung wahrnehmen sollte. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 598–604; Hein, Die Revolution von 1848/49, S. 34–36. 6 Am 30. Mai 1849 hatte die Nationalversammlung ihren Sitz von Frankfurt nach Stuttgart verlegt, um der militärischen Intervention von Österreich und Preußen zu entgehen. In Stuttgart traten am 6. Juni 1849 noch etwa 100 Abgeordnete zusammen, die eine neue provisorische Reichsregentschaft einsetzten, die von den deutschen Staaten jedoch nicht anerkannt wurde. Am 18. Juni 1849 wurde das Rumpfparlament durch württembergische Truppen aufgelöst. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 877–882.

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Frankfurt am Main, 8. Februar 1866

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Die Kgl. Hannoversche Regierung wiederholt demnach ihren Vorschlag eines Mittelweges: es sei dahin zu wirken, daß die Bundesversammlung selbst, Kraft ihres unzweifelhaften und anerkannten Rechtes zunächst gegen die Centralisation der politischen Vereine und die politischen Versammlungen von Angehörigen aller Bundesländer in Frankfurt die erforderlichen Maß­ regeln treffe, und dann erwäge, in wie weit die Bundesbeschlüsse von 1854 überhaupt gegen das Vereinswesen aller Bundesländer, auf gleiche Weise aufrecht zu halten oder zu modificiren seien.

172. Allgemeine deutsche Maß- und Gewichtsordnung

ProtDBV 1866, S. 35–39. Abdruck des Entwurfs auch in: Protokolle der Commission zur Einführung gleichen Maßes und Gewichtes in den deutschen Bundesstaaten. Frankfurt a. M. [1865]. Ediert in: Brandt u. a. (Hrsg.), Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, T. 3, CD-ROM, Nr. 11-1-2-12-4.

Der von einer 1857 eingesetzten Bundeskommission Ende 1865 vorgelegte Entwurf für eine deutsche Maß- und Gewichtsordnung wird von der Bundesversammlung ein­ stimmig angenommen. Es wird damit im Gebiet des Deutschen Bundes das metrische Maß- und Gewichtssystem eingeführt. – Zur Umsetzung des Beschlusses kam es aller­ dings wegen des deutsch-deutschen Krieges im Sommer 1866 nicht mehr. Der Ent­ wurf des Deutschen Bundes wurde aber nahezu unverändert in die neue Maß- und Gewichtsordnung des Norddeutschen Bundes von 1868 übernommen, die am 1. Janu­ ar 1872 im Deutschen Reich eingeführt wurde.

Frankfurt am Main, 8. Februar 1866 Anlage zu § 37 des Protokolls der 5. Sitzung der Deutschen Bundesversammlung vom 8. Februar 1866. Entwurf einer deutschen Maß- und Gewichtordnung. Artikel 1. Die Grundlage des Maßes und Gewichtes ist das Meter. Unter dieser Benennung wird diejenige Längengröße verstanden, welche durch das zu Paris aufbewahrte Mètre des Archives bei der Temperatur des schmelzenden Eises dargestellt wird. Artikel 2. Als „Allgemeine Deutsche Maße“ gelten die nachstehenden Maße unter den dabei angegebenen Namen:

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Allgemeine deutsche Maß- und Gewichtsordnung

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1. Längenmaße:

das Meter; dessen Theilungen: das Decimeter, gleich 1/10 Meter; das Centimeter, gleich 1/10 Decimeter, gleich 1/100 Meter; das Millimeter, gleich 1/10 Centimeter, gleich 1/1000 Meter; dessen Mehrfache: das Dekameter, gleich 10 Meter; das Kilometer, gleich 1000 Meter. 2. Flächenmaße: die Quadrate der Längenmaße: Feldmaße insbesondere: das Ar, gleich 100 Quadratmeter; das Hektar, gleich 100 Ar, gleich 10 000 Quadratmeter. 3. Körpermaße:

die Würfel der Längenmaße; Hohlmaße insbesondere: das Liter, gleich 1 Kubikdecimeter, gleich 1/1000 Kubikmeter; das Hektoliter, gleich 100 Liter, gleich 1/10 Kubikmeter. Diese Maße haben, vorbehaltlich der in den folgenden Artikeln zugelassenen Ausnahmen, ausschließliche Geltung. Artikel 3. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, diejenigen Maße des in der Beilage verzeichneten metrischen Systems, welche unter den Allgemeinen Deutschen Maßen (Art. 2) nicht aufgeführt sind, neben diesen, mit ihren dort angegebenen Namen sämmtlich oder im Einzelnen in Geltung treten zu lassen. Artikel 4. Den Landesgesetzen bleibt ferner überlassen, neben den in den Art. 2 und 3 bezeichneten Maßen, auch nachstehende Maße, oder einzelne derselben, unter den angegebenen Namen als Landesmaße einzuführen, insofern bei der Annahme dieser Maß- und Gewichtordnung ein darauf bezüglicher Vorbehalt gemacht ist: 1. Längenmaße: der Fuß, gleich 3 Decimeter; der Zoll, gleich 3 Centimeter; die Linie, gleich 3 Millimeter;

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das Lachter bei dem Bergbau Y der Faden bei dem Seewesen > gleich 2 Meter; die Ruthe, gleich 5 Meter; die Meile, gleich 7500 Meter. Diese Längenmaße werden decimal getheilt. 2. Flächenmaße: die Quadrate dieser Längenmaße; Feldmaße insbesondere: der Morgen, gleich 2500 Quadratmeter, gleich 1/4 Hektar, gleich 100 Quadratruthen; das Joch, gleich 5000 Quadratmeter, gleich 1/2 Hektar, gleich 200 Quadratruthen. 3. Körpermaße: die Würfel obiger Längenmaße; die Klafter, gleich 4 Kubikmeter. Artikel 5. Das Gewicht eines Kubikcentimeters destillirten Wassers im luftleeren Raume bei der Temperatur von + 4 Grad des hunderttheiligen Thermometers ist das Gramm. Das Pfund, gleich 500 Gramm, gleich der Hälfte eines Kilogramms (Art. 7), bildet die Einheit des deutschen Gewichtes. Der Centner ist gleich 100 Pfund, gleich 50 Kilogramm. Die Schiffslast ist gleich 4000 Pfund, gleich 2000 Kilogramm. Die Landesgesetze bestimmen die Untertheilung des Pfundes. Sie bestimmen ferner, ob und welche andere Einheit und welche Untertheilung für das Medicinal-, Münz-, Gold-, Silber-, Juwelen- und Perlengewicht gelten soll. Artikel 6. Als Urmaß gilt derjenige Platinstab, welcher im Besitze der Königlich-Preussischen Regierung sich befindet, im Jahre 1863 durch eine von dieser und der Kaiserlich-Französischen Regierung bestellte Commission mit dem im Art. 1 bezeichneten Mètre des Archives verglichen und gleich 1,00000301 Meter befunden worden ist. Artikel 7. Als Urgewicht gilt das im Besitze der Königlich-Preussischen Regierung befindliche Platin-Kilogramm, welches mit Nummer 1 bezeichnet, im Jahre

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1860 durch eine von der Königlich-Preussischen und der Kaiserlich-Französischen Regierung niedergesetzte Commission mit dem in dem Kaiserlichen Archive zu Paris aufbewahrten Kilogramme prototype verglichen und gleich 0,999999842 Kilogramm befunden worden ist. Artikel 8. Nach beglaubigten Copien des Urmaßes (Art. 6) und des Urgewichtes (Art. 7) werden die Normalmaße und Normalgewichte hergestellt und richtig erhalten. Artikel 9. Zum Zumessen und Zuwägen im öffentlichen Verkehr dürfen nur gehörig gestempelte Maße und Gewichte (Art. 10) angewendet werden. Artikel 10. Die Eichung und Stempelung der Maße und Gewichte erfolgt ausschließlich durch obrigkeitlich bestellte Personen, welche zu diesem Zwecke mit den erforderlichen, nach den Normal-Maßen und Gewichten (Art. 8) hergestellten Eichungsnormalen versehen sind. Artikel 11. Zur Eichung und Stempelung sind nur diejenigen Meßwerkzeuge zuzulassen, welche den in dieser Maß- und Gewichtordnung benannten Maßgrößen, oder ihrer Hälfte, sowie ihrem Zwei-, Fünf- und Zehnfachen entsprechen. Zulässig ist ferner die Eichung und Stempelung des Viertel-Hektoliters, sowie fortgesetzter Halbirungen des Liters und der für die Messung von Langwaaren bestimmten Metermaße. Die Landesgesetze bestimmen, welche dieser Meßwerkzeuge zu eichen und zu stempeln sind. Artikel 12. Die Landesgesetze bestimmen ferner, welche der im Art. 5 aufgeführten Gewichte, so wie welche Theile und Vielfache derselben zur Eichung und Stempelung zugelassen werden dürfen. Artikel 13. Gestempelte Maße und Gewichte werden ungültig, sobald ihre Abweichung von der gesetzlichen Größe folgenden Betrag überschreitet: 1/500 bei Maßstäben von 1/2 Meter und darüber; 1/50 bei Hohlmaßen für trockene Gegenstände von 1 bis 10 Liter;

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Frankfurt am Main, 8. Februar 1866

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1/100 bei Hohlmaßen für trockene Gegenstände von mehr als 10 Liter; 1/200 bei Flüssigkeitsmaßen; 1/1000 bei Gewichtstücken von 1 bis 20 Pfund (1/2 bis 10 Kilogramm); 1/2000 bei Gewichtstücken von mehr als 20 Pfund (10 Kilogramm). Artikel 14. Bei der Eichung und Stempelung der Maße und Gewichte ist höchstens die Hälfte der im Art. 13 angegebenen Abweichungen von der gesetzlichen Größe zulässig. Artikel 15. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, bei den Maßen und Gewichten für den öffentlichen Verkehr im Allgemeinen oder für einzelne Zweige desselben, sowie für besondere Zwecke eine größere Genauigkeit, als in den Art. 13 und 14 angegeben ist, vorzuschreiben. Artikel 16. Die Landesgesetze bestimmen den Zeitpunkt, mit welchem diese Maß- und Gewichtordnung in Wirksamkeit treten soll. Sie können über diesen Zeitpunkt hinaus die Beibehaltung abweichender Feld- und Holzmaße auf unbestimmte Zeit, anderer abweichender Maße, sowie abweichender Gewichte nur auf bestimmte Zeit anordnen. Artikel 17. Bei der Einführung dieser Maß- und Gewichtordnung wird das Verhältniß: a) aller einstweilen in Geltung bleibenden abweichenden Maße zu den Allgemeinen Deutschen Maßen (Art. 2), b) aller in Geltung bleibenden abweichenden Gewichte zu den im Art. 5 bezeichneten Gewichten festgestellt und bekannt gemacht. Gleiches geschieht im Falle der Einführung der im Art. 4 genannten Maße, oder einzelner derselben, rücksichtlich des Verhältnisses der noch in Geltung bleibenden alten Maße zu diesen neuen Maßen. Artikel 18. Auf Gas- und Wassermesser, Garnhaspel und andere dergleichen Meßvorrichtungen finden die Bestimmungen dieser Maß- und Gewichtordnung nur so weit Anwendung, als die Landesgesetze dieses vorschreiben.

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Blome an Mensdorff

Nr. 173

Beilage. Metrisches Maßsystem. Längenmaße: das Myriameter das Kilometer das Hektometer das Dekameter das Meter das Decimeter das Centimeter das Millimeter

10 000 Meter, 1000 Meter, 100 Meter, 10 Meter, 1 Meter, 1/10 Meter, 1/100 Meter, 1/1000 Meter. Flächenmaße:

das Hektar das Dekar das Ar das Deciar das Centiar

100 Ar 10 Ar 1 Ar 1/10 Ar 1/100 Ar

oder oder oder oder oder

10 000 Quadratmeter, 1000 Quadratmeter, 100 Quadratmeter, 10 Quadratmeter, 1 Quadratmeter.

Körpermaße: das Kiloliter das Hektoliter das Dekaliter das Liter das Deciliter das Centiliter

1000 Liter 100 Liter 10 Liter 1 Liter 1/10 Liter 1/100 Liter

oder oder oder oder oder oder

1 Kubikmeter, 1/10 Kubikmeter, 1/100 Kubikmeter, 1/1000 Kubikmeter, 1/10 000 Kubikmeter, 1/100 000 Kubikmeter.

173. Blome an Mensdorff

HHStA Wien, PA IV 35. Gesandtschaft München. Berichte 1866 I–VIII, fol. 52–54. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 27. Februar 1866.

Pfordten erklärte, nach der Bundesverfassung sei ein Krieg zwischen Bundesmitglie­ dern ausgeschlossen. Deshalb sei der Bund eo ipso aufgelöst, wenn die beiden Groß­ mächte ihre Streitigkeiten mit Waffengewalt austragen würden. Jeder deutsche Staat sei dann frei, neutral zu bleiben oder sich auf eine der beiden Seiten zu schlagen. Sollte Preußen sich einem Bundesbeschluß nicht fügen, so trete die Exekution ein, die Haltung Bayerns hänge dann aber davon ab, wofür genau der Bund von Österreich in Anspruch genommen werde.

Nr. 173

No 13

München, 24. Februar 1866

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München, 24. Februar 1866

Hochgeborner Graf,

Freiherr von der Pfordten erklärte mir heute, er habe die Frage eines ernsten Zerwürfnisses Oesterreichs mit Preußen seit unserer letzten Besprechung ­einer reiflichen Ueberlegung unterzogen und sei zu folgendem Resultate ­gelangt. Artikel 11 der Bundesverfassung1 schließe einen Krieg zwischen deutschen Bundesstaaten aus und die Berufung dagegen auf Art. 46 der Schlußacte2 sei aus Gründen, deren Aufzählung ich mich wohl enthalten kann, nicht stichhaltig. Mithin sei der Bund eo ipso aufgelöst, sobald die beiden Großmächte dazu gelangten, ihre Streitigkeiten mit Waffen in der Hand zum Austrag zu bringen, und dann sei jeder deutsche Staat frei nur die eigenen Interessen zu berücksichtigen, also neutral zu bleiben oder sich auf diese oder jene Seite zu schlagen. Der korrekte Weg für die kais. Regierung bleibe demnach immer nur der, wenn Preußen sich zu Gewaltthaten hinreißen lasse, die Frage dem Bundestage vorzulegen. Separatbündnisse auch nur versuchen zu wollen, sei nicht allein gegen das Bundesrecht, sondern überdieß ganz unpractisch. –  Ich fragte, was seiner Meinung nach wohl der Bund beschließen werde, wenn obiger Fall einträte? –  Der Bund wird dem Theile Recht geben, der Recht hat. – Und wenn der andere Theil, also Preußen, sich nicht dem Bundesbeschlusse fügt? – Dann tritt die Execution ein, die einzige Gattung von Krieg, welche Bundesstaaten unter einander gestattet ist. –  Dieß ist in der Theorie sehr richtig. In der Praxis würde es aber doch auf dasselbe hinauslaufen, denn Oesterreich würde sich, bevor es einen Antrag in Frankfurt stellte, der Stimme Baierns vergewissern. Würde es dieselbe erhalten? – Je nachdem der Fall sich darstellt. Je nach den Eröffnungen der kais. Regierung. Es handelt sich dann darum zu erwägen, wofür und womit der Bund aufgefordert wird, sein Gewicht in die Wagschale zu werfen. Zur Herstellung welcher Lösung in der Herzogthümerfrage? Unter Zusicherung welcher Unterstützung Oesterreichs? Uebrigens, fuhr Freiherr von der Pfordten fort, sei ein oesterreichisch-­ preußischer Conflict eine solche Calamität für Deutschland, daß man Alles 1 Nach Artikel 11 der Bundesakte waren die Bundesmitglieder verpflichtet, „einander unter keinerley Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bey der Bundesversammlung anzubringen“. Vgl. QGDB I/1, S. 1512. 2 Artikel 46 der Wiener Schlußakte lautete: „Beginnt ein Bundes-Staat, der zugleich außerhalb des Bundes-Gebiets Besitzungen hat, in seiner Eigenschaft als Europäische Macht einen Krieg, so bleibt ein solcher, die Verhältnisse und Verpflichtungen des Bundes nicht berührender Krieg dem Bunde ganz fremd.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 97.

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Mensdorff an Blome

Nr. 174

aufbieten müsse ihn durch zweckmäßige Vorstellungen in Berlin abzuwenden. Auf Rücksichten für den Bund könne man beim Grafen Bismarck nicht rechnen, und ebensowenig glaube er, daß der König sich aus Sympathie für Seine Majestät den Kaiser zurückhalten lasse. Man müsse beweisen, daß die Folgen für Preußen unglücklich sein würden. – Ich sagte, in diesem Sinne könne allerdings Bayern günstig wirken, wenn es dem Berliner Cabinete den Glauben benehmen wolle, daß man hier jedenfalls neutral bleiben werde. Der Minister antwortete, er habe meinen Collegen, den Prinzen Reuss ersucht, nach Berlin zu berichten, daß man es sich dort drei Male überlegen möge, bevor man mit Oesterreich breche. Er wisse bestimmt, daß man sich in Wien für stärker halte als vor Abschluß der Gasteiner Convention, und gar nicht disponirt sei, sich einschüchtern zu lassen. Genehmigen Euer Excellenz den Ausdruck meiner ehrfurchtsvollen Ge­ sinnungen Blome

174. Mensdorff an Blome

HHStA Wien, PA IV 34. Gesandtschaft München. Weisungen 1866, fol. 8 f. Weisung. Abschrift.

Mensdorff zeigt sich besorgt über die unbestimmte Haltung Bayerns, das offenbar eine „zuwartende Neutralitätspolitik“ im Hinblick auf den Fall eines ernsten Zer­ würfnisses zwischen Österreich und Preußen verfolgen will. Österreich wird sich ein preußisches Ultimatum, das den Gasteiner Vertrag verletzt, nicht bieten lassen, son­ dern dem Konflikt mit Preußen selbst bei einem gleichzeitigen Krieg mit Italien nicht ausweichen. Die Frage, ob die deutschen Staaten Österreich in einem Kampf gegen Preußen unterstützen, kann nicht von „spitzfindigen Erörterungen der Bundespara­ graphen“ abhängig gemacht werden. Deshalb müssen die einzelnen Regierungen zur Tat entschlossen sein. Fehlt dieser feste Wille, so kann in der Bundesversammlung jeder noch so begründete Antrag auf Unterstützung Österreichs gegen einen Angriff Preußens vereitelt werden. Nicht in Frankfurt, sondern in München fällt daher die Entscheidung, ob Österreich auf Unterstützung zählen kann. Wenn es zum Krieg zwi­ schen Österreich und Preußen kommt, ist der Bund als aufgelöst zu betrachten, alles Wesentliche muß dann direkt zwischen den Kabinetten abgemacht werden.

Wien, 28. Februar 1866 Die Äußerungen des Frhrrn [sic] v. d. Pfordten, welche Ihr Bericht vom 24t. wiedergiebt1, lauten sehr unbestimmt in Bezug auf Baiern’s Haltung in ­Falle eines ernsten Zerwürfnißes zwischen Oesterreich und Preußen, und ich kann 1 Siehe Dok. 173.

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Wien, 28. Februar 1866

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Ew. nicht verschweigen, daß man uns von andrer Seite Reden des bairischen Ministers hinterbringt, die noch deutlicher die Neigung verrathen, es mit einer zuwartenden Neutralitätspolitik zu versuchen. In Dresden, wo man sonst den ersten Choc auszuhalten und im Bunde mit uns die Rettung zu versuchen geneigt sein würde, fühlte man sich durch die Nachrichten aus München wenig erbaut, wie Ew. aus dem abschriftlich anliegenden Berichte des Frhrrn v. Werner näher entnehmen wollen. Nichtsdestoweniger will ich gerne mit Ihnen annehmen, daß die Stimmung, die in diesen Tagen der Ungewißheit in Ihrer Umgebung herrscht, noch keineswegs die Entschlüsse erkennen lasse, zu welchen Baiern angesichts unausweichlicher Alternativen greifen würde, und ich pflichte Ihnen darin bei, daß zuerst entscheidendere Thatsachen eingetreten sein müßen, ehe wir in München auf den Sieg der besseren Instincte rechnen können, die dort ohne Zweifel vorhanden sind. In diesem Augenblicke sind wir noch in Erwartung der Dinge, die sich in Berlin vorbereiten, und ich habe Ihnen daher noch keine näheren Aufträge zu ertheilen. Nur das Eine wiederhole ich, daß unser Entschluß feststeht, uns von Preußen ein anmaßendes den Gasteiner Vertrag verletzendes Ultimatum nicht bieten zu lassen, und es ist an der Zeit auch in München bestimmt auszusprechen, daß Oesterreich den Handschuh, würde er von Preußen wirklich hingeworfen, selbst auf die Gefahr eines gleichzeitigen Krieges mit Italien hin aufheben würde. In Deutschland lebt doch wohl so viel politischer Geist, daß man alsdann die Frage, ob mit Oesterreich gekämpft werden solle, oder nicht, von spitzfindigen Erörterungen über Bundesparagraphen nicht wird abhängig machen wollen. Zu einem Executionsbeschluße braucht der Bund acht Monate, Preußen aber kann in wenigen Wochen mobilisiren. Es wird uns sicher nichts kosten, in Frankfurt alle erdenklichen der Situation entsprechenden Anträge zu stellen, und so seltsam auch das Schauspiel wäre, wenn wir, von Preußen angegriffen, in Frankfurt fortführen, in Einem Collegium mit Preußen abzustimmen, so würden wir sicher die Bundesversammlung so lange leben lassen, als sie leben und den Zweck erfüllen kann, das Bundesprinzip zu wahren. Aber Thaten können wir von ihr nicht erwarten, wenn nicht vorher die einzelnen Regierungen zur That entschlossen sind. Sobald letzteres der Fall ist, ist die Sanction durch den Bund eine leichte Sache. Unsere Stellung ist von der Art, daß Preußen uns nicht anders angreifen kann, als durch einen Bruch des Bundesfriedens, und wir brauchen uns eintretenden Falles nur auf den Art. 19 der Wiener Schlußakte zu berufen, um den Bund zur schleunigsten Ergreifung von Maßregeln zum Schutze unseres Besitzstandes zu verpflichten.2 Worin 2 Artikel 19 der Wiener Schlußakte lautete: „Wenn zwischen Bundes-Gliedern Thätlichkeiten zu besorgen, oder wirklich ausgeübt worden sind, so ist die Bundes-Versammlung berufen, vor-

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Mensdorff an Blome

Nr. 174

anders, als im Aufgebote des gesammten Bundesheeres, könnten gegenüber Preußen diese Maßregeln bestehen? Fehlt nicht der ernste Wille, so kann in Frankfurt binnen 24 Stunden das Erforderliche beschlossen sein, fehlt er dagegen, so kann auch der bestbegründete Antrag nach Belieben verschleppt und vereitelt werden. Ich wiederhole daher, daß nicht in Frankfurt, sondern in München die Entscheidung darüber liege, ob wir in unseren Combinationen uns auf Süddeutschland stützen, die wichtige Verbindung mit Mainz unterhalten, überhaupt auf deutsche Kräfte zählen könnten, um unseren Gegnern überlegen zu sein. Frhrr v. d. Pfordten sagt im Grunde dasselbe, wenn er der Meinung ist, daß mit dem Ausbruche des Kampfes zwischen Oesterreich und Preußen der Bund ipso facto aufgelöst, und jeder Staat frei sei, nur die eigenen Intereßen zu berücksichtigen, also neutral zu bleiben, oder sich auf diese oder jene Seite zu schlagen. Ist dem so, dann kommt es eben nur darauf an, daß Baiern uns rechtzeitig sage, welchen Gebrauch es alsdann von seiner absoluten Freiheit zu machen Willens sei. Und wenn Baiern auch in Berlin hierüber keinen Zweifel ließe, so könnte es gerade hierdurch zur Erhaltung des Friedens mächtig beitragen, was Frhrr v. d. Pfordten nicht in Abrede stellen wird, da er selbst doch für nöthig hält, dem preußischen Kabinet die Illusion zu benehmen, als könne es uns ohne ernste Gefahr für die preußische Monarchie bedrohen. Nach unserer Meinung sollte man übrigens sich in keinem Falle mit der Erklärung, daß der Bund zu existiren aufgehört habe, zu sehr beeilen, vielmehr die Formalien in Frankfurt nicht versäumen, alles Wesentliche aber, wie dies nicht anders möglich, durch directes Einverständniß der Kabinete abmachen. Wir haben, wie gesagt, für den Augenblick noch keine bestimmteren Mit­ theilungen zu machen, und geben daher Ew. die vorstehenden Bemerkungen nur zu dem Zwecke an die Hand, damit Ihnen unsere Ansicht über die Äußerungen des Frhrrn v. d. Pfordten bekannt und bis auf Weiteres die Richtung genauer bezeichnet sei, in welcher Sie auf den Gedankengang der baierischen Staatslenker einzuwirken sich zu bestreben haben werden. Empfangen, etc.

läufige Maßregeln zu ergreifen, wodurch jeder Selbsthülfe vorgebeugt, und der bereits unternommenen Einhalt gethan werde. Zu dem Ende hat sie vor allem für Aufrechthaltung des Besitzstandes Sorge zu tragen.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 93.

Nr. 175

Berlin, 8. März 1866

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175. Bismarck an Reuß

GStA PK Berlin, I. HA. Rep. 81, Gesandtschaft München, Nr. 389, fol. 69–74. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 11. März 1866. Konzept mit eigenhändigen Korrekturen Bismarcks in: GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/53, fol. 106–112. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 390–394 (Reinkonzept). Regest in: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 637.

Die politische Entwicklung der letzten Jahre hat das Vertrauen in die Bundeseinrich­ tungen erschüttert, während sich das Nationalgefühl belebt hat. Bei einer inneren oder äußeren Krise ist die Existenz des Deutschen Bundes gefährdet. Die Bildung ei­ ner Trias aus den deutschen Staaten außerhalb von Österreich und Preußen ist keine Lösung. Bismarck regt statt dessen die Berufung eines auf konservativen Grundlagen beruhenden deutschen Parlaments zur Beratung einer Revision der Bundesverfas­ sung an und wirbt für die Idee um Unterstützung bei von der Pfordten.

Privatim. Durch Königl. Feldjäger.

Berlin, 8. März 1866

Ew. Durchlaucht Berichte über Ihre vertraulichen Unterredungen mit dem Herrn von der Pfordten haben mich mit dem lebhaftesten Interesse erfüllt; und ich kann nur dringend wünschen, daß Sie diesen Gedanken-Austausch fortsetzen. Meine Hoffnung, daß er schließlich zu einer Annäherung und Verständigung führen werde, ist eben so sehr auf der Verträglichkeit der Interessen Bayerns und Preußens als aus dem Vertrauen in die staatsmännische Auffassung und den Character des Herrn Ministers begründet, dem gerade unter den in jetzigem Augenblick in Bayern herrschenden Verhältnissen noch mehr als sonst der entscheidende Einfluß auf die Geschicke Bayerns zufallen muß. Es ist mir besonders angenehm, daß die deutsche Frage mit in den Kreis Ihrer Unterhaltungen gezogen ist. Ihre Entwickelung wurde im Herbst des Jahres 1863 durch die Dänische Frage unterbrochen, ohne dadurch an Wichtigkeit zu verlieren, oder gar beseitigt zu werden, vielmehr möchte ich behaupten, daß nichts so sehr das Bedürfniß einer bessernden Aenderung der Verfassung Deutschlands herausgestellt habe, als der Verlauf der Dänischen Angelegenheit. Es kommt nicht darauf an, an wem in den einzelnen Phasen der letzten Jahre die Schuld gelegen habe – oder auf welcher Seite die richtige Auslegung der Bundesverträge zu finden gewesen; aber es ist eine That­sache, daß die Bundes-Institutionen Deutschland die Stelle, welche es in der großen Euro­ päischen Politik einnehmen sollte, nicht gewähren, daß es mit ihnen eine auf eigene Interessen basirte Realpolitik nicht treiben kann, während außer der Deutschen [sic] alle Nationen, jetzt auch die so lange von Deutschland abhängigen Italiener, sich dieses Vorzugs erfreuen und die verhältnißmäßig wenig zahlreichen Ungarn ihn mit Aussicht auf Erfolg anstreben. Die Schroffheit der particularen Gegensätze hat in Deutschland keine Ausgleichung in den Institutionen gefunden; und es ist in der That, neben dem ausnahmsweisen Zusam-

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menhalten von Preußen und Oesterreich, nur eine Reihe günstiger Umstände gewesen, welche verhindert hat, daß das Ausland sich diese Zerrissenheit Deutschlands, zu deren Ueberwindung die Bundeseinrichtungen keine Mittel geben, nicht mehr zu Nutze gemacht hat. Es ist daher nicht zu verwundern, daß diese ganze politische Phase der letzten Jahre, während sie das Deutsche National-Gefühl belebte, doch den Glauben an die Institutionen, in welchen diese Nationalität ihren Ausdruck und ihre ac­tive Wirksamkeit finden sollte, nur noch mehr erschüttert hat. Dies Verhältniß giebt zu um1 so ernsteren Erwägungen Anlaß, als offenbar in der Mangelhaftigkeit der Institutionen nicht nur ein Hinderniß für jede active Politik Deutschlands liegt, sondern auch eine ernste Gefahr in Bezug auf die Defensive und auf jenen Schutz, welchen der Deutsche Bund den einzelnen Deutschen Ländern zu gewähren berufen ist. Wie sollen die Deutschen Regierungen in dieser Zersplitterung einer großen Europäischen Crise begegnen? Und wenn eine Crise im Innern Deutschlands eintritt – werden sie in der jetzigen Gestalt des federalen Bandes den Halt finden, dessen sie bedürfen? Herr von der Pfordten hat in seinen Betrachtungen über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit eines Conflikts zwischen Preußen und Oesterreich auf die Bundes-Verfassung hingewiesen, welche einen solchen Conflict nicht gestatte. Aber wird sie ihn auch verhindern? Wird nicht vielmehr, wenn der Conflict der staatlichen Interessen zweier großen Mächte dieselben, gegen den Willen i­hrer Monarchen, zu kriegerischer Entscheidung drängt, die Existenz des Bundes selbst gefährdet? Ueber diese Gefahren, über die faktische Unhaltbarkeit des jetzigen Zustandes sich zu täuschen, halte ich für unmöglich; aber freilich würde uns auch über die Schwierigkeiten, welche jedem Versuch der Abhülfe entgegenstehen, die Erfahrung vollständig belehrt haben, wenn dieselben nicht schon theoretisch klar wären. Indeß kann uns das Bewußtsein dieser Schwierigkeiten nicht von der Pflicht entbinden, nach ihrer Ueberwindung zu streben; wir dürfen nicht von vornherein darauf verzichten, eine Besserung zu suchen. Ich darf erwarten, daß Herr von der Pfordten diese Ueberzeugungen theilt, und ich glaube sie auch in seinen Aeußerungen gegen Euere Durchlaucht wiederzufinden. Ich will den letzteren keine andere Tragweite beilegen, als es in seinen eigenen Absichten gelegen hat; ich sehe sie nur als eine akademische und hypothetische Erörterung an, die einen rein persönlichen Charakter trug, ohne ihn oder seine Regierung zu engagiren. Aber gerade als solche sind sie mir von bedeutendem Werth, da ich darin zum Theil, wie Euere Durchlaucht wissen, meinen eigenen Ideen begegnen, und daher darin Anknüpfungs-Punkte für eine weitere Erörterung von dem gleichen Character finden kann. Ein Ideen-Austausch zwischen den Ministern zweier befreundeter Regierungen, 1 Emendiert. Vorlage: um zu.

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welche jedenfalls zu den bedeutendsten Factoren bei etwaiger Umgestaltung der Verfassung Deutschlands gehören, ist immer ein Gewinn, und wird hoffentlich nicht ohne Frucht bleiben. Abgesehen von allen anderen Umständen ist Bayern schon darum ein entscheidender Factor, weil es den Kern der süddeutschen Gruppe bildet, auf welche auch Herr von der Pfordten hindeutet. Daß wir uns mit der Idee einer Trias, in welcher neben Preußen und Oesterreich alle übrigen deutschen Staaten sich zu einer geschlossenen Gruppe zusammenfinden sollten, nicht befreunden können, wissen Euere Durchlaucht; ich habe nie die Ueberzeugung verhehlt, daß Preußen auf einen vorwiegenden Einfluß in Norddeutschland, als seinem natürlichen Machtgebiet nicht verzichten könne, und die dritte Gruppe würde die Aufgabe nicht lösen können, eine der Einheiten der Trias aus den heterogenen Elementen zu bilden, die sich ohne engere Gemeinschaft ihrer Interessen, in geographischer Zerrissenheit von Basel nach Rostock erstrecken, und Preußens beide Haupt-Gebiete von einander trennen. Diese Gruppe würde fortfahren alle Mängel der jetzigen Bundesverfassung an sich zu tragen. In ihr würde auch Bayern niemals vollständig den ihm gebührenden Einfluß gewinnen; und sie würde das Terrain bilden, auf welchem der alte Antagonismus, der widerstrebende Einfluß von Preußen, Oesterreich und Bayern sich in immer neuen Wechselwirkungen und Intriguen ergingen, um sich selbst und das Ganze zu lähmen. Ich glaube aus den Aeußerungen des Herrn von der Pfordten ähnliche Gedanken und die Hinneigung zur Bildung einer süddeutschen Gruppe entnehmen zu dürfen, in welcher Bayern den ihm gebührenden Einfluß üben würde, ohne auf sein BundesVerhältniß mit allen übrigen deutschen Staaten zu verzichten. Ich will indeß diesen Gedankengang für den Augenblick noch nicht weiter verfolgen. Zunächst ist es mir von vorwiegendem Werth, die Ansichten des Herrn von der Pfordten über die Form zu kennen, in welcher man der Sache überhaupt näher treten könnte. Würde er glauben, daß die Berufung eines deutschen Parlaments oder auch nur einer von den Regierungen aus den hervorragenden Kreisen der Bevölkerung zu wählenden Notabeln-Versammlung zur Berathung einer Revision der Bundes-Verfassung der geeignete Weg sei? Ich sage ausdrücklich zur Berathung, denn in den Fehler einer Verfassung gebenden Versammlung wird keiner von uns verfallen, keiner die Regierungen als Factoren bei der Neugestaltung ausschließen wollen. Aber eine Bera­ thung zwischen den Regierungen allein wird auch schwerlich zum Ziele führen; die Erfahrung hat uns auch darüber eben so bedeutsame Lehren gegeben, wie über die Ohnmacht einer ihre Ziele und Grenzen überspringenden Versammlung; ich erinnere nur an die Berathungen in Dresden2, zu einer Zeit, 2 Die Dresdener Konferenz zur Reform des Deutschen Bundes von 1850/51. Siehe dazu QGDB III/1.

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wo die Verhältnisse doch noch viel flüssiger waren. Würden wir unter den Regierungen allein etwas Anderes erreichen, als eine Masse von Schreiberei, die man mit bitterer Ironie als „schätzbares Material“ bezeichnet hat?3 Ein auf conservativen Grundlagen zusammengesetztes Parlament dagegen könnte, indem es wirklich staatsmännische Capacitäten vereinigte, die großen Ziele in großem Sinne in’s Auge fassen, und viele Schwierigkeiten überwinden. Eine solche Versammlung könnte sogar ein Correctiv für den Mangel an politischer Reife und an staatsmännischem Urtheil bilden, an welchem die gegenwärtigen Einzel-Kammern Deutschlands – ich nehme die Preußische Kammer nicht aus – im Durchschnitt leiden. Ein solches Parlament, beruhend auf der Basis gesicherter Zustände im Innern der Deutschen Staaten, hervorgehend aus einer ganz freien, durch keine Volksbewegung abgedrängten Entschließung der Regierungen, würde nicht wie das von 1848 zur Erschütterung, sondern zur Befestigung der politischen und socialen Zustände Deutschlands führen, indem es dem berechtigten Theile nationaler Wünsche und Beschwerden Abhülfe in Aussicht stellte, und so den unberechtigten Anfeindungen des Bestehenden die wirksamsten Waffen entzöge. Ich kann nicht sagen, daß ich mein Urtheil über die Zulänglichkeit dieses Wegs, oder gar über die Modalitäten eines solchen Parlaments bereits fest­ gestellt hätte. Diese Fragen sind seit langer Zeit für mich der Gegenstand reiflichen Nachdenkens; um so mehr ist es mir Bedürfniß, ehe ich mir eine bestimmte Ansicht bilde, die Ansicht und das Urtheil derjenigen Staatsmänner zu kennen, auf deren Besonnenheit und redlichen Patriotismus ich Vertrauen setzen darf, und die jedenfalls zur Ausführung mitwirken müssen. Vorzugsweise muß mir dabei ein so competentes Urtheil, wie das des Freiherrn von der Pfordten, von Gewicht sein, der in seiner einflußreichen Stellung berufen ist, die Verwirklichung unserer nationalen Entwickelung zu fördern; daß er ihr negirend entgegentreten wolle, ist mir nach der Stellung, die er amtlich, wissenschaftlich und staatsmännisch einnimmt, nicht denkbar. Auch er wird, wie ich, das Gefühl haben, daß wir nach dem Grundsatze „noblesse oblige“, unseren Deutschen Landsleuten und der öffentlichen Meinung für das verantwortlich sind, was wir in unseren ministeriellen Stellungen für die nationale Sache gethan oder versäumt haben, und ich glaube, wenn Euere Durchlaucht 3 In der abschließenden Sitzung der erfolglosen Dresdener Konferenz am 15. Mai 1851 hatte der österreichische Ministerpräsident Felix Fürst zu Schwarzenberg (1800–1852) die in Dresden erarbeiteten Reformvorlagen als „schätzbare Materialien“ bezeichnet, „welche, wenn sie gehörig benützt werden, zur zweckmäßigen Ausbildung und Verbesserung der Bundesverfassung, somit zur Erstarkung und zur Wohlfahrt des Bundes wesentlich beitragen können“. Die Formulierung wurde in den 1850er Jahren zum geflügelten Wort, mit dem sich Politiker, aber auch Publizisten in ironischer Weise über die anhaltende Erfolglosigkeit der Bundesreform­ versuche mokierten. Vgl. QGDB III/1, S. 542.

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ganz vertraulich auf gewissermaßen akademischem Boden diese Erörterung mit ihm aufnehmen, wird er mir sein Urtheil und die Ergebnisse seines eigenen Nachdenkens und seiner Erfahrung nicht vorenthalten wollen. Ich darf Euere Durchlaucht daher ganz ergebenst ersuchen, in diesem ­Sinne mit ihm Ihre Unterhaltungen, deren Anknüpfung mir sehr zur Befriedigung gereicht hat, fortzusetzen. Sie brauchen von dem, was ich Ihnen hier vertraulich gesagt, dem Freiherrn von der Pfordten, von dessen Discretion ich mich durch die Erfahrung überzeugt habe, nichts zu verhehlen. Im Uebrigen bitte ich Euere Durchlaucht dies Schreiben nur als ein ganz vertrauliches anzusehen. v. Bismarck

176. Zirkularerlaß Pfordtens an die Gesandtschaften in Dresden, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt und Wiesbaden

HStA München, Gesandtschaft Dresden, Nr. 925. Erlaß. Behändigte Ausfertigung an den bayerischen Gesandten in Dresden, Gise. Praes.: 10. März 1866. Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 640–644 (Konzept).

Wegen der Differenzen über die Verwaltung von Holstein könnte zwischen Wien und Berlin ein offener Konflikt ausbrechen, was ein „Nationalunglück“ wäre. Ein solcher Konflikt würde die Existenz des Deutschen Bundes in Frage stellen. Nach der Bundes­ verfassung ist ein Krieg zwischen Österreich und Preußen „im völkerrechtlichen Sin­ ne“ unmöglich. Nach Artikel 11 der Bundesakte ist ein Krieg zwischen Bundesgliedern verboten, Österreich und Preußen können ihre Streitigkeit über Holstein nicht militä­ risch austragen, sondern müssen sie der Bundesversammlung vorlegen. Ein gewaltsa­ mes Vorgehen wäre ein Bruch des Bundes. Wenn der Streit vor die Bundesversamm­ lung gebracht und dort eine Entscheidung herbeigeführt wird, so muß diese gegebe­ nenfalls mit Gewalt durchgesetzt werden. Dies wäre dann kein völkerrechtlicher Krieg, sondern eine Bundesexekution, der sich kein Bundesglied entziehen kann, ohne selbst bundesbrüchig zu werden. Für die Bundesglieder ist jedes Eingehen auf Separatver­ handlungen mit einem der beiden streitenden Teile abzulehnen. Bayern schlägt Sach­ sen, Württemberg, Großherzogtum Baden, Großherzogtum Hessen und Nassau vor, sich darauf zu verständigen, sich in keine Separatverhandlungen mit Österreich oder Preußen einzulassen, sondern diese aufzufordern, ihren Streit vor die Bundesversamm­ lung zu bringen. Die jeweiligen Gesandten sollen den bundesrechtlichen Standpunkt in Wien und Berlin bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Nachdruck vertreten.

No 26.

München, 8. März 1866

Hochwohlgeborner Freiherr! Zwischen den Regierungen von Oesterreich und Preußen haben sich, in Bezug auf die Ausführung der Convention von Gastein und insbesondere über

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Zirkularerlaß Pfordtens

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die Verwaltung von Holstein Differenzen ergeben, welche so ernster Natur sind, daß sich das Echo derselben in der diplomatischen Welt und in den ­Zeitungen, ähnlich wie unmittelbar vor dem Abschlusse der Convention von Gastein, bis zu einer drohenden Kriegsgefahr zwischen Oesterreich und Preußen gesteigert hat. Wenn man nun auch bei ruhiger Betrachtung hierin eine Uebertreibung erkennen wird, so erscheint doch jedenfalls die Lage als sehr ernst und die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß aus der Lösung der ­Intimität zwischen Wien und Berlin allmählich ein offener Conflict sich entwickeln könnte. Es bedarf keiner weitern Ausführung, daß der Ausbruch eines solchen als ein National-Unglück betrachtet werden müßte, und die königliche Regierung hält es daher für ihre Pflicht, ihre ganze Aufmerksamkeit darauf zu richten, ob und wie einer solchen Entwicklung der Dinge vorgebeugt werden könne und welche Haltung die übrigen deutschen Regierungen sowohl in ihrem eigenen, als im Interesse Gesammtdeutschlands einzunehmen haben würden, wenn es gleichwohl zu einem offenen Bruche zwischen Oesterreich und Preußen käme. Dabei tritt in erster Linie der Gedanke hervor, daß ein gemeinschaftliches Handeln möglichst vieler gleichgesinnter deutscher Regierungen nicht blos an sich wünschenswerth, sondern auch das geeignetste Mittel sei, eine friedliche Entwicklung herbeizuführen. Die königliche Regierung geht von der Ueberzeugung aus, daß der Ausgangspunkt aller Bestrebungen in der bezeichneten Richtung, die Verfassung und das Recht des deutschen Bundes sei, umsomehr als jeder zwischen ­Oesterreich und Preußen drohende Conflikt die Existenz des Bundes selbst und seine Lebensfähigkeit in Frage stellt, zumal jetzt, nachdem seit Jahren nicht blos die Autorität des Bundes, sondern auch die Möglichkeit seiner ­Erhaltung in seiner jetzigen Gestalt von allen Seiten und selbst von vielen Regierungen angegriffen, bezweifelt und geradezu geleugnet worden ist. Nach der Verfassung und dem Rechte des Bundes ist nun aber, dieß scheint der kgl. Regierung unzweifelhaft zu sein, ein Krieg im völkerrechtlichen ­Sinne zwischen Oesterreich und Preußen ebenso unmöglich, als zwischen ­anderen Bundesregierungen. Die im Art. XI der Bundesakte ausgesprochene Verpflichtung, sich unter keinerlei Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung anzubringen, ist ganz allgemein und ausnahmslos für alle Bundesglieder und für alle Streitigkeiten gültig. Das Gegentheil wäre auch in der That unvereinbar ebenso mit dem Zweck des Bundes, wie mit dem thatsächlichen Bestand desselben; denn wie sollte es möglich sein, daß während Oesterreich und Preußen Krieg miteinander führten, ihre Gesandten nebeneinander in der Bundesversammlung säßen und ihre Truppen gemeinschaftlich und friedlich die Bundesfestungen besetzten. Eine Ausnahme von der Verpflichtung des Art. XI

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ist auch in dem Artikel 46 und 47 der Wiener Schlußakte keineswegs enthalten. Hier wird zwar von der Möglichkeit gesprochen, daß ein Bundesstaat, der zugleich außerhalb des Bundes Besitzungen hat, in seiner Eigenschaft als europäische Macht einen Offensiv- oder Defensivkrieg führe, welcher dem Bunde fremd bleibt; allein hierbei ist unverkennbar nur an einen Krieg eines solchen Bundesstaates mit einem fremden nicht zum Bunde gehörigen Staate gedacht, nicht aber an einen Krieg mit einem andern Bundesgliede. Demgemäß sind Oesterreich und Preußen, wenn sie über die Ausführung der Gasteiner Convention untereinander in Streit gerathen, verpflichtet, sich entweder selbst friedlich zu einigen oder diese ihre Streitigkeit in der Bundesversammlung anzubringen, und hieran kann umsoweniger gezweifelt werden, wenn der Gegenstand dieser Differenz das Herzogthum Holstein, also ein Bundesland ist, und wenn man erwägt, daß die Gasteiner Convention von beiden Contrahenten der Bundesversammlung mitgetheilt worden ist, unter dem Vorbehalte weiterer Eröffnungen über die definitive Erledigung dieser Angelegenheit. Wenn nun dieser unbestreitbaren Verpflichtung gegenüber Oesterreich und Preußen diese ihre Streitigkeit außerhalb der Bundesversammlung mit Gewalt verfolgen wollten, so läge hierin unverkennbar ein Bruch des Bundes, zunächst auf Seite des angreifenden Theiles, sodann aber auch auf Seite des Angegriffenen, sofern dieser nicht den bundeswidrigen Angriff der Bundesversammlung anzeigte und deren Intervention in Anspruch nähme. Beide Theile würden auf diese Weise aufhören Bundesglieder zu sein und alle übrigen Bundesglieder würden dadurch jenen gegenüber ihrer Bundespflicht ­entledigt, da in einem solchen Falle es physisch unmöglich sein würde, die ­Autorität des Bundes seinen zwei mächtigsten Gliedern gegenüber durch ­Gewalt der Waffen zur Geltung zu bringen. Aus diesen Betrachtungen ergeben sich daher nachstehende Folgerungen. Wenn die Streitigkeit zwischen Oesterreich und Preußen dem Art. XI der Bundesakte gemäß vor die Bundesversammlung gebracht wird, sei es von beiden Theilen gemeinschaftlich oder von einem derselben, so wird auf bundesrechtlichem Wege Vermittlung versucht, eventuell Entscheidung herbei­ geführt werden müssen, und wenn es, um diese Letztere zur Geltung zu bringen, der Anwendung von Gewaltmaßregeln bedürfen sollte, so wird dieß nicht den Charakter eines völkerrechtlichen Krieges, sondern den einer Bundesexecution an sich tragen und es wird kein Bundesglied berechtigt sein, sich der Betheiligung daran zu enthalten, ohne selbst bundesbrüchig zu werden; wenn dagegen Oesterreich und Preußen mit Umgehung des Bundes dazu schreiten, ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, so werden alle übrigen Bundesglieder vollkommen berechtigt, je nach den Principien des Bundesrechtes sogar gehalten sein, jede Theilnahme an solchem Kampfe zu vermei-

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Zirkularerlaß Pfordtens

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den, um durch ihre Vereinigung die völlige Auflösung des Bundes abzuwenden. Wenn diese Anschauungen richtig sind, so ist es, nach unserer Ueberzeugung, die nächste Aufgabe, dahin zu wirken, daß sie in Wien und Berlin zur Anerkennung gelangen und zu diesem Zwecke insbesondere jedes Eingehen auf Separat-Verhandlungen oder Separat-Uebereinkommen mit einem der streitenden Theile zu vermeiden und abzulehnen, nicht blos mit demjenigen Theile, welcher etwa Lust haben könnte, den andern anzugreifen, sondern auch mit demjenigen, der mit einem Angriff bedroht wäre und Bundesgenossen zu seiner Vertheidigung suchte. Auch dieß wäre bestimmt zu erkennen zu geben, daß diese Hülfe eben nur in Frankfurt durch einen Bundesbeschluß gewonnen werden kann. Diese Haltung scheint uns umso nothwendiger, weil ja bis jetzt eine genaue Bestimmung des Streitpunktes noch gar nicht vorliegt und zur Zeit nicht erkannt werden kann, ob die Absicht und Zielpunkte des einen der streitenden Theile dem Bundesrechte selbst genau entsprechen oder doch diesem sich mehr nähern als die des andern Theiles. Wir wollen hiemit keineswegs ausschließen, daß mit demjenigen der streitenden Theile, welcher sich dazu entschließen würde, der Verpflichtung des Art. XI der Bundesakte zu genügen, vorher vertraulich über die Art und Weise eines in Frankfurt zu stellenden Antrages und die Behandlung desselben in der Bundesversammlung verhandelt u[nd] eine Verständigung zu erzielen erstrebt würde, wie dieses ja bei allen wichtigeren Bundesangelegenheiten von jeher Sitte war. Wir erkennen vielmehr an, daß dieses Verfahren gerade in dem vorliegenden Falle zweckmäßig sein würde, weil hier eine möglichst rasche und sichere Erwirkung eines Bundesbeschlusses und seines Vollzuges Bedürfniß wäre; aber wir wollen ebenso bestimmt unsere Ueberzeugung darlegen, daß jedes Separatabkommen eines Bundesgliedes mit einem der beiden streitenden Theile ebenso bundeswidrig als in seinen Folgen bedenklich sein würde. Aufgrund dieser Auffassung der Sachlage wenden wir uns nun vertraulich an die Regierungen von Königreich Sachsen, Württemberg, Großherzogthum Baden, Großherzogthum Hessen und Nassau, um dieselben zu gemeinschaftlicher Haltung und Thätigkeit einzuladen. Für jetzt beschränken wir uns dabei auf zwei Vorschläge: Der erste geht dahin, sich darüber zu einigen, daß jedes Eingehen auf Separatverhandlungen mit Oesterreich oder Preußen, sei es zum Zwecke einer Allianz oder einer befreundeten Neutralität entschieden abgelehnt werde, daß die streitenden Theile, unter Bezugnahme auf Art. XI der Bundesakte vielmehr an die Bundesversammlung verwiesen [werden] und daß selbst eine Unterstützung des angegriffenen Theiles nur auf Grund einer bundesrechtlichen Verhandlung in Frankfurt zu gewähren sei.

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Dabei wollen wir nicht unterlassen, eine Folgerung hervorzuheben, welche sich aus diesem gemeinsam festzuhaltenden Grundsatze ergibt. Wenn an das eine oder andere Bundesland von einem oder dem andern streitenden Theile das Ansinnen einer Separatverhandlung gestellt, aber pflichtgetreu abgelehnt wird, so wird dieses Bundesland zu erwarten berechtigt sein, daß jede Drohung und jede Gewaltmaßregel, die gegen dasselbe erfolgen sollte, von den übrigen Bundesgliedern, insbesondere von den in jenem Grundsatze mit ihm vereinten, als gegen den Bund geschehen betrachtet und mit gemeinsamen Kräften bekämpft werde. Es ist dies schon in den allgemeinen Bundespflichten begründet, wie aus Art. 19 der Wiener Schlußakte sich ergibt; es erhält aber jene Erwartung in einer solchen Vereinbarung, wie wir sie hier vorschlagen, noch eine besondere Grundlage. Unser zweiter Vorschlag ist darauf gerichtet, daß die uns beistimmenden Regierungen ihre Gesandten in Wien und Berlin beauftragen, die oben dargelegte auf Art. XI der Bundesakte sich stützende Anschauungsweise ihrer Regierungen nicht zu verhehlen, sondern bei jeder sich bietenden Gelegenheit gesprächsweise mit Nachdruck zu vertreten. In Wien wäre dabei noch besonders zu betonen, daß die Berufung an den Bund nur in der Voraussetzung einer rückhaltlosen Rückkehr auf den Rechtsstandpunkt in der holsteinischen Frage von Erfolg begleitet sein könne. Wenn wir uns für jetzt auf diese beiden Vorschläge beschränken und von einer Antragstellung in der Bundesversammlung zur Zeit noch absehen zu sollen glauben, so liegt der Grund darin, daß, solange nicht völlige Klarheit über die Absichten Oesterreichs und sein Verhalten zu einem von uns zu ­stellenden Antrage vorliegt, für einen solchen schwerlich eine Majorität zu gewinnen sein würde, während andererseits zu besorgen ist, daß in der ­Antragstellung selbst der Vorwand zur Unnachgiebigkeit gefunden werden würde. Ich beauftrage nun auf Allerhöchsten Befehl Euer Hochwohlgeboren, gegenwärtige Mittheilung zur Kenntniß des Herrn Ministers des Aeußern zu bringen und demselben unsere Vorschläge zur Annahme zu empfehlen. Dabei bemerke ich, daß ich an die kgl. Gesandten in Wien und Berlin unterm Heutigen Weisungen in dem hier entwickelten Sinne erlasse, und daß es im Falle des jenseitigen Einverständnisses wünschenswerth erscheint, daß gleiche Weisungen ungesäumt erlassen werden. Indem ich dem Berichte Euer Hochwohlgeboren über die Aufnahme unserer Vorschläge entgegensehe, füge ich den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung bei. v. d. Pfordten

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177. Reuß an Bismarck

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/53, fol. 114–118. Bericht. Behändigte Ausfertigung. „Durch Depeschenkasten.“ Praes.: 19. März 1866. Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 668 f.

Pfordten reagiert positiv auf die Anregung einer Bundesreform durch Preußen und würde mit Freude die Hand dazu bieten, wenn damit der drohende Konflikt in Deutschland verhindert werden könnte. Für die Triasidee will sich Pfordten nicht ein­ setzen, er hält sie für unmöglich. Der Bildung eines Parlaments steht er positiv ge­ genüber, doch dürfe dieses nicht zu einer konstituierenden Nationalversammlung werden. Die Machtlosigkeit des Deutschen Bundes beruht nach Pfordten nicht in sei­ nen Institutionen, sondern in der Rivalität von Österreich und Preußen. Der bayeri­ sche Minister mahne zum Frieden und „wünsche nichts sehnlicher, als das Preußen die ihm gebührende Stellung im Norden erlange und seine Machtsphäre über das ganze nördliche Deutschland ausdehne; denn dann würde der Friede in Deutschland garantirt sein“.

No 18. Ganz vertraulich.

München, 14. März 1866

Eurer Excellenz privatives Schreiben vom 8. d. Mts. – die Anregung einer Bundesreform betreffend – habe ich durch königlichen Feldjäger am 11. d. Mts. Abends zu erhalten die Ehre gehabt.1 Ich habe dieses Schriftstück heute dem Minister v. d. Pfordten von Anfang bis zu Ende vorgelesen und hat der Inhalt desselben den Bayrischen Minister zu folgenden Bemerkungen veranlaßt: Zunächst hat er mich gebeten, Eurer Excellenz für das ihm geschenkte Vertrauen zu danken, und hinzugesetzt, daß, wenn das Wieder-Aufleben der deutschen Frage im jetzigen Augenblicke dazu beitragen könnte, eine nützliche Diversion zu geben und den drohenden Conflict zu verhindern, er mit doppelter Freude seine Hand dazu bieten würde. Er behielte sich übrigens vor, nach einem weiteren Nachdenken über die mannigfachen durch Eure Excellenz angeregten Fragen mir ausführlicher seine Ansichten mitzutheilen, und wolle sich heute nur auf folgende Bemerkungen beschränken. Er begreife vollkommen, daß Preußen nicht auf eine Trias-Idee eingehen könne; er selbst halte dieselbe für unmöglich und verspüre nebenbei durchaus keine Lust, sich für Staaten zu echauffiren, welche in der Preußischen Machtsphäre lägen, wie er dies wohl im Jahre 1849 gethan habe. Was die Frage über ein zu befragendes Parlament betreffe, so theile er mit Eurer Excellenz die Ueberzeugung, daß eine Reorganisation des Bundes durch die Regierungen allein nicht möglich sei, und die Bevölkerungen hinzugezogen werden müßten. Indessen sei er sich darüber ganz klar, daß ein 1 Siehe Dok. 175.

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Parlament zur Berathung über solche wichtige Interessen nicht zugezogen werden könnte, ohne daß die Regierungen demselben mit einem ganz festen Programme entgegenzutreten im Stande wären. Könne man dies nicht, so belehre ihn seine langjährige parlamentarische Erfahrung, daß in diesem Falle aus jeder auch noch so zahmen Versammlung eine constituirende werde; und dies könne man, wie Eure Excellenz mit Recht bemerkt, nicht zulassen. Der Minister machte außerdem die Bemerkung, daß der Grund der Machtlosigkeit des deutschen Bundes nicht in dessen Institutionen, sondern vielmehr in den Eifersüchteleien Preußens und Österreich zu suchen sei. Er sei gern bereit, alle Ideen ernsthaft zu prüfen, welche diesem Fehler der Bundesverfassung Abhülfe bringen könnten, in Sonderheit aber schiene es ihm dringend nothwendig, daß wenigstens das Stimmenverhältniß am Bunde nach dem realen Machtverhältniß geordnet werde. Denn die jetzige Einrichtung setze die Mittelstaaten fortwährend in eine schiefe Lage, indem sie ihnen mehr Einfluß verleihe, als sie Macht hätten, und daraus entständen fortwährend Übelstände. Der Minister, der die ganze Angelegenheit mit großem Interesse aufnahm, stellte mir einen weiteren, gründlicheren Ideen-Austausch in Aussicht, da er über Form und Kern der Frage noch gründlicher nachdenken wollte. Seine Frage, ob ich glaube, daß Österreich damit einverstanden sein würde, jetzt die Bundesreform wieder in Angriff zu nehmen, bedauerte ich nicht beantworten zu können; diese Frage schien ihn aber lebhaft zu beschäftigen. Freiherr v. d. Pfordten knüpfte hieran wieder Exhortationen wegen Erhaltung des Friedens. Derselbe hänge allein von Preußen ab, und Preußen werde für alles Unheil verantwortlich sein, welches der Krieg im Gefolge haben werde. Ich protestirte gegen diese Auffassung auf das Bestimmteste und ­sagte, daß eine Großmacht in eine Situation hineingedrängt werden könnte, in welcher sie zum Kriege gezwungen werden könnte, und daß man leicht ein schweres Unrecht begehen würde, denjenigen anzuklagen, welcher zufällig den Schein gegen sich habe, weil er vor aller Welt verschrieen und verlästert werde. Der Minister erwiderte mir, er wünsche nichts sehnlicher, als daß Preußen die ihm gebührende Stellung im Norden erlange und seine Machtsphäre über das ganze nördliche Deutschland ausdehne; denn dann würde der Friede in Deutschland garantirt sein. Nur könne er nicht dringend genug ermahnen und bitten, wir möchten doch Geduld haben. Allerdings könne ein glücklicher Krieg Preußen rascher zum Ziele führen; aber auch selbst in diesem günstigen Falle würden Preußen und Deutschland unabweislich den Kürzeren ziehen, weil sich Frankreich nicht mit bloßen Worten und Phrasen abspeisen ­lassen werde. Eure Excellenz hätten ihm, dem Freiherrn v. d. Pfordten, wohl früher einmal gesagt, man könnte die Pfalz und das Rheinland, falls es verlo-

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ren gehen sollte, später wieder erobern; das seien aber Tauben auf dem Dache und bei dem heutigen starken Frankreich sei das eine sehr unsichere Sache. Ein langsames Vorgehen, ohne an die Entscheidung durch die Waffen zu ­appelliren, sei viel sicherer und würde ebenso zu dem Ziele führen, welches sich Preußen vorgesteckt habe. „Deshalb benutzen Sie die deutsche Frage“, fuhr der Minister in lebhaftem Tone fort, „machen Sie Sich den Augustenburger zum Vasallen und unterwerfen hierdurch alle anderen norddeutschen Staaten. Preußen wird von Österreich alle Bedingungen für eine Bundes-Reform erlangen, wenn es ihm verspricht, die Herzogthümer nicht zu annexiren und den Österreichern auf diese Weise gestattet, den sehr ersehnten Rückzug aus Holstein anzutreten. Denn haben sich Preußen und Österreich erst einmal über eine Bundesreform verständigt2, dann wird sie auch, trotz alles Sträubens der etwa Beschädigten durchgehen; und daß Preußen in diesem Falle auf mich zählen kann, das weiß Graf Bismarck.“ Ich ließ den Minister diese Ideen nochmals wiederholen. Er bat mich dabei aber dringend, ihn nicht zu compromittiren, da er um Alles in der Welt nicht als der Autor dieses Arrangement-Projectes hingestellt werden möchte. Ich versprach ihm, Alles, was er mir gesagt, nur in meiner ganz vertraulichen Correspondenz mit Eurer Excellenz zu erwähnen, und versicherte ihm nochmals, daß der vertrauliche Gedanken-Austausch mit ihm eine viel zu große Wichtigkeit für meine Allerhöchste Regierung habe, um nicht denselben mit der größten Discretion zu behandeln. Heinrich Reuß

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GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/53, fol. 119–123. Bericht. Behändigte Ausfertigung. „Durch Courier.“ Praes.: 20. März 1866. Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 683– 685.

Pfordten sieht die Schwierigkeiten des Deutschen Bundes im Mißverhältnis der Stim­ menverhältnisse und in der Doppelstellung Österreichs und Preußens als Bundesmit­ glieder und europäische Großmächte begründet. Er sieht den Einfluß Preußens in Norddeutschland als legitim an, gleichzeitig müsse aber Mittel- und Südwestdeutsch­ land eine „bundesgemäße Selbstständigkeit“ als dritte Gruppe haben, damit der Dualismus nicht zu einer Zerreißung Deutschlands führe. Eine Umgestaltung des Bundes könne ohne die Mitwirkung einer nationalen Vertretung nicht erreicht wer­ den, dazu schlägt Pfordten eine Delegiertenversammlung vor. Zudem setze eine Bun­ desreform die Mitwirkung der beiden deutschen Großmächte voraus. 2 Marginalie Bismarcks: „wenn Oestr. uns nicht einmal das herrenlose Holstein gönnt!“

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No 23. Ganz vertraulich.

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München, 17. März 1866

München, 17. März 1866

Wie ich in meinem gehorsamsten ganz vertraulichen Berichte No 18 vom 14. d. Mts.1 zu melden die Ehre hatte, war mir vom Freiherrn v. d. Pfordten in Aussicht gestellt worden, daß er sich noch gründlicher über die in Eurer Excellenz Privat-Schreiben vom 8. d. Mts.2 enthaltenen Ideen über die deutsche Frage äußern wolle. Heute nun sagte mir der Minister, daß, da ihn Eure Excellenz um seine Meinung befragt hätten, er mir dieselbe, nicht als Bayrischer Minister, sondern als Privatmann mittheilen wolle, der nun bereits seit fast 20 Jahren in der deutschen Verfassungsfrage arbeite und dessen Ansichten daher einigermaßen den Anspruch machen könnten, auf Erfahrungen gestützt zu sein. Da Freiherr v. d. Pfordten der größeren Klarheit wegen eine Notiz über seine Ansichten aufgesetzt und die Güte gehabt hat, mir dieselbe auf einige Stunden in den Händen zu lassen, so werde ich mich in meiner nachfolgenden Berichterstattung genau daran halten, die mündlichen Bemerkungen, welche dabei von uns gemacht wurden, aber einschalten. 1. Der Deutsche Bund wurde nur zu defensiven Zwecken gegründet, entsprechend dem tiefen Friedensbedürfniß der Zeit seiner Entstehung. Die jetzige Zeit fordert allerdings auch active Politik. Die Schwierigkeiten, denen der Bund hierbei begegnet, liegen: a) in dem der realen Macht der Bundesstaaten nicht entsprechenden Verhältniß der Stimmen, b) in der Doppelstellung Preußens und Österreichs als Bundesglieder und Europäische Mächte. In beiden Richtungen hat Bayern keinen Grund Aenderungen entgegenzutreten. Der Minister bemerkte hierbei, daß er keine Vorschläge zur Abänderung dieser angedeuteten Übelstände machen wolle, hingegen alle diejenigen gern entgegennehmen und prüfen werde, die in dieser Richtung etwa von Preußen gemacht werden könnten. Der Mißstand des Stimmenverhältnisses habe sich im letzten Kriege3 bemerklich gemacht; denn wenn Preußen und Österreich die ihnen gebührenden Stimmen gehabt hätten, so wären die Mittelstaaten überstimmt worden und hätten mitmarschiren müssen. Ebenso ad b) wenn die beiden Großmächte nur deutsche Mächte gewesen wären, so hätten sie den Krieg nicht isolirt führen können, und viele Übelstände, ja die Entkräftung des Bundes, welche die Folge derselben sei, wären verhindert worden. Übri1 Siehe Dok. 177. 2 Siehe Dok. 175. 3 Gemeint ist der Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark 1864.

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gens wolle er nicht entscheiden, ob ad b) Europäische Rücksichten dem ­entgegenständen, Preußens und Österreichs sämmtliche Besitzungen in den Bund aufzunehmen. 2. Der naturgemäße Einfluß Preußens in Norddeutschland widerstreitet in keiner Weise dem Gesammtinteresse Deutschlands. Ebenso nothwendig ist aber die bundesgemäße Selbstständigkeit von Mittel- und Südwest-Deutschland, damit nicht der schroffe Dualismus das Gesammtband zerreiße. Der Minister erläuterte diesen Gedanken, indem er auseinandersetzte, wie es ihm nothwendig erscheine, daß durch jene Gruppe gewissermaßen ein Binde-Glied zwischen Preußen und Österreich gebildet werde. Wie er mir dies bereits früher gesagt habe, wolle er von einer Trias nichts wissen, und wisse er vollständig den Werth einer dritten Gruppe, welche von den Alpen bis zur Ostsee reiche, zu schätzen. Der angedeutete Einfluß Preußens auf Norddeutschland lasse sich vielleicht am besten durch die militairischen Verhältnisse sichern, und das 10. Armeecorps, vielleicht auch noch ein Theil des 9., müßten zur unbedingten Verfügung Preußens gestellt werden.4 3. Ohne Mitwirkung einer nationalen Vertretung kann eine dauernde Neugestaltung der Bundesverfassung nicht erreicht werden. Eine von den Regierungen gewählte Notabeln-Versammlung genügt hierzu nicht. Das allein Practische dürfte eine Delegirten-Versammlung sein, natürlich nicht als verfassungsgebend mit Ausschluß der Regierungen, sondern zur Verein­ barung. Nur auf diesem Wege wäre die, wenigstens nach den Verfassungen der Mittelstaaten, nothwendige Zustimmung der Landesvertretungen zu erzielen. Unter allen Umständen aber müßten die Regierungen unter sich über die neue Bundesverfassung wenigstens in allen Hauptpunkten einig sein, bevor an die Berufung irgend einer Vertretung, selbst nur einer Notabeln-Versammlung, gedacht werden könnte. Nur ein festes Project darf zur Berathung vorgelegt werden; ohne solches verwandelt sich jede Versammlung in eine Constituante. Die Frage, ob Notabeln oder gewählte Mitglieder für ein Parlament, habe ich hierbei weitläufig mit dem Minister discutirt. Er fand allerdings in einer Notabeln-Versammlung ein bequemeres Werkzeug für die Regierungen, blieb aber dabei, daß eine solche von vorn herein von den Bevölkerungen mit Mißtrauen angesehen werden würde, und da man zur Bestätigung der neuen Bundes-Verfassung der Zustimmung der eigenen Stände bedürfe, so wäre voraus4 Das 9. Bundesarmeekorps wurde gebildet aus Truppeneinheiten von Sachsen, Kurhessen, Nassau und Limburg. Das 10. Armeekorps wurde gestellt von Hannover, Holstein und Lauenburg, Braunschweig, Mecklenburg, Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg. Vgl. Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 327.

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zusehen, daß man mit einem durch Notabeln vereinbarten Elaborate den Landes-Vertretungen gegenüber nichts auszurichten im Stande sein würde. Wenn er sich für eine Delegirten-Versammlung ausspreche, so geschehe dies nur, weil er nach hiesigen Verhältnissen diesen Modus für denjenigen halte, mit dem am leichtesten zum Ziele zu kommen sei. Er wolle sich aber durchaus nicht gegen ein aus directen Wahlen zusammengesetztes Parlament erklären. Wenn dies nach den Ansichten Eurer Excellenz Aussicht auf Erfolg haben könnte, so sei er auch damit einverstanden. 4. Die Bayrische Regierung hat im Jahre 1863 wie auch früher immer an dem Grundsatz festgehalten, daß eine Neugestaltung des Bundes die Mitwirkung der beiden deutschen Großmächte voraussetzt. Diesem Grundsatze wird sie treu bleiben. Der Minister bemerkte zu diesem letzten Grundsatze, daß derselbe nicht als seine Privat-Ansicht zu betrachten sei; gleichviel ob er oder ein Anderer an der Spitze der Geschäfte stehe, hiervon würde die Bayrische Regierung nie abweichen. Ebenso wie in den auf den Frankfurter Fürstentag folgenden Minister-Conferenzen in Nürnberg beschlossen worden sei, die Reform-Acte könne nicht zur Ausführung kommen, weil Preußen nicht daran theilgenommen habe5, ebenso würde man auch auf kein Reform-Project eingehen, von welchem Österreich ausgeschlossen sein sollte. Eure Excellenz werden aus Vorstehendem hochgeneigtest ersehen, daß es dem Freiherrn v. d. Pfordten mit der Prüfung des Bundesreform-Gedanken[s] Ernst gewesen ist. Er sprach von dem Mißtrauen, welches sich überall in Deutschland jüngst gezeigt hätte, als Berliner Zeitungen jenes Project zuerst wieder auf’s Tapet brachten, und bemerkte, daß man nirgends ernstlich daran glauben wolle, daß Preußen wirklich auf das Programm von 1863 gestützt vorzugehen beabsichtige. Daß er selbst dieses Mißtrauen nicht theilt, geht schon daraus hervor, daß er, wie er mir mittheilte, in seiner officiellen Zeitung jenen Gedanken selbst in Anregung bringen will. Ich zweifle nicht, daß dies hier im Lande sowie im übrigen Deutschland einige Sensation machen wird. Heinrich Reuss

5 Siehe Dok. 94.

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Artikelserie in der Bayerischen Zeitung

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179. Artikelserie in der Bayerischen Zeitung

Bayerische Zeitung Nr. 76–78 vom 17.–19. März 1866, S. 629 f., 637, 641. Die Artikel wurden in identischer Form veröffentlicht im Neuen Bayerischen Kurier für Stadt und Land Nr. 78 und 79 v. 20. und 21. März 1866, S. 529–531, 537–539.

Vom rechtlichen Standpunkt aus ist ein Krieg zwischen Österreich und Preußen nicht möglich, weil dies gegen die Bundesgrundgesetze verstoßen würde. Faktisch können diese Grundsätze aber gegen den Willen der beiden Mächte nicht zur Geltung ­gebracht werden. Durch einen Krieg zwischen Österreich und Preußen würde das ­Gefühl der nationalen Einheit einen empfindlichen Stoß erhalten. Zudem würde er zu einer Einmischung des Auslands in die deutschen Verhältnisse führen. „Ein Krieg zwischen Oesterreich und Preußen ist ein Nationalunglück, und es ist patriotische Pflicht für die Erhaltung des Friedens zu wirken.“ Österreich und Preußen müssen sich friedlich verständigen, sie müssen auf den bundesverfassungsmäßigen Weg zu­ rückkehren.

München, 17. März 1866. Die Kriegsgefahr. I. Eine Zeit ernster Besorgnisse liegt wieder über Deutschland. Zum zweiten Male scheinen die abweichenden Meinungen, welche sich über die Frage der Elbherzogthümer zwischen ihren dermaligen Mitbesitzern gebildet haben, den Charakter eines feindseligen Gegensatzes annehmen zu wollen, und die öffentliche Aufmerksamkeit hat sich bereits lebhaft mit der Möglichkeit ihres gewaltsamen Austrages beschäftiget. In den letzten Tagen ist die Stimmung ruhiger geworden, und wenn auch die Bemerkung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“1, welche einen Krieg mit Oesterreich als „absurd“ bezeichnet, keine Garantie gegen das Eintreten dieser Eventualität bietet, so deuten doch andere übereinstimmende Anzeichen darauf hin, daß die Absicht einer militärischen Action, wenn sie überhaupt auf irgend einer Seite ernstlich bestehen sollte, vorerst noch nicht zur Ausführung kommt. Um so mehr scheint uns jetzt der Augenblick geeignet, um eine ruhige und unbefangene Betrachtung der Sachlage eintreten zu lassen; zumal eine Grundlage für die friedliche Verständigung der dissertirenden Theile zur Zeit noch nicht gefunden zu sein scheint. Wenn wir hiebei die rechtliche Seite der Sache voranstellen und uns zunächst damit beschäftigen, diese zu prüfen, sind wir uns zwar vollkommen 1 Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung erschien von 1861 bis 1945 (ab 1918 unter dem Namen Deutsche Allgemeine Zeitung) in Berlin. Sie war zeitweise ein Organ der preußischen Regierung und wurde von Bismarck als Medium zur Verbreitung seiner politischen Ansichten benutzt. Vgl. Fischer (Hrsg.), Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts, S. 269–282.

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bewußt, welch’ geringer Werth heutzutage der Rechtsfrage in politischen Dingen beigelegt zu werden pflegt. Wir sind aber der Meinung, daß diejenigen sich im Irrthume befinden, welche die Macht des Rechtes, weil sie in dem wechselvollen Gange der Ereignisse nicht immer rasch und augenfällig hervortritt, gering anschlagen. Gerade in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit und namentlich in dem wegen derselben geführten Kriege, welcher zu Gunsten des Londoner Protokolles eröffnet wurde und mit der Vernichtung desselben endigte, hat sich der mächtige Einfluß des Rechtes siegreich bethätigt. Vom rechtlichen Standpuncte betrachtet ist ein Krieg zwischen den Bundesgliedern Oesterreich und Preußen nicht möglich. Es folgt das schon aus dem Grundcharakter des deutschen Bundes als eines „zur Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands“ gegründeten völkerrechtlichen Vereines. Unter diesen Worten hat bekanntlich die alte reichsgesetzliche Forderung des „Landfriedens“ Aufnahme in die Bundesgrundgesetze gefunden. Dieser erste und hauptsächliche Zweck des Bundes wäre aber illusorisch, wenn man den Bundesgliedern das Recht zugestehen wollte, die Streitigkeiten, die sie unter einander haben, mit der Gewalt der Waffen zum Austrage zu bringen. Selbsthülfe unter Bundesgliedern wäre ein Attentat auf den Landfrieden, dessen Schutz und Aufrechthaltung der wichtigste Zweck des Bundes ist. Die Bundesverfassung enthält aber zudem hierüber ganz genaue, jeden Zweifel ausschließende Bestimmungen. Nach Art. 11 der Bundes-Acte sind die Bundesglieder verpflichtet, „einander unter keinerlei Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung anzubringen.“ Dieser Grundsatz ist ganz allgemein und ausnahmslos für alle Bundesglieder und für alle ihre Streitigkeiten gültig. Er gilt für Oesterreich und Preußen so gut, wie für den kleinsten deutschen Staat. Das im Art. 3 der Bundesacte aufgestellte Princip der Gleichheit der Rechte und Pflichten unter allen Bundesgliedern schließt die Möglichkeit aus, daß eine Bestimmung, die alle anderen Bundesglieder bindet, für Oesterreich und Preußen unverbindlich sein sollte. Auch diese beiden Mächte haben die Bundesverträge unterzeichnet und dadurch auf das Souveränetätsrecht der Kriegführung innerhalb des Bundes, so gut wie die übrigen Bundes-Staaten, für immer Verzicht geleistet; für immer, weil der Bund weder auf Zeit geschlossen, noch kündbar, sondern unauflöslich ist. Hieran ist durch die Bestimmungen der Wiener Schlußacte über die Möglichkeit eines Krieges, welcher von Bundesgliedern in ihrer Eigenschaft als europäische Mächte geführt werden könnte, nicht das Mindeste geändert. Nach Art. 46 jener Acte bleibt ein Krieg, den ein Bundesstaat, der zugleich außerhalb des Bundes Besitzungen hat, in seiner Eigenschaft als europäische Macht beginnt, dem Bunde fremd und nur im Falle einer Gefahr für das Bun-

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desgebiet kommt nach Art. 47 die Theilnahme des Bundes in Frage. Diese Bestimmungen beziehen sich, gemäß der Natur der Sache und nach der zweifellosen Intention der Unterzeichner der Wiener Schlußacte, auf den Krieg eines Bundesgliedes mit einem fremden, nicht zum Bunde gehörigen Staate, wie solche Kriege auch wirklich schon von Oesterreich und Preußen ohne Theilnahme des Bundes geführt worden sind. Auf Kriege oder Thätlichkeiten zwischen Bundesgliedern unter einander können jene Sätze schon deßwegen nicht angewendet werden, weil hierüber spezielle Bestimmungen in den Bundes­grundgesetzen gegeben sind, und zwar nicht blos in dem schon angeführten Art. 11 der Bundesacte, sondern auch in der Wiener Schlußacte selbst, deren Art. 19 anordnet, daß die Bundesversammlung, wenn zwischen Bundesgliedern Thätlichkeiten zu besorgen oder wirklich ausgeübt worden sind, Maßregeln ergreife, um jeder Selbsthülfe vorzubeugen. In der That wäre es aber auch ein undenkbarer Zustand, daß die Gesandten Oesterreichs und Preußens nebeneinander in der Bundesversammlung sitzen und die Truppen beider Mächte gemeinschaftlich und friedlich die Bundesfestungen besetzt halten sollten, während ihre Armeen sich auf dem Schlachtfelde bekämpfen. Hienach kann es nicht zweifelhaft sein, daß ein Krieg zwischen Oesterreich und Preußen rechtlich unmöglich ist und daß beide Staaten, wenn sie gleichwohl mit Umgehung des Bundes zum Krieg schreiten wollten, den Bund brechen würden. Und zwar wäre nicht nur der Angreifer bundbrüchig, sondern auch der Angegriffene, soferne er, statt der Bundesversammlung Anzeige zu erstatten und deren Intervention anzurufen, den Kampf aufnehmen und erwidern würde. Allerdings hat jedes Bundesglied, welches den dargestellten Grundgesetzen des Bundes zuwider von einem andern Bundesgliede angegriffen oder mit Gewalt bedroht wird, Anspruch auf den Schutz des Bundes, aber natürlich nur, soferne es selbst das Recht und die Autorität des Bundes anerkennt und achtet. Diese Grundsätze sind rechtlich unbestreitbar, auch auf eine allenfallsige kriegerische Verwicklung zwischen Oesterreich und Preußen vollkommen anwendbar; aber ebenso zweifellos ist es, daß sie gegen den Willen dieser beiden Mächte factisch nicht zur Geltung gebracht werden könnten. Für die übrigen Bundesglieder aber würde die rechtliche Folge eintreten, daß sie, außer Stande, die Autorität des Bundes gegenüber seinen zwei mächtigsten Gliedern mit Waffengewalt zur Anerkennung zu bringen, jedenfalls durch den von Letzteren begangenen Bruch der Bundesverfassung ihrer Bundespflicht gegenüber Oesterreich und Preußen vollkommen erledigt [sic] würden. Wir haben in dem Vorstehenden die rechtliche Seite der Frage vom Standpunkte der Bundesverfassung erörtert. So klar es hienach ist, daß ein Krieg

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zwischen Oesterreich und Preußen rechtlich nicht möglich ist, so einleuchtend ist es uns, daß das rechtlich Unmögliche gleichwohl factisch sehr möglich sein kann. Und deßhalb wollen wir in einem folgenden Artikel diejenigen politischen Folgen näher ins Auge fassen, die sich an einen Conflict der beiden deutschen Großmächte knüpfen müßten, wenn derselbe, im Widerspruch mit den klaren Forderungen der Bundespflicht, gleichwohl eintreten würde. München, 18. März 1866 Die Kriegsgefahr. II. Wir haben in unserem vorigen Artikel zu zeigen versucht, daß ein Krieg ­zwischen den Bundesgliedern Oesterreich und Preußen dem Rechte nach unmöglich ist. Wir haben nun zu untersuchen, welches die Folgen sein würden, wenn das rechtlich Unmögliche factisch gleichwohl eintreten, wenn Oesterreich und Preußen, der Bundespflicht uneingedenk, den Landfrieden in Deutschland brechen und den Kriegsfall unter sich herbeiführen würden. Eine unausbleibliche Folge tritt uns hier zunächst entgegen. Das Gefühl der nationalen Einheit und Zusammengehörigkeit, welches in den letzten Jahren sich zu heben schien und welches alle deutschen Stämme durchdringen und verbinden sollte, damit eine große Zukunft des Vaterlandes darauf gebaut werden könne, würde einen empfindlichen Stoß erleiden. Damit würde den Hoffnungen, die wir für eine endliche siegreiche Gestaltung eines großen ­einigen Deutschlands hegen, eine tiefe und schmerzliche Wunde geschlagen. Die inneren Gegensätze aber, welche das deutsche Volk trennen und der Einigung Deutschlands hindernd im Wege stehen, würden durch den Bruderkrieg eine reiche Nahrung erhalten, und das mühesame Werk der Ausgleichung und Versöhnung müßte von Neuem beginnen. Eine weitere, nicht weniger sichere und nicht weniger beklagenswerthe Folge wäre die Einmischung des Auslandes in die deutschen Angelegenheiten. Es ist gut, sich hierüber keiner Täuschung hinzugeben. Wir treten der Zurückhaltung und Besonnenheit der europäischen Mächte durchaus nicht zu nahe. Aber man muß sich die ungeheure Rückwirkung vergegenwärtigen, die ein Krieg in Deutschland, sein Verlauf und Ausgang auf die materiellen und politischen Interessen von ganz Europa haben müßte, um zu ermessen, wie es unmöglich ist, daß in einem solchen Falle die europäischen Mächte gleich­ giltig blieben. Eine solche Einmischung des Auslandes braucht nicht einmal sofort in gewaltsamer Intervention oder Theilnahme am Kriege zu bestehen. Sie könnte sich auch darauf beschränken, daß die auswärtigen Mächte dem Vernichtungskampfe der beiden deutschen Mächte ruhig zusehen, um am

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Schlusse desselben mit geschonten Kräften in den Friedensrath einzutreten und das entscheidende Wort zu sprechen. Der Krieg selbst könnte vielleicht auf Deutschland beschränkt bleiben, aber Europa würde den Frieden dictiren. Denn nur, wenn die deutsche Kraft zusammenhält, hält sie die auswärtigen Mächte in Achtung. Einem zerrissenen, in inneren Krieg verwickelten und darum ohnmächtigen Deutschland schreiben sie die Bedingungen seiner Existenz vor. Man wird wenig Fälle in der Geschichte finden, in welchen die Einmischung fremder Mächte förderlich für die Geschicke eines Landes gewesen wäre. Denn, wenn auch der gewöhnliche Lauf der Dinge eine gewisse Remedur dadurch eintreten läßt, daß die unberechtigte Einmischung sich zuletzt in der Regel an derjenigen Macht selbst rächt, welche sie vollzogen hat, so wird doch dasjenige Land, welches den Gegenstand der Einmischung des Auslandes bildet, der Natur der Sache nach von den ersten und härtesten Nachtheilen getroffen. Leider bietet unsere vaterländische Geschichte für die Richtigkeit dieses Satzes in der einen wie in der andern Richtung zahlreiche Beweise. Wir sind nicht glücklich gewesen in einer weit hinter uns liegenden glanzvolleren Periode, als die deutsche Macht weit über das Maß ihrer Interessen sich in die fremden Angelegenheiten mischte. Aber am Uebelsten sind wir gefahren, als die fremden Mächte ihrerseits anfingen, sich in unsere Verhältnisse zu mischen und die deutschen Angelegenheiten so recht als die Domäne für ihre kriegerischen und friedlichen Interventionen zu betrachten. Deutschland gedeiht nicht unter der Curatel Europas, und darum ist die Einmischung des Auslandes in unsere eigenen Angelegenheiten eine Gefahr, die man mit vereinter Kraft bekämpfen, nicht aber muthwillig herbeirufen oder veranlassen sollte. Der Ausgang eines kriegerischen Zusammenstoßes zwischen Oesterreich und Preußen entzieht sich jeder Berechnung. Aber soviel ist zweifellos, daß die von uns erörterten Folgen, die Zerreißung des Nationalgefühls, die Einmischung des Auslandes und die daraus folgende Beschädigung unserer gesammten Interessen, eintreten werden, es mag Oesterreich oder Preußen als Sieger aus dem Kampfe hervorgehen. Für den Eintritt jener Folgen ist es auch gleichgiltig, in welcher Weise die deutschen Mittel- und Kleinstaaten ihre Stellung nehmen werden. Wir sind weit entfernt, den Regierungen derselben und namentlich der bayerischen in Bezug auf diejenigen Maßnahmen vorgreifen zu wollen, welche dieselben allenfalls für zutreffend erachten möchten, wenn der Fall einer kriegerischen Verwicklung zwischen Oesterreich und Preußen wirklich eintreten sollte. Aber Eines ist jedenfalls gewiß. Sie mögen sich sofort an dem Kampfe be­ theiligen in Folge ihrer Bundespflichten oder freiwillig, oder sie mögen versu­ chen neutral zu bleiben, die Wunde, die ein innerer Krieg in Deutschland der

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nationalen Sache schlagen muß, vermögen sie nicht zu heilen, die Einmischung des Auslandes können sie nicht abwenden und die Beschädigung der deutschen Interessen, mit welcher eine solche Einmischung endigt, können sie nicht verhindern. Noch Eines kommt zu allem diesem. Welches auch der Ausgang des Krieges sein möge, das Recht, um dessenwillen er scheinbar geführt würde, das Recht Schleswig-Holsteins, es würde verloren gehen. Wir stehen nicht an zu behaupten, daß mit dem ersten Kanonenschuß, der in einem solchen Kampfe gelöst wird, die Aussichten für den endlichen Sieg des Rechts in den Herzog­ thümern nahezu verschwinden. Siegt Preußen, so ist ihr Schicksal ohnedem entschieden. Unterliegt es, so ist es viel wahrscheinlicher, daß die Herzogthümer beim Friedensschlusse ein Compensationsobject bilden, als daß die Constituirung eines freien und selbstständigen Schleswig-Holstein unter seinem legitimen Herzog erreicht werde. Fassen wir das Gesagte zusammen. Ein Krieg zwischen Preußen und ­Oesterreich zerreißt das Bewußtsein der nationalen Zusammengehörigkeit im deutschen Volke. Er ruft die friedliche oder kriegerische Einmischung der auswärtigen Mächte hervor, wobei die deutschen Interessen unter allen Umständen beschädigt werden. Und das Recht Schleswig-Holsteins wird gerade durch diesen Krieg noch in höherm Grade gefährdet. Wenn diese Betrachtungen richtig sind, so ergibt sich der Schluß, der daraus gezogen werden muß, von selbst. Ein Krieg zwischen Oesterreich und Preußen ist ein Nationalunglück, und es ist patriotische Pflicht für die Erhaltung des Friedens zu wirken. Welche Mittel und Wege sich hiefür darbieten, wollen wir in einem folgenden Artikel besprechen. München, 19. März 1866 Die Kriegsgefahr. III. Ein Krieg zwischen Oesterreich und Preußen ist für Deutschland ein nationales Unglück im eminentesten Sinne. Er zerreißt das Band, das es umschlingt, veranlaßt die Einmischung des Auslandes in die deutschen Angelegenheiten und endigt, welches auch sein Verlauf und Ausgang sein möge, mit der sicheren Beschädigung unserer gesammten Interessen. In der Hand beider Großmächte liegt es, diese Calamität von uns abzuwenden, und Deutschland ist zu erwarten berechtigt, daß dies geschehe. Wenn nicht die Bundespflicht, wenn nicht die Aussicht auf die beklagenswerthen Folgen eines Conflictes sie bestimmen kann, Friede zu halten, so muß es die Rücksicht auf ihr eigenstes Interesse thun. Auch bei der genauesten Prüfung sind wir außer Stande, diejenigen wirklichen Interessen zu erkennen, welche

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Artikelserie in der Bayerischen Zeitung

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in Oesterreich oder Preußen für eine Kriegsführung sprechen sollten. Parteiinteressen können hier nicht in Betracht kommen, denn über den Kriegsfall müssen die Landesinteressen entscheiden. Diese sind aber in beiden Ländern durch den Krieg der schwersten und empfindlichsten Benachtheiligung preisgegeben. Wenn beide Gegner sich im Kampfe geschwächt haben und derjenige von ihnen, der gesiegt zu haben glaubt, sich der Hoffnung hingibt, nun komme die Zeit der Schadloshaltung und Genugthuung, dann wird das Ausland eintreten und den Kampfpreis für sich in Anspruch nehmen. Oesterreich und Preußen müssen sich vertragen. Es ist genug, daß die Differenzen, welche aus der Herzogthümerfrage hervorgegangen sind, bereits der Allianz beider Mächte ein gründliches und offenkundiges Ende gemacht haben; bis zum Kriege dürfen sie sich nicht steigern. Mögen beide Regierungen zunächst den Versuch machen, im Wege der Verhandlung eine Verständigung zu finden. In gleich bedrohlicher Lage, zur Zeit der Gasteiner Conven­tion, ist ja dieser Versuch noch in der letzten Stunde, wenn auch nur in un­genügender Weise, gelungen. Sie werden dabei um so sicherer zum Ziele kommen und das Ergebniß wird eine um so größere Bürgschaft der Dauer und Nachhaltigkeit bieten, wenn sie das Recht zum Ausgangspunkte der Verhandlung machen. Wohin es führt, wenn man diese sichere Grundlage verläßt und aus vermeintlichen Zweckmäßigkeitsgründen andere Wege einschlägt, die sich vom Rechte entfernen, ohne deßwegen dem gewünschten Erfolge sich zu nähern, haben sie aus dem bisherigen Verlaufe der Sache zur Genüge ersehen können. Jeder Conflict wäre ferngehalten worden, wenn man auf beiden Seiten am klaren Recht des Bundes und der Herzogthümer hätte festhalten wollen. Gelingt es aber gleichwohl nicht, eine friedliche Verständigung der beiden Großmächte zu erzielen, dann mögen sie den bundesverfassungsmäßigen Weg betreten. Nach Art. 11 der Bundesacte haben die Bundesglieder ihre Streitigkeiten bei der Bundesversammlung anzubringen, welche sodann die Vermittlung zu versuchen oder, falls dieser Versuch fehlschlagen sollte, die Entscheidung durch eine Austrägalinstanz zu bewirken hat, deren Ausspruch die streitenden Theile sich zu unterwerfen haben. Dieser Weg ist in der vorliegenden Frage um so mehr begründet, da die Differenz das Herzogthum Holstein, ein Bundesland, betrifft, da ferner die Gasteiner Convention, deren Ausführung in Frage steht, von beiden Contrahenten unter dem Vorbehalte weiterer Eröffnungen der Bundesversammlung seinerzeit mitgetheilt worden ist. Wenn wir hier der Rückkehr Oesterreichs und Preußens auf den Bundesweg und damit der Erhaltung des Bundes das Wort reden, so täuschen wir uns nicht darüber, daß diese Organisation in Deutschland selbst die Sympathien des ­Volkes verloren hat. Es ist uns auch wohl in Erinnerung, daß gerade in der Herzogthümerfrage die wohlmeinenden Schritte der am Rechte festhaltenden Regierungen, welche auf dem bundesmäßigen Wege eine Lösung versuchten,

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nicht zum Ziele geführt haben. Auf der andern Seite aber, so scheint uns, sollte man doch auch gerade in dem jetzigen Augenblicke, wo ein Conflict unter Bundesgliedern und damit die unheilvolle Einmischung des Auslandes in die deutschen Angelegenheiten möglich scheint, sich daran erinnern, daß der viel geschmähte Bund es war, der einen in der ganzen deutschen Geschichte unbekannten Segen begründet hat, – fünfzig Jahre ohne inneren Krieg und ohne das Betreten deutschen Bodens durch fremde Kriegsschaaren. Schon darum sollte man sich bedenken, ehe man eine Institution über Bord wirft, deren Reformbedürftigkeit uns wahrlich nicht zweifelhaft ist, für welche wir aber im Augenblicke keinen erreichbaren Ersatz wissen, als die Auflösung der Nation. Es tritt überdies die Erwägung hinzu, daß gerade die Erörterung der Herzogthümerfrage am Bunde zugleich der Ausgangspunct für die Bundesreform werden könnte, welche gelingen wird, wenn sie von den beiden ersten Bundesmächten gemeinschaftlich in Angriff genommen wird. Mögen nun Oesterreich und Preußen ihre Entschließungen fassen. Beide Mächte sind für Deutschland unentbehrlich, ein Theil seines Lebens und die Grundlage seiner Macht. Auf vielen Schlachtfeldern haben Beide für Deutschlands Ruhm und Größe gefochten und sich den Dank aller Stämme des gemeinsamen Vaterlandes reichlich verdient. Wenn sie aber das Schwert zum Bruderkriege ziehen, das Band zerreißen, welches das Vaterland bindet und die auswärtigen Mächte auf den deutschen Boden rufen, dann heben sie wieder auf, was sie für die Nation gethan haben, und das Verderben wird seinen unaufhaltsamen Gang gehen, der über Besiegte und Sieger gleichmäßig hinwegschreiten wird. Die übrigen deutschen Staaten werden in dieses Verderben unvermeidlich mit hineingezogen werden. Mögen sie daher Zeugniß geben für das Recht, so lange noch Hoffnung des Friedens besteht, und mannhaft für das Recht und die Ehre einstehen, wenn die Leidenschaften die Ueberhand gewinnen. In diesem Bewußtsein werden sie ruhigen Gewissens allen Gefahren entgegengehen, ihren Bevölkerungen die unvermeidlichen Opfer ansinnen, den Ausgang aber der höhern Macht anheimstellen können, welche die Geschicke der Völker lenkt.2 2 Nach einem Bericht des hannoverschen Geschäftsträgers in München, Ludwig Friedrich Christian Karl Freiherr von Ompteda (1828–1899), an den König waren die Artikel „von Freiherrn von der Pfordten, wenn nicht selbst geschrieben, doch jedenfalls inspirirt“; Ompteda an König Georg V., München, 23. März 1866, NLA Hannover, Dep. 103, Best. VIII, Nr. 294. Der österreichische Gesandte in München berichtete am 19. März 1866 nach Wien, die Artikel seien „auf Veranlassung des Freiherrn von der Pfordten“ erschienen; HHStA Wien, PA IV 35. Gesandtschaft München. Berichte 1866 I–VIII. – Zu Ompteda siehe: Hessische Biografie, URL: http://www.lagis-hessen.de/pnd/117123978.

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180. Montgelas an Pfordten

HStA München, MA 496. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 21. März 1866.

Bismarck ist der Ansicht, daß die Bundesreform von Fürsten und Völkern gemeinsam angegangen werden muß, um zu einem Erfolg zu gelangen. Er schlägt dazu die Ein­ berufung eines „auf breitester Basis“ direkt gewählten konservativen Parlaments vor. Er habe früher beabsichtigt, einen solchen Reformvorschlag zusammen mit Österreich an den Bund zu bringen, solange er an die Aufrichtigkeit der Allianz mit dem Kaiser­ staat geglaubt habe. Aber diese Zeit sei für immer vorbei. Er habe Beweise dafür, daß Österreich ein Bündnis mit Frankreich anstrebe, um dann Preußen anzugreifen. Preu­ ßen muß sich dagegen sicherstellen. Preußen erstrebt noch immer einen engeren An­ schluß an das übrige Deutschland und will dazu einen letzten Versuch unternehmen. Sollte dieser fehlschlagen, so werde Preußen sich ohne Zeitverlust nach Allianzen mit dem Ausland umtun müssen. Bismarck glaubt, es sei der sicherste und rascheste Weg, um zu einer Bundesreform zu gelangen, wenn er streng vertraulich mit Pfordten die dazu gehörigen Fragen behandele. Wenn Preußen und Bayern sich über die wesent­ lichen Punkte einer Bundesreform verständigt haben, soll dieser Plan der österreichi­ schen Regierung vorgelegt werden und danach, entweder mit oder ohne die Zustim­ mung Österreichs, als Antrag an den Bund gebracht werden. Bismarck versichert, daß Preußen nicht daran denke, Österreich anzugreifen. Doch werde es, wenn Öster­ reich eine Armee in Böhmen aufstelle, seinerseits Truppen in Schlesien konzentrieren, und dann sei der Ausbruch eines Krieges kaum noch zu verhindern.

Streng vertraulich. No 92.

Berlin, 19. März 1866

Hochgeborener Freiherr, Hochzuverehrender Herr Staatsminister! Einer Einladung des Minister-Präsidenten zufolge, verfügte ich mich Gestern Nachmittag’s zu ihm, und er machte mir die nachstehende Eröffnung. Daß die Reform des Bundes nothwendig sey, habe bekanntlich Jedermann, – die deutschen Fürsten sowohl als die von denselben regierten Völker, – wiederholt anerkannt. Den schlagendsten Beweis dieser Nothwendigkeit habe zweifelsohne die deutsch-dänische Streitfrage geliefert. Die bisherigen Bestrebungen, den Bund – insbesondere dem Auslande gegenüber[,] wo er es am Nöthigsten habe, – auf einen geachteten Standpunct zu bringen, seyen vornehmlich an der Einseitigkeit der deßfalls angestellten Versuche gescheitert; im Jahre 48, weil die Nationalversammlung einen idealen Einheitsstaat schaffen wollte, und vor dritthalb Jahren, weil die in Frankfurt zu diesem Behufe versammelten Fürsten allein dieses so äusserst schwierige aber, seinem Dafürhalten nach, nicht unmögliche Problem hätten lösen wollen. Er sey der Ansicht[,] daß Fürsten und Völker gleichzeitig in Frankfurt a/M an das Werk gehen sollten; jene durch Bevollmächtigte, diese durch ein con­ servatives Parlament dortselbst vertreten.

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In das letztere dürften nur solche Abgeordnete gewählt werden[,] welche durch ihr Vermögen ganz unabhängig, sowohl von den Regierungen als nicht minder von ihren Wählern, gestellt seyen. Vor Allem dürften sie keine Diäten beziehen! Die Bestimmung dagegen, wer zum Wähler befähigt sey, könne auf breitester Basis getroffen werden, und die Wahlen sollten directe seyn. Alle deutschen Kammern seyen mehr oder weniger von einem gleichzeitig engherzigen Krämergeiste und andrerseits von demokratischer Richtung beseelt. Die schlechteste Kammer, – das müsse er bekunden, – sey die Preussische. Er habe, – fuhr der Minister fort, – früher im Sinne gehabt, im Vereine mit Oesterreich, eine auf vorstehende Bemerkungen begründete Proposition der Reform an den Bund zu bringen, solange er nehmlich an die Aufrichtigkeit der Allianz mit dem Kaiserstaate geglaubt habe und habe glauben können. Diese Zeit sey auf immer vorbey! Seit Jahr und Tag – schon lange vor Gastein1 und seitdem ununterbrochen – hege das Wiener Cabinet entschieden feindselige Absichten gegen Preussen. Er habe die sichersten Beweise dafür[,] daß jenes Cabinet, seit vorigem Sommer, unablässig und immer wieder von Neuem, ein Bündniß mit Frankreich anstrebe[,] um Preussen alsdann anzugreifen! Daß diese Allianz bis jetzt nicht zu Stande gekommen sey, liege lediglich an der Unlust Frankreich’s dieselbe einzugehen. Allein, die Umtriebe des Fürsten Metternich2 in Paris dauerten fort. Man sage zwar, derselbe mache mehr Politik auf eigene Faust. Doch lasse sich dieses von einem Botschafter auf die Länge nicht annehmen. Vielmehr sey es klar[,] daß die Kaiserliche Regierung sein Verhalten gutheiße, indem sie ihn auf seinem dortigen Posten belasse. Wenn auch, wie oben bemerkt, Frankreich für jetzt keine Sympathien zu einem solchen Bündnisse habe, so müsse Preussen doch an die Zukunft denken. Die Ideen des Kaisers der Franzosen könnten mit der Zeit sich ändern und Preussen müsse sich für die Zukunft sicher stellen! Preussen erstrebe noch immer vor Allem und wenn immer thunlich und aufrichtigst einen engeren Anschluß an das übrige Deutschland. 1 Bismarck bezieht sich auf die Konvention von Gastein vom 14. August 1865, mit der die Spannungen zwischen Österreich und Preußen wegen der Verwaltung von Schleswig und Holstein vorübergehend beigelegt worden waren. Siehe oben Dok. 156. 2 Richard Klemens Fürst Winneburg-Metternich (1829–1895), Sohn des ehemaligen Staatskanzlers Klemens Wenzel Lothar Fürst Metternich-Winneburg (1773–1859), 1850 österreichischer Gesandtschaftsattaché in Paris, 1856–1859 Gesandter in Dresden, 1859–1871 österreichischer Botschafter in Paris; ÖBL, Bd. 6, S. 250.

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Sollte freilich dieser letzte Versuch fehlschlagen, dann werde Preussen zu seiner Sicherstellung nach Allianzen mit dem Auslande, und zwar ohne längeren Zeitverlust, sich umthun müssen!! Die Mittelstaaten nun bedürften in mehrfacher Beziehung, insbesondere hinsichtlich ihrer Wehrfähigkeit, großer Verbesserungen. Dieselbe sey nicht mehr auf der Höhe der Zeit und könne keinen Vergleich aushalten mit den Fortschritten welche, bezüglich der raschen Ausrüstung und Schlagfertigkeit, nicht nur Preussen selber[,] sondern auch alle angrenzenden großen Nationen, innerhalb des letzten Decennium’s, gemacht hätten. Er, der Minister, glaube bei den gegenwärtig obwaltenden Verhältnissen am sichersten und raschesten zu dem vorbemerkten Ziele einer zweckentsprechenden Bundesreform zu gelangen, wenn er vorläufig mit Euerer Excellenz streng vertraulich und ausschließlich die hier einschlagenden Fragen behandele, und er ersuche mich demnach Hochdenselben diese seine Eröffnung zu berichten. Ich machte den Grafen Bismark auf die, meines Wissen’s, intimen Beziehungen aufmerksam[,] in welcher Hochdieselben zu dem Königlich Sächsischen Premier ständen, und sprach meine vorderhand jedoch rein persönliche Vermuthung aus[,] daß Euere Excellenz Sich viel lieber auf diese Verhandlungen einlassen würden, wenn Ihnen ermöglicht sey, den Freiherrn von Beust wenigstens einiger Maaßen au courant derselben zu halten. Der Minister entgegnete, er lasse Euere Excellenz ersuchen, seine Eröffnungen vorderhand jedenfalls als strengvertrauliche behandeln zu wollen und, sollte meine Vermuthung zutreffen, ihn vor jeder Mittheilung (davon)3 an irgend Jemanden Anderes, davon zu präveniren, da er sich für diesen Fall seine weiteren Entschließungen vorbehalten müsse. Nur soviel glaube er mir schon jetzt wiederholen zu sollen[,] daß er seine Hoffnung des Gelingen’s seines Planes wesentlich auf ein Zusammengehen mit Uns stütze. Seyen Preussen und Bayern über alle wesentlichen Puncte der Bundesreform einverstanden, dann werde es am Besten seyn, dem Wiener Cabinette das Ergebniß zur Zustimmung vorzulegen, und wenn die letztere zu erhalten sey, im Vereine mit Oesterreich, widrigen Falles aber auch ohne dieses, einen entsprechenden Antrag an den Bund zu bringen. Indem ich der Rückäusserung Eurer Excellenz auf die vorberichteten Eröffnungen mit dem lebhaftesten Interesse entgegensehe, habe ich schließlich noch Folgendes zu erwähnen. Der Preussische Premier hatte, im Laufe seiner gegen das Wiener Cabinet vorgebrachten Beschwerden, auch der Rüstungen gedacht[,] die, im gegen3 Nachträglich in Klammern gesetzt.

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wärtigen Augenblicke, nicht nur Oesterreich[,] sondern auch Sachsen machten, und beide, insbesondere aber die letzteren, als ganz unmotivirte bezeichnet! Ich bemerkte entgegen[,] daß die Rüstungen Sachsen’s wohl auf die Aeusserungen zurückzuführen seyen[,] welche der Minister sowohl als der sonst immer so vorsichtige Unterstaatssecretär4, dem Grafen Hohenthal5 gegenüber, über die nahe Gefahr des Ausbruchs von Feindseligkeiten zwischen den beiden Großmächten, jüngst gemacht hätten. Graf Bismark erwiderte mir, mein Sächsischer College müsse ihn und Herrn von Thile mißverstanden haben. Sie hätten beide nur sagen können oder wenigstens nur sagen wollen[,] daß Oesterreich feindselige Absichten gegen Preussen im Schilde führe, und ­hieraus ernste Gefahr für den Frieden Europa’s erwachse. „Wir, fügte er erläuternd mir gegenüber hinzu, denken nicht daran Oesterreich anzugreifen, weder in den Herzogthümern noch sonstwo! Doch ist es selbstverständlich[,] daß wenn, wie Man mir berichtet, Oesterreich mit dem Plane umgeht eine Armee in Böhmen aufzustellen, Wir nicht werden umhin können ein Gleiches in Schlesien zu thun und daß alsdann der Ausbruch des Krieges kaum mehr zu vermeiden seyn wird.“ Genehmigen Hochdieselben die erneuerte Versicherung ausgezeichnetster Hochachtung[,] worin ich zu verharren die Ehre habe als Eurer Excellenz ganz gehorsamster Gf Montgelas   Berlin, 24. März 1866 

181. Zirkulardepesche Bismarcks an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 190. Erlaß. Abschrift (Metallographie). Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 416–419 (Reinkonzept); Staatsarchiv, Bd. 10, S. 348–352; Teildruck: Bismarck, Werke in Auswahl, Bd. 3, S. 668–670; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 221 f.

Wegen der Politik Österreichs in Holstein sind die intimen Beziehungen zwischen Preußen und Österreich beendet. Preußen sieht mit Erstaunen, daß Österreich Vorbe­ reitungen zu einem großen Krieg trifft. Angesichts der drohenden Haltung Öster­ reichs muß Preußen jetzt auch Gegenmaßnahmen ergreifen. Darüber hinaus muß Preußen für die Zukunft Garantien für seine Sicherheit suchen. Es wird versuchen, diese zuerst auf dem „Boden der deutschen Nationalität“ zu finden. Dazu ist aber der 4 Carl Hermann von Thile. 5 Karl Adolf Graf von Hohenthal-Knauthain (1811–1875), 1852–1866 sächsischer Gesandter in Berlin; NDB, Bd. 9, S. 494.

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Zirkulardepesche Bismarcks

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Deutsche Bund in seiner jetzigen Gestalt nicht ausreichend. Die Bundeseinrichtungen können einen ernsthaften Antagonismus der beiden deutschen Großmächte nicht er­ tragen, einen drohenden Bruch nicht verhüten. Selbst dann, wenn die beiden Mächte einig waren, reichten die Bundesinstitutionen nicht aus, um Deutschland an einer ­aktiven, nationalen und erfolgreichen Politik teilnehmen zu lassen. Preußen sieht sich in die Notwendigkeit gedrängt, eine den realen Verhältnissen Rechnung tragende ­Reform des Bundes in Anregung zu bringen. Schon durch die geographische Lage wird das Interesse Preußens und Deutschlands identisch. Es ist zu befürchten, daß der Deutsche Bund in seiner jetzigen Gestalt den großen europäischen Krisen nicht gewachsen sein wird und Deutschland das Schicksal Polens erleidet.

Berlin, 24. März 1866 Als im August v. Js. die Gasteiner Uebereinkunft geschlossen worden war, durften wir hoffen, eine Basis gewonnen zu haben, auf welcher die Lösung der Schleswig-Holsteinschen Frage ohne Nachtheil für das freundschaftliche Einvernehmen beider Mächte abgewartet werden könne. Aber schon bis zum Januar d. Js. waren durch das Verhalten Oesterreichs in Holstein die Dinge soweit gediehen, daß wir uns in Depeschen an den Königlichen Gesandten, welche das Datum des 20sten und 26sten Januar1 trugen mit ernsten Beschwerden an die Kaiserlich Oesterreichische Regierung wenden mußten. Wir hatten uns darüber zu beklagen, daß Oesterreich fortfuhr sich in directem [sic] Widerspruch zu setzen mit den Basen, auf welchen der Wiener Frieden und demnächst die Gasteiner Convention beruhten. Denn während Oesterreich in diesem Frieden die Abtretung der Herzog­ thümer vom König Christian IX., welcher auf Grund der im Jahre 1853 eingeführten und von Oesterreich anerkannten Thronfolge im Besitz derselben war, mit uns gemeinschaftlich angenommen hatte, war jetzt die Thätigkeit der Oesterreichischen Verwaltung in Holstein darauf gerichtet, dieses dem Könige, unserm Allergnädigsten Herrn, in Gemeinschaft mit Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich gehörige Land ohne Preußens Einwilligung dem Prinzen von Augustenburg thatsächlich zu überantworten, welcher kein Recht auf dasselbe hat, und dessen Ansprüche früher von Oesterreich selbst entschieden bestritten worden waren. Wir trugen diese Beschwerden der Kaiserlichen Regierung in einer eben so freundschaftlichen als klaren Sprache vor, und baten sie im Interesse unserer intimen Beziehungen um Abstellung derselben und um ungefährdete Erhaltung des in Wien und Gastein stipulirten status quo. Wir fügten hinzu, daß, wenn unsere Bitte erfolglos bleibe, wir darin mit ­Bedauern ein Symptom der Gesinnung Oesterreichs gegen uns sehen müßten, welches uns das Vertrauen auf die Zuverlässigkeit unserer Allianz nehmen 1 Bismarck an Werther, 20. und 26. Januar 1866, Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 360–363; Bismarck, Werke in Auswahl, Bd. 3, S. 623–631.

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würde. In diesem unerwünschten Falle würden wir die Phase der seit zwei Jahren bestandenen intimen Beziehungen als abgeschlossen betrachten und gegen die ferneren Wirkungen des aus diesen und anderen Symptomen sich ergebenden Uebelwollens des Oesterreichischen Cabinets gegen Preußen anderweite Sicherheiten zu gewinnen suchen. Auf diese, von den versöhnlichsten Gesinnungen eingegebene2, und in der Form freundschaftliche Mittheilung erhielten wir von Wien – in einer De­ pesche vom 7. Februar3 – eine ablehnende Antwort. Wir haben es nicht für angemessen gehalten, nach derselben die Cor­res­ pondenz fortzusetzen. Ueber die Bedeutung aber, die wir der Antwort Oester­ reichs beilegten habe ich mich dem Grafen Karolyi gegenüber auf sein Befragen bei der ersten Unterredung nach Empfang der Depesche vom 7ten Februar dahin ausgesprochen, daß unsere Beziehungen zu Oesterreich nunmehr anstatt des intimen Characters, den sie während der letzten Jahre angenommen, auf denselben Standpunkt zurückgeführt worden seien, auf dem sie vor dem Dänischen Kriege gewesen – nicht besser, aber auch nicht schlimmer als zu jeder fremden Macht. Vom Kriege ist dabei kein Wort gefallen; und jede ­Drohung mit Krieg lag uns damals ebenso fern wie jetzt. Seit dieser Zeit, seit der Mittheilung der Depesche vom 7. Februar, haben beide Mächte gegen einander geschwiegen. Von unserer Seite ist nichts geschehen, um die Situation zu verändern; und dennoch sehen wir mit Erstaunen Oesterreich plötzlich zu einem großen Kriege Vorbereitungen treffen, und uns gleichzeitig den Vorwurf machen, als ob wir es seien, die den Frieden zu stören beabsichtigten. Zahlreiche Mannschaften nebst Artillerie und anderem Kriegsmaterial werden aus den östlichen und südlichen Provinzen Oesterreichs nach Norden und Westen gegen unsere Grenze dirigirt; die Regimenter in Kriegsbereitschaft gesetzt, und bald wird eine starke Heeresmacht an unserer vollkommen von allen Gegenmaßregeln entblößten Grenze stehen. In der Anlage finden Euere *** nähere Angaben über diese Maßregeln. Was bezweckt Oesterreich mit diesen Rüstungen? Will es uns mit Gewalt zwingen, sein intimer Bundesgenosse zu bleiben, oder unser Schweigen durch entgegenkommende Eröffnungen zu brechen? In beiden Beziehungen werden wir unsere Freiheit zu wahren berechtigt sein, und wir können in der drohenden Haltung welche Oesterreich plötzlich gegen uns annimmt, nur einen neuen und überzeugenden Beweis einer Gesinnung gegen uns erblicken, welche nur auf einen günstigen Augenblick wartet, um ihren Ausdruck in 2 Emendiert. Vorlage: eingegebenen. 3 Mensdorff an Károlyi, Wien, 7. Februar 1866, Druck in: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/1, S. 181 f.; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 218–220.

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Thaten zu finden. Bislang haben wir auch nicht den entferntesten Anfang zu Gegenrüstungen gemacht, keinen Mann eingezogen, keine Truppen dislocirt, keine Vorbereitungen getroffen. Aber wir werden, Angesichts der oesterreichischen Aufstellungen, nun auch unsererseits nicht länger zögern dürfen, damit die Situation von 1850 sich nicht wiederhole, wo eine schlagfertige oesterreichische Armee drohend an unserer Grenze stand, bevor wir gerüstet waren. Die Behauptung, daß Oesterreichs jetzige Rüstung nur der Defensive gelte, kann uns über ihren drohenden Charakter nicht beruhigen, da von uns keine einzige Maßregel ergriffen worden war, welche Oesterreich hätte veranlassen können, an seine Vertheidigung zu denken. Wir befürchten, daß die Sprache Oesterreichs sich ändern würde, so bald ein entscheidender Vorsprung in den Rüstungen ihm eine Ueberlegenheit gäbe. Wenn wir daher nunmehr auch Rüstungen anordnen müssen, so werden wir mit mehr Recht als Oestreich behaupten können, daß sie einen rein defensiven Charakter tragen, und nur durch Oesterreichs unerklärte Rüstungen hervorgerufen sind. Wenn durch dieses Gegenüberstehen von Kriegsheeren die Situation gespannter und die Gefahr eines Conflikts größer wird, so werden nicht wir es sein, welche deshalb ein Vorwurf treffen kann. Denn wir können nicht zugeben, daß Schlesien von Krakau bis zur Sächsischen Grenze mit kriegsbereiten Truppen umstellt werde, ohne daß wir Maßregeln zum Schutze des Landes treffen. Ew. *** habe ich in dem gegenwärtigen Augenblick nicht unterlassen dürfen diese Erläuterungen zu geben, und ich ersuche Sie ergebenst, Sich in demselben Sinne gegen die Regierung, bei welcher Sie beglaubigt zu sein die Ehre haben, auszusprechen, damit die Vorbereitungen, zu denen nun auch wir zu schreiten genöthigt worden, in richtigem Lichte aufgefaßt werden. Aber Maßregeln zu unserer augenblicklichen Sicherung sind nicht das Einzige, was die Situation von uns gebieterisch fordert. Die Erfahrung, welche wir wiederum über die Zuverlässigkeit eines oesterreichischen Bündnisses und über die wahren Gesinnungen des Wiener Cabinets gegen uns gemacht haben, nöthigen uns, auch die Zukunft in’s Auge zu fassen, und uns nach ­Garantieen umzusehen, die wir in dem Bunde mit der andern deutschen G ­ roßmacht nicht nur vergebens gesucht haben, sondern sogar durch dieselbe bedroht sehen. Preußen ist durch seine Stellung, seinen deutschen Charakter und durch die deutsche Gesinnung seiner Fürsten vor Allem zunächst darauf angewiesen, diese Garantien in Deutschland selbst zu suchen. Auf dem Boden der deutschen Nationalität und in einer Kräftigung der Bande, welche uns mit den übrigen deutschen Staaten verbinden, dürfen wir hoffen und werden wir immer zuerst versuchen, die Sicherheit der nationalen Unabhängigkeit zu finden. Aber so oft wir diesen Gedanken in’s Auge fassen, drängt sich auch von neuem die Erkenntniß auf, daß der Bund in seiner gegenwärtigen Gestalt für jenen Zweck und für die active Politik, welche große Crisen jeden Augen-

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blick fordern können, nicht ausreichend ist. Seine Einrichtungen waren darauf berechnet, daß die beiden deutschen Großmächte stets einig seien; sie haben bestehen können, so lange dieser Zustand durch eine fortgesetzte Nachgiebigkeit Preußens gegen Oesterreich, erhalten wurde, einen ernsthaften Antagonismus der beiden Mächte können sie nicht ertragen, einen drohenden Bruch und Conflict nicht verhüten oder überwinden. Ja, wir haben die Erfahrung machen müssen, daß selbst da, wo die beiden Mächte einig waren, die Bundes-Institutionen nicht ausreichten, um Deutschland an einer activen, ­nationalen und erfolgreichen Politik Theil nehmen zu lassen. Daß auch das Bundes-Militairwesen nicht in einer, der Sicherheit Deutschlands genügenden Weise geordnet ist, haben wir wiederholt gegen unsere Genossen im Bunde ausgesprochen u. uns vergeblich bemüht, es innerhalb der alten Bundesverhältnisse auf neuen, angemesseneren Grundlagen zu verbessern. Wir ver­ mögen in der jetzigen Lage der Dinge uns das Vertrauen auf eine wirksame Hülfe des Bundes, im Falle wir angegriffen würden, nicht zu bewahren. Bei jedem Angriffe, sei es von Oesterreich, sei es von andern Mächten werden wir immer zunächst auf unsere eigenen Kräfte angewiesen sein, wenn nicht ein besonders guter Wille einzelner Deutscher Regierungen zu unserer Unterstützung Mittel in Bewegung setzte, welche auf dem gewöhnlichen bundesmäßigen Wege viel zu spät flüssig werden würden, um noch von Werth für uns zu sein. Wir sind gegenwärtig gegenüber den drohenden Rüstungen ­Oesterreichs in der Lage, an unsere Genossen im Bunde die Frage zu richten, ob und in welchem Maße wir auf diesen guten Willen zählen dürfen? Aber4 auch der vielleicht bei einigen unserer Bundesgenossen augenblicklich vorhandene gute Wille giebt uns für kommende Gefahren keine Beruhigung, weil bei der gegenwärtigen Lage des Bundes und dem Stande der BundesMilitair-Verhältnisse die rechtliche oder thatsächliche Möglichkeit, ihn zu bethätigen, vielfach mangeln wird. Diese Erwägung und die abnorme Lage, in welche Preußen durch die feindselige Haltung der andern im Bunde befindlichen Großmacht gebracht ist, drängt uns die Nothwendigkeit auf, eine den realen Verhältnissen Rechnung tragende Reform des Bundes in Anregung zu bringen. Das Bedürfniß derselben wird sich für uns um so dringlicher fühlbar machen, je weniger wir auf die eben gestellte Frage hinsichtlich des Beistandes den wir zu gewärtigen haben, eine befriedigende Auskunft erlangen; abweisen aber können wir es in keinem Falle, und wir glauben in der That, daß wir dabei nicht nur in unserem eigenen Interesse handeln. Schon durch die geographische Lage wird das Interesse Preußens und Deutschlands identisch – dies gilt zu unsern, wie zu Deutschlands Gunsten. Wenn wir Deutschlands nicht sicher sind, ist 4 Emendiert. Vorlage: aber.

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unsere Stellung, gerade wegen unserer geographischen Lage, gefährdeter als die der meisten andern Europäischen Staaten; das Schicksal Preußens aber wird das Schicksal Deutschlands nach sich ziehen, und wir zweifeln nicht, daß, wenn Preußens Kraft einmal gebrochen wäre, Deutschland an der Politik der Europäischen Nationen nur noch passiv betheiligt bleiben würde. Dies zu verhüten, sollten alle Deutschen Regierungen als eine heilige Pflicht ansehen, und dazu mit Preußen zusammenwirken. Wenn der Deutsche Bund in seiner jetzigen Gestalt und mit seinen jetzigen politischen und militairischen Einrichtungen den großen Europäischen Crisen, die aus mehr als einer Ursache jeden Augenblick auftauchen können, entgegengehen soll, so ist nur zu sehr zu befürchten, daß er seiner Aufgabe erliegen und Deutschland vor dem Schicksale Polens nicht schützen werde. Wir ersuchen die *** Regierung auch ihrerseits die Verhältnisse ernstlich und eingehend in Erwägung zu ziehen, und behalten wir uns baldige weitere Eröffnungen in dieser Richtung vor. Zunächst aber haben wir von derselben eine Beantwortung der oben angedeuteten Frage zu erbitten, ob und in welchem Maße wir auf ihre Unterstützung in dem Falle zu rechnen haben, daß wir von Oesterreich angegriffen oder durch unzweideutige Drohungen zum Kriege genöthigt werden? Euere *** ersuche ich ergebenst, diese Frage, begleitet von den in gegenwärtigem Erlaß entwickelten Betrachtungen, welche Sie zu dem Ende vorzulesen ermächtigt sind, dem Vertreter der dortigen Regierung mündlich aber amtlich vorzulegen. Ueber die Aufnahme, welche diese Eröffnung gefunden haben wird, sehe ich Ihrem schleunigen Berichte entgegen. (gez.) v. Bismarck

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HHStA Wien, PA IV 34. Gesandtschaft München. Weisungen 1866, fol. 60­–62. Erlaß. Abschrift. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/1, S. 355–357 (Konzept).

Mensdorff regt eine Interpellation der Mittelstaaten in der Bundesversammlung an, durch welche Österreich und Preußen unter Verweis auf Artikel 11 der Bundesakte zur Erhaltung des Friedens aufgerufen werden. Das würde einerseits Preußen den Bruch des Friedens erschweren und andererseits den Deutschen Bund wieder als Machtfaktor etablieren. Durch einen solchen Schritt würde sich auch die Wahrschein­ lichkeit einer bundesmäßigen Lösung des Schleswig-Holstein-Konflikts erhöhen. Wenn es dem Bund im Einverständnis mit Österreich gelingt, einem innerdeutschen Krieg vorzubeugen, so wird er auch Einfluß auf die Lösung der Schleswig-HolsteinFrage erlangen. Die Gasteiner Konvention und der Wiener Friedensvertrag stehen dem nicht im Wege.

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Nach Ihren letzten Berichten hatte Freiherr v. d. Pfordten sich noch nicht bestimmt darüber ausgesprochen, ob er es dem Standpunkte Bayerns entsprechend findet, nunmehr im Interesse der Erhaltung des Friedens im deutschen Bunde einen Schritt in Frankfurt zu thun. Ich glaube einen solchen Schritt nochmals bevorworten zu sollen, und bitte Ew. p. diese meine Ansicht bei dem Kgl. H. Ministerpräsidenten vertraulich durch die nachfolgenden Betrachtungen zu unterstützen. Eine auf den Artikel 11 der Bundesacte gestützte Interpellation der Mittelstaaten an Österreich und Preußen, – motivirt durch die allgemein verbreitete Besorgniß vor einem ernsten Zerwürfnisse, und den Ausdruck des Vertrauens enthaltend, daß der durch die Grundgesetze des Bundes verbürgte innere Friede Deutschlands keine Störung erleiden werde, – eine solche Interpella­ tion scheint mir den doppelten Vortheil darzubieten, dem Berliner Hofe den Friedensbruch zu erschweren, und den deutschen Bund in gewichtvoller Weise wieder in die Reihe der machtgebenden Factoren einzuführen. Österreich wird selbstredend erklären, daß es nicht daran denke, den Bundesfrieden zu gefährden, und Preußen wird dann entweder offen vor aller Welt die Rolle des Friedensstörers übernehmen, oder seinerseits Erklärungen von mehr oder weniger obligatorischem Character abgeben müssen. Die norddeutschen Staaten können und werden sich ebensowenig wie die süddeutschen der Anerkennung der Fundamentalgesetze des Bundes entziehen, und die Berufung auf Artikel 11 der Bundesacte, eventuell auf Artikel 19 der Schlußacte, erscheint mir daher als ein sicheres Mittel, Baiern und die ihm gleichgesinnten Re­ gierungen einerseits mit Österreich, andererseits auch mit Hannover und ­Kurhessen in geschlossener Haltung für den Zweck der Wahrung des Bundesfriedens zu vereinigen. Eine solche Manifestation am Bunde würde ohne Zweifel auch auf die Meinung der europäischen Mächte einen günstigen Einfluß ausüben, indem sie der übergreifenden Politik des G[ra]fen Bismarck die ganze Autorität des Rechtes und der Verträge, repräsentirt durch die für die Erhaltung des Gleichgewichtes in Europa so wichtige Institution des Bundes, entgegenstellen würde. Will man ferner in München sich fragen, ob Baiern durch den in Rede ­stehenden Schritt nicht allein die Wahrscheinlichkeit des Friedens erhöhen, sondern auch dem Ziele einer bundesmäßigen Lösung der schleswig-holsteinischen Verwicklung sich nähern würde, so scheint mir auch in dieser Be­ ziehung die Antwort nicht anders als bejahend ausfallen zu können. Ungeachtet des formellen Gegensatzes, welcher zwischen dem Standpunkte Baierns und den von uns gegenüber Preußen eingegangenen Verpflichtun-

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Mensdorff an Blome

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gen besteht, wünscht Freiherr v. d. Pfordten gewiß zu sehr den Frieden, um von uns zu verlangen, daß Österreich zuerst sich von der Gasteiner Conven­ tion lossage und feierlich an die Beschlüsse der Majorität des Bundestags ­appellire. Gf. Bismarck, so sehr er zu Wagnissen geneigt sein mag, hat sich dennoch nicht verhehlt, in welch entschiedenen Nachtheil diejenige der beiden Mächte sich versetzen würde, von welcher das äußerliche Signal der Lösung der eingegangenen Verpflichtungen ausginge. Er läugnet deshalb offensive Absichten ab und er beruft sich noch immer auf die – freilich nach seiner Weise interpretirte oder vielmehr in ihr Gegenteil verwandelte – Gasteiner Convention. Wenn er die Verantwortlichkeit für den Bruch dieser Übereinkunft auf Österreich, sei es auch nur scheinbar abwälzen, wenn er wieder die Klage anstimmen könnte, daß man die Großmacht Preußen majorisiren wolle, so würde dies vielleicht nicht an allen Orten – wenigstens sind wir des Gegentheils nicht sicher, – ohne Wirkung bleiben, und die Kriegsgefahr würde sich unberechenbar steigern. Der Schritt Österreichs, den unsere Depesche vom 16ten in Aussicht genommen hatte1, würde in dieser Beziehung ohne Zweifel gefährlicher gewesen sein, als nur eine von den Mittelstaaten zur Verhütung des Friedensbruches angeregte Verhandlung am Bunde sein wird. Hat aber der Bund einmal seinem Berufe gemäß in die Entwickelung der Ereignisse wieder eingegriffen, gelingt es ihm im Einverständnisse mit Österreich der Calamität eines inneren deutschen Krieges vorzubeugen, dann wird auch sein Einfluß auf die Lösung der Hauptfrage sich von selbst ergeben. Es erscheint uns dies nicht als bedingt durch einen förmlichen Akt der Lossagung von der Gasteiner Convention, denn wie man auch von diesem Compromisse und dem Wiener Friedensvertrage2 denken möge, materiell enthalten beide nichts bundeswidriges und nichts steht im Wege, vom Boden dieser Verträge aus zum Ziele eines dem Bundesrechte entsprechenden Definitivums zu gelangen. Der Wiener Friedens-Vertrag enthält den Vorbehalt weiterer Verfügung über die Herzogthümer, die Gasteiner Convention hat gleichfalls nur ein Provisorium geschaffen, auch für den Bund bereits wichtige Positionen erworben. Indem wir im vertraulichen Verkehre mit dem Münchener Cabinete auf alle diese Verhältnisse hinweisen, gewähren wir der kgl. baierischen Regierung jede Bürgschaft, die wir in der jetzigen Lage der Dinge, so lange nämlich Preußen nicht seinerseits die Gasteiner Convention über Bord wirft, ohne 1 Mensdorff an die kaiserlichen Gesandtschaften in München, Dresden, Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt, 16. März 1866, in: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/1, S. 299 f.; vgl. Mensdorff an Werner, 16. März 1866, HStA Dresden, Bestand 10718 Sächsische Gesandtschaft beim deutschen Bundestag, Nr. 129, fol. 55–59. 2 Der Friedensvertrag zwischen Österreich, Preußen und Dänemark vom 30. Oktober 1864.

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schwer zu verantwortende Verschärfung der Gegensätze gewähren können. Ließe sich der Bruch auch durch die auf Grund des Art. 11 der Bundesakte zu stellende Interpellation nicht verhüten, müßte eine Offensive Preußens mit gemeinsamen Kräften zurückgewiesen werden, dann hätte Baiern ohnehin mit unzweifelhaftem Rechte von uns zu verlangen, daß der Friede nicht anders als im Einverständniße mit ihm geschlossen werden dürfe, und wir könnten selbstredend nicht Anstand nehmen auf diese Bedingung einzugehen. Aus diesen Gründen wünschen wir den fraglichen Schritt der Mittelstaaten, und hoffen umso mehr, daß unserem Gedanken die Billigung des Frhn. von der Pfordten nicht fehlen möge, als wir nach unseren Nachrichten von den übrigen deutschen Höfen vermuthen dürfen, daß es nur von Baiern abhänge, die Verhandlung in Frankfurt wegen Wahrung des Bundesfriedens unter vielseitiger Zustimmung und mit bedeutender moralischer Wirkung anzuregen. Ew. wollen sich für ermächtigt halten, den gegenwärtigen Erlaß zu streng vertraulichem Gebrauche dem kgl. H. Minister in Händen zu lassen. Empfangen p.p.

183. Pfordten an Montgelas

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/53, fol. 152–155. Erlaß. Abschrift. Praes.: 26. März 1866. Druck: Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 6, S. 740–743.

Bayern wird bei einer Reform des Bundes mitwirken, wenn eine Anregung dazu er­ folgt, die Aussicht auf Erfolg bietet. Eine Neugestaltung des Bundes setzt die Mitwir­ kung der beiden Großmächte und einer nationalen Vertretung voraus. Letztere ließe sich am einfachsten durch die Berufung von Delegierten aus den einzelstaatlichen Kammern bilden. Preußen soll den Versuch machen, sich mit Österreich über einen Reformplan zu verständigen.

München, 24. März 1866 Hochgeborner Graf! Den vertraulichen Bericht Ew. Hochgeb. No 92 vom 19. d. Mts. habe ich mit dem größten Interesse gelesen und in reifliche Erwägung gezogen.1 Da sich der Kgl. Preuß. H. Minister Präsident hiebei sehr vertraulich an mich persönlich gewendet hat, so will ich auch nicht unterlassen, in solcher persönlicher rein vertraulicher Weise zu antworten. Das Bedürfniß einer Reform der Deutschen Bundesverfassung ist von der Kgl. Bayerischen Regierung seit Jahren so bestimmt und wiederholt aner1 Siehe Dok. 180.

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kannt worden, und sie hat an allen Versuchen zur Befriedigung dieses Bedürfnisses so warmen und aufrichtigen Antheil genommen, daß ich nicht daran zweifle, sie werde dies auch wieder thun, wenn eine Anregung hiezu in einer Weise erfolgt, welche nur einigermaßen Aussicht auf Erfolg bietet, und mir persönlich wird es eine heilige Pflicht sein, in diesem Sinne zu wirken. Für die Offenheit, [mit] welche[r] H. Graf v. Bismarck sich gegen Ew. pp. ausgesprochen hat, glaube ich nicht besser danken zu können, als wenn ich auch meinerseits mich mit vollständiger Aufrichtigkeit ausspreche. Die Bayerische Regierung hat bisher bei allen Reform-Versuchen, insbesondere auch zuletzt im Jahre 18632 an dem Grundsatz festgehalten, daß eine Neugestaltung des Bundes die Mitwirkung der beiden Großmächte voraussetze. An diesem Grundsatze wird sie festhalten und ein von einer einzelnen Persönlichkeit ausgehender Versuch, hievon abzuweichen, würde erfolglos bleiben. Daß eine definitive Neugestaltung des Deutschen Bundes ohne Mitwirkung einer nationalen Vertretung und ohne Aufnahme einer solchen in die neue Verfassung nicht erreicht werden könne, ist eine feste Ueberzeugung und auch diese Anschauung von der Bayer. Regierung bei allen früheren Gelegenheiten wiederholt kundgegeben worden. Sie wird daher gewiß dieser Anschauung treu bleiben und danach handeln, jedenfalls aber könnte meines ­Erachtens nicht früher an die Berufung einer solchen Versammlung gegangen werden, als bis die Regierungen unter sich über alle wesentlichen Bestand­ theile und Grundlagen der neuen Bundesverfassung vollkommen einig wären. Nur ein in dieser Weise bereitetes Verfassungsproject könnte einer nationalen Vertretung zur Berathung vorgelegt und nur auf diese Weise könnte Sicherheit dafür gewonnen werden, daß die neue Verfassung wirklich durch freie Zustimmung der Regierungen und der Vertretung endgültig festgestellt würde: denn jede Abgeordneten-Versammlung, sie mag gewählt oder berufen werden, wie und zu welchem Zweck sie wolle, wird, wenn ihr die Regierungen uneinig und ohne feste Projecte gegenübertreten, sehr bald zur constituirenden Versammlung werden und somit entweder abermals erfolglos bleiben, oder das Recht der Regierungen vernichten oder gefährden. Was nun die Art der Berufung einer solchen nationalen Vertretung anlangt, so gebe ich zu, daß sich sehr verschiedene Auffassungen denken lassen, und daß man sehr darüber streiten kann, ob ein direct zu wählendes Parlament, oder eine Versammlung von Delegirten aus den Kammern der einzelnen Staaten den Vorzug verdienen. Von meinem Standpunkt aus erscheint mir vor Allem maßgebend, daß die Bayer. Regierung, vermöge unserer Verfassung vor der Theilnahme an der Berufung und Wahl einer solchen Nationalvertretung 2 Emendiert. Vorlage: 1860.

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jedenfalls die Zustimmung des Bayer. Landtages erholen [sic] müßte, wie sie dies auch im Jahre 1848 gethan hat. Von diesem Gesichtspunkte aus, muß ich schon jetzt meine Zweifel darüber äußern, daß ein Parlament ohne Diäten zustandekommen könnte. Uebrigens bin ich persönlich der Ueberzeugung, daß eine Berufung von Delegirten der einzelnen Kammern zwar nicht der einzige, wohl aber der am leichtesten ausführbare und naturgemäßeste Weg zur Berufung einer National-Vertretung sein würde. Hiezu würde am leichtesten die Zustimmung sämmtlicher Regierungen und die Zustimmung sämmtlicher Landesvertretungen zu erreichen sein und eine solche Versammlung würde von vornherein nicht im Widerspruch mit den einzelnen Landesvertretungen stehen, sondern in organischem Zusammenhange mit denselben, ohne welchen, wie mir scheint, das Werk ebenso mißlingen würde, wie im Jahre 1848; denn die Unfruchtbarkeit der damaligen Nationalversammlung hatte ihre Quelle nicht bloß in dem Widerstreit gegen die Regierungen, sondern auch gegen die einzelnen Landesvertretungen, welche sich der von Frankfurt aus angestrebten Diktatur ebenso wenig fügen wollten, als die Regierungen selbst. Was nun die weitere Behandlung dieser wichtigen Angelegenheit anlangt, so werde ich zwar persönlich stets mit Vergnügen bereit sein, in einen vertraulichen Meinungsaustausch mit dem Kgl. Preuß. H. Minister-Präsidenten einzutreten. Ein solcher würde aber natürlich doch nur einen theoretischen Werth behalten und für die Bayer. Regierung in keiner Weise verbindlich sein. Wenn das practische Gebiet beschritten werden soll, so müßte jeder Äußerung von meiner Seite erst diejenige ausgedehntere Vorberathung vorausgehen, welche für so wichtige Fragen in unserer Verfassung und unseren ministeriellen Organisationen begründet ist. In Bezug auf die Betheiligung anderer Deutscher Regierungen werde ich zwar für jetzt die von dem H. Grf. v. Bismarck gewünschte Discretion strenge beobachten und sowohl von dem Berichte Ew. pp. als von meiner gegenwärtigen Antwort nach keiner Seite hin irgend eine Mittheilung machen. Für die weitere Entwickelung der ganzen Angelegenheit scheint es mir aber weder durchführbar noch auch dem Zwecke förderlich, daß ein vollständiger detaillirter Vorschlag nur zwischen Preußen und Bayern berathen und ausgearbeitet und dann gleichsam wie eine Bombe in die Bundesversammlung geschleudert werde. Wenn meine bisherigen Erfahrungen mich nicht täuschen, und insbesondere die im Jahre 1863 gemachten, so wäre dies das sicherste Mittel, den ganzen Versuch von vornherein scheitern zu machen. Ich bin natürlich weit entfernt, dem Kgl. Preuß. H. Minister-Präsidenten irgendwie vorgreifen oder maßgeben zu wollen, aber es scheint mir, daß es doch eines Versuches werth wäre, sich mit Oesterreich über einen Reformplan zu verständigen und ich

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meines Theils glaube wenigstens, daß manche Anschauung des Jahres 1863 sich modificirt, daß manche damals bestandenen Schwierigkeiten nicht mehr bestehen oder doch bei gutem Willen zu beseitigen wären. Eine vertrauliche Zuziehung mehrerer anderer Deutscher Regierungen zu solchen Verhandlungen würde hiezu jedenfalls wesentlich beitragen können und auf diese Weise könnte ein in Frankfurt zu stellender Antrag wenigstens soweit vorbereitet werden, daß nicht die Erfolglosigkeit desselben sofort auf der Hand läge. Ich will diesen meinen Wunsch durch eine aufrichtige Aeußerung begründen; die Reform des Deutschen Bundes ist bisher verschiedentlich einseitig versucht worden und darum immer gescheitert, zuerst im Jahre 1848 von der Nationalversammlung, im Jahre 1849 von Preußen, im Jahre 1863 von Oester­ reich. Nachher ist von mancher Seite an die Regierungen der Mittelstaaten zumeist an Bayern das Verlangen gestellt worden, nun ihrerseits einen solchen Versuch ohne oder auch wohl gegen Oesterreich und Preußen zu unternehmen und es wird ihnen fortwährend in der Presse ein Vorwurf daraus gemacht, daß sie es nicht gethan haben und nicht thun wollen. Ich habe nicht den mindesten Zweifel, daß ein solcher Versuch auch mißlingen müßte, aber ich bin ebenso fest überzeugt, daß ein erneuter Versuch des Jahres 1849 auch jetzt erfolglos bleibt.3 Mit ganz besonderer Befriedigung habe ich die Versicherung des H. Grf. v. Bismarck vernommen, daß Preußen nicht daran denke, Oesterreich anzugreifen, weder in den Herzogthümern noch sonstwo. Ich finde hierin die voll­ ständige Garantie für die Erhaltung des Friedens in Deutschland, weil ich die Ueberzeugung habe, daß weder Oesterreich noch irgend ein anderer Deutscher Staat daran denkt, einen Angriff auf Preußen zu machen, zu unterstützen oder zu dulden, und ich kann nur den Wunsch aussprechen, daß die Kgl. Preußische Regierung in allgemeinen und bestimmten Zeitungsgerüchten oder selbst in einzelnen Truppen-Dislocationen in Oesterreich, die sich aus den inneren Zuständen genügend erklären, sich in keiner Weise zu Rüstungen bewegen lassen möge, welche allerdings, wie der H. Ministerpräsident ­hervorhebt, zu einem Kriege führen könnten. Dabei glaube ich mich keiner Ueberhebung schuldig zu machen, wenn ich sage, Preußen könne in der Haltung der Bayer. Regierung eine Gewißheit dafür finden, das es selbst von ­keinem Angriffe bedroht sei. Die Kriegsgerüchte haben jetzt lange genug die Luft erfüllt, es ist Zeit, daß sie vor der klaren Einsicht und dem festen Willen der Souveraine und Staatsmänner Preußens und Oesterreichs verschwinden und den friedlich reformatorischen Bestrebungen Platz machen, auf welche der Preuß. H. Minister-Prä3 Pfordten spielt auf die gescheiterte kleindeutsch-preußische Unionspolitik von 1849/50 an.

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sident sein Augenmerk gerichtet hat und welche nach bester Ueberzeugung zu unterstützen, ich gewiß nicht unterlassen werde. Indem ich Ew. pp. ersuche, gegenwärtigen Erlaß vollständig zur Kenntniß des H. Grafen v. Bismarck selbst zu bringen und ihm dabei für sein Vertrauen zu danken, füge ich etc. gez. v. d. Pfordten.

184. Platen an Stockhausen1

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 192. Erlaß. Abschrift.

Bismarck hat in Hannover angefragt, wie sich Hannover im Falle eines Krieges ver­ halten werde. Platen will auf diese Frage aber nicht antworten, so lange der Deut­ sche Bund formell und tatsächlich noch existiert. Er geht davon aus, daß es vor dem Beginn eines Krieges zu einem Vermittlungsversuch in der Bundesversammlung kom­ men wird, um den Frieden zu erhalten.

Hannover, 28. März 1866 Hochwohlgeborner Herr! Am 26. d. M. las mir der Prinz Ysenburg eine Depesche des H. Grafen v. Bismarck vom 25. d. M. vor, welche die Vorbereitungen Oesterreichs zum Kriege schildert, Gegenrüstung Preußens für nothwendig erklärt u. dann an Hannover die Frage richtet, ob u. in welchem Maße Preußen auf die militairische Unterstützung der Kgl. Reg. in dem Falle rechnen könne, wenn Preußen von Oesterreich angegriffen oder durch unzweideutige Drohungen zum Kriege genöthigt würde. Nur mit großem Bedauern konnte die Kgl. Reg. aus jener Depesche entnehmen, daß die Nachrichten über eine friedliche Wendung der Preuß.[-] ­Oesterr. Differenz, welche in den letzten Tagen verbreitet waren, keineswegs so begründet sind, wie wir es ersehnten u. erhofften. Doch selbst unter Voraussetzung dieser unerfreulichen Lage der Sache, vermögen wir nicht zu glauben, daß es dem Interesse Hannovers u. Preußens entspricht, wenn wir im gegenwärtigen Stadium der Angelegenheit auf jene gestellte Frage direct antworten. Wir würden eine solche Erklärung nach allen Seiten hin für verfrüht halten müssen. Zwei hauptsächliche Gründe liegen vor, wie wir meinen, um die jetzige Zurückhaltung zu rechtfertigen. 1 Bodo von Stockhausen (1810–1885), bis 1851 hannoverischer Ministerresident in Paris, 1852– 1865 Gesandter in Wien, 1865–1866 Missionschef in Berlin; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 208.

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Platen an Stockhausen

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Zunächst ist es wohl für jede der mittleren u. kleineren Regierungen Deutschlands fast unmöglich, so lange der Deutsche Bund formell u. thatsächlich noch existirt, auch nur eventuell das Verschwinden des Bundes zum Ausgangspunkt zu nehmen u. auf dieser Basis irgend welche Verbindlichkeiten einzugehen. Wir haben zur Gerechtigkeit u. Billigkeit der Kgl. Preuß. Reg. das Vertrauen, daß sie anerkennen wird, wie tief es im Interesse der mittleren u. kleineren Staaten liegt, an der Föderation im Handeln u. Glauben so weit festzuhalten, als sie das immerhin vermögen. Wenn also Erklärungen von ihnen gewünscht werden, welche die Eventualität zum Ausgang nehmen, wo der Bund nicht mehr in legaler Wirksamkeit sein würde, so gerathen sie in die moralische Unmöglichkeit, dem Wunsche zu entsprechen, eben weil die Erklärung zugleich mittelbar Zweifel u. Unglauben an die Fortexistenz des Bundes enthielte u. constatirte. Sodann muß doch wohl angenommen werden, daß der Streit zwischen Oester­reich u. Preußen an den Bundestag kömmt, bevor er in einen Krieg ausläuft, einmal diesen unglücklichen Ausgang vorausgesetzt, obschon wir noch immer fest u. um so fester an eine friedliche Lösung glauben, als wir die Versicherung von Oesterreich erhalten haben, keine Friedensstörung u. keinen Angriff auf Preußen zu beabsichtigen; jedenfalls muß man annehmen, daß wenigstens ein Versuch der Vermittelung am Bundestage stattfindet. Für beide streitende Großmächte wird es aber nach unserer Ansicht, bezüglich der Verhandlungen u. namentlich hinsichtlich des Vermittelungsversuchs von außer­ordentlichem Werthe sein, wenn am Bundestage Regierungen vorhanden sind, welche vermöge ihrer bisher genommenen Stellung als unpartheiisch erscheinen u. also nicht mit Grund von der einen oder anderen streitenden Seite recusirt werden können. Durch Abgabe einer solchen Erklärung, wie gegenwärtig H. Gf. v. Bismarck sie wünscht, würde jedoch eine Parteinahme begründet. Im eigenen Interesse Preußens können wir es nicht wünschen, daß die Kgl. Preuß. Reg. einen Weg einschlägt, welcher sie dem formellen Rechte u. Gange des Bundes gegenüber in Nachtheil bringt. Wir würden aber dazu beitragen, diesen Nachtheil zu erzeugen, wenn wir jene an uns gerichtete Frage direct beantworteten. Wir ersuchen daher den H. Gfn. v. Bismarck uns eine unmittelbare Erklärung über die Frage zu erlassen. Ew. p. wollen diese Depesche dem Kgl. Preuß. H. Ministerpräsidenten vorlesen u., wenn es gewünscht wird, eine Copie zurücklassen. Empfangen p. (gez.) Platen-Hallermund.

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185. Pfordten an Bray-Steinburg

HStA München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1707. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 2. April 1866. Ein gleichlautender Erlaß erging an den bayerischen Gesandten Montgelas in Berlin; GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 191. Erlaß. Abschrift. Druck: Staatsarchiv, Bd. 10, S. 353–355.

Angesichts der drohenden Kriegsgefahr sieht sich Pfordten veranlaßt, sich „mit vol­ ler Offenheit“ an die beiden Großmächte zu wenden. Das Bundesrecht verbietet Krieg zwischen den Bundesmitgliedern. Wer dennoch ein anderes Bundesmitglied an­ greift, wird bundesbrüchig. Einem Krieg stehen aber auch „die heiligsten Güter der Nation“ entgegen. Der Deutsche Bund hat fünfzig Jahre den inneren Frieden ge­ währleistet und verhindert, daß fremde Heere den deutschen Boden betraten. Wegen des Streites um die Elbherzogtümer den Deutschen Bund zu sprengen und Deutsch­ land in den Bürgerkrieg zu stürzen, ist nicht zu verantworten. Pfordten fordert die Großmächte dazu auf, sich jedes gewaltsamen Angriffs auf andere Bundesglieder un­ bedingt zu enthalten und in Verhandlungen zu Wahrung des Friedens einzutreten.

Exp. No 79.

München, 31. März 1866

Hochgeborner Graf! Die Differenzen, welche zwischen den Regierungen von Oesterreich und Preussen über den Vollzug der Convention von Gastein eingetreten sind, ­waren der Königl. Regierung bisher nur in vertraulicher Weise bekannt geworden, und diese hat daher auch nur in gleicher Weise gesucht, von ihrem Standpunkte aus auf deren Ausgleichung hinzuwirken, umso mehr, als sie nicht annehmen zu dürfen glaubte, daß den kriegerischen Agitationen der Presse irgend eine reelle Grundlage gegeben sei. Durch die Circular-Depesche des Königlich Preussischen Herrn MinisterPräsidenten vom 24ten dß. Mts.1 und die auf Grund derselben von dem ­Königlich Preussischen Herrn Gesandten zwar nur mündlich aber amtlich an mich gerichtete Frage[,] über deren Stellung und Beantwortung ich Euer Excellenz bereits Mittheilung gemacht habe, ist es nun aber offiziell zur Kenntniß der Königlichen Regierung gekommen, daß zwischen den beiden ersten Bundesmächten Differenzen der ernstesten Art bestehen, daß zur Zeit keine Verhandlungen zur Ausgleichung derselben geführt werden, und daß die Austragung derselben durch Waffengewalt als eine nicht ferne liegende Möglichkeit in das Auge gefaßt wird. Bei dieser Sachlage erachtet sich die Königliche Regierung ebenso berechtigt als durch ihre Stellung im Bunde verpflichtet, aus ihrer bisherigen Zurückhaltung herauszutreten, und zur Erhaltung des Friedens im Bunde und zur Wahrung der schwerbedrohten Interessen Deutschlands sich mit voller Offenheit an die beiden ersten Bundesglieder zu wenden. 1 Siehe Dok. 181.

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Pfordten an Bray-Steinburg

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Es bedarf wohl keiner weitläufigen Ausführung darüber, daß das Bundesrecht jeden Krieg zwischen Bundesgliedern schlechthin verbietet. Die Bestimmungen des Art. XI der Bundesakte sind in dieser Hinsicht zu klar, um einen Zweifel zuzulassen, und schließen ebenso wie die Natur und der Zweck des Bundes die Möglichkeit aus, daß für Oesterreich und Preussen etwa um ihrer Stellung als europäische Mächte willen eine Ausnahme hievon zulässig wäre. Der Art. XI der Bundesakte u. Art. 19 der Wiener Schlußakte zeichnen auch den Weg vor, auf welchem alle irgend denkbaren Differenzen zwischen Bundesgliedern ausgetragen und Thätlichkeiten zwischen denselben verhütet werden sollen. Es wird nicht bestritten werden können, ein Bundesglied, w ­ elches mit Umgehung dieses Weges zur Selbsthülfe schreiten und gegen ein anderes Bundesglied Krieg anfangen würde, als bundesbrüchig zu betrachten wäre. Nicht minder als die Grundsätze des Bundesrechtes stehen aber die heiligsten Güter der Nation und alle Lebens-Interessen sämmtlicher Bundesglieder einem Kriege unter diesen gebieterisch entgegen. Nachdem die durch Jahrhunderte dauernden inneren Zerwürfnisse und Kämpfe das deutsche Reich dem Untergange geweiht, und alle seine Glieder in Erniedrigung und Elend gestürzt, den deutschen Boden zum Schlachtfelde für fremde Heere, die deutschen Stämme zu Gegenständen fremder Herrschsucht gemacht hatten, hat die begeisterte Einigung und Erhebung der Fürsten und Völker Deutschlands das fremde Joch gebrochen, und Recht, Ehre und Sitte der Heimath wieder hergestellt. Als Frucht des Sieges ist der deutsche Bund gegründet worden, und wie man auch über das Bedürfniß einer weiteren Ausbildung und Verbeßerung seiner Verfaßung und Einrichtungen denken mag, Niemand kann bestreiten, daß er über Deutschland einen Segen verbreitet hat, der vorher in der ganzen deutschen Geschichte ohne Beispiel war. Fünfzig Jahre des inneren Friedens, fünfzig Jahre in denen Niemand gewagt hat, Deutschland anzugreifen, in denen kein fremdes Heer den deutschen Boden betrat, fünfzig2 Jahre der Entwicklung und Blüthe aller geistigen, sittlichen und materiellen Kräfte und Interessen, welche endlich die Wunden des dreißigjährigen u. der späteren Kriege heilten und Deutschland wieder auf die Höhe hoben, von welcher eigene Schuld es gestürzt hatte – das sind die Erfolge des deutschen Bundes, das sind die Verdienste Oesterreichs und Preussens, der beiden Grundpfeiler des Bundes, um die deutsche Nation! Und dieser Bund sollte jetzt gebrochen, dieser stolze und edle Bund sollte zertrümmert, Deutschland sollte wieder dem alten Elende preisgegeben werden? Wieder sollten die deutschen Stämme in brudermörderischem Kampfe verbluten, um abermals unfehlbar die Beute des Auslandes zu werden? Oder zweifelt man etwa daran, daß dies die unabwendbare Folge eines solchen 2 Emendiert. Vorlage: Fünfzig.

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Krieges sein würde? Daß Sieger und Besiegte gleichmäßig sich den Frieden und seine Bedingungen von fremden Mächten müßten vorschreiben lassen, und daß diesen allein die Früchte davon zufallen würden? Wahrlich wer die Schuld an solchem Kriege trüge, den würde sehr bald das eigene Gewissen richten, ehe noch die Geschichte ihr unbestechliches Urtheil über ihn spräche. Wenn nun aber gleichwohl die Möglichkeit eines Krieges zwischen Oesterreich und Preussen so ernstlich ins Auge gefaßt wird, als es in der preussischen Circulardepesche vom 24. dieses Mts. geschehen ist, so ist man berechtigt zu fragen, welcher Grund und Zweck den obigen Gründen des Rechts und der heiligsten Interessen gegenüber in die Wagschale gelegt werden kann, und ob sich keine Wege der Verständigung mehr darbieten? In den Differenzen über die Ausführung der Convention von Gastein kann jener Grund unmöglich liegen. Diese Convention sollte ja nur einen vorübergehenden Zustand herbeiführen, und um einiger Irrungen in der provisorischen Verwaltung Holsteins willen den deutschen Bund zu sprengen und Deutschland in Bürgerkrieg zu stürzen – dazu wird sich wohl Niemand entschließen oder bekennen, wäre er auch noch so sehr gewillt, seine besonderen Wünsche und Interessen über alle anderen Rücksichten zu stellen. Diese Differenzen müssen sich in der That durch Verhandlungen zwischen den beiden Contrahenten von Gastein lösen lassen, oder durch Herstellung einer definitiven Ordnung ihre Bedeutung verlieren. Aber auch in dieser definitiven Entscheidung über das Schicksal der Elbherzogthümer kann der Grund und Zweck des Krieges nicht gefunden werden. Denn hierüber ist ja bis jetzt allem Anschein nach unter den beiden im Mitbesitze befindlichen Mächten noch gar nicht verhandelt worden. Solche Verhandlungen zu eröffnen und der Bundesversammlung die ihr unzweifelhaft zustehende Betheiligung an der Entscheidung nicht vorzuenthalten, erscheint daher als der sich von selbst darbietende Weg, wenn nicht der Krieg aus ganz anderen Beweggründen gewollt wird. Demnach kann eine eingehende Erwägung der Sachlage sich kaum der Überzeugung entschlagen, daß die Kriegsgefahr aus einem Mißbehagen über die ganze Gestaltung der Bundesverhältniße und die Stellung der beiden ersten Bundesglieder zu einander und zum Bunde hervorgehe, und in der That deutet die preussische Circulardepesche vom 24. dieses Mts. darauf hin. Wenn dem aber so ist, wenn die Kriegsgefahr als Ausdruck des Revisionsbedürfnißes der Bundesverfaßung sich darstellt, so ist es doch in keiner Weise zu rechtfertigen, wenn zum Zwecke der Verbesserung das Mittel der Vernichtung und zwar in der verderblichsten Weise gewählt werden will. Sollte eine der beiden ersten Bundesmächte es wirklich für unerträglich halten, ferner Mitglied des Bundes in seiner jetzigen Gestalt zu sein, so wäre jedoch vor

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Varnbüler an Linden

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Allem die Frage zu stellen, ob denn nicht eine Umgestaltung des Bundes zu erreichen sei. Die Kgl. Regierung zweifelt nicht, daß alle Bundesglieder bereit sind, sofort auf Verhandlungen zu diesem Zwecke einzugehen und in diejenigen Aenderungen der Bundesverfaßung zu willigen, welche den Zeit­ verhältnissen entsprechen. Für sich selbst erklärt sie dieß hiemit auf das ­Bestimmteste, sei es nun, daß die Anregung hiezu sofort im Schooße der Bundesversammlung gegeben werden, oder daß vertrauliche vorbereitende Verhandlungen unter den Cabineten eingeleitet werden wollten. Aus diesen Erwägungen wendet sich die kgl. Regierung in ganz gleicher Weise an die Regierungen der beiden ersten Bundesglieder und stellt an jede derselben das Ersuchen ihr auszusprechen, daß sie sich jedes gewaltsamen Angriffs auf andere Bundesglieder unbedingt enthalten werde, daß sie vielmehr bereit sei, sofort in Verhandlungen zur Wahrung des Friedens im Bunde einzutreten, und zugleich ihr den Weg und die Art der Verhandlungen zu bezeichnen, denen sie den Vorzug gibt. Ich beauftrage Euer Excellenz, gegenwärtigen Erlaß zur Kenntniß des Herrn Grafen von Mensdorff zu bringen, demselben auch Abschrift davon zu übergeben. Indem ich Ihrem baldigen Berichte über den Vollzug dieses Auftrages entgegensehe, füge ich den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung bei. v. d. Pfordten

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GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 191. Erlaß. Abschrift.

Varnbüler antwortet auf die preußische Note vom 24. März. Er weist den preußischen Vorwurf zurück, Österreich habe eine bedrohliche Haltung eingenommen. Die württembergische Regierung ist bereit, die von Preußen in Aussicht gestellten Anträ­ ge auf eine Bundesreform „in verfassungsmäßigem Wege“ zu erörtern, bemerkt aber, daß keine Reform eine bundestreue Gesinnung der Mitglieder Bundes ersetzen kann. Auf die preußische Frage, wie Württemberg sich im Falle eines Angriffs von Öster­ reich auf Preußen verhalten werde, antwortet Varnbüler, ein solcher Angriff sei sehr unwahrscheinlich. Im übrigen müßte die Aktion der württembergischen Regierung „gegen dasjenige Glied des Bundes gerichtet sein […], welches den Bundesfrieden gebrochen“ habe. 1 Franz de Paula Graf von Linden (1800–1888), 1852–1866 württembergischer Gesandter in Berlin; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 421.

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Stuttgart, 5. April 1866

905 Stuttgart, 5. April 1866

Euer Excellenz ist aus meinem Schreiben vom 28ten v. Mts. bekannt, daß Baron von Kanitz2 mir am 26ten März einen Erlaß des Königl. Preußischen Herrn Minister-Präsidenten Grafen Bismarck vom 24. ej., betreffend die Schleswig-Holsteinische Frage vorgelesen hat.3 Meine Antwort, welche ich Ew. pp. mitgetheilt habe, war der Ausdruck meiner persönlichen Anschauung, wie solche sich beim Vorlesen des langen inhaltsreichen Actenstückes gebildet hatte. Indessen hat Baron von Kanitz mir mittelst Note vom 29ten März dasselbe mitgetheilt, und es liegt mir daher ob, die gewünschte Antwort der Königlichen Regierung in Folgendem zu ertheilen. Der Königlich Preußische Herr Minister-Präsident erwähnt einleitend der genesis der zwischen Preußen und Oesterreich entstandenen Spannung und glaubt, zu dieser einen Anlaß nicht gegeben zu haben. Mir ist die zwischen den beiden Allerhöchsten Cabinetten geführte Correspondenz nicht bekannt und es steht mir daher irgend ein Urtheil über dieselbe nur soweit zu, als ich hiefür in dem Erlasse des Grafen Bismarck selbst die Anhaltspunkte finde. Hieran sei es mir erlaubt, folgende Bemerkungen zu knüpfen. Nachdem die Elbherzogthümer durch die Gasteiner Convention zweitheilig in die abgesonderte Verwaltung von Preußen und Oesterreich übergegangen waren, so ergab sich, wie nach der zwischen diesen Staaten bestehenden Verschiedenartigkeit der allgemeinen Verwaltungsgrundsätze und sonstiger Ausgangspunkte nicht anders erwartet werden durfte, eine Ungleichheit in der Haltung der beiderseitigen Statthalter, eine Ungleichheit, welche sich wohl auch als entschiedener Widerstreit kundgegeben haben mag. Ich lasse dahingestellt, ob und inwieweit hierin Gründe zu wirklichen Beschwerden gelegen haben mögen; wenn aber der Königl. Preußische Herr Ministerpräsident die Freundlichkeit der nach Wien entsendeten Noten betont, so möge er mir die Bemerkung gestatten, daß, wenn an die Erörterung solcher verhältnißmäßig untergeordneten Differenzpunkte als Präjudiz die Kündigung „intimer“ d. h. freundschaftlicher Beziehungen zwischen zwei Großmächten geknüpft worden ist, die Intonation jener Note wohl zutreffender mit dem Character tiefen Ernstes als dem der Freundschaftlichkeit wird bezeichnet werden dürfen. Der Herr Minister-Präsident hebt sodann hervor, daß nach jener ersten schriftlichen Erörterung die Königl. Preußische Regierung gegenüber der 2 Julius Freiherr von Canitz und Dallwitz (1815–1894), 1865–1867 preußischer Gesandter in Stuttgart; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 330. 3 Siehe Dok. 181.

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Varnbüler an Linden

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Kaiserl. Oesterreichischen sich in keiner Weise unfreundlich verhalten[,] noch weniger irgend einen Schritt gethan habe, welcher entfernt auf beabsichtigte Störung des Friedens gedeutet werden könnte, während Oesterreich auf bedrohliche Weise kriegerische Maßregeln ergreife. Ich bin nicht in der Lage, die Ausdehnung und das Gewicht dieser Maßregeln zu beurtheilen, (die in der Beilage des Erlasses vom 24. März aufgeführten sind von verhältnißmäßig untergeordnetem Belange) aber das sei mir erlaubt zu bemerken, daß die ganze Lage des Oesterreichischen Kaiserstaates, daß speciell sein Interesse in der Frage, von welcher es sich handelt, an eine Offensive derselben nicht denken lassen, daß Oesterreich sein Heer in den kleinsten Bruchtheilen über sein Gebiet verstreut, vorzugsweise in seine östlichen und südlichen Provinzen verlegt, und bis vor Kurzem auf ein bis jetzt ungekanntes Maaß reducirt hatte und daß daher Angesichts der notorisch Deutschland und ganz Europa fieberhaft erregenden Spannung der politischen Lage die Verlegung eines Theils seiner Truppen in die Nähe eines ihm unfreundlich gesinnten[,] militairisch vortrefflich organisirten, mit den ausgedehntesten Verkehrsmitteln reichlichst ausgestatteten und ihm gerade darin so sehr überlegenen Nachbars keine Provocation, noch weniger eine Bedrohung in sich schließt. Der Königl. Preuß. Herr Minister-Präsident knüpft an die Bedrohlichkeit der Lage einige Bemerkungen über die Unzulänglichkeit der bestehenden Bundesverfassung und stellt Anträge auf eine Reform derselben in Aussicht. Die Königl. Württembergische Regierung wird stets bereit sein, solche An­ träge in verfassungsmäßigem Wege zu erörtern; sie wird sich dabei von den Rücksichten auf das Wohl des gesammten Deutschlands leiten lassen. Sie will sich gerne der Hoffnung hingeben, daß das schwierige Werk unter dem einträchtigen Zusammenwirken der sämmtlichen deutschen Regierungen und Völker zum Wohle Deutschlands gelingen werde. Wenn der Graf Bismarck an die zwischen den beiden mächtigsten Bundesgliedern bestehende Spannung seine reformatorischen Ideen anknüpft, so eröffnet sich mir damit die Aussicht, daß dieselben bestimmt sind, diese Spannung zu lösen. Könnte ich dies nicht voraussetzen, so würde ich zu der Bemerkung gedrängt, daß sich wohl überhaupt keine Form eines Bundes finden lassen dürfte, welche so gewaltig wäre, um bundestreue Gesinnung seiner Glieder zu ersetzen. Für den Augenblick und abgesehen von den angekündigten Anträgen auf Bundesreform stellt schließlich Graf Bismarck an die Königl. Württembergische Regierung die Anfrage, ob und in welchem Maße Preußen auf die Unterstützung Württembergs in dem Falle zu rechnen habe, daß jenes von Oesterreich angegriffen oder durch unzweideutige Drohungen zum Kriege genöthigt werde. Ich kann nicht unterlassen, die hohe Unwahrscheinlichkeit eines solchen Falles noch einmal zu betonen; träte er aber dennoch ein, so ließe sich dies

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mir denken, als Bruch des Bundesfriedens, für dessen Constatirung innerhalb der Gesetze des Bundes der Königl. Preußischen Regierung alle Zeit und Gelegenheit geboten wäre. Die Königl. Preußische Regierung kann nicht zweifeln, daß die Action der Königl. Württembergischen Regierung gegen dasjenige Glied des Bundes gerichtet sein müßte, welches den Bundesfrieden gebrochen; ob dieselbe innerhalb des Maaßes ihrer Bundespflichten oder über dasselbe hinaus erfolgen würde, wäre ihrem Ermessen anheimgegeben. Ew. Excellenz sind ermächtigt, von Vorstehendem dem Herrn MinisterPräsidenten, Grafen Bismarck, Kenntniß zu geben. Empfangen Ew. Excellenz zugleich die erneute Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. (gez.) Varnbüler.

187. Erklärung des Deutschen Abgeordnetentags

StA Hamburg, 132–5/5, III c 6. Druck und Verlag von C. Naumann’s Druckerei. Frankfurt a. M.

Die Abgeordneten protestieren gegen das „rechtswidrige Verfügen“ von Österreich und Preußen über die Elbherzogtümer und die friedensstörenden Maßnahmen. Sie warnen vor dem drohenden Bürgerkrieg und weisen Bundesreformpläne zurück, die in der Absicht vorgebracht werden, Bundesgenossen für einen solchen Bürgerkrieg zu gewinnen. Nötig ist eine „vollständige Umgestaltung der deutschen Verfassung“.

Frankfurt am Main, 7. April 1866 Erklärung. 1) Drohend steht vor Deutschland die Gefahr eines Bürgerkrieges, der Einmischung des Auslandes, des Untergangs der bürgerlichen Freiheit und des Wohlstandes. 2) Das rechtswidrige Verfügen beider deutschen Großmächte über die von dänischer Herrschaft befreiten Herzogthümer wie über eine Kriegsbeute, die offenkundigen Plane gewaltsamer Annexion bei der preußischen Regierung, die Schwäche fast aller übrigen deutschen Regierungen und eine Bundesverfassung, welche das deutsche Volk von der Leitung seiner Geschicke vollständig ausschließt, führen Verwirrung und Verderben über Deutschland herauf. 3) Der entschiedenste, den deutschen Bürgerkrieg verdammende Protest sei die Antwort auf ein jedes friedenstörendes Beginnen. Schon haben sich in einzelnen preußischen und andern Städten laute Stimmen gegen die Gefahren einer verderblichen Cabinetspolitik erhoben. Will aber das deut-

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sche Volk sich nicht zum Mitschuldigen machen an dem nationalen Unglück, so muß es aller Orten so vernehmlich und kräftig seine Meinung und seinen Willen kundgeben, daß die Räthe und auch die Träger der Kronen sie nicht überhören können. 4) Eine vollständige Umgestaltung der deutschen Verfassung ist nothwendig, wollen wir für die Zukunft den Jammer und die Gefahren der jetzigen Zustände beseitigen. Jeder Regierung aber, welche, das Recht des ­eigenen Landes nicht achtend, mit Planen einer Bundesreform hervortritt, etwa in der Absicht, Bundesgenossen im Bürgerkriege zu werben, fehlt mit dem Vertrauen des eigenen und des deutschen Volkes die Gewähr für das Gelingen des großen nationalen Einigungswerkes. Der Ausschluß der Versammlung von Mitgliedern deutscher Landesvertretungen. Der Vorsitzende: Dr. S. Müller.

188. Flugblatt des Deutschen Reformvereins

HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 38. Druck von Friedrich Frommann in Jena.

Der Reformverein beklagt das Verhalten der deutschen Großmächte, die sich in der schleswig-holsteinischen Frage nicht an das Bundesrecht gehalten haben, sondern eine „Vormachts-Politik“ betrieben haben, die nun an die Schwelle zum „Bruder­ krieg“ geführt hat. Die preußischen Vorwürfe gegen Österreich wegen angeblicher Rüstungen sind unwahr. Preußen sucht offenbar einen casus belli. Der preußische Vorschlag zu einer Bundesreform ist nur ein Ablenkungsmanöver. Der Reformverein fordert die „treue Beachtung und Uebung von Bundesrecht und Bundespflicht im Streite Oestreichs und Preußens sowohl als in dem der Herzogthümer“.

No. 1.

Jena, 9. April 1866

So steht Deutschland denn plötzlich an der Schwelle des Bruderkrieges; – Preußen fordert in einer Depesche, die von Versicherungen seines deutschen Charakters, der Identität seiner Interessen mit jenen Deutschlands u.s.w. überfließt, die deutschen Mittel- und Kleinstaaten, nicht den Bund (denn von dem erwartet es nichts, will es nichts wissen, ehe er nicht nach Preußens Ansichten reformirt ist) einfach auf, zu erklären, ob und wie viel Preußen auf Unterstützung rechnen könne, im Falle es von Oestreich angegriffen oder durch unzweideutige Drohungen zum Krieg genöthigt werde! Das ist also das Ende jener einst so hochmüthig eingeleiteten VormachtsPolitik, welche Bundespflichten und Bundesbeschlüsse mißachtend für die beiden deutschen Großmächte den Beruf und die Berechtigung in Anspruch

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nahm, Deutschlands Verhalten nach den Eingebungen ihrer höheren politischen Weisheit, ihrer richtigeren Beurtheilung der eigenen, sowie der Interessen des deutschen Bundes, zu bestimmen und nöthigenfalls selbst gegen dessen Wunsch und Willen eigenmächtig durchzuführen! Als man im December 1863 der widerstrebenden Bundesversammlung mit einer in bekannter Weise zusammengeflickten nothdürftigen Mehrheit den kläglichen Executionsbeschluß gegen den verstorbenen König von Dänemark als Herzog von Schleswig-Holstein abdrängte, um sich die Möglichkeit der Aufrechthaltung des bekannten Londoner Protokolls zu wahren, als man dann, von gleichen Rücksichten geleitet, den vormächtlichen Zug nach Schleswig unternahm, da ahnte wohl nur Wenigen, jedenfalls Niemandem in der östreichischen Staatskanzlei, welchen Verlauf und welches Ende diese Verbindung der beiden Großmächte nehmen würde, – es hätte sonst Oestreich unmöglich in solcher Weise alles aufbieten, so große Opfer dafür bringen können, seinem erbittertsten Gegner seine Verdrängung aus dem Bunde – schließlich auf dem Wege der Waffengewalt zu ermöglichen, zu erleichtern! Es war eine sonderbare, unklare Zeit, als König Friedrich VII. mitten in den Reformbestrebungen Deutschlands starb, mit ihm der Mannesstamm ­seiner Linie erlosch, und damit die Verbindung der Herzogthümer mit Dänemark sich löste. Der Fürstentag hatte den freilich allzu kühnen Erwartungen gewisser Heißsporne keineswegs entsprochen. Leute, welche große politische Fragen wie kleine persönliche behandeln, mochten ein Schmollen Oestreichs begreiflich finden, das jedenfalls vom Standpunkt einer sich ihrer Ziele bewußten, denselben unausgesetzt mit nachhaltiger Beharrlichkeit zustrebenden Politik der unverzeihlichste Fehler war, den Oestreich begehen konnte; jedenfalls aber durfte dies Schmollen nicht über eine vorsichtige Zurückhaltung in den Bundesangelegenheiten hinausgehen. Das Eintreten in ein Unternehmen, das nur von Seite eines annexionssüchtigen Nachbars erklärlich war, das Deutschlands Recht und Interesse, und damit auch die wirklich wohlbegründeten Interessen Oestreichs aufs empfindlichste schädigen mußte, war einer der größten und folgereichsten Fehler, die Oestreich je beging. Wäre wirklich gelungen, was man beabsichtigte, so würden die Herzogthümer aufs neue für eine unabsehbare Reihe von Jahren an Dänemark gekettet, entweder den Kampf um die Selbständigkeit auf eigne Faust begonnen haben, oder selbst in dem (vom Standpunkt jener Politik) günstigsten Falle, wäre ihr Loos ein fortwährender Vorwurf gegen den Bund, ein unerschöpflicher Anlaß der bittersten Unzufriedenheit geblieben, welche jede wahre Beruhigung Deutschlands für alle Zukunft unmöglich gemacht haben würde. Das in solcher Weise verletzte Rechtsbewußtsein des deutschen Volkes würde sich nimmer beruhigt, seine Verletzung würde sich schließlich bei dem nächsten Anlaß bitter gerächt haben: nur Preußen konnte von solchen Verhältnissen eine Förderung seiner

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Annexionsplane erwarten! – Doch die Macht der Verhältnisse zerriß diesmal, wie schon so oft, die feingesponnenen Plane einer überklugen Staatsweisheit: die Vormächte, durch Dänemarks verblendete Hartnäckigkeit in ein unentwirrbares Netz von Widersprüchen und Verlegenheiten verwickelt, suchten und fanden auf der Londoner Conferenz ihr Heil in der Rückkehr auf den Standpunkt des Bundesrechts, in der Erklärung für das Recht der Herzogthümer auf ihre Selbständigkeit, für das Recht des Herzogs Friedrich VIII., und in der Anerkennung dieser Rechte durch den Bevollmächtigten des Bundes, – und Europa achtete – nicht die Ansprüche der Vormächte, sondern das Recht des deutschen Bundes, des deutschen Volkes! Hatte aber damals nur die Anerkennung des Bundesrechts die unseligen Folgen der Vormachtspolitik zu beseitigen vermocht, so war man wohl berechtigt zu erwarten, man werde nun in dieser Bahn beharren, Bundesrecht und Bundeszuständigkeit fernerhin besser beachten. Doch Preußens annexionslüsterne Absichten und Oestreichs maßlose Schwäche dem immer eigenmächtigeren Bundesgenossen gegenüber, führten sofort wieder in die kaum verlassene Bahn zurück. Im Wiener Frieden ließen die Vormächte sich dieselben Rechte Dänemarks auf die Herzogthümer, welche sie auf der Londoner Conferenz feierlich vor ganz Europa als völlig bedeutungslos anerkannt hatten, auf das förmlichste abtreten, und Oestreich trug durch diese für seine eignen Interessen völlig belanglose Abtretung wesentlich dazu bei, den Vorwand zu schaffen, an welchen sich alle neueren preußischen Ansprüche zu knüpfen suchen. Die beiden Vormächte waren nun Inhaber der Rechte und Ansprüche S. M. des Königs von Dänemark auf die Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg und die neue Phase vormächtlicher Politik entwickelte sich demgemäß. Es zeigte sich nun, wie wahr es ist, daß – wenn zwei dasselbe thun, es doch nicht dasselbe ist. Oestereich mochte beabsichtigt haben, jenem für seine Interessen werthlosen, ja höchst lästigen Mitbesitze möglichst bald ein Ende zu machen, der Erklärung vom 28. Mai 1864 gemäß, die ganze Herzogthümerfrage im Sinne des Bundesrechtes zu erledigen, und sich aus der ganzen Sache, je eher, je lieber, womöglich mit dem Ersatz seiner Kriegskosten herauszuziehen. Ganz anders Preußen: es wollte durch eine endlos verlängerte Besetzung und Regierung der Herzogthümer, diese für die Annexion gewinnen, – die Annexion thatsächlich so weit durchführen, daß es zu ihrer Vollendung nur noch der formellen Anerkennung der bereits in der Wirklichkeit bestehenden Verhältnisse bedurfte. Wie sehr auch die schroffe Rücksichtslosigkeit, mit welcher Preußen die Verdrängung der Bundestruppen aus den Herzogthümern betrieb, geeignet war, Bedenken über die ferneren Ziele des Bundesgenossen zu erregen, wagte es dennoch Oestreich nicht zum Bundesrecht zurückzukehren, für dasselbe einzustehen; es zog vor, den Weg der Vormachts-Politik noch weiter mit

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Preußen zu gehen, – hauptsächlich wohl in der Hoffnung, auf solche Weise all zu schroffe Uebergriffe seines immer eigenwilligern, immer gewaltthätigern Bundesgenossen zu verhindern, wenigstens eine völlige Vernichtung des Bundes, dessen Bestand denn doch ein wesentliches Interesse des Kaiserstaates ist, zu verhindern. Es ist allzu bekannt, wohin dieser Conflict der vormächtlichen Ansichten und Absichten führte. Nach noch nicht sechsmonatlichem Mitbesitz waren die Vormächte bereits auf dem Punkt angekommen, daß H. v. Bismarck nach einem Kriegsschauplatze suchte, wo der Kampf ausgekämpft werden könne, ohne dem Bunde Anlaß zur Dazwischenkunft zu bieten. Der Bundeskrieg ward zwar vertagt, aber statt nun endlich zum Bundesrecht oder zur Bundespflicht zurückzukehren, versuchte man abermals die unselige Vormachtspolitik, deren Gefahren, deren verderbliche Folgen Oest­ reich wahrlich zur Genüge kennen gelernt hatte, durch den Gasteiner Vertrag für eine unberechenbare Folgezeit fortzusetzen! Abermals erwies sich die Natur der Dinge stärker als die verkehrten Absichten der Menschen! Es ist wahrlich nicht Oestreichs Schuld, daß der anfangs von Preußen mit Recht als ein großer Erfolg gefeierte Gasteiner Vertrag den dort davon gehegten Erwartungen nicht entsprach: es ist das vor allem das Verdienst der Treue und Ausdauer, mit welchen das edle Volk der Herzogthümer und vor allem Schleswigs allen Versuchen und Versuchungen der preußischen Annexion, eben so wie der desfalls angewandten Gewalt und Bedrückung mannhaft widerstand; – es ist die ganz einfache Folge der ­ Rechtswidrigkeit, der Unnatur eines Verhältnisses, welches ein völlig unberechtigtes, unklares Provisorium an die Stelle vollberechtigter klarer Zustände zu setzen suchte, die alle Interessen befriedigen würden, jene preußischer Ländergier ausgenommen. Mit Hülfe seiner Kronsyndici hat man sich aus den nichtigsten Vorwänden eines sophistischen Staats- und Völkerrechts, wie es noch kein Eroberer je sophistischer und rechtloser aufzustellen versucht hat, und aus hohlen Redensarten über Preußens deutschen Beruf, der stets nur zum Deckmantel des preußischen Egoismus dienen muß, einen Anspruch auf den Besitz der Herzogthümer zusammen gestoppelt, welchen man nun in Ermangelung anderer Gründe, einfach auf dem Wege der Waffengewalt zur Geltung zu bringen versucht. So hat man es denn mit jener einst so gepriesenen Vormachtspolitik so herrlich weit gebracht, daß Preußen den casus belli bereits als gewissermaßen vorhanden voraussetzt, und seine Bundesgenossen, die Mitglieder des deutschen Bundes, dessen erster, heiligster Zweck Verhütung der Selbsthülfe, des Krieges unter Bundesgliedern, ist, nicht zur Erfüllung dieser ihrer Bundespflicht, sondern zur Theilnahme an seinem Krieg gegen Oestreich auffordert,

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im Falle es von Oestreich angegriffen oder durch unzweideutige Drohungen zum Krieg genöthigt werde. Es giebt wohl kaum einen Menschen in ganz ­Europa, der im Ernste an einen Angriff Oestreichs auf Preußen glaubte. – Oestreich, das im vorigen Frühjahr die unbegreifliche Naïvität hatte, offen auszusprechen, daß es einen Krieg nicht führen könne, daß es Alles thun werde, um einen Krieg zu vermeiden, Oestreich, das sich seitdem wahrlich in keiner Weise gekräftigt hat, seitdem nicht die mindeste Spur größeren Selbstgefühls gezeigt hat, – das rings von den größten Schwierigkeiten umgeben ist, deren Lösung jedenfalls Menschenalter in Anspruch nehmen wird, – dieses Oestreich soll nun mit einem Male Preußen angreifen, überfallen wollen! Die Beschuldigung ist so unwahrscheinlich, so ganz unglaublich, daß man seinen Augen nicht traut, – und doch ist sie mit der ernstesten Miene, und unverkennbar in der ernstesten Absicht erhoben. Als Beweis für jene so völlig unglaubliche Beschuldigung werden angeb­ lich[e] Rüstungen Oestreichs angeführt, während Preußen behauptet, seinerseits nichts der Art vorgenommen zu haben. Die preußischen Berichte über diese Rüstungen tragen unverkennbar das Gepräge der Unwahrheit, der ­Fabrication an sich: die Berichterstatter kennen nichts von Bestand und Ein­ theilung des östreichischen Heers: es wird z. B. von den 4 Bataillonen eines Infanterieregiments auf dem Marsch gesprochen, während sie nur 3 haben, von Chevauxleger-Regimentern1, die seit Jahren nicht mehr bestehen, von Divisionen und Brigaden, wo nur einzelne Bataillone stehen u. s. w. Zur richtigen Beurtheilung der Sache ist aber vor allem der frühere Stand der Dinge ins Auge zu fassen. Oestreich hat zumal seit den Budget-Verhandlungen und Festsetzungen des Sommers 1865 seinen Militär-Etat auf einen früher noch nie dagewesenen Stand herabgesetzt. Die Infanterieregimenter sind auf 3 Bataillone, der präsente Mannschaftsstand auf 60–70 Mann per Compagnie reducirt; die vierten Bataillone sind durchgängig in die sogenannten Werbbezirke verlegt, und dort auf den möglichst geringen Mannschaftsstand gesetzt; der Pferdestand, zumal bei der Artillerie, ist auf das unentbehrlichste beschränkt worden; – kurz alles wurde auf den tiefsten Frieden berechnet und danach bemessen: nur die Armee in Italien wurde in einem den dortigen Verhältnissen entsprechenden Stande belassen. Daß der Uebergang aus einem solchen vollkommenen Friedensstand zur Verwendbarkeit vor dem Feinde viele zeitraubende Vorbereitungen erfordert, ist selbstverständlich! Die ersten Truppenbewegungen in Böhmen waren sicher Folge der dort ausgebrochenen, schmählichen Judenverfolgungen: erst in Folge der neuerlichen maßlosen Kriegsdrohungen Preußens traf man Anstalten zur nothdürftigen Deckung der Grenzen. 1 Chevauxleger = leichte Kavallerie.

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Ganz anders in Preußen: dort hat die neue Organisation ein mindestens eben so zahlreiches Heer geschaffen, als das Oestreichs, ein Heer, welches auf einem viel kleinern Flächenraum vertheilt, bezüglich aller Bewegung sich zahlreicher Eisenbahnverbindungen bedienen, und sonach auf jedem beliebigen Punkte viel schneller zusammengezogen werden kann, als das östreichische! Dazu kömmt aber noch, daß das preußische Heer, weit entfernt von einem Friedenszustande, wie jener des östreichischen, vielmehr seit Jahren auf einem gewissen Bereitschaftsstande sich befindet, der namentlich zur Zeit des dänischen Krieges in vielen Theilen des Heeres bis zum völligen Feldstande erhöht und seitdem, Beurlaubung von Mannschaften etwa abgerechnet, die jeden Tag wieder einberufen werden können, nicht wieder aufgehoben wurde. Die Möglichkeit des Angriffes, des Ueberfalles ist sonach auf Seite Preußens in ganz anderm Maße gegeben, als auf Seite Oestreichs. Dazu noch die maßlosen Drohungen, in denen sich die gesammte offiziöse Presse Preußens seit Monaten, ja seit Jahresfrist ergeht! Die Blätter, deren enge Verbindung mit dem preußischen Preßbüreau2, ja mit der Person des leitenden Ministers ein öffentliches Geheimniß ist, sprachen von dem Kriege mit Oestreich, von dem Hinauswerfen der Oestreicher aus Holstein u. s. w. so offen und ­unumwunden, wie man es anderwärts kaum unmittelbar vor einer Kriegs­ erklärung wagen würde, wie man es nur dann thut, wenn man den Krieg will, aber die Verantwortung scheut, ihn zu beginnen und deshalb durch derartige Herausforderungen den Gegner so weit zu reizen sucht, daß er selbst sich zur Eröffnung der Feindseligkeiten hinreißen läßt. Wenn unter solchen Verhältnissen, nachdem man in Berlin bereits mit absichtlicher Schaustellung großen Kriegsrath gehalten, Oestreich endlich die Gefahr eines Ueberfalles ins Auge faßte, welcher so ganz im Charakter und Ideengange des Grafen Bismarck liegt, – wenn es in seinen am meisten bedrohten Provinzen Maßregeln ergreift, um einem plötzlichen Angriffe nicht wehrlos preisgegeben zu sein, so kann das wahrlich nicht befremden und am allerwenigsten als eine Bedrohung Preußens aufgefaßt werden, wozu es ganz andrer Hülfsmittel bedürfte, als Oestreich bisher zur Verfügung hat. Wenn ein kampfbereites, mit allen Erfordernissen für den Krieg und seine Operationen versehenes Heer auf den zum Einfalle in das jenseitige Gebiet geeigneten Plätzen zusammengezogen wäre, könnte allenfalls von einer Bedrohung die Rede sein, obwohl selbst eine solche niemals zum sofortigen Beginn des Krieges berechtigen kann, am allerwenigsten zwischen Staaten, welche sich gegen2 Gemeint ist die preußische „Zentralstelle für Preßangelegenheiten“, die aus dem 1848 gegründeten „Literarischen Kabinett“ hervorgegangen war und unter der direkten Kontrolle des preußischen Ministerpräsidenten stand. Vgl. dazu Wappler, Regierung und Presse in Preußen; Koh­ nen, Pressepolitik des Deutschen Bundes, S. 135–140.

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seitig verpflichtet haben, nicht von dem traurigen Nothrechte des Krieges Gebrauch zu machen. Um wie viel weniger im vorliegenden Falle, wo die Abneigung Oestreichs, irgend wie in ein Unternehmen sich einzulassen, welches zu einem ernsten Zerwürfnisse mit Preußen führen könnte, wo die vollwichtigen Gründe, welche, selbst ganz abgesehen von den Bundesgesetzen, es Oestreich zur ersten und heiligsten Pflicht fast möchte man sagen der Selbsterhaltung machen, einem Kriege, wenn irgend möglich, auszuweichen, so klar und unverkennbar vor Augen liegen. – Es ist ganz unverkennbar, daß an einen Angriff von Seite Oestreichs nicht zu denken ist, eben so wenig aber auch an eine Bedrohung Preußens durch Oestreich, welche ersteres irgend wie gefährden, viel weniger zu einem Angriffe veranlassen, noch viel weniger aber berechtigen könnte. Aus dem Gesagten geht wohl klar hervor, daß nicht der mindeste Anlaß dazu vorlag, die deutschen Bundesstaaten aufzufordern, sich über ihre Betheiligung an einem möglicher Weise bevorstehenden Kriege zwischen Preußen und Oesterreich auszusprechen und daß diese mit vollem Rechte auf Art. 11 der Bundesacte hingewiesen haben, welcher die Kriegführung zwischen Bundesgliedern überhaupt untersagt und sie verpflichtet, ihre Streitigkeiten am Bunde zu schlichten. Aber das ist es eben, was Preußen vermeiden will, – nicht etwa wie es vorgiebt, weil es vom Bunde rechtzeitige Hülfe nicht erwarten könne, – diese würde ihm, wenn je nöthig, vor allem seine vortreffliche Heeresverfassung weit mehr als zur Genüge bieten, sondern weil es eben keine begründete Beschwerde vorzubringen vermag, – weil es eben doch trotz allem und allem vom Bunde nicht verlangen kann, daß er es in seinen bundesrechtswidrigen Bemühungen zur Annexion der Herzogthümer unterstützen, daß er Oestreich anhalten solle, den an und für sich bundesrechtswidrigen Gasteiner Vertrag in dem, den preußischen Annexionsbestrebungen günstigsten Sinne zu vollziehen, und weil es andre Beschwerden eben gar nicht hat! Weit mehr Grund, die Bundesstaaten zur Wahrung des Rechtsfriedens im Bunde aufzufordern, hat unstreitig Oestreich, das nicht nur durch fortgesetzte Drohungen in der Presse u. s. w., sondern auch durch die täglich umfassender werdenden Kriegsrüstungen Preußens ernstlich bedroht erscheint. So lange aber Oestreich sich seiner Stellung im Bunde und der Pflichten, welche er ihm auferlegt, eben so wenig eingedenk zeigt, als Preußen, würde es von Seite des Bundes ein vergebliches Bemühen sein, einschreiten zu wollen. – Wie sehr man die Thatsache auch beklagen mag, es steht eben leider fest, daß der Bund gegen die beiden Großmächte zugleich seine Autorität mit Erfolg geltend zu machen nicht vermag und daß ihm deshalb auch nichts übrig bleibt, als in Streitigkeiten zwischen denselben nicht eher einzuschreiten, bis einer derselben sein Dazwischentreten anruft und dann je nach Lage der Rechtsfrage für oder

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gegen denselben einzutreten. Oestreich hat im ganzen Verlaufe der schleswigholsteinschen Frage das Verfolgen seiner Vormachtspolitik im Verein mit Preußen immer wieder dem correcten bundesrechtlichen Standpunkte vorgezogen und das Geltendmachen des letztern verhindert, der Bund muß also ernstliche Bürgschaften dafür erhalten, daß sich ähnliches nicht wiederhole; daß Oestreich den in Aussicht gestellten Weg auch ernstlich betrete und darauf verharre. Erst wenn Oestreich sich des ganzen Umfanges seiner Pflichten gegen den Bund erinnert und dieselben anerkennt, kann der Bundestag über die Geltendmachung des Art. 11 Beschlüsse fassen, und wird dann auch seiner Pflichten eingedenk sein! Dies ist es, was Preußen fürchtet, und nicht mit Unrecht, – denn was auch die Feinde Deutschlands und seiner Wohlfahrt und Entwicklung gegen den Bund und zu seiner Verkleinerung und Herabwürdigung thun und sagen mögen, der Bund hat noch immer Bedeutung und Geltung – nicht nur in Deutschland, – auch über dessen Grenzen hinaus, – dort fast mehr als daheim, wie es die Vorgänge auf der letzten Londoner Conferenz zur Genüge bewiesen haben, wo der Ausspruch des Bundesbevollmächtigten es war, welcher Deutschland von dem Alp des Londoner Protokolls befreite und dasselbe zum werth­ losen Material warf. – Deshalb sucht man denn auch von jener Seite alles hervor, was ein Lahmlegen des Bundes in der gegenwärtigen Verwicklung bewirken könnte, deshalb wirft Preußen den Köder der Bundesreform aus, deshalb suchen Jene, welche durch ihr fortwährendes Verkünden des Herrscherberufes Preußens so unendlich viel dazu beigetragen, die Selbstsucht und Selbstüberhebung Preußens bis zu dem Punkte zu steigern, wohin es jetzt gekommen ist, die Idee der bewaffneten Neutralität in Umlauf zu setzen und anzupreisen. Nie ist ein vom Standpunkte des Rechts sowohl als der Staatsklugheit verwerflicherer Gedanke gefaßt worden, als der einer bewaffneten Neutralität der Mittel- und Kleinstaaten in dem Conflicte der sogenannten Vormächte. Es ist traurig genug, daß die Macht der Verhältnisse es jenen nicht möglich macht, Oestreich und Preußen zur Wahrung des Rechtsfriedens im Bunde zu zwingen; eine bewaffnete Neutralität aber, dem Anrufen eines der streitenden Theile gegenüber, wäre nicht nur die offenbarste Verletzung der Verpflichtungen des Art. 11 der Bundesacte, sondern auch der größtmögliche politische Fehler! Der Bund ist zur Sicherung des Rechtszustandes, zur Ausschließung von Selbsthülfe und Krieg zwischen den Bundesgliedern geschlossen, und in dem ersten Falle, in welchem der Bund zur Erfüllung dieser seiner höchsten ­Aufgabe und Pflicht aufgerufen würde, rathen Die, welche seine Thaten- und Erfolglosigkeit, seine Passivität beständig im Munde führen, ihm zu einer Passivität, welche zugleich die schreiendste Pflichtverletzung, die Vernichtung des Bundes selbst wäre.

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Aber auch vom Standpunkte der Staatsklugheit ist die bewaffnete Neutralität ganz eben so verwerflich wie von dem des Bundesrechts und der Bundespflicht. – Ganz abgesehen davon, daß eine solche bei den geographischen Verhältnissen Deutschlands gar nicht aufrecht zu halten wäre und dem Bunde ganz dieselben Opfer kosten würde, wie die Betheiligung, welche die Bundespflicht fordert, würde sie jedenfalls ganz dieselben Nachtheile für die Be­ theiligten zur Folge haben. – Die Vormächte würden sich früher oder später verständigen und dann unzweifelhaft über die bundesbrüchigen Bundesgenossen herfallen und auf deren Kosten sich für die Opfer entschädigen, welche ihnen der Krieg gekostet. Die bewaffnete Neutralität ist die Lieblingsstellung des Starken, der, um die Beute leichter zu erlangen, abwarten will, bis die Gegner sich hinreichend geschwächt haben, um dann seinem Machtgebote keinen Widerstand leisten zu können, oder durch sein Eintreten in den Krieg diesen sofort zu eignen Gunsten zu entscheiden. Welche Folge die bewaffnete Neutralität für den Schwachen hat, lehrt die Geschichte Preußens vom Basler Frieden bis zu dem von Tilsit, der wesentlich die Folge der preußischen Neutralität im östreichischen Kriege von 1805 war. Selbst Oestreich krankt noch an den Folgen ­seiner unglückseligen bewaffneten Neutralität von 1854, die ihm den Haß Rußlands und Niemands Zuneigung und Vertrauen erworben hat.3 – Eine bewaffnete Neutralität der Mittel- u. s. w. -Staaten wäre, wir wiederholen es, ein offenbarer Bundesbruch und zugleich der größt-mögliche politische Fehler. Die nun endlich von Preußen angeregte Reform der Bundesverfassung hat, von dieser Seite und in diesem Augenblicke vorgebracht, offenbar nur die Bedeutung einer Diversion, – sie soll die Blicke von dem Ernste der übrigen Lage ablenken. Jedermann weiß, welche Schwierigkeiten die Ansprüche der preußischen Parteien, mochten sie nun Gothaer, Nationalverein oder Fortschrittspartei sich nennen oder genannt werden, der Widerstand der preußischen Regierung bisher einer Bundesreform entgegen gesetzt haben. – Das 3 Während des Krimkriegs hatte die österreichische Regierung versucht, der russischen Politik, die in Wien als Bedrohung der österreichischen Stellung auf dem Balkan angesehen wurde, durch politische und militärische Maßnahmen entgegenzutreten. Am 20. April 1854 hatte Österreich mit Preußen ein Schutz- und Trutzbündnis abgeschlossen, worin sich beide Mächte zur gemeinsamen Verteidigung ihres gesamten deutschen und außerdeutschen Gebietes verpflichteten. Am 2. Dezember 1854 ging Österreich eine Allianz mit den Westmächten Frankreich und Großbritannien ein, die auf der Krim gegen Rußland kämpften. Wenig später, am 24. Dezember 1854, beantragte Österreich in der Bundesversammlung die Mobilmachung der Bundesarmee, doch bekräftigte der Bund auf Drängen Preußens seine neutrale Stellung und erklärte sich lediglich dazu bereit, die Bundeskontingente „bereit zu stellen“. Vgl. dazu ­Unckel, Österreich und der Krimkrieg; Baumgart, Österreich und Preußen im Krimkrieg; ­Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 224–247; QGDB III/2, S. 368, Anm. 1.

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dürfte sich neuerdings etwas gebessert haben, die Parteien wenigstens, welche früher das preußische Banner so hoch erhoben, welche durch die Art, wie sie das thaten, so wesentlich dazu beitrugen, preußische Selbstüberhebung auf den jetzigen Gipfelpunkt zu erheben, stellen – aus welchen Gründen und für wie lange, mag hier unerörtert bleiben – die preußische Fahne in den Hintergrund und ganz Deutschland erkennt mit Verwunderung, wie wenig das Preußen der Wirklichkeit den Schilderungen entspricht, welche berufne und unberufne Lobredner absichtlich und unabsichtlich, wissentlich und unwissentlich davon entworfen hatten, wie es statt der Musterstaat der Freisinnigkeit und des Fortschrittes, vielmehr jener der unumschränkten Fürstengewalt und des Rückschrittes ist, wozu es von den geistreichsten Trägern der Principien des Absolutismus in der Blüthezeit dieses Systems angelegt und seitdem – wenige kurze lichtere Zwischenräume abgerechnet, – mit unübertroffner Folgerichtigkeit fortgebildet und entwickelt worden ist! Jedermann sieht jetzt, was Preußen ist, und man begreift allmählich, daß ein so mächtiger, so stark und richtig gegliederter Organismus sehr starker und sehr langer Einwirkungen von entgegengesetzter Richtung bedarf, daß Menschenalter darüber vergehen werden, ehe Preußen auch nur jenen Grad der Entwicklung eines Verfassungslebens erreichen wird, wie er in beinahe allen deutschen Mittel- und Kleinstaaten besteht. Die Ansprüche der preußischen Hegemonisten werden sohin wesentlich herabgestimmt sein, nicht so jene der preußischen Regierung: H. v. Bismarck wird in der Bundes-Reformfrage kaum weniger selbstherrlich auftreten als in jener der Herzogthümer, deren innerer Zusammenhang jetzt von allen Seiten in einer Weise anerkannt wird, welche zu der Forderung berechtigt, nun auch beide Fragen gemeinsam zu erledigen, sich nicht mit einer kläglichen Verständigung oder gar nur Vertagung jener Frage abfinden zu lassen, welche die Möglichkeit der Wiederholung ähnlicher Zustände offen läßt. Niemand wird sich über die Schwierigkeit der Aufgabe täuschen: nichts ist zwar leichter als Entwürfe zu allen möglichen Verfassungen, Volksvertretungen mit Wahl- und Geschäftsordnungen u. s. w. zu entwerfen, aber sobald es zur Durchführung kommen soll, häufen sich die Schwierigkeiten in eben dem Maße, als die Zahl und der Umfang der Aufgaben! – Je mehr die Zahl der letztern vermindert, ihr Umfang beschränkt wird, um so eher werden sie erreicht! Nicht darum kann es sich heute handeln, eine ganz neue Bundesorganisation bis in ihre letzten Einzelheiten aufzustellen, sondern nur dem dringendsten Bedürfnisse des Augenblickes Befriedigung zu gewähren! – Dies ist aber unstreitig die Anerkennung der Berechtigung und Geltung der Stimme des Volkes in Bundesangelegenheiten. Nachdem dem Volke in allen Einzelstaaten, zuletzt auch in den Großstaaten, die wesentlichste Einwirkung auf die Ordnung seiner Angelegenheiten eingeräumt ward und geübt wird, ist es

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ein nicht länger zu ertragender Mangel, daß gerade da, wo die wichtigsten höchsten Interessen des Vaterlandes erörtert und festgestellt werden, das Volk nicht gehört wird, kein anerkanntes Organ besitzt, um seine Ansichten auszusprechen und zur Geltung zu bringen, und das Programm des Reformvereines gewinnt hier wieder seine lange verkannte Bedeutung. Es kann heute nicht die Rede davon sein, in die Einzelfragen bezüglich der Durchführung jener Volksvertretung einzugehn, mit welcher selbstverständlich auch die Bundesreform nicht vollendet und abgeschlossen sein wird: aber dieselbe wird jedenfalls der erste und in soferne erfolgreichste Schritt sein, als mit demselben eben die Durchführbarkeit aller folgenden in wirksamster Weise angebahnt wird. – Selbst die jedenfalls schwierigste Frage der Central-Vollzugsgewalt wird dadurch wesentlich beeinflußt werden, kein – auch nicht der mächtigste – Einzelstaat wird ferner die Beschlüsse der Bundesbehörden in der Art mißachten können, wie es bisher geschah, wenn diese Beschlüsse nicht mehr bloß aus den verschlossenen Sälen des Bundespalastes hervorgehen, wenn sie sich auf den Ausspruch der Volksvertretung am Bunde, auf die öffentliche Meinung des gesammten deutschen Volkes stützen, welches in jener Vertretung seine berechtigten anerkannten Organe findet! Es wird nicht an Stimmen fehlen, welche ein solches Begehren als viel zu bescheiden tadeln, ja verwerfen werden: es sind aber in der Politik wie in der Natur die Keime stets unendlich viel kleiner als was aus ihnen erwächst, und nicht die Größe des Keimes, sondern die Sorgfalt und Beharrlichkeit, womit er gepflegt und entwickelt wird, entscheidet über Gedeihen oder Verkommen. Reife, der Freiheit durch praktische Uebung gewohnte Völker zeichnen sich dadurch aus, daß sie ihre Reformen allmählich, Schritt für Schritt unternehmen, immer nur das zunächst Nothwendigste ins Auge fassen und zu erreichen suchen: das Beispiel Englands, Amerika’s, der Schweiz bewährt dies in jeder Beziehung: nur unreife, der Freiheit ungewohnte Völker glauben alles auf einmal, und an einem Tage erreichen zu können und zu sollen, weil sie eben der eignen Kraft und Ausdauer mißtrauen, durch einen Glücksfall zu gewinnen hoffen, was nur die Frucht ihrer beharrlichen Anstrengungen sein kann und sein soll, was sie, wenn sie es nur als Geschenk des launigen Zufalls, nicht als Frucht eigner Arbeit und Mühen erhalten haben, weder zu schätzen noch richtig zu benützen wissen und in neun Fällen unter zehen schließlich wieder verlieren! – Gebe Gott, daß das deutsche Volk sich dadurch als ein politisch reifes bewähre, daß es nur solche Ziele sich stellt, ­welche auch erreicht werden können, daß es aber auch mit unermüdlicher Beharrlichkeit auf denselben besteht, bis sie erreicht sind. Kein Krieg zwischen Bundesgenossen: treue Beachtung und Uebung von Bundesrecht und Bundespflicht im Streite Oestreichs und Preußens sowohl als in dem der Herzogthümer, keine bundesverrätherische und Deutschland

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verderbende lahme und feige Neutralität, Bundesreform, wäre es vorerst auch nur Volksvertretung am Bunde, – das sei das Losungswort jedes deutschen Mannes, das fordre das deutsche Volk vom Rhein bis zur Oder, von den Alpen bis zur Nordsee – und der Gott, der Recht und Sittlichkeit schützt und erhält, wird es erhören!   Antrag Preußens auf Bundesreform 

189. Antrag Preußens auf Reform der Bundesverfassung

ProtDBV 1866, S. 99–104. Veröffentlicht u. a. in: Bayerische Zeitung Nr. 100 v. 11. April 1866, Beilage. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 1–5; Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 325–328 (gekürzt); Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 223–224 (Auszug); Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 155 (nur Antrag).

Die Reform der Bundesverfassung ist ein unabweisbares Bedürfnis. Der Bund ist in ei­ nem unhaltbaren Zustand, woraus schwere Gefahren für das Vaterland erwachsen. Der Bund ist in seiner gegenwärtigen Gestalt für die Sicherstellung der nationalen Unab­ hängigkeit und für die Erfordernisse einer aktiven Politik nicht ausreichend. Preußen kann zudem aus Gründen der militärischen Sicherheit nicht länger über die Unzuläng­ lichkeiten der Bundesverfassung hinwegsehen. Preußen schlägt vor, sofort durch einen Bundesbeschluß eine Versammlung von direkt und nach allgemeinem Stimmrecht ge­ wählten Volksvertretern zu berufen, die bei der Bundesreform mitwirken soll.

12. Sitzung

Frankfurt am Main, 9. April 1866

§ 90. Reform der Bundesverfassung. Preussen. Der Gesandte ist von seiner allerhöchsten Regierung beauftragt, einen die Reform des Deutschen Bundes betreffenden dringlichen Antrag hoher Bundesversammlung zu beschleunigter Erwägung und Beschlußfassung zu unterbreiten. Eine Reform der Bundesverfassung ist seit langer Zeit und schon vor den Krisen des Jahres 1848 von der Königlichen Regierung als ein unabweisbares Bedürfniß erkannt worden. In dieser Ueberzeugung aber stimmt sie so vollkommen mit der ganzen Nation und insbesondere auch mit der von den übrigen deutschen Regierungen ausgesprochenen und durch mehrfache Versuche praktischer Lösung bethätigten Ansicht überein: daß sie glaubt sich der Verpflichtung entheben zu können, im Allgemeinen diejenigen Gründe noch näher zu entwickeln, welche im Interesse der Gesammtheit und nach Maßgabe der realen Verhältnisse die gegenwärtig bestehende Bundesverfassung als ungenügend erscheinen lassen. Die Königliche Regierung will nur noch an die aus diesem Bedürfniß hervorgegangene Berufung des Fürstentages nach Frankfurt a. M. im Jahre 1863

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erinnern. Oesterreich hat damals erklärt, daß weder es selbst, noch Preussen „sich mit irgend einem Grade von Vertrauen auf den Bund in seinem jetzigen Zustande stützen könne“, und es hat die Hoffnung, „daß die morschen Wände den nächsten Sturm noch aushalten möchten“, als einen bloßen Wunsch bezeichnet, der dem Gebäude die nöthige Festigkeit nicht wiedergeben könne.1 Wenn gleich Preussen an den damaligen zur Abhülfe dieses Zustandes eingeleiteten Schritten nicht hat Theil nehmen können, so hat es doch ausdrücklich auch seinerseits bei dieser Gelegenheit Veranlassung genommen, das Bedürfniß der Reform anzuerkennen, und in seiner Eröffnung an die deutschen Regierungen vom 22. September 1863 sich darüber klar ausgesprochen.2 Seit jener Zeit sind wichtige Ereignisse eingetreten, welche die Schäden der bestehenden Bundesverhältnisse in ein noch helleres Licht gestellt haben, und die gegenwärtige politische Krisis ist geeignet, die schweren Gefahren vor aller Augen darzulegen, welche aus einer längeren Fortdauer des unhaltbaren Zustandes für die Wohlfahrt und den Frieden des Vaterlandes erwachsen müssen. Zunächst hat der Dänische Krieg gezeigt, daß der Bund in seiner gegenwärtigen Gestalt für die Sicherstellung der nationalen Unabhängigkeit und für die Erfordernisse einer activen Politik, wie solche in großen politischen Krisen jeden Augenblick hervortreten können, auch unter den günstigsten Verhältnissen nicht ausreichend ist. Denn selbst hier, wo die beiden deutschen Großmächte in voller Einigkeit der Nation vorangingen, hat es auf Grund der Bundesinstitutionen nicht gelingen wollen, Deutschland an einer activen, nationalen und erfolgreichen Politik Theil nehmen zu lassen. Insbesondere ist in dieser Epoche auch erwiesen worden, daß die BundesMilitäreinrichtungen nicht in der für die Sicherheit Deutschlands unbedingt nothwendigen Weise geordnet sind: eine Erfahrung, welche die Königliche Regierung vorausgesehen und der sie ihrerseits durch die ernstesten, leider jedoch vergeblichen Bemühungen für eine rechtzeitige und wirksame Reform dieses Theils der Bundesinstitutionen vorzubeugen gesucht hatte. Sodann aber hat die gegenwärtige Phase der politischen Situation der Königlichen Regierung die Ueberzeugung geben müssen, daß der Bund in seiner jetzigen Verfassung selbst die inneren Gefahren zu überwinden nicht in der Lage ist. Die Bundesverfassung beruht überhaupt auf der Voraussetzung, daß Oester­ reich und Preussen in ihrer Politik sich einig wissen und einig auftreten; und 1 Österreichisches Promemoria für König Wilhelm I. von Preußen, übergeben am 3. August 1863 in Gastein; siehe Dok. 33, S. 190. 2 Siehe Dok. 79.

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wenn die Bundeseinrichtungen noch immer haben fortbestehen können, so ist dieß vorzugsweise der im Gesammtinteresse fortgesetzt bewiesenen Nachgiebigkeit Preussens gegen Oesterreich zu danken. Einen ernsthaften Antagonismus aber zwischen Oesterreich und Preussen können die Bundesverhältnisse nicht ertragen, und die gegenwärtige gespannte Situation zwischen beiden Mächten hebt daher in Wahrheit gerade die Voraussetzungen auf, welche allein die volle Durchführung der Bundesverfassung möglich machen. Von diesem Gesichtspunkte aus sah sich die Königliche Regierung veranlaßt, an die einzelnen deutschen Bundesregierungen sich zu wenden und an sie eine Anfrage über die von ihnen zu erwartende Unterstützung im Falle ­eines Angriffs gegen Preussen zu richten. Die hierauf erhaltenen Erwiederungen können indeß der Königlichen Regierung in keiner Weise zu einer Beruhigung dienen, welche sie über die Unzuläng­lichkeit der Bundesverfassung selbst hinwegsehen ließe. Im Angesicht drohender Oesterreichischer Rüstungen ist die Königliche Regierung von den übrigen deutschen Regierungen auf den Artikel XI der Bundesacte verwiesen worden, d. h. auf einen in der Bundesversammlung zu stellenden Antrag, während dessen Prüfung und Berathung die Rüstungen und Kriegsvorbereitungen ihren Fortgang gehabt haben würden und voraussichtlich lange vor der Fassung eines Bundesbeschlusses auf einen Punkt gediehen sein dürften, wo sich der Krieg unmittelbar aus denselben entwickelt hätte. Ein solcher Hinweis auf Artikel XI kann daher nur bedeuten, daß Preussen in dem bezeichneten Falle ganz allein auf sich und seine eigene Kraft angewiesen sein und ihm die Hülfe des Bundes in jedem Falle zu spät kommen würde. In verstärktem Maße aber wird diese Verspätung bei jeder europäischen Complication oder jeder Bedrohung durch eine auswärtige Macht eintreten und mit Preussen auch das übrige Deutschland einem auswärtigen Angriffe unvorbereitet gegenüber stellen. Bei der jetzigen Organisation der Militärmacht in allen großen Staaten entwickeln sich Kriege rascher, als die Bundesbeschlüsse unter den bisherigen Formen. Soll Preussen aber in den großen europäischen Krisen auf seine eigenen Kräfte angewiesen bleiben, so verlieren die Bundeseinrichtungen nicht allein ihren Werth für dasselbe, sondern sie werden ihm zu Hindernissen und Hemmungen in der Entfaltung seiner Kräfte und der Fassung seiner Entschlüsse: ein Verhältniß, bei welchem jedes naturgemäße und richtige Maß von Leistungen und Gegenleistungen fehlt. Wenn die Königliche Regierung in erster Linie die politische und militärische Mangelhaftigkeit der Bundesinstitutionen hervorheben zu müssen geglaubt hat, so ist es kaum nöthig, noch besonders darauf hinzuweisen, wie

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viele das Interesse der Nation in ihrer inneren Entwickelung nahe berührende Fragen auf anderen Gebieten durch eine entsprechende Mangelhaftigkeit der Bundesverfassung unerledigt geblieben sind. Der Zollverein hat nach einer Seite hin dem Bedürfnisse, welches der Bund nicht befriedigen konnte, abgeholfen, aber es bleiben noch ganz andere berechtigte Bedürfnisse des Volkes übrig, um auch mit Rücksicht auf diese das Verlangen nach einer Reform zu begründen. Von allen Seiten her drängt sich demnach die Nothwendigkeit auf, die große Frage nicht länger zu verschieben. Eine hervorragende deutsche Regierung hat in ihrer nach Berlin und Wien gerichteten neuerlichen Mittheilung den Gedanken ausgesprochen, daß die gegenwärtige zwischen Preussen und Oesterreich drohende Kriegsgefahr der Ausdruck des Mißbehagens über die mangelhafte Gestaltung der Bundesverhältnisse sei, und es ist hieran der Ausdruck der Bereitwilligkeit geknüpft worden, ihrerseits auf Verhandlungen über eine Umgestaltung des Bundesverhältnisses einzugehen.3 Die Königliche Regierung selbst kann um so weniger an einer gleichen Bereitwilligkeit aller ihrer hohen Mitverbündeten zweifeln, als solche eben so sehr durch das Interesse jedes einzelnen deutschen Staates wie des gesammten Vaterlandes geboten ist. Denn wenn Deutschland in derjenigen Verfassung, in welcher es sich gegenwärtig befindet, großen europäischen Krisen entgegensehen sollte, so wird es entweder der Revolution oder der Fremdherrschaft verfallen. Zu der Frage nun von der Neugestaltung der Bundesverfassung selbst kann sich die Königliche Regierung, was ihren eigenen Standpunkt betrifft, im Wesentlichen auf die an die deutschen Regierungen unter dem 22. September 1863 gerichtete Eröffnung4 einfach zurückbeziehen. Sie glaubt indeß schon jetzt darauf bedacht sein zu sollen, daß neuen Verhandlungen ein besserer Erfolg als bisher gesichert werde, und daß die Bundesversammlung zuvörderst die Mittel und Wege in ernsteste Erwägung ziehe, welche den Regierungen wie der Nation in dieser Hinsicht eine beruhigende Zuversicht für die weitere Entwicklung der Angelegenheit gewähren können. Die Geschichte der mannigfachen in den letzten Jahrzehnten unternommenen Reformversuche hat erfahrungsmäßig gelehrt, daß weder die einseitigen Verhandlungen unter den Regierungen, noch die Debatten und Beschlüsse ­einer gewählten Versammlung allein im Stande waren, eine Neugestaltung des nationalen Verfassungswerkes zu schaffen. Wenn erstere immer bei dem Austausch verschiedenartigster Meinungen und der Ansammlung eines endlosen Materials stehen geblieben sind, so geschah dieß, weil es an der ausgleichenden und treibenden Kraft des nationa3 Gemeint ist die bayerische Regierung; siehe Dok. 183. 4 Siehe Dok. 79.

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len Geistes bei diesen Verhandlungen fehlte und die partikularistischen Gegensätze zu schroff und einseitig dabei festgehalten wurden. Ein solcher, zu höherer Einigung der Gegensätze führender Factor ist nur in einer aus allen Theilen Deutschlands gewählten Versammlung zu finden. Wollten dagegen die Regierungen einer solchen Versammlung allein die Initiative bezüglich der Reconstruction der Bundesverfassung überlassen, wie dieß im Jahre 1848 geschah, so würden dieselben Gefahren der Ueberhebung und der Nichtachtung des in deutscher Eigenthümlichkeit wirklich Begründeten wieder erwachsen und damit auch die Hoffnungen des deutschen Volkes einer neuen Täuschung entgegengeführt werden. Nur durch ein Zusammenwirken beider Factoren kann daher, nach der festen Ueberzeugung der Königlichen Regierung, das Ziel erreicht werden, daß auf dem Grunde und innerhalb des Rahmens des alten Bundes eine neue lebensfähige Schöpfung erstehe. Diese Erwägung ist es, welche die Königliche Regierung zu dem Vorschlage an ihre hohen Mitverbündeten bestimmt, die Reform des Bundes sofort damit in Angriff zu nehmen, daß zur Mitwirkung für die Neugestaltung der Verfassung durch Bundesbeschluß eine allgemeine deutsche Versammlung von gewählten Vertretern berufen werde. Die Königliche Regierung hat bereits in ihrer oben erwähnten Darlegung vom 22. September 1863 entwickelt, in welcher Weise eine Versammlung, wie sie hier in’s Auge gefaßt ist, am zweckentsprechendsten gebildet werden könne. Sie muß auch jetzt an der damals vertretenen Ansicht festhalten, daß für eine Versammlung, berufen, um insbesondere das Interesse der Gesammtheit und das einheitliche Princip als solches zur Geltung zu bringen, der Grundsatz der directen Volkswahl im Gegensatze zur Delegation der EinzelKammern allein annehmbar erscheint. Das allgemeine Stimmrecht aber muß für den im Auge gehabten Zweck und bei der Nothwendigkeit, die verschiedenen partikularen Verhältnisse ­einem Maßstab dienstbar zu machen, als das allein Mögliche bezeichnet werden; und nimmt die Königliche Regierung um so weniger Anstand, diese Form der Wahl in Vorschlag zu bringen, als sie dieselbe für das conservative Princip förderlicher erachtet, wie irgend einen anderen auf künstlichen Combinationen beruhenden Wahlmodus. Die näheren Bestimmungen für Ausführung der Wahl werden leicht anzuordnen sein, nachdem erst das allgemeine Princip der Wahlen festgestellt ist und kann die Königliche Regierung sich für jetzt darauf beschränken, in dieser Beziehung die Annahme der directen Wahl und des allgemeinen Stimmrechts zu beantragen. Es ist bereits entwickelt worden, daß die Königliche Regierung es für rathsam erachten muß, daß die Regierungen nicht der gewählten Versammlung

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die Initiative der Reform allein überlassen, und sie beabsichtigt daher auch, sofort mit ihren hohen Bundesgenossen in die Verhandlung über das Materielle der Frage selbst einzutreten. Um solche zu einem erfolgreichen Abschluß zu führen, muß sich aber die Beschränkung dieser Verhandlung auf die wesentlichsten Punkte von entschieden praktischer Bedeutung empfehlen. Wenn die Verhandlungen nun auf solche Weise dem wahrhaft dringenden Interesse der Nation und dem erfahrungsmäßig Nothwendigen zugewendet werden, so wird die Zeit zwischen der Berufung und dem Zusammentritt des Parlaments unzweifelhaft hinreichen, um die Grundzüge einer Vorlage festzustellen, welche im Namen der Gesammtheit der Regierungen der Versammlung zur Prüfung darzubieten sind. Die Bestimmung eines festen Termins für die Berufung des Parlaments wird aber der Nation zugleich die große Gewähr bieten, daß die Verhandlungen zwischen den Regierungen über die zu machenden Reformvorschläge nicht vollständig in’s Ungewisse sich hinausziehen können. Indem die Königliche Regierung alles Weitere den Verhandlungen mit ihren hohen Bundesgenossen vertrauensvoll vorbehält, stellt sie jetzt den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle beschließen: eine aus directen Wahlen und allgemeinem Stimmrecht der ganzen Nation hervorgehende Versammlung für einen noch näher zu bestimmenden Tag einzuberufen, um die Vorlagen der deutschen Regierungen über eine Reform der Bundesverfassung entgegenzunehmen und zu berathen; in der Zwischenzeit aber, bis zum Zusammentritt derselben, durch Verständigung der Regierungen unter einander diese Vorlagen festzustellen. Präsidium schlägt vor, diesen Antrag sofort zur Kenntniß der höchsten und hohen Regierungen zu bringen und die geschäftliche Behandlung desselben einer in der nächsten Woche anzuberaumenden Sitzung vorzubehalten. Umfrage. Oesterreich. Indem der Gesandte dem Präsidialantrage beitritt, sieht er sich bemüßigt, gegenüber einigen Oesterreich betreffenden Ausführungen in der Motivirung des Preussischen Antrages schon jetzt ausdrückliche Verwahrung einzulegen und seiner allerhöchsten Regierung jede weitere Erklärung vorzubehalten. Preussen. Der Gesandte muß bei der Wichtigkeit des von ihm eingebrachten Antrages und bei der Dringlichkeit des Gegenstandes für erforderlich erachten, daß ein Ausschuß ad hoc baldmöglichst eingesetzt werde, Bayern. Indem der Gesandte dem Präsidialantrage beitritt, muß er seiner allerhöchsten Regierung eine etwaige Erklärung insbesondere aus dem Grun-

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München, 12. April 1866

de vorbehalten, weil in der Motivirung des Preussischen Antrages auf die Erwiederungen der Circulardepesche vom 24. v. M.5 Bezug genommen wird. Königreich Sachsen. Der Gesandte schließt sich der Abstimmung des ­Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten an, und behält seiner allerhöchsten Regierung gleichfalls jede Erklärung vor. Hannover, Württemberg, Baden und Kurhessen: treten dem Präsidialantrage bei. Großherzogthum Hessen. Der Gesandte stimmt unter Vorbehalt einer Erklärung dem Präsidialantrage zu. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Indem der Gesandte dem Präsidialantrage beitritt, behält er seiner allerhöchsten Regierung eine Erklärung vor. Alle übrigen Gesandtschaften stimmen dem Präsidialantrage bei, und es wurde derselbe somit zum Beschlusse erhoben.

190. Artikel in den Neuesten Nachrichten

Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik1, Nr. 102 v. 12. April 1866.

Von Bismarck hat die deutsche Nation nichts Gutes zu erwarten. Sein Antrag auf Ein­ berufung eines Parlaments ist nicht ehrlich gemeint. Ein deutsches Parlament muß mit wirklicher Macht ausgestattet sein. Die bayerische Regierung wird sich dafür mit aller Kraft einsetzen, wobei sie davon ausgeht, daß nur die Bundesreform der Weg zum Frieden ist.

München, 12. April 1866 München, 11. April. Bismark [sic] ist so recht ein Theil jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft.2 Er, der die beschworenen Rechte der gesetzlich bestehenden Volksvertretung seines eigenen Landes thatsächlich mit Füßen tritt, er, der Schleswig mit der bekannten Zuchthausordnung Liebe zu Preußen einflößen will, ist wahrlich nicht gewillt, mit seinem Antrage auf Einberufung eines deutschen Parlamentes dem deutschen Volke die Freiheit zu bringen; der Pferdefuß des Mephisto sieht durch die Verweisung auf das bekannte 5 Siehe Dok. 181.

1 Das liberale Blatt erschien erstmals am 9. April 1848 und wurde in den 1860er Jahren zur größten und bedeutendsten Münchener Zeitung. Sie änderte später ihren Namen in Münchener Neueste Nachrichten; vgl. Fischer (Hrsg.), Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts, S. 191–207; Paul Hoser, Münchner Neueste Nachrichten, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44551. 2 Anspielung auf Mephistopheles in Goethes Faust; Goethe, Werke, Bd. 3, S. 47.

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Pfordten an Beust, Varnbüler etc.

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­ irkular vom 24. März3 trotz der Verhüllung mit dem glänzenden Gewande Z des allgemeinen Stimmrechtes und der direkten Wahlen recht deutlich aus dem Antrage hervor. Nein, von Bismarck hat die deutsche Nation keinen ­guten Willen zu erwarten und gerechtfertigt ist daher das größte Mißtrauen ­gegen ihn und seine Geschenke. Aber, sagt die N. Fr. Ztg.4, die bekanntlich zu den erbittertsten Feinden Bismarcks gehört, darum möge man auf der anderen Seite ja nicht glauben, durch eine einfache Zurückweisung des wunderlichen Vorschlags über die Schwierigkeiten hinwegzukommen; man möge nicht wähnen durch eine bloße Verneinung den jetzigen Zustand der Vertretungslosigkeit der Nation forterhalten zu können. Nein, das Parlament, welches der Herr Graf Bismarck nur zum Scheine zu haben wünscht, wird und muß als Realität erstehen, ausgestattet mit wirklicher Macht. Daß dies so ge­ schehe, dafür zu sorgen ist Sache des Volkes, ist unabweisbare Pflicht seiner Regierungen. Die bayerische Regierung wird diese Pflicht erfüllen, sie hat unter allen Ministerien seit achtzehn Jahren vor der bayerischen Volksvertretung, in diplomatischen Noten und in der Presse ihr Wort verpfändet, sie hat erst vor wenigen Tagen feierlich erklärt, daß nur die Bundesreform der Weg zum Frieden sei; sie, die Andern in so beredter Weise die Betretung dieses Weges anempfahl, sie wird mit aller Kraft ihres politischen Gewichtes, gestützt auf den Willen der Nation, die zu allen Zeiten das Parlament hochhielt, deren Volksvertreter in allen Sessionen die Bundesreform forderten, mit auf diesen Weg eintreten und sorgen, daß er bald zu gutem Ziele führe.   Pfordten an Beust, Varnbüler etc. 

191. Pfordten an Beust, Varnbüler, Edelsheim, Dalwigk und Wittgenstein

HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 942, fol. 71 f. Schreiben. Behändigte Ausfertigung an Beust. Praes.: 19. April 1866.

Pfordten hat gezögert, eine Konferenz der Mittelstaaten einzuberufen, weil er be­ fürchtete, das Treffen könne wirkungslos sein und damit die Politik der Mittelstaaten als „impotent“ hingestellt werden. Nun sind aber im Hinblick auf den preußischen Bundesreformantrag Beschlüsse zu fassen, wozu Pfordten eine persönliche Verständi­ gung der Minister vorschlägt. Dabei wird auch über die drohende Kriegsgefahr und die im Falle eines Kriegsausbruchs einzunehmende Stellung zu sprechen sein. Pford­ ten lädt zu diesem Zweck die Minister von Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen3 Siehe Dok. 181. 4 Das 1856 unter dem Namen „Frankfurter Geschäftsbericht“ gegründete und alsbald in „Frankfurter Handelszeitung“ umbenannte liberale Blatt nahm 1859 den Namen „Neue Frankfurter Zeitung“ an. 1866 erfolgte eine weitere Umbenennung in „Frankfurter Zeitung“. Diese erschien bis 1943 und war eine der bedeutendsten bürgerlich-liberalen Tageszeitungen. Vgl. Fi­ scher (Hrsg.), Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts, S. 241–256.

Nr. 191

München, 17. April 1866

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Darmstadt und Nassau zu einem Treffen in Augsburg am 22. April ein. Er sieht aber von einer Einladung an die norddeutschen Regierungen ab, weil diese kaum geneigt sein werden, sich den mittel- und süddeutschen Staaten anzuschließen.

München, 17. April 1866 Hochwohlgeborner Freiherr, Hochverehrtester Herr Staats-Minister! Von verschiedenen Seiten bin ich wiederholt und dringend angegangen worden, zu veranlassen, daß die Minister der befreundeten durch gleiche Interessen und Anschauungen verbundenen Mittelstaaten zu einer vertraulichen Besprechung zusammentreten. Ich habe damit gezögert, weil es mir bedenklich erschien, in solcher jedenfalls auffallender Weise zusammen zu treten, ohne dabei einen bestimmten Beschluß fassen zu können, welcher die Möglichkeit ausschlöße, daß der Zusammentritt als wirkungslos und damit zugleich, wie schon oft geschehen, die Politik der Mittelstaaten als impotent hingestellt werde. Ich glaube jedoch im gegenwärtigen Augenblick diese Besorgniß in den Hintergrund treten lassen zu können, da in dem Antrag der Königlich Preußischen Regierung auf Berufung eines deutschen Parlamentes1 ein Gegenstand vorliegt, über welchen in der That Beschlüsse zu fassen sein werden. Die Frage nemlich, in welcher Weise dieser Antrag in dem BundestagsAusschusse, welchem er zunächst zugewiesen werden wird, zu behandeln sei und in welcher Weise sich die Regierungen bei der Abstimmung über den zu erwartenden Ausschuß-Vortrag zu aeußern haben dürften, erscheint wichtig genug, um sich hierüber zu verständigen und solche Verständigung wird durch ein vertrauliches persönliches Benehmen der Minister gewiß sehr erleichtert. Neben dieser Frage wird dann allerdings auch der noch ungelöste Conflikt zwischen Oesterreich und Preußen und die in ihm liegende Kriegsgefahr zur Sprache zu bringen sein, sowohl um eine gemeinschaftliche auf Erhaltung des Friedens gerichtete Thätigkeit zu erzielen, als um sich klar zu machen, welche Stellung einzunehmen sein werde, wenn unglücklicher Weise der Krieg dennoch ausbrechen sollte und welche Mittel jedem einzelnen Staate zu Gebote stehen würden, um jene Stellung zur Geltung zu bringen. Ich erlaube mir daher aus diesen Erwägungen vorzuschlagen, daß eine vertrauliche Besprechung der Minister nächsten Sonntag den 22ten dieses Monats in Augsburg stattfinde und daß man sich zu diesem Zwecke im Laufe des Sonnabends (21ten d. Mts.) daselbst zusammen finde. Indem ich mir gestatte, Euer Excellenz zur Theilnahme an dieser Berathung ganz ergebenst einzu­ laden, füge ich bei, daß ich diese Einladung an die Herrn Staatsminister von 1 Siehe Dok. 189.

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Abstimmung über den preußischen Reformantrag

Nr. 192

Königreich Sachsen, Königreich Württemberg, Großherzogthum Baden, Großherzogtum Hessen und Herzogthum Nassau richte, indem ich zugleich dem Ermessen des Königlich Sächsischen Herrn Staatsministers Freiherrn von Beust anheimgebe, an thüringische Regierungen die Einladung zur Theilnahme zu richten, daß ich aber davon absehen zu müssen glaube, Norddeutsche Regierungen zur Theilnahme einzuladen, weil diese nach ihrer bisherigen Haltung und ihrer besondern Lage nur in Verlegenheit gesetzt werden könnten und wohl kaum geneigt sein würden, sich den Mittel- und Süddeutschen Regierungen zu gemeinschaftlichem Handeln anzuschließen. Die Stadt Augsburg schlage ich als Verhandlungsort vor, weil sie durch ihre Nähe von München den Vortheil bietet, mit allen eingehenden Berichten und Telegrammen in rascher Verbindung zu sein und für keinen der eingeladenen Herrn Staatsminister allzu weit entlegen ist. Indem ich noch die Bitte stelle, für den Fall, daß Euer Excellenz aus irgend einem Grunde verhindert wären, meiner ergebensten Einladung Folge zu leisten oder einen anderen Tag oder andern Ort der Zusammenkunft wünschten, mich hievon telegraphisch in Kenntniß zu setzen, füge ich noch bei, daß ich im Laufe des Sonnabends im Gasthofe zu den drei Mohren in Augsburg eintreffen würde. Genehmigen Euer Excellenz den Ausdruck der ausgezeichnetsten Hochachtung, mit welcher ich die Ehre habe zu sein Euer Excellenz ganz ergebenster v. d. Pfordten

192. Abstimmung über den preußischen Reformantrag

ProtDBV 1866, S. 114–121. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 6–13.

Die Bundesversammlung beschließt, den preußischen Reformantrag an einen beson­ deren Ausschuß zu verweisen. Dieser soll aus neun Mitgliedern bestehen und in der folgenden Sitzung gewählt werden.

13. Sitzung 

Frankfurt am Main, 21. April 1866

§ 104. Reform der Bundesverfassung (12. Sitz. § 90 v. J. 1866.) Präsidium eröffnet in Gemäßheit des in der letzten Sitzung (Prot. § 90) gefaßten Beschlusses die Abstimmung über die geschäftliche Behandlung des Antrages der Königlich-Preussischen Regierung bezüglich einer Reform der Bundesverfassung. Oesterreich. Die Kaiserlich-Oesterreichische Regierung stimmt für Verweisung des Antrages vom 9. dieses Monats an einen einzusetzenden Aus-

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Frankfurt am Main, 21. April 1866

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schuß, da sie jederzeit bereit ist, sich an der hochwichtigen Aufgabe einer Reform der deutschen Bundesverfassung von Neuem zu betheiligen. Der Präsidialgesandte hat mit dieser Abstimmung, indem er sich jede weitere Aeußerung vorbehält, die nachfolgenden durch die augenblickliche Lage der Sache veranlaßten Bemerkungen zu verbinden. An der Stelle selbst, wo diese hohe Versammlung tagt, haben vor nicht langer Zeit die eigenen Worte Seiner Majestät des Kaisers für das Bedürfniß einer zeitgemäßen Entwickelung der Gesammtverfassung Deutschlands ein erhabenes Zeugniß abgelegt. Ein sorgfältig erwogener und strenge gegliederter Vorschlag zu einer Umgestaltung der Bundeseinrichtungen hat damals den aufrichtigen Ernst und den für die gesammte deutsche Nation wohlmeinenden Charakter der Kaiserlichen Initiative bethätigt. Sämmtliche Bundesgenossen des Kaisers, die Fürsten und freien Städte Deutschlands mit alleiniger Ausnahme Seiner Majestät des Königs von Preussen, haben sich an den Be­ rathungen über jenen Vorschlag betheiligt, und ihr hochsinniges Zusammenwirken hat zu einem Einverständnisse geführt, welches, wäre ihm nicht die mächtige Stimme Preussens versagt geblieben, ein volksthümliches Element in das Bundesleben eingeführt und den Beginn einer fruchtbaren und Deutschlands würdigen Entwickelung des Föderativprinzips bezeichnet haben würde. Preussen stützte sich damals auf keinen Gegenvorschlag. Es begnügte sich damit, durch jene Erklärung vom 22. September 1863, auf welche der jetzt gestellte Antrag sich zurückbezieht, und welche das Kaiserlich-Oesterreichische Cabinet durch ein Memorandum vom 30. October desselben Jahres beantwortete1, die Mitwirkung Preussens zu Verhandlungen über Reform des Bundes von gewissen Vorbedingungen abhängig zu machen. Weit entfernt, ein zusammenhängendes System darzustellen, schienen diese Vorbedingungen damals keinen anderen praktischen Zweck, als den der Negation gegenüber den Vorschlägen Oesterreichs erfüllen zu sollen. Jetzt ist es die Regierung Preussens, welche an die hohe Bundesversammlung mit der Aufforderung zu erneuten Verhandlungen über Bundesreform herantritt. Wie immer im Augenblicke, da solches geschieht, die Lage der Verhältnisse im Deutschen Bunde beschaffen sein möge, die Kaiserliche Regierung wird sich, wie bereits erwähnt, der Pflicht unbefangener Prüfung der Anträge Preussens nicht entziehen. Allein sie muß hervorheben, daß die ­Reformen, welche die Königlich-Preussische Regierung für heilsam und ausführbar erklärt, sich nicht einmal in den allgemeinen Umrissen erkennen ­lassen, nachdem der Antrag vom 9. d. M. in dieser Beziehung nicht über die Andeutung hinausgeht, daß Preussen auch heute noch den in der erwähnten Erklärung vom 22. September 1863 eingenommenen Standpunkt im Wesent1 Siehe Dok. 96.

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Abstimmung über den preußischen Reformantrag

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lichen festhalte. Der Berliner Hof hat ohne Zweifel seinen wichtigen Entschluß nicht gefaßt, ohne mit sich über die Zielpunkte einer Revision der deutschen Bundesverfassung vollkommen im Reinen zu sein, und demgemäß die Vorschläge festgestellt zu haben, welche nach seiner Ansicht den Gegenstand eines Einverständnisses zwischen den Regierungen und einer Vereinbarung zwischen diesen und einer aus directen Volkswahlen hervorgehenden Versammlung bilden sollen. Die hohe Bundesversammlung aber wird vor Allem diese Vorschläge kennen müssen, ehe sie in eine Verhandlung wieder eintritt, welche, je nachdem dieselbe auf richtige oder falsche Ziele gelenkt wird, zum Heil oder zum Unheil führen muß, und der Kaiserliche Hof wird sonach zunächst seinem Vertreter keine andere Instruction zu ertheilen im Stande sein, als daß der Bund vor allem Weiteren den Vorlagen der Königlich-Preussischen Regierung entgegenzusehen habe. Oesterreich findet sich übrigens durch die dem Antrage vom 9. d. M. zu Grunde gelegten Motive noch zu einer anderen Erklärung veranlaßt. Die Regierung Preussens ist mit ihrem Antrage in einem Zeitpunkte hervorgetreten, in welchem das oberste Gesetz des Bundes, das Gesetz brüderlichen Friedens zwischen seinen Mitgliedern, zum tiefen Bedauern des Kaiserlichen Hofes seine Wirkung versagen zu wollen schien. Ernste Besorgnisse des Ausbruches eines unseligen Kampfes sind den Vaterlandsfreunden nicht erspart geblieben. Um so wichtiger ist es für die Regierung Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph, bei jedem neuen Anlasse zu constatiren, daß die Verantwortlichkeit für die Entstehung dieser Besorgnisse sie nicht treffe, und einen solchen Anlaß muß sie nunmehr auch in den Aufstellungen der Königlich-Preussischen Erklärung vom 9. d. M. erkennen. Der Gedanke einer Gefährdung Preussens geht durch diese ganze Darlegung, ja die Königliche Regierung erklärt in der Mitte ihrer Bundesgenossen, daß sie in dem Artikel XI der Bundesacte keinen hinreichenden Schutz zu finden glaube, demselben Artikel, welchen Oesterreich und fast sämmtliche deutsche Regierungen zur Wahrung des Bundesfriedens soeben gegenüber Preussen angerufen haben. Und doch hatte die Kaiserliche Regierung bereits vor Einbringung des Preussischen Antrages vom 9. d. M. die Unterstellung, als sei von Seiten Oesterreichs eine Verletzung des Artikels XI der Bundesacte und des Artikels 19 der Wiener Schlußacte zu besorgen, durch eine feierliche Erklärung von sich gewiesen.2 Sie wiederholt hiermit im Schooße der Bundesversammlung diese 2 Note des österreichischen Gesandten Károlyi an Bismarck, Berlin, 31. März 1866. Österreich verwahrt sich darin gegen die preußische Beschuldigung, die österreichische Regierung ver­ folge gegenüber Preußen „feindselige Absichten“ und erklärt, daß der kaiserlichen Regierung „nichts ferner liege, als ein offensives Auftreten gegen Preussen“. Zit. nach ProtDBV 1866, Beilage zu § 104 des Protokolls der 13. Sitzung der Bundesversammlung vom 21. April 1866.

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am 31. v. M. zu Berlin abgegebene Erklärung, indem sie die hohe Versammlung ersucht, eine Abschrift derselben zu ihren Acten nehmen zu wollen.* Mit Befriedigung darf sie übrigens hinzufügen, daß seitdem auch der Hof von Berlin sich über seine Absichten in beruhigendem Sinne ausgesprochen hat, und sonach die Hoffnung begründet ist, es werde dem deutschen Vaterlande unverweilt jene volle Sicherheit der Erhaltung des inneren Friedens zurückgegeben werden, welche ein unverletzliches Gesetz des Bundesvertrages und ohne Zweifel auch die erste und dringendste Vorbedingung für eine gedeihliche, von gegenseitigem Wohlwollen getragene Berathung über Bundesreform bildet. Wenn in dem Antrage vom 9. d. M. gesagt ist, daß die gegenwärtige gespannte Situation zwischen Oesterreich und Preussen die Voraussetzungen aufhebe, welche allein die volle Durchführung der Bundesverfassung möglich machen, so wird wohl mit mehr Recht entgegnet werden dürfen, daß ­diese Spannung, so lange sie nicht ihre Lösung im Geiste der Bundesverträge und in aufrichtiger Anerkennung der Gesammtinteressen Deutschlands gefunden habe, die Möglichkeit einer erfolgreichen gemeinsamen Verhandlung über Revision der Bundesverfassung suspendire. Der Präsidialgesandte hat schließlich nur noch hinzuzufügen, daß seine ­allerhöchste Regierung sich die allgemeine Verwahrung angeeignet habe, welche er bereits persönlich gegen einzelne Oesterreich betreffende Aus­ führungen der Erklärung Preussens vom 9. d. M. einzulegen für seine Pflicht gehalten hat. Preussen. Der Gesandte stimmt unter Bezugnahme auf den von ihm in der letzten Sitzung gestellten Antrag ebenfalls für Einsetzung eines Ausschusses ad hoc. Gegenüber der so eben von dem Kaiserlich-Oesterreichischen Gesandten abgegebenen Erklärung glaubt sich der Gesandte ausdrücklich auf den ganzen Inhalt der von ihm entwickelten Motive zu dem Antrage auf Bundes­ reform, welche den Standpunkt und die Auffassung seiner allerhöchsten ­Regierung klar dargelegt haben, hiermit zurückbeziehen zu sollen. Selbstverständlich behält derselbe seiner allerhöchsten Regierung aber auch jede ihr weiter nöthig erscheinende Aeußerung vor. Bayern. Der Gesandte stimmt für Verweisung des Antrags an einen Ausschuß ad hoc. Königreich Sachsen. Die Königliche Regierung hat nicht gesäumt, den von der Königlich-Preussischen Regierung in der letzten Sitzung hoher Bundesversammlung eingebrachten Antrag zum Gegenstande ernster Erwägung zu machen und sieht sich in Folge dessen zu nachstehender Erklärung veranlaßt: * M. s. die Beilage dieses Protokolls.

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In einer kurz zuvor an die Königlich-Preussische Regierung gerichteten Rückäußerung hatte die Königliche Regierung nicht verschwiegen, wie ihr der gegenwärtige Augenblick nicht als der geeignete erscheine, eine Bundesreform in Angriff zu nehmen. Sie hat jedoch gleichzeitig erklärt, daß, wenn nichts desto weniger dazu der Impuls gegeben werden sollte, sie mit dem ganzen Nachdruck ihrer Ueberzeugung und ihrer Thätigkeit in die Berathung über diese wichtige Frage eintreten werde. In der That würde sie wiederholt ausgesprochenen Ansichten untreu werden, wollte sie sich einer solchen Berathung, nachdem diese einmal auf die Tagesordnung gebracht ist, entziehen, und sie glaubt, daß, nachdem dieß geschehen ist, die Nation einen gerechten Anspruch darauf hat, die angeregte Frage einer befriedigenden Lösung zugeführt zu sehen. Sie erklärt sich weder dagegen, daß die deutschen Regierungen alsbald über eine Verbesserung der Bundesverfassung sich verständigen, noch dagegen, daß ein unter ihnen zu vereinbarender Entwurf einer einzuberufenden Nationalvertretung vorgelegt werde, vielmehr ist sie dafür, daß in beiden Richtungen die deutschen Regierungen sich schlüssig zu machen haben. Auf die daran sich knüpfenden Specialfragen schon jetzt einzugehen, hält die Königliche Regierung nicht an der Zeit. Die Erwägung derselben ist der gemeinsamen Berathung vorbehalten und ihre Beantwortung wird wesentlich von der Natur und Tragweite der Vorschläge abhängen, die zu gewärtigen sind. Dagegen glaubt dieselbe den Zeitpunkt ihrer heutigen Abstimmung als denjenigen betrachten zu sollen, wo sie nicht verabsäumen darf, ihre von der Motivirung des vorliegenden Antrages abweichenden Ansichten mit jener Offen­heit darzulegen, die sie sich bei den Verhandlungen am Bunde jederzeit zur Pflicht gemacht hat. Wenn nämlich auf den Verlauf des Dänischen Krieges mit dem Bemerken Bezug genommen wird, daß der Bund in seiner gegenwärtigen Gestalt für die Sicherstellung der nationalen Unabhängigkeit und für die Erfordernisse einer activen Politik auch unter den günstigsten Verhältnissen nicht ausreichend sei, da selbst hier, wo die beiden deutschen Großmächte in aller Einigkeit der Nation vorgingen, es auf Grund der Bundesinstitutionen nicht habe gelingen wollen, Deutschland an einer activen nationalen und erfolgreichen Politik Theil nehmen zu lassen, so ist es eben so erlaubt, als geboten, an den wirklichen Verlauf zu erinnern. Die deutsche Nation sprach sich einmüthig für eine nationale, active, entschiedene Politik aus, dafür, daß das Recht der Herzog­ thümer und ihre Befreiung von der fortan nicht mehr berechtigten Dänischen Herrschaft in unzweideutiger Weise gefordert und nöthigenfalls mit den Waffen erkämpft werde. Die deutschen Regierungen, in ihrer überwiegenden Mehrheit, gaben dieser Forderung lauten Ausdruck; wären die deutschen Großmächte wirklich der Nation vorangegangen, die Bundesinstitutionen hätten wahrlich kein Hinderniß dargeboten. Im Gegentheil, wären diese Institu-

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tionen zur vollen Geltung gekommen, so würden die ruhmvollen Kriegsthaten, die Deutschland zu Ehren seiner beiden Großmächte gern in seinen ­Annalen verzeichnet, an denen aber alsdann der Bund sich hätte betheiligen können, Deutschland stark und vertrauengebietend nach Außen, einig und zufrieden nach Innen gemacht haben, anstatt in ihren letzten Erfolgen ihm Mißtrauen von Außen, Unfrieden nach Innen zu bereiten. Sollen daher Erfahrungen aus dieser Vergangenheit für die Neugestaltung der Bundesverfassung gewonnen werden, so dürften sie vielmehr in der Richtung zu beherzigen sein, daß in nationalen Fragen die Action des Bundes nicht durch Sonderstellungen außerhalb desselben beengt und gelähmt werde. Der Deutsche Bund darf aber auch den Vorwurf zurückweisen, daß er in dieser Frage an einer nationalen und erfolgreichen Politik nicht Theil genommen habe. Er ist berufen worden, im Rathe der europäischen Cabinete seine Stimme vernehmen zu lassen, und weil er sich in der Lage erhalten hatte, dem einmüthigen Verlangen des deutschen Volkes rückhaltlosen Ausdruck leihen zu können, ist seine Stimme nicht erfolglos verhallt. Daß aber in dieser nämlichen Epoche erwiesen worden sei, daß die Militäreinrichtungen des Bundes nicht in der für die Sicherheit Deutschlands unbedingt nothwendigen Weise geordnet seien, ist eine Behauptung, deren nähere Begründung die Königliche Regierung um so mehr erwarten darf, als sie in eben dieser Zeit ihr Contingent zur Verfügung des Bundes gestellt hat und ihr bisher bezüglich ihrer dießfallsigen Leistung Ausstellungen nicht bekannt geworden sind. So sehr endlich die Königliche Regierung aufrichtig bemüht sein wird, dazu beizutragen, daß die wieder aufgenommene Frage der Bundesreform der Erhaltung des bedrohten Friedens förderlich werde, so muß sie gleichwohl entschieden der Ansicht widersprechen, daß die Bestimmungen der Bundesgrundgesetze in ihrer Anwendung zu Abwendung der Kriegsgefahr im Innern Deutschlands nicht ausreichten. Denn im Falle einer Berufung auf Artikel XI der Bundesacte von Seiten eines bedrohten Bundesgliedes wird eine aufhalt­ liche und den Zweck vereitelnde Berathung in keiner Weise zu besorgen, vielmehr eine rasche Beschlußfassung und nöthigenfalls deren Unterstützung durch entsprechende Maßregeln mit aller Sicherheit zu erwarten sein. Es darf nur daran erinnert werden, mit welcher Beschleunigung die Bundesversammlung wegen Zurückziehung der Bundestruppen aus Holstein Beschluß faßte3, 3 Nach dem Abschluß des Wiener Friedens vom 30. Oktober 1864 hatte die Bundesversammlung am 5. Dezember 1864 beschlossen, das am 7. Dezember 1863 beschlossene Exekutionsverfahren in Holstein und Lauenburg zu beenden und die Bundestruppen aus den beiden Herzogtümern zurückzuziehen; ProtDBV 1864, § 295, S. 890–901; Druck: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 210.

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um an diesem Beispiele wenigstens das nachzuweisen, wie wenig die Voraussetzung einer Verschleppung in Fällen drohender Conflicte gerechtfertigt sei. Die strenge Beobachtung der bestehenden Verfassung ist aber die sicherste Bürgschaft für eine gedeihliche Wirksamkeit der an ihre Stelle zu setzenden verbesserten Einrichtungen. Sowohl deßhalb als weil nur eine wirklich freie und ungestörte Berathung eine wahre und bleibende Einigung herbeiführen kann, glaubt die Königliche Regierung es als selbstverständlich betrachten zu müssen, daß derselben eine Einstellung aller und jeder kriegerischen Vorbereitungen vorauszugehen haben werde. Darüber nun, wie diese Berathung über den gestellten Antrag sowohl als über die im Verfolg desselben zu gewärtigenden Vorschläge am Besten einzuleiten sei, um damit zu bestimmten Resultaten zu gelangen, wird nach der Ansicht der Königlichen Regierung es Aufgabe eines möglichst bald zu liefernden Ausschußgutachtens sein, den Regierungen zu entsprechenden Beschlüssen einen Anhalt zu bieten, und sie betrachtet hierzu den bestehenden politischen Ausschuß als vollkommen geeignet und befähigt. Ueber diese Grenze hinaus einem Bundestagsausschusse eine weitergehende Aufgabe zuzutheilen, erscheint der Königlichen Regierung unthunlich, und sie glaubt, indem sie diese Ueberzeugung ausspricht, einen Beweis ihres aufrichtigen Wunsches zu geben, die angeregte Frage einer wirklichen Lösung zugeführt zu sehen. In der That handelt es sich hier nicht um die Begutachtung eines von der Bundesversammlung nach Maßgabe der bestehenden Bundesgesetze und Bundeseinrichtungen zu entscheidenden Falles oder einer von ihr zu fassenden Entschließung. Die Umstände sind auch nicht so gestaltet, daß es darauf ankommt, ein Gutachten über die Mängel der Bundesverfassung und die Mittel zu deren Abhülfe zu vernehmen. Vielmehr liegen die Dinge so, daß die deutschen Regierungen berufen sein werden, in einer längst und vielseitig erörterten Frage zu Entschlüssen zu gelangen und zu diesem Ende untereinander sich zu verständigen. Hier gilt es also nicht einer Begutachtung, sondern einer Verhandlung. Eine solche zu führen, sind die Mitglieder der Bundesversammlung nicht allein nicht in der Lage, sondern die Rücksichtnahme auf deren Nothwendigkeit müßte sie auch selbst vor einer begutachtenden Thätigkeit auf eine stete Vorsicht hinweisen, die eine irgend rasche Erledigung ihrer Aufgabe nicht verhoffen lassen könnte. Wohl aber dürfte es der Sache förderlich sein, wenn der Ausschuß darüber, auf welchem Wege eine Verständigung unter den hohen Regierungen über die materiellen Theile der Aufgabe herbeizuführen sei, alsbald gutachterlichen Vortrag zu erstatten und zu diesem Ende formulirte Anträge der hohen Bundesversammlung zur Beschlußfassung vorzulegen veranlaßt würde. Hannover. Von seiner allerhöchsten Regierung ist der Gesandte beauftragt, beizustimmen, daß die beiden Anträge der Königlich-Preussischen Regierung

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an einen Ausschuß ad hoc verwiesen werden, damit dieser zunächst über die bundesmäßige Statthaftigkeit und Räthlichkeit der Schritte, welche in den Anträgen vorgeschlagen sind, und eventuell über zu machende Modalitäten der hohen Versammlung Bericht erstatte. Außerdem glaubt die Königliche Regierung schon jetzt einige Gesichtspunkte bezeichnen zu dürfen, von denen sie für wünschenswerth hält, daß sie bei der Deliberation und Berichterstattung des Ausschusses berücksichtigt werden. Zunächst wird wohl allseitig zugegeben werden, daß die Zuziehung einer Versammlung von Abgeordneten der deutschen Nation zur Reform der Bundesverfassung eine Abänderung der Grundgesetze des Bundes enthält, da ­diese kein anderes Organ für die Beschlüsse über Aenderungen in der Ver­ fassung des Bundes kennen, als das Plenum des Bundestages. Der Ausschuß wird also in Rücksicht nehmen müssen, ob der Beschluß über die Berufung jener Abgeordnetenversammlung, auf welche die Königlich-Preussische Regierung anträgt, nur im Plenum und nur mittelst Stimmeneinhelligkeit gefaßt werden kann. Ferner möchte es wohl die größten Bedenken erregen, wenn vom Bundestage ein bestimmter Tag zum Zusammentreten der Abgeordnetenversammlung festgesetzt würde, ehe sich die Regierungen über die Reformvorschläge geeinigt haben. Es würde Aufgabe des Ausschusses sein, diesen Punkt ganz besonders in das Auge zu fassen und bei seinem Antrage zu berücksichtigen. Nach dem Königlich-Preussischen Antrage sollen die Reformvorschläge durch Verständigung der Regierungen zu Stande kommen und es bleibt dabei zweifelhaft, ob damit eine Einigung der Regierungen innerhalb des verfassungsmäßigen Weges am Bundestage oder außerhalb dieser Form vor sich gehen soll. Sache des Ausschusses würde es sein, zu prüfen und in seinem Berichte darüber Vorschlag zu machen, ob es nach der Bundesverfassung erforderlich ist, daß jene Verständigung über eine Aenderung der Grundgesetze des Bundes nur auf dem Wege eines einhelligen Beschlusses am Bundestage erfolgen dürfe oder nicht. Auch kann es die Königliche Regierung nicht mit den Begriffen von Freiheit in der Verständigung über solche wichtige Angelegenheiten und von würdiger Stellung namentlich der mittleren und kleineren Regierungen vereinbaren, wenn Oesterreich und Preussen in außergewöhnlicher Rüstung dastehen, während unter den Regierungen über die Bundesreform verhandelt und eine Einigung erzielt werden soll. Sie meint deßhalb, daß der Ausschuß unter Bezugnahme auf die zwischen den beiden deutschen Großmächten ausgetauschten beruhigenden und friedfertigen Erklärungen, von welchen die Königliche Regierung mit Befriedigung Act genommen hat, in seine Vorschläge den An-

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trag einlege, der Bund möge den beiden Großmächten dringend empfehlen, vor Beginn jener Verhandlung ihre Rüstungen oder Truppenansammlungen einzustellen. Endlich möchte die Königliche Regierung noch glauben, daß der niedergesetzte Ausschuß seine Thätigkeit kaum früher beginnen kann, als bis die Königlich-Preussische Regierung ihre Reformvorschläge eingebracht hat. Wenn die hohe Versammlung einen besonderen Ausschuß beschließt, so ist dieser durch die Natur der Sache nicht auf die Behandlung der Reformfrage im Allgemeinen, sondern hauptsächlich auf eine Erörterung in der Richtung hin­ gewiesen, zu welcher die Königlich-Preussische Regierung den Impuls gab. Selbstverständlich setzt das aber voraus, daß die Vorschläge der KöniglichPreussischen Regierung dem Ausschusse im Einzelnen vorliegen. Württemberg. Der Gesandte stimmt wie Bayern für Ueberweisung des Antrages an einen Ausschuß ad hoc. Baden. Der Gesandte ist angewiesen, Namens seiner höchsten Regierung erstens für Inbetrachtnahme des von der Königlich-Preussischen Regierung gestellten Antrages auf eine Reform des Deutschen Bundes, zweitens für Niedersetzung eines besonderen Ausschusses für die Behandlung dieser Angelegenheit zu stimmen. Kurhessen. Der für die Kurfürstlich-Hessische Regierung substituirte Gesandte ist beauftragt, im Anschlusse an die Abstimmung der Königlich-Hannöverischen Gesandtschaft für Ueberweisung des Königlich-Preussischen Antrages an einen besonders zu wählenden Ausschuß zu stimmen, indem die Kurfürstliche Regierung hierbei in Betreff der dem Ausschusse zufallenden Aufgabe betonen muß, daß der Ausschuß unter Bezugnahme auf die zwischen den beiden deutschen Großmächten ausgetauschten, beruhigenden und friedfertigen Erklärungen, von welchen die Kurfürstliche Regierung mit Befriedigung Act genommen hat, in seine Vorschläge den Antrag einlege, der Bund möge den beiden Großmächten dringend empfehlen, vor Beginn der Verhandlung ihre Rüstungen oder Truppenansammlungen einzustellen. Daß der Antrag der Königlich-Preussischen Regierung als ein bedeutsames Anerkenntniß der bundesrechtlichen Zusammengehörigkeit beider höchsten Regierungen sich darstellt und je nach den Verhandlungen, welche sich daran knüpfen, leicht die Veranlassung zur Wiederherstellung des früheren Einvernehmens derselben bilden dürfte, dieß vornehmlich hat die Kurfürstliche Regierung bestimmen müssen, für Ueberweisung des Antrages an einen Ausschuß ad hoc zu stimmen, von dessen Einsicht und Besonnenheit es abhängen wird, Anträge zu stellen, deren Annahme demnächst von dem segensreichsten Einfluß begleitet sein müßte. Großherzogthum Hessen. Der Gesandte stimmt für Verweisung des Antrages an einen besonderen Ausschuß.

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Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte ist angewiesen, sich für jetzt und vorläufig jeder Aeußerung über den Antrag der Königlich-Preussischen Regierung zu enthalten. Die Königlich-Großherzogliche Regierung behält sich aber das Recht vor, sich später über die so sehr verschiedenen Bedürfnisse, Ansichten und Interessen derjenigen Länder auszusprechen, für welche Seine Majestät der König-Großherzog dem Deutschen Bunde, sowie derselbe durch die noch gegenwärtig in Wirksamkeit bestehenden Verträge gebildet worden, beigetreten sind. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der Gesandte stimmt für Verweisung des Antrages an einen Ausschuß ad hoc. Braunschweig und Nassau. Der substituirte Gesandte hat dahin zu stimmen, daß der Antrag zur Vorprüfung und Berichterstattung einem Ausschusse überweisen werde, sowie daß hiermit entweder der bereits für politische Angelegenheiten bestehende Ausschuß beauftragt, oder, wenn die Majorität der Stimmen sich hierfür nicht entscheiden sollte, zu dem erwähnten Zwecke ein besonderer Ausschuß gewählt werde. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. a) Für Schwerin. In dem Antrage der Königlich-Preussischen Regierung vom 9. dieses Monats, die Berufung einer aus directen Wahlen und allgemeinem Stimmrecht der ganzen Nation hervorgehenden Versammlung betreffend, ist bis dahin weder die Organisation, welche der Centralgewalt dem einzuberufenden Parlamente gegenüber gegeben werden soll, noch die Begrenzung der Aufgaben dieses Parlaments erkennbar, und außerdem läßt sich aus demselben nicht entnehmen, ob und in wie weit die angestrebte Reform der deutschen Bundesverfassung eine gemeinsame Unterstützung Seitens der beiden deutschen Großmächte findet. Um nun zu weiteren Aufschlüssen in den vorgedachten Beziehungen zu gelangen, dürfte die Verweisung dieses Antrages an einen ad hoc zu bildenden Ausschuß als das geeignetste Mittel erscheinen, und der Gesandte ist daher angewiesen, bezüglich der geschäftlichen Behandlung dieses Antrages für eine derartige Ausschußverweisung zu stimmen. b) Für Strelitz tritt der Gesandte, nach der bereits vorliegenden Majorität, der Verweisung an einen Specialausschuß bei. Die übrigen Gesandtschaften stimmten für Verweisung des Antrages an ­einen besonderen Ausschuß. Es erfolgte hierauf der Beschluß:

den von der Königlich-Preussischen Regierung in der Sitzung vom 9. dieses Monats gestellten Antrag an einen besonderen Ausschuß zu überweisen, an welchen auch die so eben abgegebenen Erklärungen zu gelangen haben.

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Aufzeichnung Pfordtens

Nr. 193

Nach vertraulicher Erörterung wurde weiter beschlossen: die Wahl dieses Ausschusses, welcher aus neun Mitgliedern bestehen soll, in der nächsten Sitzung vorzunehmen.

193. Aufzeichnung Pfordtens über die Verhandlungen der Augsburger Ministerkonferenz

HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 942, fol. 107– 109. Metallographie.

Preußen soll aufgefordert werden, ein detailliertes Bundesreformprojekt vorzulegen. Die Mittelstaaten einigen sich ferner auf die der Bundesreform zugrunde zu legenden Prinzipien. Ferner werden periodische Ministerkonfernezen verabredet.

Augsburg, 22./23. April 1866 Kurze Aufzeichnung über die Verhandlungen der Minister-Conferenz zu Augsburg am 22ten und 23ten April 1866.1 Der erste Zusammentritt fand Sonntag den 22ten April um 10 Uhr Vormittags statt und es wurde die Frage zur Diskussion gestellt, was der BundestagsAusschuß nunmehr zu thun habe und welche Instructionen daher an die Ausschußmitglieder von ihren Regierungen zu geben seien? Der bayerische Minister sprach sich dafür aus, daß an Preussen in einem Ausschußvorschlage, welcher durch die Bundesversammlung zum Beschluße zu erheben wäre, das Ersuchen zu richten sei, der Bundesversammlung sowohl ein detaillirtes Projekt der von ihr beabsichtigten Reform der Bundesverfaßung, als genaue Angaben über die Grundsätze für die Wahl des Parlaments (Wahlgesetz) vorzulegen. Hiemit war die Versammlung zwar im Allgemeinen einverstanden, doch wurden folgende Modificationen des Gedankens vorgeschlagen. 1. Freiherr von Beust bemerkte: Sobald Preussen sein Project vorgelegt haben werde, müßen die Regierungen selbst die Ausarbeitung eines Gegenprojektes in die Hand nehmen. Dieses könne dem Ausschusse nicht überlassen werden. Der bayerische Minister erwiederte hierauf, daß es wohl geeignet 1 An der Konferenz nahmen die Minister von Bayern, Sachsen, Württemberg, Großherzogtum Hessen, Baden, Nassau, Sachsen-Weimar, Sachsen-Coburg und Gotha und Sachsen-Meiningen teil. Siehe dazu Flöter, Beust und die Reform des Deutschen Bundes, S. 478–481.

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sein werde, sobald das preussische Project bekannt sei, wieder eine MinisterConferenz zu berufen. Hieran knüpfte Herr von Watzdorf die Frage: ob diese Berufung dann nicht auch auf die norddeutschen Regierungen auszudehnen sei? Der bayerische Minister erwiederte: er glaube dieses nicht, weil zunächst die gleich interessirten Gruppen ihre Ansichten fixiren müßten; dagegen halte er schließlich eine allgemeine Minister-Conferenz unter Theilnahme auch von Oesterreich und Preussen für unerläßlich, wenn wirklich ein Erfolg erzielt werden soll. 2. Freiherr von Edelsheim hielt für bedenklich, auch die Vorlage eines Wahlgesetzes zu verlangen und regte an, ob das Verlangen, das Verfaßungsprojekt vorzulegen, nicht lieber durch eine Regierung in der Bundesversammlung gestellt werden solle, damit nicht der Schein der Verschleppung e­ ntstehe. Hierauf wurde bemerkt, daß ein solcher Antrag doch auch wieder dem Ausschuß zugewiesen werden müßte, wenn man den eben erst ad hoc gewählten Ausschuß nicht ganz ohne Thätigkeit lassen wolle. Freiherr von Edels­heim führt ferner aus: wenn der jetzige Vorschlag Preussens erfolglos bleiben sollte, so sollten die Mittelstaaten die Frage nicht fallen lassen, sie sollten einen engeren Bund der Mittelstaaten mit Parlament und dadurch gleiche Berechtigung dieser dritten Gruppe mit den Großmächten anstreben. In der Nachmittags-Sitzung wurden die Prinzipien besprochen, von welchen bei der Bundesreform auszugehen sein werde. Sodann einigte man sich über folgende Punkte: 1. es sei dahin zu wirken, daß der besondere Ausschuß für den Antrag Preussens gebildet werde aus den Gesandten von Oesterreich, Preussen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden, Großherzogthum Hessen und der XIIten Curie2. 2.  Sogleich nach Vorlage der preussischen Projecte möge ein Conferenzmitglied ein Gutachten darüber ausarbeiten und den übrigen mittheilen, damit die Diskussion in der nächsten Conferenz eine Grundlage habe. Auf Ersuchen erbot sich Freiherr von Beust diese Arbeit zu übernehmen. 3.  Baldmöglichst nach Empfang der preussischen Projecte solle die Conferenz wieder zu deren Berathschlagung zusammen treten in Nürnberg oder Würzburg. 4.  Es sollten fortan periodisch und möglichst oft Minister-Conferenzen der befreundeten Staaten abgehalten werden. In der Sitzung vom Montag den 23ten April wurde 1.  der anliegende Entwurf einer Instruction für die Mitglieder des besonderen Ausschußes gebilligt[;] 2 Die 12. Kurie der Bundesversammlung bestand aus dem Großherzogtum Sachsen-Weimar und den Herzogtümern Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha und Sachsen-Meiningen.

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Entwurf für die zu ertheilende Instruction

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2.  verabredet, daß die hier vertretenen Regierungen vor der nächsten Conferenz sich nach keiner Seite hin in bindende Verabredungen oder Erklärungen bezüglich der Bundesreform einlassen werden und daß die Verhandlungen der gegenwärtigen Conferenz als streng vertrauliche behandelt werden sollen. 3.  Zuletzt fand eine Besprechung der Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit statt. Man war ganz einig darin, wie bisher so auch ferner das legitime Erbrecht und das Selbstbestimmungsrecht der Herzogthümer zu vertheidigen, setzte aber eine eingehendere Erwägung der hiefür in der jetzigen Sachlage geeigneten Mittel für die nächste Conferenz aus. Diese Aufzeichnung wurde auf Vorlesen von den Mitgliedern der Conferenz genehmigt. (gez.) Freiherr von der Pfordten   Entwurf für die zu ertheilende Instruction  [Anlage] Entwurf für die an die Ausschuß-Mitglieder zu ertheilende Instruction. Der Ausschuß hätte einen Vortrag etwa folgenden Inhalts zu erstatten: Der Ausschuß ist der Ansicht, daß der Grundgedanke des Preußischen Antrages, die Reform der Bundesverfassung unter Mitwirkung einer Volksvertretung, nicht abzulehnen sei, sondern der Zustimmung der Bundesversammlung im Allgemeinen zu empfehlen sei. Bevor jedoch hierüber nähere Anträge gestellt oder Beschlüsse gefaßt werden können, hält es der Ausschuß für nothwendig, daß die von Preußen in Aussicht gestellten weiteren Vorlagen an die Bundesversammlung gelangt sein werden. Es ist vor Allem erforderlich, zu wissen, welche Aenderungen der Bundesverfassung die Preußische Regierung beantragen will, und nach welchen Grundsätzen in Bezug auf aktives und passives Wahlrecht, auf Wahlart und auf die Zahl der Vertheilung der Mitglieder das beantragte Parlament zu wählen wäre. Daher stellt der Ausschuß den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle an die Königliche Preußische Regierung das Ersuchen richten, daß sie ihren Antrag vom 9ten April dieß [sic] Jahrs durch die schon in Aussicht gestellten weiteren Vorlagen in den angegebenen Richtungen baldmöglichst ergänze.

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194. Mensdorff an Károlyi

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 192. Erlaß. Abschrift. Druck: Staatsarchiv, Bd. 10, S. 369–372.

Um einen Konflikt zwischen Österreich und Preußen zu vermeiden, schlägt Mensdorff vor, die Ursachen der Spannungen zu beseitigen, indem die schleswig-holsteinische Frage definitiv gelöst wird. Eine Teilung Schleswig-Holsteins unter Österreich und Preußen kann nicht das Ziel sein. Im Sinne des Wiener Friedensvertrags mit Däne­ mark sollten die beiden Großmächte vielmehr eine Verfügung zu Gunsten eines ­Dritten treffen. Die von Österreich und Preußen im Namen Deutschlands gemeinsam ­unternommene Tat darf nicht zu verderblicher Zwietracht führen. Vielmehr soll „in dieser deutschen Sache“ dem Bund schließlich das gegeben werden, „was des Bun­ des ist“. Österreich schlägt Preußen vor, in Frankfurt eine gemeinsame Erklärung abzugeben, wonach sie beschlossen hätten, „die durch den Wiener Friedensvertrag erworbenen Rechte auf denjenigen Prätendenten weiter zu übertragen, welchem der deutsche Bund die überwiegende Berechtigung der Erbfolge im Herzogthum [Hol­ stein] zuerkennen würde“. Im Gegenzug ist Österreich bereit, dabei mitzuwirken, daß Preußen militärische, territoriale und wirtschaftliche Rechte bzw. Vorteile in Schles­ wig-Holstein erhält. Entzieht sich Preußen diesen Vorschlägen, so bleibt Österreich nichts anderes übrig, als die Sache dem Deutschen Bund zu übergeben, um dort zu einer „bundesgemäßen Regelung der holsteinischen Angelegenheit“ zu gelangen.

Wien, 26. April 1866 Hochgeborener Graf! Je größere Wichtigkeit die Kaiserliche Regierung auf die gegenseitigen Erklärungen legt, durch welche in den letzten Tagen die augenblickliche Gefahr eines Conflictes zwischen den deutschen Großmächten glücklich überwunden worden ist, desto lebhafter wünscht der Kaiser, unser allergnädigster Herr, daß die Wiederkehr dieser Gefahr, an deren Dasein glauben zu müssen, für Seine Majestät peinlich gewesen ist, für immer verhütet werden möge. Dazu ist aber erforderlich, daß sich an das Einverständniß der Cabinete von Wien und Berlin über beiderseitige Entwaffnung alsbald auch ein Einverständniß über gründliche Beseitigung der Ursachen der eingetretenen Spannung knüpfe. Indem ich dies ausspreche, glaube ich nur einem Gefühle genug zu thun, welches in den weitesten Kreisen von den Freunden des Friedens, der Gerechtigkeit und der gemeinsamen Sache Deutschlands getheilt wird. Ich kann unmöglich besorgen, nicht auch bei der Königl. Preußischen Regierung dem ernsten Verlangen zu begegnen, Deutschland und Europa endlich von dem immer lästiger werdenden Drucke der Frage der Elbherzogthümer zu befreien. Die Verantwortlichkeit, welche beide Mächte als Bundesgenossen gemeinsam gegenüber Europa wie gegenüber dem Deutschen Bunde in dieser Sache übernommen haben, macht es ihnen zu einer gemeinsamen Pflicht, die

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seitherigen gefahrdrohenden Ungewißheiten nicht länger fortdauern zu lassen. Wenn ich daher jetzt nach den gemachten Erfahrungen, bei dem Berliner Hofe doppelt dringlich auf die Nothwendigkeit einer für alle Theile gerechten und billigen definitiven Lösung der schleswig-holsteinischen Verwickelung zurückkomme, so wird diesem Schritte in Berlin ein richtiges Verständniß und eine von allen schädlichen Eindrücken der jüngsten Vergangenheit freie Würdigung sicher nicht fehlen, – gleichwie wir denselben unsererseits ebenso unbefangen und leidenschaftslos unternehmen, als ob zwischen heute und dem ersten Tage der Cooperation der beiden Mächte gegen Dänemark kein störendes Ereigniß in der Mitte läge. Dies vorausgeschickt, sei es mir erlaubt, der ernstlichsten Aufmerksamkeit der Königl. Regierung die nachfolgenden Betrachtungen anzuempfehlen: Im Artikel III des Wiener Friedens-Vertrages haben Oesterreich und Preußen sich nicht etwa einfach die Herzogthümer zu voller Souveränetät abtreten lassen. Sondern König Christian IX. hat zu ihren Gunsten auf seine Rechte verzichtet und zugleich versprochen, die Verfügungen anzuerkennen, welche die beiden Mächte in Bezug auf die Herzogthümer treffen werden. Es war sonach die Absicht der Mächte, daß auf jene Cession weitere Verfügungen gegründet werden sollten. Ebenso hat die Gasteiner Convention die Ausübung der erwähnten Rechte zwischen Oesterreich und Preußen nur bis auf weitere Vereinbarung getheilt. Es handelt sich demgemäß darum, welche Folge dem zu Wien wie Gastein ausgedrückten Vorbehalte anderweiter Vereinbarung und Verfügung gegeben werden soll. Der kais. Hof seinerseits hat sich zu wiederholten Malen bereit erklärt, diese Frage im Sinne derjenigen Erklärung zu erledigen, welche Oesterreich und Preußen im Einverständniß mit dem Bevollmächtigten des Deutschen Bundes am 28. Mai 1864 in der Londoner Conferenz abgegeben haben.1 Preußen dagegen hat bis jetzt keine bestimmte Absicht über die Lösung der Souve­ ränetätsfrage ausgesprochen. Nur hat neuerlich mehrfach verlautet, daß die ­kön. Regierung das von der Majorität der preußischen Kronjuristen erstattete Gutachten als maßgebend für ihre Auffassung des Rechtspunktes betrachte.2 1 Siehe oben Dok. 129, Anm. 5. 2 Rechtsgutachten bezüglich der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, erstattet aufgrund des Allerhöchsten Erlasses vom 14. Dezember 1864 vom Kron-Syndikat (Druck in: Jansen/Samwer, Schleswig-Holsteins Befreiung, S. 478 ff.; separat gedruckt Berlin 1866, Digitalisat: http://pbc.gda.pl/dlibra/doccontent?id=41687; siehe auch Rosenberg, Die nationalpolitische Publizistik, Bd. 2, Nr. 1152, S. 827 f.). Das Gutachten ist auf den 11. September 1865 datiert, sein wesentlicher Inhalt wurde dem König von Justizminister Leopold Graf zur LippeBiesterfeld-Weißenfeld (1815–1889) bereits am 27. Juni 1865 vorgetragen. Das Gutachten kam zu dem Schluß, daß Österreich und Preußen durch den Wiener Vertrag von 1864 die Ver-

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Wir kennen dieses Gutachten nicht offiziell, aber man weiß, daß nach demselben der völkerrechtliche Titel, welchen die Monarchen von Oesterreich und Preußen durch den Wiener Friedensvertrag erworben haben, allen übrigen ­Ansprüchen, dem Oldenburgischen sowohl als dem Augustenburgischen, vorgehen soll. Die Souveränetät über Schleswig-Holstein soll definitiv auf die beiden Mächte übergegangen sein. Die kais. Regierung, welche von dem Londoner Vertrage niemals formell zurückgetreten ist, sondern nur das Recht des Siegers zu üben gedachte, als sie gemeinschaftlich mit Preußen die Trennung der Herzogthümer von Dänemark zu Gunsten des Augustenburgischen Hauses forderte, fühlt sich nicht berufen, gegen den Ausspruch der Kronjuristen theoretische Einwendungen zu erheben. Aber soll dieser Ausspruch gelten u. der vorbehaltenen definitiven Vereinbarung zu Grunde gelegt werden, bei welcher praktischen Folgerung wären dann die beiden Mächte angelangt? Wäre neben dem Rechte Oesterreichs u. Preußens jeder andere Prätendent ausgeschlossen, so müßte die provisorische Theilung des Gasteiner Vertrags in eine definitive verwandelt werden. Der König von Preußen müßte seinen Titeln den eines Herzogs von Schleswig hinzufügen, Holstein ein Land der österreichischen Kaiserkrone werden, u. unsere nächste Sorge müßte sein, die Beziehungen dieses Landes zum deutschen Bunde auf den normalen Fuß zu stellen. Da dies nun aber nicht das Ziel sein dürfte, nach welchem die Wünsche der beiden Mächte gerichtet sind, so folgt, daß wohl nicht in dem Gutachten der Kronjuristen allein der Schlüssel zur endgültigen Lösung gefunden werden könne. Vielmehr dürfte es den beiden Höfen durch vielfache wichtige Er­ wägungen nahe gelegt sein, auf den Vorbehalt des Artikels III des Wiener Friedens-Vertrages und zwar im ursprünglichen u. natürlichen Sinne dieses Vorbehalts, im Sinne der Verfügung über die Herzogthümer zu Gunsten eines Dritten zurückzugreifen. Es ist für S. M. den Kaiser Gewissenssache einen solchen Einfluß unter den ernsten aber eine Wendung zum Guten noch heute nicht ausschließenden Verhältnissen der Gegenwart dem Könige von Preußen dringend an das Herz zu legen. Der Kaiser war des Königs Bundesgenosse gegen Dänemark, – noch ist es Zeit, dafür zu sorgen, daß nicht aus der im Namen Deutschlands gemeinsam unternommenen That die Frucht verderblichster Zwietracht in Mitten verhängnißvollster Ereignisse hervorgehe. Auch vermag der Kaiser kaum zu glauben, daß es den Gedanken des Königs völlig fern stehen sollte, in dieser deutschen Sache dem Bunde zuletzt zu geben, was des Bundes ist, fügungsgewalt über die Herzogtümer erlangt hätten, doch seien sie verpflichtet, die Erban­ sprüche bei der Regelung der schleswig-holsteinischen Frage zu berücksichtigen. Solche begründeten Ansprüche könne der Erbprinz von Augustenburg geltend machen. Siehe Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 501 mit Anm. 62.

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u. was einst selbst die den preußischen Abgeordneten am 27. December 1863 ertheilte Königl. Antwort als dem Bunde zuständig erkannt hat.3 Die Successionsfrage sollte, dieser Antwort zu Folge, durch den deutschen Bund unter Preußens Mitwirkung geprüft werden, und Preußen sollte dieser Prüfung nicht vorgreifen. In demselben Sinne haben Oesterreich und Preußen sich während der Londoner Conferenz geäußert, u. die europäischen Mächte, selbst das an der Erbfolgefrage betheiligte Rußland, haben wiederholt ihre Achtung vor den Beschlüssen bezeigt, durch welche der Deutsche Bund die Frage, wer als rechtmäßiger Souverän des Bundeslandes Holstein anzuerkennen sei, zur Entscheidung bringen werde. Eingedenk alles dessen, schlagen wir dem Königl. Preuß. Hofe hiermit vor, sich mit uns zu einer Erklärung in Frankfurt zu vereinigen, des wesentlichen Inhalts, daß Oesterreich u. Preußen beschlossen hätten, die durch den Wiener Friedensvertrag erworbenen Rechte auf denjenigen Prätendenten weiter zu übertragen, welchem der deutsche Bund die überwiegende Berechtigung der Erbfolge im Herzogthum zuerkennen würde. Bietet die Königl. Regierung hiezu die Hand, so machen wir dagegen uns anheischig überall, wo dies nöthig sein wird, dazu mitzuwirken, daß dem preußischen Staate diejenigen speciellen Vortheile bleibend gesichert werden, mit deren Gewährung wir uns im Laufe der gepflogenen Verhandlung einverstanden gezeigt haben, und über welche, was Holstein betrifft, bereits in den Artikeln 2–7 der gasteiner [sic] Convention provisorische nähere Feststellungen enthalten sind. Preußen wird hienach definitiv die militärischen Stellungen von Kiel, Rendsburg und Sonderburg erwerben. Kiel wird zwar Bundeshafen, Rendsburg Bundesfestung werden, aber die Königl. Regierung wird uns bereit finden in den desfalls nach Artikel 2 und 3 3 Am 18. Dezember 1863 hatte das preußische Abgeordnetenhaus in einer Adresse an den König verlangt, „von dem Londoner Vertrage zurückzutreten, den Erbprinzen von SchleswigHolstein-Augustenburg als Herzog von Schleswig-Holstein anzuerkennen und dahin wirken zu wollen, daß der Deutsche Bund ihm in der Besitzergreifung und Befreiung seiner Erblande wirksamen Beistand leiste“. Das preußische Herrenhaus hatte am 21. Dezember 1863 in einer eigenen Adresse bekräftigt, daß es dem König die finanziellen Mittel „für die militärischen Maßregeln in Folge der zwischen Deutschland und Dänemark schwebenden Streitfragen“ gewähren werde, vor allem, da es sich um den Schutz eines deutschen Bundeslandes „gegen Vergewaltigung Seitens Dänemarks“ handele. König Wilhelm I. hatte auf die Adresse des Abgeordnetenhauses am 27. Dezember 1863 geantwortet, daß er entschlossen sei, „die Sache der Herzogthümer so zu führen, wie es Preussens und Deutschlands würdig ist, gleichzeitig aber den Verträgen die Achtung zu bewahren, welche das Völkerrecht fordert“. Die Erbfolgefrage werde vom Deutschen Bund unter Mitwirkung Preußens geprüft, „und dem Ergebniss dieser Prüfung kann Ich nicht vorgreifen. Bevor dasselbe feststeht, handelt es sich um Beschaffung der Mittel für die vom Deutschen Bunde beschlossenen Executionsmassregeln und für die im Gefolge derselben etwa nöthig werdenden Vertheidigungsanstalten“; vgl. Staatsarchiv, Bd. 6, S. 7–12, Zitate S. 8, 10, 11.

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der Gasteiner Convention im Einverständniß mit ihr in Frankfurt zu stellenden Anträgen, jedem ihrer billigen Wünsche entgegen zu kommen. Nicht weniger bereit sind wir, die von Preußen Behufs der Befestigung von Düppel und Alsen4 gewünschten Territorial-Abtretungen gemeinschaftlich mit der Königl. Regierung, falls sie dies verlangt, gegenüber dem künftigen Landesherrn auszubedingen. Ebenso werden sich die Leistungen, welche die Herzogthümer bis zu einer allgemeinen Regelung der Marinefrage am Bunde für die preußische Flotte zu übernehmen haben, ohne Schwierigkeit durch eine Convention zwischen Preußen und Schleswig-Holstein regeln lassen. Und dasselbe gilt von den Bestimmungen, welche die Gasteiner Convention zu Gunsten Preußens in den Artikeln 4, 5, 6 & 7 hinsichtlich der Communicationen durch Holstein, des Eintritts der Herzogthümer in den Zollverein u. der Anlage eines Kanals zwischen Nord- und Ostsee getroffen hat. Erwägt man, daß außer diesen vielfachen und wichtigen Vortheilen Preußen bereits das Herzogthum Lauenburg erworben hat, während Oesterreich für sich nichts anderes begehrt, als die bereits im Friedensvertrage ausbedungene Erstattung der Kriegskosten, – so wird man sicherlich den Antheil Preußens an den Errungenschaften eines Feldzugs, den es nicht allein, sondern im Bunde mit Oesterreich unternommen hat, nicht zu klein, man wird diesen Antheil nicht unwerth der gebrachten Opfer, man wird Oesterreich nicht eigennützig, man wird es nicht den Pflichten eines aufrichtigen Bundesgenossen untreu finden. Es wird hierüber nur Eine Meinung bei allen Unpartheiischen walten können. Entzieht sich demungeachtet Preußen noch immer unseren so gerechten und ehrenvollen Vorschlägen, so wird uns keine andere Entschließung mehr übrig bleiben, als dem deutschen Bunde den ganzen Stand der Angelegenheit offen darzulegen, und der gemeinsamen Erwägung unserer Bundesgenossen anheimzugeben, welche Wege in Ermangelung eines Einverständnisses zwischen Oesterreich und Preußen einzuschlagen seien, um zur bundesgemäßen Regelung der holsteinischen Angelegenheit zu gelangen. Auch wird dann die Stimme des Landes Holstein selbst[,] die ohne Zweifel vernommen zu werden verdient, umsoweniger noch länger ungehört bleiben können, als ohnehin die holsteinischen Stände nach der geltenden Verfassung im Laufe dieses Jahres einberufen werden müssen. Wir haben hiermit in einem ernsten Augenblicke die Ansichten des Kaisers, unseres Herrn, nochmals im Zusammenhange dargelegt. Der Weisheit und dem Gerechtigkeitssinne Seiner Majestät des Königs ist es vorbehalten, 4 Bei Düppel, einem Ort in der Nähe von Sonderborg, hatte im April 1864 die entscheidende Schlacht des Deutsch-Dänischen Krieges stattgefunden. Die dänische Insel Alsen liegt un­ mittelbar gegenüber von Düppel. Beide Gebiete blieben unter dänischer Herrschaft, die neue Grenze verlief südlich davon.

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Runderlaß Bismarcks

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sie zu würdigen und die Wahl zu treffen, zwischen der Fortdauer eines Zwiespalts, dessen Folgen sich in der gegenwärtigen Weltlage jeder Berechnung entziehen, und einer Lösung, welche den Streit über das Schicksal der für Deutschland gewonnenen Herzogthümer unter allgemeiner Anerkennung, mit unverkennbarem Gewinn für Preußens Machtstellung und mit nicht geringer Erhöhung seiner historischen Ehren abschließen würde. Ew. Excellenz sind ersucht, dem Königl. Herrn Ministerpräsidenten die gegenwärtige Depesche mitzutheilen und hiemit den Ausdruck des Wunsches thunlichster Beschleunigung der Rückäußerung des Königl. Kabinets zu verbinden. Empfangen pp. (gez.) Mensdorff.

195. Runderlaß Bismarcks an die preußischen Missionen bei den deutschen Höfen

HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 942, fol. 132 f. Metallographie. Behändigte Ausfertigung Bismarcks an den preußischen Gesandten in Dresden, von der Schulenburg-Priemern. Vermerk: „Br. m. mitgetheilt durch den k. preuß. Gesandten, H. v. d. Schulenburg, und eingeg. zur Kanzlei am 3. Mai 1866.“ Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 465 f. (Konzept); Staatsarchiv, Bd. 11, S. 60 f.

Preußen wird erst dann seine konkreten Reformvorschläge vorlegen, wenn der Zu­ sammentritt des Parlaments zu einem bestimmten Termin gesichert ist. Bismarck glaubt nicht an eine Verständigung der Regierungen über die Reform, wenn nicht ein Termin für die Eröffnung des Parlaments gesetzt wird, der die Mitwirkung des in der Volksvertretung liegenden „nationalen Factors“ ermöglicht. Mit der Ablehnung die­ ser Terminfestsetzung für die Parlamentseröffnung vor Beginn der Regierungsver­ handlungen wäre auch die Behandlung der Bundesreform abgelehnt.

Berlin, 27. April 1866 Der Neuner-Ausschuß, welcher unseren Antrag vom 9ten April d. Js., auf Einleitung der Bundesreform durch Berufung eines Parlaments, der Bundesversammlung zur Beschlußfassung zu unterbreiten hat, ist am 26ten April gewählt worden1, und es handelt sich nunmehr um Beschleunigung der Entscheidung dieser Vorfrage. 1 Die Wahl erfolgte in der 14. Sitzung der Bundesversammlung am 26. April 1866. In den Ausschuß wurden gewählt die Gesandten von Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden, Großherzogtum Hessen und den Sächsischen Häusern (12. Stimme), zu Stellvertretern wurden die Gesandten von Mecklenburg und Kurhessen gewählt; ProtDBV 1866, § 113, S. 129.

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Berlin, 27. April 1866

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Während das Reformbedürfniß von allen Seiten längst anerkannt ist, und während die Nothwendigkeit der parlamentarischen Mitwirkung an der Bundesreform kaum noch ernstlich bestritten werden kann, tritt uns in den Erklärungen verschiedener Regierungen in der Bundestagssitzung vom 21ten April und auf anderen Wegen die Auffassung entgegen, daß vor der Beschluß­nahme über die Parlamentsberufung erst über die materielle Seite der Reformfrage zwischen den Regierungen eine Einigung zu erzielen sei. Man erwartet von uns die Einbringung unseres vollständigen Reform­ planes in den Ausschuß, und eine Regierung geht so weit, sogar den Beginn der Thätigkeit desselben von einer solchen Mittheilung abhängig machen zu wollen. Dieser Auffassung gegenüber, deren Verwirklichung die Beseitigung jedes ernsthaften Reformversuches wäre, müssen wir darauf aufmerksam machen, daß nach unserem Antrage und dem Bundesbeschlusse vom 21ten April die Aufgabe des Neuner-Ausschusses nicht die Verhandlung über die dem Parlamente zu machenden Reformvorlagen, sondern die Berichterstattung darüber ist, ob von bundeswegen die Einberufung einer aus directen Wahlen hervorgehenden Volksvertretung zur Berathung der Bundesreform zu beschließen sei oder nicht. Unsere Vorschläge für die Reformvorlagen werden wir unseren Bundesgenossen erst dann vorlegen, wenn der Zusammentritt des Parlaments zu einem bestimmten Termin gesichert ist. Wir werden bei den Ausschußberathungen die Gebiete des Staatslebens ­bezeichnen können, auf welche unsere Vorschläge sich erstrecken werden. Es sind größten Theils Fragen, welche sich auf die Sicherstellung der höchsten Zwecke des Bundes beziehen, die bereits Gegenstand der eingehendsten Verhandlungen gewesen sind und deshalb eine Verständigung zu einem bestimmten Termin möglich machen. Wir werden uns, um dies Ziel zu erreichen, gern bescheiden, nur die allernothwendigsten Fragen anzuregen, da uns dadurch der Erfolg des Reformversuches am meisten gefördert erscheint. An eine Verständigung der Regierungen über den Inhalt und Text der Vorschläge aber glauben wir nicht, wenn für dieselbe nicht ein Präclusivtermin mit der Aussicht auf die fördernde Mitwirkung des in der Volksvertretung liegenden einheitlichen und nationalen Factors gestellt wird. Nach den mit den Reformversuchen in den letzten Jahrzehnten gemachten Erfahrungen halten wir es für ganz zweifellos, daß ohne die selbstauferlegte Nöthigung, welche in der vorherigen Festsetzung des Termins für die Parlamentseröffnung liegt, an eine Verständigung der Regierungen auch nur über die allernothwendigsten Reformen gar nicht zu denken ist. Wir stehen mit dieser Ueberzeugung, für welche die eclatantesten That­ sachen sprechen, gewiß nicht allein. Sind doch die Gefahren, welche dem

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Mensdorff an Károlyi

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Bunde von außen drohten, nicht ausreichende Motive gewesen, um für die dringend nothwendige Reform der Bundeskriegsverfassung auch nur die ersten Schritte zu Wege zu bringen, zu welcher Preußen seit fast 4 Jahrzehnten wiederholt in energischer Weise den Anstoß gegeben hat. Und hat doch noch im letzten Jahrzehnt, Angesichts des stets drohenden Dänischen Krieges, die Verhandlung über die Küstenvertheidigungs- und Flottillenfrage, wo es sich bei Preußens Opferwilligkeit nur um ganz geringfügige Leistungen Seitens der Bundesgenossen handelte, trotz aller unserer Bemühungen am Bunde und bei den Regierungen, seit 1859 bis jetzt aussichtslos geschwebt.2 Die Bestimmung des Termins der Parlaments-Eröffnung vor Beginn der Regierungsverhandlungen über die Reformvorlagen ist der Kern unseres ­Antrages vom 9ten April. Mit der Ablehnung dieser Frage wäre die ernstliche Behandlung der Bundesreform überhaupt thatsächlich abgelehnt. Euere Hochwohlgeboren wollen die Regierung, bei welche[r] Sie beglaubigt zu sein die Ehre haben, über diese unsere Auffassung nicht in Zweifel lassen. v. Bismarck

196. Mensdorff an Károlyi

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 192. Erlaß. Abschrift. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/2, S. 582 f. (Konzept).

Für Österreich ist der preußische Vorschlag, vor weiteren Regierungsverhandlungen über die Bundesreform in der Bundesversammlung die Einberufung eines direkt ge­ wählten Parlaments zu einem bestimmten Termin zu beschließen, nicht annehmbar. Die preußische Regierung hat die moralische Verpflichtung, sich gegenüber ihren Bundesgenossen offen und vollständig über ihre Reformpläne auszusprechen.

Hochgeborner Graf!

Wien, 4. Mai 1866

Eure Excellenz kennen bereits durch die öffentlichen Blätter die Circulardepesche, welche das Berliner Cabinet am 27sten v. M. an die Königl. Gesandtschaften bei den deutschen Regierungen erlassen hat.1 Es ist in derselben das Ansinnen enthalten, daß der Deutsche Bund vor allem Weiteren die Einberufung eines aus directen Wahlen hervorgehenden Parlamentes beschließen solle. Die Königl. Preußische Regierung findet sich nicht bewogen, vor einem 2 Siehe dazu oben Dok. 156, Anm. 1. 1 Siehe Dok. 195.

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solchen Beschlusse ihre Reformvorschläge ihren Bundesgenossen mitzutheilen, und sie spricht ihre Meinung dahin aus, daß mit der Ablehnung des Verlangens, den Termin der Parlamentseröffnung vor Beginn der Regierungsverhandlungen zu bestimmen, die ernstliche Behandlung der Bundesreform überhaupt thatsächlich abgelehnt wäre. Wie den übrigen deutschen Regierungen, so ist dieser Circularerlaß auch dem Kaiserl. oesterreichischen Cabinete mitgetheilt worden. Bereits aus der Erklärung, welche wir in der Bundestagssitzung vom 21sten v. M. abgegeben haben2, hat jedoch die königl. preußische Regierung die Ueberzeugung schöpfen können, daß wir den Standpunkt nicht für annehmbar halten, welchen sie in ihrer Aeußerung vom 27sten einnimmt. Der Kaiserl. Praesidialgesandte hat in unserem Namen erklärt, und wir können nur wiederholen, daß nach unserer Ansicht diejenige deutsche Regierung, welche die ernste und folgenreiche Frage der Bundesreform anregt, hiedurch die moralische Verpflichtung übernehme, sich vor Allem über das, was sie für heilsam und ausführbar hält, offen und vollständig gegen ihre Bundesgenossen auszusprechen. Hat sie solches gethan, dann erst wird es für diejenigen Regierungen, welche ihre Vorschläge als den Interessen Deutschlands entsprechend anerkennen, Zeit sein, zu überlegen, ob und welche Mittel der Pression Behufs Erlangung der nothwendigen allseitigen Zustimmung anzuwenden seien. Das Verlangen dagegen, daß die deutschen Regierungen ein Parlament einberufen sollen, ehe sie wissen, welche Vorlagen demselben gemacht werden sollen, ja ehe sie nur die Propositionen Preußens kennen, dieses Verlangen scheint uns zu weit zu gehen, und das oeffentliche Urtheil wird, wie wir glauben, weit eher an dem Ernste der Reformbestrebungen einer Regierung, welche eine ­unmöglich durchzusetzende Bedingung aufstellen würde, als derer, welche sie ablehnen, irre werden. Was uns angeht, so haben wir den Freiherrn von Kübeck bereits mit der Instruction versehen, im Ausschuße dafür zu stimmen, daß die Königl. Preußische Regierung um Mittheilung ihrer Vorschläge zur Aenderung der Bundesverfassung, sowie ihrer Ansichten über Zusammensetzung und Wahl der einzuberufenden Volksvertretung ersucht werde. Im Sinne der vorstehenden Bemerkungen wollen Ew. p., in Erwiderung auf die Eingangs erwähnte Mittheilung, sich gegen den königl. Herrn Ministerpraesidenten aussprechen. (gez.) Mensdorff.

2 Siehe Dok. 190.

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197. Bismarck an Werther

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 193, fol. 104 f. Erlaß. Abschrift. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 487 f. (Konzept); Staatsarchiv, Bd. 11, S. 26–28; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 7, 1866, S. 58 f. (Auszug).

Preußen kann dem österreichischen Vorschlag nicht folgen, die Entscheidung über die Elbherzogtümer dem Deutschen Bund zu überlassen. Preußen würde es als eine Verletzung des Wiener Friedensvertrags und der Gasteiner Konvention betrachten, wenn Österreich gegen den Willen Preußens einen Bundesbeschluß als maßgebend betrachten würde. Preußen kann keine Kompetenz des Bundes zur Entscheidung in dieser Frage anerkennen und wird seine durch Krieg und Vertrag erworbenen Rechte keinem Dritten übertragen. Über diese Rechte kann nur zwischen Wien und Berlin verhandelt werden. Solche Verhandlungen könnten erleichtert werden durch ein Ein­ verständnis mit Wien über die von Preußen angebahnte Reform der Bundesverfas­ sung.

No 143.

Berlin, 7. Mai 1866

Die Depesche, welche der Kaiserl. Herr Minister der ausw. Angel. unter dem 26. v. M. an den Grafen Károlyi gerichtet hat1, um die Gedanken des ­Wiener Cabinets über die definitive Lösung der Frage der Elbherzogthümer darzulegen, habe ich Ew. Excellenz bereits unter dem 1. d. M. mitgetheilt; sie ist seitdem auch, und zwar von Wiener Blättern zuerst, veröffentlicht worden. Obgleich die Hoffnungen, welche der Herr Graf von Mensdorff im Eingang der Depesche ausdrückt und durch welche er die Anregung dieser Frage motivirt, sich bis jetzt nicht erfüllt haben, so will ich doch nicht länger zögern Ew. Excellenz von der Auffassung der Oesterreichischen Vorschläge in Kennt­ niß zu setzen, zu welchen eine reifliche Erwägung derselben S. Maj. den ­König unseren Allergnädigsten Herrn geführt hat. Da es uns in dem gegenwärtigen ernsten Augenblick nicht um einen Austausch von Schriftstücken zu thun ist, welche bestimmt sind, vor der öffentlichen Meinung die gegenseitigen Standpunkte zu fixiren oder zu rechtfertigen, sondern um die Anbahnung einer wirklich ernst gemeinten Verständigung, welche nur auf dem Wege vertraulicher Verhandlungen zu erreichen möglich ist, so sehe ich von einer formalen Erwiderung auf die Depesche vom 26sten April ab, und wähle die Form eines vertraulichen, nicht zur Mittheilung an den Kaiserl. H. Minister bestimmen Erlasses an Ew. pp. Ich habe schon in meiner Mittheilung vom 1sten d. Mts.2 angedeutet, daß nach unserer Auffassung sich die Depesche des H. Grafen v. Mensdorff auf 1 Siehe Dok. 192. 2 Bismarck an Werther, 1. Mai 1866; Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 476 f.; Die auswärtige Politik Preußens, Bd. 7, S. 161 (Regest).

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einem Boden bewegt, auf welchem wir nicht folgen können. Es ist nicht der Boden der Verträge von Wien und Gastein, welche die Berechtigung des ­Königs Christian IX. zur vollen Cession der Herzogthümer, und folglich die ­unbedingte Erwerbung derselben durch die beiden Deutschen Mächte voraussetzt. Wie hieneben noch eine Entscheidung des Bundes über den rechtmäßigen Besitz des Herzogthums Holstein Platz finden solle, vermögen wir nicht einzusehen. Wir halten unsererseits an diesen Verträgen fest; und wir würden es als eine Verletzung derselben betrachten, wenn die Kaiserl. Regierung ­einen in Betreff unserer gemeinsamen Rechte an den Herzogthümern gegen unseren Willen gefaßten Bundesbeschluß als maßgebend behandeln wollte. Wir können keine Competenz des Bundes zur Entscheidung in dieser Frage anerkennen, nachdem wir unsere eigne rechtliche Ueberzeugung festgestellt und durch völkerrechtliche Verträge eine sichere Basis gewonnen haben; u. wenn wir die eigenen Aeußerungen des Wiener Cabinets, namentlich den Erlaß an den Kaiserl. Gesandten zu München d. d. Wien vom 10. Januar 18643 in Betracht ziehen, so können wir nicht glauben, daß die Ksl. Regierung sich selbst jetzt in einen so entschiedenen Widerspruch mit ihren früheren Auf­ fassungen über die Competenz des Bundes setzen wolle. Eben so wenig wie wir die Entscheidung über die Frage dem Bunde und der jeweiligen Majorität von deutschen Regierungen überlassen können, hegen wir die Absicht, unsern Antheil an den von uns durch Krieg und Vertrag erworbenen Rechten einem Dritten zu übertragen, welcher uns keine Bürgschaft eines Aequivalents für die Opfer bietet, mit welchen wir den Erwerb jener Rechte haben erkaufen müssen. Wenn die Kaiserl. Regierung dagegen über ihre Rechte an der gemeinsamen Errungenschaft eine anderweite Verfügung treffen will, so wird sie uns sofort zur Verhandlung darüber bereit finden. Eine solche Verhandlung mit Wien würde sich auf der Basis des bestehenden Rechtes bewegen, da die Verträge die Disposition über die Herzogthümer beiden Mächten gemeinsam geben, und daher eine solche Disposition nur unter gegenseitiger Zustimmung stattfinden kann, welche auch in dem Gasteiner Vertrage noch vorbehalten ist. Wir verlangen unsererseits nichts über unser klares und bestimmtes Recht hinaus, welches uns den gleichen Antheil mit Oesterreich an der Cession König Christian’s gewährt, wir gründen keine Ansprüche auf die von uns gebrachten, nach der Natur der Dinge größeren Opfer, aber unser vertragsmäßiges Recht an unserem Antheile können wir uns auch durch Bundesbeschlüsse

3 Rechberg an Blome, Wien, 10. Januar 1864, HHStA Wien, PA V 80 (Abschrift), Druck in: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 3, S. 606–611; Staatsarchiv, Bd. 6, S. 515–519.

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nicht verkümmern lassen. Ueber die Lösung oder Fortbildung unseres Mit­ besitzverhältnisses kann nur mit Oesterreich von uns verhandelt werden. Erleichtert, resp. modificirt könnten diese Verhandlungen werden, wenn es gelänge, gleichzeitig über die von uns angebahnte Reform der Bundes-Verfassung eine Verständigung mit dem Kaiserlichen Cabinet zu erzielen. Sobald Ew. pp. daher aus Ihren Besprechungen mit dem Herrn Grafen von Mensdorff die Ueberzeugung gewinnen, daß das Kaiserl. Cabinet bereit wäre, zu einer solchen Verständigung die Hand zu bieten, wollen Ew. pp. die entsprechende Bereitwilligkeit unsererseits in Aussicht stellen. Ich wiederhole meine im Eingang gemachte Bemerkung, daß diese Depesche, welche Ew. pp. die Gesichtspunkte, von denen aus wir eine Verständigung für möglich halten, darbieten soll, nicht zur Mittheilung bestimmt ist. Zu einer vertraulichen Vorlesung und Erläuterung derselben wollen Ew. pp. Sich ermächtigt halten. gez. v. Bismarck.

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HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 942, fol. 135– 139. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 13. Mai 1866.

Der Neunerausschuß zur Beratung des preußischen Reformantrags hat seine Ver­ handlungen aufgenommen. Alle Anwesenden sprachen sich gegen die prinzipielle Ab­ lehnung des Antrags aus, erklärten aber, daß Preußen zunächst konkrete Vorlagen in der Bundesversammlung machen müsse. Der preußische Gesandte gab dem Ausschuß vertraulich Kenntnis von den Grundideen der beabsichtigten Reform, doch will seine Regierung derzeit noch kein ausformuliertes Reformprojekt vorlegen. Bei den Aus­ schußmitgliedern herrscht keine Einigkeit darüber, ob der Vortrag über den preußi­ schen Antrag bald erstattet werden oder ob die Entscheidung noch in der Schwebe bleiben soll, bis weitere Details bekannt sind.

No. 84

Frankfurt am Main, 11. Mai 1866

Wie ich bereits zu melden mich beeilt, hat heute der erste Zusammentritt des Neunerausschusses stattgefunden. Auf Vorschlag des Präsidialgesandten wurde der Bayerische Gesandte zum Referenten bestellt. Derselbe sprach sich, um für sein Referat die nöthigen Unterlagen zu gewinnen, im Sinne der ihm, in Übereinstimmung mit den in Augsburg vertreten gewesenen Regierungen, ertheilten Instructionen über den Ideengang aus, den der Vortrag etwa festzuhalten haben werde. Der Oesterreichische Gesandte schloß sich dem an, und fügte nur noch den Wunsch hinzu, die Erhaltung des Bundesfriedens im Vortrage erwähnt zu sehen. Da der Preußische Gesandte gebeten hatte, es möch-

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ten alle übrigen Mitglieder des Ausschusses sich vor ihm äußern, so geschah dies, und zwar in der Art, daß sich sämmtliche Gesandte, einschließlich des Hannöverschen, im Sinne der Bayerischen Kundgebung aussprachen. Da sich somit alle Anwesenden zwar gegen principielle Ablehnung des Preußischen Antrags, allein dafür erklärt hatten, daß die weiter von Preußen in Aussicht gestellten Vorlagen in der Bundesversammlung zunächst gemacht würden, so ergriff der Preußische Gesandte1 das Wort und äußerte sich im Wesentlichen in folgender Weise. Das Bedürfniß einer Reform der Bundesverfassung ist wiederholt von den Bundesregierungen anerkannt worden und darauf der Antrag der Preußischen Regierung gegründet. Die Gründe, welche letztere abhalten ein in sich abgeschlossenes Reformproject der Bundesversammlung vorzulegen, hat sie theils im Allgemeinen in dem Antrag selbst, theils näher eingehend in dem Circular entwickelt, welches sie über diesen Gegenstand an ihre Bundesgenossen gerichtet hat.2 Die darauf eingegangenen Rückäußerungen haben der Regierung die Gewißheit verschafft, daß keine Bundesregierung dem gestellten ­Antrag principiell entgegen zu treten beabsichtige. Sowie heute im Ausschuß, so sei aber auch in diesen Rückäußerungen allseitig der Wunsch kundgegeben worden, das Nähere über die Reformvorschläge zu kennen, welche die Preußische Regierung zu machen gedenke. Um diesem Wunsche entgegen zu kommen, ist der Gesandte in die Lage gesetzt worden, dem Ausschusse vertraulich Kenntniß von den Grundideen der beabsichtigten Reform zu geben, gleichsam die Grenzen zu bezeichnen, auf welche sich dieses Reformproject zu beschränken haben werde. Hiermit giebt die Preußische Regierung keineswegs den in den Antragsmotiven und dem Circular präcisirten Standpunkt auf, wonach sie sich der Vorlage eines bestimmt formulirten Projects zur Zeit noch enthalten wolle. Um eine allseitige Verständigung zu erleichtern[,] will sie sich auf An­ deutung einiger practischer Gesichtspunkte beschränken, die keineswegs den Kreis aller Vorschläge erschöpfen, die aber, wenn sie Anklang finden, und allseitig g­ utem Willen begegnen, geeignet sind den Aufbau des Reformwerks mit gemeinsamen Kräften zu ermöglichen. Sollte sich die Regierung in dieser Erwartung täuschen, so würde ihr nichts übrig bleiben als dann allein Hand an das Werk zu legen, wobei sie sich vorbehält den Reformvorschlägen noch manche andere auf die ideellen Wünsche der Nation bezügliche Zusätze zu machen. 1 Karl Friedrich von Savigny (1814–1875), preußischer Diplomat, 1850–1859 Gesandter in Karlsruhe, 1859–1864 Gesandter in Dresden, 1864–1866 preußischer Bundestagsgesandter; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 313, 315; NDB, Bd. 22, S. 473–474. 2 Siehe Dok. 195.

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Die knapp gemessenen Materien, über die es vielleicht schon deßhalb gelingen wird eine Verständigung herbeizuführen, weil sie sich in den meisten früheren Reformprojecten wiederfinden und also dem politischen Bedürfniß entsprungen sind, sind folgende: 1. Organisation des Bundes mit einer periodisch einzuberufenden Nationalvertretung. Die Beschlußfassung dieser Letzteren soll, auf bestimmt begrenzten Gebieten der Gesetzgebung, in den Fällen als Ergänzung dienen, wo nach der Bundesacte Stimmeneinhelligkeit erforderlich ist. 2. Die Competenz dieses neu zu gestaltenden Bundesorgans soll auch auf solche Materien ausgedehnt werden, die nach mehrfachen Vorgängen an besonders niedergesetzte Commissionen zu Ausarbeitung von Gesetzentwürfen überwiesen zu werden pflegen; wie beim Handelsgesetzbuch, Maß- u. Gewichtsordnung, Patentgesetzgebung etc. Als fernere Materien auf die sich die Bundesreformen auszudehnen haben werden bezeichnet der Gesandte: 3. Regulirung der Verkehrswege unter den Staaten, also Straßen, Eisenbahnen, Telegraphen, Fluß- und Wasserstraßen pp.; 4. Freizügigkeit und Heimathsverhältnisse; 5. Allgemeine Zoll- und Handelsgesetzgebung in principieller Behandlung, unter dem Gesichtspunkte regelmäßiger gemeinsamer Fortentwickelung[;] 6. Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Auslande mit Inbegriff des Consulatswesens und Schutzes der deutschen Flagge zur See. 7. Gründung einer Kriegsmarine mit erforderlichen Kriegshäfen und gemeinschaftlichen Küstenvertheidigungswerken. 8. Endlich Consolidirung der militärischen Kräfte für Feldarmeen und Festungswesen, also Revision der Bundeskriegsverfassung aus dem Gesichtspunkte einer Verbesserung der Gesammtleistung, so daß deren Wirkung gehoben und die Leistung des Einzelnen möglichst erleichtert wird. Außer diesen allgemeinen Umrissen enthielten die Mittheilungen des Preußischen Gesandten noch einige Andeutungen über nachbenannte Gegenstände[.] Es sollen Bezirke von 80–100 000 Seelen gebildet, und aus ihnen je ein Abgeordneter zum beantragten Parlamente gewählt werden. Bezüglich des passiven Wahlrechts werden Preußischer Seits Vorschläge gewünscht, und eventuell die Reichsverfassung von 1849 in dieser Beziehung als acceptabel bezeichnet. Es soll keine Centralgewalt gebildet werden, um der Besorgniß zu begegnen, daß der Staatenbund sich in einen Bundesstaat verwandle. Die oben angedeutete Bundesreform verträgt sich mit der Fortdauer der Bundesversamm­ lung als gemeinsames Organ, neben welchem, nach Bedürfniß, Ministerverei-

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nigungen denkbar sind. Die Regulirung der Beziehungen zwischen der Bundesversammlung und der Nationalvertretung bleibe freier Vereinbarung vorbehalten. Als der Gesandte geendet, war das allgemeine Gefühl, daß er mehr gegeben habe, als erwartet worden war und doch zu wenig, um sich bereits ein Urtheil über das Maß dessen zu bilden, was Preußen wohl bei diesen zum Besten der Gesammtheit angeregten Reformen für sich selbst anstrebe. Dieses Gefühl sprach sich in den wiederholten Versuchen aus, die von den ­verschiedenen Mitgliedern des Ausschusses gemacht wurden, um Herrn von Savigny auf der betretenen Bahn weiter zu bestimmten Auslassungen zu drängen. Alle diese Versuche scheiterten an seiner Erklärung, seine Regierung werde unter keinen Umständen mit irgend einem formulirten Projecte hervortreten. Er berief sich auf den seiner Regierung in den Antworten auf das Circular ausgesprochenen Wunsch, Mittheilungen über den Umfang der beantragten Reformen zu erhalten. Diesem Wunsche sei seitens seiner Regierung dadurch entsprochen worden, daß sie ihn zu einer vertraulichen Darlegung dieser Grundideen ermächtigt habe. Seine Regierung habe nun ihrerseits abzuwarten, welche Aufnahme dieses Entgegenkommen bei den im Ausschusse vertretenen Regierungen finden werde. Es wurde ihm entgegengehalten, seine vertraulichen Mittheilungen enthielten nichts als Rubriken, ein Inhaltsverzeichniß eines Compendiums über Staatsrecht, es sei unmöglich danach zu bemessen, ob sich auf eine Verständigung hoffen lasse. Er wurde ersucht, sich wenigstens darüber zu äußern, wie sich seine Regierung die Thätigkeit des Ausschusses denke, ob Letzterem die Aufgabe zufallen solle, innerhalb der angedeuteten Grundzüge Vorschläge auszuarbeiten, und dabei darauf hingewiesen, daß auch dann als Bedingung für eine ersprießliche Thätigkeit, die Vorlage eines Projectes vorausgesetzt werden müsse, das man den Berathungen zu Grunde legen könne. Alle diese Bemühungen führten zu keinem Resultate. Von Seiten eines Gesandten wurde bemerklich gemacht, die nächste Aufgabe der Ausschußmitglieder werde sein, die vertraulichen Mittheilungen des Preußischen Gesandten ihren höchsten Regierungen zu unterbreiten und damit die Frage zu verbinden, ob ihre Ansicht dahin gehe, daß die angedeuteten Grundzüge das Gebiet einer Bundesreform umfaßten, und ob sie bereit seien innerhalb derselben, etwa durch Niedersetzung einer Redactionscommission, den Versuch zu machen zu einer Verständigung zu gelangen. Darauf erwiderte endlich Herr von Savigny, seine Regierung würde ein3 Bejahen dieser Frage als ein Entgegenkommen begrüßen und auch ihn dann in die Lage setzen zu dem gemeinsamen Werke seinerseits „behauene Bausteine“ zu liefern. 3 Emendiert. Vorlage: eine.

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Bose an Beust

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Bis hierher war von Festsetzung eines Termins für Berufung des Parlaments noch gar nicht die Rede gewesen. Nur jetzt warf Herr von Savigny die Bemerkung hin, wenn sich die Regierungen einmal über die Grundzüge der Reform geeinigt haben würden, werde es sich leicht übersehen lassen, bis zu welchem Zeitpunkte die Verständigung über das Detail erreicht werden könnte. Von einer Seite ward diese Bemerkung aufgenommen und darauf hingewiesen, daß, ehe nicht eine allseitige Verständigung über das Reformproject selbst bestehe, sicher keine Regierung das Wagniß unternehmen werde, ein Parlament zu berufen. Der Preußische Gesandte ließ diese Bemerkung ohne jede Erwiderung. Er trat überhaupt während der ganzen fast dreistündigen Dauer der Discussion mit großer Milde und in höflichster Form auf. Es waltete offenbar das Bestreben ob, das Odium eines Scheitern[s] des Reformwerkes dadurch der Bundesversammlung zuzuschieben, daß man Preußischer Seits jedes schroffe Auftreten vermeide und ein, wenn auch nur scheinbares, Entgegenkommen auf die laut gewordenen Wünsche der einzelnen Regierungen an dessen Stelle setze. Hiernächst handelte es sich darum die Frage zu entscheiden, ob trotz der von dem Preußischen Gesandten gemachten Mittheilungen, der Vortrag in der in Augsburg vereinbarten Weise erstattet werden solle oder nicht? Obgleich ich keinen Augenblick anstehe, die Preußischen Mittheilungen als ungenügend zu bezeichnen, so erlaube ich mir doch als meine unmaßgebliche Ansicht auszusprechen, daß ich es unter den eben angedeuteten Verhältnissen nicht für gerathen halten möchte, dieselben a limine zurückzuweisen, daß es sich vielmehr empfehlen dürfte, den Ausschußmitgliedern neue Instructionen, etwa dahin gehend, zu ertheilen: dem Preußischen Gesandten zu erwidern, es seien die Regierungen damit einverstanden, daß sich die Reform des Bundes auf die angedeuteten Grundzüge zu beschränken habe. Sie seien daher bereit, innerhalb dieser Grenzen zu einer gemeinsamen Verständigung über das Detail der Reform dadurch mitzuwirken, daß sie die Aufgabe der Ausarbeitung des Reformwerks einer Commission übertrügen, die entweder aus Mitgliedern des Ausschusses zu bilden (also eine Subcommission desselben, wie dies im Laufe der heutigen Besprechung angeregt wurde) oder außerhalb der Bundesversammlung wie immer zusammenzusetzen wäre. Bis sich herausgestellt haben werde, ob auf diesem Wege zu einem Ziele zu gelangen sei, würde der Antrag natürlich in suspenso bleiben. Mit meiner Ansicht stehe ich nicht allein, sie wird namentlich vom Württembergischen Gesandten getheilt, während der Bayerische sich zu der Ansicht hinneigt, der Vortrag, wie er in Augsburg verabredet worden, solle trotz der Mittheilungen des Preußischen Gesandten erstattet und diese Letzteren darin, soweit Herr von Savigny damit einverstanden sei, aufgenommen werden.

Nr. 199

Frankfurt am Main, 11. Mai 1866

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Darüber, daß diese Mittheilungen unseren höchsten Regierungen überhaupt erst unterbreitet werden müßten und damit die Frage zu verbinden sei, ob dadurch die ertheilte Instruction eine Modification erleide, herrschte bei der überwiegenden Majorität des Ausschusses, nach den Aeußerungen die von dessen Mitgliedern nach der Sitzung gethan wurden, kein Zweifel. Der Königliche Bundestagsgesandte von Bose   Frankfurt am Main, 11. Mai 1866    Vertrauliche Mitteilung von Savigny 

199. Vertrauliche Mitteilung des preußischen ­Bundestags­gesandten Savigny

BA Berlin, DB 1/I, Nr. 75. Beilage zum Protokoll der 35. Bundestagssitzung (Druck); Reinschrift in: BA Berlin, DB 1/I, Nr. 75; Metallographie ebd. sowie in: HStA Dresden, Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 942, fol. 145 f. – Die Mitteilung wurde am 11. Mai 1866 in der Sitzung des Ausschusses für die Bundesreform mündlich vorgetragen und am 23. Mai 1866 dem Ausschuß schriftlich mitgeteilt (siehe dazu unten Dok. 233). Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 61 f.; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 226 f. (gekürzt).

Die Reform der Bundesverfassung soll folgende Punkte betreffen: die Schaffung einer gewählten Nationalvertretung mit weitgehenden Kompetenzen zur Bundesgesetzge­ bung vor allem in der Handels- und Wirtschaftspolitik; die Bildung einer Kriegsmari­ ne mit den dazugehörigen Küstenschutzmaßnahmen; die Revision der Bundeskriegs­ verfassung.

[Frankfurt am Main,] 11. Mai 1866 Schriftliche Aufzeichnung der von dem Königlich-Preussischen Gesandten in der Ausschußsitzung vom 11. Mai 1866 gemachten vertraulichen Mittheilung. I. Die Reform der Bundesverfassung wird sich, unter den obwaltenden Umständen und um eine allseitige Vereinbarung unter den Regierungen möglichst zu erleichtern, auf folgende Punkte beschränken können. A. Einfügung einer periodisch einzuberufenden Nationalvertretung in den Organismus des Bundes. Es wird durch diese Combinirung erzielt werden, daß die Beschlußfassung der Nationalvertretung auf den dafür speciell bezeichneten Gebieten der künftigen Bundesgesetzgebung die bisher erforderliche Stimmeneinheit unter den Bundesgliedern zu ersetzen haben wird. B. Zu den Gebieten der Bundesgesetzgebung, auf welche das in dieser Weise neugestaltete Bundesorgan seine Competenz zu erstrecken hätte, ­würden im Allgemeinen die in Artikel 64 der Wiener Schlußacte unter dem Namen „gemeinnützige Anordnungen“ zusammengefaßten Materien gehören, also z. B. das Münz-, Maß- und Gewichtswesen, Civilproceßordnung, Patent-

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Vertrauliche Mitteilung von Savigny

Nr. 199

gesetzgebung, Wechselrecht u.s.w., welche bisher im Wege gelegentlich zusammentretender Conferenzen behandelt zu werden pflegten oder speciellen Commissionen überwiesen worden sind. C. Als neu tritt dazu die, auch schon in Artikel XIX der deutschen Bundes­ acte in’s Auge gefaßte Regulirung des Verkehrswesens zwischen den Bundesstaaten: Land-, Wasser-, Eisenbahnstraßen, Telegraphie, das Postwesen, die Fluß- und sonstigen Wasserzölle. D. Entwickelung des Artikels XVIII der deutschen Bundesacte, insbesondere bezüglich der Fragen über Freizügigkeit und allgemeines deutsches Heimathsrecht, Regulirung der deutschen Auswanderung im nationalen Interesse u.s.w. E. Allgemeine Zoll- und Handelsgesetzgebung in principieller Behandlung unter dem Gesichtspunkt regelmäßiger gemeinsamer Fortentwicklung. F. Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Auslande, also Regulirung einer consularischen Vertretung von Gesammtdeutschland; gemeinschaftlicher Schutz der deutschen Schifffahrt und ihrer Flagge zu See. G. Gründung einer deutschen Kriegsmarine mit den für diesen nationalen Zweck erforderlichen Kriegshäfen und den entsprechenden anderweitigen Küstenvertheidigungswerken. H. Revision der Bundes-Kriegsverfassung zum Zwecke der Consolidirung der vorhandenen militärischen Kräfte der Nation für Feldarmee und Festungswesen, in der Richtung und aus dem Gesichtspunkte, daß durch eine bessere Zusammenfassung der deutschen Wehrkräfte die Gesammtleistung erhöht und deren Wirkung gesteigert, die Leistung des Einzelnen dagegen möglichst erleichtert werde. II. Bezüglich des zu berufenden Parlaments ad hoc, auf welches der Antrag Preussens gerichtet ist, wird nach Maßgabe desselben daran festzuhalten sein, daß für das active Wahlrecht das Princip der directen Wahlen und des all­ gemeinen Stimmrechtes maßgebend sei; ferner werden sich Wahlbezirke von 80 bis 100 000 Seelen empfehlen, welche je einen Deputirten zu entsenden hätten. In Beziehung auf das passive Wahlrecht erwartet man Preussischer Seits Vorschläge aus der Mitte des Ausschusses, doch kann die Preussische Regierung schon jetzt eventuell die hierauf bezüglichen Bestimmungen des Reichswahlgesetzes von 1849 für sich als annehmbar bezeichnen.1 1 Im Reichswahlgesetz vom 12. April 1849 war in Artikel 5 bestimmt worden: „Wählbar zum Abgeordneten des Volkshauses ist jeder wahlberechtigte Deutsche, welcher das fünfundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt, und seit mindestens drei Jahren einem deutschen Staate angehört hat.“ Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 397.

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Frankfurt am Main, 11. Mai 1866

Karl Friedrich von Savigny (1814–1875)

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Aufzeichnung Pfordtens

Nr. 200

In diesem Sinne würde sofort ein Wahlgesetz ad hoc unter den Regierungen zu vereinbaren sein. Daß und weßhalb die vorstehenden, im Ausschuß vertraulich mitgetheilten Punkte nicht als formulirte Vorlagen anzusehen seien, hat der Gesandte bereits im Ausschuß wiederholentlich ausgeführt. Dieselben bezeichnen daher nur die Gebiete, auf welchen nach Ansicht der Preussischen Regierung durch die gemeinschaftliche Arbeit am Bunde eine Vereinbarung mit Aussicht auf Erfolg zu erstreben sein dürfte.

200. Aufzeichnung Pfordtens über die Bamberger ­Minister­beratungen

HStA Stuttgart, E 70 f, Büschel 164, fol. 47/50 (a), fol. 48 f. (b), fol. 51–53 (c). Abschriften.

Die Minister der Mittelstaaten haben sich geeinigt, zur Zeit noch nicht die Mobilisie­ rung der Bundeskontingente zu beantragen, sondern zuvor noch einen Vermittlungs­ vorschlag in der Bundesversammlung zu machen. Auch sollen die preußischen Re­ formvorschläge nicht einfach abgelehnt, sondern die Bereitwilligkeit zu Verhandlun­ gen auf der Grundlage der preußischen Vorschläge erklärt werden. Zur Erhaltung des Bundesfriedens soll „baldmöglichst“ von den beteiligten Regierungen ein Antrag in der Bundesversammlung gestellt werden, um die Rücknahme der Kriegsrüstungen in einigen Staaten zu veranlassen. Der badische Vorschlag einer bewaffneten Neutra­ lität der süddeutschen Staaten wird zurückgewiesen, weil er mit den Bundesgesetzen im Widerspruch stehe, die verlangten, daß jedem Friedensbruch entgegengetreten werde. Die Neutralität sei ein Mittel zur Auflösung des Bundes und gefährde zudem die Selbständigkeit der Mittelstaaten. Die süddeutschen Staaten und Sachsen verab­ reden, binnen 14 Tagen ihre Bundeskontingente zu mobilisieren und sie unter bayeri­ schen Oberbefehl zu stellen.

Bamberg, 13./14. Mai 1866

[a)] Kurze Aufzeichnung über die am 13ten und 14ten Mai 1866 zu Bamberg gepflogenen Minister-Berathungen.1 Unter Theilnahme sämmtlicher in Augsburg versammelt gewesenen und wieder eingeladenen Minister2 einigte man sich nach längerer Discussion über folgende Sätze: 1 An der Konferenz nahmen die Minister von Bayern, Sachsen, Württemberg, Großherzogtum Hessen, Baden, Nassau, Sachsen-Weimar, Sachsen-Coburg und Gotha und Sachsen-Meiningen teil. 2 Siehe Dok. 191.

Nr. 200

Bamberg, 13./14. Mai 1866

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I. Zur Zeit sei von einem Antrage auf Mobilisirung der Bundescontingente in der Bundesversammlung noch Umgang zu nehmen, vielmehr um alle Mittel zur Erhaltung des Bundesfriedens zu erschöpfen, der in Skizze anliegende Antrag und zwar wo möglich von allen hier vertretenen Regierungen baldmöglichst zu stellen, mit Ausnahme der Kgl. Sächsischen Regierung, welche sich der Theilnahme deshalb enthalten wird, weil sie denjenigen Antrag in der Bundesversammlung gestellt hat, welcher zu dem gegenwärtigen Vermittlungsvorschlage Veranlassung gab. Die K. Sächsische Regierung wird aber dem Antrage zustimmen. Der Herzoglich Nassauische Staatsminister Fürst Wittgenstein vertheidigte die Ansicht, daß es besser sei, sofort den Antrag auf Mobilisirung der Bundes-Contingente in Frankfurt zu stellen, blieb aber damit in der Minderheit. II. In Bezug auf den Antrag Preußens bezüglich der Bundesreform seien die Mitglieder des Ausschusses, und zunächst der Bayerische Gesandte als Referent anzuweisen, daß sie den K. Preußischen Gesandten ersuchen, diejenigen Mittheilungen, welche er in der letzten Ausschußsitzung mündlich gemacht hat, schriftlich dem Ausschusse zu übergeben. Entspreche derselbe diesem Ersuchen, so sei dann weiter zu berathen, nöthigenfalls auf einer neuen Conferenz in Frankfurt, in welcher Weise auf diesen Preußischen Vorschlägen, die jedenfalls nicht einfach abzulehnen seien, weiter zu verhandeln sei. Entspreche derselbe diesem Ersuchen nicht, so ist in einem Vortrage an die Bundesversammlung der Gang der Ausschußverhandlungen kurz darzustellen und unter Kundgabe der Bereitwilligkeit zu Verhandlungen auf der von Preußen angedeuteten Grundlage das Ersuchen zu stellen, daß die K. Preußische Regierung der Bundesversammlung oder dem Ausschusse ein möglichst genau formulirtes Projekt mittheile, welches nicht blos den Rahmen, sondern auch die Richtung andeute, in welchem die Bundesreform sich zu bewegen habe. III. Als hierauf die Frage gestellt wurde, ob man bereit sei, auch ohne Bundesbeschluß zu rüsten, erklärten die Minister der Sächsischen Herzogthümer, hiezu zur Zeit nicht in der Lage zu sein, und es wurde hierauf diese gemeinschaftliche Berathung geschlossen. (gez.) Pfordten.

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Aufzeichnung Pfordtens

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[b) Anlage: Antragsentwurf]

Skizze. Die K. K. Oesterreichische Regierung hat wiederholt sowohl in als ausserhalb der Bundesversammlung bestimmt erklärt, daß sie den Bundesfrieden im Sinne des Art. XI der Bundesacte strenge wahren werde und daß Seiner ­Majestät dem Kaiser nichts ferner liege als der Gedanke eines Angriffs auf Preußen. Ganz in demselben Sinne hat sich die K. Sächsische Regierung sowohl in ihrer Note als in ihrem Antrage vom 5. d. Mts. ausgesprochen.3 Von Seite der K. Preußischen Regierung ist in den beiden Erklärungen ihres Gesandten in der Sitzung vom 9. d. Mts.4 ausdrücklich gesagt, daß ihre Rüstungen einen entschieden defensiven Character tragen, und wenn dabei eine Schlußwendung gebraucht worden ist, welche nicht sowohl die Bundesverträge und insbesondere den Art. XI der Bundesacte, als vielmehr die europäische Stellung Preußens betont, so ist doch auf die Vermeidung offensiver Absichten um so mehr das entscheidende Gewicht zu legen, als es bekannt ist, daß die K. Preußische Regierung der K. K. Oesterreichischen Regierung gegenüber officiell und bestimmt erklärt hat, daß den Absichten Seiner Majestät des Königs nichts ferner liege, als ein Angriff auf Oesterreich. Von den übrigen Bundes-Regierungen, welche sich inzwischen zu militärischen Maßregeln und Rüstungen veranlaßt gesehen haben, ist ebenso vorauszusetzen, daß denselben jeder Gedanke fern liegt, den Bundesfrieden zu brechen, zu dessen Erhaltung alle Bundesglieder gleichmäßig verpflichtet sind. Unter diesen Umständen erscheint die Frage nach der Priorität der Rüstungen nicht mehr von entscheidender Bedeutung und kann von Niemand, der den Frieden ernstlich will, als ein Grund erachtet werden, um Kriegsrüstungen in der Richtung gegen Bundesgenossen aufrecht zu halten. Vielmehr ergiebt sich der auch von der Kgl. Preußischen Regierung selbst angeregte ­Gedanke der Entwaffnung, aber als eines gleichzeitigen Acts aller Bundes­ genossen unter einander, als die nothwendige Folge der allseitigen Friedenserklärungen. Demgemäß stellen die Regierungen von … den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle an alle diejenigen Bundesglieder, welche militärische über den Friedensstand hinausgehende Maßnahmen oder Rüstungen vorgenommen haben, das Ersuchen richten, in der näch3 Note Beusts an den sächsischen Gesandten in Berlin, Graf von Hohenthal, vom 29. April 1866, und Antrag Sachsens in der Bundesversammlung vom 5. Mai 1866. Der Antrag richtete sich darauf, die preußische Regierung zu ersuchen, „durch geeignete Erklärung dem Bunde mit Rücksicht auf Artikel XI der Bundesacte volle Beruhigung“ zu gewähren; vgl. ProtDBV 1866, § 117, S. 131–133, Zitat S. 132; ebd. S. 136–138 die Note Beusts. 4 ProtDBV 1866, § 124, S. 143–148, hier S. 143 f. u. S. 147.

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Bamberg, 13./14. Mai 1866

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sten Sitzung der Bundesversammlung zu erklären, ob und unter welchen Voraussetzungen sie bereit seyen, gleichzeitig und zwar von einem in der Bundesversammlung zu vereinbarenden Tage an, die Zurückführung ihrer Streitkräfte auf den Friedensstand anzuordnen. Die antragstellenden Regierungen hegen das Vertrauen, daß dieser Antrag um so mehr von allen Seiten bereitwilliges Entgegenkommen finden werde, als derselbe, wie auch in der Erklärung der K. Preußischen Regierung am 9. d. Mts. ausdrücklich anerkannt ist, unzweifelhaft in der Competenz und Aufgabe der Bundesversammlung liegt. [c)] Kurze Aufzeichnung über die am 14. Mai 1866 Nachmittags zu Bamberg gepflogenen Minister-Berathungen. Nachdem die Minister der Thüringen’schen Staaten Mittags abgereist waren, traten die übrigen Conferenz-Mitglieder Nachmittags nochmals zusammen, um sich über die Frage der Rüstungen zu besprechen. Es wurde vorgeschlagen, daß auch ohne Bundesbeschluß jezt [sic] die einzelnen Staaten rüsten, um für das Bundes-Recht eintreten und gegebenen Falls die Bundes-Pflichten erfüllen zu können. Dem gegenüber erklärte der Großherzoglich Badische Minister, daß die Großherzogliche Regierung sich mit den übrigen hier vertretenen Regierungen in der Ueberzeugung begegne, wie in der gegenwärtigen Krisis ein möglichstes Zusammengehen der süddeutschen Staaten im Interesse aller geboten erscheine und empfahl der allseitigen Erwägung, ob dieses Zusammengehen nicht am besten seinen Ausdruck in einer bewaffneten Neutralität zum Zweck der Erhaltung des Bundes als des dermaligen einzigen nationalen Bandes des deutschen Volkes und des Schuzes [sic] der Integrität der betheiligten Staaten finden dürfte. Derselbe begründete diese Auffassung weiter und hob hervor, wie dadurch die Möglichkeit sich biete, im geeigneten Augenblicke als zweite Phase in die bewaffnete Intervention auf Grund eines bestimmten Programmes und zwar wohl am besten der Lösung der Herzogthümerfrage auf Basis des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung überzugehen und so die große, Deutschland aus dem Kriege zwischen Oesterreich und Preußen drohende Gefahr, nemlich die Einmischung Frankreichs nach gegenseitiger Erschöpfung der beiden Kriegführenden, rechtzeitig zu verhüten. Bei diesem Vorschlage verstehe es sich von selbst, daß dadurch weder die sich betheiligenden Staaten ihren allgemeinen Bundespflichten entzogen werden sollen, noch die Ausbildung des Bundes im Wege der nationalen Reform ausgeschlossen wäre. Dieser Auffassung schloß sich jedoch keine Stimme an. Es wurde derselben vielmehr allseitig entgegengehalten, daß Neutralität, sei es unbewaffnete

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Aufzeichnung Pfordtens

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oder bewaffnete, mit den Grundgesetzen des Bundes und den Bundespflichten in unlösbarem Widerspruche stehe. Nach Art. XI der Bundesakte und Art. 19 der Schlußakte sei die Gesammtheit des Bundes verpflichtet, jedem Friedensbruche entgegenzutreten und den Besitzstand und Bundesfrieden zu wahren. Allerdings sey zur Zeit weder für Oesterreich noch für Preußen Partei zu ergreifen und in so ferne eine selbstständige Haltung einzunehmen, aber nicht mit dem eventuellen Gedanken der Neutralität bei ausbrechendem Kampfe, sondern mit dem der Abwehr des Friedensbruches, wobei die Bundes-Versammlung auf Anrufen des Bedrohten oder Angegriffenen zu entscheiden haben werde, wer der Friedensbrecher sey. Wollte man schon jezt [sic] Neutralität, wenn auch bewaffnete, erklären, so kündige man nicht blos den Großmächten sondern auch Sachsen gegenüber die Erfüllung der Bundespflichten auf und trete damit eigentlich aus dem Bunde aus. Man werde damit aber auch die Großmächte vielmehr zum Krieg ermuntern als davon abhalten, die bewaffnete Neutralität sei also kein Mittel zur Erhaltung des Bundes, sondern dessen Auflösung. Sie gefährde aber auch die Selbstständigkeit der Mittelstaaten viel mehr, als sie geeignet sei, dieselbe zu schüzen [sic]. Sie sei ein negativer Standpunkt und erschwere als solcher die Gemeinschaft des Handelns und der Neutrale laufe, wenn er nicht mächtiger sei, als die streitenden Theile, immer Gefahr, beim Friedensschlusse nicht als Subject, sondern als Object behandelt zu werden. Es wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß die großherzogliche Regierung aus diesen Erwägungen den Gedanken der bewaffneten Neutralität aufgebe und auch rüste, um gemeinschaftlich und ohne Parteinahme vor gefaßtem Bundesbeschlusse für Erhaltung des Bundes und des Bundesfriedens, für Wahrung der Selbstständigkeit der vereinigten Staaten durch Erfüllung der Bundespflichten zu wirken. Es wurde hierauf constatirt, daß binnen 14 Tagen in Sachsen das volle Contingent und in Süddeutschland mindestens 90 000 Mann völlig ausge­ rüstet und marschbereit sein können und in Aussicht genommen, daß die Nassau’schen Truppen vorläufig mit dem 8. Bundesarmeecorps vereinigt, dieses aber unter einem von Württemberg ernannten Oberkommandanten mit dem 7. Armeecorps, welches unter einem Bayerischen Führer steht, unter einen gemeinschaftlichen Oberbefehlshaber zu stellen wäre, in dessen Generalstab natürlich das 8te Armeekorps entsprechende Vertretung haben müßte, der jedoch seinen Generalstabschef sich frei zu wählen hätte. Auf Vorschlag des württembergischen Ministers erklärten die Minister von Baden, Hessen und Nassau sich eventuell dahin einverstanden, die Ernennung dieses Oberbefehlshabers der vereinigten Streitkräfte an Bayern zu übertragen.

Nr. 201

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Berlin, 14. Mai 1866

Schließlich wurde verabredet, daß nun zunächst die Regierungen des 8. Armeecorps unter sich die nöthigen militärischen Verabredungen treffen sollten, und daß dann auf Mittheilung derselben die bayerische Regierung zu einer Conferenz von Offizieren in München Einladung ergehen lasse, welche auch an die K. Sächsische Regierung und Herzoglich Nassauische zu richten sei. In Bezug auf diese militärischen Verabredungen erklärte der Großh. Badische Minister, daß er denselben nur eventuell für den Fall beitreten könne, wenn die Großh. Regierung überhaupt den Ansichten der übrigen Regierungen sich anschließen werde. (gez.) Pfordten.

201. Bismarck an Richthofen

GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/54, fol. 142. Vertrauliche Notiz. Reinschrift.

Bismarck droht mit der Auflösung des Bundesverhältnisses für den Fall, daß der Bund die Sicherheit Preußens nicht mehr verbürgen könne.

No 53. Vertraulich

Berlin, 14. Mai 1866

Notiz. Den Senaten der Hansestädte soll mündlich eröffnet werden: Bei den Anträgen auf eine Reform der Bundes-Verfassung haben wir eine friedliche Umgestaltung innerhalb des Bundes und mit Schonung der Selbstständigkeit der Souveränetät der einzelnen Staaten im Auge. Wenn aber die­ jenigen Staaten, deren Verhältniß zu Preußen eine Lebensfrage für Letzteres bildet, durch eine feindliche Haltung gegen uns und gegen die nationalen ­Bestrebungen, die wir vertreten, uns nöthigen, auf unsere eigene Sicherheit Bedacht zu nehmen; und wenn der Bund uns diese Sicherheit nicht mehr ­verbürgen kann: so würden wir das Bundes Verhältniß und damit die für uns daraus hervorgehenden Pflichten, für gelöst erachten müssen. Die Besonnenheit der deutschen Regierungen werde uns dieser Nothwendigkeit hoffentlich überheben, tritt aber der bezeichnete Fall ein, so werden wir alsdann nur unsere eigenen Interessen zu Rathe ziehen dürfen.1 1 Am 14. Mai 1866 wurden die preußischen Gesandten in Weimar und Dresden angewiesen, den Inhalt des Erlasses an Richthofen den Regierungen von Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Sachsen-Altenburg, Anhalt sowie Reuß jüngere und ältere Linie mündlich mitzuteilen; GStA PK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2010/54, fol. 141.

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Pfordten an Bray-Steinburg

Nr. 202

202. Pfordten an Bray-Steinburg

HStA München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1707. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 19. Mai 1866.

Angesichts des drohenden Bürgerkrieges drängt Pfordten die Regierung in Wien dazu, mit Preußen gleichzeitig über die Herzogtümerfrage und über eine Bundesre­ form zu verhandeln. Ohne eine gleichzeitige Lösung der beiden Fragen ist eine Beru­ higung der Lage nicht zu erreichen. Die deutschen Mittelstaaten wollen Österreich als Mitglied des Bundes erhalten und seiner Stellung wie seinen Interessen Rechnung tragen. Es ist die Pflicht aller Mitglieder des Bundes, eine Verständigung zu versu­ chen.

Exp. No 131.

München, 17. Mai 1866

Hochgeborner Graf! Der königl. preussische Gesandte hat mir gestern den vertraulichen Erlaß mitgetheilt, durch welchen Graf v. Bismark am 7ten dieses Mts. die österreichische Depesche vom 26ten April in Bezug auf die Elbherzogthümer beantwortete1 und hat dabei erhaltenem Auftrage gemäß neben dem Wunsche, auch die letzten Anknüpfungsfäden noch festzuhalten, besonders hervorgehoben, um wieviel leichter sich die schleswig-holsteinische Frage lösen würde, wenn Österreich sich entschließen könnte, mit Preussen sich über die Frage der Bundesreform zu verständigen. Aus den Berichten Euerer Excellenz weiß ich, daß Graf Mensdorff sich über jenen vertraulichen Erlaß vom 7ten Mai dahin geäußert hat, derselbe schneide die Verhandlungen nicht ab; es scheint jedoch, als ob bis jetzt eine Erwiederung hierauf nicht nach Berlin ergangen sei. Unter diesen Umständen will ich nicht unterlassen, Euerer Excellenz die Anschauungen der kgl. Regierung in Folgendem mitzutheilen. Wenn es sich um gewöhnliche diplomatische Erörterungen handelte, so wäre freilich sehr viel gegen dasjenige einzuwenden, was in dem Erlaße des Grafen Bismark vom 7ten dieses Mts. über die Verträge von Wien und Gastein und über die Rechte von Oesterreich, Preussen und des deutschen Bundes gesagt ist. Es handelt sich aber jetzt vielmehr darum, ob Deutschland in den verderblichsten Bürgerkrieg gestürzt, oder der allem Anscheine nach einzige noch übrige Faden zu Verhandlungen fortgesponnen und zu einer möglichen Verständigung benützt werden soll und bei dieser Alternative kann unseres Erachtens die Wahl nicht zweifelhaft sein. Wir müssen dringend wünschen, daß das kaiserliche Cabinet es nicht abweise, gleichzeitig über die Herzogthümerfrage und über die Bundesreform 1 Siehe Dok. 194 und 197.

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München, 17. Mai 1866

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zu verhandeln, und ich beauftrage Euere Excellenz, diesen Wunsch sofort der Kaiserlichen Regierung kund zu geben und auf das Wärmste zu empfehlen. Die Herzogthümer-Frage ist zwar die Veranlaßung zu dem Conflikte zwischen Oesterreich und Preussen gewesen, welcher jetzt eine so unheildrohende Gestalt angenommen hat, aber sie ist es nicht allein, welche einer aufrichtigen und dauernden Verständigung zwischen den beiden deutschen Mächten im Wege steht; der tiefere Grund hiefür liegt in den Beziehungen derselben zum deutschen Bunde und in der von Oesterreich selbst als dringendes ­Bedürfniß anerkannten und im Jahre 1863 in Angriff genommenen Bundes­ reform. Überdieß ist der innere Zusammenhang der beiden Fragen nicht zu verkennen und auch eine dauernde Beruhigung der Bevölkerungen aller ­deutschen Staaten ohne gleichzeitige Lösung beider Fragen wohl nicht zu ­erreichen. Der Erlaß vom 7ten Mai scheint nun zwar freilich die Annexion der Herzogthümer festhalten und nur über eine Entschädigung Oesterreichs verhandeln zu wollen, allein die Möglichkeit weiter zu gehen deutet Graf Bismark doch schon dadurch an, daß er sagt, die Verhandlungen bezüglich der Herzogthümer könnten erleichtert resp. modificirt werden, und in einer Unterredung mit dem Grafen Montgelas hat der preussische Ministerpräsident in den letzten Tagen geradezu erklärt, Preussen könne auf die Annexion verzichten, wenn zugleich eine Verständigung über die Bundesreform erreicht wird. Was nun diese letztere Frage selbst anlangt, so verkennen wir nicht, daß sie für Oesterreich Schwierigkeiten enthält und daß es gewiße Gränzen gibt, über welche die Versöhnlichkeit Oesterreichs nicht hinausgehen kann. Allein es scheint uns auch noch kein Beweis vorzuliegen, daß die Forderung Preussens diese Gränzen überschreitet, und nach demjenigen, was der kgl. preussische Gesandte kürzlich vertraulich im Ausschusse zu Frankfurt mitgetheilt hat, ist dieses wenigstens nicht anzunehmen. Unter diesen Umständen scheint es uns nicht blos möglich, sondern in Erwägung der verderblichen Folgen eines Krieges allseitige Pflicht, den Gedanken der Unmöglichkeit einer Verständigung über beide Fragen nicht zu faßen, bevor er durch ernstliche Verhandlungen unabweislich aufgedrungen wird, und auf solche Verhandlungen könnte Oesterreich um so ruhiger eingehen, als es doch in der Geschichte aller deutschen Reform-Bewegungen seit 1848 den Beweis finden muß, welch hohen Werth alle deutschen Mittelstaaten darauf legen, Österreich nicht blos als Mitglied des Bundes zu erhalten, sondern auch bei Regelung dieser Verbindung der Stellung und den Interessen des Kaiserstaates volle Rechnung zu tragen. Wir verlangen von Oesterreich keineswegs, daß es jetzt der preussischen Regierung mit Anerbietungen entgegenkomme, vielmehr wird es Sache dieser Letzteren sein, ihre Projekte und insbesondere diejenigen Forderungen

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genau zu formuliren, von deren Gewährung sie den Verzicht auf Annexion der Herzogthümer und somit Verständigung über beide Frage[n] abhängig macht. Was wir von der kaiserlichen Regierung in Anspruch nehmen zu können glauben, ist vielmehr nur, daß sie sich in Erwiederung des preussischen Erlaßes vom 7ten Mai bereit erkläre zur gleichzeitigen Verhandlung über die Herzogthümerfrage und über die Bundesreform, und wir hoffen hierauf um so zuversichtlicher, als ja das kaiserliche Cabinet in seiner Erwiederung vom 5ten April dieses Jahres2 auf meine Depesche vom 31ten März dieses Jrs.3 ausgesprochen hat, daß wenn die Bundesgenossen in erneuerten Verhandlungen über Revision der Verfaßungsgesetze des Bundes ein Mittel zur Beruhigung der Gegenwart und zur Sicherung der Zukunft erblickten, die Mitwirkung der Regierung des Kaisers Franz Joseph diesem Bestreben sicherlich nicht fehlen würde. Wir sind weit entfernt, über die Form und Art und Weise dieser Verhandlungen Maß geben zu wollen, denn diese tritt naturgemäß in den Hintergrund wo es sich darum handelt, den Bundesfrieden zu erhalten. Zieht die Kaiserliche Regierung vor, sich zunächst unmittelbar mit Preussen ins Benehmen zu setzen und nach gewonnener Grundlage einer Verständigung die übrigen Bundesgenossen zur Theilnahme an dem Abschluße des Werkes beizuziehen, so werden wir dem keine Schwierigkeiten bereiten. Glaubt aber die Kaiserliche Regierung, daß es der Verständigung förderlicher sein könnte, wenn wir oder einige andere Bundesgenossen mit uns veranlaßt werden, den bis zum Zerreißen gespannten Faden der Verhandlung aufzunehmen, so sind wir hiezu vollständig erbötig. Daß aber der eine oder der andere Weg beschritten wird, liegt nach unserer Überzeugung ebenso in den Interessen aller Mitglieder des Bundes und der gesammten deutschen Nation, als in den Pflichten und der Verantwortlichkeit aller Bundesregierungen. Indem ich Euere Excellenz ersuche, gegenwärtigen Erlaß dem H. Grafen von Mensdorff mitzutheilen und demselben Abschrift davon zu überlassen, sehe ich mit gespannter Erwartung Ihrem Berichte über die Aufnahme desselben entgegen und füge den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung hinzu. v. d. Pfordten

2 Mensdorff an Blome, 5. April 1866, in: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/1, S. 424–426. 3 Siehe Dok. 185.

Nr. 203

Frankfurt am Main, 18. Mai 1866

  Antrag von 40 Abgeordneten 

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203. Antrag von 40 Mitgliedern des Deutschen ­Abgeordnetentags

Verhandlungen des dritten Congresses deutscher Abgeordneter am 20. Mai 1866 zu Frankfurt am Main, S. 16 f. Veröffentlicht in: Extrabeilage zum Frankfurter Journal Nr. 139 vom 20. Mai 1866.

Die Abgeordneten verurteilen die preußische Annexionspolitik und fordern das Selbstbestimmungsrecht für das Volk von Schleswig-Holstein, die Konstituierung der Herzogtümer als selbständiger Staat und die baldige Einberufung einer konstituie­ renden deutschen Nationalvertretung. Die Abgeordneten fordern ein geeinigtes freies Deutschland, nicht bloß die Vergrößerung eines Teils. Gegen die Gewaltpolitik der preußischen Regierung muß das ganze Volk aktiven Widerstand leisten. Sollte sich das Ausland einmischen, so muß sich die ganze Nation erheben und das Vaterland verteidigen.

Frankfurt am Main, 18. Mai 1866 Der deutsche Abgeordnetentag vom 20. Mai 18661 spricht seine Ansicht dahin aus: 1) Jede Entscheidung eines Streites zwischen deutschen Regierungen durch die Waffen ist gegen die ersten Grundsätze des deutschen Bundes; jeder nur dynastischer Selbstsucht dienender, Freiheit und Wohlstand vernichtender Bürgerkrieg, jeder auf den Angriff eines andern Bundesstaats oder auf Abtretung deutschen Gebiets gerichteter Vertrag mit dem Auslande, das Verhandeln über die deutsche Bundesreform vor einem2 europäischen Congreß, jede neue Auflage eines Rheinbundes – alles dieß ist Hochverrath an der deutschen Nation, und den Schuldigen, sei er Fürst oder Minister, möge die Strafe solchen Verbrechens unerbittlich treffen. 2) Der nächste Anlaß der drohenden Kriegsgefahr ist die gewaltsame Annexions­politik der jetzigen preußischen Regierung gegen SchleswigHolstein; diese Gefahr kann nur dadurch beseitigt werden, daß sofort und in kürzester Frist dem Volke der Herzogthümer sein Selbstbestimmungsrecht wiedergegeben und durch Einberufung seiner Vertreter und Einsetzung derjenigen Regierung, für welche der Volkswille entscheidet, die Herzogthümer selbstständig constituirt werden. Dies ist vor ­Allem und in allen deutschen Staaten entschieden zu verlangen. 1 Am 20. Mai 1866 fand in Frankfurt der dritte Deutsche Abgeordnetentag statt, an dem 250 Deputierte teilnahmen. Die Versammlung war zerstritten im Hinblick auf die gegenüber ­Preußen einzunehmende Haltung. Der hier edierte Antrag wurde von einer Minderheit von 40 linksliberal-föderalistischen Abgeordneten gestellt. Vgl. Biefang, Politisches Bürgertum, S. 398–406, speziell S. 404 f. 2 Emendiert: Vorlage: einen.

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Antrag von 40 Abgeordneten

Nr. 203

3) Dauernde Beseitigung der weiteren Ursachen der jetzigen Gefahr, wirk­ liche Einigung und freiheitliche Entwickelung des Vaterlandes kann aber nur ein Parlament herbeiführen, hervorgegangen aus dem allgemeinen Stimmrecht mit aktiv und passiv freien Wahlen nach dem Reichswahlgesetze, berufen zur endgültigen Feststellung der Verfassung Deutschlands und versehen mit der erforderlichen Macht zur Ausführung seiner Beschlüsse. Die alsbaldige Einberufung einer solchen constituirenden Nationalvertretung ist von den Abgeordneten wie von dem ganzen Volke energisch zu fordern; aber nur diejenigen Regierungen können es mit dem Rufe danach ehrlich meinen, welche im eigenen Staate die Rechte des Volkes und seiner Abgeordneten sowie das gute Recht aller anderen deutschen Staaten achten, sich dem Parlamente unterordnen und demselben ihre Macht zur Verfügung stellen. 4) Kein deutscher Staat kann über einen anderen mehr oder weniger Herrschaft verlangen; wir wollen alle ein geeinigtes freies Deutschland, aber: das ganze Deutschland, und nicht blos die Vergrößerung eines Theils. Würde sich daher die jetzige preußische Regierung der selbstständigen Constituirung der Herzogthümer widersetzen, oder, wie sie bisher im eigenen Lande gethan, auch anderen deutschen Staaten gegenüber, statt des Rechtes ihren Eigenwillen mit Gewalt durchsetzen wollen, so ist sie allein Schuld [sic] an dem drohenden Bürgerkrieg, und die gesammte deutsche Nation, das Volk in Preußen voran, muß nicht nur mit passivem, sondern mit activem Widerstande, mit den äußersten Mitteln gerechter Nothwehr gegen diese Regierung auftreten, und Recht, Treue, Glauben und Ehrenhaftigkeit wieder zur Geltung bringen. 5) Es sind daher alle Regierungen, welche entschlossen sind, sofort für das volle Recht der Herzogthümer und gegen jede Vergewaltigung einzelner deutscher Staaten durch die jetzige preußische Regierung ehrlich und thatkräftig einzutreten, in jeder Weise zu unterstützen und mit allen hiezu erforderlichen Mitteln zu versehen, nöthigenfalls auch die gesammte Volkskraft der bundestreuen Staaten dazu aufzubieten. 6) Sollte sich das Ausland in diese innere Angelegenheit einmischen und den deutschen Streit zur Gewinnung auch nur des kleinsten Theils deutschen Gebietes benutzen wollen, so muß sich sofort die ganze Nation dagegen erheben und mit all ihrer Kraft das Vaterland vertheidigen. Im Namen und Auftrag von 40 Mitgliedern. Dr. S. Müller. Dr. Passavant.3 3 Sigmund Müller (1810–1899) und Friedrich Ernst Passavant (1824–1909) waren Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung in Frankfurt; Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 72 u. 123 f.

Nr. 204

Frankfurt am Main, 19. Mai 1866

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204. Antrag der Mittelstaaten in der Bundesversammlung auf Rücknahme der militärischen Maßnahmen einiger Bundesstaaten

ProtDBV 1866, S. 152–154. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 29–31.

Die Mittelstaaten Bayern, Württemberg, Baden, Großherzogtum Hessen, SachsenWeimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg und Gotha und Nassau stellen den An­ trag, daß die Bundesversammlung diejenigen Bundesmitglieder, die über den Frie­ densstand hinausgehende militärische Maßnahmen vorgenommen haben, ersuchen soll, in der nächsten Sitzung der Bundesversammlung zu erklären, ob und unter wel­ chen Voraussetzungen sie bereit sind, gleichzeitig die Zurückführung ihrer Streitkräf­ te auf den Friedensstand anzuordnen.

17. Sitzung

Frankfurt am Main, 19. Mai 1866

§ 128. Wahrung des Bundesfriedens. Bayern, Württemberg, Baden, Großherzogthum Hessen, Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser für Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg-Gotha, sowie Braunschweig und Nassau für Nassau. Die Kaiserlich-Königlich-Oesterreichische Regierung hat wiederholt sowohl in als außerhalb der Bundesversammlung bestimmt erklärt, daß sie den Bundesfrieden im Sinne des Artikels XI der Bundesacte strenge wahren werde, und daß den Absichten Seiner Majestät des Kaisers nichts ferner liege, als ein ­offensives Auftreten gegen Preussen. Ganz in demselben Sinne hat sich die Königlich-Sächsische Regierung sowohl in ihrer Note vom 29. v. M. als in ihrem Antrage vom 5. d. M. ausgesprochen.1 Von Seiten der Königlich-Preussischen Regierung ist in den beiden Erklärungen ihres Gesandten in der Sitzung vom 9. d. M. ausdrücklich gesagt, daß ihre Rüstungen einen entschieden defensiven Charakter tragen, und wenn dabei eine Schlußwendung gebraucht worden ist, welche nicht sowohl die Bundesverträge und insbesondere den Artikel XI der Bundesacte, als vielmehr die europäische Stellung Preussens betont, so ist doch auf die Verneinung offensiver Absichten um so mehr das entscheidende Gewicht zu legen, als es bekannt ist, daß die Königlich-Preussische Regierung der Kaiserlich-KöniglichOesterreichischen Regierung gegenüber officiell und bestimmt erklärt hat, daß Seiner Majestät dem Könige nichts ferner liege, als der Gedanke an eine Offensive gegen Oesterreich. 1 Note Beusts an Hohenthal vom 29. April 1866 und Antrag Sachsens in der Bundesversammlung vom 5. Mai 1866; ProtDBV 1866, § 117, S. 131–133 u. ebd. S. 136–138.

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Antrag der Mittelstaaten

Nr. 204

Von den übrigen Bundesregierungen, welche sich inzwischen zu militärischen Maßregeln und Rüstungen veranlaßt gesehen haben, ist eben so vorauszusetzen, daß denselben jeder Gedanke ferne liegt, den Bundesfrieden zu brechen, zu dessen Erhaltung alle Bundesglieder gleichmäßig verpflichtet sind. Unter diesen Umständen erscheint die Frage nach der Priorität der Rüstungen nicht mehr von entscheidender Bedeutung und sie kann von Niemand, der den Frieden ernstlich will, als ein Grund erachtet werden, um Kriegsrüstungen in der Richtung gegen Bundesgenossen aufrecht zu halten. Vielmehr ergibt sich der auch von der Königlich-Preussischen Regierung selbst an­ geregte Gedanke der Entwaffnung, aber als eines gleichzeitigen Actes aller Bundesgenossen unter einander, als die nothwendige Folge der allseitigen Friedenserklärungen. Demgemäß stellen die Regierungen von Bayern, Württemberg, Baden, Großherzogthum Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, SachsenCoburg-Gotha und Nassau den Antrag: Hohe Bundesversammlung wolle an alle diejenigen Bundesglieder, welche militärische, über den Friedensstand hinausgehende Maßnahmen oder Rüstungen vorgenommen haben, das Ersuchen richten, in der nächsten Sitzung der Bundesversammlung zu erklären, ob und unter welchen Voraussetzungen sie bereit seien, gleichzeitig und zwar von einem in der Bundesversammlung zu vereinbarenden Tage an die Zurückführung ihrer Streitkräfte auf den Friedensstand anzuordnen. Die antragstellenden Regierungen hegen das Vertrauen, daß dieser Antrag um so mehr von allen Seiten bereitwilliges Entgegenkommen finden werde, als derselbe, wie auch in der Erklärung der Königlich-Preussischen Regierung vom 9. d. M. ausdrücklich anerkannt ist, unzweifelhaft in der Competenz und Aufgabe der hohen Bundesversammlung liegt. Nachdem die Herren Gesandten der antragstellenden hohen Regierungen den dringenden Wunsch ausgesprochen hatten, es möge über den vorliegenden Antrag in der nächsten Sitzung abgestimmt werden, wurde beschlossen:

die Abstimmung über diesen Antrag in der nächsten Donnerstagsitzung vorzunehmen. Oesterreich. Der Gesandte darf schon heute die Ueberzeugung aussprechen, daß seine allerhöchste Regierung den vorliegenden Antrag im Geiste der bundestreuen und friedliebenden Gesinnungen aufnehmen wird, welchen der Gesandte im Kreise dieser hohen Versammlung wiederholt Ausdruck zu geben hatte. Je aufrichtiger die Kaiserliche Regierung allen Bestrebungen, welche auf Erhaltung des Friedens gerichtet sind, ihren Beifall und ihre Mitwirkung

Nr. 204

Frankfurt am Main, 19. Mai 1866

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­ idmet, um so mehr muß sie und mit ihr alle jene, welche dem vorliegenden w Antrage Erfolg wünschen, Werth darauf legen, daß die Grundgesetze des Bundes die oberste Norm für die gegenseitigen Beziehungen der Bundes­ regierungen unter einander wie zum Bunde bleiben. Sicherem Vernehmen nach werden zwischen der Königlich-Preussischen und der Königlich-Hannöverischen Regierung Verhandlungen gepflogen, welche zur Folge haben könnten, daß die Befolgung der Bundesbeschlüsse, namentlich solcher, welche auf Grund des Artikels XI der Bundesacte und des Artikels XIX der Wiener Schlußacte gefaßt würden, nicht unter allen Umständen gesichert wäre. Der Kaiserliche Präsidialhof hält es für seine Pflicht, hierauf rechtzeitig die Aufmerksamkeit der hohen Bundesversammlung zu lenken und hat den Gesandten beauftragt, zu erklären, daß es den Verhältnissen und dem Ernste der Lage entsprechen dürfte, wenn den betheiligten Regierungen die zuversichtliche Erwartung ausgesprochen würde, daß dieselben nicht Verbindlichkeiten eingehen werden, welche den aus den Bundesgesetzen entspringenden Verpflichtungen widerstreiten. Indem der Gesandte die Hoffnung ausspricht, daß diese Erklärung beruhigende Zusicherungen der betreffenden hohen Regierungen zur Folge haben wird, muß er für den gegentheiligen Fall seiner allerhöchsten Regierung Anträge in dieser Richtung vorbehalten. Preussen. Der Gesandte kann den soeben von der Königlich-Bayerischen Regierung in ihrem und im Namen einer Anzahl anderer hohen Regierungen gestellten Antrag für jetzt lediglich ad referendum nehmen, und würde um so weniger eine Erklärung daran zu knüpfen haben, als seine allerhöchste Regierung von dem Inhalte des Antrages vollständige und sichere Kenntniß noch nicht erhalten haben kann. In Beziehung dagegen auf die von dem Kaiserlich-Oesterreichischen Gesandten schon jetzt an den Antrag geknüpfte Erklärung sieht sich der Königliche Gesandte genöthigt, Namens seiner allerhöchsten Regierung sachlich und geschäftlich sich gegen den Theil der Oesterreichischen Aeußerung zu verwahren, welche einen dem vorliegenden Antrage fremdartigen und dem Gesandten geschäftlich unbekannten Gegenstand, nämlich angebliche Verhandlungen zwischen Preussen und Hannover, in das [sic] Bereich der Discussion zu ziehen sucht und damit Voraussetzungen verbindet, welche die gegenseitige Stellung der allerhöchsten Regierungen im Bunde zu verkennen scheinen. Sonach erübrigt dem Gesandten nur, seiner allerhöchsten Regierung Alles dasjenige vorzubehalten, was sie im vorliegenden Falle zurückzuweisen und zu erklären sich veranlaßt sehen dürfte. Königreich Sachsen. Der Gesandte ist angewiesen, Namens seiner hohen Regierung dem eben vernommenen Antrage allenthalben beizustimmen und zu-

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Bundesbeschluß zur Wahrung des Bundesfriedens

Nr. 205

gleich zu erklären, daß die Königliche Regierung bereit ist, ihre Streitkräfte auf den Friedensstand zurückzuführen, sobald unter den hohen Regierungen von Oesterreich und Preussen Einigung wegen gegenseitiger Abrüstung erfolgt ist. Hannover. Unter Bezugnahme auf die eben vernommene, ihm erst in der Sitzung bekannt gewordene Erklärung des Kaiserlich-Königlich-Oesterreichischen Herrn Gesandten kann der Gesandte unter Berufung auf die stets bewährte Bundestreue seiner allerhöchsten Regierung für jetzt nur eine jede ­etwaige weitere Erklärung und Aeußerung vorbehalten.

205. Bundesbeschluß zur Wahrung des Bundesfriedens

ProtDBV 1866, S. 170–173. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 42–45; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 227 (nur Beschluß).

Die Bundesversammlung beschließt einstimmig den am 19. Mai eingebrachten An­ trag, wonach die Bundesstaaten aufgefordert werden, sich hinsichtlich der Rück­ nahme der militärischen Maßnahmen zu erklären. Preußen erklärt, daß Österreich und Sachsen zuerst gerüstet hätten und die preußischen Maßnahmen rein defensiver Natur gewesen seien. Das von ihm am 9. April beantragte deutsche Parlament sei die Bürgschaft für die Sicherung des Friedens in Deutschland und vielleicht das einzige Mittel, um den Krieg im Deutschen Bund zu verhindern. Deshalb soll die Bundesver­ sammlung schleunigst die Berufung der Volksvertretung beschließen. Österreich und Sachsen weisen den preußischen Vorwurf entschieden zurück.

18. Sitzung

Frankfurt am Main, 24. Mai 1866

§ 141. Wahrung des Bundesfriedens. (17. Sitz. § 128 v. J. 1866.) Präsidium bringt den von den Regierungen von Bayern, Württemberg, Baden, Großherzogthum Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg-Gotha und Nassau in Betreff der Wahrung des Bundesfriedens in der letzten Sitzung (Protokoll § 128) gestellten Antrag1 zur Abstimmung. Oesterreich. Der Gesandte hat die Zustimmung der Kaiserlichen Regierung zu dem Antrage, sowie deren Bereitwilligkeit auszusprechen, die gewünschte Erklärung in einer kurzen Frist abzugeben. Preussen. Die Königlich-Preussische Regierung würde sich an dem vorliegenden Antrage bereitwillig betheiligt haben, wenn derselbe rechtzeitig zu ihrer Kenntniß gelangt wäre. Sie stimmt demselben zu und wird ihren Bun1 Siehe Dok. 204.

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Frankfurt am Main, 24. Mai 1866

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desgenossen in der nächsten Sitzung gern erklären, unter welchen Voraussetzungen sie ihre Truppen auf den Friedensstand zurückzuführen vermag. Die Königliche Regierung hat es natürlich gefunden, daß die KaiserlichOesterreichische und die Königlich-Sächsische Regierung sich bei der Antragstellung nicht betheiligt haben, da dieselben zuerst gerüstet und dadurch den Anstoß zu der Reihe von Rüstungen gegeben haben, auf welche sich der vorliegende Antrag bezieht. Die Königliche Regierung hätte erwartet, daß aus demselben Gefühle auch die Königlich-Württembergische sich der Betheiligung enthalten hätte. Der Antrag würde dadurch den der Sachlage entsprechenden Charakter einer Interpellation an diejenigen drei Regierungen erhalten haben, welche zuerst, ohne sich des Artikels XI der Bundesacte und des Artikels XIX der Schlußacte zu erinnern, Vorbereitungen zur Selbsthülfe getroffen, und dadurch die rein defensiven Rüstungen Preussens und in deren Verfolg die ganze gegenwärtige Spannung hervorgerufen haben. Die König­ liche Regierung, in voller Würdigung der Leiden, welche die bedrohliche ­Haltung einiger Bundesglieder schon jetzt in Gestalt der Stockung des Verkehrs und der Erwerbsquellen über Deutschland heraufbeschworen, hat ihrerseits rechtzeitig den Weg eingeschlagen, auf welchem dem Kriege vorgebeugt und sichere Bürgschaften gegen die Wiederkehr des unnatürlichen Verhältnisses gewonnen werden können, daß Deutsche gegen Deutsche unter Waffen stehen. Sie hat am 9. April die Berufung des deutschen Parlaments beantragt, in der Gewißheit, daß das Parlament den Frieden sichern wird. In dem einträchtigen Zusammenwirken der Regierungen und des Volkes für die Befriedigung gerechter Forderungen der Nation würde der drohende Zwiespalt sich lösen und die sichersten Bürgschaften des künftigen Bundesfriedens gefunden werden. Es hat sich offenkundig gezeigt, daß die Stämme des deutschen Volkes die Ausgleichung ihrer Interessen und Eigenthümlichkeiten auf fried­ lichem Wege erstreben und die Verfolgung der sie künstlich trennenden Sonderinteressen auf dem Wege kriegerischer Cabinetspolitik nicht gutheißen. Die schleunige Berufung des deutschen Parlaments wird daher das beste, vielleicht das einzige Mittel sein, den Krieg innerhalb des Bundes mit allen daran sich knüpfenden, für die Wohlfahrt und die Sicherheit Deutschlands verhängnißvollen Folgen zu verhüten. Die Königliche Regierung benutzt deßhalb auch diesen Anlaß zu erneuter dringender und ernster Mahnung an ihre Bundesgenossen, dem deutschen Volke das Elend eines inneren Krieges zu ersparen, indem sie zu schleuniger Beschlußnahme über die am 9. April von Preussen beantragte Berufung der deutschen Volksvertretung schreiten. Bayern. Der Gesandte stimmt dem Antrage bei, und hat damit die Erklärung zu verbinden, daß die Königliche Regierung nicht zögern wird, ihre Armee auf den Friedensstand zurückzuversetzen, sobald zwischen den Regie-

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Bundesbeschluß zur Wahrung des Bundesfriedens

Nr. 205

rungen von Oesterreich und Preussen wegen Zurückführung ihrer Streitkräfte auf den Friedensfuß eine Verständigung erzielt sein wird. Königreich Sachsen. Der Gesandte bezieht sich auf die von ihm in der letzten Sitzung abgegebene Erklärung. Im Uebrigen muß er den in der Abstimmung des Königlich-Preussischen Herrn Gesandten enthaltenen, die Königlich-Sächsische Regierung betreffenden Ausführungen auf das bestimmteste widersprechen und Verwahrung dagegen einlegen, auch seiner allerhöchsten Regierung alles Weitere vorbehalten. Hannover. Der Gesandte ist angewiesen, dem Antrage der höchsten Regierungen von Bayern, Württemberg, Baden, Großherzogthum Hessen, SachsenWeimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg-Gotha und Nassau mit dem Bemerken beizustimmen, daß Hannover nicht gerüstet hat. Württemberg. Der Gesandte stimmt dem Antrage zu und kann, in voller Kenntniß der Intentionen seiner allerhöchsten Regierung, sich der von dem Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten abgegebenen Erklärung anschließen. Zugleich muß er bemerken, daß die Königliche Regierung durch die Betheiligung an dem Antrage nur den Beweis ihrer föderativen und patriotischen Gesinnung gegeben hat. Baden: tritt dem Antrage bei. Kurhessen. Die Kurfürstliche Regierung stimmt dem Antrage um so mehr zu, als derselbe auf Erwägungen gegründet ist, welche schon die Abstimmung der Kurfürstlichen Regierung in der Sitzung hoher Bundesversammlung am 9. d. M. über den Königlich Sächsischen Antrag motivirt haben. Indem sie auf diese Abstimmung Bezug nimmt, gibt sie sich gern der Hoffnung hin, daß der gegenwärtige Antrag für die hohen betheiligten Regierungen eine erwünschte Veranlassung sein werde, durch eine Verständigung im Schooße hoher Bundesversammlung ihre allseitigen Friedensversicherungen zu be­ ­ thätigen. Großherzogthum Hessen. Der Gesandte bezieht sich auf den Antrag zurück und hat damit zugleich die Erklärung zu verbinden, daß die Großherzogliche Regierung unter der in der Abstimmung des Königlich-Bayerischen Gesandten ausgesprochenen Voraussetzung ebenfalls bereit ist, die Großherzogliche Armeedivision auf den Friedensstand zurückzuführen. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg, sowie Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser: treten dem Antrage bei. Braunschweig und Nassau. Der substituirte Gesandte hat dem Antrage zuzustimmen und dabei Namens der Herzoglich-Nassauischen Regierung noch die Erklärung beizufügen, daß die Herzogliche Regierung, welche eine erhöhte Marschbereitschaft der Herzoglichen Truppen verfügt hat, um etwaigen militärischen Anordnungen der Bundesversammlung ohne Zögerung entsprechen zu können, bereit ist, diese Verfügung wieder aufzuheben und zu dem

Nr. 205

Frankfurt am Main, 24. Mai 1866

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gewöhnlichen Stande zurückzukehren, sobald dieß auch Seitens anderer Bundesregierungen geschieht. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Die beiden Großherzoglichen Regierungen schließen sich dem beantragten bundesfreundlichen Er­ suchen zu Gunsten des Friedens an. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte findet sich ermächtigt, dem Antrage zuzustimmen. Für Oldenburg hat er dabei Folgendes zu erklären: Die Großherzogliche Regierung versteht unter denjenigen Bundesgliedern, an welche beantragtermaßen die Frage gerichtet werden soll, ob und unter welchen Bedingungen sie bereit seien, eine gleichzeitige Zurückführung ihrer Streitkräfte auf den Friedensstand anzuordnen, vor allen anderen die Kaiserlich-Oesterreichische und die Königlich-Preussische Regierung. Beide Regierungen gehören aber nur mit einem Theile ihrer Ländergebiete zum Deutschen Bunde. Daher werden bundesrechtlich keine Beschlüsse der Bundesversammlung die Wirksamkeit haben können, daß die allerhöchsten Regierungen Oesterreichs und Preussens eine gleichzeitige Zurückführung ihrer Streitkräfte auf den Friedensstand auch in den zum Deutschen Bunde nicht gehörigen Ländern beider Monarchien eintreten lassen. Ganz allein ­unter dieser Voraussetzung scheint es aber der Großherzoglichen Regierung möglich, für die so wünschenswerthe Erhaltung des Friedens in Deutschland genügende Bürgschaften zu gewinnen, und sie würde glauben, sich einer bloßen Täuschung hinzugeben, wenn sie die drohende Gefahr eines inneren Krieges als beseitigt ansehen wollte, so lange nicht in dem ganzen Umfange sowohl der Oesterreichischen als der Preussischen Monarchie die Rüstungen wieder auf den Friedensstand zurückgeführt sein werden. Sie kann daher dem Antrage in der vorliegenden Fassung nur mit der Hoffnung zustimmen, daß es den allerhöchsten Regierungen Oesterreichs und Preussens gefallen möge, das an dieselben zu richtende Ersuchen auch auf ihre nicht zum Deutschen Bunde gehörigen Gebietstheile zu beziehen. Die sechzehnte und die siebenzehnte Stimme traten dem Antrage bei. Oesterreich. Der Gesandte tritt der in der Preussischen Abstimmung neuerlich behaupteten Priorität der Rüstungen und den damit zusammenhängenden Argumentationen unter Hinweisung auf den allgemein bekannten Sachverhalt und auf die in dieser hohen Versammlung Seitens der Kaiserlichen Regierung abgegebenen Erklärungen auf das Entschiedenste entgegen, und behält seiner allerhöchsten Regierung jede weitere Aeußerung vor. Die Bundesversammlung hat hierauf einhellig beschlossen: an alle diejenigen Bundesglieder, welche militärische, über den Friedensstand hinausgehende Maßnahmen oder Rüstungen vorgenommen haben, das

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Runderlaß Bismarcks

Nr. 206

Ersuchen zu richten, in der nächsten Sitzung der Bundesversammlung zu erklären, ob und unter welchen Voraussetzungen sie bereit seien, gleichzeitig und zwar von einem in der Bundesversammlung zu vereinbarenden Tage an die Zurückführung ihrer Streitkräfte auf den Friedensstand anzuordnen.

206. Runderlaß Bismarcks an die preußischen Missionen

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 193, fol. 45–48. Erlaß. Metallographie. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 359 f. (Kanzleikonzept); Staatsarchiv, Bd. 11, S. 62–64; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 7, 1866, S. 66 f.

Einer vollständigen revolutionären Zerrüttung in Deutschland kann man nur durch eine rechtzeitige Reform von oben vorbeugen. Es ist die Aufgabe der Bundesreform, die berechtigten Bedürfnisse des deutschen Volkes zu befriedigen. Die Bundesreform ist im Interesse des monarchischen Prinzips in Deutschland. Der preußische König will mit der Bundesreform die deutschen Fürsten weder beeinträchtigen noch unter­ drücken. Bismarck rekapituliert die preußischen Reformvorschläge. Preußen hat sich auf diese bescheidenen Forderungen beschränkt und wird den Bundesgenossen in den Modalitäten gern entgegenkommen, um auf friedlichem Weg zu einer Verstän­ digung zu gelangen. Wenn aber die Verständigung nicht gelingt, wird Preußen „auf neuen Wegen den Anforderungen der Nation in vollem Umfange gerecht zu werden versuchen“.

No 164.

Berlin, 27. Mai 1866

Ueber Preußens Stellung zur Bundes-Reform und die Absichten, von denen Seine Majestät der König bei der jüngsten Wiederaufnahme derselben erfüllt sind, finden Euere Excellenz in folgendem einige Betrachtungen allgemeiner Natur, deren geeignete Verwerthung bei sich darbietendem Anlaß sich empfehlen dürfte. Wenn wir in der jetzigen Gestaltung des Bundes einer großen Krisis entgegengehen sollten, so ist eine vollständige revolutionaire Zerrüttung in Deutschland bei der Haltlosigkeit der gegenwärtigen Zustände die wahrscheinlichste Folge. Einer solchen Catastrophe kann man lediglich durch eine rechtzeitige Reform von obenher vorbeugen. Es ist nicht die Masse der unberechtigten Forderungen, welche den revolutionairen Bewegungen Kraft verleiht, sondern gewöhnlich ist es der geringe Antheil der berechtigten Forderungen, welcher die wirksamsten Vorwände zur Revolution bietet und den Bewegungen nachhaltige und gefährliche Kraft gewährt. Unbestreitbar ist eine Anzahl berechtigter Bedürfnisse des deutschen Volkes nicht in dem Maße sicher gestellt, wie es jede große Nation beansprucht.

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Berlin, 27. Mai 1866

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Die Befriedigung derselben im geordneten Wege der Verständigung herbeizuführen, ist die Aufgabe der Bundesreform. Die letztere ist recht eigentlich im Interesse des monarchischen Princips in Deutschland nothwendig. Sie soll durch die Initiative der Regierungen den Uebelständen abhelfen, welche in bewegten Zeiten die Quelle und der Vorwand für gewaltsame Selbsthülfe werden können. In dieser Richtung bewegen sich die Reform-Vorschläge der Preussischen Regierung. Sie werden sich auf das allernotwendigste beschränken und den Bundesgenossen auf das Bereitwilligste mit den ihnen erwünschten Modifikationen entgegenkommen. Das Ziel verlangt allerdings Opfer, aber nicht von Einzelnen, sondern von Allen gleichmäßig. Was Seine Majestät den König persönlich anbetrifft, so liegt Allerhöchst Demselben nichts ferner, als Seine Bundesgenossen, die deutschen Fürsten, beeinträchtigen oder unterdrücken zu wollen. Allerhöchst Derselbe will mit Ihnen als Einer Ihres-Gleichen gemeinsam für die gemeinsame Sicherheit nach innen und außen sorgen, aber besser als bisher. Wer diesen ernsten Willen und das längst auf jenes Ziel gerichtete Bestreben Seiner Majestät als Ergebniß persönlichen Ehrgeizes schildert, der entstellt die Thatsachen, welche von Allerhöchst Dessen Handlungs- und Sinnesweise offenes Zeugniß ab­ legen. Seine Majestät der König sind stets weit davon entfernt gewesen, einen Ehrgeiz zu hegen, der auf Kosten der Nachbarn und Bundesgenossen Befriedigung gesucht hätte, wenn Allerhöchst Dieselben auch nach manigfachen [sic] Erfahrungen darauf verzichten müssen, die Verleumdungen zum Schweigen zu bringen. Seine Majestät beabsichtigen auch jetzt mit der Bundesreform nicht, den deutschen Fürsten Opfer anzusinnen, welche Preußen nicht ebenso im Interesse der Gesammtheit zu bringen bereit wäre. Die Verweigerung der in den Reform-Vorschlägen der Königlichen Regierung aufgestellten, verhältnißmäßig geringen und von allen Theilnehmern, – Preußen nicht ausgeschlossen, – gleichmäßig zu machenden Zugeständnisse würde unserer Ansicht nach eine schwere Verantwortung für die Zukunft involviren. Wir haben zunächst mit einzelnen Regierungen über unsere Vorschläge eine Verständigung versucht, sodann im Neuner-Ausschuß in Frankfurt a/M. diese Vorschläge näher wie folgt bezeichnet: 1. Die Organisation des Bundes wird durch Combinirung mit einer periodisch einzuberufenden National-Vertretung in der Weise gestaltet, daß die Beschlußfassung der letzteren auf den dafür bezeichneten Gebieten der Bundesgesetzgebung die Stimmeneinheit ersetzt. 2. Die Competenz der also neugestalteten Bundesgewalt wird zunächst auf solche Materien ausgedehnt, welche bisher im Wege der gelegentlich zusammentretenden Conferenzen behandelt zu werden pflegen oder Commissionen

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Runderlaß Mensdorffs

Nr. 207

überwiesen werden, wie z. B. das Münz-, Maaß- und Gewichtswesen, die Patentgesetzgebung, die gemeinsame Civil-Prozeßordnung, das Heimathswesen und die Freizügigkeit. 3. Es tritt dazu die allgemeine Zoll- und Handelsgesetzgebung in principieller Behandlung unter dem Gesichtspunkt regelmäßiger gemeinsamer Fortentwickelung. 4. Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Auslande, Consularwesen, Schutz der Flagge zur See. 5. Das Verkehrswesen zwischen den Bundesstaaten, Land-, Wasser- und Eisenbahnstraßen, Telegraphie, Postwesen, die Fluß- und sonstigen Wasser­ zölle. 6. Gründung einer, den gemeinsamen Zwecken dienenden Kriegsmarine und den entsprechenden Küstenvertheidigungs-Anstalten. 7. Consolidirung der militairischen Kräfte Deutschlands für Feld-Armeenund Festungs-Wesen, also Revision der Bundes-Kriegsverfassung aus diesem Gesichtspunkte einer besseren Zusammenfassung der Gesammtleistung, so daß deren Wirkung gehoben und die Leistung des Einzelnen möglichst erleichtert wird. Auf diese bescheidenen Forderungen haben wir uns beschränken zu ­können geglaubt, und zugleich die Versicherung gegeben, daß wir, um im friedlichen Wege zu einer Verständigung darüber zu gelangen, gern unseren Bundesgenossen in den Modalitäten entgegenkommen würden. Erst wenn Preußen auf dem Wege der Verständigung am Bunde und mit den Regierungen alle Mittel vergebens erschöpft haben wird, um auch nur die nothdürftigsten Zugeständnisse zu erlangen, werden wir unser enges Programm erweitern und auf neuen Wegen den Anforderungen der Nation in ­vollem Umfange gerecht zu werden versuchen. Euere Excellenz wollen bei gelegentlichen Erörterungen vorstehende Andeutungen nicht unbenutzt lassen. v. Bismarck

207. Runderlaß Mensdorffs

HHStA Wien, PA V 83. Gesandtschaft. Weisungen 1866. Erlaß. Behändigte Ausfertigung an den österreichischen Gesandten in Dresden, Werner. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/2, S. 800 f. (Konzept).

Österreich stellt die bisher vergeblich in Verhandlungen mit Preußen erstrebte Lö­ sung der schleswig-holsteinischen Frage den verfassungsmäßigen Beschlüssen des Deutschen Bundes anheim. Die österreichischen Regierungsrechte in Holstein wer­ den mit Rücksicht auf Süddeutschland und Hannover nicht auf den Prinzen von ­Augustenburg übertragen.

Nr. 207

Wien, 29. Mai 1866

981 Wien, 29. Mai 1866

Wir beauftragen heute in Folge des Bundesbeschlusses vom 24. d. M.1 den kais. Bundes-Präsidialgesandten, die hier in Abschrift beiliegende Erklärung in der kommenden Sitzung abzugeben2, und wir ermächtigen Sie der kgl. sächsischen Regierung von derselben unverweilt Mittheilung zu machen. Zur Benützung für Ihre mündlichen vertraulichen Äußerungen bei diesem Anlasse dienen die folgenden Bemerkungen. Durch die erwähnte Erklärung stellt Oesterreich die bisher vergeblich durch Unterhandlungen mit Preußen erstrebte Lösung der schleswig-holsteinischen Frage den verfassungsmäßigen Beschlüssen des Bundes anheim. Dies ist ein Entschluß, gegen welchen selbst vom Standpunkte Preußens oder Hannovers aus ein begründeter Einwand nicht erhoben werden kann. Preußen gegenüber ist das Verhältniß allerdings durch die Verträge von Wien und Gastein und den daraus hervorgegangenen Besitzstand complicirt, allein sobald dieser Punkt speciell zur Sprache käme, würde es uns nicht schwer sein nachzuweisen, daß wir nach Allem, was geschehen, selbst nach strengstem Rechte nicht mehr durch Verbindlichkeiten, über welche Preußen seinerseits in jeder Weise sich hinweggesetzt hat, im Gegensatze zu den Beschlüssen des Bundes beschränkt sein können. Wenn hingegen von manchen unserer Bundesgenossen vielleicht eine weitergehende Initiative, als sie in unserer Erklärung enthalten ist, und namentlich ein Antrag auf Uebertragung des Besitzes der Regierungsrechte in Holstein und der Stimmführung am Bunde auf den Prinzen von Augustenburg gewünscht worden wäre, so kommt hiergegen in Betracht, daß wir nicht nur auf die in Süddeutschland vorherrschende Stimmung, sondern auch auf die Stimmung in Hannover Rücksicht zu nehmen haben, und daß es für uns ­namentlich auch wegen der exponirten Stellung unserer Truppen in Holstein wichtig ist, der kgl. hannoverschen Regierung, von welcher wir soeben neue Zusicherungen des Festhaltens am Bundesstandpunkte erhalten haben, keinen Vorwand zu bieten, sich von neuem zu einer vom Bunde abgewendeten Neutralitätspolitik hinzuneigen. Wir haben daher unsere Erklärung so zu ­bemessen gehabt, daß sie vorerst nur principiell unser Zusammenstehen mit den bundestreuen Regierungen auf dem Boden des Bundesrechtes constatirt, und es läßt sich vielleicht umso eher erwarten, daß wenn demnächst durch weitere Verhandlungen der Anträge die practischen Consequenzen hieraus abzuleiten sein werden, Hannover, auch wenn es in der Minorität bleibt, sich

1 Siehe Dok. 205. 2 Bundestagssitzung vom 1. Juni 1866, ProtDBV 1866, § 149, S. 181–183. Siehe Dok. 208.

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Erklärungen Österreichs und Preußens

Nr. 208

wenigstens enthalten werde, die Legalität der Majoritätsbeschlüsse zu bestreiten. Man wird in unserer Erklärung, wie ich schließlich erwähnen will, vielleicht die Ankündigung der Bildung des holsteinischen Bundescontingentes vermissen. Würden Ihnen in dieser Beziehung Bemerkungen gemacht, so könnten Sie sich dahin äußern, daß wir, um den Schein provocirenden Auftretens zu vermeiden, zwar in Frankfurt diese Maßregel nicht erwähnen wollten, aber allerdings unter den jetzigen Umständen dieselbe ebenso, wie die Berufung der Stände, für angezeigt und politisch gerechtfertigt halten, und daß demgemäß der kaiserl. Statthalter in Holstein die Ermächtigung erhalten hat, mit den wegen Formation des Contingentes erforderlichen Verfügungen nach dem Maße der dort zu beachtenden Verhältnisse und soweit sich an Ort und Stelle die Möglichkeit der Ausführung ergibt, voranzugehen. Empfangen Hochdieselben die Versicherung meiner vollkommensten Hoch­ achtung. Mensdorff

208. Erklärungen Österreichs und Preußens in der ­Bundes­versammlung

ProtDBV 1866, S. 181–185. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 66–70; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 227–229 (gekürzt).

Österreich bekräftigt sein Bestreben, einen Bruch zwischen den Großmächten im Deutschen Bund und einen inneren Krieg in Deutschland zu vermeiden. Preußen hat unberechtigte Forderungen aufgestellt und die Neigung zu erkennen gegeben, diese mit gewaltsamen Mitteln durchzusetzen. Es stützt sich dabei auch auf die auswärti­ gen Gegner des Kaiserstaates. Österreich hat sich dagegen in den Verteidigungs­ stand gesetzt, um seine Rechte und die des deutschen Vaterlandes zu behaupten. Es wird seine militärischen Maßregeln rückgängig machen, sobald es weder auf eige­ nem Gebiet, noch in Holstein, noch auf dem Gebiet seiner Bundesgenossen einen Angriff von Seiten Preußens zu befürchten hat. Preußen muß den grundgesetzlich verbürgten Frieden im Deutschen Bund und dessen Beschlüsse achten. – Preußen erklärt, daß seine Mobilmachung nur durch die vorherigen Rüstungen Österreichs hervorgerufen worden sei und rein defensiven Charakter habe. Preußen wird die Mobilmachung rückgängig machen, sobald der Bund Österreich und Sachsen „zur Abstellung ihrer den Frieden bedrohenden Rüstungen bewogen und der Königlichen Regierung Bürgschaften gegen die Wiederkehr derartiger Beeinträchtigungen des Bundesfriedens gewährt haben wird“. Wenn der Bund diese Bürgschaften nicht ge­ ben kann, und wenn er sich den beantragten Reformen versagt, so wird Preußen daraus den Schluß ziehen, daß er „in seiner gegenwärtigen Gestalt seiner Aufgabe nicht gewachsen“ ist. Sachsen und Württemberg widersprechen den preußischen Darlegungen.

Nr. 208

20. Sitzung

Frankfurt am Main, 1. Juni 1866

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Frankfurt am Main, 1. Juni 1866

§ 149. Wahrung des Bundesfriedens. (18. Sitz. § 141 v. J. 1866.) Oesterreich. In Folge des Bundesbeschlusses vom 24. v. M.1 ist der Gesandte beauftragt worden, die nachfolgende Erklärung abzugeben. Die hohen Regierungen des Deutschen Bundes sind im Besitze vielfacher Beweise für die ausdauernde Friedensliebe, welche der Kaiserlich-Oesterreichische Hof in seinen Verhandlungen mit Preussen über die Zukunft der Elbherzogthümer an den Tag gelegt hat. Oesterreich blickt auf seine langmüthigen trotz mancher Verkennung beharrlich fortgesetzten Bestrebungen, ein Einverständniß mit Preussen zu Stande zu bringen, mit um so ruhigerem Bewußtsein zurück, je tiefer und allgemeiner in der Nähe der Gefahr die Schwere des Unglücks gefühlt wird, welches ein Bruch zwischen beiden deutschen Großmächten und ein innerer Krieg über Deutschland heraufbeschwören würde. Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph ist in Seinen Zugeständnissen an Preussen so weit gegangen, als es Oesterreichs Würde und angestammte Stellung in Deutschland, als es des Deutschen Bundes Recht und Verfassung nur irgend gestatteten. Allein der Berliner Hof hat nicht nur unberechtigte Forderungen aufgestellt, sondern auch unglücklicher Weise in stets sich steigerndem Maße die Neigung bethätigt, diese Forderungen mit Hintansetzung aller anderen Rücksichten und zuletzt selbst mit gewaltsamen Mitteln durchzusetzen. Sowie Preussen schon kurz nach dem Abschlusse des Wiener Friedensvertrages die Räumung Holsteins durch die Truppen Sachsens und Hannovers mit Eigenmacht zu erzwingen gedroht hatte, so behandelte es auch gegenüber Oesterreich, seinem Bundesgenossen in dem im Namen deutschen Rechtes gegen Dänemark unternommenen Kriege, die schließliche Lösung der Verwickelung als eine bloße Frage der Macht, und trat selbst nicht vor dem beklagenswerthen Entschlusse zurück, sich auf die Hülfe auswärtiger Gegner des K ­ aiserstaates zu stützen. Schon zur Zeit der Gasteiner Convention hatte die Königlich-Preussische Regierung sich der Allianz des Florentiner Hofes gegen Oesterreich zu versichern getrachtet, und sie erneuerte dieses Bestreben, als später das Kaiserliche Cabinet die unbillige Forderung, Holstein nach den D ­ ictaten der Preussischen Annexionspolitik zu verwalten, ablehnte und man in Berlin anfing, über kriegerische Eventualitäten Rath zu halten. Von zwei Seiten gefährdet, ungewiß, ob der erste Angriff im Süden oder im Norden erfolgen werde, hat Oesterreich sich in Vertheidigungsstand gesetzt, 1 Siehe Dok. 205.

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um das Seinige zu behaupten, und die treuen Völker der Monarchie, einig in sich, des guten Rechtes sich bewußt, nach dauerhaftem Frieden verlangend, tragen willig und entschlossen die neuen schweren Opfer, welche der Ruf des bedrohten Vaterlandes von ihnen fordert. Solches war die Veranlassung der Rüstungen Oesterreichs; aus der Veranlassung ergeben sich von selbst die Voraussetzungen, unter welchen die Kaiserliche Regierung die Rückkehr zum Friedensstande beschließen könnte. Was jedoch die militärischen Vorkehrungen gegen Italien betrifft, so sind sie nicht Gegenstand dieser Erklärung, nachdem die hohen antragstellenden Regierungen mit Recht ihre Absicht auf die in der Richtung gegen Bundesgenossen vorgenommenen Rüstungen eingeschränkt haben. Der Kaiserliche Hof hat dieser Begrenzung des Antrages um so sicherer gewärtig sein dürfen, als er durch die Vertheidigung seiner italienischen Besitzungen zugleich die Pflicht erfüllt, den Territorialbestand des Deutschen Bundes zu schützen. Es handelt sich sonach nur um die Heeresaufstellung gegen Preussen. Was diese betrifft, so würde der Kaiserliche Hof bereit sein, sie rückgängig zu machen, sobald Oesterreich weder auf eigenem Gebiete, noch in Holstein, noch auf dem Gebiete seiner Bundesgenossen einen Angriff von Seiten Preussens zu besorgen hätte, und ihm gegen die Wiederkehr der entstandenen Kriegsgefahr genügende Sicherheit geboten wäre. Der gesammte Deutsche Bund bedarf nicht weniger wie Oesterreich dieser Sicherheit. Sie hängt im Allgemeinen davon ab, daß in Deutschland nicht eine Politik der Gewalt, sondern Recht und Vertrag regiere, und daß auch Preussen, wiewohl europäische Macht, den grundgesetzlich verbürgten Frieden des Bundes, wie dessen verfassungsmäßige Beschlüsse achte. Sie ist insbesondere dadurch bedingt, daß die Schleswig-Holsteinische Frage, aus welcher der gegenwärtige Conflict hervorgegangen ist, nicht nach den einseitigen Ansprüchen Preussens, sondern nach Recht und Gesetz des Deutschen Bundes und im Einklange mit dem Landesrechte der Herzogthümer ihre Lösung erhalte. Der Kaiserliche Präsidialgesandte ist demgemäß beauftragt, der hohen Bundesversammlung unter Bezugnahme auf die Erklärung Oesterreichs und Preussens in der Sitzung vom 24. August v. J.2 die Anzeige zu erstatten, daß die Kaiserliche Regierung ihre Bemühungen, einen definitiven bundesgemäßen Abschluß der Herzogthümerfrage durch ein Einverständniß mit Preussen vorzubereiten, für jetzt als vereitelt betrachte, und daß sie in dieser gemeinsamen deutschen Angelegenheit alles Weitere den Entschließungen des Bundes anheimstelle, welchen von Seiten Oesterreichs die bereitwilligste Anerkennung gesichert ist. 2 Siehe Dok. 157.

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Der Kaiserliche Gesandte ist in den Stand gesetzt, dem betreffenden Ausschusse auf dessen Wunsch jede zur Aufklärung der rechtlichen und factischen Sachlage dienliche Mittheilung über den Verlauf der seitherigen Verhandlungen zu machen. Der Gesandte hat schließlich mit der vorstehenden Erklärung die weitere Anzeige zu verbinden, daß dem Kaiserlichen Statthalter in Holstein soeben die erforderliche Specialvollmacht zur Einberufung der Holsteinischen Ständeversammlung übersendet worden ist, damit die gesetzliche Vertretung des Landes, um dessen Schicksal es sich handelt, und dessen Wünsche und Rechtsanschauungen einen der berechtigten Factoren der Entscheidung bilden, nicht länger der Gelegenheit entbehre, ihre Ansichten auszusprechen. Preussen. Mit Bezug auf den von hoher Versammlung in der Sitzung vom 24. Mai (Protokoll der 18. Sitzung § 141) gefaßten Beschluß, ist der Gesandte beauftragt, Namens seiner allerhöchsten Regierung folgende Erklärung abzugeben: Die Königliche Regierung hat wiederholt erklärt, daß die Mobilmachung ihrer Streitkräfte lediglich durch die vorangegangenen Rüstungen Oesterreichs, denen sich alsbald die Sächsischen anschlossen, hervorgerufen seien. Sie sah ihre Grenzen, ja bei den geographischen Bedingungen der letzteren ihre Hauptstadt bedroht; und ihre Anfrage bei den Bundesgenossen hatte ihr die Ueberzeugung gewähren müssen, daß sie zu ihrer Vertheidigung auf ihre eigenen Kräfte angewiesen sein würde. In diesen Erklärungen liegt schon die Bedingung angedeutet, unter welcher sie auf den Friedensfuß zurückkehren kann. Die lediglich zu ihrer eigenen Sicherheit angeordneten Maßregeln ­können wegfallen, sobald die Ursache derselben fortfällt. Die Königliche ­Regierung hat dieß bereits in ihrer nach Wien gerichteten Depesche vom 21. April3 ausgesprochen und ihre volle Bereitwilligkeit zur Abrüstung zu erkennen gegeben, sobald diese Bedingung erfüllt sein würde. Sie glaubte damals noch einer entsprechenden Gesinnung auf Oesterreichischer Seite so sicher zu sein, daß die Vorbereitungen zu ferneren Rüstungen sistirt wurden. Ihre Hoffnungen sind getäuscht worden, und die unausgesetzte Zunahme der Rüstungen Oesterreichs, verbunden mit der in keiner Weise beruhigenden Aeußerung der Königlich-Sächsischen Regierung vom 29. April4 haben sie genöthigt, ihren eigenen Rüstungen eine größere Ausdehnung zu geben. Aber der defensive Charakter der letzteren ist damit nicht verändert worden. Sie spricht diese Bereitwilligkeit auch heute der Bundesversammlung aus, und 3 Bismarck an Werther, 21. April 1866, GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 81 Gesandtschaft Wien I, Nr. 237, Bd. 4; Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 460; Staatsarchiv, Bd. 10, S.  367 f. 4 Beust an Hohenthal, 29. April 1866, Druck in: ProtDBV 1866, S. 136–138.

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erklärt, daß sie auf den Friedensfuß zurückkehren werde, wenn der Bund die Regierungen von Oesterreich und Sachsen zur Abstellung ihrer den Frieden bedrohenden Rüstungen bewogen und der Königlichen Regierung Bürgschaften gegen die Wiederkehr derartiger Beeinträchtigungen des Bundesfriedens gewährt haben wird. Wenn der Bund zur Gewährung solcher Bürgschaften nicht im Stande ist, und wenn seine Mitglieder sich der Einführung der Reformen versagen, durch welche die Wiederkehr der bedauerlichen Zustände der Gegenwart verhütet werden könnte, so wird die Königliche Regierung daraus den Schluß ziehen müssen, daß der Bund in seiner gegenwärtigen Gestalt seiner Aufgabe nicht gewachsen sei, und seine obersten Zwecke nicht erfülle, und sie wird ihren weiteren Entschließungen diese ihre rechtliche Ueberzeugung zu Grunde zu legen haben. In Beziehung auf die so eben vernommene Oesterreichische Erklärung ist der Gesandte verpflichtet, Namens seiner allerhöchsten Regierung sich gegen die Darstellung der zwischen den hohen Höfen von Preussen und Oesterreich gepflogenen Verhandlungen, sowohl was die Thatsachen als wie die daran geknüpften Unterstellungen betrifft, ebenso entschieden wie förmlich zu verwahren. Die Königliche Regierung hat ihrerseits bis zur Stunde auf dem zur Schleswig-Holsteinischen Frage von ihr eingenommenen Standpunkte fest verharrt und hat die Ansprüche und berechtigten Interessen Preussens nur nach Maßgabe der vertragsmäßig erworbenen Rechte zu verfolgen sich bestrebt. Sie hat dabei aber niemals eine gewaltsame Verfolgung oder Durchführung ihrer Zwecke beabsichtigt und muß der Gesandte unter Bezugnahme auf die wiederholt von ihm abgegebenen Erklärungen nochmals ausdrücklich darauf ­hinweisen, daß nicht die Schleswig-Holsteinische Frage, in so weit sie noch nicht gelöst ist, Anlaß zur gegenwärtigen schweren Verwickelung gegeben hat, sondern lediglich die an der Preussischen Grenze von Oesterreich und Sachsen unternommenen, ebenso ungerechtfertigten wie bedrohlichen Rüstungen. Im Uebrigen behält der Gesandte selbstverständlich seiner allerhöchsten Regierung alle weiteren Schritte vor. Präsidium. Gegenüber der den Bund betreffenden Aeußerung in der Königlich-Preussischen Erklärung muß Präsidium alle Rechte des Bundes ausdrücklich verwahren. Oesterreich. Den Ausführungen in der Erklärung des Königlich-Preussischen Herrn Gesandten gegenüber weist der Kaiserliche Präsidialgesandte, unter Zurückbeziehung auf den Inhalt der Seitens der Kaiserlichen Regierung eben abgegebenen Erklärung, auf die allgemein bekannten Thatsachen hin und behält seiner allerhöchsten Regierung alles Weitere vor.

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Königreich Sachsen. Der Gesandte muß sich, da die Königlich-Preussische Erklärung die gegen seine allerhöchste Regierung bereits früher erhobenen Vorwürfe wiederholt, auf seine in der 16. dießjährigen Sitzung zu Protokoll gegebene verwahrende Erklärung zurückbeziehen.5 Württemberg. Der Königliche Gesandte ist von seiner allerhöchsten Regierung beauftragt, die schon bei seiner Abstimmung am 24. Mai d. J.6 über den Antrag mehrerer deutschen Regierungen wegen Wahrung des Bundesfriedens ausgesprochene eventuelle Bereitwilligkeit der Königlich-Württembergischen Regierung zur Zurückführung ihres Contingentes auf den Friedensstand zu wiederholen, zugleich aber nachstehende Erklärung beizufügen. Die Königlich-Preussische Regierung hat in ihrer Abstimmung vom 24. Mai d. J. in Betreff des oben erwähnten Antrages geäußert, „sie habe es natürlich gefunden, daß die Kaiserlich-Oesterreichische und die KöniglichSächsische Regierung sich bei der Antragstellung nicht betheiligt haben, da dieselben zuerst gerüstet und dadurch Anstoß zu der Reihe von Rüstungen gegeben haben, auf welche sich der vorliegende Antrag beziehe; sie hätte aber erwartet, daß aus demselben Gefühle auch die Königlich-Württember­ gische Regierung sich der Betheiligung enthalten hätte. Der Antrag würde ­dadurch den der Sachlage entsprechenden Charakter einer Interpellation an diejenigen drei Regierungen erhalten haben, [welche zuerst,] ohne sich des Artikels XI der Bundesacte und des Artikels XIX der Schlußacte zu erinnern, Vorbereitungen für Selbsthülfe getroffen und dadurch die rein defensiven ­Rüstungen Preussens und in deren Verfolg die ganze gegenwärtige Spannung hervorgerufen haben.“ Als die Königlich-Württembergische Regierung den Antrag auf Wahrung des Bundesfriedens in Verbindung mit einer Mehrzahl anderer deutschen Regierungen stellte, vermied sie in Uebereinstimmung mit denselben, in bundesfreundlichem Sinne sich lediglich an die Sache haltend, jede Erörterung über die Frage der Priorität der Rüstungen, da solche bei der allseitig behaupteten Absicht eines rein defensiven Verhaltens nicht von entscheidender Bedeutung erschien. Wenn diesem gegenüber die Königlich-Preussische Regierung in vorstehender Weise auf jene Frage zurückkommt, so kann die Königlich-Württembergische Regierung zuvörderst den Ausdruck ihres größten Erstaunens darüber nicht zurückhalten, daß gerade die Königlich-Preussische Regierung keinen Anstand nimmt, sie als eine solche zu bezeichnen, welche unter Beiseitsetzung bundesgrundgesetzlicher Bestimmungen durch ihr Vorgehen die Rüstungen der Königlich-Preussischen Regierung veranlaßt habe. 5 ProtDBV 1866, § 124, S. 148 (Bundestagssitzung vom 9. Mai 1866). 6 Siehe Dok. 205, S. 976.

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Protokoll der Bundesversammlung

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Der Königlich-Württembergischen Regierung wäre es sehr leicht, den Nachweis zu liefern, daß von ihr auch nicht Eine vorbereitende militärische Maßregel ergriffen worden war, als bereits die in der Königlich-Preussischen Depesche vom 24. März7 angekündigten Rüstungen in vollem Gange waren; allein sie findet in dem gegen sie erhobenen Vorwurfe hierfür keinen genügenden Grund. Sie glaubt sich aber schuldig zu sein, den im Schooße der Bundesversammlung, öffentlich, im Angesichte Deutschlands gegen sie geschleuderten Vorwurf einer Verletzung ihrer Bundespflicht und dadurch verschuldeter Theil­nahme an der Herbeiführung der gegenwärtigen traurigen Lage Deutschlands öffentlich als einen völlig unberechtigten auf das Entschiedenste zurückzuweisen. Preussen. Der soeben angehörten Erklärung gegenüber, will der Gesandte sich vorläufig darauf beschränken, Alles dasjenige, was er in der BundestagsSitzung vom 24. v. M. Namens seiner allerhöchsten Regierung zu erklären die Ehre hatte, hiermit ausdrücklich und in seinem vollen Umfange aufrecht zu erhalten. Württemberg. Der Gesandte muß gegen diese Wiederholung einer Behauptung, welche seine allerhöchste Regierung als factisch unrichtig bezeichnet hat, den entschiedensten Protest einlegen. ––––––––––––––––––––– Die Seitens der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung abgegebene Er­ klärung wurde, insofern sie die Holsteinische Angelegenheit betrifft, an den Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit abgegeben.   Protokoll der Bundesversammlung 

209. Protokoll der Deutschen Bundesversammlung

ProtDBV 1866, S. 186–188.

Der Deutsche Bund ist gerne bereit, sich an den Verhandlungen in Paris zur Auf­ rechterhaltung des Friedens zu beteiligen, vorausgesetzt daß nicht rein deutsche An­ gelegenheiten verhandelt werden, die nur in Deutschland ihre Erledigung finden kön­ nen. Die Entwicklung der Bundesverfassung und die holsteinische Frage sind rein deutscher Natur, und keine außerdeutsche Macht kann an der Behandlung dieser Fragen Anteil haben. Soweit Schleswig betroffen ist, das nicht zum Deutschen Bund gehört, ist eine Behandlung auf der Pariser Konferenz denkbar. Der Bundestag be­ schließt, die Einladung zu der Konferenz anzunehmen und als Bevollmächtigten des Bundes den bayerischen Staatsminister von der Pfordten zu wählen. 7 Siehe Dok. 181.

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§ 152. Einladung an den Deutschen Bund zur Theilnahme an Verhandlungen in Paris wegen Aufrechthaltung des Friedens. (19. Sitz. §§ 144 und 146 v. J. 1866.)

Der Königlich-Württembergische Herr Gesandte erstattet Namens des in der letzten Sitzung (Prot. § 146)1 gewählten Ausschusses nachstehenden Vortrag: Hohe Bundesversammlung ist im Besitze der Einladungen, welche ihr von den hohen Regierungen von Frankreich, Großbritannien und Rußland zugegangen sind, (vorgelegt in der Bundestags-Sitzung vom 29. Mai d. J.) zu dem Zwecke, um sie zur Theilnahme an Verhandlungen in Paris wegen Aufrechthaltung des Friedens zu bestimmen.2 Wenn der Ausschuß sich zunächst über die Frage der Betheiligung im Allgemeinen auszusprechen hat, so wird er davon ausgehen dürfen, daß hohe Bundesversammlung im Hinblick auf die durch die Bundesgrundgesetze selbst ihr vorgezeichneten Zwecke gerne bereit ist, wo und immer sich die Möglichkeit bietet, für Erhaltung des Friedens zu wirken, sich dabei zu ­betheiligen, vorausgesetzt nur, daß nicht Angelegenheiten verhandelt werden wollen, welche als rein deutscher Natur nur in Deutschland selbst ihre Erledigung finden können. Nun bezeichnen allerdings die Einladungsnoten neben der Verwicklung in Italien, welche theils europäische, theils deutsche Interessen berührt, die Fragen der Elbherzogthümer und der Reform der Bundesacten; indessen begrenzen sie die letzteren selbst zum voraus dahin: „insoweit die Aenderungen das Gleichgewicht Europa’s berühren könnten“, und es darf wohl angenommen werden, daß unter diesem Ausdruck überhaupt nur die in­ ternationalen Beziehungen des Deutschen Bundes verstanden werden wollten. Nur die Existenz des Bundes an sich, und das föderative Prinzip, auf dem er beruht, haben europäische Verträge zur Grundlage; die Entwicklung seiner Verfassung aber ist eine rein innere Frage, welche Deutschland schon nach Artikel VI der Bundesacte lediglich selbst zu behandeln hat. Man kann und darf daher den Sinn der Einladungsnoten sicherlich, so wie hievor angedeutet, auffassen, und es wird nur gerathen sein, dieser Auffassung in der Antwortsnote ihren bestimmten Ausdruck zu geben. Was die Elbherzogthümer betrifft, so ist die rein deutsche Natur der Holsteinischen Frage, abgesehen 1 ProtDBV 1866, § 146, S. 180, 19. Sitzung vom 29. Mai 1866. In den Ausschuß zur Begutachtung der von Frankreich, Großbritannien und Rußland an den Deutschen Bund ergangenen Einladung zur Teilnahme an einem Kongreß in Paris, um über die Erhaltung des Friedens zu verhandeln, waren die Bundestagsgesandten von Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg und Großherzogtum Hessen gewählt worden. 2 ProtDBV 1866, § 144, S. 175–179, 19. Sitzung vom 29. Mai 1866.

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von Schleswig, unbezweifelt, und keine außerdeutsche Macht könnte sich berufen fühlen, sich an deren Behandlung einen Antheil zu vindiciren; dieß hat der Deutsche Bund stets festgehalten, und wird und muß es stets festhalten; dagegen hat er nie verkannt, daß der Frage der Elbherzogthümer in Beziehung auf Schleswig eine internationale Bedeutung zukomme, insofern Schleswig außer dem Deutschen Bunde liegt. In dieser Richtung ist also eine Be­ rathung der Frage auf den Conferenzen zu Paris denkbar, an welcher sich der Deutsche Bund betheiligen kann, und auch dieses Verhältniß hätte in der Antworts­note seinen bestimmten Ausdruck zu finden. Dieß vorausgesetzt, findet der Ausschuß keinen Anstand, bei hoher Bundesversammlung den Antrag zu stellen, der an Hochdieselbe ergangenen Einladung zu den Verhandlungen in Paris zu folgen, und daselbst die Friedensbemühungen fortzusetzen, welche sie in ihrem eigenen Kreise mit dem diesem hochwichtigen Gegenstande gebührenden Ernste begonnen hat. Er beehrt sich zugleich den Entwurf der Antwort vorzulegen, deren Er­ lassung an die Herren Gesandten der einladenden neutralen Staaten er für angemessen erachtet.*   3  Handelt es sich nun darum, das Organ zu finden, durch welches hohe Bundesversammlung ihre Thätigkeit zu üben wünscht, so befindet sich der Ausschuß in dem glücklichen Falle, Hochderselben einen Staatsmann zu bezeichnen, über dessen zweifellose Befähigung zu Uebernahme dieser Aufgabe sie sich selbst das zuverlässigste Urtheil bilden konnte, nämlich den KöniglichBayerischen Staatsminister Freiherrn von der Pfordten, welcher vermöge seiner Geschäftskenntniß und Erfahrung, seiner Stellung an der Spitze eines hervorragenden Bundesstaates, und seiner Vertrautheit mit den vorliegenden Fragen als vorzugsweise berufen erscheinen dürfte, die Vertretung der hohen Bundesversammlung zu übernehmen. Indem daher der Ausschuß die Wahl des Königlich-Bayerischen Staatsministers Freiherrn von der Pfordten zum Bundesbevollmächtigten empfiehlt und sich weiteren Vortrag wegen der Instructionsertheilung binnen kurzer Frist vorbehält, hat er seine Anträge in folgender Weise zusammenzufassen: 1) die Einladung zu den von den hohen Regierungen von Frankreich, Großbritannien und Rußland vorgeschlagenen Verhandlungen in Paris wegen Aufrechterhaltung des Friedens anzunehmen, und demgemäß Präsidium zu ersuchen, die Noten der betreffenden Gesandten in Ueber­ einstimmung mit dem von dem Ausschusse vorgelegten Entwurfe einer Note zu beantworten; * M. s. die Beilage zu diesem Protokolle. [ProtDBV 1866, S. 189 f.; hier nicht ediert.]

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2) die Verhandlungen durch einen besonderen Bevollmächtigten des Bundes zu beschicken, und zwar hierzu den Königlich-Bayerischen Staatsminister Freiherrn von der Pfordten zu erwählen; 3) wegen Ausfertigung der Vollmacht und Besorgung des weiter Erforderlichen das Präsidium der Bundesversammlung um die geeigneten Einleitungen zu ersuchen. Umfrage Oesterreich. Der Gesandte hat den Anträgen des Ausschusses zuzustimmen und sich insbesondere auch für die Wahl des Königlich-Bayerischen Staatsministers Freiherrn von der Pfordten zum Bundesbevollmächtigten auszusprechen. Preussen. Indem der Gesandte bemerkt, daß der Ausschußvortrag noch nicht zur Kenntniß seiner allerhöchsten Regierung hat gelangen können, ist er gleichwohl in der Lage, Namens derselben den Anträgen des Ausschusses schon jetzt sofort seine Zustimmung zu geben. Bayern. Der Gesandte stimmt den Anträgen unter 1 und 3 zu, bezüglich des Antrages unter 2 hat er sich für die Wahl des Königlich-Sächsischen Herrn Staatsministers Freiherrn von Beust auszusprechen. Alle übrigen Gesandtschaften traten den Ausschußanträgen bei, der Herr Gesandte der fünfzehnten Stimme jedoch für Oldenburg mit dem Beifügen, daß er angewiesen worden, Verwahrung gegen jede Einmischung der Conferenz in rein deutsche Angelegenheiten ausdrücklich einzulegen. Die Bundesversammlung hat hierauf beschlossen: 1) die Einladung zu den von den hohen Regierungen von Frankreich, Großbritannien und Rußland vorgeschlagenen Verhandlungen in Paris wegen Aufrechterhaltung des Friedens anzunehmen, und demgemäß Präsidium zu ersuchen, die Noten der betreffenden Gesandten in Ueber­ einstimmung mit dem von dem Ausschusse vorgelegten Entwurfe einer Note zu beantworten; 2) die Verhandlungen durch einen besonderen Bevollmächtigten des Bundes zu beschicken, und zwar hierzu den Königlich-Bayerischen Staatsminister Freiherrn von der Pfordten zu erwählen; 3) wegen Ausfertigung der Vollmacht und Besorgung des weiter Erforderlichen das Präsidium der Bundesversammlung um die geeigneten Einleitungen zu ersuchen. Präsidium ersuchte hierauf den Königlich-Bayerischen Herrn BundestagsGesandten, sich wegen Annahme der eben erfolgten Wahl mit der dazu erforderlichen Genehmigung Seiner Majestät des Königs von Bayern mit thunlich-

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ster Beschleunigung nach München wenden und von dem deßfallsigen Ergebnisse alsbald das Präsidium benachrichtigen zu wollen. Der Königlich-Bayerische Herr Gesandte äußerte, daß er diesem Ersuchen sofort entsprechen werde.

210. Bismarck an Savigny

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 193, fol. 74–78. Erlaß. Metallographie. Der Erlaß ging gleichzeitig an die preußischen Gesandtschaften in Paris, London, Florenz, St. Petersburg und München. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 524–526.

Bismarck erblickt in der österreichischen Erklärung im Bundestag vom 1. Juni, wo­ nach der Bund die Entscheidung in der Schleswig-Holstein-Frage treffen soll, die Absicht, den Bruch mit Preußen und den Krieg zu erzwingen. In Wien hat das „Ver­ langen nach Krieg“ die Oberhand gewonnen. Die kaiserlichen Minister wollen den „Krieg um jeden Preis“. In Preußen ist dagegen bis zum letzten Augenblick „Ver­ söhnlichkeit und Friedensliebe“ vorhanden.

No 183.

Berlin, 4. Juni 1866

Euerer Excellenz habe ich bereits früher den Erlaß mitgetheilt, welchen ich unter dem 7ten v. Mts. mit Rücksicht auf die Depesche des Grafen von Mensdorff vom 26. April in der Frage der Elbherzogthümer an den Königlichen Gesandten in Wien gerichtet habe.1 Ich hatte zu dieser Eröffnung absichtlich die Form einer vertraulichen, nicht zur abschriftlichen Mittheilung bestimmten Äußerung gewählt, weil die Erfahrung mich gelehrt hatte, daß eine wirkliche Verständigung nicht durch den Austausch von Aktenstücken, welche unmittelbar in die Oeffentlichkeit zu gelangen pflegen, gefördert wird; und weil es der ernste Wunsch der Königlichen Regierung war, dem Wiener Kabinette noch die Möglichkeit zu einer Anknüpfung darzubieten oder offen zu halten. Wir hatten auch in der ersten Zeit Ursache anzunehmen, daß dieser unser2 Schritt in Wien gewürdigt werde und Graf Mensdorff schien nach seinen Äußerungen gegen den Freiherrn von Werther darin eine solche Möglichkeit zu erblicken; wie denn auch der Inhalt unseres Erlasses, wo er bekannt geworden, als ein, die Hoffnung auf Erhaltung des Friedens vermehrendes Symptom friedfertiger Gesinnung angesehen worden ist. Wir haben vergebens auf eine Erwiederung oder auch nur auf eine Äußerung des Kaiserlichen Gesandten darüber gewartet. 1 Siehe Dok. 194 und 197. 2 Emendiert. Vorlage: unserer.

Nr. 210

Berlin, 4. Juni 1866

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Als die Antwort auf unser versöhnliches Entgegenkommen müssen wir vielmehr die am 1. Juni in Frankfurt a/M. von der Kaiserlich Oesterreichischen Regierung am Bundestage abgegebene Erklärung ansehen3, worin sie, nach einem den Thatsachen widersprechenden und für Preußen verletzenden Rückblick, dem Bunde die Entscheidung über die Schleswig-Holsteinsche Angelegenheit anheimstellt, und zugleich von einem Souverainitäts-Akt in Holstein, nämlich der Berathung der Stände, Anzeige macht, wozu sie einseitig von dem Augenblick an nicht mehr berechtigt ist, wo sie durch die Verweisung an den Bund sich von dem Gasteiner Vertrag losgesagt und damit an Stelle der bisherigen geographischen Theilung das alte Verhältniß des Condominats wieder in Wirksamkeit gesetzt hat. Wir haben sowohl gegen diesen unberechtigten einseitigen Akt als gegen die eben so unberechtigte Verfügung über unsere Rechte durch Uebertragung an den Bund bereits in Wien Protest eingelegt und behalten uns weitere Schritte vor. Zunächst aber kann ich nicht umhin, es auszusprechen, daß wir in diesem Verfahren der Oesterreichischen Regierung nur die Absicht einer direkten Provokation und den Wunsch, den Bruch und den Krieg zu erzwingen, erblicken können. Alle unsere Wahrnehmungen stimmen damit überein, daß in Wien der Entschluß den Krieg gegen Preußen zu führen, feststeht. Vertraulich kann ich Euerer *** auf Allerhöchste Ermächtigung mittheilen, daß zur Zeit wo wir die Eingangs erwähnte versöhnliche Äußerung nach Wien richteten, der König, von der Pflicht den Frieden so lange wie möglich zu erhalten, durchdrungen, auf eine von unbetheiligter Seite her in Wien und demnächst bei Seiner Majestät, ohne Betheiligung des Ministeriums, angebrachte Eröffnung Behufs direkter Verständigung, bereitwillig eingegangen ist, um Sich zu versichern, ob bei Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich noch der Wunsch vorhanden sei, den Frieden zu erhalten. Der Vorschlag ging dahin, die Schleswig-Holsteinische und die Bundes-Reform-Frage solidarisch zu behandeln, und durch diese Verbindung die Lösung der einen wie der andern zu erleichtern. Diese von den versöhnlichsten Absichten der Vermittler getragenen Unterhandlungen haben, wie Seine Majestät mir mitge­ theilt, nur constatirt, daß eine entsprechende Gesinnung in Wien nicht mehr vorhanden ist, daß ungeachtet theoretischer Friedensliebe des Kaisers in seinem ganzen Rathe das Verlangen nach Krieg jede andere Rücksicht beherrscht, auch bei denen, welche früher unseres Wissens gegen den Krieg und selbst gegen die Vorbereitungen und Rüstungen dazu gestimmt waren; und daß dieses Verlangen jetzt auch auf Seine Majestät den Kaiser selbst entschei3 Siehe Dok. 208.

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denden Einfluß gewonnen hat. Nicht allein hat sich der gänzliche Mangel an aller und jeder Bereitwilligkeit gezeigt, auch nur vertrauliche Verhandlungen anzuknüpfen und die Möglichkeiten einer Ausgleichung zu discutiren; sondern es sind Seiner Majestät dem Könige aus zuverlässiger Quelle Aeußerungen der einflußreichen Oesterreichischen Staatsmänner und Räthe des Kaisers berichtet worden, welche keinen Zweifel darüber lassen, daß die Kaiserlichen Minister theils in der Hoffnung auf Waffenerfolge, theils zur Ueberwindung der inneren Schwierigkeiten, ja sogar in der ausgesprochenen Absicht den Oesterreichischen Finanzen durch Preußische Contributionen oder durch einen „ehrenvollen“ Bankrott aufzuhelfen, den Krieg um jeden Preis wollen. Mit dieser Absicht stimmen die Handlungen der Oesterreichischen Regierung nur zu genau überein. Daß wir in der am Bunde abgegebenen Erklärung eine directe Provocation erkennen müssen, habe ich oben erwähnt. Sie hat nur einen Sinn, wenn das Wiener Cabinet den ausgesprochenen Bruch unmittelbar darauf folgen lassen will; denn es kann nicht erwartet haben, daß wir diesen Eingriff in unsere Rechte ruhig hinnehmen würden. Nach einer anderen Seite hin, zeigt die in Venetien ausgeschriebene Zwangsanleihe, welche einen neuen erbitternden Stachel in die Verhältnisse drückt, daß Oesterreich auch Italien gegenüber nur noch die äußersten Mittel anwenden will. Dem entsprechend sind die Reserven, mit welchen es den hierher gelangten Mittheilungen nach seine Antwort auf die Einladung zum Congreß4 begleitet hat, und welche, wie wir hören, bei allen drei Mächten als einer Ablehnung gleichkommend aufgefaßt werden. Nachdem durch die Verhandlungen unter den einladenden Mächten die Form der Einladung ausdrücklich so gestellt war, daß es Oesterreich möglich werden sollte, anzunehmen, ohne sich im voraus etwas zu vergeben und ohne Reserven machen zu müssen: ist es nun gerade das Wiener Kabinet [sic], welches alle diese Bemühungen vereitelt. Wir können dahinter nur die bestimmte Absicht sehen, den Krieg mit Preußen zu erzwingen und die Verhandlungen über den Congreß höchstens dazu zu benutzen, um durch Verschleppung noch Zeit für seine eigenen, noch nicht ganz vollendeten Rüstungen, namentlich aber für die seiner Bundesgenossen zu gewinnen. Der Krieg selbst ist feststehender Entschluß in Wien; es kommt dort nur noch darauf an, den günstigen Augenblick zum Beginn zu wählen. Diese Ueberzeugung ist uns durch die neuesten Thatsachen mit gebieterischer Nothwendigkeit aufgedrängt; und wir glauben, daß nur eine absichtlich parteiische Auffassung sich derselben verschließen kann. Die Thatsachen reden jetzt zu laut, als daß nicht das nur auf Vermuthungen, Combinationen, falsch interpretirte Aeußerungen und leere Gerüchte gestützte Gerede von den 4 Gemeint ist die Einladung zu einem Friedenskongreß nach Paris, siehe Dok. 209, Anm. 1.

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kriegerischen Gelüsten Preußens dagegen verschwinden müßte. Man wird uns jetzt endlich wohl glauben, wenn wir uns feierlich gegen jeden Gedanken verwahren, unsere Ansprüche auf die Herzogthümer mit Gewalt und unter Mißachtung der Rechte des Mitbesitzers geltend machen zu wollen. Man wird nun auch nicht umhin können, die wahren Motive der Rüstungen zu erkennen, durch welche Oesterreich den Anlaß zu der gegenwärtigen Crise gegeben hat, deren Beseitigung durch den Congreß Oesterreich wiederum durch seine Haltung unmöglich zu machen bemüht ist. Wir dürfen uns getrost auf das Urtheil aller unparteiischen Staatsmänner darüber berufen, wo bis zum letzten Augenblick die Versöhnlichkeit und Friedensliebe vorhanden gewesen ist. v. Bismarck

211. Bismarck an Savigny

GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 275, fol. 47. Telegramm. Dechiffriert.

Frankreich, Großbritannien und Rußland sagen die Pariser Konferenz ab und geben Preußen freie Hand.

No 186.

Berlin, 5. Juni 1866, 12.30 Uhr Nachts

telegraphirt soeben: Da Oesterreich durch seine ErkläGraf von der rung jede Aussicht auf erfolgreiche Verhandlung der Venetianischen Frage ausschließt, die Schleswig-Holsteinische durch seine Erklärung am Bund einem anderen Tribunale übergeben hat und die Deutsche Frage nicht hinlänglich reif ist, um selbstständig von den europäischen Mächten erörtert zu werden, so constatirt Frankreich in Übereinstimmung mit England und Rußland, daß die Conferenz keine Betriebsamkeit mehr haben kann und geben uns, unter Dank für die ihrem Vorschlag ertheilte Aufnahme, die Freiheit unserer Entschließungen wieder. Depesche in diesem Sinne geht heute nach Berlin. Goltz1

gez. Bismarck.2 1 Robert Heinrich Graf von der Goltz (1817–1869), 1855–1859 preußischer Gesandter und Ministerresident in Athen, 1859–1862 Gesandter in Konstantinopel, 1862–1863 Gesandter in St. Petersburg, 1863–1866 preußischer Gesandter in Paris; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 134. 2 Gleichwohl wurde am 7. Juni 1866 der bayerische Staatsminister von der Pfordten zum Bevollmächtigten des Deutschen Bundes für die Pariser Konferenzen gewählt. Er nahm die Wahl an, „wiewohl dieselben nunmehr gescheitert seien“. Auszug aus einem Immediatbericht Savignys vom 10. Juni 1866, GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 193, fol. 51. Das Zitat stammt aus dem Dankschreiben von der Pfordtens vom 7. Juni.

Kammerrede des Abgeordneten Oesterlen 996   Kammerrede des Abgeordneten Oesterlen 

Nr. 212

212. Kammerrede des württembergischen Abgeordneten ­Oesterlen

Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten auf dem außerordentlichen Landtage im Mai und Juni 1866. Protokoll- und Beilagen-Band. Stuttgart 1866, Protokolle, S. 97 f.

Die Desorganisation Deutschlands durch die bestehende Bundesverfassung ist ein Hauptgrund des jetzigen Konflikts. Die Mittel- und Kleinstaaten müssen sich zu ei­ nem Bund vereinigen, der dem Vergrößerungsstreben namentlich Preußens Wider­ stand entgegensetzt und der nicht darauf gerichtet ist, die unbeschränkte Souveräni­ tät der Mittel- und Kleinstaaten zu erhalten, sondern den Anfang einer nationalen Entwicklung bilden soll. Die nationale Einheit ist getrübt und gestört durch den Son­ dergeist der einzelnen deutschen Staaten. Solange ein geeinigtes Gesamtdeutschland nicht möglich ist, ist ein Bund der kleineren Staaten besser als der gegenwärtige Zu­ stand der Anarchie. Ein solcher Bund ist kein revolutionärer Weg, sondern ein Weg der friedlichen Entwicklung.

Stuttgart, 6. Juni 1866 Oesterlen: Meine Herren! Ich bedaure, durch den Antrag, welchen ich gestellt habe1, die Berathung wieder auf die großen Fragen zurücklenken zu müssen, welche uns gestern und vorgestern beschäftigt haben; allein der Antrag ist von solcher Bedeutung, und die Lage unseres engeren und weiteren Vaterlandes so schwierig, daß es doch erwünscht sein mag, noch einmal auf jene Frage zurückzukommen, obschon die Verwilligung der Regierungsexigenz nicht von einer entsprechenden Erklärung der Staatsregierung über den gestellten Antrag abhängig gemacht wird.2 Meine Herren! Ich würde gern dem Beispiel des Abg. Hopf 3 gefolgt sein und meine Zustimmung zu den vorliegenden Ge1 Der Antrag ging dahin, daß die württembergische Regierung darauf hinwirken sollte, „daß eine enge Verbindung der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, gestützt auf eine gemeinschaftliche Vertretung und die ganze Wehrkraft des Volks derselben, zu Stande komme“; Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten auf dem außerordentlichen Landtage im Mai und Juni 1866. Protokoll- und Beilagen-Band. Stuttgart 1866, Protokolle, S. 96. 2 Oesterlen bezieht sich auf den Gesetzentwurf zur Bewilligung der Mittel zur Bestreitung des Aufwands für außerordentliche Militärbedürfnisse, über den im Frühjahr 1866 im württembergischen Landtag beraten wurde. Die Regierung beantragte in diesem Gesetzentwurf die Summe von 7,7 Millionen Gulden für den Militäretat. Im Zuge der Debatten wurde intensiv über die Situation im Deutschen Bund, die Schleswig-Holstein-Frage und den drohenden Konflikt zwischen Österreich und Preußen diskutiert. Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten auf dem außerordentlichen Landtage im Mai und Juni 1866. Protokoll- und Beilagen-Band. Stuttgart 1866, Protokolle, S. 96. Vgl. Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten auf dem außerordentlichen Landtage im Mai und Juni 1866. Protokoll- und Beilagen-Band. Stuttgart 1866, Beilagen, S. 40–44. 3 Franz Hopf (1807–1887), Pfarrer, 1853 aus politischen Gründen und wegen Verbreitung von Irrlehren aus dem Pfarrdienst entlassen, 1856–1876 Mitglied der württembergischen Kammer der Abgeordneten; Raberg, Biographisches Handbuch, S. 398 f.

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setzen davon abhängig gemacht haben, daß die K. Staatsregierung auch über die von mir weiter erhobenen Forderungen dieselbe bindende Erklärung zuvor abgebe, wie über die von der Commissionsmehrheit in Beziehung auf Schleswig-Holstein und die Bundesverfassungsreform gestellten Forderungen, und es hat mich wahrlich nicht ein übermäßiges Vertrauen, sondern nur die Erwägung abgehalten, daß wir Verpflichtungen Schleswig-Holstein gegenüber haben, und daß wir die Erfüllung dieser Pflichten nicht verweigern dürfen, weil unsere Regierung vielleicht die Erfüllung anderer Verpflichtungen uns gegenüber verzögert, welche ihr nach wiederholten Kundgebungen dieses Hauses, namentlich in Beziehung auf die Revision der Verfassung obliegen. Meine Herren! Der Antrag, um den es sich zunächst handelt, ist schon in der allgemeinen Debatte mehrfach berührt worden; er beruht auf der Ansicht, daß, so lange Oesterreich an seinem Einheitsstaat festhält, so lange Preußen an seinem Einheitsstaat festhält, der Gedanke der Herstellung einer deutschen Centralgewalt, welche über den einzelnen Regierungen steht, und eines deutschen Parlaments, nicht wohl verwirklicht werden kann. Deutschland, soweit es nicht österreichisch, nicht preußisch ist, ist durch die Bundesverfassung in einer Weise organisirt, welche recht eigentlich jene Bestrebungen, auf Kosten des übrigen Deutschlands sich zu vergrößern hervorruft, ­welche uns jetzt an die Schwelle des Bürgerkriegs geführt haben. Ja die Desorganisation Deutschlands durch die bestehende Bundesverfassung ist ein Hauptgrund des jetzigen Conflicts und ihre Beendigung muß eine Hauptaufgabe des Kampfes sein, in welchen wir eintreten. Da wir nicht wollen können, daß das Ende des Kampfes, das Deutschland, das wir verfolgen, ein vergrößertes Preußen, ein mächtigeres Oesterreich sei, so müssen wir daran denken, daß die kleineren Staaten sich unter sich vereinigen und so einen Bund herstellen, welcher dem Vergrößerungsbestreben, namentlich Preußens, einen Widerstand entgegenzusetzen fähig ist, einen Bund, welcher nicht das Ende der nationalen Entwicklung sein soll, sondern ihr Anfang, einen Bund, welcher nicht auf Erhaltung der unbeschränkten Souveränität der deutschen Mittel- und Kleinstaaten gerichtet ist, sondern von denselben fordert, daß sie die mit dem Bunde nothwendig verbundenen Opfer an Souveränitätsrechten bringen. Ein solcher Bund unterscheidet sich von einer Trias im Interesse der Erhaltung der unbeschränkten Souveränität der deutschen Mittel- und Kleinstaaten ganz wesentlich. Meine Herren! Ich weiß, es hat dieser Gedanke seine Gegner, vor allem hat er jene zu Gegnern, welche die Verwirklichung des ­nationalen Geistes nur in einem ganz Deutschland umfassenden Parlament erblicken und nur dieses wollen. Nun, meine Herren, wer von uns wäre gegen dasselbe und gegen eine über den einzelnen Regierungen stehende Centralgewalt? Aber wer wird glauben, daß trotz der Forderung, welche die Kammer gestellt, trotz der Zusage, welche die Regierung gemacht hat, für Verwirkli-

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chung dieser Forderung nach Kräften thätig zu sein, wer von uns kann sich vorstellen, daß jener Gedanke in nächster Zeit sich verwirklichen werde! Wenn der Herr Berichterstatter4 mit einem gewissen Hochmuth erklärt hat, das Parlament sei eine Idee und das, was wir wollen, ein Hirngespinst, so möchte ich den Satz umkehren und sagen, daß es ein Hirngespinst ist, in dem Augenblick, wo Preußen und Oesterreich einander kampfgerüstet gegenüberstehen, daran zu denken, ein Parlament einzuberufen, das den Frieden erhalten könne. Wie könnte jetzt ein Parlament zusammenkommen, außer es hätten sich die beiden Großmächte über die Centralgewalt verständigt – und es scheint mir von dieser Verständigung für sie im gegenwärtigen Augenblick sehr weit entfernt, – oder es gebe eine Revolution, und das deutsche Volk selbst setzte ein Parlament ein. Aber wir dürfen uns nicht verbergen, daß die deutsche Nation vorher sich ihrer Einheit bewußt werden muß, und daß das Wissen und Wollen der nationalen Einheit, welche allein ein Parlament schaffen könnte, getrübt und gestört ist durch das Oesterreicherthum, Preußen­ thum, Bayernthum u. s. w., wie denn auch, wenn dieser Jammer nicht wäre, ein Krieg, wie er uns jetzt bedroht, eine Unmöglichkeit sein würde. Wenn Sie bedenken, daß in diesem Sondergeist, welcher nicht bloß die Regierungen, sondern auch einen Theil der Nation zur Zeit beherrscht, die Ursache unserer Uebel liegt, wie können Sie ruhig sagen: schafft uns ein Parlament und das Uebel wird gehoben sein? Das Parlament wird kommen, wenn der Grund des Uebels beseitigt ist, aber mit dem Parlament können Sie es nicht heilen. – Der Antrag, welchen ich gestellt, hat noch andere Gegner, jene große Partei, welche von keiner andern Lösung der deutschen Frage wissen will, als einer solchen unter der Führung und Spitze Preußens. Dieser Partei ist die Desorganisation der Verfassung Deutschlands willkommen, diese Partei will nicht, daß irgend ein gesunder Organismus in Deutschland sich bilde, weil sie mit Recht fürchtet, daß an demselben das Vergrößerungsstreben Preußens scheitern, daß er gegen die Annexionsgelüste mächtige Schranken ziehen würde. Ich bin überzeugt, der Herr Minister des Auswärtigen5, welcher leider wenig Verständniß für diese meine Idee, wie er sich auszudrücken beliebte, obgleich ich nicht der Vater derselben bin, zeigte, ist ihr nicht aus dem von mir zuletzt angeführten Grunde so unzugänglich, allein ich würde bedauern, wenn es ein anderer bedenklicher Grund wäre, der ihn abhielte, jenem Gedanken seine Prüfung und wenn möglich seine Unterstützung angedeihen zu lassen. Die Verbindung der deutschen Mittel- und Kleinstaaten muß sich stützen auf die 4 Der liberal und großdeutsch gesinnte Abgeordnete Rudolf Probst (1817–1899) war seit 1851 Mitglied der württembergischen Kammer der Abgeordneten; Raberg, Biographisches Handbuch, S. 676–678. 5 Karl Friedrich Freiherr von Varnbüler.

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Völker, auf den nationalen Gedanken, auf den freiheitlichen Fortschritt. Ohne diese allein solide Grundlage ihrer Organisation würde eine Verbindung, wie wir sie im Auge haben, lebensunfähig sein und keine Zauberkraft ausüben auf jene Theile Deutschlands, welche sich von vornherein nicht anschließen, ohne diese Grundlage wäre der Bund allerdings ein todtgebornes Kind. Ich würde bedauern, wenn der Grund der Abneigung des Herrn Ministers der wäre, daß er eine solche Grundlage nicht will, wenn zu befürchten wäre, seine Politik verfolge auch in gegenwärtiger Lage mehr die Erhaltung der unbeschränkten Souveränität der Fürsten und Staaten, als die Herstellung jener moralischen und physischen Macht, welche allein in dem Kampf, in welchen wir eintreten, eine Gewähr dafür gibt, daß nicht schließlich der Frieden auf unsere Kosten, oder auf Kosten Deutschlands geschlossen werde. Es ist gesagt worden, die von uns empfohlene Verbindung sei der Anfang der Spaltung Deutschlands. Der Herr Minister des Auswärtigen hat sich als ein entschiedener Anhänger einer Gesammtdeutschland umfassenden Verfassung mit Centralgewalt und Parlament ausgesprochen, und erblickt in der Verbindung der Mittel- und Kleinstaaten die Gefahr der Zerreißung Deutschlands in drei Theile. Nun, meine Herren, Deutschland ist eigentlich schon in verschiedene Theile zerrissen. Oesterreich ist ein Theil, Preußen ist ein Theil, und diese beiden sind im Begriff, feindselig gegen einander vorzugehen. Wenn wir nun sagen, organisirt das übrige Deutschland, das in der Mitte liegt, so tragen wir wahrlich nicht zum Zerreißen bei, und ich meine, der Herr Minister selbst, als er nach Bamberg und Augsburg sich begab6, ist von dem Gedanken geleitet worden, daß ein Zusammengehen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten geboten sei. Er wird vielleicht sagen, er wünsche nichts mehr, als daß sie recht lange zusammengehen können, und daß nicht eine Regierung, etwa Baden, abspringen möchte; allein es sei dieses Zusammengehen nur eine vorübergehende Maßregel, keine bleibende Einrichtung, und diese wohl zu unterscheiden von einer Coalition. Ich will jene auch nur für den Fall und in so lange, als etwas anderes, Größeres, das ganze Deutschland nicht möglich ist. Wenn aber ein politisch geeinigtes Gesammtdeutschland jetzt nicht möglich ist, so ist mir eine Verbindung der kleineren deutschen Staaten, gegründet auf die Grundlage, welche ich bezeichnet habe, lieber als der Zustand der Anarchie, in welchem wir uns jetzt befinden, als die Fortdauer der Gefahr, welche die berechtigte Selbständigkeit jedes einzelnen Staates bedroht. Ich erlaube mir noch schließlich dem Herrn Minister des Auswärtigen, welcher mich zum Vater dieses Gedankens gemacht hat, zu erwidern, daß ich nicht annehme, meine Vaterschaft werde dem Kinde in seinen Augen eine 6 Gemeint sind die Ministerkonferenzen der Mittelstaaten in Augsburg am 22./23. April 1866 und in Bamberg am 13./14. Mai 1866. Siehe Dok. 193 und 200.

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besondere Bedeutung verleihen; aber ich bin in der Lage, ihm einen andern Vater zu nennen, welcher ihm diesen Gedanken bedeutsamer scheinen lassen wird, als meine schlichte Recommandation zu thun vermöchte. Der Herr Minister des Aeußern erinnert sich vielleicht des Manuscriptes aus Süddeutschland vom Jahre 18207, welches unter der Diplomatie jener Zeit große Sensa­ tion und auf den Fürsten Metternich einen sehr unangenehmen Eindruck gemacht hat. Hinter jenem Manuscripte stand ein Fürst, welcher nicht mehr unter den Lebenden ist, dessen deutsche Gesinnung und freisinnige Richtung seiner Zeit von deutschen und nichtdeutschen Völkern hoch geschätzt wurde8; er hat seine Gedanken in jenem Manuscripte niedergelegt. Erlauben Sie mir, daß ich hierüber ein paar Wort[e] aus der Schrift eines Mannes, welcher als Geschichtschreiber [sic] und Patriot einen Namen hat, des früheren Reichstagsabgeordneten Wilhelm Zimmermann9, anführe. Derselbe schreibt: „Im Jahre 1820, als sich die Opposition der Mittelstaaten am Bunde gegen die Politik Metternichs regte, erschien das Manuscript aus Süddeutschland. Der Grundgedanke war: eine innige Vereinigung und gemeinsame Wirksamkeit zunächst Bayerns, Württemberg und Badens, also einen südwestdeutschen Staatenbund zu Stande zu bringen, welcher der Uebermacht Preußens und Oesterreichs ein schützendes Gleichgewicht, dem Absolutismus den Fortschritt des Verfassungslebens und des öffentlichen Geistes entgegenstelle. Dieser Gedanke konnte beim ersten Anblick unnatürlich, undeutsch erscheinen, weil dadurch Deutschland nicht inniger vereint, sondern noch mehr getrennt werden zu müssen schien. In Wahrheit und näher betrachtet war es der natürlichste Weg zur Vereinigung Deutschlands. Dieser Gedanke gieng [sic] von der Absicht aus, daß die deutschen Völker durch die Freiheit und 7 Das „Manuscript aus Süd-Deutschland“ erschien 1820 anonym in Stuttgart. Der Verfasser war der Journalist Friedrich Ludwig Lindner (1772–1845), seit 1818 Redakteur der im Verlag von Johann Friedrich Cotta herausgegebenen „Europäischen Annalen“, seit 1819 war er zusätzlich Redakteur der neugegründeten „Tribüne, Württembergische Zeitung für Verfassung und Volkserziehung zur Freiheit“. Lindner setzte sich für eine liberalkonstitutionelle Verfassung ein und propagierte in dem „Manuscript aus Süd-Deutschland“ die Bildung eines unabhängigen „Dritten Deutschland“, bestehend aus den süddeutschen Mittel- und Kleinstaaten, das ein Gegengewicht zu Österreich und Preußen bilden sollte. Vgl. dazu ausführlich Burg, Die deutsche Trias, S. 212–222; Fehre, Leben und Schriften; NDB, Bd. 10, S. 610 f. 8 Gemeint ist König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864), der angeblich an der Schrift mitgewirkt beziehungsweise wesentlichen Anteil daran gehabt haben sollte. Vgl. Burg, Die deutsche Trias, S. 212. 9 Balthasar Friedrich Wilhelm Zimmermann (1807–1878), Theologe, Schriftsteller und Journalist, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung (Deutscher Hof, Donnersberg), 1849/50 Mitglied der Verfassungsrevidierenden Landesversammlung in Württemberg, 1851– 1853 Mitglied der württembergischen Kammer der Abgeordneten (Linke); Best/Weege, Biographisches Handbuch, S. 372 f.; ADB, Bd. 45, S. 299–301; Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 26, Sp. 1588–1598.

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durch die materiellen Interessen zur Einheit gelangen müssen, und dafür sollte sich zuerst im südwestlichen Deutschland ein fester Kern bilden, an den im Verlauf, angezogen durch die Macht und den Reiz des freien Volkslebens, sowie durch die Förderung der materiellen Interessen, die übrigen mitteldeutschen Staaten sich anschlossen.“10 Der Gedanke eines solchen Bundes ist kein revolutionärer, das gebe ich zu, wie der Gedanke des deutschen Parlaments, das selbstverständlich ein constituirendes sein müßte; es ist vielmehr ein Vorschlag der Reform, ein Weg des Vertrauens, den Regierungen mit den Völkern gehen sollen, – ein Weg friedlicher Entwicklung. Aber eine Voraussetzung ist nothwendig, damit dieser Weg zum Ziele führe, der nämlich, daß die Regierungen sich nicht fürchten, mit dem Volk und der Freiheit zu gehen.

213. Antrag der Wiesbadener Handelskammer auf Berufung eines deutschen Parlaments

HStA Wiesbaden 210, Nr. 1200, fol. 116. Bericht der Handelskammer zu Wiesbaden an die nassauische Landesregierung. Behändigte Ausfertigung.

Die Handelskammer fordert die Landesregierung auf, der Berufung eines deutschen Parlaments zuzustimmen und im Falle eines Krieges zwischen Österreich und Preu­ ßen strenge Neutralität zu halten.

Wiesbaden, 6. Juni 1866 An Herzogliche Landesregierung zu Wiesbaden gehorsamster Bericht der Handelskammer zu Wiesbaden. No 257. Die politischen Zeitverhältnisse, insbesondere Abwendung der drohenden Kriegsgefahr betreffend. In der heutigen Sitzung hat die Handelskammer einstimmig beschlossen, den von den Herren C. Glaser, Max Ewald und Th. Dilthey1 eingebrachten Antrag, ohne weitere schriftliche Motivirung der herzoglichen Landesregierung einfach vorzulegen. 10 Dieses Zitat war in den Schriften Wilhelms Zimmermanns nicht ausfindig zu machen.

  1 Carl Glaser (1882–1887), Inhaber der von seinem Vater gegründeten Material- und Farbwarenhandlung Gottfried Glaser in Wiesbaden; Max Ewald, Weinhändler; Theodor Friedrich Ludwig Dilthey (1825–1892), Inhaber der Weingroßhandlung Dilthey-Sahl & Co. in Rüdesheim, 1865–1867 Vorsitzender der Handelskammer Wiesbaden; http://www.ihk-wiesbaden. de/s/ueber-uns/Die-IHK-Wiesbaden/Pr_sidenten_der_IHK/1254608.

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Entwurf eines Gesetzes über Rechtsgeschäfte

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Der Antrag lautet: „Die Herzogliche Regierung wolle allen ihr zu Gebot stehenden Einfluß aufbieten, dem Lande die Segnungen des kaum wiedererneuerten Zollvereins zu erhalten, und durch ihre sofortige Zustimmung zur Berufung eines deutschen Parlaments auf Grund des Reichswahlgesetzes vom Jahre 1849, den drohenden Krieg zwischen Preußen und Oestreich im Interesse unseres engeren, wie des gesammten deutschen Vaterlandes zu verhindern suchen. Sollte die Berufung eines Parlamentes an dem Widerstande einzelner Landesregierungen scheitern, so wolle Herzogliche Regierung in Berücksichtigung der schon durch die geographische Lage des Landes bezeichneten handelspolitischen Interessen desselben einen Conflikt mit Preußen durch strenge Neutralität zu verhüten trachten.“ Der Sekretär: Der Vorsitzende: Muth [?] Theodor Dilthey   Entwurf eines Gesetzes über Rechtsgeschäfte 

214. Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsgeschäfte und Schuldverhältnisse

Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechtes. Eingel. u. neu hrsg. v. Werner Schubert. Bd. 6, S. 1–205.

Am 7. Juni 1866 legte eine Fachmännerkommission den 1045 Artikel umfassenden Entwurf eines bundeseinheitlichen Obligationenrechts vor. Der hier aus Platzgründen nicht erneut edierte Entwurf wurde am 22. Juni 1866 zu den Akten gelegt, blieb aber nicht völlig wirkungslos, denn er bildete die Grundlage für den schuldrechtlichen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1896. Vgl. dazu Müller, Deutscher Bund und deut­ sche Nation, S. 432–434.

  Rede Pfordtens in der Kammer der Abgeordneten 

215. Rede Pfordtens in der bayerischen Kammer der ­Abgeordneten

Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1866/69. Stenographische Berichte. Bd. 1. München 1869, S. 29–31; Druck in: Bayerische Zeitung Nr. 158 vom 9. Juni 1866, S. 1371 f.

Wenn die beiden deutschen Großmächte sich über eine Vertretung der ganzen deut­ schen Nation einigen, wird Bayern sich daran augenblicklich beteiligen. Mit einer der beiden Großmächte allein wird sich Bayern aber nicht auf eine Umgestaltung der Verfassung Deutschlands einlassen, denn das würde die Zerreißung Deutschlands be­ deuten. Das „Ideal der deutschen Nation“, die Vereinigung aller deutschen Stämme auf parlamentarischer Grundlage, ist auf längere Sicht nicht erreichbar. Dem Gedan­ ken eines Zusammenschlusses der deutschen Staaten ohne Österreich und Preußen

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wird Bayern sich nicht verschließen. In der gegenwärtigen Krise sind die drei Leitge­ danken der bayerischen Regierung: „die Erhaltung des Friedens, keine Neutralität, Bekämpfung des Friedensbrechers“. Man kann nicht neutral bleiben, wenn der Frie­ den in Deutschland, „dieser Mittelpunkt und Kern des deutschen Bundesvertrags“, bedroht wird. Man muß für das Bundesrecht einstehen, „weil dieses die Basis unserer nationalen Zukunft ist“.

Dritte öffentliche Sitzung

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Meine Herren! Sie haben die Parlamentsfrage discutirt1 und ich glaube, Sie erwarten, daß die Staatsregierung sich dieser Discussion gegenüber nicht schweigend verhalte. Ich will daher hierüber mich aussprechen, aber kurz; denn ich glaube, daß alles das, was in dieses Gebiet gehört, schon früher ausführlich und erschöpfend genug erörtert worden ist. Ich beschränke mich also hier den Standpunkt der Staatsregierung durch folgende kurze Sätze darzulegen. Die bayerische Regierung hat seit dem Jahre 1848 es als ein Bedürfniß anerkannt, daß in der Gesammtverfassung Deutschlands ein parlamentares Element zur Geltung komme, und hat sich zu allen Zeiten und bei allen Wechseln ihrer Organe bereit erklärt, hiezu mitzuwirken. Sie hält diesen Gedanken auch jetzt fest. In dem Augenblicke, wo die beiden deutschen Großmächte die Hand dazu bieten, eine solche Vertretung der ganzen deutschen Nation zu schaffen, wird die bayerische Regierung diese Hand augenblicklich ergreifen und über das Wie und Wann nicht lange disputiren. Dann wird auch die Frage des Wahlgesetzes eine ganz untergeord1 Pfordten reagierte mit seiner Rede auf die Adreßdebatte in der Zweiten Kammer. Von seiten der Abgeordneten waren zwei Entwürfe vorgelegt worden. Der von der Majorität vorgelegte Entwurf enthielt im Hinblick auf die deutsche Frage die folgenden Punkte: „10) Deutschlands Zukunft kann nur durch aufrichtige Verständigung der Bundesglieder und durch eine Bundesverfassung gesichert werden, welche der Nation die volle Antheilnahme an der Regelung ihrer Geschicke und ihrer gemeinsamen Angelegenheiten in einem Parlamente einräumt und der Bundesgewalt die Macht verleiht, widerstrebende Elemente niederzuhalten, ohne die berechtigten Interessen der einzelnen Stämme zu vernichten. Für diesen Zweck hat jeder Theil die nöthigen Opfer zu bringen. Die möglichst beschleunigte Einberufung einer aus freien Volkswahlen hervorgegangenen Versammlung der Vertreter des deutschen Volkes mit der Aufgabe, bei Neugestaltung der Bundesgrundgesetze mitzuwirken und die allseitige Verständigung zu erleichtern, verdient der förderlichsten Unterstützung Eurer Königlichen Majestät dringend empfohlen zu werden. 11) Führt die Stunde der Gefahr eine größere Zahl deutscher Mittelund Kleinstaaten zur Einigung ihrer Kräfte und gelingt es Eurer Königlichen Majestät in Gemeinschaft mit befreundeten Regierungen, einen engeren Verband jener Staaten unter Antheilnahme der betreffenden Volksstämme in parlamentarischer Form zu begründen, so kann eine solche Einrichtung als Ausgangspunkt eines allgemeinen deutschen Parlamentes in der gegenwärtigen Entscheidungsstunde wie in der Zukunft der freien und friedlichen Entwicklung deutscher und europäischer Verhältnisse wesentliche Dienste leisten.“ Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1866/69, Stenographische Berichte, Bd. 1. München 1869, S. 12.

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Rede Pfordtens in der Kammer der Abgeordneten

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nete Bedeutung haben und dann wird man sich auch von Seite Bayerns sehr leicht darüber verständigen, bis zu welchem Grade der Verfassungsentwurf ausgearbeitet sein muß, über den man sich mit der Nationalvertretung einigen will. Der Augenblick, wo Oesterreich und Preußen sich über einen solchen parlamentaren Gedanken geeinigt haben werden, wird das Ende unserer nationalen Noth sein, und in jenem Augenblicke noch Schwierigkeiten zu bereiten, wird der bayerischen Regierung so wenig wie einer andern einfallen. Aber ebenso bestimmt und offen spreche ich es aus, mit einer der beiden Großmächte allein darf die bayerische Regierung sich nicht in eine solche Ver­ fassung einlassen; wenigstens sage ich es für mich, daß meine innerste feste Ueberzeugung mich hindern würde, zu einem solchen Werke mitzuwirken. Eine solche Neugestaltung angeblich Deutschlands ohne die eine der beiden Großmächte wäre die Zerreißung Deutschlands. Ich mache hier gar keinen Unterschied, von welcher2 der beiden Großmächte es sich handelt; ich will aber auch die Gründe, worauf sich diese meine Ueberzeugung stützt, jetzt nicht weiter erörtern. Diese Frage ist vor vielen Jahren ausführlich genug hier discutirt worden und gerade ich persönlich war damals dazu berufen, im Namen der bayerischen Regierung zu sprechen.3 Die Diskussionen, die, wenn ich nicht irre, im November 1849 stattgefunden haben darüber, ob und wie man eine Neugestaltung Deutschlands ohne Oesterreich machen könne, können hier wieder angerufen werden, und daß man ein Deutschland ohne Preußen nicht machen könne, das glaube ich, ist ebenso klar, und bedarf jetzt keiner weiteren Ausführung. Ich sage also mit beiden Großmächten zugleich: „jeder Augenblick!“ und dann wollen wir über das Detail nicht mehr streiten; mit Einer Großmacht allein, nein! denn das ist Zerreißung Deutschlands und würde überdies eine ganz vorübergehende Erscheinung und Einrichtung bilden, und keine Haltbarkeit in sich haben. Der Versuch einer solchen parlamentaren Gestaltung Deutschlands nach Ausschluß der einen Großmacht würde ganz dieselbe Krisis zur Folge haben, in der wir uns jetzt befinden; nur würde die andere Großmacht, die man ausgeschlossen hätte, sehr entschiedene und durchschlagende Alliirte finden. Es bleibt mir nur noch übrig von dem dritten Gedanken zu reden, den man mit dem Namen des Zwergparlaments bezeichnet hat. Ich lasse mich dadurch nicht abhalten, über denselben zu reden. 2 Emendiert. Vorlage: welchen. 3 QGDB III/2, Dok. 73, Rede Pfordtens S. 332–334; Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages vom Jahre 1855/56. Stenographische Berichte Nr. 1–32. München o. J., S. 12–23.

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Die Regierung als solche, meine Herren, würde diesen Gedanken schwerlich hier angeregt haben; denn sie fühlt, an welchen Klippen er zu scheitern droht und daß die Gefahr dieses Scheiterns um so größer sein muß, wenn er von der bayerischen Regierung ausgeht. Sie hat daher gewartet, ob dieser Gedanke in Ihrer Mitte angeregt werden wird, und nachdem dieses geschehen ist, glaube ich mich darüber aussprechen zu können und zu sollen. Allerdings ist das nicht das Ideal der deutschen Nation[,] ein Parlament unter möglichst vielen andern Staaten mit Ausschluß von Oesterreich und Preußen. Aber, meine Herren, so wenig es im Leben der Individuen möglich ist, nur idealen Zielen nachzustreben, und sich um die Realität nicht zu kümmern, so wenig, ja noch viel weniger ist dies im Staatsleben möglich. Wer nur Ideale in’s Auge faßt, wird in der Regel gar nichts erreichen, und mit dem Scheitern aller seiner Hoffnungen und Träume sich begnügen müssen. Die Realität aber, die Erfahrung, die wir seit dem Jahre 1848 gemacht haben, die predigt, meine ich, uns sehr deutlich: jenes große Ideal, die Vereinigung aller Stämme der deutschen Nation, aller derjenigen Staaten, die wir jetzt als deutsche kennen, und als deutsche der Zukunft erhalten wissen wollen in einem großen Ganzen auf parlamentarischer Grundlage ist jetzt nicht erreichbar, und wird es noch auf längere Zeit nicht sein. Es frägt sich also, ob man dieser Unmöglichkeit gegenüber auf jeden Anfang zu einer bessern Gestaltung der Verhältnisse verzichten soll, und dieses glaubt die bayerische Regierung allerdings nicht; sie glaubt vielmehr, daß, wenn das Ideal nicht zu erreichen ist, es die Aufgabe der Staatskunst sei, das nach den realen Verhältnissen Mögliche anzustreben, um4 nicht in völliger Unthätigkeit die Hände in den Schooß zu legen. Wenn also, meine Herren, Sie sich für diesen Gedanken empfehlend aussprechen, so wird die bayerische Regierung hierin einen Grund und eine Ermunterung finden, diesen Gedanken aufzugreifen, und soviel möglich zu verwerthen. Ich will mich hiemit begnügen und nur Eines noch hinzufügen, daß die Regierung mit dem einverstanden ist, was auch aus Ihrer Mitte ausgesprochen wurde: wenn Bayern diesen Gedanken aufgreift und zu verwerthen sucht, so muß es in völliger Uneigennützigkeit geschehen, sonst ist sein Scheitern von vornherein gewiß. Wir müssen nicht von Hegemoniegedanken ausgehen, sondern von Gedanken der Hingebung, und wenn wir uns der Thatsache nicht verschließen können, daß wir an materiellem Umfange und an materieller Kraft größer sind, als die einzelnen Bundesgenossen, welche bei diesem Gedanken als die sich mit uns vereinigenden in’s Auge zu fassen sind, 4 Emendiert. Vorlage: nur.

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so dürfen wir daraus keine andere Folgerung ziehen, als daß dieses Verhältniß uns größere Pflichten auflegt, als jedem der Uebrigen. Ob, meine Herren, der Gedanke eines solchen Zusammenschlusses der deutschen Staaten außer Oesterreich und Preußen noch im Stande ist, den Frieden zu erhalten, der jetzt bedroht ist, ob die Verwirklichung desselben in so schneller Zeit möglich ist, darüber verlangen Sie wohl in diesem Augenblicke von mir keinen bestimmten Aufschluß. Wenn aber der Friede gebrochen werden sollte, so wird dieser Gedanke, mag er schon verwirklicht sein oder nur seiner Verwirklichung ihn entgegen zu führen unternommen werden, zur früheren Wiederherstellung des Friedens beitragen. Das glaube ich aussprechen zu dürfen. Hiemit, meine Herren, kann ich den unmittelbaren Gegenstand Ihrer Diskussion, die Parlamentsfrage, als von meiner Seite erledigt betrachten. Da ich nun das Wort habe, so erlauben Sie mir, mich im Ganzen zugleich auszusprechen, um so mehr als ja auch die meisten der Herren Vorredner sich nicht ganz streng an den Inhalt der Nummern 10 und 11 des Adreß-Entwurfes gehalten, sondern sich über die ganze Lage verbreitet haben.5 So möchte auch ich jetzt den Standpunkt der Regierung der gegenwärtigen Krisis gegenüber kurz bezeichnen, die ja doch den Hauptinhalt und Zweck der Adresse bildet, die Sie berathen. Der Standpunkt der bayerischen Regierung gegenüber den deutschen Zuständen liegt in drei Gedanken. Ich will sie zuerst nebeneinander stellen und mich dann über jeden einzelnen noch etwas verbreiten. Die drei Gedanken, die uns leiten, sind: Erhaltung des Friedens, keine Neutralität, Bekämpfung des Friedensbrechers. Erhaltung des Friedens. – Wer könnte etwas Anderes wünschen! Man müßte ja kein deutsches Herz haben, wenn man es nicht für seine erste und oberste Pflicht hielte, aus allen Kräften und bis zum letzten Augenblick Alles aufzubieten, um diesen unheilvollen Krieg von uns abzuwenden. Die Hoffnung, daß diese Bestrebungen nach Erhaltung des Friedens gelingen, sind im Augenblick allerdings sehr gering, aber darauf verzichten wollen wir nicht. Wir wollen nicht darauf verzichten, nicht blos deßhalb, weil wir noch an den Genius unseres Vaterlandes glauben, sondern weil bis zur Stunde die beiden deutschen Großmächte nicht aufgehört haben zu versichern, daß sie den Frieden wollen, weil jede derselben bis zur Stunde daran festhält, daß sie nicht angreifen will. Nun, wenn die zwei ersten Regierungen Deutschlands vor dem ganzen deutschen Volke, vor ganz Europa erklären, wir wollen den Krieg nicht, wir 5 Siehe Anm. 1.

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wollen nicht angreifen, so meine ich, muß es ihnen doch etwas schwer fallen, von diesem Wort hinwegzukommen. Der zweite Gedanke, der die bayerische Regierung leitet, heißt: keine Neu­ tralität! Wenn die heiligsten Güter des Vaterlandes, wenn die Integrität der Nation und ihres Gebietes, wenn die ganze Zukunft einer Nation in Frage gestellt wird, dann frage ich, wer es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, neutral zu bleiben! In alter und in neuer Zeit ist es ein unbestrittener Satz, nur die schlechten Bürger bleiben neutral, wenn in der Bürgerschaft Streit ist. Bayern aber, meine Herren, ist niemals ein schlechtes oder faules Glied am deutschen Körper gewesen, und so uns Gott helfen will, soll es dies auch nicht werden. Die Neutralität wäre aber nicht blos eine Pflichtverletzung in diesem höheren Sinn, sie wäre auch eine Pflichtverletzung dem geschriebenen Rechte des Bundes gegenüber. Was ist denn der Grund, um dessentwillen vor fünfzig Jahren der deutsche Bund geschlossen worden ist, und was ist der Gedanke, aus dem seit 50 Jahren, die trotz aller Mängel unverkennbaren und unbestreitbaren Segnungen des deutschen Bundes, sich über Deutschland ergossen haben? Das ist die Pflicht, den Landfrieden zu erhalten. Darum ist der deutsche Bund geschlossen worden, daß nicht mehr deutsche Waffen sich gegeneinander kehren können und darum sprechen seine Grundgesetze dies als die erste und oberste Pflicht aller Bundesmitglieder aus, daß sie keinerlei Streit, welchen Namen er auch haben möge, mit den Waffen in der Hand austragen. Und daß dieser innere Landfriede, der in den früheren Jahrhunderten so oft gebrochen wurde, fünfzig Jahre lang offen und ehrlich gehalten worden ist, das ist der Grund dafür, daß Deutschland sich so hat entwickeln können, wie es gethan hat, das ist die Quelle, aus der die Möglichkeit floß, Wissenschaft, Kunst, Bildung und Sitte in der Art in Deutschland aufblühen zu machen, wie es vor unseren Augen liegt, und die materiellen Interessen Deutschlands so zu entwickeln, zu heben und zu kräftigen, wie es geschehen ist. Nun, wenn dieser Landfriede, dieser Mittelpunkt und Kern des deutschen Bundesvertrags und diese wesentliche Grundlage unseres Gedeihens in den letzten fünfzig Jahren, bedroht wird, kann man dann neutral bleiben, ohne sich zu sagen, daß man die obersten und ersten Nationalpflichten damit verletzt? Es wäre aber auch unpolitisch, in einem solchen Kampfe neutral zu bleiben, denn, meine Herren, es würde vor Allem den Landfriedensbruch erleichtern. Proklamiren Sie heute die Neutralität Bayerns und morgen bricht der Krieg los! Die letzte Hoffnung auf Erhaltung des Friedens ist gerade, daß Bayern und die mit ihm zusammenstehenden deutschen Staaten erklären, wir werden nicht neutral bleiben. Es wäre aber auch unpolitisch mit Rücksicht auf die Zeit nach dem Kriege. Nach jedem Kriege kommt ein Friedensschluß

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Rede Pfordtens in der Kammer der Abgeordneten

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und bei dem Friedensschluß, der kommen wird und kommen muß nach dem Kriege, dem wir vielleicht entgegen gehen, sind wir wesentlich betheiligt, wir nicht blos als Bayern, um unsrer speziellen Interessen willen, sondern auch als Wortführer des großen nationalen Gedankens, wenn er nicht in dem künftigen Friedensschlusse begraben werden soll. Wenn Sie sich aber eine Stimme sichern wollen bei jenen Verhandlungen, so treten Sie auch handelnd ein in den Kampf; denn über den unthätig, feige und bequem Zuschauenden gehen Diejenigen, die gekämpft haben, beim Friedensschlusse verachtend hinweg. Der dritte Gedanke, der die bayerische Regierung geleitet hat, war Bekämpfung des Friedensbrechers, Vertheidigung des Rechts und hier zunächst des Bundesrechts, auf dem die Rechte der einzelnen Staaten und, wie die Dinge jetzt liegen, die Zukunft der deutschen Nation ruhen. Man hat viel darüber gesprochen, und auch heute in diesem Saal, wie das Wort „Friedensbrecher“ oder „Urheber des Friedensbruches“ zu verstehen sei. Der Herr Referent6 hat darüber schon, wie mir scheint, die genügende Aufklärung gegeben und die Fassung der Grundgesetze des Bundes beseitigt jeden Zweifel. Wie auch der Streit gestaltet sein mag, wie sehr sich auch das eine Bundesglied angegriffen und in seinen Rechten, in seinem Gefühle, in seiner Ehre oder in seinen Interessen verletzt fühlen mag, das Alles gibt ihm kein Recht, zu den Waffen zu greifen, es gibt im Bundesrechte nur einen Weg, gegen Unbilden von anderen Bundesgenossen sich zu schützen, d. i. die Klage in der Bundesversammlung, die Anrufung der Vermittlung der Bundesversammlung, und wie diese zu bewerkstelligen sei und nöthigenfalls zur richterlichen Entscheidung führen müsse, darüber geben die Bundesgrundgesetze die nöthigen Anhaltspunkte. Derjenige ist der Friedensbrecher, der zuerst von der Waffe Gebrauch macht, und dies ist der erste und einfachste Anhaltspunkt. Das drückt auch die Nr. 16 der Adresse ganz deutlich aus.7 Wenn es aber nothwendig werden sollte, tiefer zu prüfen, und nach dem intellektuellen Urheber eines Streites zu 6 Der Abgeordnete Prof. Dr. Karl Friedrich Wilhelm Edel (1806–1890), Professor der Rechtswissenschaften in Würzburg, war von 1845 bis 1848 und 1855 bis 1875 Mitglied der bayerischen Kammer der Abgeordneten. Im Jahr 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, von 1868 bis 1871 gehörte er dem Zollparlament und von 1871 bis 1874 dem Deutschen Reichstag an. Vgl. Haus der Bayerischen Geschichte, Parlamentsdatenbank, http:// www.hdbg.de/parlament/content/persDetail.php?id=410. 7 „16) Er [= der Bund] muß den Bundesfrieden wahren, Selbsthilfe unter Bundesgliedern verhindern und im Falle des Friedensbruches den Angreifer, er sei wer er wolle, in die Schranken es Rechtes zurückweisen.“ Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1866/69, Stenographische Berichte, Bd. 1. München 1869, S. 12.

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München, 8. Juni 1866

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suchen, so ist dieses eben mit Beseitigung der Waffengewalt Aufgabe der Bundesversammlung, wenn ihre Intercession in Anspruch genommen wird, und ich vertraue, daß das Rechts- und Sittlichkeitsgefühl der Majorität der deutschen Regierungen bei diesem Urtheil nicht fehlgreifen wird. Ich habe gesagt, man muß für das Recht einstehen, und zwar hier zunächst für das Bundesrecht, weil dieses die Basis unserer nationalen Zukunft ist. Wie man auch über den deutschen Bund denken mag, er ist das zu Recht bestehende Band der gesammten Nation und unsere Zukunft wird sich nicht entwickeln aus der Zerreißung dieses Bandes, sondern nur aus seiner Ausbildung. Also von dem höchsten nationalen Standpunkt aus wird derjenige, der die idealsten Ziele im Auge hat, wenn er nicht ganz unpraktisch handeln will, die Grundlage, die ihm gegeben ist, um diesem Ziele nachzustreben, nicht zertrümmern, sondern festhalten und vertheidigen. In diesem Standpunkt liegt aber auch das einzig feste und sichere Fundament für die Lösung derjenigen Frage, die den letzten Anstoß zur gegenwärtigen Krisis gegeben hat, und die Ihnen Allen, wie Sie oft kundgegeben haben, so sehr am Herzen liegt, für die Frage der Elbherzogthümer. Es gibt keine andere friedliche und gedeihliche Lösung dieser Frage, als den Boden des Rechts. Sie mögen also die allgemeine deutsche Frage ins Auge fassen, oder die spezielle von so hervortretender Bedeutung, sowie Sie sich von bloßen Zweckmäßigkeitsgründen leiten lassen, von bloßen politischen Erwägungen, Bedürfnissen und Möglichkeiten, fehlt Ihnen jeder feste Boden. Namentlich die Regierung eines Mittelstaates, die des größten deutschen Mittelstaates, die zunächst berufen ist, zu sprechen und zu handeln, wenn zwischen den beiden Großmächten Zerwürfnisse ausbrechen, kann und darf meiner festen Ueberzeugung nach nicht Zweckmäßigkeitsrücksichten, sondern nur die unerschütterlichen Grundsätze des Rechts, des Rechts des Bundes im Ganzen und seiner Glieder im Einzelnen walten lassen. Damit, meine Herren, habe ich allerdings nicht sagen wollen, daß jede Gefahr abgewendet, daß jeder verderbliche Ausgang der Krisis beseitigt ist. Das wird Niemand behaupten können. Die Geschichte zeigt uns, daß das Recht sehr oft unterliegen mußte, wenn die Macht, die ihm entgegentrat, größer war. Das aber kann keinen Grund bilden, um bei Berathungen, wie sie hier gepflogen werden, und bei den Handlungen einer gewissenhaften Regierung vom Rechte abzuweichen. Halten wir an demselben fest, arbeiten wir für den Frieden, so lange wir können, und treten wir, wenn es sein muß, muthig in den Kampf für das Recht, überlassen wir den Ausgang der höheren Macht, welche die Geschicke der Menschheit leitet und die schließlich doch immer dem Recht und der Sittlichkeit in einer oder der andern Form wieder zum Siege verhilft.

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Antrag Österreichs

Nr. 216

Wie auch unser Loos fallen möge, gehen wir ihm mit gutem Gewissen entgegen; dann können wir den Ausgang ruhig erwarten. Das war der Grundgedanke der bayerischen Regierung und sie hat ihn festgehalten und hält ihn fest, im Vertrauen, daß sie darin Eins ist mit Ihnen, den Vertretern des bayerischen Volkes, und mit dem ganzen Volke selbst. (Beifall).

216. Antrag Österreichs in der Bundesversammlung

ProtDBV 1866, S. 202–204. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 87–89; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 237 f. (nur Antrag).

Nachdem preußische Truppen in Holstein einmarschiert sind und Preußen dadurch die Gasteiner Konvention, den Wiener Friedensvertrag und die Bundesakte gebro­ chen hat, beantragt Österreich die Mobilisierung der außerpreußischen Bundesar­ meekontingente.

23. Sitzung

Frankfurt am Main, 11. Juni 1866

§ 164. Mobilmachung sämmtlicher nicht zur Königlich-Preussischen Armee gehörigen Armeecorps des Bundesheeres. Oesterreich. Der Präsidialgesandte ist von seiner allerhöchsten Regierung beauftragt worden, der hohen Bundesversammlung folgende Mittheilung zu machen: Der Königlich-Preussische Gouverneur im Herzogthum Schleswig, Generallieutenant Freiherr von Manteuffel1, hat dem Kaiserlichen Statthalter für das Herzogthum Holstein, Feldmarschall-Lieutenant Freiherrn von Gablenz2, amtlich angezeigt, daß er von seiner Regierung befehligt sei, zur Wahrung der Condominatsrechte Preussens die nicht von Oesterreichischen Truppen besetzten Theile Holsteins zu besetzen. Der Kaiserliche Statthalter hat gegen dieses Vorhaben Protest erhoben und die ihm unterstehenden Kaiserlichen Truppen bei Altona concentrirt. Ungeachtet dieser feierlichen Einsprache und ungeachtet die Gasteiner Convention die Ausübung aller Souverainetätsrechte, die Verwaltung und die militärische Besetzung Holsteins, mit Ausnahme einiger namhaft gemachten 1 Edwin Karl Rochus Freiherr von Manteuffel (1809–1885), preußischer Offizier, seit 1861 Generalleutnant, seit dem 22. August 1865 Gouverneur von Schleswig; NDB, Bd. 16, S. 86–88. 2 Ludwig Karl Wilhelm Freiherr von Gablenz (1814–1874), österreichischer Offizier, seit 1862 Feldmarschallleutnant, seit dem 4. September 1865 Statthalter in Holstein; ÖBL, Bd. 1, S.  386 f.

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Frankfurt am Main, 11. Juni 1866

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Punkte, in die Hände Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich gelegt hat, haben die Preussischen Truppen die Grenze Holsteins überschritten und sich über das ganze Land verbreitet. Der Präsidialgesandte ist beauftragt worden, der hohen Bundesversammlung von diesem Vorgehen Anzeige zu erstatten. Die Kaiserliche Regierung muß dasselbe als einen Bruch der Gasteiner Uebereinkunft bezeichnen, welche einen provisorischen Zustand vertragsmäßig festgesetzt hatte, den bis zur definitiven Entscheidung des Bundes über Holstein fortdauern zu lassen Oester­reich bereit war. Freiherr von Manteuffel hat seitdem erklärt: er sei genöthigt, die Regierungsgewalt auch in Holstein an sich zu nehmen; hierin liegt eine Verletzung des Wiener Friedensvertrages. Seine Majestät der Kaiser hat durch Allerhöchstseinen Gesandten in Berlin am 31. März erklären lassen, daß Er Sich nicht in Widerspruch mit den ­Bestimmungen der Bundesacte setzen werde. Der Präsidialgesandte hat im Allerhöchsten Auftrage dieselbe Erklärung im Kreise dieser hohen Versammlung abgegeben. Dieser Zusicherung ist Seine Majestät der Kaiser treu geblieben. Preussen aber hat zum Schutze vermeintlich verletzter Rechte den Weg der Selbsthülfe betreten. Es liegt demnach der im Artikel XIX der Wiener Schlußacte vorgesehene Fall vor und die Bundesversammlung ist berufen, der unternommenen Selbsthülfe Einhalt zu thun.3 Nach diesem gewaltthätigen Vorgehen, welchem Preussens umfangreiche Rüstungen zur Seite stehen, kann nur in Aufbietung aller übrigen verfügbaren militärischen Kräfte des Bundes eine Gewähr des Schutzes für die innere Sicherheit Deutschlands und die bedrohten Rechte seiner Bundesglieder gefunden werden. Die Kaiserliche Regierung erachtet die schleunige Mobilmachung sämmtlicher nicht zur Preussischen Armee gehörigen Armeecorps des Bundesheeres für nothwendig. Bedürfte diese Maßregel noch weiterer Begründung, so findet sie dieselbe in der Haltung der Königlich-Preussischen Regierung gegenüber den Beschlüssen, welche in letzter Zeit und bei stets steigender Gefahr von der Bundesversammlung zur Wahrung des Bundesfriedens gefaßt worden sind. Dem aus Anlaß der Bedrohung Sachsens gefaßten Beschlusse vom 9. Mai: „die Königlich-Preussische Regierung anzugehen, daß durch geeignete Er­ 3 Nach Artikel 19 der Wiener Schlußakte war die Bundesversammlung berufen, bei drohender Gewaltanwendung eines Bundesmitglieds Maßregeln zu ergreifen, um die „Selbsthülfe“ zu unterbinden; vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 93.

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Antrag Österreichs

Nr. 216

klärung dem Bunde mit Rücksicht auf Artikel XI der Bundesacte volle Be­ ruhigung gewährt werde,“4 hat die Königlich-Preussische Regierung nicht entsprochen. Die Antwort Preussens auf den Beschluß vom 24. Mai5 kann nicht für befriedigend erkannt werden, da es die in jenem Beschlusse in Aussicht genommene gleichzeitige Abrüstung abgelehnt hat. Bei beiden Anlässen hat die Königlich-Preussische Regierung, sich zum Richter über den Deutschen Bund aufwerfend, ihr Verhältniß zu diesem Staatenbunde und ihre weiteren Entschließungen davon abhängig erklärt, daß derselbe Preussens Forderungen erfüllen wolle und könne. Aus allen diesen Gründen erscheint der Kaiserlichen Regierung für die hohe Bundesversammlung die unvermeidliche Nothwendigkeit heranzu­ treten, diejenigen dringlichen Maßregeln zu ergreifen, welche sie in die Lage setzen, die ihr obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, und beantragt daher: Hohe Bundesversammlung wolle vorbehaltlich weiterer Entschließungen den Beschluß fassen: 1) die Mobilmachung des I., II., III., VII., VIII., IX. und X. Bundes-Armeecorps anzuordnen und an die betreffenden höchsten und hohen Regie­ rungen das Ersuchen zu stellen, ihre Bundescontingente nach der an­ genommenen Kriegsformation in der Stärke des Haupt- und Reservecontingentes ungesäumt auf den Kriegsstand zu setzen und selbes in den innehabenden oder einzunehmenden Standquartieren binnen 14 Tagen derart marsch- und schlagfertig aufzustellen, daß es auf ergehende Aufforderung innerhalb 24 Stunden mit allem Kriegsbedarf abmarschiren könne; 2) dieselben höchsten und hohen Regierungen ferner zu ersuchen, auf die Bildung der Ersatzcontingente Bedacht zu nehmen; 3) dieselben höchsten und hohen Regierungen zu ersuchen, in möglichst kurzer Frist, jedenfalls innerhalb der nächsten 14 Tage, bei der Bundesversammlung den Vollzug dieser Anordnungen anzuzeigen; 4) dieselben höchsten und hohen Regierungen zu ersuchen, die nöthigen Einleitungen zu treffen, damit die Bundesversammlung im Sinne des § 46 der Bundes-Kriegsverfassung baldigst wegen des Oberbefehles Beschluß fassen könne und weiter die im VII., VIII., IX. und X. Abschnitte der Bundes-Kriegsverfassung vorgesehenen Ernennungen und Aufstellungen zu bewirken resp. zu vereinbaren; 4 ProtDBV 1866, S. 147. 5 Siehe Dok. 205.

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Dresden, 14. Juni 1866

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5) den Ausschuß in Militärangelegenheiten anzuweisen, sich mit der Militärcommission wegen Durchführung dieses Beschlusses ins Einvernehmen zu setzen. Der Präsidialgesandte ist zugleich angewiesen, auf Abstimmung in einer baldigst anzuberaumenden Sitzung anzutragen. Preussen. Der Gesandte kann sich über den vorliegenden Antrag, dessen Gegenstand ihm vollständig neu ist, weder geschäftlich noch sachlich zu irgend einer Aeußerung veranlaßt finden. Bei der vertraulichen Erörterung sprach sich die Mehrheit der Bundes­ versammlung dafür aus, die Abstimmung über den vorliegenden Antrag am nächsten Donnerstag vorzunehmen. Der Großherzoglich-Mecklenburgische Herr Gesandte erklärte Nachstehendes zu Protokoll: Der Gesandte ist im Hinblick auf die örtliche Entfernung des Sitzes der beiden Großherzoglichen Regierungen nicht in der Lage, bis zum Donnerstag dieser Woche eine auf einer Verständigung der beiden Großherzoglichen Regierungen beruhende motivirte Abstimmung in dieser hochwichtigen Angelegenheit zu bekommen, und muß daher zu seinem Theil Verwahrung gegen einen so kurzen Abstimmungstermin einlegen. Hierauf erfolgte der Beschluß: die Abstimmung über den Antrag der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung am nächsten Donnerstag vorzunehmen.   Dresden, 14. Juni 1866 

217. Beust an Bose

HStA Dresden, Bestand 10718 Bevollmächtigter des Königreiches Sachsen bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt am Main, Nr. 129, fol. 118–120. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 17. Juni 1866.

Beust kann an den bevorstehenden Ministerkonferenzen in Frankfurt nicht teilneh­ men, weil die preußische Armee die sächsischen Grenzen bedroht. Er beauftragt Bose, ihn in Frankfurt zu vertreten. Im Hinblick auf die Bundesreform ist ein Erfolg von dem preußischen Projekt nicht zu erwarten. Statt dessen soll sich die Bundesver­ sammlung auf ein Wahlgesetz einigen und die Wahlen zum Parlament bald ausschrei­ ben. Dessen Einberufung soll allerdings erst erfolgen, wenn sich die Regierungen auf die zu machenden Reformvorlagen geeinigt haben. Das neueste preußische Projekt ist unannehmbar; es wird darin in zynischer Weise einem alten Gedanken ein neues Ge­ wand gegeben – der Teilung Deutschlands in ein starkes, preußisch dominiertes Norddeutschland und ein schwaches Süddeutschland. Unter solchen Umständen emp­ fiehlt sich der Triasgedanke.

1014 No 61.

Beust an Bose

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Dresden, 14. Juni 1866

Den für nächsten Sonntag in Frankfurt in Aussicht genommenen Ministerconferenzen1 bin ich beizuwohnen außer Stande, da die Stellung, welche die preußische Armee, nach den neuesten Nachrichten, an unseren Grenzen einnimmt, von der drohendsten Art ist und dadurch eine Abwesenheit meinerseits nach jener Richtung hin als ungeeignet und unausführbar sich erweist. Ich ersuche Ew. Hochwohlgeboren unter diesen Umständen, bei diesen Conferenzen mich zu vertreten, und ist der Herr Minister Freiherr von der Pfordten von dieser Stellvertretung bereits benachrichtigt. Was nun die dort zu verhandelnden Gegenstände betrifft, so wird sich 1. in erster Linie der beabsichtigte bayerische Antrag wegen der Herzog­ thümer befinden.2 Herr von der Pforden weiß bereits, daß wir hier vollständig mit demselben einverstanden sind. Die veränderte Lage der Dinge wird in der Fassung eine entsprechende Aenderung veranlassen. Sonst wird, wenigstens von Seite derjenigen Regierungen, die heute mitgestimmt haben, ein Anlaß zu wesentlichen Modificationen wohl nicht gegeben werden, und Sie haben Sich daher Bayern anzuschließen. 2. Die eigentliche Veranlassung zu den bevorstehenden, bereits in Bamberg3 – wie Ew. Hochwohlgeboren wissen – verabredeten Conferenzen ist die Frage wegen der Bundesreform. In dieser Beziehung mußten wir uns vergegenwärtigen, daß von dem früheren preußischen Projekte, nach welchem in erster Linie das Parlament auf einen bestimmten Termin in’s Leben gerufen und die Regierungen zur Vereinbarung von Vorlagen inmittelst durch diese

1 Die Einladung zu einer Ministerkonferenz am 17. Juni in Frankfurt war von Pfordten am 12. Juni 1866 an seine mittelstaatlichen Kollegen übermittelt worden. Dabei sollte insbesondere über einen Antrag beraten werden, den Bayern in der Bundesversammlung einbringen wollte. Darin sollten Österreich und Preußen aufgefordert werden, die Verwaltung des Herzogtums Holstein wieder an den Bund zurückzugeben und ihre Truppen unverzüglich aus dem Herzogtum zurückzuziehen. Ferner sollte die vom letzten österreichischen Statthalter eingesetzte holsteinische Landesregierung im Namen des Bundes bestätigt und mit der Landesverwaltung beauftragt werden. Schließlich sollte der Bund die holsteinische Landesregierung anweisen, unverzüglich die Stände des Herzogtums einzuberufen, um deren Ansicht über die Erbfolge im Herzogtum zu hören und diese der Bundesversammlung zur weiteren Beschlußfassung vorzulegen. Vgl. Pfordten an Bray-Steinburg, 12. Juni 1866; Pfordtens Einladung an die mittelstaatlichen Minister, 12. Juni 1866 (Abschrift); Antragsentwurf; alle in: HStA München, Bayerische Gesandtschaft Wien, Nr. 1707. – Infolge der militärischen Entwicklungen kam es allerdings weder zu der Ministerkonferenz in Frankfurt noch zur Antragstellung in der Bundesversammlung. 2 Siehe vorige Anmerkung. 3 Siehe Dok. 200.

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moralische Pression gedrängt werden sollten, ein Erfolg nicht zu erwarten stand, wie dies bereits in Augsburg allseits anerkannt wurde. Dagegen ist der darin enthaltene Gedanke allerdings richtig, daß eine Pression, soll aus der Bundesreform überhaupt Etwas werden, nöthig ist, um bei den Regierungen den Ernst für die Sache theils zu erhalten, theils wach zu rufen. Nur will uns ein anderer Weg räthlicher erscheinen. Wie wir über die Sache und insbesondere das zu berufende Parlament denken, ist Ew. Hochwohlgeboren aus den jüngsten Verhandlungen mit den Ständen bekannt und ich habe Dem nichts hinzuzufügen. In Bayern und Würtemberg [sic] haben Regierung und Stände in ähnlichen Kundgebungen sich begegnet, und es wird nicht schwer sein, im Prinzip sich zu einigen. Nur in Bezug auf den einzuschlagenden Weg hätten wir den Wunsch, daß man sich vorerst über ein Wahlgesetz einige und beschließe, auf Grund desselben die Wahlen alsbald auszuschreiben. Es wird hierdurch der Beweis gegeben, daß man das Parlament aufrichtig und bald in’s Leben rufen will. Die Einberufung würde allerdings erst nach erfolgter Einigung der Regierungen über die dem Parlamente zu machenden Vorlagen erfolgen. Die Regierungen werden sich dann auch unter einer gewissen Pression befinden, aber es wird ihnen nicht ein Termin gestellt; in ihrer Hand und in ihrer Aufgabe liegt es, sich über die Vorlagen zu einigen und so den Termin der Einberufung zu beschleunigen, wodurch sich der Vorgang günstig von dem preußischen Plane unterscheiden, im Wesentlichen aber dieselbe Wirkung äußern würde, wie die von dem Letzteren beabsichtigte Pression. Jedenfalls ist es, nach der gegebenen Zu­sage, erste und dringendste Aufgabe, dahin zu wirken, daß bald ein vorbe­reitender Schritt für die Einberufung des Parlaments geschehe und haben Sie dabei auf die im diesseitigen Landtagsabschied ertheilte Erklärung Rücksicht zu nehmen.4 3. Daß das neuste Reformprojekt Preußens unannehmbar sei, darüber wird in der Conferenz keine Meinungsverschiedenheit vorhanden sein. Der Cynismus allein, mit welchem darin dem alten Gedanken ein neues Gewand gegeben worden ist, würde hinreichen, von einer eingehenden Besprechung abzuhalten; überdieß ist die Gefährlichkeit des Programmes so augenscheinlich, daß ich nur beispielsweise auf den nord- und süddeutschen Oberfeldherrn hinweise, um zu gedenken, daß die norddeutsche Armee ein solches numerisches Uebergewicht über die süddeutsche haben würde, daß im Fall von Dif4 Am 5. Juni 1866 hatte die zweite Kammer des sächsischen Landtags den Antrag angenommen, die Regierung „möge mit aller Energie dahin wirken, daß die Anordnung der Wahlen zum deutschen Parlamente auf Grund allgemeiner und directer Wahl, womöglich nach dem Reichswahlgesetz vom 27. März 1849, in ganz Deutschland noch im Laufe dieses Monats erfolge und die Einberufung des Parlaments in möglichst kurzer Frist geschehe“. Mitteilungen über die Verhandlungen des außerordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen während des Jahres 1866. Dresden 1866, I. Kammer, Nr. 2, S. 17; II. Kammer, Nr. 4, S. 24–58.

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Anträge in der kurhessischen Ständeversammlung

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ferenzen die Letztere unbedingt Jener zum Opfer fallen könnte, mit ihr selbstverständlich die betreffenden Staaten selbst. Uebrigens hat Bayern bereits sich gegen das Projekt in anerkennenswerther Weise ausgesprochen. Unter solchen Umständen empfiehlt sich der Triasgedanke mehr und mehr und hat daneben den Vorzug, Oesterreich der ganzen Parlamentsfrage gegenüber freiere Hand zu lassen. Das sind die Grundgedanken, von welchen sich Ew. Hochwohlgeboren bei den Verhandlungen leiten lassen mögen; und ich schließe mit dem Wunsche, daß deren Verlauf ein Ergebniß vorweise, welches den Forderungen der ­Gegenwart und dem Ernste der Zeit entspricht. Der Staatsminister für die auswärt. Angelegenheiten Beust

218. Anträge in der kurhessischen Ständeversammlung auf Berufung eines deutschen Parlaments

Verhandlungen des Kurhessischen Landtages 1864/66, 3: Nr. 124–133 vom 24. Januar bis 18. Juni 1866, Beilagen 220 und 221; auch in: StA Marburg, Bestand 73, Nr. 475, Bd. 3.

Die Quelle des Streites zwischen den beiden deutschen Großmächten, der zum Krieg zu führen droht, liegt in der Machtlosigkeit der Bundesverfassung. Nur das deutsche Volk ist mächtig genug, Deutschland eine Verfassung zu geben, der sich die einzelnen Stämme unterwerfen. Nur ein deutsches Parlament kann in der Verfassungsfrage die Initiative ergreifen. Im Fall des Krieges zwischen Österreich und Preußen ist der Bund faktisch aufgehoben und die einzelnen Staaten haben dann die volle Freiheit, nur nach den eigenen Interessen zu handeln. Die kurhessische Regierung wird aufge­ fordert, „auf den schleunigen Zusammentritt eines aus freien Wahlen hervorgehenden Parlaments, welches die bundesstaatliche Verfassung Deutschlands zu berathen und zu beschließen hat, mit allen Kräften hinzuwirken“. – Im Anschluß an frühere Be­ schlüsse der Ständeversammlung beantragt der Abgeordnete Rübsam die sofortige Aufnahme Holsteins in den Deutschen Bund und die Bildung eines deutschen Parla­ ments, an dem sämtliche deutsche Staaten, insbesondere die beiden Großmächte, be­ teiligt sind.

Kassel, 14. Juni 1866 Beilage 220. Antrag des Abgeordneten Zuschlag 1, die Berufung eines deutschen Parlaments betreffend. 1 Georg Heinrich Zuschlag (1814–1877), 1852–1854 Mitglied des Kasseler Stadtrats, 1855– 1860, 1862–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Lengemann, MdL Hessen,

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Hohe Ständeversammlung! Der unmittelbar drohende Ausbruch des Krieges zwischen den deutschen Großstaaten erfüllt jeden Freund des deutschen Vaterlandes mit schwerem Kummer und banger Sorge. Kriegsgerüstet stehen sich die Heere Oesterreichs und Preußens, so mächtig, wie sie Deutschland noch nicht gesehen hat, gegenüber, um sich zu vernichten und damit zugleich Wohlstand, Bildung und Gesittung des deutschen Volkes der Kriegsfurie Preis zu geben. Niemand vermag die Dauer und räumliche Ausdehnung eines solchen Krieges nur annähernd zu bestimmen; jeder aber sieht ein, daß der Kampf zwischen den b­ eiden Großmächten Deutschlands die Begehrlichkeit des Auslandes nach deutschem Gebiet reizen und ermuntern kann. Gewiß ist es Pflicht jedes deutschen Mannes und ganz besonders der gewählten Vertreter des Volkes, auf’s Sorgfältigste zu prüfen, ob es denn gar nicht mehr möglich ist, das Unheil des Krieges von Deutschland abzuwenden und welche Schritte hierzu dienlich sind. Offenkundig liegt die nächste Veranlassung des Streites in der schleswigholsteinischen Angelegenheit. Preußen und Oesterreich hatten einen sieg­ reichen, gerechten Krieg gegen Dänemark bestanden. Leider war es ohne die Betheiligung des deutschen Bundes geschehen, dessen eigenste Angelegenheit es hätte sein und bleiben sollen. Die deutschen Großmächte ließen sich durch den Wiener Frieden selbst deutsches Bundesland als erobertes Gebiet vom Feinde abtreten. Streitigkeiten über das eroberte Land waren eine unausbleibliche Folge. Ueber den kleineren Theil desselben (Lauenburg) vertrugen sich dieselben im Wege des Handels; über den größeren Theil aber konnten sie sich nicht einigen, während sie durch frühere Abkommen der Entscheidung des deutschen Bundes selbst in Beziehung auf das Bundesland Holstein sich begeben hatten. Vorkommnisse und Verwickelungen so trauriger und folgenschwerer Art finden ihre Erklärung einzig und allein in der Unzureichendheit und Macht­ losigkeit der Verfassung des deutschen Bundes, und so muß man in dieser die eigentliche Quelle des Streites erblicken. Von der europäischen Politik gegründet, um die während der letzten Jahrhunderte bestandene Ohnmacht des deutschen Volkes, welches vordem das mächtigste Reich der Erde bildete und noch jetzt nach seiner Bildung und Gesittung den ersten Rang unter den Cultur­völkern einnimmt, zu verewigen, beruht der deutsche Bund wesentlich auf der Voraussetzung des Friedens und der Eintracht seiner beiden Groß­ ehen diese zusammen, so vollzieht das übrige Deutschland ledigmächte. G lich deren Befehle; werden sie uneinig, so fehlt das mit der nöthigen Macht S. 427; Grothe (Hrsg.), Die Abgeordneten der kurhessischen Ständeversammlungen, S. 134; Kassel-Lexikon, Bd. 2, S. 346.

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Anträge in der kurhessischen Ständeversammlung

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ausgerüstete Schiedsrichteramt; gerathen sie in Krieg mit einander, so ist der Bund zerrissen und neue Formen müssen gefunden werden, um das deutsche Volk zusammenzuhalten und vor dem Schicksale zu bewahren, Beute des Auslands zu werden. Dieses Grundübel unter den vielen Mängeln der deutschen Bundesverfassung ist allseitig, nicht weniger von den Fürsten als dem Volke, feierlich und wiederholt anerkannt worden. Alle Versuche der deutschen Fürsten, zu irgend einer Reform des Bundes zu gelangen, scheiterten theils an der Eifersucht der beiden Großmächte, ­theils an der von den Mittelstaaten gehegten Illusion politischer Selbstständigkeit. Einzig und allein dem deutschen Volke gelang es einst nach schweren Kämpfen, über eine Reichsverfassung sich zu einigen; aber von den Fürsten wurde sie zurückgewiesen. Auch jetzt, wo vielleicht eine Reform des Bundes noch allein den drohenden Krieg abzuwenden, und wenn er ausbricht allernächst zum Abschluß zu bringen vermag, wird nur das deutsche Volk selbst mächtig genug sein, um eine Verfassung Deutschlands festzustellen, der sich die einzelnen Stämme unterwerfen und auch die Fürsten vor den Gefahren eines deutschen oder vielleicht europäischen Krieges gern den Vorzug geben. Nur auf diesem Wege wird das tiefberechtigte, nun und nimmer erlöschende Verlangen des deutschen Volkes, die seiner Größe und Cultur entsprechende Machtstellung unter den Nationen Europas wieder einzunehmen, in Erfüllung gehen; nur ein deutsches Parlament vermag in der Verfassungsfrage die Initiative zu ergreifen, der gegenüber die vorgängige Einigung der Fürsten, so lange das bundesmäßige Erforderniß der Stimmeneinhelligkeit besteht, als absolute Unmöglichkeit sich darstellt. Uebrigens geht der Antragsteller von der Ueberzeugung aus, daß Krieg zwischen Oesterreich und Preußen den Bund factisch aufhebt, daß daher für diesen Fall die Bestimmungen der Bundesverfassung nur noch Formen sind, welche der Parteinahme der kleineren Staaten für den einen oder anderen der streitenden Theile zur Unterlage dienen und daß mit dem Ausbruche des Krieges den einzelnen deutschen Staaten die Freiheit zurückfällt, lediglich nach ihren eigenen Interessen zu handeln. Aus den vorstehenden Erwägungen erachte ich es als dringende Pflicht der Ständeversammlung an die h. Staatsregierung das Ersuchen zu stellen, auf den schleunigen Zusammentritt eines aus freien Wahlen hervorgehenden Parlaments, welches die bundesstaatliche Verfassung Deutschlands zu berathen und zu beschließen hat, mit allen Kräften hinzuwirken. Zuschlag.

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Beilage 221. Antrag des Abgeordneten Rübsam 2, die Anerkennung des Herzogs Friedrich von Holstein und die Berufung eines deutschen Parlaments betreffend. Hohe Ständeversammlung! Nachdem bereits die vorhinnige Ständeversammlung in der Sitzung vom 25. April 1863 auf Antrag des Abg. Wippermann stimmeneinhellig beschlossen hatte: „die h. Staatsregierung zu ersuchen, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß dem von der holsteinischen Ständeversammlung am 7. März 1863 an die deutsche Bundesversammlung gerichteten Ersuchen wegen Ergreifung der geeigneten Maßregeln, um das Herzogthum Holstein in ­seinen Rechten und Interessen sicher zu stellen, insbesondere dessen Selbstständigkeit und die rechtmäßige Thronfolgeordnung zu wahren, baldigst entsprochen werde“3 sprach die dermalige Ständeversammlung alsbald beim Beginn ihrer Thätigkeit in der in der öffentlichen Sitzung vom 23. December 1863 stimmenein­ hellig beschlossenen Antwortsadresse auf die landesherrliche Eröffnungsrede ihre Rechtsanschauung bezüglich der schleswig-holsteinischen Frage in folgender Weise aus: „die Erbfolge Friedrichs VIII. kann kein deutscher Fürst bestreiten, ohne die Grundveste seines eigenen Thrones zu erschüttern. Der Vertrag von London hat diese Erbfolge nicht beseitigt, er ist hinfällig auch vor dem Völkerrechte, weil die Zusage der Anerkennung eines Dynastienwechsels das Recht der Agnaten und das freie Zustimmungsrecht des Volkes nicht aufhebt, die Rechtsbedingungen einer gültigen Aenderung der Thronfolge nicht umgehen darf. Jenem Vertrag steht das Recht der Herzogthümer ungebrochen gegenüber und Deutschland hat die Pflicht, einen Volksstamm zu schützen, der nichts begehrt als die Freiheit, sei­ nem legitimen Fürsten huldigen zu dürfen“.4 Daß man aber mit seinen Sympathien für die Sache Schleswig-Holsteins es nicht bei bloßen Worten bewenden lassen wollte, daß man vielmehr auch durch Thaten einstehen wollte für das Recht und die Selbstständigkeit dieses 2 Josef Rübsam (1822–1886), Jurist, 1863–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; Lengemann, MdL Hessen, S. 317; Grothe (Hrsg.), Die Abgeordneten der kurhessischen Ständeversammlungen, S. 94.. 3 Verhandlungen des Kurhessischen Landtages 1861/63, Zweite Kammer, Nr. 35 vom 25. April 1863, S. 52. 4 Verhandlungen des Kurhessischen Landtages 1864/66, Zweite Kammer, Nr. 2 vom 23. Dezember 1863, S. 3.

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Anträge in der kurhessischen Ständeversammlung

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deutschen Landes, davon gibt der von Herrn Carl Oetker5 im Verein mit noch 6 anderen Abgeordneten in der öffentlichen Sitzung vom 30. December gestellte und von der h. Versammlung ebenwohl einstimmig in Erwägung gezogene Antrag Zeugniß, welcher dahin ging: „die h. Staatsregierung zu ersuchen, bei der durch Verordnung der herzoglich schleswig-holsteinischen Regierung vom 5. December 1863 beschlossenen, vorläufig unverzinslichen Staatsanleihe mit der Summe von 250 000 Thlr. sich zu betheiligen.“6 Der von der h. Versammlung eingenommene Rechtsstandpunkt in der schleswig-holsteinischen Frage hat wiederholt in gleicher Weise seinen Ausdruck gefunden in den in der öffentlichen Sitzung vom 16. April 1864 mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Majorität gefaßten Beschlüssen, in ­ ­welchen man sich entschieden für die Selbstständigkeit und die rechtmäßige Thronfolgeordnung Schleswig-Holsteins aussprach.7 Die äußeren Hindernisse, welche der Realisirung der erwähnten Rechtsanschauung damals entgegenstanden, sind jetzt beseitigt. Schleswig-Holstein ist von der Herrschaft der Dänen durch die siegreichen Waffen der beiden deutschen Großstaaten befreit und es liegt nunmehr in der Hand der deutschen Regierungen, diesem Lande die ihm von Rechtswegen zustehende Selbstständigkeit unter seinem rechtmäßigen Fürsten, in Uebereinstimmung mit dem Willen des schleswig-holsteinischen Volkes zu gewähren. Ich glaube daher im Sinne der h. Versammlung zu handeln, wenn ich im Anschlusse an die früheren ständischen Beschlüsse mir jetzt den Antrag erlaube: die h. Staatsregierung zu ersuchen, am Bundestag dahin zu wirken, daß die dem Herzogthume Holstein zustehende Bundesstimme durch so­ fortige Anerkennung des Herzogs Friedrich VIII. und durch Zuziehung seines Gesandten ohne Verzug reactivirt werde. Der zweite Theil meines Antrages betrifft die Parlamentsfrage. Preußen hat den Antrag am Bunde auf Einberufung eines Parlaments gestellt und das ganze Volk sieht mit Spannung der Erledigung dieser Angelegenheit entgegen. Soll aber das Parlament den Einigungspunkt für die dermalen in Deutschland herrschenden Gegensätze bilden, soll es namentlich die jetzt drohende Kriegsgefahr zwischen Bundesgliedern beseitigen, dann kann es nur ein solches Parlament sein, in welchem sämmtliche deutsche Staaten vertreten sind. Wollte man insbesondere einen der beiden deutschen Großstaaten von der 5 Carl Friedrich Oetker (1822–1891), Jurist und liberaler Politiker, 1862–1866 Mitglied der kurhessischen Ständeversammlung; ADB, Bd. 52, S. 728–731; Grothe (Hrsg.), Die Abgeordneten der kurhessischen Ständeversammlungen, S. 84. 6 Verhandlungen des Kurhessischen Landtages 1864/66, Zweite Kammer, Nr. 4 vom 30. Dezember 1863, S. 3. 7 Verhandlungen des Kurhessischen Landtages 1864/66, Zweite Kammer, Nr. 9 vom 16. April 1864.

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Berlin, 14. Juni 1866

Theilnahme am Parlamente ausschließen, so wird dies nothwendiger Weise zum Bürgerkrieg führen, denn keiner der beiden Großstaaten wird gutwillig und ohne Kampf sich ausscheiden lassen und ebensowenig werden die Mittelstaaten sich gutwillig an einem Parlamente betheiligen, in welchem nur Eine der Großmächte vertreten ist, sie werden vielmehr gemeinsame Sache mit der ausgeschiedenen Einen Großmacht machen. Diese Erwägungen haben mich zu dem Antrage veranlaßt: in Betreff der am Bundestage schwebenden Parlamentsfrage dahin zu wirken, daß die Herstellung nur eines solchen Parlaments beschlossen werde, in welchem die sämmtlichen deutschen Bundesstaaten, insbeson­ dere die Bundeslande der beiden deutschen Großstaaten gleichzeitig vertreten sind, dagegen die Betheiligung an einem solchen Parlamente, an welchem nur Eine der beiden Großmächte vertreten wäre, abgelehnt werde. Rübsam.

219. Bismarck an Savigny

GStA PK, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 275, fol. 126r. Telegraphische Depesche. Praes.: 14. Juni 1866, 11 Uhr vormittags. Druck: Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 550.

Savigny wird angewiesen, den Bundesvertrag für hinfällig zu erklären.

Berlin, 14. Juni 1866 Auch wenn der österreichische Antrag nicht die Majorität erhält, erklären Sie den Bundes-Vertrag für hinfällig in Folge der Situation in der die Glieder seit drei Monat[en] gegen einander in Waffen. Hinterlassen Sie dann das ReformProject in Form letztwilliger Erklärung und als künftige Basis neuen Bundes.

220. Protokoll der Bundesversammlung

ProtDBV 1866, S. 207–217. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 92–104; Schulthess (Hrsg.), Euro­ päischer Geschichtskalender, Jg. 7, 1866, S. 90 f. (preußische und österreichische Erklärung); ­Engelberg (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung, S. 330 f. (Auszug); Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 239–242 (Beschluß, preußische ­Erklärung, österreichische Erklärung); Nouveau recueil général de traités, Vol. 18, S. 310–313 (preußische und österreichische Erklärung).

Österreich bringt den Antrag auf Mobilmachung der nichtpreußischen Bundesarmee­ korps zur Abstimmung. Preußen protestiert dagegen, doch wird der Beschluß gefaßt, die Bundesarmeekorps VII, VIII, IX und X zu mobilisieren. Preußen erklärt daraufhin

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den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und seine Tätigkeit in der Bundesver­ sammlung für beendet. Es legt die Grundzüge für einen neuen, „den Zeitverhältnissen entsprechenden“ Bund vor.

24. Sitzung

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§ 170. Mobilmachung sämmtlicher nicht zur Königlich-Preussischen Armee ­gehörigen Armeecorps des Bundesheeres. (23. Sitz. § 164 v. J. 1866.) Präsidium bringt den von der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung in der letzten Sitzung (Prot. § 164) gestellten Antrag auf Mobilmachung des I., II., III., VII., VIII., IX. und X. Armeecorps des Bundesheeres zur Abstimmung.1 Oesterreich. Der Gesandte bezieht sich auf den eingebrachten Antrag und hat zu erklären, daß das I., II. und III. Bundes-Armeecorps bereits vollständig mobil gemacht sind. Preussen. Der Gesandte muß gegen jede geschäftliche Behandlung des von der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung gestellten Antrages, somit also auch gegen die eventuelle Ueberweisung an einen Ausschuß, als formell und materiell bundeswidrig, stimmen und legt dagegen Namens seiner allerhöchsten Regierung hiermit ausdrücklich Protest ein. Bayern. Die Königliche Regierung, welche noch immer an der Hoffnung der Erhaltung des Friedens festhält, stimmt dem Antrage, in so weit er die Mobilisirung des VII., VIII., IX. und X. Bundes-Armeecorps betrifft, bei, da sie im Hinblicke auf die fortdauernden Rüstungen Oesterreichs und Preussens, deren Differenzen inhaltlich der beiderseitigen Erklärungen vom 1. l. M.2 noch immer ungeschlichtet sind, die hohe Bundesversammlung eben so für verpflichtet als berechtigt erachtet, in der beantragten Weise die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zu treffen, um etwaigen Störungen des Bundesfriedens gegenüber die ihr obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen. Dabei vermag sich indessen die Königliche Regierung die Motivirung des Antrages mit dem erfolgten Bruche der Gasteiner Convention nicht anzueignen, da diese Convention für die Königliche Regierung, wie für den Bund nicht existirt. Königreich Sachsen. Der Gesandte hat sich durchweg der Abstimmung des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten anzuschließen. Hannover. In Erwägung:

1 Siehe Dok. 216. 2 Siehe Dok. 208.

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daß die gegenwärtig zwischen den höchsten Regierungen von Oesterreich und Preussen bestehenden Differenzen die innere Ruhe und Sicherheit des Bundes bedrohen und Thätlichkeiten zwischen jenen beiden Bundesgliedern besorgen lassen; daß hiernach die Bundesversammlung auf Grund der Art. XVIII und XIX der Wiener Schlußacte3 vom 15. Mai 1820 berufen ist, zur Erhaltung der Ruhe und Sicherheit des Bundes die geeigneten Beschlüsse zu fassen, um ­jeder Selbsthülfe vorzubeugen; und daß zur Ausführung solcher etwa zu fassenden Beschlüsse die schleunige Disposition über alle bereit zu stellenden Streitkräfte für die bei den schwebenden Differenzen nicht betheiligten Bundesregierungen als nothwendige Vorbedingung für jede erfolgreiche Vermittelung angesehen werden muß; stimmt die Königliche Regierung der Nummer 1 des Antrages mit der Modification, daß nur die Mobilmachung des VII., VIII., IX. und X. Armeecorps angeordnet werde, den Nummern 2, 3 und 5 unbedingt, nicht aber der Nummer 4 bei, welche sie, der gegenwärtigen Sachlage nach, noch nicht für angemessen hält. Württemberg. Der Gesandte stimmt dem Antrage unter Bezugnahme auf Art. XIX der Wiener Schlußacte zu. Baden. Die Großherzogliche Regierung muß davon ausgehen, daß die durch den Oesterreichischen Antrag an die hohe Bundesversammlung gekommene Anzeige über die bedauerlichen Vorfälle in Holstein zuvörderst bundesgemäß zu behandeln, und daß somit nach Art. XVIII und XIX der Wiener Schlußacte der Bund Rath über die Erhaltung und Wiederherstellung der inneren Ruhe und Sicherheit des Bundes zu pflegen und diejenigen Maßregeln zu bestimmen hat, welche in dem vorliegenden Falle zu dieser Erhaltung und Wiederherstellung des Bundesrechts nothwendig sind. Zu diesem Zwecke wird die Bundesversammlung vor Allem einem Ausschusse den baldigsten Vorschlag der Maßregeln zu übertragen haben, welche rathsam und nothwendig sind. Die Großherzogliche Regierung glaubt zugleich, daß der Zeitpunkt gekommen sei, in dem die hohe Bundesversammlung in Gemäß3 Artikel 18 der Wiener Schlußakte lautete: „Da Eintracht und Friede unter den Bundes-Gliedern ungestört aufrecht erhalten werden soll, so hat die Bundes-Versammlung, wenn die innere Ruhe und Sicherheit des Bundes auf irgend eine Weise bedroht oder gestört ist, über Erhaltung oder Wiederherstellung derselben Rath zu pflegen, und die dazu geeigneten Beschlüsse nach Anleitung der in den folgenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen zu fassen.“ Nach Artikel 19 sollte die Bundesversammlung bei drohender Gewaltanwendung Maßregeln gegen die „Selbsthülfe“ eines Bundesglieds ergreifen. Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 93.

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heit der Art. XI der Bundesacte und XXI der Wiener Schlußacte4 ihre Thätigkeit vermittelnd eintreten lasse, um die Wiederkehr eines bundesgemäßen Zustandes zuvörderst in Holstein zu erwirken. Die Haltung, welche Oesterreich in der jüngsten Zeit in der Frage der Herzogthümer dem Bunde gegenüber eingenommen, und die Erklärungen, welche Preussen wiederholt abgegeben, wonach von ihm eine Friedensstörung nicht ausgehen solle, lassen noch hoffen, daß es der hohen Bundesversammlung gelingen könne, durch unbefangene Erörterung über die Ansprüche beider Staaten einen ehrenvollen Ausgleich unter denselben unter Wahrung des Bundesrechtes zu ermöglichen. Indem die Großherzogliche Regierung diesen Antrag stellt, kann sie zu ihrer Genugthuung beifügen, daß sie selbst sich bereits in Verbindung mit ihren Nachbarstaaten in den Stand setzt, einer an sie ergehenden Aufforderung des Bundes zur Erfüllung ihrer Bundespflichten rechtzeitig Genüge zu leisten, und daß daher nur der Wunsch, die Erhaltung des Friedens wenn thunlich zu ermöglichen, und in dieser wichtigen Frage strengstens die bundesrechtlichen Vorschriften einzuhalten, ihr Votum leitet. Im Falle übrigens der vorstehende präjudicielle Antrag entweder aus formellen Gründen nicht zur Verhandlung gelangen, oder er keine Zustimmung finden sollte, ist der Gesandte angewiesen, sich der Abstimmung über den Oesterreichischen Antrag zu enthalten. Kurhessen. Die Kurfürstliche Regierung hat durch ihre seitherige Haltung den Glauben bewährt, daß eine friedliche Beilegung des unter den beiden deutschen Großmächten ausgebrochenen Streites gelingen werde. Sie hält auch heute noch die Erhaltung des Friedens nicht für unmöglich, kann sich aber nicht dagegen verschließen, daß die Gefahr eines Bundesfriedensbruches immer ernster und drohender sich gestaltet hat und daß, wenn es dem Deutschen Bunde gelingen soll, diese Gefahr noch zu beschwören und sein Friedenswahrer-Amt zu üben, derselbe in der Lage sein muß, durch Entfaltung aller seiner Machtmittel ein wirksames Gewicht in die noch schwankende Wagschale zu legen. Es erscheint daher der Kurfürstlichen Regierung ein Antrag auf Mobilmachung der Bundesarmee durch die Sachlage völlig begründet, dieselbe hält jedoch eine Beschlußfassung zu 1, 2 und 3 des vorliegenden Antrages vorerst für genügend und stimmt den ebengedachten Antragsätzen unter der selbstverständlichen Beschränkung zu, daß sie die beantragte Auf-

4 Artikel 11 der Bundesakte versprach jedem Bundesstaat Schutz gegen einen Angriff; Artikel 21 der Wiener Schlußakte sah bei Streitigkeiten die Einschaltung einer Austrägal-Instanz durch den Bund vor; vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 87 u. 92.

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forderung als nur an diejenigen Regierungen gerichtet betrachtet, welche ihre respectiven Contingente nicht etwa schon mobil gemacht haben. Großherzogthum Hessen. Der Gesandte ist angewiesen, sich der Abstimmung des Königlich-Bayerischen Herrn Gesandten anzuschließen. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Die Königlich-Niederländische, Großherzoglich-Luxemburgische Regierung hat sich bekanntlich von allen Verhandlungen über die Schleswig-Holsteinische Angelegenheit fern gehalten und würde sich auch noch gegenwärtig gern jeder Aeußerung über den vorliegenden Antrag, welcher nur eine Folge der deßfallsigen Verwickelungen und Mißverständnisse zu sein scheint, enthalten, wenn derselbe nicht von zu großer Tragweite wäre, um mit Stillschweigen übergangen werden zu können. Nachdem die Königlich-Preussische Regierung über den zur Sprache gebrachten Vorgang noch gar nicht gehört worden, derselbe auch sonst in dieser hohen Versammlung noch keiner Prüfung unterworfen worden ist, so dürfte die Kaiserlich-Oesterreichische Anzeige nur nach Maßgabe der Artikel XVIII, XIX und XX der Schlußacte zu betrachten und zu behandeln sein. Diesem nach erscheint der Antrag auf sofortige Mobilisirung sämmtlicher Bundes-Armeecorps, mit Ausnahme der Preussischen, als noch nicht hinlänglich begründet und dürfte mehr den Anschein einer feindlichen als einer bundesmäßigen Maßregel haben. Der Gesandte ist daher angewiesen, gegen den gestellten Antrag zu stimmen. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der Gesandte hat für die Curie über den Antrag Oesterreichs auf Mobilmachung in erster Linie für Verweisung desselben an den Holsteinischen Ausschuß, falls dieß aber von der Majorität der hohen Versammlung nicht beliebt werden sollte, gegen den Antrag zu stimmen. Namens der Großherzoglich-Sachsen-Weimarischen und der HerzoglichSachsen-Coburg-Gothaischen hohen Regierungen hat der Gesandte dabei folgende Erklärung zu Protokoll zu geben: Die genannten beiden Staatsregierungen haben stets es für das allein Richtige, dem bestehenden Rechte und dem Interesse Deutschlands Entsprechende erkannt und angesprochen, daß über das Schicksal Holsteins und seine Beziehungen zu Schleswig der Bund nach den bestehenden Gesetzen entscheide. Sie sind dieser Ueberzeugung noch heute und beklagen es fortdauernd auf das lebhafteste, daß von den deutschen Großmächten ein anderer Weg eingeschlagen worden. An sich könnte daher die in den allerletzten Tagen von der Kaiserlich-Oesterreichischen hohen Staatsregierung zu einer bundesmäßigen Behandlung gegebene Anregung nur mit Freuden begrüßt werden, wenn derselben nicht eine Reihe von Handlungen und Vertragsabschlüssen vorherge-

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gangen wäre, welche das ganze Sach- und Rechtsverhältniß in eine ganz verschiedene Bahn zu leiten bestimmt waren und welche auch jetzt noch factisch fortbestehen. Dazwischen liegt die vom Bunde gesonderte Action Oesterreichs und Preussens in Schleswig-Holstein, dazwischen liegen die von beiden Großstaaten 1864 und 1865 allein geschlossenen Verträge von Wien und Gastein, welche dem Bunde völlig fremd geblieben sind. Wenn gegenwärtig nun über die Erfüllung dieser Verträge Streit zwischen Oesterreich und Preussen entsteht, so kann es nach der Ansicht der beiden Regierungen nicht des Bundes Sache sein, diesen Streit zu dem seinigen zu machen, oder vor sein Forum zu ziehen. Wenn Oesterreich aus Anlaß der Verletzung seiner Condominatsrechte in Holstein auf Grund des Art. XIX der Schlußacte5 den Bund anruft, so wird es erlaubt sein, daran zu erinnern, daß die Bundesacte kein Condominat von Oesterreich oder Preussen in Holstein, sondern einzig und allein die Besitz- und Herrschaftsrechte Oesterreichs und Preussens in ihren eigenen Bundeslanden kennt und nur den Schutz jeder Bundesregierung in dem bundesmäßigen Besitze ihres zum Bunde gehörigen Territoriums sich zur Aufgabe hat machen können. Die beiden Staatsregierungen sind demgemäß des Dafürhaltens, daß der Antrag Oesterreichs auf Mobilmachung der nichtpreussischen Bundes-Armeecorps wegen der neuesten militärischen Vorschritte Preussens in Holstein aus Veranlassung der angeblich Oesterreichischen Condominatsrechte in diesem Lande seine Begründung in den Bundesgrundgesetzen vergeblich sucht. Soll die Regelung der Angelegenheit der Elbherzogthümer wieder in den gebührenden bundesrechtlichen Weg geleitet werden, würde derselbe mit anderen Acten als mit denen der Execution eines dem Bunde völlig fremden Vertrages zuerst mit Feststellung des wahren Rechtsverhältnisses zu beginnen haben. Namens der Herzoglich-Sachsen-Meiningen’schen hohen Staatsregierung hat der Gesandte sich einfach der Königlich-Bayerischen Abstimmung anzuschließen. Braunschweig und Nassau. Der substituirte Gesandte hat für die Curie dem Antrage beizustimmen. Für Braunschweig ist er beauftragt, das folgende abweichende Votum zu Protokoll zu geben: Der Antrag der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung auf Mobilisirung der Bundesarmee ist zunächst darauf gegründet, daß der Wiener Friedensvertrag, sowie die Gasteiner Convention von Preussen verletzt worden. Da jedoch diese beiden Verträge von Oesterreich und Preussen lediglich in ihrer Eigenschaft als europäische Großmächte gegen die Intentionen des Bundes und gegen das Bundesrecht geschlossen, auch in Folge davon die Bundes5 Emendiert. Vorlage: Bundesacte.

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truppen aus Holstein entfernt worden sind, so stellt es sich nach Ansicht der Herzoglichen Regierung als unthunlich dar, für die Aufrechterhaltung dieser internationalen, den Bund benachtheiligenden Abmachungen von Bundeswegen einzutreten. Ferner mangelt es zur Zeit an einer genugsam vorbereiteten bundesgesetzlichen Grundlage für ein Bundesexecutionsverfahren und sonach auch für jetzt an einem genügenden Anlasse zur Mobilisirung des Bundesheeres. Die Herzogliche Regierung muß sich daher gegen den vorliegenden Antrag erklären. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Der Gesandte ist angewiesen, für die Curie gegen den Antrag zu stimmen, und zwar für Mecklen­ burg-Schwerin aus den nachstehenden Gründen: Die von der Kaiserlich-Königlich-Oesterreichischen hohen Regierung ­beantragte Mobilmachung der sämmtlichen Bundes-Armeecorps, mit Ausnahme der von Preussen zu stellenden, kann nach den Grundgesetzen der ­bestehenden Bundesverfassung von der Bundesversammlung unter den vorliegenden Umständen nicht beschlossen werden. Denn 1) die zur Begründung des Antrages in Bezug genommenen Streitigkeiten zwischen Oesterreich und Preussen in Holstein liegen überhaupt zur Zeit nicht auf dem Gebiete des deutschen Bundesrechts, weil, wie von keiner Seite bestritten wird, beide Mächte den Schleswig-Holsteinischen Krieg gegen Dänemark nicht als Mitglieder des Bundes, sondern als europäische Mächte unternommen und geführt haben. Demzufolge hat der Deutsche Bund auch an dem Wiener Frieden keinen Theil genommen, weniger noch an der Gasteiner Convention. Auch hat er über die Anerkennung oder Nichtanerkennung dieser ihm später mitgetheilten Verträge sich jedenfalls bisher noch gar nicht ausgesprochen. In der Anerkennung dieser factischen Sachlage von Seiten des Deutschen Bundes liegt nun keineswegs ein Verzicht des letzteren auf die verfassungsmäßig ihm nach wie vor zustehende Theilnahme an der schließ­ lichen Regelung der fraglichen Angelegenheit, wohl aber liegt darin zur Zeit und so lange diese Angelegenheit dem europäischen Völkerrechte und nicht ausschließlich dem deutschen Bundesrechte angehört, ein Hinderniß für den Bund, sich für Streitigkeiten zwischen zwei europäischen Mächten aus Verträgen, die dem Bunde fremd sind, für competent zu erklären, diese Streitigkeiten nach bundesrechtlichen Normen zu Gunsten der einen oder der anderen Macht zu entscheiden und sofort mit bewaffneter Hand einzuschreiten. 2) Handelte es sich hier wirklich um Streitigkeiten zwischen Bundesgliedern, zu deren Schlichtung die Bundesversammlung nach Vorschrift der Art. XVIII und folgenden der Wiener Schlußacte sich berufen halten müßte, so würde sie allerdings nach dem in Bezug genommenen Art. XIX ihre Pflicht anerkennen müssen, für Aufrechthaltung des Besitzstandes zu sorgen; da aber der Art. XVIII die „folgenden“ (mehreren) Artikel der Schlußacte der Bundes­

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versammlung als Richtschnur vorschreibt, so würde dieselbe nach Art. XX, wenn der jüngste Besitzstand streitig ist, alsdann ein bei der Sache nicht ­betheiligtes Bundesmitglied in der Nähe des zu schützenden Gebietes aufzufordern haben, die Thatsache des jüngsten Besitzes und die angezeigte Störung desselben durch seinen obersten Gerichtshof summarisch untersuchen und darüber einen rechtlichen Bescheid abfassen zu lassen. Jedenfalls würde der eine oder der andere streitende Theil nicht früher, als bis über die Rechtsfrage entschieden und von dem succumbirenden Staate einer Aufforderung der Bundesversammlung die Folgeleistung verweigert worden, verlangen können, die Bundesarmee gegen den anderen Theil mobil zu machen. 3) In der That und Wahrheit würde die Mobilmachung der Bundesarmee gegen die eine oder die andere der beiden deutschen Mächte, die zugleich europäische Mächte sind, gerade in dem Augenblicke, wo beide zum Kriege gegen einander und zwar nicht als Bundesglieder, sondern mit allen ihren Streitkräften als europäische Mächte gerüstet einander gegenüberstehen, nichts Anderes sein, als die Betheiligung des Bundes als solchen am Kriege. Allerdings hat der Bund als Gesammtmacht nach Art. XXXV der Wiener Schlußacte das Recht, Krieg, Frieden, Bündnisse und andere Verträge zu beschließen, er übt aber diese Rechte, wie allenthalben anerkannt ist, nur zu seiner Selbstvertheidigung, zur Erhaltung der Selbstständigkeit und äußeren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Bundesstaaten aus. Zur Zeit ist nun der Deutsche Bund durch den in Aussicht stehenden Krieg in einer Weise, die ihn als Gesammtheit zur Selbstvertheidigung nöthige, nicht bedroht, wohl aber gefährdet dieser Krieg die Selbstständigkeit und äußere Sicherheit Deutschlands, sowie die Unabhängigkeit und die Unverletzlichkeit der einzelnen Bundesstaaten, und der Bund würde sich daher an demselben nicht betheiligen können, ohne seine Grundgesetze zu verletzen. 4) Endlich hat auch in der formellen Behandlung dieser Angelegenheit eine Verletzung der Geschäftsordnung vom 16. Juni 1854 stattgefunden. Dieselbe schreibt im § 24 vor: „Wo es der Einholung einer besonderen Instruction bedarf, ist in allen nicht sehr dringenden Sachen die Abstimmung auszusetzen und zu diesem Zwecke eine Frist zu bewilligen, welche in der Regel nicht weniger als 14 Tage und nicht mehr als 4 Wochen betragen soll.“6 Mag nun auch immerhin eine Abkürzung der vierzehntägigen Frist wegen Dringlichkeit zulässig sein, so muß doch die gewährte Frist hinreichen, um ohne Uebereilung eine reifliche Prüfung der vollständig mitgetheilten schriftlichen Anträge resp. Vorlagen bei den Regierungen, zumal wenn mehrere der6 ProtDBV 1854, S. 549–556, hier S. 552, Beilage zu § 181 des Protokolls der 17. Sitzung der Bundesversammlung vom 16. Juni 1854.

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selben sich noch unter einander verständigen müssen, bewirken und motivirte Instructionen herbeiführen zu können, welches unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht vollständig möglich gewesen ist. Für Mecklenburg-Strelitz hat der Gesandte fernere Entschließungen zu ­reserviren. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte ist angewiesen, dem Antrage nicht beizustimmen, beziehungsweise einfach dagegen zu stimmen, und für Oldenburg dabei zu erklären: Die Großherzogliche Regierung ist der Ansicht, daß der Artikel XIX der Wiener Schlußacte, auf welchen die Kaiserlich-Oesterreichische Regierung ihren Antrag zunächst stützt, hier keine Anwendung finde. Thätlichkeiten zwischen Bundesgliedern sind zur Zeit in Holstein nicht zu besorgen. Oesterreich hat das Herzogthum Holstein verlassen, auch nicht einmal die Absicht ausgedrückt, die Regierung in Holstein durch Bundeshülfe wieder übernehmen zu wollen. Wäre aber auch der angerufene Artikel XIX, oder etwa der Artikel XX der Wiener Schlußacte anwendbar, wäre ein Antrag auf Schutz im Besitz, oder auch Wiedereinsetzung in den verlorenen Besitz gestellt, so hätte vor Allem der Bundestag darüber und über geeignete vorläufige Maßregeln zur Verhinderung von Thätlichkeiten und Vorbeugung der Selbsthülfe zu ­beschließen. Nicht aber wäre damit zu beginnen, die Zwangsmittel bereit zu stellen, welche nothwendig werden könnten, wenn die Krone Preussen sich weigern sollte, den Beschlüssen Folge zu leisten, welche zu fassen die hohe Versammlung sich etwa veranlaßt sehen sollte. Die Kaiserlich-Oesterreichische Regierung bleibt in der Begründung jedoch nicht dabei, sich in den engen Grenzen des Artikels XIX der Wiener Schlußacte zu bewegen, sondern sie stützt sich weiter darauf, daß „nach diesem gewaltthätigen Vorgehen“ Preussens und dessen „umfangreichen Rüstungen“ „nur in Aufbietung aller übrigen verfügbaren militärischen Kräfte des Bundes eine Gewähr des Schutzes für die innere Sicherheit Deutschlands und die bedrohten Rechte seiner Bundesglieder gefunden werden“ könne. Einer Mobilmachung aus diesen Gründen würde die Großherzogliche Regierung noch weit weniger zustimmen können; vielmehr könnte sie darin nur eine den Bundesfrieden gefährdende Provocation finden, wofür sie die Verantwortung nicht theilen möchte. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe und Waldeck. Der Gesandte ist nicht vollständig instruirt, sieht sich jedoch in der Lage, für die Curie dem Antrage beitreten zu müssen und behält etwaige weitere Erklärung vor, indem er zu bemerken hat, daß Reuß jüngerer Linie für Verweisung an den Holsteinischen Ausschuß und Lippe und Waldeck gegen den Antrag stimmen. Freie Städte. Der Gesandte hat für die Curie gegen den Antrag zu stimmen, und sieht sich dabei für Lübeck, Bremen und Hamburg zu folgender Erklä-

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rung beauftragt: Die Senate sind der Ansicht, daß, nachdem die Gefahr eines augenblicklichen Zusammenstoßes in Holstein beseitigt ist, in den dortigen Vorgängen keine hinreichende Veranlassung liegt, zumal unter Uebergehung der in den Bundesgesetzen vorgeschriebenen Vermittlungsinstanz, dem Antrage der Kaiserlichen Regierung beizutreten. Für Frankfurt hat der Gesandte folgende Erklärung abzugeben: Der Senat geht, ohne die Motivirung des Antrages sich anzueignen, von der Ueber­ zeugung aus, daß der Bund von Gefahren bedroht ist, und muß aus diesem Grunde und da nach den Bundesgesetzen bei solcher Lage der Verhältnisse wegen der Vertheidigungsmaßregeln Beschluß gefaßt werden soll, dem auf ­Mobilisirung des VII., VIII., IX. und X. Armeecorps gerichteten Antrage zustimmen, indem er sich übrigens selbstverständlich für den Fall weiterer Beschlüsse weitere Entschließung vorbehält. Nachdem zufolge der vorliegenden Abstimmungen der Antrag sub 1 mit der Modification, daß die Mobilmachung des VII., VIII., IX. und X. BundesArmeecorps beschlossen werde, die Anträge sub 2, 3 und 5 aber unverändert angenommen worden waren, und sich für den Antrag sub 4 keine Majorität ergeben hatte, erfolgte der Beschluß: 1) die Mobilmachung des VII., VIII., IX. und X. Bundes-Armeecorps a­ nzuordnen und an die betreffenden höchsten und hohen Regierungen das Ersuchen zu stellen, ihre Bundescontingente nach der angenommenen Kriegsformation in der Stärke des Haupt- und Reservecontingentes ungesäumt auf den Kriegsstand zu setzen und selbes in den innehabenden oder einzunehmenden Standquartieren binnen 14 Tagen derart marsch- und schlagfertig aufzustellen, daß es auf ergehende Aufforderung innerhalb 24 Stunden mit allem Kriegsbedarf abmarschiren könne; 2) dieselben höchsten und hohen Regierungen ferner zu ersuchen, auf die Bildung der Ersatzcontingente Bedacht zu nehmen; 3) dieselben höchsten und hohen Regierungen zu ersuchen, in möglichst kurzer Frist, jedenfalls innerhalb der nächsten 14 Tage, bei der Bundesversammlung den Vollzug dieser Anordnungen anzuzeigen; 4) den Ausschuß in Militärangelegenheiten anzuweisen, sich mit der Militärcommission wegen Durchführung dieses Beschlusses ins Einvernehmen zu setzen. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz für Mecklenburg-Schwe­ rin. Der Gesandte hat Verwahrung gegen die bundesverfassungsmäßige Verbindlichkeit dieses Beschlusses zum Protokoll einzulegen. Präsidium. Dieser Verwahrung gegenüber bezieht sich Präsidium auf den competenzmäßig gefaßten Beschluß zurück.

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Preussen. Nachdem die hohe Bundesversammlung ohnerachtet des von dem Gesandten im Namen seiner allerhöchsten Regierung gegen jede geschäftliche Behandlung des Oesterreichischen Antrages eingelegten Protestes zu einer dem entgegenstehenden Beschlußfassung geschritten ist, so hat der Gesandte nunmehr die ernste Pflicht zu erfüllen, hoher Versammlung diejenigen Entschließungen kundzugeben, zu welchen, gegenüber der so eben erfolgten Beschlußfassung, des Gesandten allerhöchste Regierung in Wahrung der Rechte und Interessen der Preussischen Monarchie und ihrer Stellung in Deutschland zu schreiten für geboten erachtet. Der Act der Einbringung des von der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung gestellten Antrages an sich selbst steht nach der festen Ueberzeugung des Königlichen Gouvernements zweifellos mit der Bundesverfassung in ­offenbarem Widerspruch und muß daher von Preussen als ein Bruch des ­Bundes angesehen werden. Das Bundesrecht kennt Bundesgliedern gegenüber nur ein Executionsver­ fahren, für welches bestimmte Formen und Voraussetzungen vorgeschrieben sind; die Aufstellung eines Bundesheeres gegen ein Bundesglied auf Grund der Bundes-Kriegsverfassung ist dieser eben so fremd, wie jedes Einschreiten der Bundesversammlung gegen eine Bundesregierung außerhalb der Normen des Executionsverfahrens. Insbesondere aber steht die Stellung Oesterreichs in Holstein nicht unter dem Schutze der Bundesverträge und Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich kann nicht als Mitglied des Bundes für das Herzogthum Holstein betrachtet werden. Aus diesen Gründen hat die Königliche Regierung davon Abstand genommen, irgendwie auf die materielle Motivirung des Antrages einzugehen, für welchen Fall es ihr eine leichte Aufgabe gewesen sein würde, den gegen Preussen gerichteten Vorwurf des Friedensbruches zurückzuweisen und denselben gegen Oesterreich zu richten. Dem Königlichen Cabinet erschien vielmehr als das allein rechtlich gebotene und zulässige Verfahren, daß der Antrag wegen seines widerrechtlichen Charakters von vornherein Seitens der Bundesversammlung abgewiesen werden müßte. Daß diesem ihrem bestimmten Verlangen von ihren Bundesgenossen nicht entsprochen worden ist, kann die Königliche Regierung im Hinblicke auf das bisherige Bundesverhältniß nur auf’s tiefste beklagen. Nachdem das Vertrauen Preussens auf den Schutz, welchen der Bund jedem seiner Mitglieder verbürgt hat, durch den Umstand tief erschüttert worden war, daß das mächtigste Glied des Bundes seit drei Monaten im Widerspruche mit den Bundesgrundgesetzen zum Behufe der Selbsthülfe gegen Preussen gerüstet hat, die Berufungen der Königlichen Regierung aber an die

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Wirksamkeit des Bundes und seiner Mitglieder zum Schutze Preussens gegen willkürlichen Angriff Oesterreichs nur Rüstungen mehrerer Bundesglieder ohne Aufklärung über den Zweck derselben zur Folge gehabt haben, mußte die Königliche Regierung die äußere und innere Sicherheit, welche nach Artikel II der Bundesacte der Hauptzweck des Bundes ist, bereits als in hohem Grade gefährdet erkennen. Diese ihre Auffassung hat der vertragswidrige Antrag Oesterreichs und die eingehende, ohne Zweifel auf Verabredung beruhende Aufnahme desselben durch einen Theil ihrer bisherigen Bundesgenossen nur noch bestätigen und erhöhen können. Durch die nach dem Bundesrechte unmögliche Kriegserklärung gegen ein Bundesmitglied, welche durch den Antrag Oesterreichs und das Votum derjenigen Regierungen, welche ihm beigetreten sind, bedingt ist, sieht das Königliche Cabinet den Bundesbruch als vollzogen an. Im Namen und auf allerhöchsten Befehl Seiner Majestät des Königs, seines allergnädigsten Herrn, erklärt der Gesandte daher hiermit, daß Preussen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deßhalb nicht mehr verbindlich ansieht, denselben vielmehr als erloschen betrachten und behandeln wird. Indeß will Seine Majestät der König mit dem Erlöschen des bisherigen Bundes nicht zugleich die nationalen Grundlagen, auf denen der Bund auferbaut gewesen, als zerstört betrachten. Preussen hält vielmehr an diesen Grundlagen und an der über die vorübergehenden Formen erhabenen Einheit der deutschen Nation fest und sieht es als eine unabweisliche Pflicht der deutschen Staaten an, für die letztere den angemessenen Ausdruck zu finden. Die Königliche Regierung legt ihrerseits die Grundzüge einer neuen, den Zeitverhältnissen entsprechenden Einigung hiermit noch vor*7  u  nd erklärt sich bereit, auf den durch eine solche Reform modificirten Grundlagen einen ­neuen Bund mit denjenigen deutschen Regierungen zu schließen, welche ihr dazu die Hand reichen wollen. Der Gesandte vollzieht die Befehle seiner allerhöchsten Regierung, indem er seine bisherige Thätigkeit hiermit nunmehr für beendet erklärt. Schließlich hat der Gesandte seiner allerhöchsten Regierung in deren ­Namen und Auftrag alle derselben aus dem bisherigen Bundesverhältniß zustehenden und sonst daraus entspringenden Rechte und Ansprüche jeder Art auf das Eigenthum und alle Zuständigkeiten des Bundes vorzubehalten und zu wahren, und ist insbesondere noch angewiesen, gegen jede Verwendung bewilligter Bundesgelder resp. gegen jede Disposition darüber, welche ohne * M. s. die Beilage 2. [Dok. 221].

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die besondere Zustimmung der Königlichen Regierung erfolgen sollte, ausdrücklich Protest einzulegen. Präsidium. Der Deutsche Bund ist nach Artikel 1 der Bundesacte ein unauflöslicher Verein, auf dessen ungeschmälerten Fortbestand das gesammte Deutschland, sowie jede einzelne Bundesregierung ein Recht hat, und nach Artikel V der Wiener Schlußacte kann der Austritt aus diesem Vereine keinem Mitgliede desselben freistehen. Indem Präsidium sich gegenüber der von dem Königlich-Preussischen Gesandten eben erfolgten beklagenswerthen Erklärung auf den gefaßten competenzmäßigen Beschluß bezieht, Namens der hohen Versammlung auf obige Grundgesetze hinweist und die Motive der Preussischen Erklärung als rechtlich unzulässig und factisch unbegründet erklärt, muß dasselbe in förmlichster und nachdrücklichster Weise alle Rechte und Zuständigkeiten des Bundes wahren, welcher in vollkommen bindender Kraft fortbesteht. Präsidium behält der hohen Bundesversammlung alle weiteren Entschließungen vor und ladet Hochdieselbe ein, sich diesem feierlichen Proteste anzuschließen. Umfrage. Oesterreich. Der Gesandte schließt sich dem Präsidialproteste gegen die Königlich-Preussische Erklärung an, indem er gegen die in derselben enthaltenen Ausführungen und die ihr beigefügten Vorlagen, insoweit sie Oesterreich betreffen, entschiedene Verwahrung einlegt. Bayern. Der Gesandte tritt der Aeußerung und Verwahrung des Kaiserlichen Präsidialgesandten vollkommen bei, sieht sich aber gleichzeitig veranlaßt, noch besonders hervorzuheben, daß die Erklärung des Königlich-Preussischen Herrn Gesandten und deren Begründung auf die heutige Abstimmung Bayerns und deren Motivirung, sowie auf die im Einklange mit dieser aus der Abstimmung hervorgegangenen Fassung des Beschlusses in keiner Weise zutreffend erscheine. Königreich Sachsen und Hannover: schließen sich dem Proteste des Präsidiums wie Bayern an. Württemberg. Der Gesandte schließt sich diesem Proteste im Sinne des Königlich-Bayerischen Gesandten auf das entschiedenste an, dem Proteste gegen einen Schritt der Königlich-Preussischen Regierung, welcher in Deutschland das allgemeinste Erstaunen hervorrufen wird. Der Gesandte muß zugleich der Königlich-Preussischen Regierung das Recht in Abrede stellen, wiederum zu behaupten, es haben von Seiten mehrerer Regierungen in Uebereinstimmung mit der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung Rüstungen stattgefunden, über deren Zweck keine genügende Erklärung gegeben worden wäre; die Königlich-Württembergische Regierung insbesondere hat sich über Grund und Zweck ihrer Rüstungen in einer Depe-

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Protokoll der Bundesversammlung

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sche nach Berlin und in einer Erklärung inmitten dieser hohen Versammlung in einer Weise ausgesprochen, welche wohl nichts zu wünschen übrig ließ. Nicht minder muß der Gesandte der Königlich-Preussischen Regierung die Befugniß bestreiten, so wie geschehen, von einer „Verabredung“ zu sprechen, als auf welcher der Kaiserlich-Oesterreichische Antrag beruhe, da dieses ­keiner Bundesregierung gegenüber der anderen zustehen könne. Unter diesen Bemerkungen spricht der Gesandte seine volle Zustimmung zu dem von dem Präsidium eingelegten Proteste aus. Während der Aeußerung des Königlich-Württembergischen Herrn Ge­ sandten verließ der Königlich-Preussische Herr Bundestags-Gesandte von ­Savigny den Sitzungssaal. Baden. Der Gesandte verwahrt alle Rechte Badens in Beziehung auf den Bund. Kurhessen und Großherzogthum Hessen: schließen sich dem Proteste an. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Der Gesandte hält sich zu keiner Aeußerung über den Vorgang für berechtigt und muß seiner allerhöchsten Regierung jede Erklärung vorbehalten. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser. Der Gesandte schließt sich der Präsidialverwahrung an. Braunschweig und Nassau. Der substituirte Gesandte schließt sich für die Curie dem Proteste an. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Nachdem hohes Präsidium der Erklärung von Preussen gegenüber für die hohe Bundesversammlung alle Zuständigkeiten gewahrt hat, muß der Gesandte im Anschluß an jene Verwahrung seinen allerhöchsten Regierungen ebenfalls alle aus dem bestehenden Bundesrechte originirenden Rechte reserviren. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte kann Alles nur ad referendum nehmen. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe und Waldeck. Der Gesandte schließt sich der Aeußerung des Herrn Gesandten von Mecklenburg an. Freie Städte. Für Lübeck, Bremen und Hamburg, mithin für die Curie, reservirt der Gesandte alle aus dem Bundesvertrage ihnen zustehenden Rechte, für Frankfurt schließt er sich dem Proteste des Präsidiums in der von Bayern ausgesprochenen Weise an. Nachdem sich die Bundesversammlung dem Proteste angeschlossen hatte, äußerte Präsidium: Die Verantwortlichkeit für die schwere Verwicklung, welche in Folge des Schrittes der Preussischen Regierung für Deutschland eintritt, trifft diese ­allein. Die bundestreuen Regierungen werden ihre Pflichten gegen einander und gegen die deutsche Nation zu erfüllen wissen, indem sie auf dem Boden des Bundesrechtes fest zusammenstehen.

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221. Preußischer Bundesreformentwurf

ProtDBV 1866, S. 220–222. Beilage 2 zu § 170. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 104–106; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 234–236 (datiert auf den 10. Juni 1866).

Preußen legt Grundsätze für eine neue Bundesverfassung vor. Die österreichischen und niederländischen Gebiete sollen aus dem Bund ausscheiden. Die gesetzgebende Gewalt wird einer direkt gewählten Nationalvertretung übertragen. Die Bundesstaa­ ten bilden ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet. Es findet eine einheitliche ­Gesetzgebung in vielen Bereichen statt. Es wird eine Bundeskriegsmarine unter preu­ ßischem Oberbefehl gegründet. Die Bundesarmee wird in eine Nordarmee unter preußischem und eine Südarmee unter bayerischem Oberbefehl aufgeteilt. Die Bezie­ hungen des Bundes zu den deutschen Landesteilen Österreichs werden durch beson­ dere Verträge geregelt.

[Frankfurt am Main, 14. Juni 1866]1 Grundzüge einer neuen Bundesverfassung. Artikel I. Das Bundesgebiet besteht aus denjenigen Staaten, welche bisher dem Bunde angehört haben, mit Ausnahme der Kaiserlich-Oesterreichischen und Königlich-Niederländischen Landestheile. Artikel II. Die gesetzgebende Gewalt des Bundes wird auf denjenigen Gebieten, welche derselben zugewiesen sind, von dem Bundestage in Gemeinschaft mit einer periodisch zu berufenden Nationalvertretung ausgeübt. Zur Gültigkeit der Beschlüsse ist die Uebereinstimmung der Mehrheit des Bundestages mit der Mehrheit der Volksvertretung erforderlich und ausreichend. Artikel III. Die Umgestaltung des Bundestages ist unter den Bundesregierungen und mit dem nach dem Preussischen Antrage vom 9. April zu berufenden Parlamente zu vereinbaren. So lange bis dieß geschehen sein wird, bleibt das Stimmverhältniß, welches für die Mitglieder des Bundes auf dem bisherigen Bundes­ tage gültig war, in Kraft. 1 Die undatierten „Grundzüge einer neuen Bundesverfassung“ wurden von Bismarck am 10. Juni 1866 mit einem Runderlaß an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen mit dem Auftrag übermittelt, den jeweiligen Regierungen ein Exemplar zu übergeben; ­Erlaß Bismarcks in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S.  234 f.; Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 534–536.

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Preußischer Bundesreformentwurf

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Artikel IV. Die Nationalvertretung geht aus directen Wahlen hervor, welche nach den Bestimmungen des Reichswahlgesetzes vom 12. April 18492 vorzunehmen sind. Artikel V. Die Bundesstaaten bilden ein gemeinsames und einheitliches Zoll- und Handelsgebiet, in welchem die Errichtung von Freihäfen vorbehalten bleibt. Artikel VI. Der Gesetzgebung und Oberaufsicht der Bundesgewalt unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten: 1) die Zoll- und Handelsgesetzgebung; 2) die Ordnung des Maß-, Münz- und Gewichtssystems, nebst Feststellung der Grundsätze über die Emission von fundirtem und unfundirtem Papier­ gelde; 3) die allgemeinen Bestimmungen über das Bankwesen; 4) die Erfindungspatente; 5) der Schutz des geistigen Eigenthums; 6) die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimaths- und Ansiedlungsverhältnisse, den Gewerbebetrieb, die Colonisation und Auswanderung nach ­außerdeutschen Ländern; 7) Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Auslande, der deutschen Schifffahrt und ihrer Flaggen zur See und Anordnung gemeinsamer consularischer Vertretung, welche vom Bunde ausgestattet wird; 8) das gesammte deutsche Eisenbahnwesen im Interesse der Landesver­ theidigung und des allgemeinen Verkehrs; 9) der Schifffahrtsbetrieb auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen, so wie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle; 10) das Post- und Telegraphenwesen; 11) die gemeinsame Civilproceßordnung und das gemeinsame Concursverfahren. Artikel VII. Die Bundesgewalt hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden sowie Bündnisse und Verträge zu schließen, in völkerrechtlicher Vertretung des Bundes Gesandte zu ernennen und zu empfangen. 2 Das Reichswahlgesetz sah allgemeine, öffentliche und direkte Wahlen vor. Das aktive Wahlrecht hatte „jeder unbescholtene Deutsche“ über 25 Jahre (Art. I). Das passive Wahlrecht wurde jedem Wahlberechtigten gewährt, der seit mindestens drei Jahren einem deutschen Staat angehört hatte (Art. II). Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 396–399, hier S. 396 und 397.

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Die Kriegserklärung hat bei feindlicher Invasion des Bundesgebietes oder bei kriegerischem Angriff auf seine Küsten unter allen Umständen zu er­ folgen, in den übrigen Fällen ist zur Kriegserklärung die Zustimmung der Souveraine von mindestens zwei Drittheilen der Bevölkerung des Bundes­ gebietes erforderlich. Artikel VIII. Die Kriegsmarine des Bundes mit den erforderlichen Hafen- und Schifffahrtsanlagen wird nach folgenden Grundsätzen errichtet: Die Kriegsmarine der Nord- und Ostsee ist eine einheitliche unter Preussischem Oberbefehl. Bei Ernennung der Officiere und Beamten concurriren die Küstenstaaten auf Grund besonderer Vereinbarungen. Der Kieler und der Jahdehafen3 werden Bundeskriegshäfen. Als Maßstab der Beiträge zur Gründung und Erhaltung der Kriegsmarine und der damit zusammenhängenden Anstalten dient im Allgemeinen die Bevölkerung unter Feststellung eines Präcipuums zu Lasten der Uferstaaten und Hansestädte nach Maßgabe des Lastengehalts der Handelsmarinen der einzelnen Staaten. Ein Bundes-Marinebudget wird nach diesen Grundsätzen vereinbart. Das Anwerben der Matrosen und Mannschaften für die Bundes-Kriegs­ marine wird durch ein Gesetz geregelt, welches zugleich die Verpflichtung für jeden einzelnen Uferstaat feststellt, für Deckung des Bedarfs pro rata des ­Lastengehalts der Handelsmarine aufzukommen. Durch dasselbe Gesetz wird der Maßstab festgestellt, nach welchem die Mannschaftsgestellungen für die Marine auf diejenigen des Landheeres des Bundes in Abzug gebracht werden. Artikel IX. Die Landmacht des Bundes wird in zwei Bundesheere eingetheilt, die Nord­ armee und die Südarmee. In Krieg und Frieden ist Seine Majestät der König von Preussen BundesOberfeldherr der Nordarmee, Seine Majestät der König von Bayern BundesOberfeldherr der Südarmee. Jeder der beiden Bundesoberfeldherrn hat das Recht und die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb der von ihm befehligten Armee die bundesbeschlußmäßigen Contingente vollzählig und kriegstüchtig vorhanden sind und 3 Der Jadehafen befand sich am Jadebusen an der deutschen Nordseeküste. Preußen hatte dort durch den Jadevertrag vom 20. Juli 1853 vom Großherzogtum Oldenburg ein 313 Hektar großes Gebiet gekauft, um einen Kriegshafen zu errichten. Im „Königlich-Preußischen Jadegebiet“ wurde zunächst ein Marinestützpunkt gebaut, in den folgenden Jahren wurde ein großer Kriegshafen errichtet. Im Jahr 1869 fanden die offizielle Gründung der Marinebasis Wilhelmshaven und die Einweihung des Kriegshafens durch König Wilhelm I. statt. Vgl. Wein, Stadt wider Willen; 150 Jahre Jadevertrag.

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Preußischer Bundesreformentwurf

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daß die nothwendige Einheit in der Organisation, Formation, in Bewaffnung und Commando, in der Ausbildung der Mannschaften, sowie in der Qualification der Officiere hergestellt wird. Das Recht, unter Voraussetzung übereinstimmender Vorbildung bis zur Grenze des eigenen Contingentes die Officiere zu ernennen, steht jeder Regierung zu, diejenigen Commando’s, unter welchen mehr als ein Contingent steht, besetzt der Oberfeldherr. Dieselben müssen auch im Frieden jederzeit besetzt und in Function sein, nach Maßgabe der Heereseintheilung, wie sie bisher in der Preussischen resp. Bayerischen Armee stattfindet, so daß mindestens für je drei Bataillone ein Regimentscommandeur, für höchstens drei ­Regimenter ein Brigadecommandeur, für je zwei Brigaden ein Divisionär und für jedes Corps der Bundesarmee der commandirende General jederzeit in Function ist. Der Oberfeldherr hat das Recht, in den nach seiner Ueberzeugung dringenden Fällen, die kriegsbereite Aufstellung jedes Theiles der von ihm befehligten Bundesarmee innerhalb des Gebietes der letzteren, vorbehaltlich späterer Genehmigung durch Bundesbeschluß, anzuordnen und verpflichten sich die Bundesregierungen, eine solche Anordnung in Betreff ihrer Contingente ­unverzüglich auszuführen. Für jedes der Bundesheere wird ein gemeinschaftliches, mit der Nationalvertretung zu vereinbarendes Militärbudget für Feldarmee und Festungs­ wesen aus Matrikularbeiträgen der zu dem betreffenden Heere ihre Truppen stellenden Regierungen gebildet. Die Höhe der Matrikularbeiträge richtet sich nach der Bevölkerung der betreffenden Staaten. Die Verwaltung jedes der beiden Bundes-Militärbudgets wird unter Leitung des Oberfeldherrn von einem aus Vertretern der beitragenden Regierungen gebildeten Bundes-Kriegsrath geführt und hat der Nationalvertretung jährlich Rechnung abzulegen. Jede Regierung leistet selbst die Auslagen für die von ihr gestellten Truppen, vorbehaltlich gemeinsamer Abrechnung nach Maßgabe der Beitragspflicht. Ersparnisse an dem Militärbudget, mögen sie an den Gesammtaus­ gaben oder an denen für die einzelnen Contingente gemacht werden, fallen unter keinen Umständen der einzelnen Regierung, welche sie macht, sondern dem für jede der beiden Bundesarmeen gemeinsamen Bundes-Kriegsschatze zu. Die Controle des letzteren steht der Nationalvertretung zu. Artikel X. Die Beziehungen des Bundes zu den deutschen Landestheilen des Oesterreichischen Kaiserstaates werden nach erfolgter Vereinbarung über dieselben mit dem zunächst einzuberufenden Parlamente durch besondere Verträge geregelt werden.

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Lübeck, 15. Juni 1866

222. Bismarck an Savigny

GStA PK, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 275, fol. 131r. Telegraphische Depesche.

Der Bund existiert für Preußen nicht mehr.

Berlin, 14. Juni 1866, 8.30 Uhr abends Der Bund existirt für uns nicht mehr, also auch keine Militair-Commission und keine Arbeit für dieselbe. Hier allgemeine Freude über Erlösung vom Bund. Dank für präcise Ausführung. gez. Bismarck.

223. Curtius an Geffcken

Archiv der Hansestadt Lübeck, Alte Senatsakten, Deutscher Bund, B 15.1, fol. 232–234. Vertrauliches Schreiben (Abschrift) mit Anlage (eigenhändiger Reinentwurf).

Das Bundesrecht ist politischen Rücksichten geopfert worden. Lübeck bleibt nichts anderes übrig, als so lange wie möglich an der Unauflöslichkeit des Bundes festzu­ halten. Die Ausführung des Beschlusses vom 14. Juni ist für die Hansestadt wegen der preußischen Drohungen faktisch unmöglich. Man hofft darauf, daß Preußen die Neutralität Lübecks im Konflikt mit Österreich respektiert.

Lübeck, 15. Juni 1866 Geehrter Herr Ministerresident, Die Würfel sind also Gestern [sic] gefallen. Der Parteigeist für Oesterreich hat den Sieg davon getragen; den politischen Rücksichten ist das Bundesrecht geopfert! – In demselben Augenblicke da man mit Emphase dem Art. 5 der W.S.A. zufolge die Unauflöslichkeit des Bundes proclamirt, stößt man den Art. 11 der B.A. über den Haufen, wonach die Bundesglieder verpflichtet sind, „einander unter keinerlei Vorwand zu bekriegen“! Das Chaos der Begriffs- und Rechtsverwirrung wird unter den Einflüßen der Leidenschaft immer größer und die ganze Misère der Bundesverfassung und ihrer in solchen Zeiten und Zuständen unmöglichen Handhabung tritt in erschreckender Weise an uns heran. Was nun? Ich habe diese Frage, soweit sie das Nächste betrifft, in der flüchtig hingeworfenen Anlage zu beantworten gesucht; sie enthält meine ganz vorläufige Privat-Ansicht, über welche Sie vielleicht bald Ihre Meinung mir sagen. Die Anlage bitte ich übrigens nicht weiter mitzutheilen.

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Curtius an Geffcken

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[Anlage] Was nun? Leisten wir dem Gestern [sic] in Frankfurt gefaßten Beschlusse Folge und mobilisiren, so müßen wir consequenter Weise auch unser Contingent zur Disposition des Rumpf-Bundestages halten. Das wäre ein „Akt der Feindseligkeit gegen Preußen“, wie Letzteres uns officiell hat erklären lassen1 und wie es ohne Zweifel bald noch entschiedener es uns wiederholen wird. Die Folge einer Mobilmachung unseres Contingents – einer Maaßregel, welche übrigens nur im Einverständniße mit den übrigen Staaten der Oldenburg-Hanseatischen Brigade zur Ausführung zu bringen ist – würde unzweifelhaft die sein, daß Preußen uns die Disposition über das mobilisirte Contingent nähme und uns nöthigte, letzteres zu seiner Verfügung zu stellen. Unsere Lage complicirt und verschlimmert sich also unbedingt, wenn wir mobilisiren. Es bleibt für uns vorläufig nichts Anderes übrig, als 1., so lange wie möglich an dem Grundsatze der Unauflöslichkeit des Bundes, so wie an dem Rechtsbestande des Bundesvertrages festzuhalten, 2., in Frankfurt, falls und sobald es erforderlich werden sollte, zu erklären, daß wir, abgesehen davon, daß der Beschluß vom 14. Juni den Bundesgesetzen widerstreite, demselben zu entsprechen faktisch außer Stande seien, weil Preußen uns damit bedroht habe, daß es jene Maaßregel der Mobilmachung als einen Akt der Feindseligkeit gegen Preußen ansehen und behandeln werde; 3., Preußen gegenüber im gegebenen Falle zu erklären, daß wir an dem Grundsatze der Unauflöslichkeit des Bundes und des Rechtsbestandes des Bundesvertrages festhalten müßten, übrigens dem, auch nach unserer Ueberzeugung der bundesgesetzlichen Grundlage entbehrenden Mobilisirungsbeschluße, in Rücksicht auf die bezüglichen Eröffnungen Preußens, keine Folge geben würden, um so zuversichtlicher aber vertrauen müßten, daß Preußen keine weiteren Ansprüche, deren Erfüllung mit unserer Stellung im und zum Bunde collidiren würde, an uns machen, vielmehr in dem obschwebenden Conflicte Lübecks Neutralität anerkennen und respectiren werde. 1 Preußische Note an die Regierungen der norddeutschen Staaten vom 12. Juni 1866, Ausfertigung an den Senat von Lübeck in: Archiv der Hansestadt Lübeck, Alte Senatsakten, Deutscher Bund, B 15.1, fol. 199. Darin heißt es mit Bezug auf den österreichischen Mobilmachungsantrag, über den in der Bundestagssitzung vom 14. Juni abgestimmt wurde: „Diejenigen Staaten, welche den Antrag annehmen, würden nicht nur das Bundesverhältniß lösen, sondern sie würden auch den Zustand der Bundeslosigkeit, in welchen sie eintreten, sofort mit einem Akt der Feindseligkeit gegen Preußen beginnen.“

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224. Beschluß der Bundesversammlung

ProtDBV 1866, S. 224–226. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 116–118; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 242 (nur Beschluß).

Die Bundesversammlung protestiert gegen die preußische Erklärung vom 14. Juni und erklärt den preußischen Austritt aus dem Deutschen Bund für ungültig.

25. Sitzung

Frankfurt am Main, 16. Juni 1866 § 172. (24. Sitz. § 170 v. J. 1866)

Austritt Preussens aus dem Deutschen Bunde und Protest der ­Bundesversammlung dagegen. Präsidium. Nachdem in der vorgestrigen Sitzung der Königlich-Preussische Gesandte Herr von Savigny Namens Seiner Majestät des Königs von Preussen erklärt hatte, daß Preussen den Bundesvertrag für gebrochen und deßhalb nicht mehr verbindlich ansieht, denselben vielmehr als erloschen betrachten und behandeln wird, hat Präsidium feierlichen Protest gegen diese Erklärung eingelegt, indem es auf den Artikel I der Bundesacte und auf den Artikel V der Wiener Schlußacte hinwies. Die hohe Bundesversammlung hat sich auch sofort dem Proteste des Präsidiums angeschlossen. Präsidium beantragt, hohe Bundesversammlung wolle im Verfolge dieses Protestes weiter erklären, daß die Austrittserklärung Preussens rechtlich ungültig ist und daß ihre Beschlüsse für Preussen fortwährend verpflichtend sind.

Umfrage. Oesterreich, Bayern, Königreich Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen und Großherzogthum Hessen: treten dem Präsidialantrage bei. Niederlande wegen Luxemburg und Limburg. Die Königlich-Niederlän­ dische, Großherzoglich-Luxemburgische Regierung ist der Ansicht, daß die nicht mehr vollständige Bundesversammlung nicht berechtigt sei, die Mobilisirung der diesseitigen Contingente zu verlangen. Die Haltung der Königlich-Großherzoglichen Regierung wird daher eine streng neutrale sein und ist der Gesandte angewiesen, solche genau zu be­ obachten. Präsidium muß gegen diese Ansicht protestiren und alle Rechte und Zuständigkeiten des Bundes wahren. Sämmtliche Gesandtschaften – mit Ausnahme jener von Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg, welche sich auf ihre in der vorigen Sitzung abgegebene Erklärung bezog, – schlossen sich dem Proteste des Präsidiums an, der Herr Gesandte der freien Städte, indem er sich dabei auf die am 14. d. M. für Frankfurt zu Protokoll gegebene Erklärung zurückbezog.

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Beschluß der Bundesversammlung

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Die Umfrage wird hierauf fortgesetzt. Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsische Häuser, sowie Braunschweig und Nassau: stimmen dem Präsidialantrage zu. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Der Gesandte muß seinen höchsten Regierungen eine Erklärung vorbehalten. Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg. Der Gesandte muß Alles ad referendum nehmen. Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe und Waldeck. Der Gesandte tritt der Majorität bei. Freie Städte. Der Gesandte ist, da die Verbindungen unterbrochen worden, ohne Instruction und muß demnach, unter Wahrung aller Rechte, für die Curie das Protokoll offen halten. Für Frankfurt tritt derselbe dem Präsidialantrage bei. Es erfolgte hierauf der Beschluß: zu erklären, daß die in der letzten Sitzung erfolgte Austrittserklärung Preussens rechtlich ungültig ist, und daß die Beschlüsse der Bundesversammlung für Preussen fortwährend verpflichtend sind. Präsidium hält es den Umständen angemessen und dem internationalen Brauche vollkommen entsprechend, von diesen Erklärungen, den bei dem Deutschen Bunde beglaubigten Vertretern fremder Regierungen Mittheilung zu machen und legt den Entwurf einer Circularnote vor. Derselbe lautet wie folgt: „Nachdem die hohe deutsche Bundesversammlung in ihrer vorgestrigen Sitzung im Interesse der inneren Sicherheit Deutschlands den Beschluß gefaßt hatte, vier Armeecorps mobil zu machen, hat der Königlich-Preussische Gesandte im Namen Seiner Majestät des Königs erklärt, daß Preussen den Bundesvertrag für gebrochen und deßhalb nicht mehr für verbindlich ansieht, denselben vielmehr als erloschen betrachten und behandeln wird. Herr von Savigny erklärte zugleich seine bisherige Thätigkeit für beendet. Das Präsidium hat gegen die von dem Königlich-Preussischen Herrn Gesandten abgegebenen Erklärungen feierliche Verwahrung eingelegt, indem es seinerseits erklärte, daß der Deutsche Bund nach Artikel I der Bundesacte ein unauflöslicher Verein ist und daß nach Artikel V der Wiener Schlußacte der Austritt aus diesem Vereine keinem Mitgliede desselben freistehen kann. Die hohe Bundesversammlung hat sich dieser Präsidialerklärung durchweg angeschlossen. In ihrer heutigen Sitzung hat diese hohe Versammlung weiter erklärt, daß die Austrittserklärung Preussens ungültig ist, und daß ihre Beschlüsse für Preussen fortwährend verpflichtend sind, und der unterzeichnete KaiserlichKöniglich-Oesterreichische Bundes-Präsidialgesandte hat, einem gleichzeitig

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gefaßten Beschlusse zufolge, die Ehre, Seiner ec. von dem Vorstehenden Mittheilung zu machen. Zugleich ergreift er ec. Sämmtliche Herren Gesandten – mit Ausnahme jener von den Niederlan­ den wegen Luxemburg und Limburg, von Mecklenburg und von der fünfzehn­ ten Stimme, welche sich jeder Aeußerung enthielten, und des Herrn Gesand­ ten der freien Städte, welcher unter Bezugnahme auf den bereits gemachten Vorbehalt für die Curie das Protokoll offen hielt, für Frankfurt aber dem Präsidialantrage wie die Majorität zustimmte, – erklärten sich mit diesem Präsidialantrage sowohl als mit dem vorgelegten Entwurfe einer Circularnote an die bei dem Deutschen Bunde beglaubigten Vertreter fremder Regierungen einverstanden.

225. Proklamation der preußischen Regierung

Veröffentlicht im Königlich-Preußischen Staats-Anzeiger Nr. 141 vom 17. Juni 1866, S. 1995. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 123 f.; Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 551 f. (Konzept); Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 160.

Österreich hat versucht, den Deutschen Bund zu einem Krieg gegen Preußen zu miß­ brauchen und damit einen Bundesbruch begangen. Das Bundesverhältnis ist damit aufgelöst. Preußen muß seine Unabhängigkeit verteidigen und wird zugleich den Kampf für die nationale Entwicklung Deutschlands aufnehmen. Preußen ruft das deutsche Volk dazu auf, mit ihm gemeinsam die friedliche Entwicklung des deutschen Vaterlandes zu fördern.

Berlin, 16. Juni 1866 Nachdem der Deutsche Bund ein halbes Jahrhundert lang nicht die Einheit, sondern die Zerrissenheit Deutschlands dargestellt und gefördert, dadurch längst das Vertrauen der Nation verloren hatte und dem Auslande als die Bürgschaft der Fortdauer Deutscher Schwäche und Ohnmacht galt, hat er in den letzten Tagen dazu gemißbraucht werden sollen, Deutschland gegen ein Bundesglied in die Waffen zu rufen, welches durch den Vorschlag der Berufung eines Deutschen Parlaments den ersten und entscheidenden Schritt zur Befriedigung der nationalen Forderungen gethan hatte. Für den von Oesterreich erstrebten Krieg gegen Preußen fehlte jeder Anhalt in der Bundesverfassung, wie jeder Grund, oder auch nur scheinbare Vorwand. Mit dem Beschluß vom 14. Juni1, durch welchen die Mehrheit der Bundesglieder beschloß, sich zum Kriege gegen Preußen zu rüsten, ist der Bundes1 Siehe Dok. 220.

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Artikel im Wetterauer Boten

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bruch vollzogen und das alte Bundesverhältniß zerrissen. Nur die Grundlage des Bundes, die lebendige Einheit der Deutschen Nation ist geblieben; und es ist die Pflicht der Regierungen und des Volkes, für diese Einheit einen neuen, lebenskräftigen Ausdruck zu finden. Für Preußen verbindet sich damit die Pflicht zur Vertheidigung seiner durch jenen Beschluß und durch die Rüstungen seiner Gegner bedrohten Unabhängigkeit. Indem das preußische Volk zur Erfüllung dieser Pflicht seine Gesammtkraft aufbietet, bekundet es zugleich den Entschluß, für die im Interesse Einzelner bisher gewaltsam gehemmte nationale Entwickelung Deutschlands den Kampf aufzunehmen. In diesem Sinne hat Preußen sofort nach Auflösung des Bundes den Regierungen ein neues Bündniß auf die einfachen Bedingungen des gegenseitigen Schutzes und der Theilnahme an den nationalen Bestrebungen angeboten. Es verlangte nichts als die Sicherung des Friedens, und zu diesem Behufe sofortige Berufung des Parlaments. Seine Hoffnung auf Erfüllung dieses gerechten und mäßigen Verlangens ist getäuscht worden. Das Anerbieten Preußens ist abgelehnt, und letzteres damit genöthigt worden, nach der Pflicht der Selbsterhaltung zu verfahren. Feinde oder zweifelhafte Freunde kann Preußen an seiner Grenze und zwischen seinen Grenzen in einem solchen Augenblick nicht dulden. Indem die Preußischen Truppen die Grenze überschreiten, kommen sie nicht als Feinde der Bevölkerung, deren Unabhängigkeit Preußen achtet, und mit deren Vertretern es in der Deutschen National-Versammlung gemeinsam die künftigen Geschicke des Deutschen Vaterlandes zu berathen hofft. Möge das Deutsche Volk, im Hinblick auf dieses hohe Ziel, Preußen mit Vertrauen entgegenkommen, und die friedliche Entwickelung des gemein­ samen Vaterlandes fördern und sichern helfen!

226. Artikel im Wetterauer Boten1

Wetterauer Bote Nr. 71 v. 17. Juni 1866.

Der Artikel beklagt die nicht erfüllten Versprechungen und Vertröstungen in der deut­ schen Frage sowie den Ultramontanismus im mehrheitlich protestantischen Großher­ zogtum Hessen. Die Ablehnung von Krediten für den Krieg gegen Preußen durch die hessische zweite Kammer ist gerechtfertigt, denn ein Sieg Österreichs würde die kleinstaatliche Zersplitterung und das bundestägliche Elend in Deutschland verewi­ gen. Eine Voraussetzung für die Bewilligung der Kredite wäre ein vollkommener Wechsel des Systems und damit ein Wechsel des Ministeriums. 1 Der Wetterauer Bote war das Organ der hessischen Fortschrittspartei. Das Blatt ging aus der 1848 gegründeten Zeitung „Freier Stadt- und Landbote – Recht, Freiheit und Vaterland“ her-

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Butzbach, 17. Juni 1866

1045 Butzbach, 17. Juni 1866

Wir befinden uns wieder einmal in der Zeit der Versprechungen und Vertröstungen. Bundesreform, Parlament, Verbesserungen in den einzelnen Staaten, Beseitigung verhaßter Einrichtungen, – alles wird versprochen und in Aussicht gestellt, um das Volk für die Opfer zu gewinnen, welche es den Regierungen bringen soll. Leider hat das deutsche Volk von 1813 an bezüglich solcher Zusagen und Vertröstungen schon allzu schlimme Erfahrungen gemacht, und das Jahr 1848, wo die Regierungen die gerechten Forderungen der Völker zu erfüllen sich beeilten, um sobald es die Umstände wieder gestatteten, alles zurückzunehmen und eine beispiellose Reaktion ins Werk zu setzen, ist noch nicht so lange her, als daß die erlebten Enttäuschungen vergessen sein sollten. Unsre zweite Kammer hat wohl zumeist deßhalb, weil sie keine Versprechungen, sondern Thatsachen sehen wollte, die verlangten 4 Mill. für Kriegsbereitschaft abgelehnt, und sind in der Verhandlung mit Recht, außer den vielen andern Klagepunkten namentlich die schon so oft wiederholten Beschwerden über das Koncordat und die Uebermacht des Ultramontanismus hervorgehoben worden. Es ist in der That bei uns dahin gekommen, daß die protestantische Mehrheit der Bevölkerung von der kleinen ultramontanen Clique vollständig eingeschüchtert ist, daß fast kein offenes Wort gegen die Provokationen und Uebergriffe der Jesuitenpartei sich mehr in die Oeffentlichkeit wagt. Einen weiteren Grund zur Verstimmung der Bevölkerung hat in letzter Zeit das Verfahren bezügl. Hessen-Homburgs gegeben. Die Weiterexistenz eines so kleinen Sonderstaats, namentlich aber die Fortdauer der Spielbank, nachdem wenige Jahre vorher Herr v. Dalwigk sich am Bundestag so entschieden gegen die Spielbanken erklärt hat, hat im ganzen Lande nicht geringes Befremden hervorgerufen und lassen sich die von Mund zu Mund gehenden Aeußerungen über die vermuthlichen Gründe für das Verfahren unsrer Regierung in dieser Sache gar nicht in einem öffentlichen Blatte wieder­ geben.2 Wenn die Ablehnung der Kriegsgelder durch unsere Volksvertretung vor, die ab 1856 unter dem Namen Wetterauer Bote erschien. Leitender Redakteur war der ­liberale Verwaltungsbeamte, Buchdrucker und hessische Landtagsabgeordnete Johann Moritz Kuhl (1814–1876), ein Schüler des radikal-demokratischen Politikers Friedrich Ludwig ­Weidig (1791–1837). Vgl. Dölemeyer, Orte der Freiheit, S. 108–110; http://www.butzbacherzeitung.de/db/index.php?language=deutsch&id=2&parent=2 (Zugriff 10. 2. 2015). 2 Die Landgrafschaft Hessen-Homburg war 1622 als Nebenlinie des Hauses Hessen-Darmstadt begründet worden. Mit dem Ende des Alten Reiches 1806 wurde die Landgrafschaft dem neuen Großherzogtum Hessen-Darmstadt einverleibt, der bisherige Landgraf wurde ein ­ Standes­herr. Auf dem Wiener Kongreß gelang es dem landgräflichen Haus mit Unterstützung Österreichs, wieder in seine vorherigen Rechte und Besitzungen eingesetzt zu werden. Der Landgraf erhielt die volle Souveränität zurück, und die Landgrafschaft wurde im Jahr 1817 als Mitglied in den Deutschen Bund aufgenommen. Mit dem Tod von Landgraf Ferdinand (1783–

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Artikel im Wetterauer Boten

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in ultramontanen und auch einzelnen preußenfeindlichen demokratischen Blättern als Landesverrath und Feigheit ausgeschrieen wird, so läßt sich das Volk dadurch durchaus nicht irre führen, denn es sind einleuchtende innere und äußere Gründe zur Genüge vorhanden, welche den Beschluß der Kammermehrheit rechtfertigen. Ein Sieg Österreichs bedeutet die Verewigung der kleinstaatlichen Zersplitterung und des bundestäglichen Elends und der hierarchischen Bevormundung; ein Krieg gegen Preußen ist nicht allein ein Krieg gegen Herrn v. Bismarck, sondern er muß auch zu einem Krieg gegen das preußische Volk werden; dieses aber wollen wir nicht zu unserm Gegner haben, denn auf ihm und seinem festen Widerstand gegen seine despotische Regierung beruht die Hoffnung der übrigen deutschen Staaten auf eine freiheitliche Zukunft. So sehr auch in unserer Kammer von Seiten der Regierung betont wurde, sie habe für keine der Großmächte Partei ergriffen, so ist doch ganz außer Frage, daß die Intentionen unseres dermaligen Ministeriums wie immer, so auch jetzt Oestreich zuneigen und daß die ganze Lage der Dinge darauf hinweist, daß unsere Rüstungen nur Oestreich zu Gunsten kommen können. Wenn dem Ministerium so viel daran lag, eine bewaffnete Stellung unseres Staates zu erlangen, so war ihm der Weg bezeichnet, auf dem es das, was es für das Staatswohl nothwendig hielt, erreichen konnte. In der Kammer wurde erklärt, daß feste Bürgschaften für eine dem Vaterland heilsame Ver 1866) am 24. März 1866 erlosch die Nebenlinie Hessen-Homburg, und das Land fiel gemäß Erbvertrag an das großherzogliche Haus Hessen-Darmstadt zurück. Die Landgrafschaft wurde aber nicht aufgelöst und in das Großherzogtum Hessen integriert, sondern Großherzog Ludwig III. (1806–1877) nahm lediglich den Titel des Landgrafen von Hessen-Homburg an. Die eigenständige Existenz der Landgrafschaft und damit des Staates Hessen-Homburg, der mit einer Fläche von 221 km2 und gut 27 000 Einwohnern (1865) nach Liechtenstein das kleinste Bundesmitglied war, endete erst einige Monate später, als nach dem Krieg von 1866 das hessen-homburgische Gebiet an Preußen abgetreten wurde. – Die Spielbank in Bad Homburg war 1841 eröffnet worden. Der für die Landgrafschaft in finanzieller Hinsicht außerordentlich lukrative Casinobetrieb, der prominente und zahlungskräftige Gäste aus ganz Europa anzog, war in politischer Hinsicht ein ständiges Ärgernis. Im Jahr 1849 hatte die Frankfurter Nationalversammlung die Schließung aller deutschen Spielbanken beschlossen und in der Folge einen Reichskommissar mit 700 Soldaten nach Bad Homburg geschickt, um das Gesetz durchzusetzen. Die Homburger Spielbank wurde am 9. Mai 1849 geschlossen, aber schon am 26. Mai als „geschlossene Gesellschaft“ wieder eröffnet, einige Monate später konnte wieder offiziell gespielt werden. Die Diskussionen über ein Verbot der Spielbanken gingen aber weiter. Besonders die Nachbarstaaten, im Falle von Homburg das Großherzogtum Hessen, verlangten wiederholt ein Verbot der Spielbanken, um den Geldabfluß aus ihren eigenen Territorien zu stoppen. Als die Landgrafschaft und damit auch die Homburger Spielbank 1866 an HessenDarmstadt fielen, überdachte dessen Ministerpräsident Dalwigk offenbar seine zuvor ablehnende Haltung und ließ den Spielbetrieb weiterlaufen, da nun die Einnahmen in die eigene Kasse flossen. Siehe Dölemeyer, Zur Rechtsgeschichte; dies., Fragmentarische Staatlichkeit; dies., Die Landgrafschaft Hessen-Homburg 1848, S. 147–149; dies., Das Schicksal der Spielbank; Löffler, „Eine Steuer…“.

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Wien, 17. Juni 1866

wendung der Gelder und für Beseitigung der inneren Beschwerden vor jeder Bewilligung verlangt würden. Dazu wäre aber ein vollkommner Wechsel des Systems und also auch ein Wechsel des Ministeriums nöthig. Wenn wir an dem Beschluß der zweiten Kammer etwas zu bedauern haben, so ist es das, daß er mit so kleiner Mehrheit gefaßt wurde, und daß sich manche unsrer ­liberalen Abgeordneten durch augenblickliche Gefühlsstimmungen bewegen ließen, von einer nüchternen und unbefangenen Erwägung der Sachlage abzustehen und so, im Gegensatz zu der vorwiegenden Stimmung der von ihnen vertretenen Bezirke, durch die Bewilligung eines so bedeutenden Kredits, dem Ministerium Dalwigk im Angesicht einer verhängnißvollen Zukunft ein Vertrauensvotum zu geben.

227. Runderlaß Mensdorffs an die Gesandtschaften in München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Karlsruhe, Kassel, Hamburg, Frankfurt und Leipzig

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 35: Weisungen 1866. Zirkularweisung an die kaiserlichen Missionen zu München, Dresden, Hannover, Stuttgart, Karlsruhe, Kassel, Darmstadt, Hamburg, Frankfurt und Leipzig. Abschrift. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/2, S. 902 f. (Konzept).

Österreich hat sich zum Krieg gegen Preußen entschlossen, um das Recht des Bundes und die Sache der bundestreuen Regierungen zu vertreten. Preußen hat den Bund und den Frieden gebrochen. Preußen ist nicht berechtigt, vom Bund zurückzutreten, ge­ schweige denn den Bund für aufgelöst zu erklären. Österreich und die bundestreuen Regierungen vertreten „das unzerstörbare heilige Interesse der Fürsten und Völker Deutschlands, auf der Grundlage gleichen Rechtes eine ungetheilte, alle Glieder der Nation umfassende Gesammtmacht zu bilden“.

Wien, 17. Juni 1866 Ich habe die Ehre Ihnen im Anschlusse das Kais. Manifest vom heutigen Tage zu übersenden1, und Sie zu ersuchen dasselbe den Regierung[en] bei welchen Sie beglaubigt sind, mitzutheilen. Der Entschluß des Kaisers, unseres allergnädigsten Herrn, Seine Waffen gegen Preußen zu kehren, bedarf in den Augen unserer deutschen Bundesgenossen keiner nochmaligen Rechtfertigung. Jeder Commentar zu den Kais. Worten würde überflüssig sein. Durch seine neuesten Thaten hat Preußen dafür gesorgt, auch die letzten Zweifel an der Gerechtigkeit und Nothwendig1 Manifest Kaiser Franz Josephs I. „An meine Völker“ vom 17. Juni 1866, HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 35: Weisungen 1866; Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 125–128; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 7, 1866, S. 102–104.

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Runderlaß Mensdorffs

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keit des Krieges gegen die bundesbrüchige Macht zu zerstreuen. Kaum hat der deutsche Bund, seinen Grundgesetzen getreu, den Beschluß gefaßt der rechtswidrigen Gewalt entgegenzutreten, durch welche Preußen die seit langer Zeit durch die verwerflichsten Ränke vorbereitete Usurpation in Holstein zu vollenden gedenkt, – und schon ist es nicht mehr Oesterreich, welches den Bund zur Mitwirkung im Kampfe gegen den Friedensbrecher auffordert, sondern es sind die bundestreuen Souveräne, die sich bedroht und mit Krieg überzogen sehen, und deren Sache der Kaiser mit aller Macht vertreten würde, selbst wenn Er nicht eine übermüthige Verletzung der eigenen Rechte, wie der Ehre Oesterreichs zu ahnden hätte. Sowie aber die Herausforderung des Gegners gemeinschaftlich gegen Oester­reich und diejenigen deutschen Staaten, die am Bunde festhalten, gerichtet ist, so wird, wie wir mit aller Zuversicht hoffen, auch in den Ansichten über die Natur des nun entbrennenden Krieges, sowie über das gemeinsam zu erstrebende Ziel die vollste Übereinstimmung zwischen uns und unseren Bundesgenossen herrschen, und sich im Verlaufe der Ereigniße zum Heile Deutschlands bethätigen. Bereits hat der deutsche Bund gesprochen. Er hat entschieden, daß Preußen nicht berechtigt ist, vom Bunde zurückzutreten, geschweige den Bund für aufgelöst zu erklären. Er hat gegenüber den europäischen Mächten den Fortbestand des Bundes constatirt. Einmüthig haben die bundestreuen Regierungen den sogenannten Reformvorschlag verworfen, welchen Preußen anstatt einer deutschen Gesammtverfassung den Staaten, die es terrorisiren zu können glaubte, aufzwingen wollte, einen Vorschlag, würdig des Kabinetes, welches in offener Sitzung des Bundestages dem deutschen Vaterlande das Schicksal Polens in Aussicht gestellt hat. In uns und in unseren Freunden lebt nicht nur das Bewußtsein, daß wir für das Recht gegen das Unrecht kämpfen, daß Treue gegen Untreue steht, sondern wir vertreten auch gemeinsam das unzerstörbare heilige Interesse der Fürsten und Völker Deutschlands, auf der Grundlage gleichen Rechtes eine ungetheilte, alle Glieder der Nation umfassende Gesammtmacht zu bilden. Die Fahnen des Bundes, dessen abtrünniges Glied unser Gegner ist, sind vereint mit den unsrigen, und wenn der Sieg ihnen folgt, wenn Preußens verderbliche Sonderbestrebungen der Macht gerechterer Anstrengungen erliegen, so werden sicherlich die Intentionen Oesterreichs und seiner Waffengenossen in Einem und demselben Ziele zusammentreffen, in dem Ziele, die äußere Weltstellung und zeitgemäße innere Entfaltung des Bundes von neuem sicherzustellen, und Deutschlands Zukunft vor Katastrophen, wie wir sie in diesen ersten Tagen durchleben müßen, gründlich zu bewahren. Im Sinne der vorstehenden Betrachtungen wollen Sie sich bei Mittheilung des Manifestes unseres Monarchen gegen die hohe[n] Regierung[n] bei welchen Sie uns vertreten, aussprechen.

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Weimar, 19. Juni 1866

Empfangen *** dieselben die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. Mensdorff.

228. Protokoll über eine Besprechung der Minister der ­thüringischen Staaten

HStA Weimar, Außenstelle Gotha, Staatsministerium, Dep. I, Loc. 5a, Nr. 3, fol. 12 f. Abschrift für den Großherzog von Sachsen-Weimar mit Vermerk: „Seiner Hoheit ehrerbietigst vorzulegen, dann ad acta.“ Praes.: 22. Juni 1866.

Die Minister von Sachsen-Weimar, Meiningen, Rudolstadt und Reuß j. L. sind der Auffassung, daß der Bund noch besteht und lehnen deshalb das von Preußen ange­ botene Bündnis ab und verbinden damit die Hoffnung auf Respektierung ihrer Neu­ tralität. Die Minister von Sondershausen und Gotha sehen den Bund als tatsächlich aufgelöst an und wollen das preußische Bündnisangebot annehmen. Die letzte Ent­ scheidung wird den jeweiligen Landesherren anheimgestellt.

B. I. Nro. 603.

Weimar, 19. Juni 1866

Gegenwärtig Se. Excellenz der Herr Staats-Minister Dr. von Watzdorf von hier; Se. Excellenz der Herr Staats-Minister Dr. Freiherr von Uttenhoven1 von Meiningen; Se. Excellenz der Herr Staats-Minister Dr. Freiherr von Seebach von Gotha; Se. Excellenz der Herr Staats-Minister von Bertrab2 von Rudolstadt; Se. Excellenz der Herr Staats-Minister Keyser3 mit Herrn Geheimen  Staatsrath Blei4 von Sondershausen; Se. Excellenz der Herr Staats-Minister Dr. von Harbou5 von Gera und der Unterzeichnete. 1 Friedrich Fürchtegott von Uttenhoven (1818–1889), 1865/66 Staatsminister von Sachsen-Meiningen; Schwabe (Hrsg.), Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, S. 281. 2 Hermann Jakob von Bertrab (1818–1887), 1851–1887 Staatsminister von Schwarzburg-Rudolstadt; Lengemann, Landtag und Gebietsvertretung in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 71. 3 Gustav Adolph [seit 1866 von] Keyser (1807–1901), 1862–1877 Staatsminister von Schwarzburg-Sondershausen; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 381; Lengemann, Landtag und Gebietsvertretung von Schwarzburg-Sondershausen, S. 204 f. 4 Gustav Bley (1808–1888), Geheimer Staatsrat und Präsident des Staatsrats von SchwarzburgSondershausen; Lengemann, Landtag und Gebietsvertretung in Schwarzburg-Sondershausen, S. 316. 5 Andreas Paul Adolph von Harbou (1809–1877), 1862–1877 Staatsminister von Reuß jüngere Linie; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 336.

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Besprechung der Minister der t­hüringischen Staaten

Nr. 228

Nach von hier aus ergangener Einladung (B. I. Nro. 588) hatten sich heute die nebengenannten Herren Minister thüringischer Staaten hier eingefunden, um über die Haltung ihrer hohen Regierungen gegenüber dem Bunde einerseits und den Vorschritten der Königl. Preuß. Regierung andrerseits gemeinsame Berathung und thunlichste Verständigung zu pflegen. Aus längerer Verhandlung traten folgende Ergebnisse hervor: 1. Die Herren Minister von Weimar, Meiningen, Rudolstadt und Gera begegneten sich in der Ansicht, daß zur Zeit, trotz des Austritts Preußens, der Bund noch bestehe und in Folge davon das von Preußen angebotene Bündniß mit Darbietung der Truppen abzulehnen sey. Die Herren Minister von Weimar, Rudolstadt und Gera waren weiter der Ansicht, daß die durch einstimmigen Bundesbeschluß den Truppen der Reserve-Infanterie-Division Stellung in auch von Preußen als neutral anerkannten Bundesfestungen als die Neutralität der betreffenden Kontingentsregierungen selbst involvirend zu betrachten sei und betrachtet werde, und daß man hoffe, daß diese Neutralität auch ferner von Preußen werde respektirt werden. Man verkannte aber nicht, daß die faktischen Verhältnisse im Fortgange der Ereignisse eine solche Änderung möglicher Weise erfahren würden, welche über die Auflösung des Bundes keinen Zweifel mehr lasse, und daß dann auf das gegenwärtige Anerbieten der Königlich Preuß. Staatsregierung eventuell zurückzukommen seyn werde. Die Frage der Parlamentsberufung betrachtete man als mit der Bündnißfrage zusammenfallend, die bindende Beantwortung beider Fragen als durch die Zustimmung der betreffenden Landtäge bedingt. 2. Die Herren Minister von Gotha und Sondershausen dagegen erkannten schon jetzt die Auflösung des Bundes als thatsächlich erfolgt und die Annahme des preußischen Bündnißantrags als jetzt schon durch die Interessen ihrer beiderseitigen Staaten geboten an, und hoben hierbei auch ihre insofern abweichende Situation hervor, als ihre betreffenden Bundes-Contingente noch nicht in eine neutrale Bundesfestung abgegangen und überdies in Gotha eine preußische Sommation eingegangen sey. 3. Zuletzt sprachen sämmtliche Herren Minister sich dahin aus, daß diese hochwichtige Angelegenheit ganz besonders dazu angethan sey, daß die letzte entscheidende Beschlußfassung in ihr den betreffenden höchsten Landesherren selbst anheimgestellt werde. Nachrichtlich G. Th. Stichling6, Großherzogl. Sächs. Geheimer Staatsrath. 6 Gottfried Theodor Stichling (1814–1891), großherzoglich sachsen-weimarischer Staatsrat, 1870–1890 Leitender Minister; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 371; ADB, Bd. 36, S. 166–169.

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Altenburg, 23. Juni 1866

  Allgemeine deutsche Zivilprozeßordnung 

229. Entwurf einer allgemeinen deutschen Zivilprozeßordnung

ProtDBV 1866, S. 247–362. Beilage zu § 188 des Protokolls der 27. Sitzung vom 21. Juni 1866. Druck in: Protocolle der Commission zur Berathung einer allgemeinen Civilprozeßordnung für die deutschen Bundesstaaten, Bd. 18.

Die Bundesversammlung hat den von einer Sachverständigenkommission ausgearbei­ teten Entwurf einer allgemeinen deutschen Zivilprozeßordnung angenommen und er­ sucht die Regierungen, sich darüber zu äußern, unter welchen Voraussetzungen sie den Entwurf in ihrem jeweiligen Land gesetzlich einführen wollen. Der Entwurf be­ steht aus 689 Paragraphen und wird hier aus Platzgründen nicht erneut ediert. Vgl. Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 421–431.

230. Proklamation des Herzogs von Sachsen-Altenburg

HStA Weimar, Außenstelle Gotha, Staatsministerium, Dep. I, Loc. 5a, Nr. 2, fol. 173. Extrabeilage zum Amts- und Nachrichtenblatt. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 148 f.

Die Bundesverfassung ist zerbrochen. Ein mächtiges Deutschland ist ohne ein mäch­ tiges Preußen nicht möglich, deshalb hat sich Altenburg auf die Seite Preußens stel­ len müssen, weil dies die eigenen Interessen, nationale wie materielle, erfordern.

Altenburg, 23. Juni 1866 An meine Altenburger! Die alte Bundesverfassung liegt zerbrochen danieder! Wir rechten und richten nicht, welche Macht und welcher Schritt ihr den letzten Stoß versetzt hat; seit mehr als zwanzig Jahren ist sie wiederholt von fast allen Deutschen Fürsten und Volksstämmen als den nationalen Bedürfnissen nicht mehr entsprechend erklärt worden. So lange sie bestand, galt Uns als erster Grundsatz, an Unserem geringen Theile dazu mitzuwirken, daß die Einigkeit zwischen Oesterreich und Preußen, die Grundlage, auf welcher nach den glorreichen Befreiungskriegen Deutschland wieder aufgebaut wurde, und auf welcher allein das Gedeihen der Deutschen Einzelstaaten unter einer solchen Verfassung möglich war, erhalten und gefördert werde. Nicht minder aber galt Uns in jeder Krisis der Deutschen Verfassungs-Entwickelung als Wahlspruch: kein mächtiges blühendes Deutschland ohne ein mächtiges herausragendes Preußen als den entschlossenen tapferen Vorkämpfer für die Deutschen Interessen im Norden, als den Gründer der größesten nationalen volkswirthschaftlichen Institution der Neuzeit, des Deutschen Zollvereins. Nach Ausbruch des unheilvollen beklagenswerthen Krieges zwischen Preußen und Oesterreich und des Letzteren Verbündeten in die Nothwendigkeit versetzt, entweder an der thatsächlich aufgelösten und in Norddeutschland bis zu tiefster Ohnmacht herabgesunkenen Bundesverfassung Uns fest-

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Proklamation des Herzogs von Sachsen-Altenburg

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zuklammern, oder offen und frei diejenige Fahne zu ergreifen, von der Wir die naturgemäße Verjüngung der Verfassung unseres Deutschen Vaterlandes erhoffen, konnten Wir, getreu obigem Wahlspruch, keinen Augenblick zweifeln, Uns mit Unserem Lande unter die Letztere zu stellen, dabei an dem Streben festhaltend, nicht ohne die dringendste Nothwendigkeit angreifend in den Krieg Deutscher Bruderstämme einzutreten. Schwer nun lastet auf Uns die doppelte Verantwortung, die Wir1 in Folge der Unmöglichkeit, in einer so entscheidenden Krisis zuvor Uns der Zustimmung der verfassungsmäßigen Vertreter des Landes versichern zu können, tragen müssen. Ein beklagenswerthes Zusammentreffen von Umständen hat es bewirkt, daß die Neuwahlen für den mit dem laufenden Jahre sich erneuernden Landtag noch nicht beendet sind. Sobald dies geschehen sein wird, werden Wir unverzüglich dazu schreiten, den Landtag um Uns zu versammeln, und Unsere Regierung vor Demselben Rechenschaft geben zu lassen von dem, was Unsererseits2 geschehen ist. Daß die Landesvertretung dann Unsere Schritte gutheißen werde, Wir konnten und können um so weniger daran zweifeln, als sie in genauer Kenntniß der Bedürfnisse unseres engeren Vaterlandes und der Geschichte der Verwaltung desselben sich stets der Nothwendigkeit bewußt war, für dessen Interessen, nationale wie materielle, in engerer Verbindung mit Norddeutschland und in solchem mit Preußen dauernd Förderung und Kräftigung zu suchen. Seit nunmehr fast 40 Jahren regieren Meine Vorfahren und Ich in Eurem Lande. Manche Freude, aber auch manch schweres Leid haben wir3 in diesen 40 Jahren gemeinschaftlich getragen. Das Schwerste aber steht uns vielleicht in kürzester Zeit bevor: in unserem Lande den Schauplatz zu sehn eines schweren verhängnißvollen Krieges zwischen Deutschen Bruderstämmen. In solchen schweren Zeiten gilt es doppelt fest und treu zusammenzuhalten. Fest vertraue Ich auf Euch, vertrauet auch Mir und Meiner Regierung, daß nichts verabsäumt wird, Euch die Kriegsdrangsale mit ihren Vorläufern und Folgen zu mildern, soweit es in Unserer4 Macht liegt. Gott aber wolle in seiner Allweisheit und Gnade geben, daß diese schwere Prüfung bald vorübergehe und daß daraus ein fester Friede und ein verjüngtes starkes Deutsches Vaterland erwachse! (L. S.)  Ernst v. Larisch. K. Pierer. Hugo Müller.5 Sonnenkalb. 1 Emendiert. Vorlage: wir. 2 Emendiert. Vorlage: unsererseits. 3 Emendiert. Vorlage: Wir. 4 Emendiert. Vorlage: unserer. 5 Hugo Müller, Geheimer Staatsrat, Mitglied des Staatsministeriums (Innenminister) von Sachsen-Altenburg; Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogthums Sachsen-Altenburg 1869, S. 70.

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Gotha, 25. Juni 1866

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231. Rede des Abgeordneten Rückert im Gemeinschaftlichen Landtag der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha

Verhandlung des Gemeinschaftlichen Landtags der Herzogthümer Coburg und Gotha, 9. Sitzung vom 25. Juni 1866, S. 64–66 (Auszug).

Die Ursache der Krise im Deutschen Bund liegt in der Schleswig-Holstein-Frage. Jetzt ist aber der Punkt gekommen, an dem die partikularen Wünsche der SchleswigHolsteiner und die Interessen der Nation sich trennen. Der jetzige Krieg ist ein Natio­ nalkrieg, dessen Ursachen in den Verhältnissen liegen, die 1815 geschaffen und durch die Politik Metternichs konserviert wurden. Die Reform des Bundes war nur eine Formel, mit der die Souveräne verhindert haben, zum Besten der Nationaleinheit einen Teil ihrer Souveränität abzugeben. Ein Sieg Österreichs würde im besten Fall die Konservierung der Bundesverfassung und der deutschen Zerrissenheit, im schlim­ meren das Begräbnis der Nationaleinheit bedeuten. Die mittelstaatlichen Politiker Beust, Dalwigk und andere sind Fahnenträger des Partikularismus. Trotz Bismarck und des preußischen Verfassungskonflikts „handelt es sich jetzt allein darum, ob Deutschland fortschreiten wird auf der Bahn, die durch die Reformation und durch Friedrich den Großen gebrochen und durch die Entwickelung von Jahrhunderten ge­ ebnet wurde, oder ob es der Zerrissenheit, dem Pfaffenthum, der wirthschaftlichen Fäulniß anheimfallen wird“. Für die mittleren und kleineren Staaten ist durch den Bundesbeschluß vom 14. Juni die Neutralität unmöglich geworden. „Die Schuld, den Conflict der beiden Großmächte zu einem allgemeinen Bürgerkrieg und zu einem wirklichen Bruderkrieg gemacht zu haben, trifft die Regierungen, welche den Be­ schluß vom 14. Juni zu Stande brachten.“

Gotha, 25. Juni 1866 Der Abgeordnete Rückert als Berichterstatter: Ich gehe auf den Kern der Sache ein. Ihnen Allen ist bekannt, daß die Ursache der Crisis, welche jetzt zu einer Entscheidung drängt, in der SchleswigHolstein’schen Frage gefunden wird und daß man häufig seine Stellung nimmt, je nachdem man die Bestrebungen Preußens in dieser Sache billigt oder mißbilligt. Sehr mit Unrecht. Die Schleswig-Holstein’sche Frage ist ­allerdings der erste Anlaß des Krieges, allein das Stadium des Conflictes, in welchem sie im Vordergrund stand, ist längst vorüber. Es handelt sich jetzt um die ganze Zukunft des gesammten Deutschlands. Ich kann mich nicht für die Einsetzung eines neuen Souverains begeistern, ich schwärme aber ebenso wenig für die Annexion; denn ich halte den Bundesstaat für die Form, durch welche der nationalen Einheit genügt wird. Ich billige das Vorgehen Preußens in den Elbherzogthümern nicht, allein man darf auch nicht verkennen, daß auf die Schleswig-Holsteiner ein großer Theil der Schuld fällt. Wenn sie die Februarforderungen verwarfen, wenn sie das sogenannte Märzcompromiß, welches die nationale Partei als Grundlage einer Verständigung mit den Vertrauensmännern des Schleswig-Holstein’schen Volkes zu Stande brachte, in Berlin annahmen und zu Hause bekämpften, – so mochte man zweifelhaft

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Rede des Abgeordneten Rückert

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sein und streiten, wo der Particularismus angeht und das Nationalgefühl aufhört.1 Allein jetzt, m. H., ist ein Wendepunkt eingetreten, ein Wendepunkt, auf welchem ihre particulären Wünsche und die Interessen der Nation sich entschieden trennen. Es trifft die Schleswig-Holsteiner und den Fürsten ihrer Wahl der schwere Vorwurf, daß sie dies nicht einsehen – nicht einsehen wollen. Wenn diese allerdings viel mißhandelten, aber wahrlich auch viel verzogenen Söhne Deutschlands jetzt sagen: „Wir wollen unseren Kopf durchsetzen, mag Deutschland zu Grunde gehen“, so ist dies ein Vergehen gegen die Nation, durch welches in meinen Augen die Leiden, welche sie für Deutschland erduldet haben, reichlich aufgewogen werden. Man nennt diesen Krieg einen Cabinetskrieg, und es ist wahr, daß der Vorwand vom Zaun gebrochen ist. Aber man sollte nicht übersehen, daß dieser Krieg in seinem Verlauf ein Nationalkrieg werden muß oder vielmehr es schon geworden ist. Man mag die Erfolge, welche erzielt werden sollen, zu leicht befinden im Vergleich zu dem Unheil, das er stiftet. Man muß es beklagen, daß er, wenn nicht überhaupt vermeidlich, unter solchen Umständen begonnen wurde. Aber, m. H., der Krieg hat nicht blos einen Vorwand, er hat auch einen inneren Grund. Der innere Grund liegt in den Verhältnissen, welche durch die Verträge von 1815 geschaffen und durch die Politik Metternich’s und des Hauses Habsburg conservirt wurden. Er liegt im Particularismus und der Selbstsucht der Souveraine, welche, mit wenig Ausnahmen, trotz aller Erfahrungen nichts gelernt und nichts vergessen haben und nicht einen Atom 1 Als Februarforderungen wurden die in der preußischen Depesche vom 22. Februar 1865 nach Wien übermittelten Vorschläge für eine Regelung der schleswig-holsteinischen Frage bezeichnet. Danach verlangte Preußen, daß ein neu zu gründender Staat Schleswig-Holstein ein unauflösliches Schutz- und Trutzbündnis mit Preußen schließen müsse. Die gesamte Wehrkraft der Herzogtümer sollte Preußen zur Verfügung gestellt werden und unter preußischem Befehl stehen. Ferner sollten einige schleswig-holsteinische Festungen und Häfen an Preußen abgetreten werden. Schließlich sollte Schleswig-Holstein in den Zollverein eintreten. Das preußische Programm war gleichbedeutend mit der nahezu vollständigen militärischen und wirtschaftlichen Kontrolle von Schleswig-Holstein durch Preußen. Die österreichische Regierung lehnte die preußischen Forderungen am 5. März 1865 ab, weil dies die „faktische Mediatisierung“ Schleswig-Holsteins und die „Aufopferung des Wesens der Bundesverfassung“ bedeuten würde. Allerdings gab es in Schleswig-Holstein eine stärker werdende politische Strömung, die sich eine Einigung auf der Basis der preußischen Vorschläge vorstellen konnte. In diesem Sinne instruierte am 31. März 1865 auch der Erbprinz Friedrich von Augustenburg seinen Abgesandten in Berlin, über ein „Arrangement“ zu verhandeln, das einerseits zur Gründung eines schleswig-holsteinischen Staates unter seiner Herrschaft führen, andererseits den preußischen Forderungen weit entgegenkommen würde. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 493–495; Druck der preußischen Depesche mit Denkschrift und Motivierung in: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 384–393; Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 5, S. 96–103; Mensdorff an Károlyi, 5. März 1865, in: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 4, S. 577–580; Friedrich von Augustenburg an Ahlefeldt, 31. März 1865, in: Staatsarchiv, Bd. 8, S. 393–398.

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Gotha, 25. Juni 1866

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ihrer Souverainetät zum Besten der Nationaleinheit aufgeben, wenn sie nicht gezwungen werden. An Gelegenheit und Mahnung, es in Güte zu thun, hat es wahrlich nicht gefehlt. Die Deutsche Reform ist von jener Seite auch oft genug in den Mund genommen worden, aber immer hat es sich bei diesen Reformplänen nur um eine neue Formel für den Bundestag gehandelt, nicht um das, worauf es ankam – um ein Opfer an Souverainetät. M. H.! Sehen wir uns, um die Situation klar zu machen, ein wenig unter den Gegnern um. Wenn wir darunter die Ultramontanen und die ausgemachten Particularisten finden, so darf uns das nicht Wunder nehmen. Sie sind in dem Lager, in das sie gehören. Sonderbarerweise aber befindet sich darin auch ein Theil der Democratie, und gerade diese sind am eifrigsten, wo es gilt, gegen Preußen zu stacheln und zu hetzen. Diese Erscheinung ist – abgesehen davon, daß man in Süddeutschland vielfach die antipathischen Gefühle gegen norddeutsches Wesen nicht zu überwinden vermag – vornehmlich aus dem Preußischen Verfassungsconflict, der inneren Politik des Ministeriums Bismarck, zu erklären. Die nationale Partei stimmt in diesem Punkt mit den Politikern, von denen ich rede, vollkommen überein. Sie hat bei jeder Gelegenheit und an jedem Ort, in der Presse und auf der Tribüne, ihre Stimme erhoben gegen das von Bismarck befolgte System der inneren Politik. Es sind ihre Freunde und Mitglieder, welche in der Preußischen Kammer den parlamentarischen Kampf gegen das herrschende System, so zu sagen, bis aufs Messer geführt haben. Aber, m. H., man muß doch wohl überlegen, daß dieser Verfassungsconflict nicht die einzige und daß er in diesem Augenblick nicht die Hauptfrage ist. Das wollen jene Politiker nicht verstehen. Sie haben mit uns Anderen ihre Stimme erhoben gegen das Ministerium Bismarck und, obgleich so gewichtige Ereignisse dazwischen liegen, obgleich die Lage eine wesentlich veränderte ist, haben sie noch kein anderes Stichwort finden können. Sie singen das alte Lied weiter, als ob es auf Gottes Welt keinen anderen Gegensatz gäbe als Democratie und Junkerthum. Sie schreien fort und wollen nicht sehen, daß der Sieg Oesterreichs im besten Fall die Conservirung der Bundesverfassung und der Deutschen Zerrissenheit, im schlimmeren das Begräbniß der Nationaleinheit und eine Reaction und Versumpfung bedeutet, gegen welche die durch die Militärreorganisation hervorgerufene innere Politik Bismarck’s als ein ­System des Fortschrittes und Liberalismus erscheinen würde. Sie bleiben bei ihrem Stichwort und hören nicht, wie man im Süden den Kreuzzug gegen die Ketzer predigt. Sie haben keine Ohren, wenn man Czechen, Polen und Croaten gegen die Deutsche Nationalität hetzt und dem gemeinen Mann das Silbergeld verspricht, das die Deutschen aus Oesterreich weggeschleppt haben sollen. Allerdings hat Preußen einen Verfassungsconflict, aber das Preußische Volk wird ihn überwinden, so gewiß, als man aus der gegenwärtigen Cultur

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Rede des Abgeordneten Rückert

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und Bildung eines Volkes einen Schluß machen darf auf seine künftige Entwickelung. Wenn man sich wegen dieses Verfassungsconflictes an Oesterreich wendet, heißt das nicht: den Teufel mit Beelzebub austreiben? Freilich! Oesterreich hat keinen Verfassungsconflict. Aus dem einfachen Grunde nicht, weil es an der ersten Voraussetzung fehlt, an einer Verfassung und einem constitutionellen Leben – gerade wie man von Beschwerden über die Oesterreichische Aristocratie, welche weitaus mächtiger und einflußreicher als das Preußische Junkterthum ist, lediglich um deswillen nichts hört, weil es an dem lebendigen Gegensatz des Bürgerthums fehlt. Während das Preußische Volk eine Kraft des parlamentarischen Widerstandes entwickelt, wie man sie bis jetzt nur in England beobachtet hat, ist man in Oesterreich noch nicht in den ersten Elementen des Parlamentarismus zu Haus und wird man erst nach Menschenaltern in der Lage sein, einen Verfassungsconflict haben zu können. Bei den Politikern, von denen ich rede, haben sich allmählich alle Begriffe und Principien, welche sonst galten, in ihr Gegentheil verkehrt. Sie haben sonst nie viel nach dem positiven Staatsrecht gefragt und schwärmen jetzt für die Legitimität des Augustenburgers. Was früher Particularismus hieß, das heißt jetzt Selbstständigkeit, Freiheit, Selbstbestimmung. Der Bundestag, welcher so oft als der Krebsschaden der Nation bezeichnet wurde und nicht mehr zu Recht bestehen sollte, ist jetzt wieder der Hort und die feste Burg des Deutschen Volkes. Herr von Dalwigk, der in der Wolle gefärbte Reactionär, und Herr von Beust, den sie früher nur in Verbindung mit dem Zuchthaus zu Waldheim2 nannten, – ich sage, die Herren von Dalwigk und Beust, und wie die Fahnenträger des Particularismus heißen mögen, es sind jetzt Patrioten und Männer des Rechts geworden. Ja, m. H., wenn auf diese Weise ­Alles, was früher für wahr und recht galt, nicht blos verwandelt, nein, in das Gegentheil verkehrt wird, dann hört schließlich die Polemik auf, und man kann nur staunen, welcher sonderbaren Sprünge das menschliche Gehirn ­fähig ist. Man hört ja wohl sagen: „Wir wollen nicht Preußisch und nicht ­Oesterreichisch, wir wollen Deutsch sein.“ Aber ich frage Sie: Ist das nicht unter obwaltenden Umständen eine leere Phrase? Das Papier und die Luft sind geduldig; aber können diese Phrasen verhindern, daß man unsere Truppen in das Oesterreichische Lager schickt oder zu einer Armee, die mit den Oesterreichern cooperirt? Können sie verhindern, daß Oesterreich, wenn es den Sieg erlangen sollte, mit Deutschland schaltet, wie es mag? Hat man eine 2 Das „Allgemeine Zucht-, Armen- und Waisenhaus“ in Waldheim wurde 1716 von Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen (1670–1733) eingerichtet. Im Jahr 1830 wurde die Anstalt zu einem reinen Zuchthaus umgewandelt, dessen verschärfte Vollzugspraxis es zu einem der berüchtigtsten Gefängnisse in Deutschland machte. Nach der Revolution von 1848/49 saßen hier mehrere Liberale und Demokraten ein. Vgl. Schreiter, Strafanstalt Waldheim.

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Gotha, 25. Juni 1866

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Garantie hiergegen in der bisherigen Politik Oesterreichs? Schwerlich! Es hat den Bund ins Gesicht geschlagen, als es ihm gefiel, und kehrte zu ihm zurück, als es in seinem Interesse lag. Oder hat man etwa die Macht, Oesterreich einen Zügel anzulegen? Ich traue den Staatsmännern der sogenannten Volkspartei im Punkt – der irrigen Ansichten viel zu, allein so naiv sind sie doch wohl nicht, daß sie glauben, das siegreiche Oesterreich werde aus Furcht vor ihren Zeitungsartikeln halb Part mit der Democratie machen. Ich fasse die Bedeutung der Situation in wenige Worte zusammen. Trotz Schleswig-Holstein’s und trotz der bisherigen inneren Politik Bismarck’s handelt es sich jetzt allein darum, ob Deutschland fortschreiten wird auf der Bahn, die durch die Reformation und durch Friedrich den Großen gebrochen und durch die Entwickelung von Jahrhunderten geebnet wurde, oder ob es der Zerrissenheit, dem Pfaffenthum, der wirthschaftlichen Fäulniß anheimfal­ len wird. Ich für meinen Theil bin nicht zweifelhaft. So lange ich Athem habe, würde ich protestiren gegen eine Politik, welche Deutschland dem Haus Habsburg überliefern soll. M. H.! Es gab für die kleinen Staaten in der gegenwärtigen Crisis anfangs drei Wege. Der eine ist der, den die Regierung Ihnen vorschlägt; der andere der Anschluß an Oesterreich, über den ich mich bereits ausgesprochen habe. Der dritte Weg war die Neutralität. Sie war denkbar, wenn die Gesammtheit oder doch eine größere Anzahl der kleinen Staaten sie annahm; denn die Neutralität setzt eine Macht voraus, durch welche sie behauptet werden kann. Die nationale Partei hat sie aufrichtig und ernstlich angestrebt. Ihre Absichten sind jedoch vereitelt worden, und unter den Eifrigsten, welche dagegen ankämpften, befanden sich eben die Volkspolitiker, von denen ich gesprochen habe. Die Neutralität der Mittelund Kleinstaaten, durch welche es verhindert werden konnte, daß ganz Deutschland sich in zwei feindliche Lager schied und daß der Conflict zu einem wirklichen Bürgerkrieg wurde, ist unmöglich geworden durch den Bundesbeschluß vom 14. d. Mts. Ich halte diesen Beschluß für eine so unverantwortliche und verhängnißvolle That, wie die Deutsche Geschichte wenig andere aufweist. In tumultuarischer Weise auf die Tagesordnung gekommen, überschreitet er offenbar die Competenz des Bundes. Denn die Bundesverfassung hat wohl eine Bundesexecution, aber einen Krieg gegen Bundesglieder kennt sie so wenig, als das Bei-Seite-Setzen des Vertrages von Gastein eine Verletzung des Bundes­ friedens war. Der Beschluß ist zu Stande gekommen dadurch, daß eine ganze Reihe von Regierungen gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Kammern gestimmt haben. Denn die Kammern von Hannover, Kurhessen, Hessen-Darmstadt und Nassau hatten sich im entgegengesetzten Sinn ausgesprochen. Wo bleibt da die Selbstbestimmung, von der man fortwährend redet? Rechnen Sie

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Pfordten an Bray-Steinburg

Nr. 232

noch hinzu, daß eine Stimme – die der 16. Curie – geradezu gefälscht worden ist3, so weiß man nicht, ob man mehr die Illoyalität des Beschlusses oder die verhängnißvollen Consequenzen betonen soll. Man kann darüber streiten, wem die Urheberschaft des Krieges zuzuschreiben ist. Daß Preußen insofern den Anlaß gab, als es die bestehenden Zustände verändern will, während es im Interesse Oesterreichs liegt, sie zu conserviren, – das ist leicht zu verstehen. Daß der erste Act der Feindseligkeit auf Preußischer Seite vorkam, bestreite ich. Die Intriguen und Zetteleien Oesterreichs, welche auf ein Bündniß mit den Mittelstaaten und eine gemeinsame kriege­ rische Action gegen Preußen gerichtet waren, gingen der Mobilmachung der Preußischen Armee voraus. Wie dem aber auch sei, so viel steht fest: Die Schuld, den Conflict der beiden Großmächte zu einem allgemeinen Bürger­ krieg und zu einem wirklichen Bruderkrieg gemacht zu haben, trifft die Re­ gierungen, welche den Beschluß vom 14. Juni zu Stande brachten, und diejenigen Politiker aus den Volkskreisen, welche zu diesem Beschluß gedrängt und gehetzt haben, tragen mit an dieser schweren Verantwortung. Nach dem Beschluß vom 14. Juni kann von Neutralität nicht mehr die Rede sein. Der Bund erkennt sie nicht an, sondern kennt nur einen Gehorsam gegen den Bund. Und Preußen ist nunmehr auch in der Lage zu sagen: „Wer nicht für mich ist, der ist wider mich.“

232. Pfordten an Bray-Steinburg

HStA München, Gesandtschaft Wien, Nr. 1708. Erlaß. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 1. Juli 1866.

Der ausgebrochene Krieg ist ein Kampf des Bundes gegen den Bundesbruch. Die Ziele des Krieges sind die Lösung der schleswig-holsteinischen und der deutschen Verfassungsfrage. Der Bund soll baldmöglichst den Herzog von Augustenburg for­ mell als den rechtmäßigen Landesherrn von Holstein anerkennen und ihm eine Ver­ tretung in der Bundesversammlung gewähren. In der deutschen Verfassungsfrage kann es keine einfache Wiederherstellung der bisherigen Bundesverfassung geben. In den mittelstaatlichen Kammern wurde die Schaffung einer allgemeinen deutschen Volksvertretung als Ziel bezeichnet, und Pfordten regt an, daß sich die kaiserliche Regierung in ähnlicher Weise ausspricht. 3 Die 16. Kurie bestand aus den Vertretern von Liechtenstein, Reuß ältere und jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe und Waldeck. In der Abstimmung am 14. Juni 1866 hatte der Kuriengesandte erklärt, er sei nicht vollständig instruiert, sehe sich „jedoch in der Lage, für die Curie dem Antrage beitreten zu müssen und behält etwaige weitere Erklärung vor, indem er zu bemerken hat, daß Reuß jüngerer Linie für Verweisung an den Holsteinischen Ausschuß und Lippe und Waldeck gegen den Antrag stimmen“ (siehe oben S. 1029). Demnach stimmten von den 6 Kurienmitgliedern nur drei (Liechtenstein, Reuß ältere Linie und Schaumburg-Lippe) ausdrücklich für den Antrag auf Mobilmachung des Bundesheeres.

Nr. 232

München, 30. Juni 1866

Exp. No 180.

1059 München, 30. Juni 1866

Hochgeborner Graf! Der Krieg in Deutschland ist ausgebrochen. Es ist ein Kampf des Bundes gegen den Bundesbruch und die öffentliche Meinung, oder vielmehr das öffentliche Gewissen von Deutschland, ja man kann sagen von Europa erkennen dieses, so daß kein Zweifel darüber besteht, was der Grund des Krieges sei und wem das Recht zur Seite stehe. Nicht dieselbe Klarheit herrscht über das Ziel des Kampfes und es scheint daher der Königlichen Regierung der Erwägung werth, durch welche Maßregeln auch in dieser Beziehung Zweifel oder Mißtrauen, wo sie etwa bestehen, beseitigt werden können. Zwei Fragen sind es, welche seit langer Zeit Deutschland beschäftigen, und deren Lösung durch den gegenwärtigen Krieg um so mehr gehofft wird, als in beiden die Veranlassung zu demselben liegt, nämlich die SchleswigHolsteinische und die deutsche Verfassungsfrage. Was die Schleswig-Holsteinische Angelegenheit anlangt, so kann sie in der Bundesversammlung nur theilweise, nämlich nur bezüglich Holsteins behandelt werden, weil Schleswig nicht zum Bunde gehört und die Rechte des Herzogs von Holstein auf Schleswig, sowie des Landes Holstein auf Verbindung mit Schleswig jedenfalls dann erst in Betracht kommen könnten, wenn die Erbfolge in Holstein selbst geordnet wäre. Thatsächlich ist nun zwar Holstein im Besitze Preussens und es wird wohl kaum möglich sein, vor Beendigung des Krieges dieses zu ändern. Wohl aber kann in Erwägung genommen werden, ob es nicht an der Zeit sei, daß die Bundesversammlung nunmehr den Herzog Friedrich von Augustenburg als den rechtmäßigen Landesherrn von Holstein anerkenne und ihn einlade, durch einen Gesandten sich in der Bundesversammlung vertreten zu lassen. Vom rechtlichen Standpunkt aus steht gewiß nichts im Wege, denn abgesehen von dem wohl kaum zweifelhaften Resultate aller über die Erbfrage geführten rechtlichen Untersuchungen hat die Bundesversammlung durch ihren Beschluß vom 2ten Juni 1864 einstimmig diejenige Erklärung gebilligt, welche ihr Bevollmächtigter auf der Londoner Conferenz in Uebereinstimmung mit den Gesandten von Oesterreich und Preußen am 28. Mai 1864 abgegeben hatte1, und hat hiemit ausgesprochen, daß sie den Herzog von Augustenburg als den bestberechtigten Prätendenten erachte, und daß seine Anerkennung gesichert sei. Von einem formellen Ausspruch der Anerkennung hat nur der spätere Widerstand Preussens und die Rücksicht darauf abgehalten, daß man vorerst die Stimme des Landes selbst, durch seine Vertreter vernehmen wollte. Die erste Rücksicht fällt nun 1 Siehe dazu oben Dok. 158, Anm. 6.

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Pfordten an Bray-Steinburg

Nr. 232

offenbar hinweg, die zweite aber kann man wohl fallen lassen, weil die Berufung der holsteinischen Stände jetzt thatsächlich unmöglich ist, und weil ja die Stimmung und rechtliche Ueberzeugung des ganzen Landes seit Jahren sich in unzweifelhafter Weise und mit seltener Beständigkeit kundgegeben hat. Es kommt also wohl nur noch darauf an, ob es auch politisch räthlich ist, gegenwärtig die Anerkennung des Herzogs auszusprechen und die Königliche Regierung glaubt diese Frage aus wichtigen Gründen bejahen zu sollen. In erster Linie steht ihr hiebei der Gedanke, daß dieses jetzt das Einzige ist, was von Seite der bundestreuen Regierungen geschehen kann, um das schwer bedrängte holsteinische Volk zu ermuthigen und zur Ausdauer bei dem Rechte zu kräftigen. Ferner ist zu beachten, daß hiedurch jeder Zweifel über die Absichten der bundestreuen Regierungen beseitigt und der hie und da wohl auftauchende Verdacht abgeschnitten würde, als wolle man sich die Herzog­ thümer zu etwaigen Compensationsobjekten beim Friedensschlusse aufsparen. Endlich darf nicht übersehen werden, daß man mit Recht fragen kann, was denn jetzt nach dem Ausscheiden Preussens die Bundesversammlung noch hindere, dem Rechte die Ehre zu geben. Wir verkennen anderer Seits nicht, daß es immerhin zweifelhaft erscheint, ob für die Anerkennung des Herzogs die absolute Majorität des Bundes, nämlich 9 Stimmen[,] zu gewinnen sein wird, da Hannover und Kurhessen bisher sich immer gegen den Herzog ausgesprochen haben und die kurhessische Stimme überdieß nach Gefangennehmung des Kurfürsten2 überhaupt in Frage gestellt erscheint, da endlich auch auf die Sächsischen Herzogthümer nicht mehr sicher zu rechnen ist. Wir übersehen auch nicht, daß möglicherweise bei einem Friedensschluß es vielleicht doch nicht gelingen könnte, dem Herzog von Augustenburg auch thatsächlich zur Einsetzung in die Regierung seines Landes zu verhelfen und daß es in diesem Falle schwierig sein würde, über das Recht desselben hinwegzugehen, wenn es jetzt formell anerkannt worden ist. Wir glauben jedoch, daß diese Betrachtungen den obigen Gründen gegenüber nicht überwiegend sind und daß die erste derselben vielmehr nur dazu führen sollte, den Anerkennungsakt baldmöglichst vorzunehmen. Unter diesen Umständen glaubt die Königliche Regierung aber jedenfalls, sich vor jedem weiteren Schritte erst mit der Kaiserlich Oesterreichischen Regierung vertraulich ins Benehmen setzen und sich deren Ansicht darüber erbitten zu sollen, ob sie es überhaupt an der Zeit hält, daß ein Antrag auf Anerkennung des Herzogs in der Bundesversammlung gestellt werde und ob 2 Der Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen wurde von den in Kassel einrückenden preußischen Truppen am 19. Juni 1866 gefangengenommen; vgl. Goebel, Die Bundes- und Deutschlandpolitik Kurhessens, S. 418–422.

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München, 30. Juni 1866

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sie sich an der Stellung eines solchen betheiligen oder doch, wenn er gestellt würde, demselben zustimmen wolle. Wir halten es dabei für unsere Pflicht, nicht gegen die Ansicht der Kaiserlichen Regierung zu handeln. Noch schwieriger erscheint die deutsche Verfassungsfrage, wenn man sich jetzt darüber aussprechen soll, welche Lösung dieselbe wohl durch den gegenwärtigen Krieg erhalten wird, und kein besonnener Staatsmann wird es unternehmen, in dieser Beziehung Verpflichtungen einzugehen oder apodiktische Erklärungen abzugeben. Dagegen dürfte es nicht unmöglich sein, sich darüber auszusprechen, welches Ziel sich die bundestreuen Regierungen in dieser Richtung setzen und dieses zu thun scheint uns räthlich, um in der deutschen Bevölkerung eine nachhaltige Begeisterung für den begon­ nenen Kampf zu erhalten; denn für die einfache Wiederherstellung der ­bisherigen Bundesverfassung besteht keine Begeisterung und sie würde als kein hinreichender Preis für die schweren Opfer dieses Kampfes betrachtet werden. Von Seite der Mittelstaaten sind bei den letzten Verhandlungen ihrer Kammern in dieser Richtung mehr oder weniger eingehende Erklärungen gegeben worden3, wobei übereinstimmend die Herstellung einer allgemeinen deutschen Volksvertretung neben dem künftigen Bundesorgan als Zielpunkt bezeichnet wurde. Die kaiserliche Regierung war naturgemäß nicht in der Lage, auf solchem Wege sich über die Frage zu äußern, aber wir möchten es ihrer weisen Erwägung anheimgeben, ob sich nicht irgend eine Form finden ließe, um sich ähnlich auszusprechen. Wir unsererseits gehen von der ­Ansicht aus, daß Seine Majestät der Kaiser gewiß nicht von Bestrebungen zurücktreten will, welche er im Jahre 1863 feierlich begonnen hat, wenn auch der Gang der Ereignisse Modifikationen des ursprünglichen Planes nothwendig machen wird. Wenn also auch die Kaiserliche Regierung nicht beabsichtigt, nach diesem Kriege lediglich die frühere Bundesversammlung wieder herzustellen, so wird es ihr in irgend einer Weise möglich sein, diese ihre Absicht kund zu geben, und damit wäre unseres Erachtens schon viel gewonnen. Indem ich nun Euer Excellenz beauftrage, gegenwärtigen Erlaß dem Herrn Grafen von Mensdorff mitzutheilen und denselben um gefällige Aeußerung darüber zu ersuchen, füge ich den Ausdruck der ausgezeichnetsten Hochachtung bei. v. d. Pfordten

3 Siehe Dok. 212, 215, 218, 231.

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Ausschußvortrag

Nr. 233

233. Vortrag des Ausschusses für die Reform der ­Bundesverfassung

ProtDBV 1866, Beilage 90. Verteilt am 9. Juli 1866.

Der am 26. April gewählte Ausschuß konnte seine Beratungen wegen der mehrfachen Abwesenheit des preußischen Gesandten erst am 11. Mai 1866 aufnehmen. Die Mit­ glieder waren der Meinung, daß eine Bundesreform unter Mitwirkung einer Volksver­ tretung nicht abzulehnen sei, erbaten aber vom preußischen Gesandten konkrete Vor­ lagen über die beabsichtigte Reform. Der preußische Gesandte skizzierte in einer vertraulichen mündlichen Mitteilung die Hauptpunkte, die von den Ausschußmitglie­ dern ihren Regierungen übermittelt wurden. Nach der Bamberger Konferenz vom 13. Mai trat der Ausschuß wieder am 22. Mai zusammen und forderte den preußi­ schen Gesandten erneut auf, eine schriftliche Darlegung der Reformvorschläge Preu­ ßens vorzulegen. Daraufhin überreichte der preußische Gesandte am 23. Mai eine schriftliche Aufzeichnung der am 11. Mai gemachten mündlichen Mitteilung. Infolge des ausbrechenden Konflikts und des Austritts von Preußen aus der Bundesversamm­ lung am 14. Juni konnte der Ausschuß keine weiteren Beratungen über die Bundesre­ form mehr vornehmen.

Frankfurt am Main, 9. Juli 1866 Vortrag des am 26. April gewählten Ausschusses, die Reform der Bundesverfassung betreffend.1 (Zur 35. Bundestags-Sitzung v. J. 1866.) Der am 26. April l. J. zu Begutachtung des Antrages der Königlich-Preussischen Regierung bezüglich der Reform der Bundesverfassung gewählte Ausschuß erachtet sich verpflichtet, hoher Versammlung über die im Schooße des Ausschusses seither gepflogenen Verhandlungen Anzeige zu erstatten. Alsbald nach der am 26. April erfolgten Wahl des Ausschusses war die Constituirung desselben auf den 28. April anberaumt worden, es wurde aber der Zusammentritt des Ausschusses an diesem Tage durch die an demselben 1 Der Vortrag wurde vom bayerischen Bundestagesandten Schrenk erstellt. Der undatierte Entwurf mit Korrekturen befindet sich im BA Berlin, DB 1/I, Nr. 75. Er ist neben Schrenk unterzeichnet von den Ausschußmitgliedern Alois Freiherr Kübeck von Kübau (1813–1873, 1859– 1866 österreichischer Bundespräsidialgesandter), Carl Gustav Adolph von Bose (1817–1893, 1864–1866 sächsischer Bundestagsgesandter), Gottlieb von Heimbruch (1822–1892, 1856– 1866 Bundestagsgesandter von Hannover), Joseph Freiherr von Linden (1804–1895, 1865– 1866 württembergischer Bundestagsgesandter), Robert von Mohl (1799–1875, 1861–1866 badischer Bundestagsgesandter), Karl Olivier Freiherr von Beaulieu-Marconnay (1811–1889, 1864–1866 Bundestagsgesandter des Großherzogtums Sachsen-Weimar) und Franz Arnold Freiherr von Biegeleben (1822–1892, 1861–1866 Bundestagsgesandter des Großherzogtums Hessen); die Unterschrift des preußischen Ausschußmitglieds Savigny fehlt. Der Vortragsentwurf trägt den Vermerk: „Kam nicht zu Protokoll“. – Angaben zu den Gesandten nach Bring­ mann, Handbuch der Diplomatie; ADB.

Nr. 233

Frankfurt am Main, 9. Juli 1866

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erfolgte Abreise des Königlich-Preussischen Gesandten nach Berlin vereitelt, da man in Abwesenheit des letzteren die Berathung über den von seiner Regierung eingebrachten Antrag nicht wohl beginnen konnte. Nach der am 5. Mai erfolgten Rückkehr des Königlich-Preussischen Gesandten war sofort wieder eine Ausschußsitzung in Aussicht genommen, aber auch diese durch die am 7. Mai eingetretene abermalige Abreise des Königlich-Preussischen Gesandten nach Berlin wieder verhindert worden. So kam es, daß der Ausschuß erst am 11. Mai seine erste Sitzung halten konnte. In dieser sprach sich das zu Uebernahme des Vortrages bestimmte Ausschußmitglied zunächst dahin aus, wie es ihm scheine, daß der Grundgedanke des Antrages – die Reform der Bundesverfassung unter Mitwirkung einer Volksvertretung herbeizuführen – nicht abzulehnen, sondern der Zustimmung der hohen Bundesversammlung im Allgemeinen zu empfehlen sein werde, wie es indessen seines Erachtens, ehevor [sic] hierüber nähere Anträge gestellt, oder Beschlüsse gefaßt werden könnten, nothwendig erscheine, daß die von Preussen in Aussicht gestellten weiteren Vorlagen an die Bundesversammlung gelangt seien, indem vor Allem erforderlich sei, zu wissen, welche Aenderungen der Bundesverfassung beantragt werden wollen, und nach welchen Grundsätzen, in Bezug auf actives und passives Wahlrecht, auf Wahlart, wie auf Zahl und Vertheilung der Mitglieder, das beantragte Parlament zu wählen wäre; es könne daher seinerseits zur Zeit keinen anderen Antrag in Vorschlag bringen, als den, die Königlich Preussische Regierung zu ersuchen, daß sie ihren Antrag vom 9. April durch die schon in Aussicht gestellten weiteren Vorlagen in den angegebenen Richtungen baldmöglichst ergänzen möge. Nachdem sich, dem Wunsche des Königlich-Preussischen Gesandten entsprechend, die übrigen Ausschußmitglieder vor ihm ausgesprochen, und der von dem Referenten entwickelten Anschauung in der Wesenheit angeschlossen hatten, erklärte jener, daß er, wenn auch seine Regierung bei der Absicht beharre, ein formulirtes Reformproject nicht vorzulegen, dennoch, insbesondere in Würdigung der seiner Regierung auf ihre Circulardepesche vom 27. April2 zugekommenen beruhigenden und entgegenkommenden Antworten, in die Lage gesetzt worden sei, dem Ausschusse vertraulich die Hauptpunkte mitzutheilen, auf welche die Reform zum mindesten zu erstrecken sei, und auf welche die Königlich-Preussische Regierung, unter Vorbehalt weitergehender Vorschläge, für den Fall, daß eine Einigung nicht erfolgen sollte, sich beschränken wolle, wenn hierüber eine Verständigung erzielt werden könnte. 2 Siehe Dok. 195.

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Ausschußvortrag

Nr. 233

Die hierauf gemachte vertrauliche Mittheilung3 deutete sehr allgemein nur die Gebiete an, welche in die Reform einbezogen werden sollten, und es fügte der Königlich-Preussische Gesandte derselben die Bemerkung bei, daß, wenn die Bundesregierungen darauf eingehen wollten, die Reform bezüglich der angedeuteten Materien in die Hand zu nehmen, sich in den weiteren Verhandlungen auch die entsprechende Form hiefür finden werde; eine Verständigung werde dann auch nicht so schwer sein, daß man nicht im voraus schon einen Termin für deren Beendigung, sonach für Feststellung der an eine Nationalvertretung zu bringenden Vorlagen, sollte in Aussicht nehmen können. Wenn auch im Ausschusse sofort mehrseits hervorgehoben wurde, daß diese vertrauliche mündliche Mittheilung offenbar keine Vorschläge enthalte, wie solche erforderlich erschienen, um auf den Antrag vom 9. April näher einzugehen, so übernahmen es doch, in Folge ausdrücklichen Wunsches des Königlich-Preussischen Gesandten, die Mitglieder des Ausschusses, über dessen Mittheilungen zunächst an ihre Regierungen Bericht zu erstatten, und es wurden dieselben in Folge dessen von den Ministern der Mehrzahl der Regierungen, deren Gesandte den Ausschuß bilden, zu Bamberg, woselbst diese am 13. Mai zu einer Conferenz zusammengetreten waren4, in näheren Betracht gezogen. Ergebniß dessen war, daß in einer Ausschußsitzung vom 22. Mai – in Erwägung, daß die vorerwähnten vertraulichen Mittheilungen, wenn sie auch nur in allgemeinen Umrissen bestünden und die Richtung, wie die eigentlichen Zielpunkte der Reform nicht erkennen ließen, doch die Möglichkeit weiterer Verhandlungen bieten, und die Aussicht auf Verständigung nicht ­abschneiden, daß es indessen doch nicht wohl möglich sei, auf solche un­ bestimmte mündliche Erklärungen hin weiter vorzugehen, – an den Königlich-Preussischen Gesandten das Ersuchen gestellt wurde, dem Ausschusse eine schriftliche Darlegung der Reformvorschläge seiner Regierung zukommen zu lassen. Diesem Ansuchen entsprach derselbe am nächstfolgenden Tage durch Ueber­sendung der beiliegenden schriftlichen Aufzeichnung der am 11. Mai ge­ machten vertraulichen Mittheilungen, der Ausschuß kam aber in Folge der wenige5 Tage nachher eingetretenen Verwicklungen, welche zu dem am 14. Juni vollzogenen Austritte des Königlich-Preussischen Gesandten aus der Bundesversammlung führten, nicht mehr dazu, weitere Berathungen zu pflegen; jetzt aber ist er nicht in der Lage, eine fernere Thätigkeit zu entwickeln, muß vielmehr den Gegenstand beruhen lassen, ohne deßhalb der Hoffnung zu 3 Siehe Dok. 199. 4 Siehe Dok. 200. 5 Emendiert. Vorlage: wenigen.

Nr. 234

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Augsburg, 17. Juli 1866

entsagen, daß nach erfolgter Beendigung der dermaligen verhängnißvollen Krisis das Werk der Bundesreform zum Heile Deutschlands glücklich werde durchgeführt werden.

234. Kübeck an Mensdorff

HHStA Wien, PA II 73. Deutscher Bund. Berichte 1866 VII–VIII, fol. 598–601. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 20. Juli 1866. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/2, S. 974 f. (Ausfertigung).

Die Bundesversammlung hat am 14. Juli Frankfurt verlassen. Der badische Minister Edelsheim sieht keine Aussicht auf Erfolg, wenn nicht Österreich durch Klarstellung seiner Ziele und liberale Konzessionen auf die öffentliche Meinung einwirkt. In Süd­ deutschland droht die Stimmung umzuschlagen, weil die Nachricht kursiert, Öster­ reich sei des Kampfes müde und bereit, den Bund zu verlassen und Separatabkommen mit Preußen und Bayern abzuschließen. Edelsheim ist auch mißtrauisch gegenüber der Haltung Bayerns. In Württemberg denkt man ähnlich, insbesondere ist man ver­ stimmt, daß von der Pfordten zu Waffenstillstandsverhandlungen nach Wien berufen worden sei, während die Minister der anderen zum 8. Bundesarmeekorps gehörenden Staaten keine entsprechende Einladung erhalten hätten. Der britische Gesandte Alex­ ander Malet berichtet, Preußen werde sich bei einem Friedensschluß vorerst mit der Erwerbung von Sachsen, Kurhessen, Braunschweig und Nassau begnügen, den König von Hannover aber aus Rücksicht auf England in seine Staaten zurückkehren lassen.

No 86

Augsburg, 17. Juli 1866

Hochgeborner Graf! Nachdem mir Prinz Alexander von Hessen1 am 13. d. M. auf das Bestimmteste erklärt hatte, für die Sicherheit und den ungehemmten Abgang der Bundesversammlung nicht länger einstehen zu können, hat letztere am 14. d. M. Frankfurt verlassen, nachdem der Militärausschuß auf Grund des Bundesbeschlusses vom 11. d. M. die Nothwendigkeit dieses Schrittes constatirt hatte, dessen Ausführung dem Präsidium überlassen wurde. Ich richtete noch am 13. Abends die officiellen Einladungen an die Bundestagsgesandten und an das diplomatische Corps wie an die Militär-Commission, welche folgenden Tages Frankfurt verließen. Auf dem Wege hieher habe ich mich in Carlsruhe und Stuttgart aufgehalten, um mit unseren Vertretern und den betreffenden Ministern Rücksprache zu pflegen. Aus einer längeren Besprechung mit Freiherrn von Edelsheim 1 Prinz Alexander Ludwig Georg Friedrich Emil von Hessen und bei Rhein (1823–1888); NDB, Bd. 1, S. 192 f.

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Kübeck an Mensdorff

Nr. 234

habe ich entnommen, daß er zwar in der correcten Richtung und analogen Anstrengungen auszuhalten gedenkt, aber keine Aussicht auf Erfolg erblickt, wenn nicht Oesterreich auf die öffentliche Meinung im eigenen Lande und im südwestlichen Deutschland durch Klarstellung seiner Ziele und liberale Concessionen einwirkt, die ein unabweisliches Erforderniß der Lage seien, um die Selbstthätigkeit der verschiedenen Bevölkerungsschichten zu wecken. Er machte mich insbesondere darauf aufmerksam, daß nicht nur in Baden sondern auch in Württemberg ein Umschlag der uns bisher so günstigen Stimmung sich bemerklich mache, welchem nur durch eine baldige Manifestation des Kaisers und der übrigen bundestreuen Regierungen entgegengewirkt werden könne. Sehr verderbliche Folgen hätten in dieser Beziehung die wiederholt aufleuchtenden Nachrichten, Oesterreich sei schon des Kampfes müde und finde sich zum Austritte aus dem Bunde bereit wie zu einem Separatabkommen mit Preußen und Bayern. Man frage sich daher, wozu solle eine Fortsetzung des Krieges von Seite des südwestlichen Deutschlands noch nützen. Ich bekämpfte mit Entschiedenheit diese Zweifel und sprach die Ueberzeugung aus, daß Oesterreich den Kampf fortführen und auch hiebei die ihm günstigen Volkselemente nicht unbeachtet lassen werde. In Bayerns Haltung äußerte Freiherr von Edelsheim Mißtrauen wie auch in die Fähigkeiten der prinzlichen Führer des VII. und VIII. Armeecorps. Da der badische Minister am selben Tage, wo ich ihn sah, eine Besprechung mit Freiherrn von Varnbüler an einem dritten Orte verabredet hatte, so verfehlte ich leider letzteren in Stuttgart, wo ich nur kurz verweilen durfte, um mein Eintreffen in Augsburg nicht allzusehr zu verzögern. Die Auskünfte, welche ich in Stuttgart durch Freiherrn von Handel und mehrere altbefreundete württembergische Staatsmänner erhielt, stimmten über die dortigen Auffassungen in vielen Puncten mit jener des Freiherrn von Edelsheim überein, insbesondere schien man darüber verstimmt, daß angeblich Freiherr von der Pfordten zu Friedens- und Waffenstillstands-Verhandlungen nach Wien berufen worden sei, während man von einer ähnlichen Einladung an einen oder andern Minister der zum VIII. Bundesarmeecorps gehörigen Staaten abgesehen hatte. Sir Alexander Malet2, welcher mit mir die Reise von Stuttgart hieher machte, erfährt durch Lord Cowley3, daß Graf Goltz diesem in den letzten Tagen gesagt hat, Preußen werde sich bei einem etwaigen Friedensschlusse vorerst 2 Alexander Charles Malet (1800–1886), 1852–1866 britischer Gesandter bei der Deutschen Bundesversammlung; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 200; British Envoys to Germany, Vol. 4, S. 538 f. 3 Henry Richard Charles Wellesley, 1st Earl Cowley (1804–1884), 1852–1867 britischer Gesandter in Paris; British Envoys to Germany, Vol. 4, S. 553 f.

Nr. 235

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Karlsruhe, 21. Juli 1866

mit der Erwerbung von Königreich Sachsen, Kurhessen, Braunschweig und Nassau begnügen. Den blinden König von Hannover werde man aus Rücksicht für England in Seine Staaten gegen dem zurückkehren lassen, daß er die Truppen und die diplomatische Vertretung an Preußen abtrete. So viel ich den König kenne und nach Dessen ganzer Haltung in der letzten verhängnißvollen Zeit würden Seine Majestät einer solchen unwürdigen Mediatisirung den Rücktritt in das Privatleben unbedingt vorziehen. Genehmigen Euere Excellenz den Ausdruck meiner tiefen Ehrfurcht. Kübeck

235. Adresse der badischen Abgeordnetenkammer

HStA Stuttgart, E 70 f, Büschel 164. Veröffentlicht in: Karlsruher Zeitung Nr. 174 v. 24. Juli 1866.

Die Hoffnung, daß aus dem Bürgerkrieg in Deutschland eine Kräftigung des Deut­ schen Bundes hervorgehen werde, ist nicht in Erfüllung gegangen. Vielmehr hat der Krieg die bisherige Form der Vereinigung des deutschen Volkes zerstört, es muß da­ her eine neue Grundlage für die nationale Zukunft geschaffen werden. Nur Preußen kann jetzt die verschiedenen Teile des deutschen Volkes in einer gesamtstaatlichen Verbindung vereinigen. Der Großherzog soll den fruchtlosen Kampf einstellen und auf eine Neugestaltung der bundesmäßigen Beziehungen in Richtung eines von Preu­ ßen geführten Bundesstaats hinwirken.

Karlsruhe, 21. Juli 1866 Durchlauchtigster Großherzog! Gnädigster Fürst und Herr! Als die ehrerbietigst Unterzeichneten vor wenigen Wochen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Zweiten Kammer zur Berathung über die schicksalvollen Fragen mitberufen waren, welche die Lage Deutschlands vor dem drohenden Bürgerkrieg aufgeworfen, war man der Ueberzeugung, daß Baden nach der Ueberlieferung seiner auf Rechts- und Verfassungstreue beruhenden Staatsrichtung auch unter schweren Opfern den übernommenen Verpflichtungen getreu bleiben und für den Deutschen Bund, als das letzte Band der Na­ tion, einstehen müsse. Wir befanden uns hiebei in vollkommener Uebereinstimmung mit früheren Bestrebungen unserer Regierung und Stände, welche insbesondere in der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts Schleswig-Holsteins und in der Wahrung der Verfassungsrechte dieses Bruderstammes ein von der öffentli-

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Adresse der badischen Abgeordnetenkammer

Nr. 235

chen Stimme des Landes wie der gesammten Nation getragenes Ziel erkannt hatten. Die Hoffnung, es könnte aus den schweren Opfern des Bürgerkriegs eine Kräftigung des Bundes, sowie dessen Verbindung mit einer parlamentarischen Vertretung der Nation hervorgehen, ist nicht in Erfüllung gegangen. Wir stehen den Erfolgen des Krieges und den damit vollzogenen Thatsachen gegenüber, welche beweisen, daß die bisherige Form der Vereinigung des deutschen Volkes zerstört sei, und daher eine neue Grundlage für unsere nationale Zukunft geschaffen werden müsse. Die Unzulänglichkeit der bisherigen Bundeseinrichtungen und die siegreichen Erfolge der Waffen haben den preußischen Staat allein in die Lage gesetzt, fernerhin die vielfach widerstrebenden Theile des deutschen Volkes in einer großen gesammtstaatlichen Verbindung mit kraftvoller Leitung zur Wahrung gemeinsamer Interessen zu vereinigen. Die Treue für den Beruf der Nation wird Baden nach den jüngsten Ereignissen dahin führen, seine Hingebung für die deutsche Sache in den neuen Formen eines mit Volksvertretung ausgestatteten, im Verein mit Preußen gebildeten Bundesstaats zu bewähren. Wir hoffen von dieser durchgreifenden Umbildung der deutschen Verhältnisse, daß die Kraft eines einheitlichen nationalen Bandes daraus hervorgehen werde. Die Scheidung der nord- und süddeutschen Stämme würden wir als die unheilvollste Gestaltung Deutschlands erkennen. Wir glauben uns in Uebereinstimmung mit der überwiegenden Mehrheit des badischen Volkes zu befinden, wenn wir an Eure Königliche Hoheit die ehrfurchtsvollste Bitte richten, es möge im Verein mit den mitverbündeten Nachbarstaaten, unter Einstellung des fruchtlosen Kampfes, auf Herbeiführung solcher Neugestaltung der bundesmäßigen Beziehungen hingewirkt werden. Mit ungebrochenem Muth gehen wir der Zukunft entgegen, weil wir der festen Ueberzeugung sind, daß der patriotische Sinn und die staatsmännische Weisheit Eurer Königl. Hoheit in diesen verhängnißvollen Tagen unserm engern Vaterland die Verbindung mit einem mächtigen Bundesstaat deutscher Nation sichern und ihm zugleich die edle Frucht seiner innern freiheitlichen Entwicklung, wie sie sich seit 1860 gestaltet hat, erhalten werde. In tiefster Ehrfurcht Eurer Königl. Hoheit Karlsruhe, den 21. Juli 1866 unterthänigste Kirsner, Kiefer, Turban, Pagenstecher, Wund von Mannheim, Weeber, Eckhard, Heidenreich, Richter, Wund von Heidelberg, Ziegler, Fingado, Wenzler,

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Karlsruhe, 21. Juli 1866

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Kunz, Krausmann, Allmang, Hebting, Hauß, Knies, Friderich, Heilig, Gerbel, Gerwig, Wahrer, Lenz, Henne, Paravicini, Sachs, Obkircher, Frick, Fröhlich, Kimmig, Busch, Behaghel, Dietz, Muth, Tritscheller, Poppen, Roder.1 1 Ludwig Kirsner (1810–1876), Apotheker, seit 1850 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1871–1876 Präsident der Kammer, 1871–1874 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Friedrich Kiefer (1830–1895), Jurist, 1863–1895 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1871–1881 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Ludwig Karl Friedrich Turban (1821– 1898), 1860–1873 Mitglied der zweiten badischen Kammer, seit 1851 badischer Ministerialbeamter, ab 1876 Staatsminister; Heinrich Karl Alexander Pagenstecher (1799–1869), 1863– 1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Johann Friedrich Wund (1822–1889), Kaufmann, 1861–1870 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Josef Weber (1809–1886), 1859–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Carl Maria Joseph Eckhardt (1822– 1910), Rechtsanwalt, 1861–1863 und 1865–1873 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1871–1874 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Johannes Heidenreich (1806–1888), 1861–1879 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Karl Richter (1810–1895), 1865–1872 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Wilhelm Maximilian Wundt (1832–1920), Physio­ loge und Psychologe, 1866–1869 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Julius Ziegler (1812–1878), Apotheker, 1862–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Gustav Adolf Fingado (1805–1880), 1857–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Wilhelm Wenzler (1806–1886), 1861–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Konrad Kuntz (1804– 1881), Verwaltungsbeamter, 1863–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Heinrich Krausmann (1818–1887), 1857–1866, 1875–1887 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Philipp Allmang (1799–1867), Pfarrer, 1855–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Josef Hebting (1822–1888), Weinhändler, 1865–1871 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1871–1874 und 1877/78 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Benjamin Hauß (1807–1872), 1859–1868 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Karl Gustav Adolf Knies (1821–1898), seit 1855 Professor für Kameralwissenschaften in Freiburg, seit 1861 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Karl Friderich (1816–1894), 1850–1892 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1874–1877 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Franz Xaver Heilig (1826–1888), 1877–1881 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Christian Wilhelm Gerbel (1820–1894), Hofgerichtsrat, 1863–1870 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Robert Gerwig (1820–1885), Ingenieur, 1855–1857, 1863–1873, 1875–1878 Mitglied der zweiten ­badischen Kammer, 1875–1884 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Karl Gabriel Emanuel Wahrer (1816–1868), 1859–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Friedrich Wilhelm Lenz (1807–1881), Kaufmann, 1857–1874 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Albrecht Georg Henne (1808–1886), Gastwirt, 1865–1876 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Ludwig Paravicini (1811–1878), 1851–1878 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1871–1874 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Otto Sachs (1824–1912), Oberamtmann, 1865–1868, 1871–1874 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Hermann Obkircher (1819–1881), Kreisgerichtsdirektor in Heidelberg, 1863–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1868–1871 badischer Justizminister; Josef Frick (1806–1875), Oberschulrat, 1859– 1869 Mitglied der zweiten badischen Kammer; August Karl Fröhlich (1813–1880), Verwaltungsgerichtsrat, 1855–1870 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Karl Kimmig (1824– 1873), Gastwirt, 1859–1868 und 1871–1872 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Karl Busch (1808–1875), Rechtsanwalt, 1863–1872 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Wilhelm Jakob Behaghel (1824–1896), Professor für Zivilrecht an der Universität Freiburg, 1863– 1866 und 1873–1882 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Rudolf Dietz (1814–1870),

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Kübeck an Mensdorff

Nr. 236

236. Kübeck an Mensdorff

HHStA Wien, PA II 73. Deutscher Bund. Berichte 1866 VII–VIII, fol. 652–658. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 30. Juli 1866. Druck: Srbik (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs, Bd. 5/2, S. 979 f. (Ausfertigung); Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 166–168.

Kübeck warnt die kaiserliche Regierung davor, bei einer Zweiteilung Deutschlands in einen neuen süddeutschen Bund einzutreten. Dies wäre eine Demütigung Österreichs, das dabei nichts gewinnen könne, sondern nur in neue Verwicklungen mit den süd­ deutschen Regierungen und Bevölkerungen hineingezogen würde. Ein solcher Bund wäre für Österreich „nur ein neues Element der Schwäche“. Es wäre statt dessen vorteilhafter, wenn Österreich „zeitweilig ganz aus der völkerrechtlichen Verbindung mit den Trümmern Deutschlands“ ausscheiden würde. Eine Verbindung Österreichs mit Deutschland ist nur im großdeutschen Rahmen möglich. Österreich kann ohne die Verbindung mit Süddeutschland an seiner Wiedererstarkung arbeiten, um die Wieder­ herstellung des ganzen Deutschland vorzubereiten.

No 90. A–B.

Augsburg, 25. Juli 1866

Hochgeborner Graf! Wenn ich den Zeitungsnachrichten glauben soll, wird der wichtigste Punct der Friedens-Präliminarien darin bestehen, daß der Bund aufgelöst, ein norddeutscher Bundesstaat gebildet, den süddeutschen Staaten aber freigestellt werde, sich unter einander oder mit Oesterreich oder auch mit Preußen zu verbinden. Der Gedanke, ein zweigetheiltes Deutschland zu schaffen und dem norddeutschen Bunde einen süddeutschen mit Deutsch-Oesterreich gegenüber zu stellen, liegt nahe und dürfte von einzelnen unserer Verbündeten vielleicht warm vertreten werden. Gegen einen solchen Plan die Stimme zu erheben, wollen Euere Excellenz einem Manne gestatten, dem seine Stellung und seine Erfahrung in deutschen Angelegenheiten vielleicht einiges Anrecht hiezu geben und welcher die innige Verbindung Oesterreichs mit Deutschland in Wort und That stets eifrig vertreten hat. Ministerialrat, 1859–1866 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Heinrich Friedrich Muth (1811–1879), Oberkirchenrat, 1851–1866 und 1873–1879 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Paul Tritscheller (1822–1892), 1865–1873 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1872–1877 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter; Hermann Friedrich Karl Poppen (1821– 1877), Oberzollinspektor, 1861–1870 Mitglied der zweiten badischen Kammer; Johann Baptist Roder (1814–1890), 1865–1881, 1883–1889 Mitglied der zweiten badischen Kammer, 1874–1877 nationalliberaler Reichstagsabgeordneter. Angaben nach: Badische Landtagsprotokolle, URL: http://digital.blb-karlsruhe.de/Drucke/nav/classification/792873; Weech, Badische Biographien; BIORAB – Kaiserreich, URL: http://zhsf.gesis.org/ParlamentarierPortal/biorabkr _db/biorabkr_db.php; ADB; NDB; Dvorak, Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft.

Nr. 236

Augsburg, 25. Juli 1866

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Soll ich die Auflösung des Bundes als bereits zugestanden annehmen, so kann ich und wohl überhaupt kein Oesterreicher an die Schaffung eines neuen allgemeinen deutschen Bundes denken, in welchem der Kaiserstaat den zweiten Platz einnehmen müßte. Die Parität, welche in einem norddeutschen Bunde mit preußischer Hege­ monie und in einem süddeutschen mit oesterreichischem Vorsitze ihren Ausdruck suchen möchte, wäre eine scheinbare, würdelose und für uns verderbliche. Preußen wird über die volle Kraft der norddeutschen Länder unbedingt verfügen, die gänzliche Einverleibung wird nur eine Frage der Zeit und zwar einer sehr kurzen sein. Es hätte außerdem eine mächtige Partei in Süddeutschland für sich; selbst gut deutschgesinnte Männer würden sich ihr anschließen in dem Streben, aus den zwei halben Deutschland wieder ein Ganzes zu bilden. In dem süddeutschen Bunde wird Bayern die Rolle übernehmen, welche im Bunde bis jetzt Preußen uns gegenüber gespielt hat; der Kaiserstaat würde die Demüthigung erleben, mit geschwächtem Ansehen auf kleinerem Schauplatze mit einer kleineren Macht jenes Ringen nach Einfluß zu wiederholen, in welchem uns das wandelbare Kriegsglück Preußen gegenüber unterliegen ließ. Die Großmannsucht und das Mißtrauen gegen Oesterreich liegen tief in dem Karakter der bayerischen Politik. Die Furcht, daß Oesterreich für die Vergrößerung Preußens Entschädigung in Süddeutschland anstreben könnte, muß dieses Mißtrauen steigern und wird dem preußischen Einflusse neue Wege öffnen im Kreise der Regierungen wie der Bevölkerungen. Auch an Kraft wird Oesterreich durch einen solchen süddeutschen Bund nichts ge­ winnen. Diese Länder gehen nach dem kläglichen Erfolge ihrer jüngsten ­Anstrengungen einer Periode innerer Zerrüttung entgegen; wer die Stimmung in Bayern beobachtet, kann darüber keine Zweifel hegen. Wir würden dieselben also nicht blos nach Außen gegen Preußens Uebergriffe, gegen Frankreichs Intrigue[n] zu vertheidigen haben, wir würden auch die Regierungen gegen ihre Kammern und Unterthanen stützen müssen und dennoch nur ­Verdächtigung und neue Verwicklungen ernten. Einen Ueberfluß an Kraft und Ansehen, den wir an diese Aufgabe wenden könnten, bringen wir aus den Kämpfen der letzten Wochen nicht zurück. Nur neue Opfer würden an uns herantreten, nur ein neues Element der Schwäche für uns gegeben sein. Soll es vorderhand keinen deutschen Bund und also kein Deutschland mehr geben, so werden wir uns, der Zukunft Oesterreichs wie Deutschlands einen bessern Dienst leisten, wenn wir zeitweilig ganz aus der völkerrechtlichen Verbindung mit den Trümmern Deutschlands ausscheiden. Stehen wir außerhalb des Processes, der sich nun in Deutschland ­vollziehen muß, so werden sowohl Regierungen wie Parteien, welche das preußische

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Kübeck an Mensdorff

Nr. 236

Gewalt- und Herrschaftssystem widerwillig ertragen, sich um unser Bündniß bemühen; wir können unbeirrt durch beengende Verpflichtungen an unserer Wiedererstarkung arbeiten und den Augenblick vorbereiten, wo wir unserer Stimme wieder Gehör verschaffen können. Alle Männer, die ein wirkliches Deutschland wollen, werden unsere Verbündete sein an dem Werke der Wiedervergeltung und die Rollen in MittelEuropa werden wechseln. Eine Verbindung Oesterreichs mit Deutschland ist nur durch und mit dem großdeutschen Gedanken möglich, und wenn ich heute unter dem Drucke überwältigender Verhältnisse der traurigen Eventualität eines vollständigen Ausscheidens Oesterreichs aus Deutschland ins Auge sehe, so ist es nur weil ich jenen Gedanken nicht gefälscht sehen möchte und weil uns klare und einfache Verhältnisse sowohl Deutschland wie Italien gegenüber Noth thun. Der uns heute vielleicht aufgedrungene Frieden, über dessen Nothwendigkeit ich mir kein Urtheil erlaube, kann und darf nur ein Provisorium sein. Es wird eine dankbare Aufgabe für unsere Diplomatie sein, an der Auflösung des italienisch-preußischen Bündnisses zu arbeiten; dann wird auch Frankreich freie Hand gewinnen, seine natürlichen Interessen zur Geltung zu bringen. In der Zwischenzeit für letzteres in Deutschland das Gegengewicht zu Preußen abzugeben, liegt keine Veranlassung vor. Den treuen unter unsern Bundesgenossen werden wir bei den Verhandlungen bessere Bedingungen verschaffen können, wenn wir dem preußischen Ehrgeize das volle Opfer unserer Verbindung mit Deutschland bringen. Die Deutschen in Oesterreich werden die Zerreißung des Nationalbandes leichter tragen[,] wenn sie sich überzeugen werden, daß die Regierung den Gedanken der Wiederherstellung des ganzen Deutschlands nicht aufgibt und eine geduldete Stellung nur verschmäht, um die Kraft für Erringung der ihr gebührenden zu sammeln. Auch Preußen begann seine Action mit dem Austritte aus dem Bunde; die unsere wird langsamer, mühevoller sein müssen; aber Zähigkeit wußte man sonst wohl der oesterreichischen Politik nachzurühmen. Da mir alle Anhaltspuncte zu näherer Kenntniß der Voraussetzungen und Grundlagen jener Verhandlungen fehlen, welche dermalen zwischen uns und Preußen wegen Waffenstillstandes und Friedenspräliminarien schweben, so kann sich dieser Bericht nur auf dem Felde trauriger Conjuncturen bewegen. Genehmigen Euere Excellenz den Ausdruck meiner tiefen Ehrfurcht. Kübeck

Nr. 237

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Nikolsburg, 26. Juli 1866

237. Friedenspräliminarien von Nikolsburg

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Nr. 35. Abschrift. Veröffentlicht in: Die Debatte und Wiener Lloyd, Abendblatt Nr. 211 vom 4. August 1866. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 166–168; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 7, 1866, S. 146 f.; Nouveau recueil général de traités, Vol. 18, S. 316–319; Hohlfeld (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 168; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 247–249.

Österreich erkennt die Auflösung des Deutschen Bundes an und gibt seine Zustim­ mung zu einem Bund, den Preußen nördlich des Mains begründen wird.

Nikolsburg, 26. Juli 1866 […]

Artikel II. S. M. der Kaiser von Österreich erkennt die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes an, und gibt Seine Zustimmung zu einer neuen Gestaltung Deutschlands ohne Betheiligung des Österreichischen Kaiserstaates. Ebenso verspricht S. M., das engere Bundes-Verhältniß anzuerkennen, welches S. M. der König von Preussen nördlich von der Linie des Main’s begründen wird, und erklärt Sich damit einverstanden, daß die südlich von dieser Linie gelegenen deutschen Staaten in einen Verein zusammentreten, dessen nationale Verbindung mit dem Norddeutschen Bunde der näheren Verständigung zwischen beiden vorbehalten bleibt.1 […] Károlyi m/p v. Bismarck m/p Brenner2 m/p

1 Der Artikel wurde im Wortlaut in den Prager Friedensvertrag vom 23. August 1866 (Artikel IV) übernommen. Der letzte Satz wurde um einen Halbsatz ergänzt: „dessen nationale Verbindung mit dem norddeutschen Bunde der näheren Verständigung zwischen beiden vorbehalten bleibt, und der eine internationale unabhängige Existenz haben wird.“ Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 250; Staatsarchiv, Bd. 11, S. 176– 179; Nouveau recueil général de traités, Vol. 18, S. 345. 2 Adolph Maria Freiherr von Brenner-Felsach (1814–1883), österreichischer Diplomat, 1865– 1866 Gesandter in Darmstadt, Bevollmächtigter bei den Friedensverhandlungen in Nikolsburg und Prag; Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 290.

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Vortrag des badischen Staatsministeriums

Nr. 238

238. Vortrag des badischen Staatsministeriums an Großherzog Friedrich I.

Karlsruher Zeitung Nr. 182 v. 2. August 1866. Druck: Staatsarchiv, Bd. 11, S. 197 f.; Schulthess (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender, Jg. 7, 1866, S. 149 f. (Auszug).

Alle Versuche zur Reform des Deutschen Bundes sind gescheitert. Der aus der hol­ steinischen Erbfolgefrage entstandene innere Krieg hat die völlige Unhaltbarkeit des Deutschen Bundes nachgewiesen, der Bund hat sich seither stückweise aufgelöst. Der Bestand des Bundes ist zur rechtlichen Fiktion geworden. Die badische Regierung erklärt, daß der Deutsche Bund nicht mehr besteht und beantragt die Abberufung des Bundestagsgesandten und des badischen Vertreters in der Bundesmilitärkommission.

Karlsruhe, 31. Juli 1866 Auf dem Wiener Kongreß wurde unter dem 8. Juni 1815 ein völkerrechtlicher Verein der einzelnen souveränen deutschen Monarchien und freien Städte gegründet und derselbe als unauflöslich erklärt. Dieser Deutsche Bund hat seither im Wesentlichen unverändert bestanden und durch 50 Friedensjahre hindurch die Zwecke, welche man bei dessen Gründung im Auge hatte, erfüllt. Jedoch hat das deutsche Volk und haben diejenigen Regierungen deutscher Staaten, welchen eine Förderung der materiellen und ideellen Interessen ihrer Länder und des gemeinschaftlichen Vaterlandes am Herzen lag, schon früher die Mangelhaftigkeit der Grundlagen des Bundes und der Leistungen seiner Organe empfunden. Mit den Fortschritten der Zeit, der Bildung und Gesittung des Volkes, mit der Erstarkung des Selbstgefühls der Nation trat das Bewußtsein dieser Ungenügendheit immer stärker und in weiteren Kreisen hervor; es wurden bestimmte und berechtigte Forderungen einer Umgestaltung aufgestellt, eine Reform aber nicht erzielt. Nachdem insbesondere die in den Jahren 1848 bis 1850 von dem deutschen Volk unter Mitwirkung der Mehrzahl der Regierungen der deutschen Bundesstaaten, sodann von einzelnen dieser Regierungen versuchte Umgestaltung des Deutschen Bundes gescheitert war, wurde derselbe in seiner frühern Verfassung wieder hergestellt. Auch eine im Jahr 1863 zu Frankfurt a. M. stattgehabte Zusammenkunft fast sämmtlicher deutscher Fürsten und der Vertreter der freien Städte hat eine Verbesserung nicht herbeizuführen vermocht, und es mußte das damalige Projekt von den vereinigten Fürsten und Vertretern der freien Städte selbst wieder aufgegeben werden. Die über die holsteinische Successionsfrage unter den beiden mächtigsten Bundesgliedern und in der Folge dessen auch unter den übrigen Genossen entstandenen Streitigkeiten haben endlich, leider in der Form eines blutigen innern Krieges, die völlige Unhaltbarkeit dieser politischen Gestaltung Deutschlands nachgewiesen. Der Bund hat sich thatsächlich und stückweise aufgelöst.

Nr. 238

Karlsruhe, 31. Juli 1866

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In der Bundestags-Sitzung vom 14. Juni d. J. hat die Mehrzahl der Bundesversammlung einen von Preußen zum Voraus als Kriegserklärung bezeichneten Beschluß gefaßt und in Folge dessen die königl. preußische Regierung ihren Austritt erklärt; zahlreiche Staaten des nördlichen und mittlern Deutschlands sind ihr darin rasch hintereinander gefolgt. Und wenn dann auch Oesterreich, die süddeutschen Staaten und einige durch die Kriegsereignisse thatsächlich einer Regierungsgewalt entkleideten Souveräne bis in die jüngste Zeit an der grundgesetzlichen Unauflöslichkeit festgehalten haben, so ist doch der Bestand des Bundes mehr und mehr nur zur rechtlichen Fiktion geworden. Aber auch diese Fiktion ist erloschen. Nach durchaus glaubhaftem Vernehmen hat sich die Präsidialmacht Oesterreich in Folge ungünstiger kriegerischer Ereignisse veranlaßt gesehen, ihr völliges Ausscheiden aus dem Bund als Hauptpunkt von Friedenspräliminarien zuzugestehen; andere Regierungen sind, jede für sich, in gleichen Verhandlungen begriffen; so bilden also fast nur noch die Vertreter der Minderzahl der deutschen Bundesstaaten, zugleich der minder bedeutenden derselben, und darunter thatsächlich ihrer Regierungsgewalt entkleideter Regierungen, außerhalb des bundesgesetzlichen ­Sitzes, das Organ des vormaligen Deutschen Bundes. Die Regierung Eurer Königlichen Hoheit hat sich bis zum letzten Augenblick dem bisherigen einheitlichen Bande der deutschen Stämme nicht ent­ zogen, obgleich sie dessen Mangelhaftigkeit lebhafter als vielleicht manch andere Regierung längst anerkannt hatte. Sie hoffte bis in die letzte Zeit, in dem Bund wenigstens einen Ausgangspunkt zu einer genügenden nationalen Gestaltung zu finden. Bei gegenwärtiger Sachlage kann sie aber diese Aussicht nicht mehr festhalten. Man vermag schon auf den Grund der jetzt vorliegenden, wenn auch unvollständigen, doch authentischen Nachrichten, und noch mehr nach vollständigerem Einblick in die in der letzten Zeit gepflogenen und gegenwärtig schwebenden Verhandlungen nachzuweisen, daß ein Theil der bisher verbündeten Regierungen durch Separatverhandlungen und Separatverträge, von denen selbst nach erfolgtem Abschluß Eurer Königlichen Hoheit Regierung noch keine Kenntniß gegeben ward, den badischen Staat in die dringendste Gefahr gebracht haben. Eurer Königlichen Hoheit Regierung war veranlaßt, Angesichts dieser Gefahr das Heer aus den Reihen des 8. Bundes-Armeekorps zurückzuziehen, damit es nicht in die Lage komme, mit den Truppen weniger Verbündeten schließlich allein einem übermächtigen Gegner preisgegeben zu sein.1 1 Das 8. Bundesarmeekorps wurde gebildet von militärischen Einheiten aus Württemberg, ­Baden, Großherzogtum Hessen und Frankfurt. Jeder Staat mußte einen Truppenanteil stellen,

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Protokoll der Bundesversammlung

Nr. 239

Gegenüber diesen Thatsachen handelt es sich für die großh. Regierung nicht sowohl um einen Austritt aus dem Bund, als vielmehr um den formellen Ausspruch, daß der Deutsche Bund nicht mehr bestehe. Dieser formelle Ausspruch scheint Eurer Königlichen Hoheit Regierung im Interesse des Landes2 und Volkes dringend geboten. Wir erachten uns unter diesen Umständen für verpflichtet, an Eure Königliche Hoheit den unterthänigsten Antrag zu stellen: Allerhöchstdieselben wollen zunächst und vorbehaltlich weiterer Schritte geruhen, den großh. Bundestagsgesandten aus der bisherigen Bundesversammlung abzuberufen und denselben mit einer entsprechenden Erklärung über diesen Schritt beauftragen; ebenso den großh. Bevollmächtigten bei der Bundes-Militärkommission zurückzubeordern.3   Protokoll der Bundesversammlung 

239. Protokoll der Deutschen Bundesversammlung

ProtDBV 1866, S. 441 f. Druck: Corpus Juris Confoederationis Germanicae, Bd. 3, S. 664 f.; Ko­ tulla, Deutsches Verfassungsrecht, Bd. 1, S. 833 f.; Brandt u. a. (Hrsg.), Handbuch zur europäischen Verfassungsgeschichte, T. 3, CD-ROM, Nr. 11.1.2.2.5.

Die Bundesversammlung beendigt ihre Tätigkeit, da der Bund „als aufgelöst betrach­ tet werden muß“.

40. Sitzung

Stuttgart, 24. August 1866

§ 261. Beendigung der Thätigkeit der Deutschen Bundesversammlung und Fürsorge für Leitung und Abwickelung der seitherigen Bundesgeschäfte. Präsidium. Nachdem in Folge der Kriegsereignisse und der Friedensverhandlungen der Deutsche Bund als aufgelöst betrachtet werden muß, beantragt Präsidium, hohe Bundesversammlung wolle beschließen: 1) ihre Thätigkeit mit der heutigen Sitzung zu beendigen; der einem Hundertstel seiner Bevölkerung entsprach. Nach der Bundesmatrikel von 1860 hatte Baden mit einer Bevölkerung von 1 000 000 Einwohnern ein Kontingent von 10 000 Soldaten zu stellen. Die Gesamtstärke des 8. Bundesarmeekontingents lag bei gut 30 000 Mann. Vgl. Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 324 f.; Müller, Der Deutsche Bund 1850–1866. 2 Emendiert. Vorlage: Bundes. 3 Der badische Bundestagsgesandte Mohl und der Generalleutnant von Boeckh wurden demnach aus der in Augsburg tagenden Bundesversammlung und der Militärkommission abberufen; Karlsruher Zeitung Nr. 182 vom 2. August 1866.

Nr. 239

Stuttgart, 24. August 1866

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2) hiervon die bei dem Deutschen Bunde beglaubigten Vertreter fremder Mächte, sowie 3) die Militärcommission, die Gouverneure der Bundesfestungen und den bisherigen Bundescommissär für Kurhessen zu benachrichtigen. Umfrage.

Oesterreich, Bayern, Königreich Sachsen und Württemberg: treten dem Präsidialantrage bei. Hannover. Der Gesandte stimmt dem Antrage zu, indem er seinem Allerhöchsten Souverain alle und jede aus dem Bundesvertrage und den Bundesgrundgesetzen herfließenden Rechte und Ansprüche vorbehält. Kurhessen. Der Gesandte befindet sich in Folge der fortdauernden Gefangenhaltung Seiner Königlichen Hoheit des Kurfürsten ohne specielle Instruction, kann indessen dem Antrage, daß die Bundesversammlung aus Anlaß der stattgehabten Ereignisse ihre Thätigkeit einstelle, nicht widersprechen und muß seinem Allerhöchsten Mandanten alle aus dem Bundesverhältnisse herzuleitenden Rechte und Zuständigkeiten jeder Art feierlichst vorbehalten. Großherzogthum Hessen und die dreizehnte Stimme: treten dem Präsidialantrage bei. Sechzehnte Stimme. Nach den über den Fortbestand des Deutschen Bundes und der Bundesversammlung, sowie über den Austritt und über die Beendigung der Thätigkeit der deutschen Bundesversammlung eben erfolgten verschiedenen Erklärungen in dieser hohen Versammlung bleibt dem Gesandten der sechzehnten Stimme nunmehr gegenüber dem eingetretenen thatsächlichen Bestande noch übrig, für die Fürstlich-Liechtensteinische Regierung die aus dem Bundesverhältnisse zustehenden Rechte und alle sonstigen Zuständigkeiten ausdrücklich zu wahren. Der Präsidialantrag wurde hierauf zum Beschlusse erhoben. In Betreff der interimistischen Fürsorge für Leitung und Abwickelung der seitherigen Bundesgeschäfte hat die Bundesversammlung, unbeschadet der den einzelnen Regierungen zustehenden Rechte und Ansprüche an das Bundes­eigenthum, sowie der in den Friedensverträgen mit Preussen wegen Auseinandersetzung des Bundeseigenthums zu treffenden Bestimmungen, einhellig beschlossen:

1) auszusprechen, daß den früher im Bunde vereinigt gewesenen Regierungen anheimzugeben sei, baldmöglichst, etwa durch Niedersetzung einer Commission, für geeignete Bereinigung der aus dem seitherigen Bunde entsprungenen und noch nicht erledigten Verhältnisse Sorge tragen zu wollen;

1078

Protokoll der Bundesversammlung

Nr. 239

2) folgende Anordnungen zu treffen: Bis zur demnächst stattfindenden Liquidirung des Bundeseigenthums wird eine Deputation der Militärcommission die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Bundesfestungen besorgen, wobei sie für die größtmögliche Sparsamkeit verantwortlich gemacht wird. Bis dahin und bis zur Abwicklung des Liquidationsgeschäftes hat die Bundes­canzlei-Direction in Thätigkeit zu verbleiben. Es liegt ihr zunächst die Ueber­wachung der Cassegeschäfte und des Beamtenpersonals, sowie auch die Anweisung der in Folge von Bundesbeschlüssen und für die Regieverwaltung aus der Bundescasse auszuzahlenden Beträge ob. Die in Militärangelegenheiten unumgänglich nothwendigen Zahlungsanweisungen erfolgen unter gemeinschaftlicher Zeichnung der BundescanzleiDirection und der Deputation der Militärcommission; 3) von diesen provisorischen Anordnungen der Militärcommission, den Gouverneuren der Bundesfestungen, der Bundescanzlei-Direction und der Bundescassen-Verwaltung Kenntniß zu geben.

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen Abt. Abteilung ADB Allgemeine Deutsche Biographie AGKK Akten zur Geschichte des Krimkriegs Anm. Anmerkung Art. Artikel Aufl. Auflage BA Bundesarchiv B.A. Bundesakte B.B. Bundesbeschluß Bd. Band Bearb. Bearbeiter br. m. brevi manu (lat.): kurzerhand Bstages Bundestages B.T. Bundestag B.V. Bundesversammlung B.Verfassung Bundesverfassung c. currentis (lat.: des laufenden [Monats, Jahres]) cfr. confero (lat.: vergleiche) CJCG Corpus Juris Confoederationis Germanicae DBA Deutsche Bundesakte DBE Deutsche Biographische Enzyklopädie DBV Deutsche Bundesversammlung ddo de dato Dep. Depositum ders. derselbe dies. dieselbe(n) d. J(s). dieses Jahres d. M(ts). dieses Monats Dictionary of National Biography DNB Dok. Dokument Ebd. Ebendort ec. et cetera E. D. Euer Durchlaucht Ed(s). Editor(s), Editeur(s) E. E. Euer Exzellenz E. H. Euer Hochwohlgeboren ejsd. ejusdem (lat.: am selben) eod. eodem (lat.: am selben)

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Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

Euer Ew.; Ewr. Ex. Exzellenz Expeditionsvermerk, Auslaufdatum Exped. f.; ff. folgende FA Familienarchiv Fasz. Faszikel Fhr. Freiherr fl. Gulden folio (lat.: Blatt) fol. Frh.; Frhr. Freiherr Gf. Graf GHA Geheimes Hausarchiv GLA Generallandesarchiv Grf. Graf GStA Geheimes Staatsarchiv H.; Hr.; Hn. Herr(n) HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv Hrsg. Herausgeber HStA Hauptstaatsarchiv I. I. M. M. Ihre Majestäten Invol. Involut k. königlich k. k. kaiserlich-königlich ksrl. kaiserliche, kaiserlichen lat. lateinisch Lect. (in Cur.) Lectus (in Curia) (lat.: Verlesen im Senat) Leg.-Rat Legationsrat LHA Landeshauptarchiv l. M(ts). laufenden Monats Loc. Locat m./p. manu propria (lat.: eigenhändig) Nota Bene! (lat.: beachte!) N.B. NDB Neue Deutsche Biographie Ndr. Nachdruck NL Nachlaß No.; Nr.; Nro.; Num. Nummer ÖBL Österreichisches Biographisches Lexikon o. J. ohne Jahr o. O. ohne Ort pagina (lat.: Seite) pag. pCt Prozent



Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

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perge, perge (lat.: und so weiter) praemissis praemittendis (lat.: man nehme an, der gebührende Titel sei vorausgeschickt) prior (lat.: vorherig) pr. Praes. Praesentatum (Einlaufdatum) ProtDBV Protokolle der deutschen Bundesversammlung Q Quartausgabe QGDB Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes r recto (lat.: Vorderseite) Regierung Rgg; Regg Reggn Regierungen Rep. Repositur, Repositorium Rh. Reihe S. Seite Se; Se. Seine seq. sequens (lat.: folgend) s. g. sogenannte(n) S. K. H. Seine Königliche Hoheit Seine kaiserlich königliche S. k. k. S. K. M. Seine Königliche Majestät S. M. Seine Majestät Sr. Seiner StA Staatsarchiv T. Teil unser allergnädigster Herr u. a. g. H. u. d. gl. und dergleichen ut. in litt. ut in litteris (lat.: wie im Brief) v verso (lat.: Rückseite) v. von vgl. vergleiche vorigen Monats v. M(ts). Volume; Volumen Vol. World Biographical Information System WBIS WSA; W.Schl.A. Wiener Schlußakte xbr. Dezember zit. zitiert pp; p.p.; p. P.P.

Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Ungedruckte Quellen (Archivalien) Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde Bestand: DB 1/I Nr. 75 Nr. 95 Nr. 424 (2) Bundesarchiv Koblenz Bestand: Kleine Erwerbungen Nr. 319–9 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin I. Hauptabteilung, Rep. 75 A: Preußische Gesandtschaft am Bundestag 1816–1866 Nr.  185 Nr.  187 Nr.  188 Nr.  190 Nr.  191 Nr.  192 Nr.  193 Nr.  275 Nr.  284 Nr.  286 Nr.  287 Nr.  289 I. Hauptabteilung, Rep. 81: Gesandtschaft Dresden (nach 1807) Nr.  442 I. Hauptabteilung, Rep. 81: Gesandtschaft München Nr.  389 I. Hauptabteilung, Rep. 81: Gesandtschaft Wien I (nach 1807) Nr. 237, Bd. 4 I. Hauptabteilung, Rep. 81: Gesandtschaft Wien II (nach 1807) Nr.  302, Vol. 2 Nr.  322, Vol. 1   III. Hauptabteilung: Preußisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Bestand MdA I Nr.  2010/53 Nr.  2010/54 Nr.  2010/58 Nr.  2010/59 Nr.  2010/62 Nr.  2010/63 Nr.  2010/64

1084

Quellen- und Literaturverzeichnis

Nr.  2010/65 Nr.  2010/66 Nr.  2010/69 Nr.  2010/70 Nr.  2010/71 Nr.  2010/76 Nr.  3843/11 Staatsarchiv Bremen Bestand 2–M.4.i: Versuche einzelner deutscher Staaten zur Reform der Verfassung des Deutschen Bundes; insbesondere Frankfurter Fürstentag 1850–1866 Bestand 2–P.6: Rat/Senat Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Bestand 10717: Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Nr.  939 Nr.  940 Nr.  942 Nr.  1010/1 Nr.  2910 Bestand 10718: Bevollmächtigter des Königreiches Sachsen bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt am Main Nr.  123 Nr.  125 Nr.  129 Nr.  213 Nr.  897 Bestand 10722: Sächsische Gesandtschaft für Bayern, München Nr.  51 Bestand 10730: Sächsische Gesandtschaft für Österreich, Wien Nr.  165 Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg Bestand 132–5/5, III c 6 Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover (vormals Hauptstaatsarchiv) Dep. 103: Archiv des ehemaligen Hannoverschen Königshauses Bestand VI: Akten der hannoverschen Gesandtschaften, insbesondere zu Frankfurt Nr.  429 Nr.  663 Nr.  1133 Bestand VIII: Kabinettsakten Auswärtige Politik Nr.  89 Nr.  90 I Nr.  93 I Nr.  291 Nr.  294



1. Ungedruckte Quellen

1085

Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe Bestand 48: Haus- und Staatsarchiv III. Staatssachen Nr. 1484 Nr.  1526 Nr.  1527 Archiv der Hansestadt Lübeck Bestand: Alte Senatsakten, Deutscher Bund B 15.1 B 91 Hessisches Staatsarchiv Marburg Bestand 9a: Kurhessisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und des Hauses (1821–1867) Nr.  641 Nr.  643 Bestand 73: Hessische Landstände (1509–1866) Nr. 475, Bd. 3 Nr.  1361 Bestand 300: Haus Hessen (1629–1875) C 21, Nr. 15 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Abt. II: Neuere Bestände Bestand MA (Ministerium des Äußeren) Nr. 491 Nr. 493/2 Nr. 494 Nr. 506 Nr. 507 Nr. 508 Bestand Bayerische Gesandtschaft Berlin Nr.  656 Nr.  657 Bestand Bayerische Gesandtschaft Bundestag Nr.  38 Nr.  167 Nr.  259 Bestand Bayerische Gesandtschaft Dresden Nr.  925 Bestand Bayerische Gesandtschaft Hannover Nr.  119 Bestand Bayerische Gesandtschaft Wien Nr.  1704 Nr.  1705 Nr.  1706 Nr.  1707 Nr.  1708

1086

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abt. III: Geheimes Hausarchiv Kabinettsakten König Maximilians II. Nr.  27 a Nr.  27 h Nr.  27 i Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Oldenburg (vormals Staatsarchiv Oldenburg) Bestand 31: Kabinettsregistratur Oldenburg (1774–1868) 15-13, Nr. 95 II 15-16, Nr. 30 I Landeshauptarchiv Schwerin Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten (MdaA) Nr.  99 Nr.  100 Württembergisches Hauptstaatsarchiv Stuttgart Bestand E 33: Geheimer Rat II 1806–1911 Büschel 1145 Bestand E 50/01: Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten betr. Württembergische Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt am Main 1816–1866 Büschel 870 Büschel 1321 Bestand E 65: Württembergische Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt am Main (1806–) 1815–1866 Büschel 81 Büschel 105 Bestand E 70 b: Württembergische Gesandtschaft in Wien 1806–1894 Büschel 361 Büschel 363 Bestand E 70 f: Württembergische Gesandtschaft in Baden 1806–1871, 1893–1933 Büschel 164 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Außenstelle Gotha Bestand Staatsministerium Dep. I Loc. 5*a Nr.  2 Nr.  3 Loc. 5*b Nr.  8 Österreichisches Staatsarchiv Wien, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Bestand Politisches Archiv des Ministeriums des Äußeren (PA) Abt. I: Nachlaß Rechberg Nr.  528 Abt. II: Deutscher Bund 1849–1870 Nr.  73



2. Gedruckte Quellen

1087

Nr.  101 Abt. IV: Gesandtschaft München Nr.  34 Nr.  35 Abt. V: Gesandtschaft Dresden 1848–1918 Nr.  80 Nr.  83 Abt. VI: Gesandtschaft Stuttgart Nr.  58 Bestand Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt Nr.  33 Nr.  34 Nr.  35 Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 130 II: Herzoglich-Nassauisches Hausarchiv Nr.  2123k Abt. 210: Nassauisches Staatsministerium Nr.  1200 Nr.  3438 Nr.  3439 Nr.  11389 Nr.  11433 2. Gedruckte Quellen a) Akten, Protokolle, Werkausgaben Akten zur Geschichte des Krimkriegs [AGKK]. Hrsg. v. Winfried Baumgart. Serie I: Österreichische Akten zur Geschichte des Krimkriegs. Bd. 1–3. Serie II: Preußische Akten zur Geschichte des Krimkriegs. Bd. 1–2. Serie III: Englische Akten zur Geschichte des Krimkriegs. Bd. 1–4. München/Wien 1979–1991. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch und Einführungs-Gesetz. Vom 24. Juni 1861. Allgemeine Deutsche Wechsel-Ordnung und Gesetz, betreffend die Einführung derselben. Vom 15. Februar 1850. Nebst Sachregistern. Berlin 1861. Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch. Hrsg. mit Kommentar v. Chr. F. Koch. Berlin 1863. Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch von 1861. Allgemeine deutsche Wechselordnung von 1848 in den Ausgaben für das Großherzogtum Baden. Aalen 1973. Die auswärtige Politik Preußens 1858–1871. Diplomatische Aktenstücke. Hrsg. v. der Historischen Reichskommission unter Leitung von Arnold Oskar Meyer/Erich Brandenburg/Otto Hoetzsch/Hermann Oncken. 12 Bde. Berlin 1932–1945. – Bd. 7 hrsg. v. Winfried Baumgart. (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 36.) Berlin 2008. Beilagen zu den Verhandlungen des Kurhessischen Landtags vom 27. October 1862 bis 31. October 1863. Landtagsperiode 1861–1863. Kassel 1863.

1088

Quellen- und Literaturverzeichnis

Biefang, Andreas (Hrsg.), Der Deutsche Nationalverein 1859–1867. Vorstands- und Ausschußprotokolle. Düsseldorf 1995. Bismarck, Otto Fürst von, Die gesammelten Werke. Bd. 1–15. Berlin 1924–1935. Bismarck, Otto von, Werke in Auswahl. 8 Bde. Jahrhundertausgabe zum 23. September 1862. Hrsg. v. Gustav Adolf Rein u. a. Darmstadt 1962–1982. Brandt, Peter/Daum, Werner/Kirsch, Martin/Schlegelmilch, Arthur (Hrsg.), Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert. Institutionen und Rechts­praxis im gesellschaftlichen Wandel. T. 3: 1848–1870. CD-ROM. Bonn 2015. British Envoys to Germany, 1816–1866. Vol. 4: 1851–1866. Ed. by Markus Mösslang, Chris Manias, and Torsten Riotte. (Camden Fifth Series, Vol. 37.) Cambridge 2010. Chronologische Sammlung der im Jahre 1863 bis 1. Februar 1864 ergangenen ­Verordnungen, Verfügungen ec. für das Herzogthum Schleswig / Chronologisk Samling af de i Aaret 1863 og indtil 1. Februar 1864 emanerede Forordninger, Rescripter ec. for Hertugdommet Slesvig. Schleswig 1865. Corpus Juris Confoederationis Germanicae oder Staatsacten für Geschichte und öffentliches Recht des Deutschen Bundes. Nach officiellen Quellen hrsg. v. Philipp Anton Guido von Meyer. Ergänzt und bis auf die neueste Zeit fortgeführt v. Heinrich Zoepfl. 3 Bde. 3. Aufl. Frankfurt am Main 1858–1865. Dokumente aus geheimen Archiven. Bd. 5: Die Polizeikonferenzen deutscher Staaten 1851–1866. Präliminardokumente, Protokolle und Anlagen. Eingel. u. bearb. v. Friedrich Beck u. Walter Schmidt. (Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam, Bd. 27.) Weimar 1993. Engelberg, Ernst (Hrsg.), Im Widerstreit um die Reichsgründung. Eine Quellensammlung zur Klassenauseinandersetzung in der deutschen Geschichte von 1849 bis 1871. Eingeleitet, ausgewählt und in Verbindung mit Doris Schmidt bearb. v. Rolf Weber. Berlin 1970. Fenske, Hans (Hrsg.), Vormärz und Revolution 1840–1849. (Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 4.) Darmstadt 1976. Fleck, Peter/Franz, Eckhart G. (Hrsg.), Die nachrevolutionären Landtage des Großherzogtums Hessen 1849–1856. Reden aus den parlamentarischen Debatten. (Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission, N. F., Bd. 28; Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen, Nr. 25.) Darmstadt 2008. Goethe, Johann Wolfgang von, Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. München 1981. Handels-Vertrag zwischen Preußen (Zollverein) und Frankreich: Enthaltend: 1. den Handels-Vertrag nebst den vollständigen neuen Tarifen. 2. den Schifffahrts-Vertrag. 3. die Uebereinkunft, betr. die Zoll-Abfertigung des internationalen Verkehrs auf den Eisenbahnen. 4. das Schluß-Protokoll. 5. die Uebereinkunft wegen gegenseitigen Schutzes der Rechte an literarischen Erzeugnissen u. Werken der Kunst. Erster vollständiger Abdruck des authentischen Textes. Berlin 1862. Online unter: URL: http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10291024.html. Hartwig, Wolfgang/Hinze, Helmut (Hrsg.), Vom Deutschen Bund zum Kaiserreich 1815–1871. (Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. v. Rainer A. Müller, Bd. 7.) Stuttgart 1997. Heine, Heinrich, Säkularausgabe. Werke, Briefwechsel, Lebenszeugnisse. Hrsg. von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar und dem Centre National de la Recherche Scientifique in Paris. Berlin 1970 ff.



2. Gedruckte Quellen

1089

Hohlfeld, Johannes (Hrsg.), Dokumente der Deutschen Politik und Geschichte von 1848 bis zur Gegenwart. Ein Quellenwerk für die politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung. Bd. 1–8. Berlin [1951 ff.]. Huber, Ernst Rudolf (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850. 3. Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1978. Bd. 2: Deutsche Verfassungsdokumente 1851–1900. 3. Aufl. Stuttgart/Berlin/ Köln/Mainz 1986. Ilse, Leopold Friedrich (Hrsg.), Protocolle der deutschen Ministerial-Conferenzen gehalten zu Wien in den Jahren 1819 und 1820. Frankfurt am Main 1860. Jansen, Christian (Bearb.), Nach der Revolution 1848/49: Verfolgung, Realpolitik, Nationsbildung. Politische Briefe deutscher Liberaler und Demokraten 1849–1861. Düsseldorf 2004. Juvenal, Satiren. Lateinisch-Deutsch. Hrsg. v. Joachim Adamietz. (Sammlung Tusculum). München/Zürich 1993. Klüber, Johann Ludwig (Hrsg.), Acten des Wiener Congresses in den Jahren 1814 und 1815. 9 Bde. Erlangen 1815–1819, Ndr. Osnabrück 1966. Kotulla, Michael, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918. Eine Dokumentensammlung nebst Einführungen. Bd. 1–3. Berlin 2006–2010. Larsen, L. C. (Hrsg.), Forfatnings-og Valglove for det danske Monarchie og dets ­enkelte Landsdele, med flere de repraesentative Forhold vedkommende Actstykker. / Verfassungs- und Wahlgesetze für die dänische Monarchie und ihre einzelnen Landes­theile, nebst mehreren die repräsentativen Verhältnisse betreffenden Actenstücken. Kopenhagen 1856. Meisner, Heinrich, Gedichte von Ernst Moritz Arndt. Vollständige Sammlung. Bd. 2. Leipzig 1894. Malettke, Klaus (Hrsg.), Die Schleswig-Holsteinische Frage (1862–1866). Göttingen 1969. Marx/Engels Gesamtausgabe. Abt. I, Bd. 18: Werke, Artikel, Entwürfe. Oktober 1859 bis Dezember 1860. Berlin 1984. Mitteilungen über die Verhandlungen des außerordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen während des Jahres 1866. Dresden 1866. Nouveau recueil général de traités, conventions et autres transactions remarquables, servant à la connaissance des relations étrangères des puissances et états dans leurs rapports mutuels. Rédigé sur copies, collections et publications authentiques. Continuation du grand recueil de G. Fr. de Martens par Charles Samwer et Jules Hopf. Tome XVIII. Göttingen 1873. Oncken, Hermann (Bearb.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die deutsche Politik von 1854–1871. Briefwechsel, Denkschriften, Tagebücher. Hrsg. v. der Badischen Historischen Kommission. 2 Bde. (Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts, Bd. 22/23.) Stuttgart/Berlin/Leipzig 1927. Protocolle der Commission zur Berathung einer allgemeinen Civilprozeßordnung für die deutschen Bundesstaaten. Eingel. u. neu hrsg. v. Werner Schubert. 18 Bde. Frankfurt am Main 1985 (Ndr. der Ausgabe Hannover 1862–1866). Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handels­ gesetz-Buches. 11 Bde. Nürnberg 1857–1863. Eingeleitet u. neu hrsg. v. Werner Schubert. Frankfurt am Main 1984. Protokolle der Commission zur Einführung gleichen Maßes und Gewichtes in den deutschen Bundesstaaten. Frankfurt a. M. [1865].

1090

Quellen- und Literaturverzeichnis

Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obliga­ tionenrechtes. Eingel. u. neu hrsg. v. Werner Schubert. 6 Bde. Frankfurt am Main 1984 (Ndr. der Ausgabe Dresden 1863–1866). Protokolle der Deutschen Bundesversammlung von 1816–1866. Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes. Für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hrsg. v. Lothar Gall. Abt. I: Quellen zur Entstehung und Frühgeschichte des Deutschen Bundes 1813– 1830. Bd. 1: Die Entstehung des Deutschen Bundes 1813–1815. Bearb. von. Eckhardt Treichel. München 1998. – Bd. 2: Organisation und innere Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1815–1819. Bearb. v. Eckhardt Treichel. München 2015. Abt. II: Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes 1830–1848. Bd. 1: Reformpläne und Repressionspolitik 1830–1834. Bearb. v. Ralf Zerback. München 2003. Abt. III: Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes 1850–1866. Bd. 1: Die Dresdener Konferenz und die Wiederherstellung des Deutschen Bundes 1850/51. Bearb. v. Jürgen Müller. München 1996. – Bd. 2: Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und Reform 1851–1858. Bearb. v. Jürgen Müller. München 1998. – Bd. 3: Der Deutsche Bund in der nationalen Herausforderung 1859–1862. Bearb. v. Jürgen Müller. München 2012. Radowitz, Joseph von, Gesammelte Schriften. Bd. 3. Berlin 1853. Real, Willy (Hrsg.), Karl Friedrich von Savigny 1814–1875. Briefe, Akten, Aufzeichnungen aus dem Nachlaß eines preußischen Diplomaten der Reichsgründungszeit. 2 Bde. Boppard 1981. Regierungs-Blatt für das Königreich Württemberg 1855. Schleswig-Holsteinische Anzeigen für das Jahr 1848, N. F., 12. Jg. Glückstadt [1848]. Schüler, Winfried (Hrsg.), Nassauische Parlamentsdebatten. Bd. 2: Revolution und Reaktion 1848–1866. Bearb. v. Herbert Reyer u. Winfried Schüler. (Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen, Bd. 1.) Wiesbaden 2010. Schulthess, Heinrich (Hrsg.), Europäischer Geschichtskalender. 4.–7. Jahrgang 1863– 1867. Nördlingen 1861–1864. Seier, Hellmut (Hrsg.), Akten und Dokumente zur kurhessischen Parlaments- und Verfassungsgeschichte 1848–1866. Bearb. v. Ulrich von Nathusius und Hellmut Seier. (Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen, 4; Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 48/2.) Marburg 1987. Srbik, Heinrich von (Hrsg.), Quellen zur deutschen Politik Österreichs 1859 bis 1866. 5 Bde. (Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts, Bd. 29–33.) Oldenburg 1934–1938. Das Staatsarchiv. Sammlung der officiellen Actenstücke zur Geschichte der Gegenwart. Hrsg. v. Ludwig Karl Aegidi u. Alfred Klauhold. Bd. 4-9. Hamburg 1863– 1867. Stone, James/Winfried Baumgart (Hrsg.), Heinrich VII. Prinz Reuß. Botschafter unter Bismarck und Caprivi. Briefwechsel 1871−1894. Paderborn 2015. Verhandlungen des dritten Congresses deutscher Abgeordneter am 20. Mai 1866 zu Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 1866. Verhandlungen der Großdeutschen Versammlung zu Frankfurt a. M. vom 28. October 1863: ausgegeben den 2. November 1863. Frankfurt am Main 1863. Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages vom Jahre 1855/56. Stenographische Berichte Nr. 1–32. München o. J.



2. Gedruckte Quellen

1091

Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1866/69. Stenographische Berichte. Bd. 1. München 1869. Verhandlungen des gemeinschaftlichen Landtags der Herzogthümer Coburg und ­Gotha 1865–1868. Verhandlungen des Kurhessischen Landtags vom 27. Oktober 1863 bis zum 31. Oktober 1863. Landtagsperiode 1861/63. Zweite Kammer. Kassel 1863. Verhandlungen des Kurhessischen Landtags vom 17. December 1863 bis zum 22. December 1864. Landtagsperiode 1864/66. Zweite Kammer. Kassel 1866. Verhandlungen des Kurhessischen Landtags vom 24. Januar bis 18. Juni 1866. Landtagsperiode 1864/66. Zweite Kammer. Kassel 1866. Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten in den Jahren 1862 bis 65, 3. Protokoll-Band. Stuttgart 1862–1865. Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten auf dem außer­ ordentlichen Landtage im Mai und Juni 1866. Protokoll- und Beilagen-Band. Stuttgart 1866. Verhandlungen des zweiten Kongresses deutscher Abgeordneter in Frankfurt a. M. am 21. und 22. August 1863. Frankfurt a. M. o. J. [1863]. b) Zeitungen, Zeitschriften und Chroniken (Augsburger) Allgemeine Zeitung. Augsburg, Jahrgang 1863. Bayerische Zeitung. München, Jahrgang 1863, 1866. Berliner Allgemeine Zeitung. Berlin, Jahrgang 1863. Constitutionelle Zeitung. Dresden, Jahrgang 1863, 1865. Die Debatte und Wiener Lloyd, 3. Jahrgang 1866. Deutsche Vierteljahrs-Schrift, 26. Jahrgang 1863. Dresdner Journal. Dresden, Jahrgang 1864, 1865, 1866. L’Europe. Frankfurt, Jahrgang 1865, 1866. Fränkische Volkszeitung. Nürnberg, Jahrgang 1863. Frankfurter Anzeiger. Frankfurt, Jahrgang 1863. Frankfurter Journal. Frankfurt, Jahrgang 1863, 1864, 1865, 1866. Frankfurter Latern. Frankfurt, Jahrgang 1863. Frankfurter Postzeitung. Frankfurt, Jahrgang 1863. Frankfurter Reform. Frankfurt, Jahrgang 1863. Karlsruher Zeitung. Karlsruhe, Jahrgang 1863, 1864, 1866. Königlich Preußischer Staats-Anzeiger. Berlin, Jahrgang 1863, 1866. Leipziger Zeitung. Leipzig, Jahrgang 1864. Mainzer Journal. Mainz, Jahrgang 1863. Neue Frankfurter Zeitung (Frankfurter Handelszeitung). Frankfurt, Jahrgang 1866. Neuer Bayerischer Kurier für Stadt und Land. München, Jahrgang 1866. Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik. München, Jahrgang 1866. Norddeutsche Allgemeine Zeitung. Berlin, Jahrgang 1863. Die Presse. Wien, Jahrgang 1865. Schwäbische Kronik. Stuttgart, Jahrgang 1863. Staatsanzeiger für Württemberg. Stuttgart, Jahrgang 1864. Süddeutsche Zeitung. München, Jahrgang 1863. The Times. London, Jahrgang 1864. Wetterauer Bote. Butzbach, Jahrgang 1866.

1092

Quellen- und Literaturverzeichnis

Wiener Abendpost. Wien, Jahrgang 1863. Wiener Zeitung. Wien, Jahrgang 1863. Wochenblatt des Deutschen Reformvereins. Frankfurt am Main, Jahrgang 1863. Zirndorffer’sches Intelligenzblatt, Jahrgang 1863. c) Politische Schriften, Flugschriften und Darstellungen bis 1866 Beschluß des Deutschen Abgeordnetentages vom 21. August 1863 und dessen Begründung durch Herrn Prof. Häusser aus Heidelberg. Frankfurt am Main 1863. Der Fürsten-Congreß in seinem geschichtlichen Zusammenhange. Nebst der Ansprache Sr. K. K. Apostolischen Majestät und dem vorgelegten Entwurfe einer Reformakte des Deutschen Bundes, Frankfurt am Main 1863. Heeren, A[rnold] H[ermann] L[udwig], Der Deutsche Bund in seinen Verhältnissen zu dem Europäischen Staatensystem; bey Eröffnung des Bundestags dargestellt. Göttingen 1816. Die Londoner Conferenz zu Beilegung des deutsch-dänischen Streites. Nach authentischen Quellen bearbeitet. Separatabdruck aus der Leipziger Zeitung. Leipzig 1864. Rechtsgutachten bezüglich der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, erstattet aufgrund des Allerhöchsten Erlasses vom 14. Dezember 1864 vom KronSyndikat. Berlin 1866. Die Reform des deutschen Bundestags. Eine Berichterstattung an die in Frankfurt a. M. versammelten Abgeordneten von Ludwig Häusser. Frankfurt a. M. 1863. Das erste deutsche Sängerbundesfest zu Dresden, 22.–25. Juli 1865. Ein Gedenkbuch, im Auftrage des Festausschusses herausgegeben. Dresden 1865. Varnbüler, Karl Friedrich Freiherr, Ueber die Frage eines deutschen Heimathrechtes. Besonders abgedruckt aus dem Schwäbischen Merkur. Verlag von Aug. Schaber. Stuttgart/Oehringen 1864. Vogt, Carl, Studien zur gegenwärtigen Lage Europas. Genf/Bern 1859. Votum des königlich bayerischen Bundestagsgesandten Freiherrn von der Pfordten über die Erbfolge in Schleswig-Holstein. Braunschweig 1864. Zoepfl, Heinrich, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, mit besonderer Rücksicht auf das allgemeine Staatsrecht und auf die neuesten Zeitverhältnisse. T. 1–3. 5. Aufl. Leipzig/Heidelberg 1863. d) Memoiren und Tagebücher Beust, Friedrich Ferdinand Graf von, Aus Drei Viertel-Jahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen. 2 Bde. Stuttgart 1887. Bing, Michael, Zur Erinnerung für seine Freunde. Frankfurt am Main 1879. Ernst II. Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, Aus meinem Leben und aus meiner Zeit. 3 Bde. Berlin 1878–1889. Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg, geb. Freiin v. Varnbüler. Aufzeichnungen aus der Hofgesellschaft des Hohenzollernreichs. Ausgewählt u. hrsg. v. Rudolf Vierhaus. (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 43.) 5. Aufl. Göttingen 1989. e) Adreß- und Staatshandbücher Adreß-Buch der freien Hansestadt Bremen und der Hafenstädte Bremerhaven und Vegesack 1863. Bremen o. J.



4. Darstellungen

1093

Adreß-Buch von Cassel und Umgebungen für das Jahr 1863. Kassel 1863. Adreß-Buch von Kassel und Umgebungen für das Jahr 1864. Kassel 1864. Adreß-Buch von Kassel und Umgebungen für das Jahr 1872. Kassel 1872. Adress-Handbuch von Frankfurt am Main 1863. Adreß- und Geschäftshandbuch der königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden. Bd. 10: 1864. Dresden 1864. Adreßbuch der Provinzial-Hauptstadt Mainz geordnet nach dem von der städtischen Behörde eingeführten neuen Systeme der Häuser-Nummerierung. Mainz 1860. Hof- und Staatshandbuch des Kaiserthums Österreich für das Jahr 1866. Wien [1866]. Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Bayern 1865. München o. J. Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogthums Sachsen-Altenburg 1869. Altenburg o. J. Staatshandbuch für die Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha 1865. Gotha o. J. 3. Bibliographien Rosenberg, Hans, Die nationalpolitische Publizistik Deutschlands vom Eintritt der neuen Ära in Preußen bis zum Ausbruch des deutschen Krieges: Eine kritische Bibliographie. 2 Bde. München/Berlin 1935. 4. Darstellungen Angelow, Jürgen, Der Deutsche Bund. Darmstadt 2003. Ders., Von Wien nach Königgrätz. Die Sicherheitspolitik des Deutschen Bundes im europäischen Gleichgewicht 1815–1866. (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 52.) München 1996. Angermann, Erich, Robert von Mohl 1799–1865. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehrten. Neuwied/Berlin 1962. Aschoff, Hans-Georg, Hannover, das Dreikönigsbündnis und die Erfurter Union, in: Gunther Mai (Hrsg.), Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850. Köln/Weimar/Wien 2000, S. 111–136. Barclay, David E., Anarchie und guter Wille. Friedrich Wilhelm IV. und die deutsche Monarchie. Berlin 1995. Bastian, Till, Furchtbare Ärzte. Medizinische Verbrechen im Dritten Reich. München 1995. Baumgart, Winfried, Europäisches Konzert und nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830–1878. (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen, Bd. 6.) Paderborn/München/Wien/Zürich 1999. Ders., Österreich und Preußen im Krimkrieg. Neue Forschungsergebnisse aufgrund der österreichischen Akten, in: Oswald Hauser (Hrsg.), Vorträge und Studien zur preußisch-deutschen Geschichte. (Neue Forschungen zur brandenburgisch-preußischen Geschichte, Bd. 2.) Köln/Wien 1983, S. 45–70. Bibra, Wilhelm Freiherr von, Geschichte der Familie der Freiherrn von Bibra. München 1870. Biefang, Andreas, Massenbasis des Liberalismus? Der Deutsche Nationalverein und die Vereine der Arbeiter, Turner, Schützen und Sänger: „Heil deutschem Wort und Sang!“, in: Friedhelm Brusniak/Dietmar Klenke (Hrsg.), Nationalidentität und

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Abbildungsnachweis Vorsatzblatt: Die Frankfurter Fürstenversammlung 1863 im Sitzungssaal des Thurnund Taxis’schen Palais, Holzstich von E. Hartmann 1863 nach einer Zeichnung von Wilhelm Amandus Beer. S. 35: Karl Wippermann: StA Marburg, Bestand Slg 7, Nr. f 20/47. S. 188: Kaiser Franz Joseph I.: ÖNB/Wien, PORT_00049367_01. S. 189: König Wilhelm von Preußen: Illustrirte Zeitung 1861, S. 25. S. 235: König Johann von Sachsen: https://commons.wikimedia.org. S. 413: Großherzog Friedrich I. von Baden: https://commons.wikimedia.org / Die Gartenlaube 1863. S. 579: König Maximilian von Bayern: Friedrich Lampert, Ludwig II., König von Bayern. Ein Lebensbild. München 1890, S. 29 / Bayerische Staatsbibliothek, Digitale Sammlungen, https://www.bsb-muenchen.de/literatursuche/digitale-sammlungen/ bildsuche. S. 643: Erbprinz Friedrich von Augustenburg: ÖNB/Wien, PORT_00053065_01. S. 713: Alexander Graf von Mensdorff-Pouilly: ÖNB/Wien, PORT_00098067_01. S. 959: Karl Friedrich von Savigny: ÖNB/Wien, PORT_00026866_01.

Konkordanz der Archivsignaturen Einige in den bisherigen Bänden der Abteilung III benutzte Archivalien sind in den letzten Jahren neu verzeichnet worden. Nachfolgend sind die entsprechenden Bestände und Aktennummern aufgelistet. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin III. Hauptabteilung: Preußisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Altsignatur Neue Signatur Nr. 26 MdA I, Nr. 1802/6 Nr. 67 MdA I, Nr. 2010/6 Nr. 76 MdA I, Nr. 2010/15 Nr. 77 MdA I, Nr. 2010/16 Nr. 78 MdA I, Nr. 2010/17 Nr. 88 MdA I, Nr. 2010/19 Nr. 96 MdA I, Nr. 2010/36 Nr. 115 MdA I, Nr. 7509/1 Nr. 118 MdA I, Nr. 7509/4 Nr. 146 MdA I, Nr. 2010/45 Nr. 147 MdA I, Nr. 2010/46 Nr. 148 MdA I, Nr. 2010/47 Nr. 154 MdA I, Nr. 2010/53 Nr. 155 MdA I, Nr. 2010/54 Nr. 156 MdA I, Nr. 2010/55 Nr. 179 MdA I, Nr. 2010/58 Nr. 180 MdA I, Nr. 2010/59 Nr. 188 MdA I, Nr. 2010/62 Nr. 189 MdA I, Nr. 2010/63 Nr. 190 MdA I, Nr. 2010/64 Nr. 193 MdA I, Nr. 2010/65 Nr. 194 MdA I, Nr. 2010/66 Nr. 195 MdA I, Nr. 2010/67 Nr. 196 MdA I, Nr. 2010/68 Nr. 198 MdA I, Nr. 2010/70 Nr. 199 MdA I, Nr. 2010/71 Nr. 203 MdA I, Nr. 2010/75 Nr. 204 MdA I, Nr. 2010/76 Nr. 763 MdA I, Nr. 3843/11



Konkordanz der Archivsignaturen

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Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Alt: Bestand Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten (AM) Neu: Bestand 10717: Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Bestand Bevollmächtigter des Königreiches Sachsen bei der DeutAlt:  schen Bundesversammlung in Frankfurt am Main Neu: Bestand 10718: Bevollmächtigter des Königreiches Sachsen bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt am Main Alt: Bestand Sächsische Gesandtschaft für Bayern, München Neu: Bestand 10722: Sächsische Gesandtschaft für Bayern, München Alt: Bestand Sächsische Gesandtschaft für Österreich, Wien Neu: Bestand 10730: Sächsische Gesandtschaft für Österreich, Wien Die Aktennummern in den jeweiligen Beständen sind unverändert. Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover Vormals: Hauptstaatsarchiv Hannover Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Oldenburg Vormals: Staatsarchiv Oldenburg Hauptstaatsarchiv Stuttgart Altsignatur E 65, Verzeichnis 40, Büschel 8 E 65, Verzeichnis 40, Büschel 53 E 65, Verzeichnis 40, Büschel 61 E 65, Verzeichnis 57, Büschel 155 E 65, Verzeichnis 57, Büschel 310 E 65, Verzeichnis 57, Büschel 313 E 65, Verzeichnis 57, Büschel 316 E 65, Verzeichnis 57, Büschel 324 E 65, Verzeichnis 57, Büschel 329 E 65, Verzeichnis 57, Büschel 335

Neue Signatur E 50/01, Büschel 55 E 65, Büschel 72 E 65, Büschel 81 E 50/01, Büschel 1321 E 50/01, Büschel 310 E 50/01, Büschel 813 E 50/01, Büschel 823 E 50/01, Büschel 857 E 50/01, Büschel 866 E 50/01, Büschel 873

Register Personenregister Fettdruck der Seitenangaben weist auf nähere biographische Abgaben in den Anmerkungen hin. Im Register sind lediglich die Lebensdaten und – bei den direkt beteiligten Personen – die aktuelle Funktion angegeben. Abée, Conrad (1806–1873), kurhessischer Bundestagsgesandter  536, 541, 620 Adam, Ausschußmitglied des Reformvereins  543 Adelheid Marie von Anhalt-Dessau (1833– 1916)  809 f. Adolph Georg Fürst zu Schaumburg-Lippe (1817–1893)  224, 232, 236, 238, 439, 458  Adolph Wilhelm Carl August Friedrich von Nassau-Weilburg, Herzog von Nassau (1817–1905) 204, 223, 232, 236, 238, 439, 458, 810 Alba, Fernando Álvarez de Toledo y Pimentel, Herzog von (1507–1582)  279 Albrecht, Oskar, Bürgermeister in Waltershausen 752 Alexander Ludwig Georg Friedrich Emil Prinz von Hessen und bei Rhein (1823– 1888)  1065 Allmang, Philipp (1799–1867), badischer Abgeordneter  1069 Anschütz, Julius Gottfried, gothaischer Abgeordneter 752 Apponyi von Nagy-Apponyi, Rudolph Graf (1812–1876), österreichischer Botschafter in London  709, 756 Arndt, Ernst Moritz (1769–1860)  665 Arnim-Suckow, Harry Kurt Eduard Freiherr von (1824–1881), preußischer Legationssekretär in Wien  657 f. Auerswald, Alfred von (1797–1870), preußischer Abgeordneter  118 Bar, Carl Ludwig von (1802–1880), Mitglied des hannoverischen Staatsrats  518 Barth, Karl (1811–1886), bayerischer Abgeordneter 591, 592 Beaulieu-Marconnay, Karl Olivier Freiherr von (1811–1889), Bundestagsgesandter des Großherzogtums Sachsen-Weimar  1062

Behaghel, Wilhelm Jakob (1824–1896), badischer Abgeordneter  1069 Bennigsen, Rudolf von (1824–1902), hannoverscher Abgeordneter  591, 592 Berg, Karl Heinrich Ernst (seit 1838 Freiherr) von (1810–1894), oldenburgischer Staatsrat und Innenminister  348 Berlet, Gustav (1817–1908), Landtagspräsident in Gotha  752 Bernhard II. Erich Freund, Herzog von Sachsen-Meiningen (1800–1882) 223, 232, 236, 238, 439, 458 Bernhardi, Karl Christian Sigismund (1799– 1874), Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung  622 Bernstorff, Albrecht Graf von (1809–1873), preußischer Botschafter in London  192, 468, 517, 554 f., 581 f., 657, 709 Bertrab, Hermann Jakob von (1818–1887), Staatsminister von Schwarzburg-Rudolstadt  1049 Beust, Friedrich Ferdinand Freiherr von (1809–1886), sächsischer Außenminister  XVII, XXI, XXII, XXXVI, XLV, XLVI, XLVIII, LXVIII, 3, 6, 8 f., 108, 119, 122, 149–153, 158, 345, 348, 447, 518 f., 529– 541, 555, 581, 602, 644–646, 650–654, 657–662, 665 f., 668, 670, 676, 703, 739, 756, 783 f., 789, 791, 797–800, 811, 886, 926, 928, 938 f., 952, 962, 971, 985, 991, 1013, 1016, 1053, 1056 Bibra, Freiherr Alfred von (1827–1880), bayerischer Legationssekretär  690 Biegeleben, Franz Arnold Freiherr von (1822– 1892), großherzoglich-hessischer Bundestagsgesandter  1062 Biegeleben, Ludwig Freiherr von (1812–1872), österreichischer Ministerialrat  XXIII, 134, 155, 232, 236, 288, 306, 328, 356, 377, 385, 402, 426, 519, 536, 1062

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Register

Bing, Michael Daniel (1840–1874), Frankfurter Humorist  130, 133 Birghden, Johann von den, kaiserlicher Postmeister 477 Bismarck, Otto von (1815–1898), preußischer Ministerpräsident  XI, XVI, XX, XXVII, XLVI, XLVII, XLIX, L, LIV, LVII f., LX, LXII–LXVI, LXXV, 3, 8, 16–19, 30, 51, 56 f., 70, 111, 117 f., 127, 132 f., 187, 206, 210, 212, 214, 217, 219, 221, 223, 279 f., 282, 291, 294, 471–475, 480–482, 529– 534, 545, 595, 597, 603, 605, 655–657, 668 f., 671–673, 675 f., 697 f., 702, 709– 712, 714, 716–718, 720, 722, 725, 731– 734, 737, 784, 788, 790–792, 794, 797 f., 804, 807, 815, 823, 827 f., 830, 841–847, 858, 861, 865, 870, 872, 876, 884–888, 892–894, 896–900, 905–907, 911, 913, 917, 925  f., 930, 946, 948, 950, 952, 965–967, 978, 980, 985, 992, 995, 1021, 1035, 1039, 1046, 1053, 1055, 1057, 1073 Bitzer, Ludwig Friedrich (1816–1885), würt­ tembergischer Oberregierungsrat  161 Bley, Gustav (1808–1888), Präsident des rats von Schwarzburg- SondershauStaats­ sen  1049 Blome, Gustav Graf (1829–1906), österreichischer Gesandter in München  719, 721, 782, 785, 804, 807, 856, 858, 892, 951, 968  Blum, Robert (1807–1848)  130 Bluntschli, Johann Caspar (1808–1881), badischer Abgeordneter  591 f. Bockum-Dolffs, Florens Heinrich Gottfried von (1802–1899), preußischer Abgeordneter  221 Bodelschwingh, Carl von (1800–1873), preußischer Finanzminister  471, 830 Bösigk, Franz Ludwig (1830–1880), Bibliothekssekretär in Dresden  661 Bose, Carl Gustav Adolf von (1817–1893), sächsischer Bundestagsgesandter  3, 602, 654, 952, 957, 1013, 1062 Brater, Karl (1819–1869), bayerischer Abgeordneter  591 f., 594, 644 Braun, Adam  634 Braun, Johann August Georg (1820–1879), kurhessischer Abgeordneter  634 Bray-Steinburg, Otto Camillus Hugo Gabriel Graf (1807–1899), bayerischer Gesandter in Wien  116–119, 153–156, 635, 647 f., 785, 794, 901, 966, 1014, 1058 Brenner-Felsach, Adolph Maria Freiherr von (1814–1883), österreichischer Gesandter in Darmstadt  1073

Brinz, Alois Ritter von (1820–1887), Abgeordneter im böhmischen Landtag  543 Buddeus, gothaischer Abgeordneter  752 Busch, Karl (1808–1875), badischer Abgeordneter  1069 Campe, Julius Johann Wilhelm (1792–1867), Verleger  133 Canitz und Dallwitz, Julius Freiherr von (1815–1894), preußischer Gesandter in Stuttgart 905 Caroline Fürstin von Reuß ältere Linie (1819– 1872)  233 Chotek von Chotkowa und Wognin, Bohuslav Graf (1829–1896), österreichischer Legationsrat 724, 845 Christian IX. von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, König von Dänemark (1818–1906)  XXXIX, 558, 562–564, 567, 637, 708 f., 745, 748, 755, 762, 765 f., 769, 780, 888, 942, 951 Christian August von Schleswig-Holstein(1798–1869)  Sonderburg-Augustenburg 765 Clemens XIII. (1758–1769), Papst  527 Cotta, Johann Friedrich (1764–1832), Verleger  51, 1000 Cotta, Johann Georg (1796–1863), Verle­ ger  43 Cotta, Johannes (1794–1868), Pfarrer  665 Crämer, Karl von (1818–1902), bayerischer Abgeordneter 591, 592 Cron, Johann Gerhard, Mitglied des Patriotischen Vereins Frankfurt  130 f. Curtius, Theodor C. (1811–1889), Bürgermeister von Lübeck  LXVIII, 9, 527, 1039 Dalberg, Karl Theodor, Reichsfreiherr von und zu (1744–1817)  224 Dalwigk zu Lichtenfels, Carl Friedrich Reinhard Freiherr von (1802–1880), Außenminister des Großherzogtums Hessen  536– 538, 541, 689–691, 926, 1045–1047, 1053, 1056 Dehn-Rotfelser, Jacob von (1808–1881), kurhessischer Außenminister  72 Deysing, Emil Heinrich Reinhold (1818– 1909), coburgischer Abgeordneter  752 Dietrichstein-Proskau-Leslie, Alexandrine „Aline“ von (1824–1906)  717 Dietrichstein-Proskau-Leslie, Joseph Franz von (1798–1858), Reichsfürst  717 Dietz, Rudolf (1814–1870), badischer Abgeordneter  1069 f.

Personenregister Dilthey, Theodor Friedrich Ludwig (1825– 1892), Vorsitzender der Handelskammer Wiesbaden  1001 f. Dörnberg, Ernst Friedrich Freiherr von (1801– 1878)  134 Duckwitz, Arnold (1802–1881), Bürgermeister von Bremen  XXXI, 211, 224, 232, 236, 238, 257, 260, 262, 373, 418, 421, 439, 458 Duncker, Franz Gustav (1822–1888), preußischer Abgeordneter  592  Dusch, Ferdinand Freiherr von (1819–1889), badischer Gesandter in Stuttgart  28 f. Ebert, Mitglied des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein 622 Eckhardt, Carl Maria Joseph (1822–1910), badischer Abgeordneter  1068, 1069 Edel, Karl Friedrich Wilhelm (1806–1890), bayerischer Abgeordneter  1008 Edelsheim, Ludwig Freiherr von (1823–1872), badischer Gesandter in Wien und Dresden, badischer Außenminister  39, 43, 155, 797, 841, 926, 939, 1065 f. Edler von Pilat, Friedrich, österreichischer Ge­schäftsträger in Karlsruhe  40 Eggena, Mitglied des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein  622 Elben, Christian Gottfried (1754–1829), Verleger des Schwäbischen Merkur  159 Elder, Peter Ludwig (1798–1881), Bundestagsgesandter von Lübeck  73 Ernst I., Herzog von Sachsen-Altenburg (1818–1893)  232, 236, 238, 482, 1052 Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  204, 223, 232, 236, 238, 259, 439, 458, 753 Esterházy von Galántha, Moritz Graf (1807– 1890), österreichischer Minister  843 Etzel, Friedrich August von (1808–1888), preußischer Offizier  291 Eulenburg, Friedrich Albrecht Graf zu (1815– 1881), preußischer Innenminister 132, 471   Ewald, Max, Weinhändler  1001 Ewald, Wilhelm (1825–1887), gothaischer Ab­ geordneter  751–753 Fabricius, Johann Franz (1822–1884), Frankfurter Kaufmann  130 Falkenstein, Johann Paul Freiherr von (1801– 1882), sächsischer Ministerpräsident  650, 652, 654 f. Fallersleben, August Heinrich Hoffmann von (1798–1864)  132

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Ferdinand, Landgraf von Hessen-Homburg (1783–1866)  1045 f. Ferdinand III., Großherzog von Toskana (1769–1824)  718 Fetzer, Karl August (1808–1885), württembergischer Abgeordneter  591, 592 Feustel, Friedrich (1824–1891), bayerischer Abgeordneter 591, 592 Fingado, Gustav Adolf (1805–1880), badischer Abgeordneter  1068, 1069 Fleckh, Johann Anton (1822–1876), Mitglied des österreichischen Reichsrats  591, 592 Franckenstein, Karl Borromäus Freiherr von und zu (1831–1898), österreichischer Legationssekretär  814, 821 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich (1830– 1916)  XI, XXIII f., XXVII, XXIX, XXXI, XXXV, 185 f., 188, 195, 197–199, 201 f., 206, 211, 215, 220, 222, 232, 236 f., 256, 259, 264, 271, 282, 288, 353, 411, 439, 458, 471, 475, 480, 817, 843, 930, 968, 983, 1047 Frick, Josef (1806–1875), badischer Abgeordneter  1069 Friderich, Karl (1816–1894), badischer Abgeordneter  1069 Friedrich, Herzog von Schleswig-HolsteinSonderburg-Augustenburg = Friedrich VIII., Herzog von Schleswig-Holstein (1829– 1880)  XXXIX, 521, 558 f., 563–565, 567, 591, 593 f., 614, 634, 641, 643–645, 667 f., 697, 703, 705, 708, 741, 765, 771, 774, 776, 910, 1019 f., 1054, 1059  Friedrich I., Großherzog von Baden (1826– 1907)  LXIX, 24, 222, 307, 411, 413, 797, 1074 Friedrich II. (der Große) König von Preußen (1712–1786)  221, 480 Friedrich III. Wilhelm Nikolaus Karl von Preußen (1831–1888)  784 Friedrich VII. Karl Christian, König von Dänemark (1808–1863)  XXXIX, 558, 561, 564, 601, 614, 699, 909 Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen (1670–1733)  1056 Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin (1823–1883)  223, 232, 236, 238, 439, 458, 522, 526 Friedrich Günther, Fürst von SchwarzburgRudolstadt (1793–1867)  223, 232, 236, 238, 439, 458 Friedrich Karl Nikolaus, Prinz von Preußen (1828–1885)  718 Friedrich Wilhelm, Prinz von Hessen  809

1120

Register

Friedrich Wilhelm I., Kurfürst von Hessen (1802–1875)  222, 232, 236, 238, 439, 458, 633, 1060 Friedrich Wilhelm II., Großherzog von Mecklenburg-Strelitz (1819–1904)  223, 232, 238 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen (1795–1861) 43, 45 f., 221, 271, 463 Fries, Hugo (1818–1889), sächsischer Abgeordneter 591, 592 Fröhlich, August Karl (1813–1880), badischer Abgeordneter  1069 Frommann, Friedrich Johannes (1797–1886), Verleger  543, 908 Fugger von Kirchberg und Weißenhorn, Friedrich Graf von (1825–1896), bayerischer Legationssekretär  810

Gustav Adolf IV., König von Schweden (1778–1837)  797 Gwinner, Philipp Friedrich (1796–1868), Bürgermeister von Frankfurt  821, 825 f.

Haberkorn, Ludwig (1811–1901), sächsischer Abgeordneter 591, 592 Häusser, Ludwig (1818–1867), liberaler Politiker  266 f., 591, 592, 594 Hahndorf, Salomon Abraham  (1801–1890), Journalist  622 Haller, Nikolaus Ferdinand (1805–1876), Bürgermeister von Hamburg  224, 232, 236, 238, 257, 259, 304, 323, 372, 375 f., 382, 396, 401, 420 f., 423, 439, 458 Handel, Maximilian Freiherr von (1809– 1885), österreichischer Gesandter in Stuttgart  16, 156, 637 Gablenz, Ludwig Karl Wilhelm Freiherr von Harbou, Andreas Paul Adolph von (1809– (1814–1874), österreichischer Statthalter in 1877), Staatsminister von Sachsen-MeininHolstein  1010 gen  1049 Gagern, Heinrich Wilhelm August Freiherr Harnier, Richard Adolf Rudolf (1820–1885), von (1799–1880)  543  kurhessischer Abgeordneter  622 Geffcken, Friedrich Heinrich (1830–1896), hamburgischer Ministerresident in Berlin  Haschka, Lorenz Leopold (1749–1827)  132 Hauß, Benjamin (1807–1872), badischer Ab527, 529, 1039 geordneter  1069 Georg, Prinz von Sachsen (1832–1904)  797 Georg V., König von Hannover (1819–1878)  Haydn, Joseph (1732–1809)  132 Hebting, Josef (1822–1888), badischer Abge222, 236 f., 286, 302, 348, 351, 374, 439, ordneter  1069 458, 518, 535, 883 Hecker, Friedrich (1811–1881)  131 Gerbel, Christian Wilhelm (1820–1894), badiHeidenreich, Johannes (1806–1888), badischer scher Abgeordneter  1069 Abgeordneter 1068, 1069 Gerlach, Heinrich Ferdinand (1829–1900), Heilig, Franz Xaver (1826–1888), badischer Notar  662 Abgeordneter  1069 Gerwig, Robert (1820–1885), badischer AbgeHeimbruch, Gottlieb von (1822–1892), hanordneter  1069 noverscher Bundestagsgesandter  1062 Glaser, Carl (1882–1887)  1001 Heine, Heinrich (1797–1856)  133 Godeffroy, Gustav (1817–1893), hamburgi­ Heinrich VII. Prinz Reuß zu Köstritz (1825– scher Senator  591, 592 1906), preußischer Gesandter in München  Goethe, Johann Wolfgang (1749–1832)  279, 737, 739, 790–792, 823, 825, 861, 870, 925 872, 875 Goldmann, Christian Georg (1792–1873), groß­ Heinrich XX., Fürst von Reuß ältere Linie herzoglich-hessischer Abgeordneter  543 (1794–1859)  233 Goltz, Robert Heinrich Graf von der (1817– 1869), preußischer Botschafter in Paris  Heinrich XXII., Fürst von Reuß ältere Linie (1846–1902)  225, 233 995, 1066 Heinrich LXVII., Fürst von Reuß jüngere LiGortschakow, Aleksandr Michajlowitsch Fürst nie (1789–1867)  224, 232, 236, 238, 436, (1798–1883), russischer Außenminister  8 458 Groß, Franz (1815–1890), Mitglied des österHenkel, Heinrich Ludwig Michael (1802– reichischen Reichsrats  591, 592 1873), kurhessischer Abgeordneter  622 Großmann, Carl Joseph Wilhelm (1816– Henne, Albrecht Georg (1808–1886), badi1889), nassauischer Abgeordneter  543 scher Abgeordneter  1069 Günther Friedrich Carl II., Fürst von SchwarzHenneberg, Friedrich Wilhelm (1815–1880), burg-Sondershausen (1801–1889)   223, gothaischer Abgeordneter  591 f. 232, 236, 238, 439, 458

Personenregister

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Karnicki von Karnice, Ladislaus Graf (1820– 1883), österreichischer Gesandter in Kassel  77 Károlyi, Aloys Graf von (1825–1889), österreichischer Gesandter in Berlin  XXXVI, LVIII, 17–19, 536, 544, 698, 700, 706, 717, 731, 889, 930, 941, 948, 950, 1054, 1073 Keyser, Gustav Adolph (1807–1901), Staatsminister von Schwarzburg- Sondershausen  258 f., 1049 Kiefer, Friedrich (1830–1895), badischer Abgeordneter 1068, 1069 Kimmig, Karl (1824–1873), badischer Abgeordneter  1069 Kirsner, Kirsner (1810–1876), badischer Abgeordneter 1068, 1069 Knesebeck, Ernst Julius Georg von dem (1809–1869), hannoverscher Gesandter in München, Stuttgart und Wien  58, 518, 520 Knies, Karl Gustav Adolf (1821–1898), badischer Abgeordneter  1069 Koch, Philipp (gest. 1903), Außenminister von Kurhessen  72, 77 Köhler, Friedrich, coburgischer Landtagspräsident 752 Kohler, Mitglied des Frankfurter Arbeiterbildungsvereins 75  Ingelheim, Damian Friedrich Graf von, gen. Kolb, Georg Friedrich (1808–1884), demokraEchter von und zu Mespelbrunn (1807– tischer Publizist und Politiker  591, 592, 1888), österreichischer Gesandter in Han594 nover  60 Krausmann, Heinrich (1818–1887), badischer Itzenplitz, Graf Heinrich Friedrich August von Abgeordneter  1069 (1799–1883), preußischer Handelsminister  Krebs, Karl August (1804–1880), Hofkapell471 meister in Dresden  661, 666 Itzig, Wolf, Kaufmann aus Glogau  131 Krosigk, Anton Ferdinand von (1820–1892), Staatsminister von Sachsen-Meiningen  Johann, König von Sachsen (1801–1873)  262, 536–538, 541 XXVII, XXX, 222, 229, 231–233, 235– Kübeck von Kübau, Alois Freiherr (1813– 237, 284 f., 293, 324, 328, 439, 458, 530 f., 1873), österreichischer Bundespräsidialge533–535, 718, 728, 797, 800 sandter  116, 595–600, 655, 729, 949, Johann II. Maria Franz Placidus, Fürst von 1062, 1064, 1067, 1070, 1072 Liechtenstein (1840–1929)  224, 232, 236, Kühne, Hermann Theodor (1817–1897), go238, 439, 458 thaischer Abgeordneter  750, 752 f. Jung, gothaischer Abgeordneter  752 Kümmel, Carl Heinrich, Mitglied des Kas­ seler Ausschusses für Schleswig-Holstein  Kämmerer, Carl (1820–1874), gothaischer Ab­ 622 geordneter  752 Künßberg-Mandel, Philipp Freiherr von Karl Alexander, Großherzog von Sachsen(geb. 1822), Mitglied des Reformvereins  Weimar (1818–1901)  223, 232, 236, 238, XXVIII, 202 435, 458, 460 Küttner, gothaischer Abgeordneter  752 Karl Friedrich Alexander, Kronprinz/König Kuhn, Johannes Evangelist von (1806–1887), von Württemberg (1823–1891)  222, 232, württembergischer Abgeordneter  16 236 f., 348, 439, 458, 692 Heydenreich, Ludwig Theodor Christian (1805–1885), nassauischer Abgeordneter  543 Hölder, Julius (1819–1887), württembergischer Abgeordneter  692 Hoffmann, Chr., Mitglied des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein  622 Hohenthal-Knauthain, Karl Adolf Graf von (1811–1875), sächsischer Gesandter in Berlin  887, 962, 971, 985 Hopf, Franz (1807–1887), württembergischer Abgeordneter  996 Horaz  (65–8 v. Chr.), römischer Dichter  624 Horschitz, Sally (1822–1883), Mitglied des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein  622 Hoverbeck, Leopold Freiherr von (1822– 1875), preußischer Abgeordneter 592 Hügel, Karl Eugen Freiherr von (1805–1870), württembergischer Außenminister  XVII, 13 f., 16 f., 28, 30, 134, 155 f., 159, 292, 536–540 Humboldt, Wilhelm von (1767–1835), preußischer Politiker  587 Hupfeld, Carl Gustav (1823–1897), kurhessischer Abgeordneter  634

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Register

Kuntz, Konrad (1804–1881), badischer Abgeordneter  1069

Ludwig XV., König von Frankreich (1710– 1774) 527

Malet, Alexander Charles (1800–1886), britiLadenberg, Adalbert Carl Stanislaus von scher Gesandter bei der Bundesversamm(1823–1870), preußischer Legationssekrelung  1065 f. tär in Wien  697 Mammen, August Franz (1813–1888), sächsiLandgrebe, H., Mitglied des Kasseler Ausscher Abgeordneter  591, 592 schusses für Schleswig-Holstein  622 Landsteiner, Leopold (1817–1875), Journalist  Manteuffel, Edwin Karl Rochus Freiherr von (1809–1885), preußischer Gouverneur von 277 Schleswig  1010 f. Lang, Friedrich August (1822–1866), nassauManteuffel, Otto Theodor Freiherr von (1805– ischer Abgeordneter  591, 592, 594 1882), preußischer Ministerpräsident  609 Larisch, Karl August Alfred von (1809–1897), Staatsminister von Sachsen-Altenburg  Maria Anna, Tochter des Königs von Portugal (1843–1884)  797 257 f., 298, 300, 491, 1052 Maria Anna von Sachsen, Großherzogin von Lauer von Münchhofen, Friedrich Wilhelm Toskana (1796–1865)  718 Rudolf Eduard Freiherr, Präsident der Maria Theresia Anna, Erzherzogin von ÖsterLandes­regierung von Schaumburg-Lippe  reich (1845–1927) 719 536–538, 541 Marschall von Bieberstein, Adolf Freiherr Lenz, Friedrich Wilhelm (1807–1881), badi(1806–1891), badischer Gesandter in Berlin  scher Abgeordneter  1069 31 f. Leopold, Großherzog von Baden (1790– Maximilian II. Joseph, König von Bayern 1852)  797 (1811–1864)  71, 74, 116, 118, 124, 180 f., Leopold II., Großherzog der Toskana und Erz210, 223, 232, 236 f., 439, 458, 578–580, 635 herzog von Österreich (1797–1870)  797 Leopold III., Fürst zu Lippe (1821–1875)  Mensdorff-Pouilly, Alexander Graf von (1813–1871), österreichischer Außenmini288 f. ster  XLVII, LIV, LVIII f., LXII, 700–702, Leopold Friedrich Franz Nikolaus, Erbprinz 706, 713 f., 717, 719, 722–725, 731, 782, von Anhalt-Dessau und Köthen (1831– 787, 812, 814, 821, 843, 845, 856, 858, 1904)  223, 232, 236, 238, 439, 458 889, 892, 894, 904, 941, 946, 948–950, Lerchenfeld, Gustav Freiherr von (1806– 952, 966, 968, 980, 982, 992, 1047, 1049, 1866), Vorsitzender des Reformvereins  1054, 1061, 1065, 1070 521, 543, 645 f. Mensdorff, Gräfin → Dietrichstein-ProskauLinden, Franz de Paula Graf von (1800– Leslie 1888), württembergischer Gesandter in BerMephistopheles 925 lin  904 Merck, Karl Hermann (1809–1880), hamburLinden, Joseph Freiherr von (1804–1895), gischer Senator  9, 73, 528 württembergischer Bundestagsgesandter  Metternich-Winneburg, Klemens Wenzel 1062 Nepomuk Lothar Fürst von (1773–1859), Lindenau, Wolf Hugo Kurt von (1828–1900), österreichischer Staatskanzler  LIV, 717, sächsischer Legationsrat  668 834, 837, 885, 1000, 1053 f. Lindner, Friedrich Ludwig (1772–1845), JourMetternich-Winneburg, Richard Klemens nalist  1000 Fürst von (1829–1895), österreichischer Lindner, Ludwig H., Arzt  663, 666 Gesandter in Paris  885 Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld, Leopold Graf zur (1815–1889), preußischer Justizminister  Metz, August Joseph (1818–1874), großherzoglich-hessischer Abgeordneter  591, 592 471, 942 Meysenbug, Otto Heinrich Emil Rivalier FreiLöwe-Calbe, Wilhelm (1818–1886), preußiherr von (1806–1886), österreichischer Unscher Abgeordneter  592 terstaatssekretär  156 Ludwig II. Otto Friedrich Wilhelm von Wittelsbach, König von Bayern (1845–1886)  Miquel, Johannes (1828–1901), hannoverscher Abgeordneter  591, 592 703 Mohl, Moritz (1802–1888), württembergiLudwig III., Großherzog von Hessen (1806– scher Abgeordneter  706 1877)  222, 232, 236, 238, 439, 458, 1046

Personenregister Mohl, Robert von (1799–1875), badischer Bundestagsgesandter  108–110, 115, 641, 841, 843 f., 1062, 1076 Moltke, Helmuth Graf von (1800–1891), preußischer General  73 Montgelas, Ludwig Graf von (1814–1892), bayerischer Gesandter in Berlin  791, 884, 887, 895, 901, 967 Morschutt, Carl Anton, gothaischer Abgeordneter  752 f. Mühler, Heinrich von (1813–1874), preußischer Justizminister  471 Müller, Hugo, Innenminister von Sachsen-Altenburg  1052 Müller, Samuel Gottlieb (1802–1880), Frankfurter Bundestagsgesandter  224, 232, 234, 236, 238, 426, 439, 458, 599 Müller, Sigmund (1810–1899), Präsident der gesetzgebenden Versammlung in Frankfurt  591, 592, 594, 600, 644, 908, 970 Münchhausen, Alexander Freiherr von (1813– 1886), Bundeszivilkommissar in Holstein  573 Münster, Georg Herbert Graf zu (1820–1902)  184 Muth, Sekretär  der Wiesbadener Handelskammer 1002 Muth, Heinrich Friedrich (1811–1879), badischer Abgeordneter  1069, 1070 Muther, Georg Wilhelm Rudolph (1823– 1898), Bürgermeister von Coburg  749, 750, 752, 753 Napoleon Bonaparte (1769–1821)  75, 133, 219, 220, 278, 481, 520, 586 Napoleon III., Kaiser der Franzosen (1808– 1873) 122, 133, 183, 717, 844 Nebelthau, Friedrich (1806–1875), kurhessischer Abgeordneter  591, 592, 622 Neurath, Constantin Justus Franz Freiherr von (1807–1876), Präsident des Geheimen Rats in Württemberg  292 Nieper, Carl Ferdinand (1812–1879), Bundes­ zivilkommissar in Holstein und Lauenburg  574 Niethammer, Friedrich Freiherr von (1831– 1911), bayerischer Legationssekretär in Frankfurt  695 Nikolaus Friedrich Peter II., Großherzog von Oldenburg (1827–1900)  223, 232, 236, 238, 439, 458 Nössell, Louis Georg, Frankfurter Kaufmann  130–133

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Nostitz und Jänckendorf, Julius Gottlob von (1797–1870), sächsischer Minister und Abgeordneter  5, 108, 650 Obkircher, Hermann (1819–1881), badischer Abgeordneter  1069 Oertzen auf Leppin, Jasper Joachim Bernhard Wilhelm von (1801–1874), Staatsminister von Mecklenburg-Schwerin  XVIII, 24, 28, 522, 526 Oesterlen, Ludwig August (1819–1893), württembergischer Abgeordneter  695, 735, 996 Oetker, Carl Friedrich (1822–1891), kurhessischer Abgeordneter  1020 Oetker, Friedrich (1809–1881), kurhessischer Abgeordneter  622 Oranien, Wilhelm I. von (1533–1584)  279 Otto von Wittelsbach, König von Griechenland (1815–1867)  756 Ottokar II. Přemysl, König von Böhmen (um 1232–1278)  480 Oven, Anton Heinrich Emil von (1817–1903), Bürgermeister von Frankfurt  600 Ow-Wachendorf, Adolf Freiherr von (1818– 1873), württembergischer Gesandter in Wien  13, 134, 155 Pagenstecher, Heinrich Karl Alexander (1799– 1869), badischer Abgeordneter  1068, 1069 Paravicini, Ludwig (1811–1878), badischer Abgeordneter  1069 Passavant, Friedrich Ernst (1824–1909), Mitglied der gesetzgebenden Versammlung in Frankfurt  970 Pauli, Fritz (1832–1898), preußischer Abgeordneter 592, 593 Pfeiffer, Friedrich (1815–1879), bremischer Abgeordneter 591, 592 Pfistermeister, Franz (1820–1912), Sekretär König Maximilians II. von Bayern  180, 206 f.  Pfizer, Gustav (1807–1890), württembergischer Abgeordneter  159 Pfizer, Paul Achatius (1801–1867), württembergischer Abgeordneter  159 Pfordten, Ludwig Freiherr von der (1811– 1880), bayerischer Bundestagsgesandter bzw. Staats- und Außenminister  XVI, XXVI, XLVIII, L, LIII, LVII, LXVI f., 71, 74, 180 f., 183 f., 206–210, 639, 673, 695, 697, 703, 706, 619–621, 737–739, 782– 785, 787, 789–792, 794, 810, 813, 823– 825, 831, 833, 856–858, 860–865, 869–

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Register

Richthofen, Emil Carl Heinrich Freiherr von (1810–1895), preußischer Gesandter in Hamburg  211, 965 Ritter, Anton, gothaischer Abgeordneter  752 f. Roder, Johann Baptist (1814–1890), badischer Abgeordneter 1069, 1070 Roeck, Karl Ludwig (1790–1869), Senatspräsident von Lübeck  224, 230, 232, 236, 238, 257, 259, 305, 372, 418, 420, 423, 439, 458 Röckel, August (1814–1876), Redakteur  268 Rößing, Alexander Ernst August Thomas Freiherr von (1818–1906), Präsident des Deutschen Reformvereins  543 Rössing, Peter Friedrich Ludwig Freiherr von (1805–1874), oldenburgischer Außenminister  XXXII, 10, 257, 259, 348 f. Roggenbach, Franz Freiherr von (1825–1907), badischer Außenminister  10, 24, 31, 39, Quadt zu Wykradt und Isny, Friedrich Wil108 f., 155, 257 f., 292, 294, 298, 345, 347 helm Hermann Graf von (1818–1892), bayRoon, General Albrecht von (1803–1979), erischer Gesandter in Hannover  640 preußischer Kriegsminister  471 Radowitz, Joseph Maria von (1797–1853)  Rudolf I., römisch-deutscher König (1218– 1291) 480 463 Rübsam, Josef (1822–1886), kurhessischer Rantzau, Otto Carl Josias Graf zu (1809– Abgeordneter  LXVII, 1016, 1019, 1021 1864), preußischer Gesandter in Dresden  Rückert, Ludwig, coburgischer Abgeordne529 f., 534 f. ter LXVIII, 750, 752, 1053 Rechbauer,  Karl (1815–1889), österreichiRümelin, Christian Heinrich Wilhelm Gustav scher Abgeordneter  591, 592 von (1815–1889), Pädagoge und Politiker  Rechberg und Rothenlöwen, Johann Bernhard 159 Graf von (1806–1899), österreichischer Russell, John, 1st Earl (1792–1878), britischer Außen­ minister  XXI f., XXXII, XXXIV– Außenminister  670 XXXVI, XLIII, XLVI f., 15, 17, 39 f., 60, 77, 116–119, 124, 128 f., 149, 152–156, Sachs, Otto (1824–1912), badischer Abgeord219, 262, 294 f., 298, 345, 460, 468, 475, neter  1069 511, 530, 535–537, 539–541, 544, 546, Sausen, Franz Josef (1810–1866), Theologe 596 f., 637, 640, 646–649, 655, 657–659, und Publizist  219 689 f., 717, 952 Savigny, Karl Friedrich von (1814–1875), Reinganum, Maximilian (1798–1878), liberapreußischer Gesandter in Dresden/Bundesler Politiker  633 tagsgesandter  LXIII, LXVI, 555, 581, Reinhard, Hugo Ludwig Freiherr von (1819– 791, 847, 953, 955–957, 959, 992, 995, 1871), württembergischer Bundestagsge1021, 1034, 1039, 1041 f., 1062 sandter LV, 714, 729, 731 Sayn-Wittgenstein-Berleburg, August Ludwig Reitzenstein, Wilhelm Freiherr von (1815– Prinz zu (1788–1874), nassauischer Mini1864), hannoverscher Gesandter in Berlin  sterpräsident 204, 536–538, 541, 716, 580, 582 926, 961 Renouard, Karl (1809–1875), Offizier und Schad von Mittelbiberach, Moritz (1821– Militärschriftsteller  622 1902), württembergischer AbgeordneReyer, Franz Thaddäus Freiherr von (1824– ter  692 1909), österreichischer Geschäftsträger in Schäffle, Albert Eberhard Friedrich (1831– Frankfurt  689 1903), württembergischer Abgeordneter  Richter, Karl (1810–1895), badischer Abge14, 15, 16 ordneter 1068, 1069 873, 875, 883 f., 893–895, 898f., 901, 904, 926, 928, 938, 940, 960 f., 965 f., 968, 988, 990 f., 995, 1002, 1014, 1058, 1061, 1065 f. Philipp, Herzog von Württemberg (1838– 1917)  719 Pierer, Karl (1802–1882), Mitglied des Staatsministeriums von Sachsen-Altenburg  491, 1052 Pinhard, Georg, Mitglied des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein  622, 634 Platen-Hallermund, Adolf Graf von (1814– hannoverscher Außenminister  1880), XVIII, XXXVI, 58 f., 535, 539, 541, 580 f., 644, 899 f. Poppen, Hermann Friedrich Karl (1821–1877), badischer Abgeordneter  1069, 1070 Probst, Rudolf (1817–1899), württembergischer Abgeordneter  998

Personenregister Schall, Karl Ludwig von (1827–1909), württembergischer Abgeordneter  636 Schmidt, Alfred, gothaischer Abgeordneter  750–753 Schönburg-Hartenstein, Alexander Fürst zu (1826–1896), österreichischer Gesandter in München  124, 153 Schrenk von Notzing, Karl Ignatz Freiherr (1806–1884), bayerischer Staats- und Außenminister/Bundestagsgesandter XLVI, 6, 8 f., 74, 116 f., 124 f., 127–129, 153, 292, 518 f., 536–541, 578, 640, 644, 647–649, 657, 690, 831, 1062 Schulenburg-Priemern, Carl Ernst Gustav von der (1814–1890), preußischer Gesandter in Stuttgart und Dresden  788, 797, 800, 946 Schulze-Delitzsch, Franz Hermann (1808– 1883), preußischer Abgeordneter  221, 592 Schwarzenberg, Felix Fürst zu (1800–1852), Ministerpräsident 277, österreichischer 609, 864 Schweitzer-Allesina, Johann Baptist von (1833–1875), Präsident des Frankfurter Arbeiterbilkdungsvereins  75 Schwerdt, Johann Georg Heinrich Christian (1810–1888), gothaischer Abgeordneter  749, 751–753, 795 Schwerin-Putzar, Maximilian Heinrich Carl Anton Curt Graf von (1804–1872), preußischer Innenminister  118 Seebach, Camillo Freiherr von (1808–1894), Staatsminister von Sachsen-Coburg und Gotha  257, 259, 536–538, 541, 750, 1049 Seeger, Adolf (1815–1865), württembergischer Abgeordneter  591, 592 Selchow, Werner von (1806–1884), preußischer Landwirtschaftsminister  471 Shakespeare, William (1564–1616)  628 Shylock 628 Siegel, Franz Ludwig (1812–1877), Journalist  276 Smidt, Heinrich (1806–1878), bremischer Senator XVII, 9, 211, 260 Sonnenkalb, Carl Victor (1814–1869), Leiter des Finanzdepartements von Sachsen-Altenburg  491, 1052 Sophie Wilhelmine von Holstein-Gottorp, Groß­herzogin von Baden (1801–1865)  797 Spitzemberg, Hildegard Freifrau von (1843– 1914) 159 Stichling, Gottfried Theodor (1814–1891), sachsen-weimarischer Staatsrat 1050 Stockhausen, Bodo von (1810–1885), hannoverscher Gesandter in Wien  899 

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Stötzer, Carl Alexander, gothaischer Abgeordneter  749, 751–753 Stoltze, Friedrich (1816–1891), Frankfurter Schriftsteller 129, 130, 132 Straß, Karl Friedrich (1803–1864), Rechtsanwalt  661 Strauß, David Friedrich (1808–1874), Theologe 159  Streit, Fedor (1820–1904), coburgischer Abgeordneter 591, 592, 795 f. Stück, Carl, Mitglied des Kasseler Ausschusses für Schleswig-Holstein  622 Sybel, Heinrich von (1817–1895), Historiker und preußischer Abgeordneter  221, 592, 593 Sydow, Rudolf Carl Curt von (1805–1872), preußischer Bundestagsgesandter  17, 19, 77, 256, 280, 291, 294, 473, 595–597, 600 Taube, Karl Friedrich Gustav Adolf Graf von (1810–1889), württembergischer Geheimer Legationsrat XXII, 134, 149, 154–157 Thienen-Adlerflycht, Karl Maria von (1835– 1900), braunschweigischer Gesandter in Wien 204, 716, 179 Thile, Carl Hermann von (1812–1889), Unterstaatssekretär im preußischen Außenministerium  31 f., 717, 724, 791, 794, 820 f., 827, 847, 887 Thun und Hohenstein, Friedrich Graf von (1810–1881), österreichischer Gesandter in St. Petersburg  17–19 Tritscheller, Paul (1822–1892), badischer Abgeordneter 1069, 1070 Türckheim zu Altdorf, Hans Freiherr von (1814–1892), badischer Gesandter in Berlin  842 f. Turban, Ludwig Karl Friedrich (1821–1898), badischer Abgeordneter  1068, 1069 Twesten, Karl (1820–1870), preußischer Abgeordneter  592 f. Übel, Xaver Gustav Friedrich (1824–1906), preußischer Legationssekretär  669 Unruh, Hans Viktor von (1806–1886), preußischer Abgeordneter  592 Uttenhoven, Friedrich Fürchtegott von (1818– 1889), Staatsminister von Sachsen-Meiningen  1049 Varnbüler von und zu Hemmingen, Karl Friedrich Gottlob Freiherr von (1809–1889), württembergischer Ministerpräsident und

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Register

Außenminister XXXVIII, 159 f., 543 f., 714, 716, 729, 904, 907, 926, 998, 1066 Varrentrapp, Georg (1809–1886), Direktor der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft 591, 592, 594, 600 Vieweg Eduard (1797–1869), braunschweigischer Abgeordneter  591, 592 Vincke, Georg Ernst Friedrich Freiherr von (1811–1875), preußischer Abgeordneter  118 Völk, Franz Joseph (1819–1882), bayerischer Abgeordneter 591, 592 Vogt, Carl (1817–1895)  184 Vreede, Luise Wilhelmine (1819–1901)  181

Wiggers, Moritz (1816–1894), Journalist  591, 592 Wilhelm, Herzog von Braunschweig (1806– 1884)  223, 232, 236, 238, 439, 458 Wilhelm von Oranien (1533–1584)  279 Wilhelm I., König von Preußen (1797–1888)  XXVII, XXX, XXXIV f., 185 f., 189, 195, 197 f., 201, 206, 209 f., 222, 227, 229, 231, 237, 264, 266, 279, 282 f., 288, 439, 457 f., 462, 471 f., 481, 522, 718, 720, 784, 920, 944, 1037 Wilhelm I. Friedrich Karl, König von Würt­ temberg (1781–1864)  348, 635, 1000 Wilhelm IV., König von Großbritannien und Irland sowie König von Hannover (1765– 1837) 374 Wilhelm Friedrich Heinrich von Oranien-­ Nassau (1820–1879), Prinz der Niederlande, Statthalter des Großherzogtums Luxemburg XXXIV, 223, 232, 236, 238, 301, 312 f., 355, 368, 370, 375 f., 419, 422 Wilke, Emil, gothaischer Abgeordneter  751– 753 Winterberg, Karl August (1812–1872), Regierungspräsident von Waldeck  257, 259 Wippermann, Carl Ferdinand Liborius, gen. von der Wipper (1831–1911), kurhessischer Abgeordneter XVIII, 32 f., 35, 39, 622, 1019 Witte, Friedrich Ernst (1803–1872), hannoverscher Staatsrat  543, 544 Wittgenstein  → Sayn-Wittgenstein Witzleben, Cäsar Dietrich von (1823–1882), sächsischer Regierungsrat  623 Wollermann, Johann Heinrich, Ratsdiener in Bremen 261 Wund, Johann Friedrich (1822–1889), badischer Abgeordneter  1068, 1069 Wundt, Wilhelm Maximilian (1832–1920), badischer Abgeordneter  1068, 1069 Wydenbrugk, Oskar von (1815–1876), zweiter Vorsitzender des Reformvereins, Bevollmächtigter des Herzogs Friedrich von Augustenburg  521, 543

Wächter, Oskar Eberhard Siegfried von (1825–1902), württembergischer Abgeordneter  636 Waenker, Ludwig Anton von (1805–1880), Mitglied des Reformvereins  543, 544 Wahrer, Karl Gabriel Emanuel (1816–1868), badischer Abgeordneter  1069 Watzdorf, Christian Bernhard von (1804– 1870), Staatsminister von Sachsen-Weimar  257, 259, 349, 458, 460, 939, 1049 Weber, Franz von (1812–1874), württembergischer Abgeordneter  636, 644 f., 692 Weber, Josef (1809–1886), badischer Abgeordneter 1068, 1069 Weigel, Hermann Gustav Adolf (1828–1887), kurhessischer Abgeordneter  622 Wellesley, Henry Richard Charles, 1st Earl Cowley (1804–1884), britischer Gesandter in Paris  1066 Wendland, August Freiherr von (1806–1884), bayerischer Gesandter in Paris  181 Wendland, Frau  181 Wentzel, Otto Albert Friedrich von (1819– 1899), preußischer Resident bei der Stadt Frankfurt  599, 815, 820, 823–825 Wenzler, Wilhelm (1806–1886), badischer Abgeordneter 1068, 1069 Werner, Joseph Freiherr von (1791–1871), österreichischer Gesandter in Dresden  149, 658, 859, 894, 980 Ysenburg und Büdingen, Gustav Prinz zu Werther, Carl Anton Philipp Freiherr von (1813–1883), preußischer Gesandter in (1809–1894), preußischer Gesandter in Hannover  580, 845, 899 Wien 187, 212, 214, 468, 475, 531, 545, 596, 714, 722, 732, 815, 888, 950, 985, Ziegler, Julius (1812–1878), badischer Abge992 ordneter 1068, 1069 Wiegand, Eduard (1815–1877), kurhessischer Zimmermann, Balthasar Friedrich Wilhelm Abgeordneter  622 (1807–1878), württembergischer AbgeordWiener, Georg Adam (1821–1887), österneter  1000 f. reichischer Konsul in Darmstadt  543, 544

Personenregister Zoepfl, Heinrich Matthäus (1807–1877), Professor des Staatsrechts in Heidelberg  43, 45, 47, 52, 379 Zuschlag, Georg Heinrich (1814–1877), kurhessischer Abgeordneter  LXVII, 622, 1016, 1018

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Zwierzina, Ferdinand Rudolf Ritter von (1804–1872), österreichischer Legationsrat  823

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Register

Länder- und Ortsregister Aufgenommen wurden alle Länder-, Orts-, Fluß- und Gewässernamen sowie Bezeichnungen für Staatengruppen. Ein Registereintrag erfolgte auch in den Fällen, wo auf die Regierungen und Bevollmächtigten bestimmter Staaten Bezug genommen wurde. Ahrensbök (Holstein)  223 Alpen  LX, 874, 919 Alsen 945 Altenburg  XXX, 483, 1051  Altona 1010 Amerika, Nordamerika  26, 271, 589, 918  Anhalt  XX, 329, 441, 448, 497, 558, 568 f., 573, 575, 618 f., 747 f., 776, 780, 810, 965, 977, 1029, 1034, 1041 f. Anhalt-Bernburg, Herzogtum  104, 140, 142, 247, 263, 325 f., 406 Anhalt-Dessau(-Köthen), Herzogtum XX, XXIX, 104, 140, 142, 223, 232, 236, 238, 247, 263, 325 f., 406, 419, 422, 439, 458, 810 Aschaffenburg 833 Athen  60, 995 Augsburg  LXI, LXIX, 51 f., 592, 927 f., 938, 952, 956, 960, 999, 1015, 1065 f., 1070, 1076 Augustenburg  XXXIX–XLII, XLIV–XLVI, XLIX f., 521, 559, 564, 578, 631, 641 f., 645 f., 648 f., 651, 671, 673 f., 697, 705, 707–710, 718, 741 f., 744–746, 748, 753– 759, 762, 764 f., 769–771, 773–776, 778– 780, 786, 812, 872, 888, 943 f., 981, 1054, 1056, 1059 f. Baden, Großherzogtum  XV, XIX f., XXX, XXXII–XXXIV, XL, XLII  f., LII, LV, LXI f., LXXIV, LXXVI, 20, 24, 37, 48, 54, 73, 78, 86, 96, 111, 138, 140, 142, 165, 167, 222, 230–232, 236, 238, 247, 257, 260, 284, 286 f., 292–294, 297, 301, 304– 312, 315, 317, 319–323, 325, 327–331, 335, 338, 341, 343, 346, 349–353, 356 f., 362, 365 f., 371, 383, 385, 389 f., 392–394, 397, 400 f., 406, 411, 414, 417, 419, 421 f., 426, 430, 433, 437, 439, 441, 447, 456, 467, 494, 496, 529, 557, 561, 574, 591, 598, 612, 619, 703, 705, 731, 747, 770, 784, 797, 809, 868, 925, 928, 936, 938 f., 946, 960, 964, 971 f., 974, 976, 999 f., 1023, 1034, 1041, 1066–1068, 1075 f.  Baden-Baden  XXX, 261, 265, 280, 283, 465, 530, 534 

Bad Homburg  181, 1046 Bad Ischl  475, 828 Balkan 916 Bamberg  521, 960, 963, 999, 1014, 1064 Basel  863, 916  Bayern, Königreich  XV, XIX, XXIII, XXV, XXXIII, XXXV, XL, XLII f., XLVIII–LIII, f., LXIV, LXIX  f., LXXIV, 6  f., LV, LXI  19, 33, 49, 71, 73  f., 84  f., 107, 111, 116–119, 125, 128, 131, 138 f., 142, 147, 154  f., 157, 166, 170, 182, 207–209, 222, 227, 229, 240, 247, 254, 261, 284, 286, 313–315, 324, 329  f., 348, 355, 357, 374, 381–383, 385 f., 397, 399, 405, 417, 419, 422, 425, 441 f., 447, 454, 460, f., 518–520, 533, 539, 481, 488, 494  557  f., 567, 569, 573, 578, 591, 610, 617–619, 621, 635, 657, 695–697, 704 f., 715 f., 720 f., 734, 738–743, 747, 753, 756, 759, 772 f., 777, 779, 784, 797, 799–803, 807–811, 824, 838–840, 857–861, 863, 873, 886, 893, 895, 897 f., 924, 931, 936, 938  f., 946, 960, 964, 971  f., 974–976, 989, 991, 1000, 1004 f., 1007 f., 1014–1016, 1022, 1033  f., 1037, 1041, 1066, 1071, 1077 Belgien  99, 519, 653, 755 Belle Alliance  277 Berchtesgaden 519  Berlin  XXXVI, XLI, XLVII, XLIX f., LIV, LVII, 13, 17 f., 24, 31, 41 f., 111, 127, 131, 159, 200, 211, 281, 461–463, 471, 473, 475, 512, 516, 522, 527, 530, 534 f., 548 f., 554, 580, 586, 595, 603, 624, 646, 656, 667–669, 675, 690, 698, 702, 707 f., 711 f., 717 f., 721 f., 724, 732, 735 f., 739, 776, 780, 784, 787 f., 791–793, 807, 812, 820, 822, 826, 831, 842, 845 f., 858–861, 866, 868 f., 876, 884, 887 f., 899, 904, 913, 922, 930 f., 941 f., 946, 950, 962, 965 f., 978, 983, 992, 995, 1011, 1021, 1033, 1039, 1043, 1053 f., 1063  Bern  13, 17 Biarritz  827, 842, 844 Blankenberghe 797  Bockenheim 830

Länder- und Ortsregister Böhmen  LXIX, 110, 480, 718, 738, 797, 887, 912 Bonn 221 Bornheim 134 Brandenburg, Haus  709, 748, 755 Brandenburg, Markgrafschaft  480 Braunschweig, Herzogtum  XV, XX, LII, 5, 102, 108, 138, 140, 142, 223, 232, 236, 238, 247, 285, 292, 303 f., 327, 329, 349, 377, 380, 406, 419–422, 427, 439, 441, 447, 458, 497, 558, 568, 574, 591, 617, 619, 705, 716, 747, 776, 809, 874, 937, 971, 976, 1026, 1034, 1042, 1067 Bremen, freie Stadt  XVII, XXVII, XXX f., 9, 111, 140, 143, 165, 211, 224, 238, 247, 257, 261, 329, 373, 407, 418 f., 421 f., 439, 441, 448, 458, 527, 529, 569, 591 f., 804, 874, 1029, 1034  Brüssel  15, 17, 845 China 132 Coburg  591 f., 600, 749–752, 795, 797  Dänemark, Königreich  XX, XXIX, XXXVIII– XLII, XLIV–XLVII, LXIII, LXXVI, 70, 97, 204, 278, 329, 441, 494–498, 514, 550, 556, 558, 562 f., 566–568, 570, 574, 588, 601 f., 611 f., 614–616, 625–627, 629, 631, 637 f., 640, 642, 644 f., 650, 653–656, 658– 660, 669–672, 674, 689, 692 f., 697, 711, 733 f., 740, 744, 746, 755 f., 762 f., 770, 780, 803, 806, 873, 894, 909 f., 942–944, 983, 1017, 1027 Danzig 804 Darmstadt  15, 131 f., 181, 183, 460, 475, 511, 543 f., 591 f., 603, 637, 646, 702, 791, 865, 894, 1073 Den Haag  13, 603 Deutschland  IX, XI, XIV, XVIII, XX  f., XXIV, XXVIII–XXX, XXXIII f., XXXVIII– XL, XLII–XLIV, XLVI–XLVIII, LIV, ­LVI– LXI, LXV–LXXI, LXXIV, 7 f., 10, 19 f., 27–29, 36, 38 f., 41–46, 52, 58, 69, 70, 75, 79 f., 84, 91, 94, 99 f., 103, 109–111, 113 f., 118 f., 126–129, 131, 136, 152, 155, 160– 166, 168–172, 176–180, 182, 184–187, 190–194, 198–200, 203 f., 207–210, 213, 220 f., 225–228, 239 f., 242 f., 245, 250, 256, 265, 267, 270–274, 277–279, 282, 288–291, 294, 299, 301, 307 f., 311, 315, 317 f., 320, 324, 326, 332 f., 350, 353 f., 357–359, 361 f., 369, 374, 377, 394, 401, 410 f., 414, 421, 425 f., 432 f., 435, 437 f., 440, 443 f., 446, 450 f., 458 f., 466–469,

1129

474, 476–478, 480–486, 491, 493, 512– 517, 520, 524–526, 528 f., 534, 542, 545– 547, 549–554, 559, 565 f., 578, 581 f., 585, 587, 590, 595, 598–600, 603–609, 611 f., 614–616, 619, 621–623, 625–632, 634– 636, 638  f., 642, 644  f., 647, 653, 658, 661  f., 664  f., 667–670, 672  f., 690–692, 696, 700, 702–704, 707, 710–712, 717, 722 f., 725, 733 f., 736, 738–740, 756, 768, 772, 775–777, 779, 783, 785 f., 791, 793, 796, 811, 813, 816, 818, 821 f., 826–830, 836–838, 842–846, 850, 857, 859, 861– 864, 866, 871, 875–877, 879–883, 885, 890–893, 898, 900–903, 906, 907–909, 915–918, 920–923, 929, 931–933, 941, 943 f., 946, 949, 958, 963, 966, 970, 975, 977–980, 983 f., 988 f., 997–1001, 1003 f., f., 1011, 1015, 1017–1020, 1025, 1006  1028  f., 1031, 1033  f., 1042–1044, 1048, 1051, 1053  f., 1056  f., 1059, 1065–1068, 1070–1075  Deutschösterreich 625 Döllstedt 752 Dresden  XVII, XXII, XXIV, XLVI, 3, 31, 39, 91, 98, 106, 120, 149, 150, 153, 201, 209, 277, 460, 462, 468, 475, 480, 511, 529 f., 534, 603, 637, 646, 650, 654, 660– 663, 666, 669, 702, 718, 788–790, 792, 797, 800, 814, 816, 834, 845, 859, 863– 865, 885, 894, 953, 965, 1014 f., 1047  Düppel  671, 945 Elbe 625 Elbherzogtümer (Holstein und Lauenburg)  XXXIX, XLIX, LI, LIX, LXIII, 70, 97, 559, 693, 707, 740, 762, 774, 783, 785, 788, 791, 802, 808, 811, 839, 841, 876, 903, 905, 941, 950, 966, 983, 989 f., 992, 1009, 1026, 1053  Elsaß  625, 628 f.  England  183, 374, 482, 650, 652  f., 658, 660, 669  f., 672, 818, 918, 995, 1056, 1067 Europa  XLIX, LXX f., 20, 26, 48, 79, 167, 182–184, 187, 190 f., 194, 209, 227, 271, 281, 308, 384, 534, 549, 564, 624, 626– 629, 639, 644, 665, 717, 733, 755, 846, 879 f., 887, 893, 906, 910, 912, 941, 989, 1006, 1018, 1046, 1059, 1072 → europäische (Sachregister)  Florenz  13, 718, 992 Franken 704 Frankenthal 521 

1130

Register

Frankfurt  – freie Stadt  17, 105, 111, 129–132, 140, 142, 205, 224 f., 234, 238, 247, 268, 329, 407, 419, 422, 426, 439, 441, 448, 458, 518 f., 591 f., 599 f., 633, 689, 747, 779, 815, 820, 822, 824–838, 842 f., 845–850, 970, 1030, 1034, 1041–1043, 1075 – Krönungsstadt  202, 205  – Sitz des Bundesgerichts  455 – Sitz der Bundesversammlung  XVI, XVIII, XX f., XXIV, XXIV, XXVI–XXVIII, XXXI, XXXIII f., LIII–LVI, LXVI, LXIX, LXXIII, 13, 17, 31, 39, 42, 48, 56, 60 f., 70, 72, 75, 78, 109, 118, 120, 123, 129, 133, 141, 150, 179, 181, 185 f., 195–199, 203, 207, 210– 216, 220–222, 224, 229, 233 f., 237, 239, 241, 248, 254, 256–260, 263, 265 f., 269, 274 f., 277, 279, 281–283, 288, 291, 295, 298, 301, 320 f., 345, 347–349, 370, 374, 381, 395, 400, 408, 410 f., 417 f., 434, 439, 442, 448, 455, 457, 459–462, 464 f., 471, 473, 475, 477, 480, 490, 492, 494, 499, 511, 521 f., 530, 532, 534 f., 537, 541–543, 545, 556, 570, 580, 591, 593–594, 596 f., 601– 604, 610, 624, 630 f., 646, 652, 674, 676, 695, 700, 703, 712, 720, 726, 729, 734, 740, 750, 753, 792, 796, 800, 805, 807, 814, 816– 818, 821–823, 839, 842, 848, 850 f., 857, 859 f., 868, 884, 893, 895, 897 f., 907, 919, 928, 944 f., 952, 957, 961, 967, 969, 971, 974, 979, 982 f., 989, 993, 1010, 1014, 1022, 1035, 1040 f., 1047, 1062, 1065, 1074 – Sitz der Nationalversammlung  24, 516, 554, 622, 706, 796, 850, 1000, 1008, 1046 Frankreich  7 f., 75, 122, 167, 183, 207 f., 278, 384, 518, 586, 625, 653, 691, 720, 756, 786, 818, 825, 844, 871 f., 885, 916, 963, 989–991, 995, 1071 f. Freiburg  544, 1069 Friedrichsort 805 Gastein  XXVII, LI, LXV, 187, 195–197, 201, 206, 209, 212, 214, 528, 803–807, 811–813, 816, 818, 824, 828, 858 f., 865– 867, 882, 885, 888, 894, 901, 903, 905, 911, 914, 920, 942–945, 951, 966, 981, 983, 993, 1010 f., 1022, 1026 f., 1057 Gießen 16 Göttingen 32 Gotha  591 f., 600, 749–752, 1053  Greiz  225, 233 Griechenland  271, 627, 755 f. Großbritannien  XLV, XLVI, 183, 374, 384, 656, 756, 916, 989–991 

Habsburg, Habsburgermonarchie  IX, LXXI, 7, 277–279, 480–482, 719, 817, 1054, 1057 → Österreich Hamburg, freie Stadt  XXX, 9, 73, 91, 105, 109, 140, 143, 211, 224, 238, 247, 257, 304, 323, 325–327, 329, 350 f., 372, 375, 382, 396, 401, 407, 419, 421–423, 437– 439, 441, 448, 458, 527, 529, 591 f., 603, 618, 627, 747, 779, 804 f., 874, 1029, 1034, 1047  Hannover, Königreich XV, XX, XXVI, XXXV, XXXIX, XL, XLII, LII–LV, LXII, LXX, 19, 33, 49, 58–60, 72, 84, 93, 98, 106 f., 109, 111, 125, 128, 138 f., 142, 147, 222, 231, 247, 284–287, 301–304, 313– 315, 321 f., 324, 326, 328–330, 348, 351– 355, 364, 371, 374–382, 384, 386–388, 397–399, 403 f., 406, 417, 419–422, 427, 441, 447, 460, 462, 475, 494 f., 498 f., 511, 518, 535 f., 539, 541, 543, 556 f., 559, 561, 570, 573–576, 580, 586, 591, 603, 611, 637, 640, 646, 701, 705, 710, 742, 744, 759, 776, 791, 804 f., 809, 847–851, 874, 883, 893, 899, 925, 934, 936, 939, 946, 953, 973 f., 976, 981, 983, 989, 1022, 1033, 1041, 1047, 1057, 1060, 1062, 1067, 1077  Hannover, Stadt  543 f., 580, 847, 899 Hansestadt, Hansestädte XXXI, XXXVI, LXIV, LXVIII, 9, 138, 373, 527, 529, 965, 1037, 1040 Heidelberg  43, 52, 108, 266, 592, 600, 622, 1068 f. Helgoland 528 Hersfeld 634  Hessen 130 Hessen, Großherzogtum  XV, XIX, XXXVI, XLII, XLVIII–LII, LXI f., LXIX f., LXXIV, 7, 19, 33, 49, 72, 84, 97, 107, 125, 138, 140, 142, 183, 208, 222, 232, 236, 238, 247, 329, 397 f., 404, 406, 417, 419, 422, 439, 441, 447, 458, 460, 467, 497, 518 f., 536, 539, 543, 557, 566, 574, 598, 614 f., 619, 703–705, 709, 716, 739–743, 747, 753, 759, 772 f., 777–779, 800, 802 f., 807– 809, 811, 838–840, 868, 925, 928, 936, 938 f., 946, 960, 964, 971 f., 974, 976, 989, 1025, 1034, 1041, 1045  f., 1057, 1062, 1075, 1077 Hessen, Kurfürstentum → Kurhessen  Hessen-Darmstadt → Hessen, Großherzogtum Hessen-Homburg, Landgrafschaft  XIX, 104, 140, 142, 233, 247, 263, 325 f., 329, 407, 422, 441, 448, 498, 558, 569, 575, 618, 747, 778, 1045 f. 

Länder- und Ortsregister Höchst 830 Hohenzollern 250 Holland  653, 755 Holstein, Herzogtum  XXXVIII–XL, XLII, XLIV f., XLVII, XLIX–LII, LXIII, LXV, LXXVI, 70, 97, 109, 138, 140, 142, 223, 247, 329, 406, 441, 447, 494–499, 556, 558–578, 588, 598, 600–602, 604, 608, 610–616, 619, 621, 630, 637–642, 648– 650, 667, 671, 673 f., 689 f., 693, 700 f., 704 f., 707, 709, 720, 740–743, 747, 753 f., 756 f., 759, 761–764, 766 f., 769, 771, 773– 776, 778–780, 786–789, 794, 797, 800– 807, 809, 811 f., 839–841, 866 f., 869, 872, 874, 882, 885, 888, 903, 913, 933, 942– f., 993, 1010  f., 945, 951, 981–985, 988  1014, 1017, 1019  f., 1023–1027, 1029– 1031, 1048, 1058–1060, 1074 Irland 374 Italien  8, 26, 133, 158, 183, 220, 272, 696, 718, 797, 859, 861, 912, 983 f., 989, 994, 1072 Jadebusen 1037 Japan 132 Jena  543, 908 Jütland  653, 671 f.  Karlsbad  XXIV, 656, 797  Karlsruhe  XVI, 11, 20, 40, 155, 603, 606, 791, 865, 894, 953, 1047, 1065, 1067 f., 1074 Kassel  XLIII, 17, 32 f., 60, 72, 77, 460, 475, 511, 536, 541, 591 f., 603, 620, 622, 633 f., 637, 737, 788, 1016, 1047, 1060  Kiel  621, 804 f., 944, 1037  Kissingen 184 Köln 221  Königgrätz  IX, XI, LXIV, LXIX Königsau 629  Konstantinopel  15, 995 Kopenhagen  601, 603, 611, 814  Krakau 890 Kroaten 1055 Kurhessen  XX, XXXVI, XLII, LII, LXIX f., 15, 19, 33, 49, 72, 77, 84, 96, 109, 111, 138, 140, 142, 222, 232, 236, 238, 247, 287, 304, 313 f., 321, 329, 350, 357, 385, 397–401, 404, 406, 417, 419, 421 f., 437, 439, 441, 447, 458, 460, 467, 494, 497, 518 f., 536, 539, 557, 566, 574, 615, 618, 621 f., 633 f., 705, 747, 772, 809, 830, 874, 893, 925, 936, 946, 976, 1024, 1034, 1041, 1057, 1060, 1067, 1077

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La Chaux-de-Fonds  130 Landau 521 Laubegast 661 Lauenburg, Herzogtum  XXXVIII–XL, XLVII, XLIX, LI f., LXXVI, 70, 97, 247, 329, 441, 447, 494–499, 556, 558–563, 565–567, 569–572, 574–578, 588, 610, 637 f., 640 f., 650, 654, 667, 673, 693, 697, 700, 709, 740–743, 747, 753 f., 757, 759, 762 f., 769, 773, 775 f., 779 f., 788 f., 800–803, 806 f., 809 f., 812, 839 f., 874, 910, 933, 942, 945, 988, 1017  Leipzig  71, 75, 277, 460, 475, 511, 520 f., 623, 666, 826, 1047 Liechtenstein, Fürstentum  XV, XIX, 104, 140, 142, 224, 232, 236, 238, 247, 263, 329, 406, 419, 421 f., 439, 441, 448, 458, 474, 498, 558, 569, 575, 618, 747, 778, 1029, 1034, 1042, 1046, 1058, 1077 Limburg, Herzogtum  98–100, 109, 247, 447, 497, 557, 567, 574, 617, 747, 774, 809, 874, 925, 937, 976, 1025, 1034, 1041  Lippe, Fürstentum  XIX, 5, 104, 140, 142, 247, 263, 288, 329, 441, 448, 498, 558, 569, 575, 618, 747, 778, 1029, 1034, 1042, 1058  Lippe-Detmold, Fürstentum  XXIX, 283, 407 Lombardo-Venetien 15  London  XLVI, 192, 563, 646–648, 652, 657, 664, 667 f., 670, 709, 755, 769, 1019  Ludwigsburg 159 Lübeck, freie Stadt  XXX, LXVIII, 9, 73, 111, 140, 142, 211, 224, 230, 238, 247, 257, 305, 329, 350, 372, 407, 418–420, 422, 439, 441, 448, 458, 527, 529, 805, 874, 1029, 1034, 1039 f.  Luxemburg, Großherzogtum  XXIX, 98  f., 109, 138, 140, 142, 223, 247, 327, 329, 375 f., 406, 435, 439, 441, 447, 497, 557, 567, 574, 617, 747, 774, 802, 809, 925, 937, 976, 1025, 1034, 1041, 1043  Madrid 845 Mähren  110, 487, 717 Mainlinie 783 Mainz  133, 219, 520, 738, 828, 860  Mannheim  183, 1068  Marburg 32  Mecklenburg  XV, XX, LII, 24, 72, 109, 138, 481, 494, 646, 705, 764, 874, 946, 1013, 1043  Mecklenburg-Schwerin, Großherzogtum XVIII, XXXI, XXXIV, 19, 24 f., 103, 140, 142, 211, 223, 229–232, 236, 238, 247,

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Register

LV, LVII–LIX, LX–LXII, LXIV–LXVI, LXVIII–LXX, LXXIII–LXXV, 3, 7, 9, 18 f., 22, 33, 39, 41 f., 44, 49, 60, 70, 76–78, 84, 98, 100, 106, 110 f., 113, 117 f., 121, 125–128, 131, 134, 138 f., 141 f., 147, 151, 154 f., 157 f., 165–167, 170, 181–185, 187, 190–192, 196, 200, 202 f., 205, 207–213, 220–222, 224, 229–231, 234, 237, 240 f., 247, 250, 253, 261, 266, 271 f., 274, 278, 280 f., 283–286, 288, 290, 292, 301 f., 304– 306, 309, 313–316, 318, 320, 322–324, 326–330, 332–334, 339, 345 f., 350–354, 357, 366, 371, 373, 375 f., 381–385, 387, 396–400, 408, 410 f., 417, 419, 421–425, 427, 431, 434, 437 f., 441 f., 447, 450, 454, 461, 464–468, 472, 480–482, 486–488, 494 f., 499, 513–516, 519, 523 f., 526–534, 536, 539, 544–546, 548–554, 556–561, 565–571, 573, 575 f., 581 f., 585 f., 589, 591, 600–602, 608–611, 614–619, 621, 625, 631, 634 f., 637, 639, 647, 649 f., 653, 656, 658–660, 666–668, 670–674, 689–691, 693 f., 696 f., 699, 701 f., 704 f., 707–712, 714 f., 718–725, 729 f., 732, 735 f., 738 f., 741 f., 748, 753, 755–757, 759, 763–767, 769, 771 f., 780 f., 783–785, 787–789, 792, Nassau, Herzogtum XV, XX, XXXIII, 794, 797, 800–804, 806–809, 811 f., 814 f., ­XXXVI, LII, LXI, LXVII, LXIX, 7, 19, 33, 817, 820–822, 824, 827–832, 832–835, 49, 84, 102, 108, 130, 138, 140, 142, 165, 839–846, 850, 857–860, 862 f., 865–869, 204, 208, 223, 232, 236, 238, 247, 285, 871–883, 885–892, 893 f., 897–903, 905 f., 303–306, 315, 320 f., 327, 328–330, 350, 908–916, 918, 920–922, 924, 927–931, 935, 355, 397–399, 406, 419, 422, 439, 441, 939, 942–946, 951 f., 962–964, 966 f., 971– 448, 456, 458, 460, 497, 518 f., 539, 543, 972, 974, 976 f., 981–986, 989, 991, 993– 558, 568, 574, 591, 617, 619, 703, 705, 1000, 1002, 1004–1006, 1010  f., 1014, 716, 747, 776, 809 f., 830, 868, 874, 928, 1016–1018, 1022–1027, 1029, 1031–1033, 937 f., 960 f., 964 f., 971 f., 974, 976, 1026, 1039, 1041, 1043, 1045  f., 1048, 1051, 1034, 1042, 1057, 1067  1055–1059, 1066, 1070–1073, 1075, 1077 Niederlande, Königreich  XX, XXIX, XXXIV, Oldenburg, Großherzogtum XX, XXX, XLIII, LII, LXVI, 98 f., 223, 232, 236, 238, XXXII f., 104, 111, 138, 140, 142, 165, 271, 301, 313, 329, 355, 368, 370, 375 f., 223, 232, 236, 238, 247, 257, 260, 286, 419, 422, 435, 439, 441, 497, 514, 550, 293, 301, 303 f., 314, 322 f., 329, 334, 337, 557, 567, 574, 617, 624, 747, 774, 809, 348, 350, 354, 356, 360, 374, 376–378, 925, 937, 976, 1025, 1034, 1041, 1043  383, 385, 393, 399, 401, 406, 417, 419 f., Nikolsburg  LXIX, 717, 1073 Norddeutschland, norddeutsche Staaten  422, 427, 437, 439, 441, 448, 456, 458, 487, 497  f., 529, 558, 568  f., 573, 575, LXIX, 71, 738, 783, 804, 863, 871 f., 874, 618 f., 673 f., 705, 708–710, 745, 747 f., 893, 928, 939, 1040, 1051 f., 1055, 1070 f.  754 f., 757, 765, 770 f., 773, 775 f., 778, Nord-Ostsee-Kanal  806, 845 780, 802, 804, 810, 874, 943, 977, 991, Nordsee  LX, 73, 697, 804, 806, 919, 1037  1029, 1034, 1037, 1040–1042  Nürnberg  XXXVI, 91, 202, 535 f., 592, 645, Ostende 797  657, 865, 939  Ostsee  73, 697, 804, 806, 874, 945, 1037 Oder  LX, 919  Paris  8, 58, 133, 181, 709, 717, 736, 851, Österreich, Kaisertum  IX–XI, XIII–XV, XIX– 854, 885, 899, 988–992, 994 f., 1066  XXIX, XXXII–XXXVI, XXXIX–XL, XLII– 285–287, 289 f., 292, 301–306, 320, 322 f., 325–329, 331, 342, 350–352, 354, 359, 361, 371 f., 374–376, 378, 381–383, 385, 396, 400–402, 404, 406, 410, 419, 422, 434, 437–439, 441, 447, 477, 497, 522, 558, 568, 574, 618, 747, 776, 810, 937, 977, 1027, 1030, 1034, 1042 Mecklenburg-Strelitz, Großherzogtum 103, 140, 142, 211, 223, 231 f., 236, 238, 247, 302–305, 321, 329, 352, 354, 375, 383–385, 397 f., 401, 406, 419, 422, 429, 439, 441, 448, 458, 497, 558, 568, 574, 618, 747, 776, 810, 937, 977, 1027, 1029 f., 1034, 1042 Mehlis 752 Mexiko 8  Mitteldeutschland  111, 263, 705, 874, 1001  München  XVII, XXIII, L, LVII, LIX, 3, 7, 58, 60, 74, 108, 117, 124 f., 127 f., 153 f., 181, 210, 460, 475, 518, 521, 543, 578, 603, 635, 637, 641, 648, 657, 695, 702 f., 719, 736–738, 782, 784 f., 789–791, 811, 823, 831, 857, 859 f., 865, 870, 873, 876, 879, 881, 883, 893–895, 901, 925, 927 f., 951, 965 f., 1003, 1047, 1059

Länder- und Ortsregister Pfalz  130 f., 871 Pillnitz 797  Polen  183 f., 387, 541, 834, 892, 1048, 1055  Portugal 797  Possenhofen, Schloß  797 Prag  LXX, 543, 1073 Preußen, Königreich  IX f., XIII–XXI, XXIII, XXV, XXVII–XXIX, XXXII–XXXVII, XXXIX, XLI–LXVI, LXVIII f., LXXIV f., 5–8, 14–16, 18, 21 f., 30 f., 37, 40–42, 45 f., 52, 54 f., 63, 65, 68–73, 75 f., 78, 83 f., 86, 107, 110  f., 113, 117  f., 120  f., 125–130, 132, 138 f., 142, 147, 150, 158, 162, 166 f., 170, 181–184, 186 f., 190, 193, 194–201, 203, 206–211, 213, 216, 218, 220 f., 223, 227–231, 234, 236 f., 240 f., 247, 250, 254, 261, 264 f., 271 f., 279, 281, 283, 288, 290, 294, 299, 309, 313–316, 318, 322, 329, 332–334, 349, 353, 357, 366, 384, 387, 400, 408–410, 414, 423–425, 431, 433, 435–439, 441 f., 447, 450, 454, 457–470, 472, 475 f., 478–483, 486–488, 491–495, 499, 511–519, 522–526, 528–534, 536– 541, 543–551, 553–561, 565–571, 573, 575 f., 580–582, 585 f., 589, 592, 600–602, 608–611, 614–619, 621, 625, 631 f., 634 f., 637, 639, 647, 649 f., 653, 658, 660, 666– 668, 670–674, 689–691, 693 f., 696–699, 701 f., 704 f., 707, 709–712, 714 f., 718, 720–725, 730, 732–736, 738, 741 f., 745, 748, 753, 755–757, 759, 763–767, 769, 771 f., 775, 780 f., 783 f., 787–790, 792– 794, 800–809, 811 f., 814 f., 821 f., 824 f., 827, 829–837, 839–846, 850, 857–863, 865–868, 870–875, 877–883, 885–895, 897–903, 905 f., 908–922, 924 f., 927, 929– 931, 935, 938–940, 942–946, 948 f., 953, 955, 958, 961–971, 973–989, 991, 993– 1000, 1002, 1004–1006, 1010–1015, 1017 f., 1020, 1022–1024, 1026 f., 1029– 1032, 1034, 1037, 1040–1044, 1046–1048, 1050–1055, 1058–1060, 1063, 1066–1068, 1070–1073, 1075, 1077 Pyrmont  224, 232, 236, 238, 436 Regensburg  204, 207 Rendsburg  690, 805, 944 Reuß  XIX, 104 Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz), Fürstentum  XXIX, 140, 142, 225, 233, 247, 263, 329, 407, 422, 441, 448, 618, 965, 1058 Reuß jüngere Linie (Reuß-Gera), Fürstentum  XXXIV, 5, 104, 140, 142, 224, 232, 236, 238, 247, 263, 329, 407, 419, 423 f., 436,

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439, 441, 448, 458, 498, 569, 618, 778, 965, 1029, 1049 f., 1058  Rhein  LX, 919  Rheinbayern 165 Rheinhessen 165 Rheinland 871 Rheinpfalz  131, 784  Rio de Janeiro  15 Rodach 750 Rom  75, 179 Rosenberg, preußischer Landkreis  118 Rostock  592, 863 Rüdesheim 1001 Rußland  183, 384, 387, 541, 653, 710, 756, 766, 834, 916, 944, 989–991, 995  Sachsen, Königreich XV, XIX, XXVII, XXIX f., XXXIII, XXXV, XXXIX, XLII, f., LXIV, LXX, XLVIII–LIII, LV, LXI  LXXIV, 19, 33, 49, 72, 89, 107, 125, 128, 138 f., 142, 147, 154, 165–167, 222, 225, 229–231, 233–235, 237, 247, 261, 265, 283–287, 292 f., 301–306, 313–315, 320, 322, 324, 326–330, 348, 351 f., 354, 371, 373, 376, 382 f., 385, 396, 398 f., 401 f., 404, 406, 417–419, 422–424, 437, 441, 447, 460, 494 f., 498 f., 530 f., 533 f., 539, 556 f., 559 f., 570, 573, 575 f., 591, 598, 602, 610, 617–619, 621, 662, 665, 699– 701, 704 f., 718, 726–730, 739–748, 753, 758 f., 772 f., 777, 779, 783 f., 797, 799– 803, 807–809, 811, 838–841, 868, 874, 887, 925, 928, 931, 938 f., 946, 960, 962, 964, 971, 973, 976, 983, 986 f., 989, 1011, 1015, 1022, 1067, 1077 Sachsen-Altenburg, Herzogtum  XXX, XXXII, LXVIII, 19, 101, 140, 142, 223, 232, 247, 257, 260, 263, 287, 292, 298, 320, 329, 349, 371, 381, 396, 406, 417, 441, 448, 482–491, 617, 775, 939, 965, 1051 f., 1056  Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogtum  XXX, XXXVI, LXVIII, 102, 111, 140, 142, 204, 223, 232, 235, 238, 247, 247, 257, 259 f., 263, 286, 303, 322 f., 325–329, 334, 337, 339, 344 f., 350 f., 354, 356, 362 f., 373, 382 f., 385–387, 394, 396, 399–401, 406–408, 418–422, 426 f., 437, 439, 441, 448, 458, 497, 535–537, 567 f., 619, 749– 753, 774, 795 f., 938 f., 960, 971 f., 974, 976, 1025, 1033, 1041, 1050, 1053–1058 Sachsen-Meiningen, Herzogtum XXXI, XXXVI, 19, 84, 102, 140, 142, 223, 232, 235, 238, 247, 262 f., 302, 323, 329, 381, 398, 401, 406, 419, 421 f., 428, 437, 439,

1134

Register

441, 448, 458, 535 f., 539, 567 f., 592, 619, 775, 938 f., 960, 965, 971 f., 974, 976, 1026, 1049 f. Sachsen-Weimar, Großherzogtum XXX, XXXIV, 101, 111, 140, 142, 223, 232, 235, 238, 247, 257, 260, 263, 287, 301, 321– 323, 325–329, 331, 334, 336, 342, 344, 350–353, 356, 360, 363, 371, 375 f., 395, 400, 402, 406, 418 f., 422 f., 435–437, 439, 441, 448, 458, 477, 521, 567 f., 592, 619, 938 f., 960, 965, 971 f., 974, 976, 1025, 1049 f., 1062 Sachsenhausen 833 Salzburg  803, 828 Schaumburg-Lippe, Fürstentum  XIX, XXXVI, 104, 140, 142, 224, 236, 238, 247, 263, 327, 329, 353, 396, 407, 419, 422, 439, 441, 448, 458, 474, 498, 536, 558, 569, 575, 618, 747, 778, 1029, 1034, 1042, 1058  Schlackenwerth, Schloß  797  Schlesien  887, 890 Schleswig, Herzogtum XXXVIII–XLV, ­XLVII, XLI–LII, LXXVI, 70, 97, 487, 494, 497, 558, 563 f., 566, 569, 574, 588, 598, 600–602, 609–619, 638, 647–651, 658 f., 667, 669, 671–675, 693 f., 705, 709, 733, 741, 756, 762 f., 765–767, 774 f., 778 f., 786 f., 800–802, 804–807, 813, 839–841, 885, 909, 911, 925, 942 f., 990, 1010, 1025, 1059 Schleswig, Stadt  661 Schleswig-Holstein  X, XXXVIII–LIII, LV f., LVIII f., LXII f., LXVI f., LXXIV, LXXVI, 70, 131, 204, 223, 272, 495 f., 558 f., 562, 567, 578, 591, 593–595, 602 f., 606–609, 614, 617, 620, 622, 625, 627 f., 631, 633 f., 636 f., 639–641, 644–646, 648, 650, 654, 660–664, 666 f., 671, 690, 692–694, 697, 708, 710–712, 714, 722, 731, 733, 735, 741, 744, 754, 756 f., 770–774, 776–784, 794, 798, 806 f., 812, 816, 819, 836, 842, 846, 877, 881, 888, 893, 905, 909 f., 915, 940, 942–945, 966, 969, 981, 984, 986, 993, 995–997, 1017, 1019 f., 1025–1027, 1053 f., 1057, 1059, 1067 Schwaben 704  Schwarzburg  XX, 104, 497, 558, 568, 573, 575, 618 f., 747 f., 776, 780, 810, 977, 1029, 1034, 1041 f. Schwarzburg-Rudolstadt, Fürstentum 104, 140, 142, 223, 232, 236, 238, 247, 263, 329, 406, 419, 422, 439, 441, 448, 458, 569, 965, 1049 f.

Schwarzburg-Sondershausen, Fürstentum 104, 140, 142 , 223, 232, 236, 238, 247, 258, 263, 329, 372, 406, 419, 422, 439, 441, 448, 458, 498, 569, 778, 965, 1049 f. Schweden  520, 653, 660, 797  Schweiz  130, 162 f., 166 f., 178, 271, 589, 918  Schwerin  25, 522  Siam 132 Skandinavien 629 Sonderborg 945 Sonderburg 944 Sonneborn 752 Spree 717 St. Petersburg  8, 17, 736, 834, 845, 992, 995  Starnberger See  797 Stockholm 15 Stuttgart  LXX, 14, 28, 43 f., 58, 135, 156, 159 f., 348, 460, 475, 511, 519, 603, 635– 637, 644, 646, 692, 695, 702, 714, 735, 788, 790 f., 845, 850, 865, 894, 905, 996, 1000, 1047, 1065 f., 1076  Süddeutschland  705, 843, 860, 964, 981, 1000, 1055, 1070 f.  Südwestdeutschland  39, 721, 738  f., 783, 874, 1000 f., 1066 Tilsit 916 Tonna 749 Toskana 718 Tübingen  15 f., 43, 108, 159, 543, 645 Ulm 543 Ungarn  110, 271 f., 817, 861 USA 8 → Amerika, Nordamerika Vatikan 17 Venetien  8, 994 f. Waldeck, Fürstentum  XIX, XXX, XXXIV, 104 f., 140, 142, 224, 232, 236, 238, 247, 257, 260, 263, 285 f., 325, 329, 341, 406, 418 f., 422, 436, 439, 441, 498, 558, 569, 575, 618, 747, 778, 1029, 1034, 1042, 1058  Warschau 183 Washington 814  Waterloo 277 Weimar  XXVIII, LXVIII, 38 f., 266, 591 f., 603, 791, 826, 965, 1049 Wien  XXII–XXIV, XXVII, XLI, XLIX, LIV, LXV f., 3 f., 8 f., 13, 15, 39–41, 58–60, 69, 77, 86, 116, 124, 134, 149, 153 f., 159, 185, 196, 198, 200, 204 f., 210, 212, 216, 272, 475, 511, 519, 521, 531, 541, 543 f.,

Länder- und Ortsregister 549, 586, 596, 603, 624, 637, 646, 655 f., 658, 667–669, 675, 689, 697 f., 700, 707 f., 714, 716 f., 732, 736, 776, 790–792, 794, 812, 814  f., 817, 821  f., 830–832, 842, 845 f., 858, 866, 868 f., 883, 888 f., 893, 899, 905, 916, 922, 941 f., 948, 951, 966, 981, 985, 992–994, 1026, 1047, 1054, 1066  Wiesbaden  LXVII, 181, 475, 543, 865, 1001  Wilhelmshaven 1037 Wilhelmsthal 459  Württemberg, Königreich XXII  f., XXIX, XXXIII, XXXV, XXXVIII, XL, XLII  f., LII f., LV, LXI f., LXX, 7, 13–17, 19, 33,

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49, 59, 84, 94, 107, 125, 128, 134, 138 f., 141 f., 147, 154, 157, 159, 161, 165 f., 177, 208, 222, 232, 236 f., 247, 284, 286, 292, 313, 315, 325, 329 f., 348, 353, 355, 382 f., 388, 397 f., 404, 406, 417, 419, 422, 439, 441, 447, 458, 460, 481, 494 f., 518 f., 539, 544, 557, 561, 574, 591 f., 611, 619, 621, 635  f., 647, 692–695, 701, 703, 705  f., 714 f., 719, 735–737, 747, 762, 770, 784, 809, 850, 868, 904, 906 f., 925, 928, 936, 938 f., 946, 956, 960, 964, 971 f., 974–976, 987–989, 996, 998, 1000, 1015, 1023, 1033 f., 1041, 1062, 1066, 1075, 1077  Würzburg  19, 71, 657, 705, 939, 1008 

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Register

Sachregister Aachener Kongreß (1818)  384 Abgeordnetentag, deutscher XXVIII, X ­ XXVIII, XL f.. LIII, LIX, LXVII, LXXV, 6, 38 f., 262, 266–272, 591–600, 603–605, 631, 644, 814–833, 835–837, 843, 907 f., 969 f. f., 591–600, – 36er-Ausschuß  XLI, XLIII  603–605, 630–633, 644, 814, 821 f., 826, 843 Abgeordnetenversammlung, deutsche  XXV f., XXXI, 49–51, 79, 81, 192, 226, 240, 244, 246–250 f., 264, 290 f., 310, 312, 314, 318, 323–328, 335–341, 343–345, 352, 356, 362–368, 372, 375, 378 f., 382, 393, 395 f., 399, 402–404, 407 f., 415, 428, 432, 440, 443, 445–451, 487–489, 515, 517, 543, 552 f., 588 f., 896, 935 → Delegiertenversammlung Abschlagszahlung an die Nation  38 f., 270 Absolutismus 1000 – Bundestag 23   – Österreich  132, 278 – Preußen  917  Abstimmungsmodus (im Bund) – Dreiviertelmehrheit  145, 372, 378, 396, 402–404, 450 – Einstimmigkeit/Stimmeneinhelligkeit  XV, 4, 13, 15, 18, 21 f., 34, 37, 41, 47, 50, 52– 54, 58–61, 63–67, 69, 71, 74, 80 f., 83, 85 f., 88, 92 f., 96, 98, 100–104, 141, 218, 341, 367, 371–373, 378, 381 f., 386 f., 396 f., 403  f., 423, 487, 584, 935, 954, 1018, 1020  – Stimmengleichheit  141, 148, 313, 315, 329, 398, 405, 442 – Stimmenmehrheit  XV, 14, 37, 54, 59, 63, 67, 80, 86, 102, 105, 141, 143, 148, 241, 243, 248, 313, 318, 322, 329, 333–335, 357, 362, 373, 382, 386 f., 442, 444, 449, 467, 488 f., 555, 780 – Zweidrittelmehrheit  64, 243, 247 f., 333– 335, 371, 431, 443 f., 448 f., 488 Advokaten, Advokatur  173, 176, 592, 600, 628, 661, 795 Ärzte  173, 176 f. Akademien  169, 179, 543, 679 Allgemeine Preußische Staatszeitung  264 Alternat (im Bundespräsidium)  349, 537, 540, 550  Altes Reich  22, 46, 133, 191 f., 220, 278, 386, 625, 902, 1045 Alvenslebensche Konvention (1863)  541

Annexion Schleswig-Holsteins XLVII  f., LXVII, 720 f., 732–734, 783 f., 787, 872, ­ 907, 909–911, 914, 967–969, 983, 998, 1053 Arbeiterbildungsverein, Frankfurt  XVIII, 75 Arbeitervereine  727 f. Armenunterstützung  161, 166 Auflösung – des Deutschen Bundes  XI, XIV, XXXIX, LXIX, LXXVI, 182, 492, 533, 537, 637, 639, 721, 734, 857, 860, 868, 964, 1044, 1050, 1070 f., 1073, 1076 – der Nation  LVIII, 883  Augsburger Allgemeine Zeitung  XVIII, 51 Ausschüsse des Bundestags/der Bundesversammlung – Ausschuß für das Bundesgericht (1851)  XV f., XIX, 4, 11, 13 f., 34, 37, 49 f., 60 f., 73, 78, 80–83, 86, 89 f., 93, 98, 100–102 – Ausschuß für die Holstein-Lauenburgische Verfassungsangelegenheit  LII, 494, 610, 637 f., 673, 742–745, 747, 754, 757, 759, 761 f., 764 f., 776 f., 779, 802 f., 809, 811, 839, 841, 988, 1025, 1029, 1058 – Ausschuß für Militärangelegenheiten  73, 602, 848, 1013, 1030, 1065 – Ausschuß zur Begutachtung der Einladung zur Pariser Friedenskonferenz (1866)  989–990 – Ausschuß zur Beratung des preußischen Bundesreformantrags (1866) → Neunerausschuß  – Exekutionsausschuß  494 – Handelspolitischer Ausschuß  177 – Neunerausschuß (1866)  LXI–LXIV, 938 f., 946 f., 949, 952 f., 955, 957, 958, 960 f., 967, 979, 1062–1065 – Politischer Ausschuß (1851)  731, 934, 937  Austrägalinstanz, Austrägalverfahren  255 f., 392, 456, 673 f., 697, 741, 758–761, 768, 770 f., 780, 840, 882, 1024  Auswanderung  LXIII, 137, 144, 249, 449, 958, 1036  Basel, Friede von (1795)  916 Bayerische Zeitung  LVII, LXXIV, 239, 578, 876–883, 919, 1002 Bedürfnisse – der Gegenwart  15, 95, 185, 192, 197, 411, 415, 495, 917

Sachregister – der Nation  22, 24, 38, 41, 79, 267, 308, 469, 473, 492, 623, 1051 f. – des Volkes  922, 978 Befreiungskriege  118, 740, 1051 Berliner Allgemeine Zeitung  294, 345 Berliner Hof/Kabinett  LIX, 476, 512, 708 f., 718, 720, 734, 813, 858, 893, 930, 942, 948, 983 Berliner Zollkonferenz (1863)  518 Bewegungspartei  126, 369 Bittern, die (Frankfurter Karnevalsgesellschaft)  129–134 Bruderkrieg  LIX, 879, 883, 908, 1058 Bündnisse – Dreikönigsbündnis (1849)  128 – Preußen-Oldenburg (1866)  223 – Preußen-Schleswig-Holstein  1054 – Schutz- und Trutzbündnis zwischen Preußen und Österreich (1854)  183, 916 – Vierkönigsbündnis  128 Bürgerkrieg  XLIII, LIX, LXVII, 54, 493, 621, 903, 907 f., 966, 969 f., 997, 1021, 1057 f., 1067 f. – mexikanischer  8  bürgerliche Freiheit  164, 907 Bürgerliches Gesetzbuch  1002  Bürgerrecht  – akademisches  169 f. – deutsches  249, 449 – Gemeindebürgerrecht  164, 166, 171 f. – Reichsbürgerrecht  161 – römisches  179 – Staatsbürgerrecht  166, 171, 175, 178 Bundesakte (1815)  374, 379  f., 386, 403, 693, 777, 788, 1011  – Artikel 1  386, 618, 1033, 1041 f. – Artikel 1–3  403 – Artikel 1–11 380  – Artikel 2  91, 307, 311, 1032  – Artikel 3  386, 877 – Artikel 4  250  – Artikel 6  81, 263, 313–315, 329, 354, 379, 383, 403, 406, 441, 989  – Artikel 7  777 – Artikel 10  379  – Artikel 11  LVI, LIX, 55, 60, 69, 386, 423, 541, 618, 857, 866–869, 877 f., 882, 893, 895, 902, 914 f., 921, 930, 933, 962, 964, 971, 973, 975, 987, 1012, 1024, 1039  – Artikel 13  788 f. – Artikel 13–18  252, 389, 453  – Artikel 14  165, 390 – Artikel 16  161  – Artikel 18  161, 958

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– Artikel 19  958  Bundesanwaltschaft  254, 455  Bundesarmee  XIX, 12, 23, 25, 50, 141, 240, 242 f., 245, 263, 443, 445 f., 551, 567, 860, 916, 1010 f., 1022, 1024, 1026–1028, 1031, 1037 f., 1058 Bundesarmeekontingente, Bundesarmeekorps  LXV, 138, 173, 263, 301 f., 304, 314, 565– 567, 611, 801, 961, 964, 982, 987, 1010– 1013, 1022, 1025–1027, 1040–1042, 1050 – I.–III. Bundesarmeekorps  LXVI, 1022 – VII. Bundesarmeekorps  964, 1066 – VII.–X. Bundesarmeekorps  LXV f., 301 f., 705, 1022 f., 1030 – VIII. Bundesarmeekorps  316, 964 f., 1066, 1075 f. – VIII.–X. Bundesarmeekorps  240, 357 – IX. Bundesarmeekorps  874 – X. Bundesarmeekorps  314, 874 Bundesbeschlüsse  – 1817, 12. Juni  136 – 1842, 11. August  828 – 1842, 1. September  828 – 1842, 15. September  255, 456, 761 – 1846, 17. September  616, 640, 764, 767 – 1848, 9. März  204 – 1848, 30. März  268 – 1848, 7. April  268 – 1854, 6. Juli  90, 714, 726–731 – 1854, 13. Juli  LV, 90, 362, 598, 604, 714, 726–731, 847, 849, 851 – 1858, 11. Februar  498, 576 – 1858, 12. August  498 – 1860, 8. März  498, 576 – 1860, 28. Juni  5 – 1860, 22. November  5 – 1861, 7. Februar  498, 576 – 1862, 6. Februar  XV, 5, 33, 93 – 1862, 17. Juli  5 – 1862, 24. Juli  5 – 1862, 13. November  5 – 1863, 9. Juli  497–499, 561, 576, 601  – 1863, 1. Oktober  XXXIX, 494–499, 556, 558–560, 566, 569 f., 576 f. – 1863, 28. November  559, 763, 788 f. – 1863, 7. Dezember  XXXIX f., 556–570, 572–574, 576 f., 593, 602, 611 f., 672, 700, 742, 762, 933 – 1863, 14. Dezember  XL, 570–578 – 1863, 23. Dezember  763 – 1864, 14. Januar  609–619, 621, 671 – 1864, 25. Februar  637 – 1864, 2. Juni  674, 756 f., 778, 1059 – 1864, 7. Juli  754, 765

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Register

– 1864, 21. Juli  754, 776 – 1864, 1. September  754, 779 – 1864, 3. November  754 – 1864, 5. Dezember  700, 742, 800, 933 – 1864, 7. Dezember  800 – 1865, 6. April  753–783, 785 f., 801 f. – 1866, 21. April  LXI, 947 – 1866, 9. Mai  1011 – 1866, 24. Mai  LXIV, 974–978, 981, 983, 985, 1012 – 1866, 14. Juni  LXV, LXVIII, 1021–1034, 1040, 1043, 1057 f. – 1866, 16. Juni  1041–1043 – 1866, 11. Juli  1065 Bundesbruch XIV, XVI  f., XIX  f., XLI, XLIV, XLVII, L f., LVI–LVIII, LXVI, 14 f., 53, 492 f., 721, 787, 790, 859, 867, 878, 902, 916, 983, 993 f., 1031 f., 1043 f., 1048, 1059 Bundesexekution  LVII, 64, 336, 857, 859, 867, 1027, 1031, 1057  – in Holstein (und Lauenburg)  XXXVIII, 494–499, 576, 800–802 – gegen Dänemark  XXXIX f., XLIV, 494– 499, 556–578, 612, 670, 690, 909  – gegen Preußen  LVII, LXV, 857  Bundesexekutionsordnung  494, 499, 556, 565, 570 f., 574, 577  Bundesexekutive, Bundes(exekutiv)behörde  XV, XXV f., XXXIII, 12, 25, 34, 50, 95, 107, 154, 192, 196, 204, 217, 226, 244, 267, 273, 306, 315, 340, 414, 445, 490, 513, 533, 547 Bundesfeldherr  243, 443 → Oberbefehl  Bundesferien  XV, L, 784 Bundesfestungen  12, 42, 243, 245, 407, 443, 445, 493, 551, 493, 866, 878, 954, 958, 980, 1050, 1054, 1077 f. – Rendsburg  690, 805, 944 Bundesfinanzen, Bundesbudget  144, 183, 220, 245 f., 264, 323, 335, 343, 393, 399, 432, 446 f., 1037 f.  → Bundeshaushalt Bundesflotte  278, 804 f. → Bundeskriegsmarine  → Flotte Bundesfrieden  LIX, LXIV, 859, 893, 895, 907, 930, 952, 961  f., 964, 968, 971  f., 974 f., 983, 986 f., 1008, 1011, 1022, 1024, 1029, 1057 Bundesgebiet  XIV, XXXV, LXXVI, 83–85, 137, 158, 242 f., 247, 318, 334 f., 339, 368, 370 f., 443 f., 447, 463, 466, 472, 487, 523, 537, 545, 548, 566, 581 f., 605, 715, 1035, 1037  Bundesgenossenkrieg 179

Bundesgericht  XV, XIX, XXIII, XXV, 4, 13, 33 f., 45, 50, 78, 93, 98, 128, 137, 146–148, 157, 193, 226, 240, 244, 251–255, 259, 311 f., 366, 383, 389–393, 420 f., 427, 440, 444 f., 452–456, 463, 487, 489, 515, 552 Bundesgesetze  XVI, XXXVII, 94  f., 102, 136, 139, 141, 147 f., 244, 249, 251, 256, 310, 316, 362, 366, 394, 445, 450 f., 456, 718, 720, 730, 848, 914, 934, 973, 1030, 1040 Bundesgesetzgebung  XXV f., XXV, XXXI, XXXVII, XLVIII, LXIII, 21–23, 27, 33, 45 f., 63, 97 f., 101, 107, 136 f., 144, 157, 183, 192, 242, 144, 290 f., 309 f., 326, 338, 342, 352, 362 f., 372, 373, 375, 378, 381, 383, 404, 443, 445, 474, 727, 957, 979 f., XXIII, LIII, Bundesgrundgesetze XV  ­LXVII, 26, 45, 61–67, 69, 86 f., 101, 141, 144 f., 149, 289, 310, 340, 372, 379 f., 386, 434, 494, 523, 712, 760 f., 763, 768, 777, 826, 877 f., 893, 933, 935, 964, 973, 989, 1003, 1007  f., 1026–1028, 1031, 1033, 1040, 1048, 1077 Bundeshaushalt  XXVI, 246, 249, 382, 393, 431 f., 447, 449, 543 → Bundesfinanzen Bundesheer → Bundesarmee Bundeskasse  23, 147, 245, 247, 291, 356, 446, 448, 551, 571, 573, 575, 577, 1078 Bundeskommissare  XL, XLIV, XLVII, 15, 82, 139, 245, 445, 498 f., 557, 559, 570 f., 1077 Bundeskommissionen  – Finanzkommission  241, 442 – für Inneres und Justiz  241, 442 – für Handels- und Zollsachen  241, 442 – für Handelsgesetzgebung  87  – für Küstenverteidigung  73  – Militärkommission  XII, 73, 241, 442, 572 f., 575, 1013, 1030, 1039, 1065, 1076–1078 – zur Liquidierung des Bundeseigentums (1866)  LXX, 1077 f.  Bundeskrieg  XLI, XLVI, LVI–LX, LXV, LXVI, 138, 144, 243, 332, 444, 472, 514, 523, 536, 545, 548, 550, 581, 656, 911 → Krieg, innerdeutscher Bundeskriegsmarine  LXIII, LXVI, 204, 954, 980, 1037 → Flotte Bundeskriegsverfassung  XLVIII, LXIII, 182, 242, 245, 263, 443, 445 f., 474, 489, 891, 948, 954, 958, 980, 1012, 1031  – Artikel 46  1012  Bundesmatrikel, Bundesmatrikularkasse  11 f., 302 f., 329, 405, 442, 495, 551, 571, 1076 Bundesmilitärwesen  891, 920, 933 

Sachregister Bundesprotokolle (Veröffentlichung) 463, 730 f. Bundesrat  XXV f., XXXIII, 226, 240–246, 248, 250, 252, 254, 259, 264, 272, 290, 293, 306, 310, 312, 317–319, 326 f., 329, 332 f., 336 f., 356, 366–370, 372, 375 f., 378, 384, 386, 395 f., 402, 404, 428, 430, 440–448, 451 f., 454, 469, 487–490, 514 f., 528, 550, 552 Bundesrecht, bundesrechtlich  XVIII, XIX, XXXVIII, XLVII, LIV, LVII, LIX f., LXV, LXVIII, 14 f., 21–24, 37, 41, 47, 52, 54 f., 61, 68–70, 74, 81, 85, 94, 101, 105, 136, 141, 146 f., 217 f., 263 f., 295, 308, 343, 362, 420, 429, 492 f., 495 f., 519, 547, 549, 553, 605, 694, 696, 698, 700 f., 716, 720, 731, 733 f., 758 f., 787, 793, 827, 837, 840, 857, 867 f., 894, 902, 910 f., 914–916, 918, 936, 977, 981, 1008  f., 1023  f., 1026  f., 1031 f., 1034, 1039 Bundesreform  X f., XIV–XVIII, XX–XXIV, XXVI–XXXVI, XXXVIII, XLVI, XLVIII, LIX–LXIV, LXVII, LXX–LXXIV, LXXVI, 4, 6, 12, 15 f., 18 f., 22–25, 29, 33 f., 38, 40–42, 48, 50, 58 f., 64, 72, 79, 84 f., 88, 95, 107, 110, 112 f., 117, 119–125, 127 f., 134– 150, 154, 156–158, 181 f., 185, 187, 190– 197, 205 f., 209, 212 f., 215 f., 227, 237, 266–269, 272, 292, 299, 412, 433, 436, 459, 463, 470  f., 473, 480  f., 520–524, 526 f., 530, 542, 544, 547 f., 553, 580 f., 586, 599, 635, 657, 703–706, 739, 783, 836, 870–872, 875, 883–886, 891, 895– 898, 906, 908, 915 f., 917–926, 928–940, 946–949, 952–961, 965–969, 978 f., 986, 989, 993, 997, 1014 f., 1018, 1035–1038, 1045, 1062–1065 Bundesreformakte (1863) XXIII, XXV  f., XXX–XXXVI, LX, 134, 225 f., 230 f., 239– 256, 259, 262 f., 267, 269, 271–275, 290, 292 f., 295 f., 301, 308–312, 318, 324, 326, 340, 342, 346, 349, 357 f., 363, 373, 386, 391, 408, 410, 412, 415, 419, 423 f., 430, 432, 437–457, 461, 470, 474, 476, 483, 486, 511 f., 514 f., 517, 519, 524 f., 527, 532, 538, 540, 542 f., 545 f., 548, 550–555, 581, 659, 836, 875 Bundesstaat, bundesstaatlich  XVIII, XXI, XXIX, LXVII, LXX, 20, 22, 26, 38  f., 44 f., 70, 84, 100, 117, 151, 181, 192, 265, 267 f., 271 f., 308–310, 341, 415, 431, 485, 487–490, 539, 582–584, 589, 717, 720, 783 f., 817, 838, 954, 1018, 1053, 1068, 1070

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Bundestag  XLI, LIV, 10, 20–24, 33, 38, 44 f., 47, 59–69, 71, 82, 84, 129–133, 204, 215, 301, 312, 359, 431, 598, 602, 604, 624, 631, 654, 671, 730, 743–745, 749– 752, 756, 759–766, 768–770, 780, 795 f., 814 f., 820 f., 828, 834 f., 838, 857, 894, 900, 915, 935, 993, 1020 f., 1029, 1035, 1040, 1045 f., 1048, 1055 f. → Bundesversammlung Bundestagsgesandte – badischer  XV, XIX, LXII, 11, 36, 49, 51, 72, 101, 108, 494, 561, 565, 574, 612, 641, 770, 936, 939, 946, 972, 991, 1024, 1034, 1062, 1076  – bayerischer  XV  f., XIX, XXVI, LXII, LXX, 6, 71, 74, 107, 494, 557 f., 566, 573, 617, 641, 673, 695, 741 f., 747, 757, 761, 767, 811, 839, 924, 931, 939, 946, 952, 961, 972, 975, 989, 991 f., 1033 – braunschweigischer  XV, 102, 558, 568, 617, 619, 747, 776, 809, 937, 976, 1034 → 13. Kurie – dänischer (für Holstein und Lauenburg) XX, 97, 497, 537, 567 – Frankfurter  224, 779, 1030 – großherzoglich-hessischer  XV, XIX, XLII, LXII, LXX, 72, 97, 107, 557, 566, 574, 741, 747, 773 f., 925, 936, 939, 972, 976, 989, 1025, 1062 – hannoverischer  XV, LXII, LXX, 93, 494, 557, 561, 573, 611, 742, 776, 759, 934, 939, 946, 974, 976, 989, 1062, 1077 – holsteinischer  641, 788 f., 1020, 1059 – kurhessischer  LXI, LXX, 494, 536, 557, 566, 747, 809, 936, 946, 1077 – liechtensteinischer  XV – lübeckischer  9, 73 – mecklenburgischer  XV, 24, 72, 103, 494, 558, 568, 574, 618, 747, 776, 810, 937, 946, 1013, 1027, 1029 f., 1034, 1042 f. – nassauischer  XV, 102, 108, 558, 568, 617, 619, 747, 776, 809, 937, 972, 976, 1034 → 13. Kurie – niederländischer  XX, 98–100, 497, 557, 567, 574, 617, 747, 774, 802, 809, 925, 937, 1025, 1034, 1041, 1043 – österreichischer  XV, XIX, LXI f., LXIV f., LXX, 17 f., 97, 106, 494, 556–558, 597, 602, 610, 619, 729 f., 742, 748, 763 f., 780, 839, 841, 848, 878, 924, 929, 931, 939, 946, 949, 952, 972–974, 977, 981, 983–986, 989, 991, 1010 f., 1013, 1022, 1033, 1041 f. – preußischer  XV  f., XX, XLIX, LXII  f., LXV f., 8, 17, 70, 77, 83, 87, 104, 107, 256,

1140

Register

280, 494, 556 f., 570, 599, 602, 610, 619, 742, 748, 753, 763 f., 781, 791, 808, 839, 841, 847, 878, 919, 924, 931, 939, 946, 952–956, 957, 960–962, 967, 971, 973, 985 f., 988 f., 991, 1013, 1022, 1030–1034, 1042, 1063 f.  – sachsen-coburg-gothaischer  749 f., 752, 795 – sachsen-weimarischer  1062 – sächsische Herzogtümer  LXII, 102, 497, 558, 567, 574, 617, 619, 747, 774 f., 809, 937, 946, 972, 1025, 1034 → 12. Kurie – sächsischer  XV, XIX, LXII, LXX, 3–5, 72, 107 f., 494, 557, 573, 619, 741 f., 747, 759, 809, 839, 925, 939, 946, 957, 973, 976, 987, 989, 1022, 1062 – württembergischer  XIX, LV, LXII, LXX, 94, 107, 494, 561, 574, 611, 619, 714, 770, 936, 939, 946, 956, 972, 976, 987–989, 1023, 1033, 1062 – 12. Kurie  747, 774, 809, 939, 946, 1025, 1034  – 13. Kurie  XX, LXX, 617, 619, 1026, 1034, 1042 f. – 14. Kurie  1027 – 15. Kurie  XX, 104, 497, 558, 568, 575, 618, 748, 776, 778, 780, 802, 810, 991, 977, 1029, 1034, 1042 f.  – 16. Kurie  XIX, LII, LXX, 104, 498, 558, 569, 575, 618, 747, 778 f., 810, 977, 1029, 1034, 1041 f., 1058, 1077 – 17. Kurie  XX, LII, 105, 498, 558, 569, 575, 618, 747, 779, 810, 977, 1029, 1034, 1042 f.  Bundesverfassung  XV, XXII, XXIV, XXVI, XXIX, XXXV, XXXVII, XLVII f., LII, LIV, LVII, LX–LXII, LXVI–LXVIII, LXXI, LXXIII, LXXVI, 23 f., 34, 38, 45, 49, 61 f., 64–69, 79, 82, 88, 95, 99 f., 103, 109 f., 128, 135, 153, 157, 182, 185, 187, 190 f., 193, 197, 211­–213, 215, 227, 230, 244, 248 f., 252, 265, 267, 272, 288, 296, 311, 330, 351 f., 358 f., 362, 364, 372, 378–381, 396, 402–404, 410 f., 414 f., 429, 435, 438, 445, 449 f., 453, 456, 459, 463, 465, 467, 472, 476, 485–487, 489, 512, 517, 522, 539, 541, 543–545, 547 f., 554 f., 585, 587, 589, 608, 635, 667, 712, 743–745, 751, 787, 792, 838, 846, 857, 862–864, 866, 871, 874, 877 f., 895 f., 903 f., 906 f., 916, 919– 924, 928–938, 940, 949, 952 f., 957, 965, 997, 1003, 1018, 1027, 1031, 1035–1039, 1043, 1051, 1054 f., 1057, 1061–1063 Bundesverfassung, schweizerische  162 f., 166, 178 

Bundesversammlung  XIII, XIV–XXI, XXVII, XXIX, XXXVI–XL, XLII–LIII, LV–LVII, LIX–LXVI, LXVIII–LXX, LXXIII, 4  f., 11 f., 14, 25, 29, 33 f., 36 f., 44–48, 50, 52–56, 60 f., 63 f., 68, 70, 72 f., 80 f., 83 f., 86–99, 101–106, 109, 115 f., 118, 120, 133, 136 f., 143–147, 158, 177, 183, 191, 198, 204, 215, 217 f., 241, 243, 255, 264, 268, 307, 315, 317, 333, 351, 354, 358, 369 f., 374, 376 f., 379, 403, 405, 441, 444, 456, 463, 468, 488 f., 494–496, 498 f., 515, 556, 559, 561 f., 564 f., 567, 569, 571–573, 576, 578, 586, 596, 599, 601 f., 610, 613, 616, 620, 637 f., 641, 647, 652, 656, 658, 669, 673–675, 690, 700, 704 f., 714–716, 726– 728, 734, 739–748, 753 f., 756–764, 767 f., 771–774, 776–781, 787–789, 792–794, 796, 800–802, 804, 807–812, 814, 822, 824, 828, 831 f., 835 f., 838–841, 848–851, 857, 859, 866–869, 877 f., 882, 897, 903 f., 909, 916, 919, 921 f., 924, 929–931, 933 f., 938–940, 946, 953–956, 961–964, 971– 973, 976–978, 982, 984 f., 988–991, 1008– 1014, 1019, 1021–1024, 1027  f., 1030  f., 1033 f., 1041 f., 1059–1061, 1063, 1065 f., 1075–1077 – Anträge – 1861, 5. Januar  183 – 1862, 14. August  XIV f., XVII, XX, 14, 29 f., 33, 36, 50, 56 f., 60 f., 73 f., 78, 80, 85, 89, 93–96, 102 f., 106, 120 f., 191, 218 – 1862, 6. November  177 – 1863, 18. Juni  497 – 1863, 23. Dezember  610 – 1863, 7. Dezember  699 – 1863, 28. Dezember  618 f. – 1864, 12. März  649, 764 – 1865, 27. März  739–748, 758, 790 – 1865, 27. Juli  L, 800–803, 811, 840 f. – 1865, 4. November  838–841 – 1866, 9. April  LX–LXIV, 919–925, 929– 931, 937, 940, 946, 948, 975, 1035, 1063 f. – 1866, 5. Mai  962, 971 – 1866, 19. Mai  971–974 – 1866, 11. Juni  1010–1013 – Austritt Preußens  XVII  f., LXIII–LXVI, LXVIII, 18, 22, 53–55, 75, 77, 1033, 1041  f., 1050, 1064, 1066, 1072, 1075– 1077  – Protokolle  301, 463, 848 – Sitzungen – 1837, 7. September  848 – 1847, 14. Januar  809

Sachregister





– 1848, 12. Juli  796  – 1856, 17. April  91 – 1856, 13. November  91  – 1862, 10. Juli  731  – 1862, 18. Dezember  XVI, 4, 11, 14, 29 f., 34, 44, 59, 78, 86 f., 474 – 1863, 15. Januar  13 – 1863, 22. Januar  XVI, XIX, XXI, ­XXIII, 36, 49, 72–74, 109, 111, 116, 118, 125, 127, 149, 152, 191 f., 474 – 1863, 9. Juli  496 f. – 1863, 27. August  497 f. – 1863, 19. September  497 – 1863, 8. Oktober  499 – 1863, 28. Oktober  563 – 1863, 28. November  563, 617, 761, 767, 788 f. – 1863, 7. Dezember  556–570, 611 f., 617, 672, 699, 762 – 1863, 14. Dezember  XLII – 1863, 23. Dezember  641, 762 – 1863, 28. Dezember  600–602, 610, 616  – 1864, 14. Januar  XLII f., 609–619, 671, 762 – 1864, 11. Februar  763 f. – 1864, 25. Februar  637, 763 f., 779 – 1864, 12. März  648 – 1864, 2. Juni  XLV, 811 f. – 1864, 23. Juni  673, 776 – 1864, 7. Juli  754, 773 – 1864, 21. Juli  778, 754, 778 f. – 1864, 4. August  809 – 1864, 1. September  773, 776, 779 – 1864, 3. November  773, 776 f. – 1864, 17. November  809 – 1864, 5. Dezember  700, 933 – 1865, 26. Januar  726–729 – 1865, 27. März  753, 758, 776 – 1865, 6. April  811 f. – 1865, 27. Juli  800–803, 807 f., 812, 839 – 1865, 24. August  LI, 807–811, 839 f., 984 – 1865, 31. August  811, 840 – 1865, 4. November  LI, 838–841 – 1865, 18. November  LII – 1866, 9. April  919–925 – 1866, 21. April  928–938, 947, 949 – 1866, 26. April  946 – 1866, 9. Mai  962 f., 971 f., 976, 987 – 1866, 19. Mai  971–974 – 1866, 24. Mai  LXIV, 974–978, 987 f. – 1866, 29. Mai  989 – 1866, 1. Juni  LXIV f., 981–992, 993, 1022

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– 1866, 11. Juni  LXV, 1010–1013 – 1866, 14. Juni  LXV, 1021–1034, 1040 f., 1064, 1075 – 1866, 16. Juni  1041–1043 – 1866, 9. Juli  1062 – 1866, 24. August  1076–1078 Bundesvertrag, Bundesverträge  XVI, XXXV, LXI, LXV f., 19, 63, 79, 83 f., 187, 190, 193, 212 f., 218, 280 f., 358, 386, 463 f., 470, 472, 478, 492, 513, 522, 547, 698 f., 701, 711, 723 f., 734, 828–830, 861, 877, 931, 962, 971, 1007, 1021, 1031 f., 1034, 1040–1042, 1077  Bundeszentralkommission (1849)  468, 514 f., 551 Bundeszweck(e)  XIX, XXII, XXV, 11, 25, 27, 37, 50, 65 f., 88, 91, 99, 135 f., 139, 144, 226, 239, 293, 308, 310 f., 332, 403, 431, 440, 466, 468, 472, 513, 587 f., 605, 788, 829, 877, 947, 986  Constitutionelle Zeitung  LIV, LXXIV, 276, 479, 816–819, 834–838 Delegiertenversammlung, Delegiertenprojekt  XIV–XVI, XVIII–XXII, XXV–XXVII, XXXV, XXXVII, LXXIII, 3–5, 9–18, 20– 26, 29, 31, 33 f., 36–42, 44, 48, 50, 52, 54, 56–61, 63–70, 72–74, 77–111, 113, 116– 121, 123, 125–127, 131 f., 152–154, 183, 191, 196, 200, 215, 217 f., 226, 267, 272 f., 340 f., 432, 447–450, 474, 519, 540, 590, 874 f., 896 f. → Abgeordnetenversammlung Demokrat(en), Demokratie, demokratische Be­ wegung  118, 131, 133, 600, 800, 845, 1055, 1057  deutsche Frage  XI, XXIV, XXVIII, LXVI, LXXIII, LXXVIII f., 8, 41, 109, 204, 267 f., 273, 635, 861, 817, 819, 836, 870, 872, 873, 995, 998, 1003, 1009 Deutsche Vierteljahrs-Schrift  43, 52, 54 Deutsche Zeitung  71 deutscher/historischer Beruf Preußens  738, 911 Deutscher Sängerbund  797 Deutsches Reich (1848/49)  70 Deutsches Reich (1871)  LXX f. Diktatur  27, 897  – der Großmächte im Deutschen Bund  LIV, 845  Diplomatie  220, 626, 1000, 1072 Direktorium (des Bundes)  XXV  f., XXXI, XXXIII, 110, 138, 192, 196, 200, 215, 217 f., 226, 240–246, 248 f., 251–255, 259,

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Register

261, 263 f., 272, 289 f., 293, 301 f., 306, 309 f., 312–323, 328–330, 332–338, 344, 348, 350 f., 356–359, 361, 363, 365–367, 369, 371 f., 377, 393, 397–399, 404 f., 414, 430, 432, 440–455, 466, 469, 487–490, 515, 523, 528, 532, 551–553, 586  Dreikönigsbündnis (1849)  128 Dreißigjähriger Krieg  902 Dresdener Konferenz (1851)  XVII, XXII, XXIV, XXXIII, LXXIII, 33, 46, 91, 200 f., 209, 216, 528, 863 f.  Dresdner Journal  LXXIV, 276, 655, 660– 666, 728, 799 Dresdner Tageblatt  660 Drittes Deutschland, dritte Gruppe  XLVIII, 703 f., 706, 863, 874, 939, 1000, 1005 f. Dualismus  XLVIII, 28, 308  f., 482, 484– 486, 490, 552, 555, 690, 874 Egmont (Drama)  279 Ehre – Deutschlands  332, 625, 627, 629, 634, 662–665, 816, 902 – Österreichs  1048 – Preußens  790 Einheit, Einigung, Einigkeit, deutsche bzw. nationale  XVIII , XXIV, 21 f., 28, 33, 38, 111, 160, 162, 180, 185, 203, 220 f., 267, 277, 279, 289, 405, 431, 433, 468 f., 481 f., 484 f., 524, 526, 528, 542, 645, 653, 752, 838, 879, 908, 970, 998, 1000, 1044, 1053, 1068 Einheitsbewegung, deutsche  181 f. Einheitspartei 126 Einheitsstreben  184, 483–486, 752 Einheitsstaat  178, 271 f., 487, 629, 884 – Österreich  271 f., 997 – Preußen  997 Eisenbahnwesen  174, 572, 600, 737, 805, 913, 954, 958, 980, 1036  engerer Bund  84, 120, 706, 792, 939 Engerer Rat der Bundesversammlung  XX, XXV, LII, LXV, 37, 88, 138, 198, 241, 334 f., 369, 372, 430, 441, 489, 515, 528, 552, 741 Erbansprüche, Erbfolge, Sukzession (in Schleswig-Holstein)  XXXIX, XL, XLIII, XLIX, LXIII, 497, 556, 558–564, 566, 568–570, 574, 602, 610–612, 615, 618, 621, 631, 637–639, 641 f., 645–651, 654 f., 668, 673 f., 699, 708–710, 734, 742, 754– 757, 761–765, 767, 771 f., 774–776, 778 f., 786 f., 793 f., 809 f., 812, 944, 1014, 1019, 1059, 1074

europäische Fragen  332, 696, 846 europäischer  Friede  XLVI, 194, 209, 227, 656, 755 europäische Gesellschaft  79 europäisches Gleichgewicht  48, 242, 322, 332, 334, 414, 642, 893, 989 europäische Großmacht, Großmächte  LXXI, 26, 135 f., 139, 183, 309, 384, 496, 624, 660, 666 f., 755 f., 1026 europäische Industrie  168 europäische Interesse(n)  624, 989 europäische Konferenz(en)/Kongresse  641, 741, 969 europäische Krise(n)  308, 862, 892, 921 f. europäische Macht(stellung)/Stellung  LVIII, 308 f., 317 f., 583, 695, 724, 828, 857, 867, 877, 962, 971, 984 europäische Mächte/Nationen/Regierungen/ Staaten  LXX f., 183, 289, 332, 364, 379, 523, 563 f., 613 f., 619, 625 f., 647, 658 f., 672, 755, 873, 877, 879, 892 f., 902, 944, 995, 1027 f., 1048 europäische Notwendigkeit  626 f., 629 f. europäische Politik  466, 485, 513, 582, 697, 701, 861, 1017 europäische Rücksichten  874 europäische Sanktion  374 europäischer Staatenverein  281 f. europäische Tagesordnung  638 europäische Vereinbarungen/Verträge 191, 497, 658, 755, 989 europäische Verhältnisse  26, 1003 europäische Verlegenheit  627 europäische Verwicklungen  732 f., 921 europäische Völkerfamilie  20 europäisches Völkerrecht  1027 europäische Willkür  625 Exekutionsordnung des Deutschen Bundes  494, 499, 556, 565, 570 f., 574, 577  Februarpatent (1861)  110  Feudalstände 387  Flagge, deutsche  662, 798 Flotte – deutsche  278, 694, 772, 804 f., 945 – englische  653 – preußische  945  Föderalismus, Föderation, föderative Gesinnung, föderative Ordnung, föderatives Prinzip  XI f., XXI, XLVIII, LVI, LXXI, 26– 28, 69, 77, 89, 96, 103, 117, 119, 126 f., 138 f., 152, 191 f., 200, 315, 324, 461 f., 476, 540, 545, 624, 629, 639, 690 f., 696, 743, 862, 900, 929, 976, 989

Sachregister Fortschrittspartei(en)  268, 592, 636, 799, 823, 916 – Deutsche  221 – hessische  LXVIII, 1044  Fränkische Volks-Zeitung  202 Frankfurter Anzeiger  439 Frankfurter Fürstentag → Fürstenkonferenz Frankfurter Handelszeitung  926 Frankfurter Journal  XXVIII, 205, 274, 294, 345, 429, 471, 630, 633, 820 f., 825, 843, 969  Frankfurter Krebbel- und warme-BrödercherZeitung 130 Frankfurter Latern  130, 132, 843 Frankfurter Postzeitung  239, 439, 457, 477, 491, 843 Frankfurter Reform  LXXIV, 268, 591, 630  Frankfurter Volkspartei  268 Frankfurter Zeitung  926  freie Städte  XX, XXIV, XXIX, XXXII f., 105, 185, 193, 205, 211, 217, 224, 230, 237, 240, 247, 250, 258, 264 f., 267, 274, 282, 288, 296, 301, 311, 320, 325, 329, 349, 357, 408, 410 f., 417, 419, 422, 426, 434, 437 f., 440 f., 448, 450 f., 457, 459, 465, 470 f., 473, 498, 524, 558, 569, 575, 618, 747, 779, 826, 929, 1029, 1034, 1041– 1043, 1074 freie/freiwillige Vereinbarung  XXI, 37, 52 f., 56, 60 f., 81 f., 84–86, 88 f., 91 f., 102, 105, 116, 126–128, 153 f., 180, 249, 290, 326 f., 342, 434, 450, 515, 539, 955  Freihandel  167, 518, 691 Freiheit Deutschlands/der Nation/der Völker 39, 75 f., 267, 520, 542, 634, 694, 918, 925, 969, 1000 f. – bürgerliche  164, 907 – in Österreich  278 – politische  357, 484 Freiheitskrieg 486 Freizügigkeit  LXIII, 45, 161–165, 389  f., 706, 954, 958, 980, 1036 Friede – europäischer  XLVI, 194, 209, 227, 656, 755 – innerer  243, 290, 350, 358 f., 361, 377, 432, 444, 488, 893 Friede von Basel (1795)  916 Friede von Prag (1866)  LXX, 1073 Friede von Tilsit (1807)  916 Friede von Wien (1864)  XLVII, 650, 693, 708, 710  f., 717, 733, 765  f., 769, 780, 803 f., 806, 808, 888, 894, 910, 933, 942– 944, 951, 966, 981, 983, 1011, 1017, 1026 f.

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Fremdherrschaft (dänische)  XLI, 566, 593  Fürstenkonferenz, Fürstenkongreß, Fürstentag in Frankfurt (1863)  X, XXIV–XXXV, LXXIII–LXVI, 185, 202–204, 206, 209, 211, 222–232, 234–236, 239, 250, 256, 258–262, 266, 269, 274–279, 282–291, 295–298, 300–346, 349–410, 416–457, 461, 464 f., 476, 480, 482 f., 486 f., 512, 518, 522, 524, 530 f., 534, 542, 546, 659, 836, 875, 909, 919 f., 1074  Fürstenversammlung (Bundesreformakte)  XXV f., 242, 250 f., 259, 272, 290, 310, 312, 319, 332, 353–355, 364–369, 375 f., f., 383  f., 394, 428, 440, 443, 447, 378  450 f., 487–490, 515, 528, 553 Gasteiner Konvention (1865)  LI, LXV, 803– 807, 811–813, 816, 818, 824, 828, 839 f., 858 f., 865–867, 882, 885, 888, 894, 901, 903, 905, 911, 914, 920, 942–945, 951, 966, 981, 983, 993, 1010 f., 1022, 1026 f., 1057 Gemeindebürgerrecht  166, 171 f. gemeinnützige Anordnungen/Bestrebungen/ Einrichtungen/Zwecke  LXIII, 37 f., 44 f., 47, 52–56, 59, 61–63, 67 f., 71, 81, 86–88, 91, 99, 101, 104 f., 117, 137, 141, 145, 154, 706, 957 Gesandtschaftsrecht/-wesen  38, 136, 242, 443, 720, 1036 Geschäftsordnung – des Bundesgerichts  148 – der Bundesversammlung  25, 641, 841, 1028 – der Delegiertenversammlung  143, 248, 296 f., 449 Geschichte  22, 26, 271, 369, 387, 479, 484, 525, 608, 621, 624, 629, 665, 717, 880, 903, 1009 – deutsche/Deutschlands  187, 228, 270, 421, 465, 481, 486, 628, 667, 694, 704, 880, 883, 902, 967, 1052, 1057  – des Deutschen Bundes  386, 523  – Europas  167 – Preußens  281, 516, 553, 916 – Sachsens  665 Gesetzgebung 62 – des Bundes  20, 226, 263, 319, 396, 403, 428, 450, 588, 954, 1036 → Bundesgesetze, Bundesgesetzgebung – einzelstaatliche  21, 85–87, 92, 98 f., 136 f., 144–146, 157, 218, 244, 249, 252, 290, 309, 326 f., 339, 342, 365, 372 f., 378, 387, 389 f., 402–404, 429, 445, 449 f., 452 f., 489 f., 506, 715, 726–730, 801

1144

Register

– gemeinsame (deutsche)  XXV, XLVIII, 21, 46 f., 56, 63 f., 86–88, 91, 94, 105, 117, 136, 154, 239, 310, 326, 373, 440, 486 f., 706, 726 – Zivil- und Kriminalgesetzgebung  61 Gesetzgebungsgewalt des Bundes  45, 84, 94, 136, 140 f., 144, 157, 191, 248, 342, 352, 362 f., 373, 403, 449 f., 1035 f. Gewerbe, Gewerbeangelegenheiten, Gewerbefreiheit  XXXVIII, 137, 162, 165–169, 172, 174, 506, 727 f., 730, 1036 Gleichberechtigung – Preußens und Österreichs  XXXV, 267, 467 f., 472, 514, 523, 545, 548, 550 f., 581, 711 – der deutschen Staaten  83, 226, 264, 289, 316, 403, 523, 585, 588, 694, 877 Gleichgewicht – europäisches  48, 242, 322, 332, 334, 414, 642, 893, 989  – zwischen Österreich und Preußen  711, 783, 846  Gothaer (Partei), gothaische Politik  276, 916  Gothaer Konvention (1851)  161–166 Gott  LX, 24, 47, 75 f., 131 f., 175, 221, 227, 229, 481, 621, 634, 665, 918 f., 1007, 1052, 1055 großdeutsch, Großdeutschland  XI, XXVIII, LIX, 6, 16, 44, 74 f., 114, 117, 121, 126, 202, 208, 210, 220, 268, 521, 542 f., 998, 1072 Großdeutsche Versammlung  6, 542 f.  Großmacht, Großmächte – deutsche  IX f., XXVII f., XXXIV f., XLI– XLVII, XLIX–LIX, LXI f., LXV, LXX f., LXXV f., 26, 28, 51, 73, 191, 261, 267, 308 f., 311 f., 317 f., 332, 334, 430–434, 466–468, 478, 484 f., 491, 493, 513 f., 550, 552, 560, 582–585, 587, 589 f., 593, 598 f., 602, 621, 624 f., 629 f., 636 f., 645, 653, 655, 658, 666 f., 669–671, 675, 701, 706, 710, 714, 720, 731, 736, 738 f., 746, 766, 769, 771, 775, 777–779, 791, 804, 815, 817, 820, 824–826, 828, 836–838, 842 f., 857, 871, 873, 875, 879, 881 f., 887, 890 f., 896, 900, 905, 907–909, 914, 920, 932 f., 935–937, 939, 941, 964, 983, 998, 1003 f., 1006, 1009, 1017  f., 1021, 1024–1026, 1046, 1058 – europäische  XLIV, 26, 135, 139, 183, 384, 387, 496, 624, 626 f., 647, 660, 666 f., 671, 755 f., 1026 – Preußen  481, 533, 894 Grundrechte des deutschen Volkes (1848)  161

Handel, Handelsgesetze, Handelsrecht, Handelswesen  LXIII, LXVI, 38, 87, 128, 137, 160, 168, 318, 372, 691, 954, 958, 980, 1036  Handelsgesetzbuch, Allgemeines Deutsches  46 f., 87, 91–94, 954 Handelskammer Wiesbaden  1001 f. Handelsvertrag  – preußisch-französischer (1862) 7, 167, 208, 518 f., 691  – preußisch-österreichischer (1865)  7 Handwerkerrecht, deutsches  290, 352 Hecker-Lied 131 Heeresreform, preußische  XIV, XVI, XX, 30 Hegemonie, hegemonistische Absichten  LXX, 113, 587, 629  – bayerische  704, 784, 1005 – preußische  LXX, 7, 70, 110, 478, 917, 1071  Heimatrecht  XXXVIII, LXIII, 45, 137, 144, 159–180, 249, 449, 954, 958, 980, 1036 Hessische Morgenzeitung  32, 622 Hilfsausschüsse für Schleswig-Holstein  XLI, XLIII, LXXVI, 594, 620–622, 633 f.  Hochschulen  169 f., 175, 179, 254, 454 Identische Noten (1862)  84, 125, 474, 539 Industrie  XI, 137, 144, 168, 683 Interessen – Badens  1076 – Bayerns  861 – deutsche/Deutschlands  167, 213, 308, 310, 333, 469, 484, 514, 549 f., 554, 566, 585, 590, 598, 614 f., 638, 658, 665, 667 f., 696, 703, 733 f., 736, 772, 775, 777, 779, 793, 861, 866, 874, 881, 891, 901, 903, 908 f., 931, 949, 989, 1025, 1048, 1051 – des Deutschen Bundes  L f., 781, 909 – der Einzelstaaten  583, 736, 902, 922, 967 – der Großmächte (Österreich und Preußen)  LI, LVI, 514, 704, 725, 862 – Frankreichs  1072 – Hannovers  899 – konservative  712 – nationale  49, 197, 265, 269, 273, 431, 436, 465, 469 f., 472, 743, 777, 922, 924, 958, 1054 – Österreichs  514, 659, 704, 722, 724  f., 732, 783 f., 909 f., 967, 1057 – Preußens  282, 514, 704, 710, 712, 714, 724 f., 735, 748, 793, 861, 891, 899, 908, 965, 986, 1031 – des Vaterlandes  565, 620, 918, 922

Sachregister Interessenverbände  7, 691  Italienischer Krieg (1859)  133, 158, 696, 718, 797 Jesuitenorden 527 Jesuiten, Jesuitenpartei, Jesuitismus  834  f., 837, 1045 Journal de Francfort  225 Juden  129, 131, 161, 628, 912 Junker, Junkerpartei, Junkertum  132, 481 f., 606, 1055 jura singulorum  141, 777 Kabinettskrieg 1054 Kaiser, Kaisertum – altes deutsches/römisch-deutsches  480, 630 – deutsches  203, 256, 294, 586 – österreichisches  943  Karlsbader Beschlüsse (1819)  XXIV  Karlsruher Zeitung  XVIII, LXXIV, 20, 605– 609, 1067, 1074, 1076  Kirche, katholische  221  kleindeutsch, Kleindeutschland XI, XIII, LXXI, 7, 39, 44, 73, 118, 126, 128, 159, 184, 206, 208, 210, 220 f., 268, 276, 898, 998 Kleinstaaten, kleinstaatlich  XXI, XXXIII, XXXVI, XLI–XLIII, LV f., LXIX, LXXVI, 8, 71, 203, 257–259, 263, 311, 318, 332, 483, 491, 527 f., 621, 623, 634, 636, 692, 700, 702, 736, 837, 880, 900, 908, 915, 917, 935, 996–1000, 1003, 1046, 1049, 1057 Koalition – antipreußische  530 – mittel- und kleinstaatliche  999 Kölner Wirren  221 Königlich-Preußischer Staats-Anzeiger  264, 1043 Kompetenz – des Bundes/der Bundesversammlung/des Bundesdirektoriums  XXXIII, LXIII, 11, 23, 45 f., 50, 69, 86 f., 90, 92, 94, 97, 104, 136, 157, 217 f., 255, 263, 293, 310, 456, 468, 472, 533, 556, 569 f., 588, 615, 638– 640, 647 f., 699, 734, 744 f., 759 f., 763 f., 767 f., 770, 774, 951, 954, 957, 963, 972, 979, 1030, 1033, 1057 – des Bundesgerichts  390 – der Abgeordnetenversammlung  51 – der National-/Volksvertretung  XIX, XXXI, LIII, 587 Konföderation, deutsche  694  konservativ  196, 200, 370, 516, 606, 608, 639, 712, 864 

1145

konservative Partei  734 konservative Reform  152 konservatives Parlament  884 konservatives Prinzip  219, 369, 923 Konstitutionalismus, konstitutionell, konstitutionelle Körperschaften, konstitutionelles System  XXXII, 12, 21, 23, 26, 51, 56, 94, 126, 145, 184, 192, 203, 276, 279, 291, 297, 324, 335, 338, 347, 366 f., 369, 376, 431 f., 517, 524 f., 554, 721, 1056  Kreuzzeitung, Kreuzzeitungspartei  8, 606 Krieg  IX, 75, 136–140, 184, 210, 242–245, 277, 318, 322, 332–335, 349, 414, 443– 446, 466 f., 488, 498, 514, 537, 549 f., 564, 582, 617, 626, 667, 859, 867, 871, 876– 878, 889, 892, 894, 898–900, 902 f., 906, 908, 912–914, 916, 964, 967, 1036–1038 – deutscher (1866)  IX, XI, XXXIX, LVI– LXXII, 70, 866, 1046–1048, 1051–1054, 1058 f., 1061, 1066, 1068, 1074 – deutsch-dänischer (1848)  70, 73 f., – deutsch-dänischer (1864) XL, XLIV  XLVI f., 650 f., 653–657, 660, 671 f., 693, 710 f., 718, 723, 744, 755, 772, 775, 873, 877, 889, 913, 920, 932, 945, 948, 951, 983, 1017, 1027 – deutsch-französischer (1870/71)  XL – Erster Weltkrieg  XL  – europäischer  1018 – französisch-österreichischer (1805)  916 – innerdeutscher  857, 866 f., 876–883, 887, 889 f., 894, 898–903, 906, 908, 911–915, 918, 921 f., 927, 963, 969, 975, 977, 983, 993 f., 998, 1002, 1006–1008, 1017 f., 1028, 1043, 1046, 1048, 1051 f., 1057, 1074 – napoleonische Kriege  916 – österreichisch-italienischer (1859)  133, 158, 696, 718, 797 – orientalischer (= Krimkrieg)  183, 696, 916 Krieg und Frieden, Entscheidung über  136, 140, 242, 322, 332, 443, 488, 514, 537, 550, 1037 Kriegserklärung  XXXV, XLVI, LXIX, 139, 243, 332, 335, 443, 466 f., 488, 514, 550, 582, 656 f., 744, 913, 1032, 1037, 1075 Kriegsflotte, deutsche → Flotte Kriegsgefahr LVIII, 866, 876–883, 894, 903, 922, 927, 933, 969, 984, 1001, 1020 Kriegsmarine  LXIII, 772, 954, 958, 980, 1037 → Bundeskriegsmarine → Flotte Kriegsrüstungen  333, 914, 962, 972 Krimkrieg  183, 696, 916  Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft  543

1146

Register

Liberale, liberale Partei, Liberalismus  121, 800, 830, 1055 Londoner Konferenz (1830)  755 Londoner Konferenz (1864)  XLV, 644, 646– 648, 650, 652, 654 f., 657 f., 660, 668, 670– Landfriede  877, 879, 1007 672, 674, 676, 692, 709, 741, 755 f., 769, Landstände, Landtage, Landesvertretungen  776, 778, 780, 811, 910, 915, 942, 944, 1059 XXV, XXXVIII, XL f., XLV f., LXVII, 5, 7, Londoner Protokoll(e) (1850/1852)  XXXIX, 27, 33 f., 36–39, 46–48, 50 f., 56, 62, 64 f., XLI–XLIII, 496, 558, 562–564, 569, 578, 67, 69, 78, 84, 92–94, 100, 102–105, 107, 593, 602, 615–620, 625 f., 628 f., 630 f., 117, 120, 122 f., 126 f., 143, 150, 190 f., 634, 637, 642, 671 f., 709, 763 f., 766–768, 196, 230, 247 f., 251, 253 f., 263, 276, 297, 770 f., 877, 909, 915, 943 f., 1019 324 f., 339 f., 347, 362, 367, 387 f., 391, Londoner Vertrag (1831)  755 408, 415, 448 f., 453 f., 470, 489 f., 516, Londoner Vertrag (1832)  756 519, 540, 542, 554 f., 565, 588–591, 593 f., 596, 632, 644 f., 675, 691, 701, 716, 787, Macht, Machtstellung 792–795, 812 f., 816–818, 850, 864, 874, – Deutschlands/des Deutschen Bundes  885, 897, 908, 1050, 1052, 1057, 1061 XXIV, XXIX, LXXI, 20, 27, 160, 182, 194, – Baden  43, 108, 565, 592, 1067–1069  220, 226, 228, 239, 267, 270 f., 278, 299, – Bayern  LXVII, 6, 592, 897, 1002–1010, 308 f., 332, 440, 484, 486, 607, 624, 628, 1015 738, 880, 1018  – Braunschweig  592 – Österreichs  784  – Bremen  592 – Preußens  208, 265, 281, 465, 470, 476, – Frankfurt  592, 600 478 f., 534, 548, 738, 777, 844, 871, 946, – Großherzogtum Hessen  592, 1045–1047, 1031  1057 Machtverhältnisse  83 f., 96, 138, 226, 273, – Hamburg  592 405, 430, 465, 473, 479, 492, 553, 590, – Hannover  387 f., 592, 1057 624, 664, 871 – Holstein  LI f., 616, 767, 786 f., 789, 841, Mainzer Journal  XXVIII, 219, 225, 520 945, 985, 993, 1019, 1060  Majorisierung, Majorität, Majoritätsbeschlüs– Kurhessen  LXVII, 32–39 , 592, 622, 634, se  XVI, XIX f., XXVII, XLIII, L, LIII, 1016–1021, 1057 4–6, 16, 18, 22 f., 26, 37, 45, 47, 53, 55–57, – Nassau  592, 1057  59–61, 63–72, 74, 77, 80 f., 83, 85–94, 97, – Preußen  XVI, XX, LX, 16, 30, 111, 114, 100–106, 108, 120, 123, 128, 141, 285 f., 118, 447, 470, 482, 526, 592 f., 864, 885, 305, 310, 314, 320, 326, 329, 341, 343, 944, 1055  362, 371–373, 396, 398, 403 f., 415, 418, – Österreich  110, 592, 698  423 f., 430–432, 442, 446, 469, 478, 482, – Sachsen  560, 592, 1015 489, 516, 532, 538, 540, 560 f., 566, 569, – Sachsen-Altenburg  1052 582, 585, 588, 638, 671, 698, 700–702, – Sachsen-Coburg und Gotha  LXVIII, 592, 705, 714, 718, 725, 734, 736, 746, 749 f., 749–752, 795 f., 1053–1058  752, 754, 763, 767, 777, 790, 811, 839, – Sachsen-Weimar-Eisenach  592 841–843, 869, 894, 937, 942, 951, 957, – Schleswig  786 f. 982, 1003, 1009, 1020  f., 1025, 1030, – Schleswig-Holstein  625, 646, 787, 792– 1042 f., 1060  794, 801 f., 819 Marine, deutsche → Flotte – Ungarn  817 Maß- und Gewichtssystem  XXXVII, LXIII, – Württemberg  XLIII, 15 f., 159, 592, 635 f., 5, 33, 45, 137, 144, 362, 706, 851–856, 644 f., 692–695, 706, 715 f., 735–737, 996– 954, 957, 980, 1036  1001, 1015 materielle Interessen  724, 737, 1001, 1007, landständische Verfassung  62, 389, 767, 788 f. 1052, 1074  Landwirtschaft  165, 169 Matrikularbeiträge/-umlagen  XIX, 11 f., 23– L’Europe (Zeitung)  225, 530, 695 25, 31, 50 f., 84, 245 f., 255, 264, 291, 335– Leipziger Schlacht (1813)  277  338, 352, 356, 393, 446 f., 455, 495, 571 f., Leipziger Zeitung  XLIII, XLVI, 623–630, 574 f., 1038  666 Küstenschutz, Küstenverteidigung  73, 245, 278, 445, 804, 948, 954, 958, 980, 1037 Kurien  315, 376, 405, 489 f., 701

Sachregister Mediatisierung  317, 783, 838, 1067 – der Mittelstaaten  XLVIII, 696 – Schleswig-Holsteins  783, 1054 Militärbudget  184, 1038 Ministerkonferenz(en)  XXII, XXIV, XXVIII, XXX, XLVIII, 198–201, 209 f., 216, 221, 258–262, 275, 284, 296, 300, 302 f., 322 f., 336, 339, 343, 346, 349, 351, 364, 375, 380, 382 f., 385, 409 f., 418–420, 427, 433, 435, 470, 472, 478, 704 f., 938–940, 952, – Augsburg (1866)  927  956, 960, 999, 1015 – Bamberg (1866)  960–965, 999, 1014, 1064 – Frankfurt (1866)  1014 – Nürnberg (1863)  XXXVI, 535–541, 875 – Weimar (1866)  LXVIII – Wien (1819/20)  44, 86  Mittelstaaten  X, XIV, XIX–XXI, XXIII, XXVIII, XXXIII f., XXXVI f., XL–XLIII, XLVI, XLVIII, L f., LIII, LV f., LIX, LXIX, LXXIII f., LXXVI, 3, 5, 7 f., 19, 33, 59, 71, 73 f., 77, 113 f., 121, 128, 134, 138, 146, 154, 158, 183, 203, 250, 311, 318, 332, 342, 518, 598, 620, 623, 631, 634, 636, 644, 666, 689, 691 f., 696, 700, 703 f., 706, 718, 720, 723 f., 734, 736, 738, 782, 784, 788 f., 792, 824, 832, 836 f., 871, 873 f., 880, 886, 893–895, 898, 900, 908, 915 f., 917, 927, 935, 939, 964, 967, 971, 996– 1000, 1018, 1021, 1058, 1061 monarchisches Prinzip  192, 367, 484, 701, 827, 829, 979  moralische Eroberungen  608, 628  Münchener Neueste Nachrichten  925 Münchner Übereinkunft (1850)  128  Münzwesen  LXIII, 45, 137, 144, 362, 853, 957, 980, 1036  Nachdruck (Verbot)  676–685, 688 Nation, deutsche  XVII, XIX, XXVII, XXIX, XLI, XLIV f., LVIII, LXVII, 10, 14, 21–23, 26, 42 f., 46, 48–50, 56–58, 69, 79 f., 84, 113 f., 126, 135, 162 f., 169, 178, 180, 191, 194, 197, 202–205, 209, 218, 225, 227 f., 256, 267–273, 277, 279, 340, 368, 386 f., 414, 434, 464 f., 469 f., 484, 487, 493, 495, 517, 525, 548, 552, 555, 584, 587, 589– 591, 594, 596, 606, 624, 626–632, 644– 646, 659, 672, 696, 740 f., 749, 817, 819, 850, 883, 902, 919, 924, 926, 929, 932, 935, 937, 958, 968–970, 975, 978, 980, 997–999, 1003, 1005, 1007–1009, 1034, 1043, 1048, 1056, 1068, 1073–1075

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– Bedürfnisse  22, 24, 38, 41, 79, 267, 308, 463, 469, 473, 492, 623, 1051 f. – Einheit, Einigung  LXVIII, 267, 431, 433, 645, 752, 879, 908, 920, 932, 968, 998, 1032, 1044, 1053, 1055 – Interesse(n)  49, 197, 265, 269, 273, 431, 436, 465, 469 f., 472, 743, 777, 922, 924, 958, 1054 – Macht, Machtstellung  267, 624, 1018 f., 310, 440, – Wohlfahrt  XXV, 239, 270  486 – Wünsche, Erwartungen, Forderungen  XXIV, XLIX, 26 f., 38, 41, 864, 953, 975, 980, 1043 – Würde  552  Nationalband, nationales Band  192, 227, 549, 623, 639, 751, 862, 883, 963, 1067 f., 1072 nationale Begeisterung  607 nationale Bestrebungen  LXIV, 113, 704, 965, 1044 nationale Bewegung, Nationalbewegung  XXI, XXXIX, XLI  f., XLIV, LI, LV  f., LXVI, LXX, 70, 495, 559, 606, 819, 838 nationale Ehre  607 f., 620, 694 nationale Entwicklung  160, 169, 180, 864, 997, 1044 nationale Existenz  24  nationale Frage(n) XXXVIII, LII, LVI, LXVII, 490, 664, 819, 933 nationale Idee  343, 606 nationale Institution  517, 554 nationale Kraft  160 nationale Kultur  486 nationale Partei  115, 1053, 1055, 1057  nationale Politik  LIX, 608, 891, 920, 932 f. nationale Reform  268, 963 nationale Sache  22, 608, 611, 642, 864, 881 nationale Unabhängigkeit  890, 920, 932 nationale Zusammengehörigkeit  22  nationaler Gedanke  999, 1008 nationaler Geist  922 f., 997  nationales Bewußtsein  47, 114 nationales Leben  343, 484 Nationalgefühl  178, 664, 862, 880, 1054 Nationalität  84, 99, 180, 487, 525, 799, 862, 890, 1055  Nationalitätsprinzip  487, 733 Nationalkrieg 1054 nationalliberal, Nationalliberale  118, 159, 276, 291, 634, 752, 1069 f. Nationalparlament, Nationalrepräsentation, Nationalversammlung, Nationalvertretung, deutsche  XXIX, XXXV, LXIII, LXVI f.,

1148

Register

10, 21, 48, 84 f., 128, 259, 267 f., 272 f., 287, 291, 432, 434, 469, 478, 524, 554, 587, 589  f., 644, 659, 796, 874, 896  f., 923 f., 932, 935, 937, 947, 954 f., 957, 970, 979, 1003  f., 1035  f., 1038, 1044, 1064, 1068 Nationalsinn  160, 168  Nationalstaat  X f., LXX f., 8, 183 Nationalunglück  LVIII, 866, 881, 908 Nationalverein  XXI, 39, 44, 74, 117 f., 122, 126, 183, 208, 220 f., 256, 530, 591, 598, 752, 795, 799, 825, 829 f., 832, 838, 916, 970 Nationalversammlung, deutsche (1848/49)  108, 118, 132, 205, 269, 521, 543, 622, 706, 796, 850, 884, 886, 897 f., 1000, 1008, 1046  Neue Ära  481, 825  Neue Frankfurter Zeitung  926  Neue Münchener Zeitung  578 Neuer Bayerischer Kurier für Stadt und Land  876 Neueste Nachrichten auf dem Gebiete der ­Politik  LX, 925  f. Neutralität, Neutralitätspolitik  LX, LXVIII, 243, 333, 444, 859, 868, 915 f., 919, 963 f., 981, 1002, 1006 f., 1040 f., 1050, 1057 f. Norddeutsche Allgemeine Zeitung  214, 462, 876 Norddeutscher Bund  118, 543, 851, 1070 f., 1073  Oberbefehl, Oberbefehlshaber  LXVI, 139, 718, 964, 1012, 1037 f.  Oberhaus  143, 215, 287, 312, 325, 353 f., 368, 370, 553  Obligationenrecht  XV, 5, 10, 17, 33, 36, 38, 48, 53–58, 67, 78, 87, 92–94, 98, 103–106, 127, 154, 1002 öffentliche Ordnung  239, 243, 311, 357, 377, 440, 444, 486, 833 öffentlicher Dienst  XXXVIII, 172–174 Öffentlichkeit, öffentliche Meinung X  f., XVII–XIX, XXI, XXIV, XXVI, XXIX, XXXVI, XXXVIII, XLI, XLIII–XLVII, LI, LIV, LVI, LIX f., LXIV, LXVI, LXVIII, LXX, LXXIII f., LXXVI, 7, 14, 99 f., 112, 115, 118, 120–123, 129, 152, 208, 223, 388, 425, 428, 490, 519, 559, 598, 650 f., 653, 660, 672, 675, 691, 693, 711 f., 722, 724, 783, 817, 819, 824, 836 f., 864, 876, 918, 948, 950, 992, 1000, 1059, 1066 organische (Bundes-)Einrichtungen  XXII, 13, 15, 37, 52, 57, 59, 65–67, 81, 87 f., 95–97,

100 f., 104, 136, 141, 144, 154, 244, 249, 316, 318, 362 f., 372 f., 396, 489 organische Reform(en)  16, 126, 191, 212 Pariser Friedenskongreß (1866)  988–992, 994 f. Parität  468, 515, 533, 550, 585, 590, 1071 Parlament(e) – deutsches/nationales  XVIII, XXVI, XLVI, LX, LXII, LXVII f., 16, 21, 32, 39, 49, 84, 110, 113, 117 f., 181, 191, 196, 204, 217, 273, 340, 524, 540, 553 f., 597, 657, 659, 674, 692, 736, 739, 819, 836, 863 f., 870 f., 874 f., 884 f., 896 f., 924–927, 937 f., 946– 949, 954, 956, 958, 970, 975, 997–1003, 1014–1016, 1018–1021, 1035, 1043  f., 1045, 1050, 1063  – des Dritten Deutschland  1005 f. – kleinstaatliche  702 – südwestdeutsches  721  Parlamentarismus, Parlamentsidee  26, 784, 845, 1056 Partei(en), Parteibestrebungen  LXXVIII, 115, 151 f., 160, 190, 203, 208, 220, 591, 593, 595, 606–609, 627–629, 638, 652, 693, 746, 821 f., 829, 835, 882, 917, 1071 – bundesstaatliche  151 – gemäßigte  190 – großdeutsche  126, 208, 521, 628  – kleindeutsche  127, 210, 998 – konservative  734  – liberale  800, 830  – nationale  115, 1053, 1055, 1057 – preußische  916 – reaktionäre  609 – revolutionäre  850 Parteigeist  121, 815, 1039 Partikularismus, Partikularinteressen  LXXI, 27, 46 f., 136 f., 144 f., 172, 174 f., 177 f., 180, 208, 213, 220, 289, 310, 326, 340, 365, 373, 469 f., 480, 485, 489 f., 506 f., 525, 548, 585, 590, 628 f., 696, 701, 704, 728, 739, 743, 752, 861, 923, 1054–1056  Patentgesetz/-recht/-schutz  XXXVII, LXIII, 5, 137, 145, 362, 499–511, 706, 954, 957 f., 980, 1036  Patrimonium Petri  8 Patriot(en), patriotisch, Patriotismus  XLVI, 47, 130, 183, 202 f., 220, 318, 324, 346, 368, 409, 516, 542, 554, 565, 590, 594, 608, 620, 627, 629, 660, 665, 672, 675, 720, 767, 864, 881, 976, 1000, 1056, 1068  Paulskirche 516 Pfingstversammlung (1862)  39

Sachregister Pharmakopöe 177 Postwesen  LXIII, 958, 980, 1036  Präsidium/Vorsitz des Bundestags/Bundesrats  158, 241, 349, 417 f., 442, 468, 472, 478, 514–517, 523 f., 536, 545, 550–553, 581, 585–587, 590  Presse XXVIII, XXXVIII, XL, LXVII, LXXIV, 7, 18, 122, 137, 144, 202, 449, 483, 714–716, 725, 786 f., 814 f., 820, 822, 824, 826, 829, 838, 843, 845, 847 f., 850, 898, 901, 926, 1055  – bayerische  825 – demokratische  821, 1046  – liberale  120 – mittelstaatliche  824, 832  – preußische  120, 824 f., 832, 835, 875, 913 f.  Presse (Wiener Zeitung)  277 Pressefreiheit  90, 389, 598, 730  Pressegesetzgebung  90, 249, 714–716, 726– 731 Radikalismus, radikale Partei(en)  126, 190, 221, 516, 1045 Reaktion, Reaktionäre, Reaktionspolitik  IX, XII, LXVIII, 183, 269, 278, 606, 609, 835, 843, 1045, 1055 f. Realpolitik 861 Rechtshilfe  87, 137, 146  Rechtsvereinheitlichung/-kodifikation  LXXVI, 12, 27, 33, 38, 46 f., 50, 56 f., 463  Redaktionskommission 53 Reform, nationale  268, 963 → Bundesreform Reform von oben  978 Reformation  486, 1057 Reformverein  XXVIII, XLV, LIX, 16, 44, 114, 202, 239, 520 f., 542 f., 591, 645 f., 908–919, 918  Reich – romanisches  739 – slavisches  739 Reichsadel, deutscher  165 Reichsadler  203 f. Reichsdeputationshauptschluß 250 Reichsfarben 204 Reichsgericht(e)  253, 392 f., 454  Reichsrat, österreichischer  110, 247, 272, 324, 339, 447, 543, 592 Reichstag – des Deutschen Reiches (1871)  706, 1008 – von Regensburg (1663)  204  Reichsverfassung – Altes Reich  XXIV, 693  – österreichische  817 

1149

– von 1849  26, 38 f., 48 f., 113, 115, 128, 161, 256, 267, 269–271, 273, 524, 693, 800, 836, 954, 1018  Reichsverweser 796 Reichswahlgesetz (1849)  LXVII, 273, 958, 970, 1002, 1015, 1036 Religion, Religionsangelegenheiten  137, 233, 244, 445 repräsentativ, Repräsentation  16, 21, 27, 57, 64, 264, 267, 340, 375 repräsentatives Element in der Bundesverfassung  XV, 17, 34, 95, 200 Repräsentativverfassung(en) 21  Republik, Republikaner, Republikanismus  130 f., 134, 179, 262, 387, 524, 528, 624 – römische  179 Reserve-Infanterie-Division  138, 240, 263, 302 f., 314, 489, 1050 Revision – der Bundeskriegsverfassung  LXIII, 948, 954, 958, 980 – der Bundesverfassung  XXIII, LVII, LXI, 128, 149, 394  f., 486, 490, 863, 903  f., 930 f., 968, 997 Revolution, revolutionär, revolutionäre Bestrebungen  LIII, LXI, LXX, 42, 73, 124, 129, 133 f., 183 f., 190, 196, 209, 218 f., 369, 384, 519, 524, 533, 595 f., 604, 606, 608 f., 626, 632, 701 f., 800, 815, 821, 827, 830, 922, 978, 998, 1001  Revolution (1848/49)  LXX, 130, 132, 521, 595 f. Revolutionspartei  125, 821, 850 Rheinbund  278, 481, 969 Römische Republik  179 Römisches Reich  179 Romanen 487 Rostocker Zeitung  592 Sachverständigenkommissionen  – für das Handelsgesetzbuch  47, 87, 91–93, 954 – für Küstenschutz  804 – für Maß- und Gewichtsvereinheitlichung  XXXVII, 5 – für Obligationenrecht, Wechselrecht  5, 98, 106  – für Patentrecht  XXXVII, 5 – für Pharmakopöe  177 – für Rechtsgeschäfte und Schuldverhältnisse  XXXVII  – für Urheberrecht  XXXVII  – für Zivilprozeßordnung  XXXVII, 5, 98, 106, 1051 

1150

Register

Sängerbundfest 797–799 Sängervereine  660–662, 665 f., 797–799  schätzbare Materialien  864 Schiffahrt  LXIII, 132, 373, 806, 958, 1036 f. Schleswig, Aufnahme in den Deutschen Bund  L, LII, 801 f., 813, 841 Schleswig-Holsteinische Frage, SchleswigHolstein-Konflikt  X, XXXVIII–LIII, LV f., LVIII f., LXII f., LXVI f., LXXIV, LXXVI, 70, 131, 204, 223, 272, 495 f., 558 f., 562, 567, 578, 591, 593–595, 602 f., 606–609, 614, 617, 620, 622, 625, 627 f., 631, 633 f., 636 f., 639–641, 644–646, 648, 650, 654, 660–664, 666 f., 671, 690, 692–694, 697, 708, 710–712, 714, 722, 731, 733, 735, 741, 744, 754, 756 f., 770–774, 776–784, 794, 798, 806–810, 812, 816, 819, 836, 842, 846, 877, 881, 888, 893, 905, 909 f., 915, 940, 942–945, 966, 969, 981, 984, 986, 993, 995–997, 1017, 1019 f., 1025– 1027, 1053 f., 1057, 1059, 1067 Schleswig-Holstein-Lied  131, 661–663 Schützenfest(e)  130, 183 Schützenvereine 594  Schulen, Schulwesen  169 f., 175 f., 636  Schutz- und Trutzbündnis zwischen Preußen und Österreich (1854)  183, 916  Schwäbische Kronik  159, 170  Schwäbischer Merkur  15, 159  Sejm 387 Selbständigkeit – Deutschlands  739 – der Einzelstaaten  LV, 38, 135, 192, 209, 219, 316, 324, 357, 372 f., 642, 690, 706, 848, 965, 999 – der Mittelstaaten  964 – Süddeutschlands  783 Selbstbestimmungsrecht  79, 593, 692, 818 f., 940, 963, 969, 1056 f., 1067 Separatbündnis  XXXV, LVII, 110, 112, 123, 465, 490, 514, 547, 550, 857 Separatismus 555 Sicherheit Deutschlands, äußere und innere  XXIX, LXV, 27, 42, 91, 99, 139, 193, 213, 226, 239, 242 f., 307 f., 311, 332, 371, 414, 440, 443, 466 f., 474, 486, 526, 545, 826 f., 877, 891, 920, 933, 975, 979, 1011, 1028 f., 1032, 1042 – nationale  113 – Preußens  790 Slaven 272 Slovaken 487 Slovenen 487 Sonderbund  110, 112, 123, 791

Sondergeist/-interessen  220, 277, 309, 425, 583 f., 975, 998 Sonderpolitik, Sonderbestrebungen – der Großmächte  XLVI, 667 – Preußens  478 f., 717, 1048 Souveränität, Souveränitätsrechte der Einzelstaaten  XXV f., XL, XLIII, XLV, 61, 73, 111, 135, 141, 185, 192, 217 f., 240, 250, 263 f., 272, 277, 281 f., 288, 301, 311, 320, 327, 353, 368 f., 408, 410 f., 426, 434, 440, 450 f., 564, 583, 585–589, 621, 637, 671, 674, 693, 697, 705, 709, 712, 720, 736, 743, 756, 777, 781, 826 f., 829, 831, 837, 846, 849, 877, 942–944, 965, 993, 997, 999, 1010, 1045, 1055, 1074 f.  Sprengung/Zerreißung des Bundes/Deutschlands  XIX, 22, 44, 309, 431, 700, 718, 999, 1004, 1009, 1072 Staatenbund, staatenbündisch  IX, XI, XVIII, LVI, LXX f., 20–23, 26, 34, 45, 100, 139, 267, 271, 308–310, 315 f., 338, 341, 372, 415, 430, 478, 485, 487 f., 492 f., 517, 523, 539, 582 f., 587, 743, 954, 1000, 1012  Staatenverein  79, 191, 490 Staatsbürger, Staatsbürgerrecht, Staatsbürgerschaft  161, 166, 169, 171, 175, 178, 249, 449 Staatsstreich  XLIII, 638 Standesherren  XXVI, 16, 165, 250, 353– 355, 368, 375, 383–385, 389 f., 394, 421, 451, 1045 Steuerbewilligungsrecht  21, 23, 26  Stimmeneinhelligkeit, Einstimmigkeit (im Bundestag)  XV, 4, 13, 15, 18, 21 f., 34, 37, 41, 47, 50, 52–54, 58–61, 63–67, 69, 71, 74, 80 f., 83, 85 f., 88, 92 f., 96, 98, 100– 104, 141, 218, 341, 367, 371–373, 378, 381 f., 386 f., 396 f., 403 f., 423, 487, 584, 935, 954, 1018, 1020  Stimmenmehrheit  XV, 14, 37, 54, 59, 63, 67, 80, 86, 102, 105, 141, 143, 148, 241, 243, 248, 313, 318, 322, 329, 333–335, 357, 362, 373, 382, 386 f., 442, 444, 449, 467, 488 f., 555, 780 Stimmenverteilung am Bund  83, 348 Stimmrecht, allgemeines LX, 516, 553, 923 f., 926, 937, 958, 970 süddeutsche Regierungen/Staaten  XX, XXIII, XL, LI, LXXIV, 7, 208, 250, 691, 696, 873, 893, 928, 963, 1000, 1015, 1068, 1070 f., 1075 Süddeutsche Zeitung  134, 239, 591 f.  Suprematie → Hegemonie

Sachregister Telegraphie  LXIII, 174, 805, 954, 958, 980, 1036 The Times, englische Tageszeitung  627  Trias, Triasidee  XLVIII, 139, 704, 739, 863, 870, 874, 997, 1016  Tschechen  487, 1055 Turnvereine  594, 604, 660 f. Tyrannei  XVIII, 76  Ultramontanismus, ultramontan  1045 f., 1055 Umsturz  122, 484, 516, 530, 607, 632, 829, 837 Umsturzpartei  525 f., 605 f. Unabhängigkeit – Belgiens  755 – der Einzelstaaten  LV, 27 f., 64, 91, 99, 191, 239, 290, 307 f., 311, 342, 368, 440, 465, 486, 526, 689, 693  f., 826  f., 829, 848 f., 1028 – nationale  890, 920, 932 – Österreichs  549 – Preußens  534, 549, 1044 – Ungarns  271 Union, Unionspolitik  117, 128, 379, 541, 584–587, 898 – nordamerikanische  589 – Schweiz  589  Unitarismus  126, 372, 555 Universität(en), Universitätsstudium  15, 43, 71, 108, 170–172, 177, 221, 543, 679, 1069  Unterhaus  215, 217  Urheberrecht  XXXVII, 137, 144, 249, 449, 676–689, 1036  Vaterland  XXIV, 24, 44, 47 f., 164, 168, 171, 173, 179, 203, 219–221, 225, 251, 271, 300, 331, 405, 409, 412, 414, 416, 425, 433, 435, 451, 496, 520 f., 565, 591–593, 620, 628, 630, 633, 661–665, 696, 736, 749, 879 f., 883, 918, 920, 922, 931, 970, 984, 996, 1002, 1006 f., 1017, 1044, 1046, 1048, 1052, 1068, 1074 vaterländische Gefühle/Gesinnung  49, 227 vaterländische Interessen  21, 265, 457 Vaterlandsfreunde  115, 629, 930 Vaterlandsverrat 83 Vereine, Vereinsrecht, Vereinswesen  90, 137, 144, 249, 362, 364, 449, 594, 598–600, 603 f., 675, 714–716, 726–731, 822, 829, 832, 838, 842 f., 847–851 – nationale/politische  XXVIII, XXXVIII, LIV f., 846, 847–851  – revolutionäre  830 Verfassung, Verfassungsrecht

1151

– bundesstaatliche  LXVII, 1018 – Baden  347 – deutsche(s)/Deutschlands  XXXIII, LXVII, 38, 79, 80, 113, 191, 193, 264, 272, 433, 435, 437 f., 542, 607, 861, 863, 908, 929, 970, 998, 1003, 1018, 1048, 1052, 1061 – Einzelstaaten  XXX, 62, 79, 230, 252 f., 258–261, 276, 297, 300, 324 f., 327, 338, 429, 453, 554 – England  525 – Holstein  767, 789, 945 – landständische  26, 62, 389, 767, 788 f. – nationale(s)  256, 922 – Österreich  328, 1056  – Polen  834 – Preußen  1055  – Sachsen  399, 404 – Schleswig-Holstein  XXXVIII, XL, 97, 495, 562, 564, 601 f., 1067 – Schweiz  162 f., 166 f., 178 Verfassungskonflikt in Preußen  XIV, 30, 1055 f. Verkehr, Verkehrswesen  LXIII, 92, 137, 160, 174, 954, 958, 980  Versammlung der Bundesabgeordneten  240, 242, 244, 246–251, 264, 303, 310, 314, 327, 335–340, 343–345, 356, 362, 365 f., 378 f., 393, 402, 407, 431, 440, 443, 445– 451, 487 f., 515, 517, 543 → Abgeordnetenversammlung, deutsche Versammlungsrecht  598 f. Verteidigung, Verteidigungsanstalten  XXIII, 12, 73, 136, 139 f., 183, 245, 308 f., 445, 537, 564, 916, 944, 948, 954, 958, 980, 983 f., 1030, 1036 Veto, Vetorecht  XXXV f., 85, 154, 193, 261, 387, 461, 466–468, 472, 478, 513 f., 517, 523, 533, 536–538, 545, 547–550, 581– 585, 589 Vierkönigsbündnis (1850)  128  Völkerbund 76 Völkerrecht  XLI, LVII, LXIX f., 54, 100, 137, 139, 146, 242, 295, 311, 340, 386, 391, 415, 443, 527, 601, 605, 623, 637, 697, 699, 740, 789, 826, 866 f., 877, 911, 943 f., 951, 1019, 1027, 1036, 1071, 1074 Völkerschlacht bei Leipzig (1813)  75, 277, 520  Volk, bayerisches  1010 Volk, deutsches / Völker, deutsche  XXVIII, XXX, XXXIV, XLIV, LVIII, LX, LXVII, 20–22, 32 f., 39, 45 f., 48 f., 85, 203, 219 f., 225, 256, 258, 267, 270 f., 278 f., 281, 289, 299, 307 f., 338, 343, 369, 405, 412, 416,

1152

Register

433, 470, 482, 483, 490, 520, 589, 591, 593–595, 606–609, 621, 626 f., 631–633, 645, 662, 665, 694, 750, 758, 783, 796, 817–819, 835–837, 879, 881 f., 907–910, 917–919, 923, 925, 933, 963, 970, 975, 978, 998–1001, 1003, 1006, 1010, 1017 f., 1044–1046, 1056, 1068, 1074 – Bedürfnisse  308, 922, 978 – Interessen  46, 281, 469 f., 758, 796 Volk, deutschösterreichisches  625 Volk, preußisches  279, 463, 469 f., 480 f., 493, 625, 819, 970, 1044, 1046, 1055 f. Volksgeist  XLVI, 190, 691  Volkseinheit 278 Volkspartei 1057 – demokratische  695 – Frankfurter  268 Volksrechte  270 f., 564, 628 Volksrepräsentation 263 Volksvertretung(en) – bayerische  926 – deutsche/am Bund XIX, XXI–XXIII, XXVI, XLIII, XLVIII, LX, LXVI, 21, 38, 57, 84, 103, 117, 126, 137, 140, 142–145, 149, 183, 217, 219, 273, 335, 338, 340 f., 343 f., 408, 431, 470, 472, 524, 526, 545, 553, 555, 581, 590, 659, 675, 696, 705, 918 f., 940, 947, 949, 975, 1035, 1061, 1063, 1068 – einzelstaatliche  XVIII, XXII, 27, 79, 150, 154, 694, 796 → Landstände – der Mittel- und Kleinstaaten  636, 692 – preußische  526, 925 Volkswahl(en)  LX, LXVII, 21, 39, 118, 191, 324, 338–340, 344, 431 f., 478, 516, 537, 540, 589, 923, 930, 1003 Volkswille  564, 644, 752, 814, 822, 969 Volkswünsche 269 Vormärz  132, 388, 665 Vorparlament  108, 850 Wachensturm (1833)  374, 828, 848 Wahlen, Wahlrecht  LXII, LXVIII, 21, 178, 323 f., 339 f., 448 f., 532, 923, 940, 954, 958, 960, 970, 1003, 1015, 1063, 1063 – direkte  XXXV, LX, 110, 117 f., 191, 200, 204, 219, 324, 338–340, 415, 431 f., 469, 472, 478, 489, 516 f., 524 f., 532 f., 537, 540, 545, 548, 553 f., 581, 587, 589, 875, 885, 896, 924, 926, 930, 937, 947 f., 958, 1036 – freie  LI, LXVII, 39, 532, 802, 841, 970, 1003, 1018 Wechselrecht  LXIII, 87, 91, 636, 958  Wehrvereine  594, 604

Weltherrschaft Deutschlands  665 Westfälischer Frieden (1648)  625  Wetterauer Bote  LXVIII, 1044–1047  Wiener Abendpost  239, 274, 544 Wiener Frieden (1864)  XLVII, 650, 693, 733, 765 f., 769, 780, 803 f., 806, 808, 888, 894, 910, 933, 942–944, 951, 966, 981, 983, 1011, 1017, 1026 f. Wiener Kabinett  XLIX, 15 f., 18 f., 156–158, 294, 528, 635, 708, 722, 724 f., 829, 885 f., 890, 950 f., 992, 994 Wiener Konferenzen (1862)  59, 65, 117 Wiener Kongreß (1815)  196, 697, 1074  Wiener Kongreßakte (1815)  183, 379, 486  Wiener Lloyd  1073 Wiener Ministerialkonferenzen (1819/20)  44, 53, 141, 364 Wiener Ministerialkonferenzen (1834)  XXIV Wiener Schlußakte (1820)  XXIV, 380, 537  – Artikel 1  311, 486 – Artikel 2  618 – Artikel 5  1033, 1039, 1041 f.  – Artikel 12  88  – Artikel 13  37, 65, 67, 69, 87  – Artikel 14  52, 81  – Artikel 15  777  – Artikel 18  1023, 1025, 1027 – Artikel 19  859, 869, 878, 902, 930, 973, 975, 987, 1011, 1023, 1025–1027, 1029  – Artikel 20  252, 452, 1025, 1027, 1029  – Artikel 21  1024 – Artikel 24  255 f., 456 – Artikel 25  65, 351, 357–360, 377, 444 – Artikel 26  351, 357–360, 377, 444 – Artikel 27  351, 357, 359 f., 377, 444 – Artikel 28  351, 357, 359 f., 377, 444 – Artikel 29  255, 456 – Artikel 32  64 f. – Artikel 35  308, 1028 – Artikel 36  243, 333, 444, 488, 618 – Artikel 37  243, 333, 444, 488 – Artikel 38  618 – Artikel 39  564 – Artikel 40  467 – Artikel 45  243, 333, 444 – Artikel 46  148, 158  857, 867, 877  – Artikel 47  148, 158, 334, 867, 877 f.  – Artikel 53  64 – Artikel 55  64 – Artikel 58  62  – Artikel 61  64  – Artikel 64  37, 45, 47, 52–56, 59–63, 67 f., 81, 86, 89, 92 f., 101, 104 f., 957 Wiener Zeitung  206, 439 

Sachregister Wienerisches Diarium  206  Wissenschaft  163, 169–171, 173, 175  f., 179 f., 492 f., 500, 645, 683, 864, 1007 Wochenblatt des Deutschen Reformvereins  239 Wohlfahrt – des Deutschen Bundes  864 – Deutschlands, der deutschen Nation XXV, XXIX, 113, 185, 193, 226, 239, 270–273, 310, 440, 486, 545, 712, 915, 975  – des Vaterlandes  44, 433, 920  – gesellschaftliche  492  Wohlstand  168, 703, 907, 969, 1017  Würzburger Konferenz (1859/60/61)  19, 705 Würzburger Politik  19 Würzburger (Regierungen/Staaten)  74, 109– 112  Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 15 Zentralgewalt, Zentralregierung Deutschlands/ des Deutschen Bundes  10, 21, 38, 102, 109 f., 181, 204, 218, 272 f., 468, 472, 513, 515, 528, 549, 553, 657, 659, 692, 694, 736, 918, 937, 954, 997–999 → Bundesexekutive

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Zentralgewalt, provisorische (1848/49)  15, 269  Zentraluntersuchungskommission, Mainzer  XII Zirndorffer’sches Intelligenzblatt  239 Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit  390 Zivil- und Kriminalgesetzgebung, Zivil- und Strafrecht  XII, 61, 174, 253, 453  Zivilprozeßordnung, allgemeine deutsche  XV, XXXVII, LXIII, 5, 10, 38, 78, 87, 92– 94, 98, 106, 127, 154, 957, 980, 1036, 1051  Zölle  LXIII, 806, 958, 980, 1036 Zolleinigung, deutsche  45, 160, 724 Zollgesetzgebung  954, 958, 980, 1036 Zollkonferenz, Berliner (1863)  518 Zollparlament  15, 161, 706, 1008 Zollverein, Deutscher  7, 167, 208, 463, 486, 518 f., 691, 805 f., 922, 945, 1002, 1051, 1054  Zollwesen  LXIII, LXVI, 128, 318, 691, 724, 1036  Zunftzwang 167

Der Si”u ng–saal der Fü r‰e n i m Thurn- und Taxi –’s¡en Pal ai – i n Frankfurt a. M.

Na¡ einer Originalzei¡nung von W. A. Beer, von E. Hartmann.